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Der drohende Hausärztemangel im<br />

Kanton <strong>Schaffhausen</strong>:<br />

Fakten & Ansichten<br />

Maturaarbeit <strong>von</strong> <strong>Lukas</strong> <strong>Funke</strong><br />

Betreut <strong>von</strong> Dr. Pablo Zarotti<br />

Kantonsschule <strong>Schaffhausen</strong><br />

06.12.2011


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Einleitung..................................................................................................3<br />

1.1. Motivation .................................................................................................................. 3<br />

1.2. Einführung in das Thema ............................................................................................ 3<br />

1.3. Leitfragen.................................................................................................................... 4<br />

1.4. Vorgehen .................................................................................................................... 5<br />

2. Methode...................................................................................................6<br />

2.1. Umfrage bei den Hausärzten ...................................................................................... 6<br />

2.2. Interview..................................................................................................................... 6<br />

3. Resultat der Umfrageerhebung.................................................................7<br />

3.1. Demographische Angaben.......................................................................................... 7<br />

3.2. Einzel-­‐ oder Gruppenpraxis......................................................................................... 8<br />

3.3. Ausstieg aus dem Hausarztberuf ................................................................................ 8<br />

3.4. Arbeitszeit................................................................................................................... 9<br />

3.5. Pläne betreffend dem zukünftigen beruflichen Engagement................................... 10<br />

3.6. Die Frage der Nachfolge............................................................................................ 10<br />

3.7. Medikamentenabgabe.............................................................................................. 11<br />

3.8. Attraktivität des Hausarztberufes............................................................................. 12<br />

3.9. Hauptgründe des drohenden Hausärztemangels ..................................................... 13<br />

3.10. Ausbildung der Hausärzte....................................................................................... 14<br />

3.11. Attraktivität der Einzel-­‐ und Gruppenpraxis ........................................................... 15<br />

3.12. Selbstständigkeit der Hausärzte ............................................................................. 15<br />

3.13. Teilzeitstellen.......................................................................................................... 16<br />

3.14. Feminisierung ......................................................................................................... 16<br />

3.15. Die ärztliche Grundversorgung in der Zukunft........................................................ 17<br />

3.16. Befindlichkeit der Hausärzte................................................................................... 17<br />

4. Diskussion...............................................................................................19<br />

4.1. Zukunftsszenario....................................................................................................... 19<br />

4.2. Gründe des Hausärztemangels ................................................................................. 19<br />

4.3. Politische Situation ................................................................................................... 32<br />

1


4.4. Folgen für die Zukunft............................................................................................... 35<br />

5. Schlussfolgerungen .................................................................................36<br />

5.1. Beantwortung der Leitfragen.................................................................................... 36<br />

6. Zusammenfassung ..................................................................................38<br />

7. Danksagung ............................................................................................39<br />

8. Quellen...................................................................................................40<br />

8.1. Literatur-­‐ und Internetquellen.................................................................................. 40<br />

8.2. Abbildungsverzeichnis .............................................................................................. 42<br />

9. Anhang ...................................................................................................44<br />

9.1. Der Umfragebogen ................................................................................................... 44<br />

9.2. Das Interview ............................................................................................................ 48<br />

2


1. Einleitung<br />

1.1. Motivation<br />

Durch den Arztberuf meines Vaters komme ich seit meiner Kindheit in den Kontakt mit<br />

gesundheitspolitischen Themen. Mit dem Alter wuchs auch mein Interesse an<br />

gesellschaftlichen und politischen Diskussionen. Heute ist der Hausärztemangel in der<br />

Schweiz ein aktuelles Thema und auch bei uns Zuhause wurde darüber gesprochen. Ich<br />

fragte meinen Vater, was es mit diesem Hausärztemangel auf sich habe. Er erklärte mir die<br />

Situation, in der sich die Hausärzte, aber auch das schweizerische Gesundheitssystem<br />

befindet. Ich war überrascht über die grossen Probleme der Hausarztmedizin, in einem<br />

fortschrittlichen, wohlhabenden Land wie der Schweiz. Ich fragte mich, wieso man nichts<br />

dagegen unternimmt. Es schien mir interessant, näher auf diese Problematik einzugehen<br />

und sie zu analysieren. Ich wollte genau wissen, wie die Situation wirklich aussieht, was man<br />

dagegen tun kann, wieso man nichts dagegen getan hat, was dieser Mangel für Folgen haben<br />

könnte. Nächstes Jahr beabsichtige ich das Studium der Humanmedizin an der Universität<br />

Zürich in Angriff zu nehmen. Mein Maturaarbeitsthema mit meinem Berufswunsch zu<br />

kombinieren empfand ich ideal und damit war die Idee für mein Thema geboren.<br />

1.2. Einführung in das Thema<br />

Das Schweizerische Gesundheitswesen basiert auf 3 Säulen: Der Hausarztmedizin, der<br />

Spezialisten mit eigenen Praxen und der Spitäler. Die Hausärzte und Hausärztinnen<br />

behandeln 80-­‐90% der Patienten abschliessend, ohne sie an einen Spezialisten oder in ein<br />

Spital zu überweisen. Obwohl sie den grössten Teil an Patientenbehandlungen bewältigen,<br />

betragen die Kosten der Hausarztmedizin lediglich 7% der gesamten Gesundheitskosten in<br />

der Schweiz. Eine gut funktionierende Hausarztmedizin hilft somit die Kosten im<br />

Gesundheitswesen tief zu halten. 1<br />

Um die heutige Anzahl der Hausärzte halten zu können, wären jährlich 160 neue Hausärzte<br />

erforderlich. Im Durchschnitt der letzten 10 Jahre waren es jeweils weniger als 120. Gemäss<br />

1 http://www.hausaerzteschweiz.ch/de/ueber-­‐uns.html, Stand 06.10.2011<br />

3


einer Empfehlung des „OECD Health Project“ 2 wären für ein hausarztzentrisches<br />

Gesundheitswesen 1 Hausarzt auf 1'000 Einwohner nötig. Für die Schweiz würde dies eine<br />

Zahl <strong>von</strong> 7'700 Hausärzten bedeuten. Um dieses Ziel erreichen zu können, müssten jährlich<br />

270 neue Hausarztpraxen eröffnet werden. 3 Zudem werden uns, laut der Hausärztin und<br />

Nationalrätin Marina Carobbio, wegen geplanter Einstellungen der Praxistätigkeit bis zum<br />

Jahr 2016 ungefähr die Hälfte, rund 3200 Hausärzte, und bis zum Jahr 2021 ca. drei Viertel,<br />

rund 4700 Hausärzte, fehlen. 4<br />

Die Aussage ist klar, die Schweiz braucht langfristig gesehen mehr Hausärzte. Die Ausbildung<br />

zusätzlicher Hausärzte muss gefördert werden, sonst droht uns ein baldiger<br />

Hausärztemangel und das schweizerische Gesundheitssystem steuert auf eine ungewisse<br />

Zukunft hin. Auch Bundesrat Didier Burkhalter hat dies erkannt und festgestellt, dass das<br />

Gesundheitswesen der Schweiz <strong>von</strong> der Gesundheitspersonalpolitik des Auslands abhängig<br />

ist. 5<br />

1.3. Leitfragen<br />

In meiner Maturaarbeit beschäftige ich mich mit dem drohenden Hausärztemangel im<br />

Kanton <strong>Schaffhausen</strong>. Allgemein wird vom Hausärztemangel in der ganzen Schweiz<br />

gesprochen und gewarnt. Meine Untersuchung soll die Situation des Kantons <strong>Schaffhausen</strong><br />

erfassen und mit derjenigen in der Schweiz im Allgemeinen verglichen werden. Ist der<br />

drohende Hausärztemangel in <strong>Schaffhausen</strong> weniger, gleich oder stärker ausgebildet als der<br />

prognostizierte in der Schweiz? Folglich lautet meine erste Leitfrage:<br />

• Wie stark ist der Hausärztemangel, der dem Kanton <strong>Schaffhausen</strong> in den nächsten<br />

Jahren droht?<br />

Warum droht ein Hausärztemangel in <strong>Schaffhausen</strong>? Wer hat Schuld daran? Hat man zu spät<br />

auf den drohenden Mangel reagiert? Zusammengefasst lautet meine zweite Leitfrage:<br />

• Was sind die Ursachen des drohenden Hausärztemangels?<br />

2 Das “OECD Health Project” ist eine Studie der Organisation für Wirtschaftliche Entwicklung und<br />

Zusammenarbeit (OECD) zum Gesundheitswesen in den Industrieländern.<br />

3 http://www.hausaerzteschweiz.ch/hausarztmedizin/bedarf-­‐an-­‐hausaerzten, Stand 2.12.2011<br />

4 Carobbio M., Nationalrätin TI, Vizepräsidentin der SP Schweiz, Hausärztin, Die Grundversorgung zu<br />

gewährleisten ist Aufgabe der öffentlichen Hand, Bern, 27. Januar 2011<br />

5 De Haller J., Gesundheitspolitische Standpunkte und Empfehlungen der FMH, Bern, 25.02.2011<br />

4


Sind die Ursachen bekannt, gilt es Lösungen zu finden, wie das Problem behoben werden<br />

kann. Dabei können auch neue Ideen und Strategien im Gesundheitswesen berücksichtigt<br />

und miteinbezogen werden. Meine dritte Leitfrage lautet:<br />

• Wie könnte der drohende Hausärztemangel gemildert/abgefangen werden?<br />

Angenommen der Hausärztemangel wird real, was bedeutet das für unser<br />

Gesundheitssystem? Wäre die medizinische Grundversorgung in Gefahr? Welche<br />

Einschränkungen würde das für die Bevölkerung nach sich ziehen? Deshalb heisst meine<br />

vierte und letzte Leitfrage:<br />

• Was wären die Folgen eines Hausärztemangels?<br />

1.4. Vorgehen<br />

Zuerst werde ich das Interview der Hausärztebefragung im Kanton <strong>Schaffhausen</strong> auswerten,<br />

dann die Ergebnisse diskutieren, mit Einbezug des Interviews mit dem Studenten und der<br />

Literaturrecherche, um schliesslich meine Leitfragen zu beantworten. Die Arbeit beende ich<br />

mit einer Zusammenfassung meiner Arbeit.<br />

5


2. Methode<br />

Zur Datenerhebung meiner Fragestellung dient ein Umfragebogen bei Hausärzten im Kanton<br />

<strong>Schaffhausen</strong>, ein Interview mit einem Studenten der Humanmedizin im 8. Semester,<br />

Angaben der Kantonalen Ärztegesellschaft <strong>Schaffhausen</strong> (KÄG SH) sowie eine<br />

Literaturrecherche.<br />

2.1. Umfrage bei den Hausärzten<br />

Der Umfragebogen wurde an alle 66 Hausärzte des Kantons <strong>Schaffhausen</strong> verschickt. Die<br />

Rücklaufquote betrug 84 % innerhalb <strong>von</strong> zwei Monaten, dies entspricht 56<br />

zurückgesendeten Umfragebögen. Der Hausärztemangel scheint für die Hausärzte ein<br />

brisantes Thema zu sein. Die hohe Beteiligung macht die Umfrage aussagekräftig. Der<br />

Fragebogen wurde anonymisiert zugestellt.<br />

Den Umfragebogen finden sie im Anhang (9.1.).<br />

2.2. Interview<br />

Um einen Einblick in die aktuelle Ausbildung zu erhalten, aber auch um häufig genannte<br />

Argumente, wie zum Beispiel „Die Hausarztmedizin hat ein schlechtes Image an der Uni“,<br />

überprüfen zu können, habe ich Ende September ein Interview mit einem Medizinstudenten<br />

durchgeführt, welcher sich im achten Semester des Humanmedizinstudiums befindet.<br />

Das Interview finden sie im Anhang (9.2.).<br />

6


3. Resultat der Umfrageerhebung<br />

Die Zahlen und Daten für die Resultate beziehe ich, wenn nicht anders angegeben, aus<br />

meiner Umfrage. Der Einfachheit halber werde ich den Begriff „Hausärzte“ verwenden,<br />

damit meine ich selbstverständlich Hausärztinnen sowie Hausärzte.<br />

3.1. Demographische Angaben<br />

3.1.1. Geschlecht<br />

Die Umfrage ergab, dass 68% der befragten Hausärzte männlichen Geschlechts sind. Knapp<br />

ein Drittel der Befragten, 32%, sind Frauen.<br />

3.1.2. Alter<br />

Das Durchschnittsalter aller antwortenden Hausärzte beträgt 55 Jahre. Bei den Männern<br />

liegt der Schnitt bei 56.1 Jahren. Die Frauen sind im Durchschnitt jünger, nämlich 52.8 Jahre,<br />

was in der folgenden Grafik dargestellt ist (Abb. 1).<br />

Abb. 1: Durchschnittsalter der Hausärzte<br />

3.1.3. Verteilung der Hausärzte auf Stadt und Land<br />

Es ist wichtig die Hausärzte in der Stadt (vereinfachend für <strong>Schaffhausen</strong> und Neuhausen)<br />

und die Hausärzte auf dem Land (übrige Gemeinden des Kantons) separat zu betrachten, da<br />

Stadt und Land verschieden Rahmenbedingungen bieten (z.B. Medikamentenabgabe).<br />

68% der Befragten üben ihre Tätigkeit in der Stadt aus, 32% auf dem Land.<br />

7


Die Umfrage zeigt einen deutlichen Unterschied in der Geschlechterverteilung zwischen<br />

Stadt und Land. In der Stadt sind 42% der Hausärzte weiblich während auf dem Land nur<br />

11% der Hausärzte Frauen sind (Abb. 2)<br />

Abb. 2: Praxisstandort und Geschlechterverteilung der Hausärzte<br />

3.2. Einzel-­‐ oder Gruppenpraxis<br />

Arbeiten sie in einer Gemeinschaftspraxis?<br />

30 der Befragten Hausärzte arbeiten in einer Gemeinschaftspraxis, während 26 Hausärzte in<br />

Einzelpraxen praktizieren. Auf dem Land arbeiten 30% der Hausärzte in einer Gruppenpraxis,<br />

während 70% in einer Einzelpraxis tätig sind. In der Stadt kehrt sich das Bild. Hier arbeiten<br />

mehr Ärzte in einer Gruppenpraxis, nämlich 60%, 40% sind in einer Einzelpraxis aktiv (Abb. 3)<br />

Abb. 3: Verteilung Einzel/Gruppenpraxen<br />

3.3. Ausstieg aus dem Hausarztberuf<br />

Wie lange gedenken sie noch als Hausarzt zu arbeiten?<br />

8


22 Hausärzte beabsichtigen noch 0-­‐5 Jahre zu arbeiten. 15 Hausärzte gedenken noch 5-­‐10<br />

Jahre ihrer Tätigkeit nachzugehen und 19 Hausärzte planen ihren Beruf noch mehr als 10<br />

Jahre auszuüben. Es wird deutlich, dass ein Grossteil der Hausärzte nach 0-­‐5 Jahren ihre<br />

Praxistätigkeit aufgibt. Zudem sind im Jahre 2021 67% der Hausärzte altershalber in Pension<br />

(Abb. 4).<br />

Abb. 4: Anzahl Hausärzte in 0, 5 und 10 Jahren unter Berücksichtigung der Pensionierungsabsichten<br />

3.4. Arbeitszeit<br />

Wie hoch ist ihre Gesamtarbeitszeit pro Jahr in Stunden?<br />

Für die Schweiz gilt formal, nach Vorgabe des Tarmed-­‐Tarifwerkes eine ärztliche<br />

Jahresarbeitszeit <strong>von</strong> 1920 Stunden als ein Vollzeitpensum. Meine Berechnungen stützen<br />

sich auf ein Vollzeitpensum <strong>von</strong> 44 Wochen (52 Wochen – 4 Wochen Ferien, 2 Wochen<br />

Fortbildung, 2 Wochen Feiertage= 44 Wochen). 6<br />

Die männlichen Hausärzte arbeiten zusammen jährlich 80280 Stunden, die weiblichen<br />

Hausärzte 23595 Stunden. Das heisst, dass 77% der Hausarztmedizin durch die Hausärzte<br />

und 23% durch die Hausärztinnen bewältigt wird. Im Durchschnitt arbeitet ein Hausarzt 54<br />

Stunden pro Woche. Die durchschnittliche Hausärztin arbeitet 34 Stunden pro Woche.<br />

Ein Hausarzt (männlich und weiblich) in einer Gruppenpraxis arbeitet durchschnittlich 44<br />

Stunden pro Woche, in einer Einzelpraxis arbeitet er/sie durchschnittlich 51 Stunden pro<br />

Woche.<br />

6 Giger J., Dissertation: Hausärztliche Versorgungssituation 2005, Institut für Hausartmedizin der Universität<br />

Basel, Dezember 2008, S.82<br />

9


3.5. Pläne betreffend dem zukünftigen beruflichen Engagement<br />

Gedenken sie ihre Arbeitszeit in den nächsten Jahren zu reduzieren/erhöhen?<br />

Die Umfrage ergibt, dass 63% der Hausärzte ihr zukünftiges Arbeitspensum anders planen.<br />

46% aller Hausärzte wollen ihre Arbeitszeit in den nächsten Jahren um 10-­‐30% reduzieren.<br />

9% der Hausärzte möchten ihre Arbeitszeit um mehr als 30% senken. Ihre Arbeitszeit<br />

erhöhen wollen 7% aller Hausärzte (Abb. 5).<br />

Abb. 5: Prozentuale Reduzierungs/Erhöhungsabsichten nach Hausärzten<br />

3.6. Die Frage der Nachfolge<br />

Denken sie, dass es schwierig wird eine/n Nachfolger/in zu finden?<br />

55 Hausärzte beantworteten diese Frage und das Resultat fällt sehr deutlich aus. 96% der<br />

Hausärzte denken, dass es schwierig wird eine/n Nachfolger/in zu finden. Nur 4% der<br />

Hausärzte behaupten das Gegenteil, diese 4% (entspricht 2 Hausärzten) haben aber auch<br />

schon eine/n Nachfolger/in gefunden. Mit der Folgefrage sollen die möglichen Gründe für<br />

einen Hausärztemangel erläutert werden.<br />

Falls ja, wieso? (Mehrfachnennungen möglich)<br />

Die Hausärzte legen die Schwergewichte des Nachfolgeproblems auf den Mangel an<br />

Hausärzten und das geringe Einkommen. Weniger wichtig sind die mangelnde Freizeit und<br />

die Unattraktivität des Berufes (Abb. 6).<br />

10


Abb. 6: Anteile der Antworten auf die Frage „Wieso wird es schwierig eine/n Nachfolger/in zu finden?“<br />

Unter dem Punkt „Anderes“ schrieben die Hausärzte folgende Gründe (Einzelnennungen):<br />

• Fehlendes Prestige gegenüber Spezialisten<br />

• Zukünftige Hausärztezentren in grösseren Orten (schlecht für Rekrutierung der<br />

Landärzte)<br />

• Desinteresse an unternehmerischer Tätigkeit<br />

• Unternehmerisches Risiko<br />

• Zunehmende administrative Hürden<br />

• Ungünstige Bedingungen in der Region <strong>Schaffhausen</strong> (Taxpunktwert zu tief, fehlende<br />

direkte Medikamentenabgabe in der Stadt)<br />

• Notfalldienstbelastung zu hoch<br />

3.7. Medikamentenabgabe<br />

Spielt die direkte Medikamentenabgabe (DMA) bei der Praxiswahl eine Rolle?<br />

91% (siehe 5.2.7) der Hausärzte haben diese Frage mit ja beantwortet. 9% der Hausärzte<br />

sind der Meinung, dass die DMA bei der Praxiswahl keine Rolle spielt. Von den 5 Hausärzten,<br />

die diese Frage mit Nein beantwortet haben, praktizieren 2 auf dem Land und 3 in der Stadt.<br />

11


Dürfen sie Medikamente abgeben? (DMA)<br />

68% der Hausärzte dürfen keine Medikamente abgeben. Die restlichen 32% können direkt<br />

Medikamente abgeben.<br />

3.8. Attraktivität des Hausarztberufes<br />

Wie könnte man den Hausarztberuf attraktiver gestalten? (Mehrfachnennungen möglich)<br />

Gemeinschaftspraxen und bessere Verdienstmöglichkeiten sehen die Hausärzte als beste<br />

Möglichkeiten, um ihren Beruf attraktiver zu gestalten (Abb.7).<br />

Abb. 7: Anteile der Antworten auf die Frage „Wie könnte man den Hausarztberuf attraktiver gestalten?"<br />

Unter dem Punkt „Anderes“ wurden folgende Gründe genannt (Einzelnennungen):<br />

• Publicity, Image verbessern<br />

• Weniger staatliche Einschränkungen<br />

• DMA in der Stadt<br />

• Kommunale Gesundheitszentren<br />

• Geringere Belastung durch Notfalldienst<br />

• Förderung bei der Ausbildung<br />

• Lenkungsmassnahmen durch Politik<br />

• Weniger Bürokratie (Weniger Versicherungsberichte, weniger administrativer<br />

Aufwand)<br />

• Förderung durch Vorbilder, die Freude haben am Beruf<br />

12


3.9. Hauptgründe des drohenden Hausärztemangels<br />

Was sind für sie die Hauptgründe des drohenden Hausärztemangels?<br />

Bei dieser Frage konnte jeder Befragte drei Gründe nennen. Diese werden nach<br />

Themengruppen sortiert und die jeweils am häufigsten Genannten aufgelistet.<br />

Ursachen in der Ausbildung: (34 Nennungen)<br />

1. Fehlende Studienplätze/Zu wenige ausgebildete Ärzte (32%)<br />

2. Numerus Clausus (18%)<br />

3. Feminisierung (15%)<br />

Rahmenbedingungen des Hausarztberufes: (55 Nennungen)<br />

1. Schlechtes Verhältnis Verdienst/ Arbeitszeit (58%)<br />

2. Schlechte Tarife (11%)<br />

3. Bürokratie/Bericht(un)wesen (7%)<br />

Politik: (10 Nennungen)<br />

1. Mangelnde Unterstützung der Hausärzte durch die Politik (40%)<br />

2. Verfehlte Gesundheitspolitik (30%)<br />

3. Die Politik spart am falschen Ort (10%)<br />

Ansehen/Attraktivität: (32 Nennungen)<br />

1. Spezialisierung ist attraktiver (25%)<br />

2. Imageproblem (22%)<br />

3. Fehlende Wertschätzung (13%)<br />

4. Lohnschere zwischen Hausärzten und Spezialisten (13%)<br />

Einen Überblick über die Hauptgründe des Hausärztemangels gibt Abb. 8.<br />

13


Abb. 8: Anteile der 4 Hauptgruppen am drohenden Hausärztemangel<br />

3.10. Ausbildung der Hausärzte<br />

Wo sehen sie die Probleme bei der Ausbildung der Hausärzte? (Mehrfachnennungen<br />

möglich)<br />

Die ungenügende Betreuung und Kanalisierung während der Ausbildung wird <strong>von</strong> den<br />

Hausärzten als grösstes Problem angesehen. Gefolgt vom Numerus Clausus und den<br />

fehlenden Studienplätzen (Abb. 9).<br />

Abb. 9: Anteile der Antworten auf die Frage „Wo sehen sie die Probleme bei der Ausbildung der Hausärzte?"<br />

Unter dem Punkt „Anderes“ schrieben die Hausärzte folgende Gründe (Einzelnennungen):<br />

14


• Politische Situation<br />

• Image<br />

• Aktuelle Zukunftsperspektive ungewiss/mangelhaft<br />

• Ungenügender Kontakt mit der Hausarztmedizin in der Ausbildung<br />

• Medizin studieren ist weniger „in“<br />

• Job als KMU nicht rentabel<br />

• Schwer, curriculumartige 7 Stellen zu erhalten als Assistenzarzt<br />

• Zu wenige Praxisassistenzplätze<br />

• Spezialisierung wird gefördert<br />

• Falsches/schlechtes Berufsbild an der Uni<br />

• Feminisierung,<br />

• Ungenügende Starthilfe<br />

• Fehlende Wertschätzung, Prestige<br />

• Fehlende Ausbildung in Hausarztpraxis, Kommunikation, Buchhaltung, Unter-­‐<br />

nehmensführung, Fremdsprachen.<br />

3.11. Attraktivität der Einzel-­‐ und Gruppenpraxis<br />

Ist der Hausarztberuf attraktiver in einer Einzel-­‐ oder in einer Gruppenpraxis?<br />

46% der Hausärzte sind der Meinung, dass der Hausarztberuf in einer Gruppenpraxis<br />

attraktiver ist. 54% geben an, dass der Hausarztberuf sowohl in einer Einzelpraxis als auch in<br />

einer Gruppenpraxis attraktiv sein kann. Kein einziger der Befragten gibt an, dass der<br />

Hausarztberuf in einer Einzelpraxis attraktiver ist.<br />

3.12. Selbstständigkeit der Hausärzte<br />

Sollte der Hausarzt selbständig oder angestellt arbeiten? (Mehrfachnennungen möglich)<br />

Die Hausärzte favorisieren das Praxismodell „Selbstständig in Gruppenpraxis“. „Selbständig<br />

in einer Einzelpraxis“ folgt an zweiter, „angestellt <strong>von</strong> einer Ärzte-­‐AG“ an dritter Stelle. Nur<br />

4% können sich vorstellen Arbeitnehmer einer anderen juristischen Person (Unternehmer)<br />

zu sein. Keiner wünscht ,Angestellter einer Versicherung zu sein (z.B. Swica-­‐Modell). Die<br />

7 Curriculum = Lehrprogramm<br />

15


Hausärzte bevorzugen also eine selbständige Tätigkeit (85%), sei dies in einer Einzel-­‐ oder<br />

Gruppenpraxis (Abb. 10).<br />

Abb. 10: Anteile der Antworten auf die Frage „Sollte der Hausarzt selbständig oder angestellt arbeiten?“<br />

3.13. Teilzeitstellen<br />

Sollten mehr Teilzeitstellen geschaffen werden?<br />

86% beantworteten diese Frage mit einem Ja, 13% mit einem Nein.<br />

Falls ja, wie?<br />

59% bevorzugen eine Teilzeitstelle. 41% möchten im Jobsharing arbeiten.<br />

3.14. Feminisierung<br />

Stellt die Feminisierung ein Problem für die Hausarztmedizin dar?<br />

Die Hälfte der Hausärztinnen und zwei Drittel der Hausärzte, sehen ein Problem in der<br />

Feminisierung (Abb. 11).<br />

16


Abb. 11: Feminisierung als Problem<br />

3.15. Die ärztliche Grundversorgung in der Zukunft<br />

Sehen sie die ärztliche Grundversorgung in Zukunft gefährdet?<br />

Die Umfrage zeigt, dass 95% der Hausärzte die ärztliche Grundversorgung in Zukunft als<br />

gefährdet sehen. Nur 5% der Hausärzte verneinen diese Frage.<br />

Falls ja, inwiefern? (Mehrfachnennungen möglich)<br />

86% der Hausärzte sehen die ärztliche Grundversorgung in Zukunft durch die ungenügende<br />

Abdeckung des Bedarfes an ärztlicher Leistung gefährdet. Einen eingeschränkten<br />

Notfalldienst sehen 54% der Hausärzte als direkte Folge eines Hausärztemangels.<br />

Unter dem Punkt „Anderes“ wurden folgende Gründe genannt:<br />

• Unnötig teures Gesundheitswesen durch zu viele Spezialinteressen<br />

• Noch weniger Hausärzte, wenn die Attraktivität weiter sinkt<br />

• Fehlen eines Koordinators<br />

• Zu grosser Einfluss der Versicherungen und zu starke Reglementierung der Tätigkeit<br />

• Mangelnde Wertschätzung<br />

• Delegation <strong>von</strong> Verantwortung an Spitäler<br />

3.16. Befindlichkeit der Hausärzte<br />

Wie drücken sie ihre aktuelle Befindlichkeit gegenüber dem Hausarztberuf aus?<br />

(Mehrfachnennungen möglich)<br />

17


Die Mehrheit der Hausärzte (66%) ist mit ihrem Beruf zufrieden. Nur 4% sind unzufrieden.<br />

63% der Befragten haben Bedenken für die Zukunft des Hausarztberufes. 11% der Hausärzte<br />

würden heute einen anderen Beruf wählen (Abb. 12)<br />

Abb. 12: Befindlichkeit der Hausärzte<br />

Unter dem Punkt „Anderes“ schrieben die Hausärzte folgende Bemerkungen<br />

(Einzelnennungen):<br />

• Würde mich nicht mehr in <strong>Schaffhausen</strong> niederlassen<br />

• Frustriert wegen Bürokratie<br />

• Patienten verlangen Facharzt, was zu langweiligen Überweisungen führt<br />

• Würde Spezialität wählen<br />

• Setze mich im Rahmen der Standespolitik stark für bessere Rahmenbedingungen ein.<br />

18


4. Diskussion<br />

4.1. Zukunftsszenario<br />

Gemäss Angaben der Kantonalen Ärztegesellschaft <strong>Schaffhausen</strong> (KÄG SH) konnten in den<br />

vergangenen drei Jahren für zwei Praxen keine Nachfolger gefunden werden. 8 Laut meiner<br />

Umfrage wollen bis zum Jahr 2016 22 Hausärzte und bis zum Jahr 2021 weitere 15 Hausärzte<br />

ihre Tätigkeit einstellen. Das heisst, dass innerhalb der nächsten 5-­‐10 Jahre 37 (66%)<br />

Hausärzte altershalber ihren Beruf aufgeben und ersetzt werden müssen, um die ärztliche<br />

Grundversorgung gewährleisten zu können. Dabei handelt es sich um 63% Vollzeitstellen<br />

und 37 % Teilzeitstellen (durchschnittlich 56% Arbeitspensum), gemäss Berechnungen der<br />

KÄG SH. Gemäss einer Berechnung der FMH benötigen wir heute für die Übernahme eines<br />

Vollpensums ca. 1.3-­‐ 1.4 Ärzte, da die gleiche Arbeitsleistung <strong>von</strong> jüngeren Ärzten nicht<br />

mehr im gleichen Umfang geleistet werden möchte. Gründe sind der Wunsch nach mehr<br />

Freizeit, Familienleben und Zeit für Freunde. 9 Es resultiert ein Gesamtbedarf <strong>von</strong> ca. 40<br />

Hausärzten mit einem Vollpensum. Die zunehmende Lebenserwartung der Bevölkerung<br />

bedingt eine vermehrte ärztliche Betreuung und verstärkt zusätzlich den<br />

Grundversorgermangel. Um den zukünftigen Bedarf an Ärzten eigenständig decken zu<br />

können, müssten wir in der Schweiz laut einem Bericht des Bundesrats zwischen 1200 und<br />

1300 Ärzte und Ärztinnen pro Jahr ausbilden, 50% mehr als heute. 10 Die Zahlen sprechen<br />

eine deutliche Sprache. Ändern wir nichts, steuern wir in der Hausarztmedizin, aber auch in<br />

den Spezialdisziplinen, in Zukunft auf einen Mangel zu. 94% der befragten Hausärzte<br />

bestätigen dies und sehen die Hausarztmedizin in Zukunft gefährdet.<br />

4.2. Gründe des Hausärztemangels<br />

Was sind die Ursachen des drohenden Hausärztemangels?<br />

Mehrere Faktoren, die ich nachfolgend diskutieren möchte, sind für die heutige Situation<br />

verantwortlich.<br />

8 <strong>Funke</strong> E., Präsident der kantonalen Ärztegesellschaft <strong>Schaffhausen</strong><br />

9 König U., Hausarztmangel: Bericht der Arbeitsgruppe zur Förderung der<br />

Hausarztmedizin im Kanton St. Gallen, Primary Care 2005: Nr. 26-­‐27, S. 589<br />

10 Bericht des Bundesrates: Strategie gegen Ärztemangel und zur Förderung der Hausarztmedizin, 16.09.2011,<br />

S.6<br />

19


4.2.1. Ausbildung<br />

Ein grundlegendes Problem ist die limitierte Anzahl an Studienplätzen. Es werden zu wenige<br />

Ärzte ausgebildet. Durch oben genannte Veränderungen, wie zum Beispiel die Feminisierung<br />

des Arztberufes (4.2.3), geregelte Arbeitszeit etc., brauchen wir heute mehr Ärzte als früher.<br />

Eine Statistik (Abb. 13) des BFS (Bundesamt für Statistik) zeigt, dass wir seit 1990 eine<br />

konstante Anzahl an Absolventen des Humanmedizinstudiums haben. Trotz steigendem<br />

Bedarf an Ärzten werden nicht mehr ausgebildet, was sind die möglichen Gründe?<br />

Abb. 13: Verteilung weibliche/männliche Absolventen des Humanmedizinstudiums (Quelle: BFS)<br />

4.2.2. Numerus Clausus<br />

Den Numerus Clausus sehen 59% der befragten Hausärzte als ein Problem. Der Numerus<br />

Clausus beschränkt jedoch nicht die Studienplätze, sondern er wählt die Studenten aus,<br />

welche für das Medizinstudium geeignet sind. Die Statistik (Abb. 13) zeigt, dass seit der<br />

Einführung des Numerus Clausus im Jahre 1998 keine Veränderung der Anzahl Absolventen<br />

stattgefunden hat. Eine Abschaffung des Numerus Clausus hätte zur Folge, das 3000-­‐4000<br />

Studenten (3824 im Studienjahr 2010/2011) das Medizinstudium beginnen würden und die<br />

Universitäten ihre Kapazitäten massiv ausbauen müssten. Da<strong>von</strong> abgesehen, dass eine<br />

beliebige Erhöhung der klinischen Kapazitäten nicht möglich ist, hätte die Abschaffung des<br />

Numerus Clausus höhere Kosten und eine schlechtere Ausbildungsqualität zur Folge. 11<br />

Daraus schliesse ich, dass aufgrund des Numerus Clausus nicht weniger Medizinstudenten<br />

11 Bericht des Bundesrates: Strategie gegen Ärztemangel und zur Förderung der Hausarztmedizin, 16.09.2011,<br />

S.26<br />

20


ausgebildet werden und kann die Aussage der Hausärzte nicht bestätigen. Vielmehr müsste<br />

die Anzahl Studienplätze massiv erhöht werden. Diese Meinung teilen auch 50% der<br />

befragten Hausärzte.<br />

4.2.3. Feminisierung<br />

Ein weiterer Faktor des drohenden Ärztemangels ist die Feminisierung des Hausarztberufes.<br />

Die Statistik (Abb. 13) verdeutlicht den stetigen Zuwachs weiblicher Studentinnen. 1990<br />

waren 35% der Studenten weiblich, heute sind es 61%. 63% der Hausärzte sehen in der<br />

Feminisierung ein Problem, darunter die Hälfte der weiblichen Hausärzte (Abb. 10). Das<br />

Problem der Feminisierung ist, dass eine weibliche Studentin einen ganzen Studienplatz<br />

braucht, jedoch häufig später im Beruf aus familiären Gründen nicht 100% arbeitet. Viele der<br />

Hausärzte haben beigefügt, dass dieses Problem durch mehr Studienplätze gelöst wäre,<br />

jedoch braucht es hiefür genügend finanzielle Mittel. Andere Hausärzte haben argumentiert,<br />

dass ohne die Feminisierung die ärztliche Grundversorgung noch eingeschränkter wäre, da<br />

gerade viele Frauen die Hausarztmedizin wählen, um später teilzeitlich arbeiten zu können.<br />

Die Vor-­‐ und Nachteile der Feminisierung halten sich die Waage.<br />

4.2.4. Fehlende Kanalisierung und Betreuung<br />

71% der befragten Hausärzte bemängeln bei der Rekrutierung neuer Hausärzte die fehlende<br />

Kanalisierung und Betreuung während der Studienzeit. Die Befragten beanstanden den<br />

ungenügenden Kontakt mit der Hausarztmedizin während der Ausbildung sowie die<br />

Förderung der Spezialisierung. Aus meinem Interview mit dem Studenten der Humanmedizin<br />

und meiner Literaturrecherche ergibt sich für mich ein anderes Bild. Der Student dementiert<br />

die Aussage, dass ein ungenügender Kontakt mit der Hausarztmedizin stattfindet. Kürzlich<br />

absolvierte er ein 6-­‐tägiges Praktikum bei einem Hausarzt und <strong>von</strong> Zeit zu Zeit doziert eine<br />

Hausärztin oder ein Hausarzt an der Universität. 12 Meiner Meinung nach haben die<br />

Hausärzte ein falsches Bild <strong>von</strong> der jetzigen Situation, was vielleicht daran liegt, dass die<br />

Befragten ihr Studium vor längerer Zeit absolviert haben. Bereits haben Anpassungen des<br />

Studiums zum Abwenden des drohenden Hausärztemangels stattgefunden und weitere<br />

Massnahmen werden noch folgen müssen. Im März 2008 wurde das Institut für<br />

12 Interview mit Christian Thüring<br />

21


Hausarztmedizin am Universitätsspital Zürich gegründet und ein Lehrstuhl für<br />

Hausarztmedizin an der Universität eingerichtet. 13 Neu wurden während des Studiums ein<br />

dreitägiger Blockkurs „Hausarztmedizin“, ein Einzeltutorat in einer Hausarztpraxis und ein<br />

Mentoring-­‐Programm eingeführt. 14 Auch an anderen Universitäten wurden Hausarztinstitute<br />

und entsprechende Lehrstühle eingerichtet. 2010 wurde in Zürich das Curriculum für<br />

Hausarztmedizin eingeführt. Seit Juli 2011 existiert ein solches auch in <strong>Schaffhausen</strong>. Ein<br />

angehender Hausarzt kann sich vollständig in einem Spital ausbilden lassen, ohne seinen<br />

Arbeitsort wechseln zu müssen. Für Assistenzärzte mit Familie ist dies ein grosser Vorteil.<br />

Mit diesem Curriculum könnten junge Hausärzte für die Region gewonnen werden. Fazit: Die<br />

Befürchtungen der befragten Hausärzte sind nur bedingt richtig, da Studienanpassungen<br />

eingeführt wurden, um die Hausarztmedizin den Studenten näher zu bringen.<br />

4.2.5. Schlechtes Image an der Uni<br />

Ein paar wenige Hausärzte kritisieren, dass die Hausärzte an der Universität ein schlechtes<br />

Image geniessen. Sie behaupten, dass sie als unwissende Nichtskönner dargestellt werden.<br />

Mein Interviewpartner dementiert diese Aussagen abermals und erklärt, dass sich kein<br />

Dozent je negativ über Hausärzte äusserte. Im Gegenteil, die Dozenten erwähnen häufig,<br />

dass man als Hausarzt ein breites Wissen braucht und grosse Verantwortung trägt. Er muss<br />

beurteilen, ob die korrekte Abklärung und Behandlung durch ihn gewährleistet ist oder eine<br />

Zuweisung an einen Spezialisten erfolgt. 10 Darum beurteile ich diese Aussage als wenig<br />

stichhaltig.<br />

4.2.6. Ansehen und Attraktivität<br />

Wie die Abbildung 8 zeigt, sehen die Befragten zu 24% einen Hauptgrund des drohenden<br />

Ärztemangels im Ansehen und in der Attraktivität des Hausarztberufes. Sie bemängeln, dass<br />

die Hausärzte ein Imageproblem haben und dem Hausarztberuf in der heutigen Gesellschaft<br />

der „Glamour“ und die gebührende Wertschätzung fehle. Der Spezialist sei der Star und die<br />

Dienste der Hausärzte geraten in den Hintergrund. Zudem sei die Spezialisierung im<br />

Vergleich zur Hausarztmedizin attraktiver. Gründe dafür seien der Verdienst, das Prestige<br />

13 http://www.hausarztmedizin.uzh.ch/index.html, 20.10.2011<br />

14 Rosemann T., Akademisierung der Hausarztmedizin an der Universität Zürich – eine Bilanz nach drei<br />

Jahren,Schweizerische Ärztezeitung 2011;92: 16/17<br />

22


und mögliche Aufstiegschancen. Es bestehen deutliche Anzeichen, dass das mangelnde<br />

Ansehen und die ungenügende Attraktivität des Hausarztberufes Medizinstudenten dazu<br />

bewegen, sich zu spezialisieren. Das Interview bestätigt dieses Bild. Der befragte Student<br />

sagte, der finanzielle Anreiz müsse sich verbessern, um die ärztliche Grundversorgung<br />

sicherzustellen. Der finanzielle Aspekt sei nicht das wichtigste Kriterium, spiele aber doch<br />

eine wichtige Rolle. 33% der befragten Hausärzte teilen diese Meinung. Einen weiteren<br />

wichtigen Punkt sieht er in der Regulierung der Arbeitszeit. Er sagt: „Keiner will mit 50 Jahren<br />

schon ausgebrannt sein, weil er zuviel gearbeitet hat.“ Des Weiteren propagiert er ein<br />

Umdenken in der Gesellschaft. Nicht der Herzchirurg sollte der grosse Star sein, auch unsere<br />

Hausärzte seien sehr wichtig. Sie tragen die grösste Verantwortung im Gesundheitswesen da<br />

sie 80-­‐90% der Patientenbehandlungen selbständig lösen. 15 Die Aussagen des Studenten und<br />

die Ansicht der Hausärzte stimmen überein. Folglich müssten durch ein besseres Ansehen<br />

und durch eine höhere Attraktivität mehr Medizinstudenten für die Hausarztmedizin<br />

gewonnen werden können.<br />

4.2.7. Schlechte Rahmenbedingungen<br />

Zu 42% sehen die befragten Hausärzte die schlechten Rahmenbedingungen als Hauptgrund<br />

des drohenden Ärztemangels (Abb. 8).<br />

4.2.7.1. Schlechtes Verhältnis Verdienst/Arbeitszeit<br />

Der wichtigste Punkt ist das schlechte Verhältnis der Arbeitszeit im Vergleich zum Verdienst<br />

(Siehe 4.10). Die Grafik der KÄG SH (Abb. 14) zeigt den Durchschnittslohn der Schaffhauser<br />

Hausärzte im Vergleich zu einer angestellten Tätigkeit. Das AHV-­‐pflichtige Einkommen <strong>von</strong><br />

Fr. 200`000.-­‐ kann nicht als Vergleichslohn angesehen werden, da bei einer angestellten<br />

Tätigkeit die selbstgetragenen Sozialabgaben kleiner ausfallen. Der Hausarzt hat dadurch<br />

Mehrausgaben <strong>von</strong> Fr. 40'000.-­‐. Wird die Arbeitszeit an eine 42 Stundenwoche angepasst,<br />

resultiert ein weiterer Abzug <strong>von</strong> Fr. 40'000.-­‐. Zusätzlich, nicht auf der Abbildung 14<br />

aufgeführt, fallen Reinvestitionskosten (Anschaffung und Ersatz <strong>von</strong> Geräten etc.) <strong>von</strong> Fr.<br />

20`000.-­‐ an. 16 Ein so errechneter Monatslohn (inkl. 13. Monatslohn) beträgt Fr. 7’692.-­‐.<br />

15 Interview mit Christian Thüring<br />

16 Haefeli A., Ärzteverband Aargau, Kantonale Daten und Tarife, Stand 25.08.2011<br />

23


Verglichen mit der langen Ausbildungszeit und der grossen Verantwortung die ein Hausarzt<br />

trägt, kein sehr hoher Verdienst.<br />

Abb. 14: Vergleichslohn Hausarzt/angestellte Tätigkeit (Quelle: KÄG SH)<br />

4.2.7.2. Tarifsystem<br />

Der am zweithäufigsten genannte Problempunkt ist das Tarifsystem im Kanton<br />

<strong>Schaffhausen</strong>. Um die finanzielle Attraktivität zu steigern plädieren, die befragten Hausärzte<br />

für eine Erhöhung der Tarife. In der Schweiz kennen wir das schweizweit gültige Tarifwerk<br />

Tarmed, welches jeder medizinischen Leistung eine gewisse Zahl „Taxpunkte“ zuordnet.<br />

Theoretisch wären also die Ärzterechnungen in der ganzen Schweiz gleich, jedoch variiert<br />

der Taxpunktwert zwischen den Kantonen, was durch verschiedene Ärztedichten,<br />

Kostenstrukturen und Mentalitäten in den Kantonen begründet wird. 17 Der Kanton<br />

<strong>Schaffhausen</strong> hat einen Taxpunktwert <strong>von</strong> 82 Rappen. Nur die Kantone Schwyz (80 Rp.),<br />

Wallis (81 Rp.) und Zug (80 Rp.) weisen einen noch tieferen Taxpunktwert auf. Spitzenwerte<br />

besitzen die Kantone Jura (97 Rp.) und Waadt (99 Rp.). 18 Nehmen wir nun an, dass einer<br />

beliebigen medizinischen Leistung 20 Taxpunkte zugeordnet werden, bedeutet dies, dass ein<br />

Arzt im Kanton Waadt für dieselbe medizinische Leistung 3,4 Franken mehr verdient als ein<br />

Schaffhauser Arzt. Das führt zu hohen Einkommensunterschieden innerhalb der Schweiz.<br />

Eine Erhöhung der Tarife führt zu noch höheren Krankenkassenprämien. In der heutigen Zeit<br />

ein Unding, das sozial nicht verantwortet werden kann. Bereits heute gibt es<br />

einkommensschwache Familien und Personen, welche die Krankenkassenprämien nicht<br />

mehr bezahlen können und eine kantonale Unterstützung erhalten. Auf Grund der<br />

17 http://de.wikipedia.org/wiki/Gesundheitswesen_in_der_Schweiz, Stand 4.11.2011<br />

18 http://www.praxishilfe.ch/seiten/tpw_tarmed.html, Stand 4.11.2011<br />

24


schlechten kantonalen Finanzen wurden diese Subventionen im Kanton Schaffhauen gekürzt<br />

und eine entsprechende Initiative der SP/AL wurde gestartet, um die Kürzung rückgängig zu<br />

machen.<br />

4.2.7.3. Selbstdispensation<br />

Ein weiterer Punkt, um die finanzielle Attraktivität des Hausarztberufes zu steigern, ist die<br />

Selbstdispensation, ein anderer Begriff für DMA. Selbstdispensation (SD) bedeutet, dass der<br />

Hausarzt die Medikamente dem Patienten direkt abgeben kann und der Patient sie nicht in<br />

der Apotheke beziehen muss. Der Hausarzt hat eine Marge auf den Medikamenten, das<br />

heisst, dass er sie billiger einkaufen kann, als er sie nachher abgibt und so sein Einkommen<br />

verbessern kann. Die Abbildung 15 zeigt die konkreten Einkommensunterschiede der<br />

Hausärzte mit/ohne Selbstdispensation im Kanton <strong>Schaffhausen</strong>.<br />

Abb. 15: Jahreseinkommen der Hausärzte mit/ohne Selbstdispensation vor den Steuern (Quelle: KÄG SH)<br />

Die direkte Medikamentenabgabe ist in den Kantonen BL, SO, AI, AR, GL, LU, OW, NW, SG,<br />

SZ, TG, UR, ZG, ZH (neu) erlaubt, in den Kantonen AG, BS, FR, GE, JU, NE, TI, VD, VS ist die<br />

Selbstdispensation grundsätzlich verboten und in den Kantonen BE, GR, SH werden<br />

Mischsysteme angewandt. 19 Die Medikamentenabgabe spielt bei 90% der befragten<br />

Hausärzte bei der Praxiswahl eine Rolle. Diese hohe Prozentzahl zeigt den Stellenwert der<br />

Selbstdispensation und begründet, wieso Praxen mit Selbstdispensation bevorzugt werden.<br />

19 http://www.santesuisse.ch/de/dyn_output.html?content.vcid=6&content.cdid=10624&detail=yes&navid=2,<br />

Stand 16.11.2011<br />

25


Daraus resultiert für die Hausärzte in den Städten <strong>Schaffhausen</strong> und Neuhausen ein<br />

Standortnachteil, verglichen mit den Hausärzten auf dem Land und den angrenzenden<br />

Kantonen (TG, ZH). Neuhausen und <strong>Schaffhausen</strong> sind in der Region Ostschweiz die einzigen<br />

Orte, in denen die direkte Medikamentenabgabe nicht erlaubt ist, wie folgende Grafik der<br />

Kantonalen Ärztegesellschaft <strong>Schaffhausen</strong> zeigt (Abb. 16).<br />

Abb. 16: Regionen mit/ohne Selbstdispensation (Quelle: KÄG SH)<br />

In den gelb eingefärbten Gebieten ist die Selbstdispensation gewährleistet. Im Kanton Zürich<br />

existierte bis vor kurzem noch ein Mischsystem, weshalb der Kanton Zürich blau eingefärbt<br />

ist. Das Mischsystem erlaubte die Selbsdispensation im Kanton Zürich, ausser in den Städten<br />

Zürich und Winterthur. Ab dem 1. Januar 2012 sind auch die Zürcher und Winterthurer<br />

Hausärzte berechtigt, die Medikamente den Patienten direkt abzugeben, als Folge des<br />

Bundesgerichtentscheides vom 23.09.2011. 20 Die Frage der Selbstdispensation ist ein sehr<br />

aktuelles Thema und führt auch in anderen Kantonen zu reichlich Diskussionsstoff. In<br />

<strong>Schaffhausen</strong>, wo zur Zeit die Revision des Gesundheitsgesetzes in Bearbeitung ist, hat der<br />

Regierungsrat die ärztliche Medikamentenabgabe für Neuhausen und <strong>Schaffhausen</strong> nicht in<br />

die Gesetzesrevision aufgenommen. Es liegt nun am Parlament, dies nachzuholen, um den<br />

Standortnachteil der Hausärzte in der Stadt zu eliminieren. Interessanterweise dürfen Tier-­‐<br />

und Zahnärzte in Neuhausen und <strong>Schaffhausen</strong> Medikamente abgeben. Ein weiteres<br />

Argument für die direkte Medikamentenabgabe besteht darin, dass Kantone ohne<br />

Selbstdispensation höhere Medikamentenkosten pro Versicherten aufweisen (Abb. 17).<br />

20 http://www.zh.ch/internet/de/aktuell/news/medienmitteilungen/2011/248_medikamentenabgabe.html,<br />

Stand 06.11.2011<br />

26


Abb. 17: Medikamentenkosten pro Versicherten<br />

In den Kantonen mit direkter Medikamentenabgabe sind die Krankenkassenprämien tiefer<br />

als in Kantonen ohne DMA (Abb. 18). Wie die Grafik zeigt, liegen zwölf der 13 Kantone mit<br />

direkter Medikamentenabgabe unter dem Durchschnittsniveau der Krankenkassenprämien.<br />

Dies zeigt klar einen weiteren Vorteil für die Selbstdispensation im Kanton <strong>Schaffhausen</strong>.<br />

27


Abb. 18: Durchschnittliche kantonale Krankenkassenprämien 2011 (je Monat) für Erwachsene. Rot: Kantone<br />

mit Selbstdispensation (Quelle: KÄG SH)<br />

Für Apotheken kann die Einführung der direkten Medikamentenabgabe eine<br />

Umsatzeinbusse bedeuten. Doch werden nicht alle Hausarztpraxen Medikamente abgeben,<br />

da das Führen einer Praxisapotheke einer Bewilligung und strengen Kontrollen unterliegt.<br />

4.2.7.4. Notfalldienstbelastung<br />

Zur hohen Arbeitszeitbelastung trägt natürlich auch der Notfalldienst bei. Jeder<br />

praktizierende Arzt im Kanton <strong>Schaffhausen</strong> ist verpflichtet Notfalldienst zu leisten. Ein<br />

Hausarzt ist also während seines Notfalldienstes nachts und an Wochenenden für seine<br />

Dienstregion verfügbar. Die Anzahl der Dienststunden ist <strong>von</strong> der Region abhängig. Der<br />

Median der Notfalldiensttage pro Jahr in der Schweiz liegt bei 24 Tagen. 21<br />

Am 1. Juni 2010 wurde die hausärztliche Notfallpraxis im Kantonsspital <strong>Schaffhausen</strong><br />

eröffnet. Dort behandeln und beraten Schaffhauser Hausärzte ausserhalb der normalen<br />

Praxisöffnungszeiten, also an Abenden, Wochenenden und Feiertagen Notfallpatienten aus<br />

der Dienstregion <strong>Schaffhausen</strong>/Reiat. Es werden vor allem einfachere Notfälle behandelt.<br />

Nebst dem professionellen Ausbau der Notfallbetreuung durch erfahrene Hausärzte ist die<br />

Verkürzung der Wartezeit für die Patienten ein weiteres Ziel. Durch die Nähe und die enge<br />

Zusammenarbeit mit dem Kantonsspital <strong>Schaffhausen</strong> können Notfälle bei der Ankunft<br />

gezielt der Notfallpraxis zugewiesen und jene, die einen stationären Aufenthalt benötigen,<br />

21 Giger J., Dissertation: Hausärztliche Versorgungssituation 2005, Institut für Hausartmedizin der Universität<br />

Basel, Dezember 2008, S.46<br />

28


asch und unkompliziert hospitalisiert werden. Die Notfallpraxis wurde seit der Eröffnung<br />

rege genutzt und hat sich im ersten Betriebsjahr bewährt. 22 Durch diese Notfallpraxis<br />

werden die Hausärzte entlastet, da die Dienstregionen <strong>Schaffhausen</strong> und Reiat<br />

zusammengeführt wurden. So steht der Dienstregion mehr Personal zur Verfügung und der<br />

einzelne Hausarzt wird entlastet. Für den Klettgau bleibt die Notfalldienstversorgung beim<br />

Alten.<br />

4.2.7.5. Bürokratie<br />

Weiter haben sich die Rahmenbedingungen durch mehr Bürokratie im Hausarztberuf<br />

verschlechtert. Die Bürokratie (Zeugnisse für Versicherer, Krankenkassen, Begründungen für<br />

Therapien etc.) ist stetig am steigen und beansprucht Zeit und verursacht Kosten, die dann<br />

für die Behandlung <strong>von</strong> Patienten fehlt.<br />

4.2.8. Problemfaktor Politik<br />

Nur zu 8% sehen die Hausärzte die Politik als Hauptgrund des drohenden Hausärztemangels.<br />

Die mangelnde Unterstützung der Hausärzte durch die Politik wurde am häufigsten genannt.<br />

Die Politik halte ihre Versprechen nicht und allgemein ist die Rede <strong>von</strong> einer verfehlten<br />

Gesundheitspolitik in der Schweiz. Die geringe Prozentzahl ist als relativ zu betrachten und<br />

nicht als geringe Kritik an der Politik zu deuten, denn hinter vielen der anderen genannten<br />

Problemfaktoren steht ebenfalls die Politik, welche durch griffige Massnahmen Probleme<br />

beheben könnte.<br />

4.2.9. Neue Praxismodelle<br />

In der Bekämpfung des Hausärztemangels sind neue Ideen und Lösungen gefragt, wie zum<br />

Beispiel neue Praxismodelle. 46% der Hausärzte denken, dass ihr Beruf durch Job-­‐Sharing<br />

attraktiver würde. Ausserdem sehen 75% der Befragten ihren Beruf in einer<br />

Gemeinschaftspraxis als attraktiver an. 87% der Hausärzte sind der Meinung, dass mehr<br />

Teilzeitstellen geschaffen werden sollten.<br />

Eine solche neue Idee beinhaltet das „Projekt gegen den Ärztemangel“, welches im Januar<br />

2011 in Meiringen (Kanton Bern) gestartet wurde. Im ehemaligen Spital Meiringen wurde ein<br />

22 http://www.spitaeler-­‐sh.ch/die-­‐spitaeler-­‐schaffhausen/medien/medienmitteilungen/detail/article/<br />

2011/09/02/rueckblick-­‐aufs-­‐erste-­‐jahr-­‐notfallpraxis-­‐schaffhausen, Stand 04.10.2011<br />

29


Gesundheitszentrum eingerichtet. Drei erfahrene Hausärzte aus der Region haben ihre<br />

Praxistätigkeit in dieses Gesundheitszentrum verlegt. Einer dieser Hausärzte begründet<br />

seinen Wechsel damit, dass er in diesem Gesundheitszentrum eine bessere Chance hat für<br />

eine gute Nachfolgeregelung. Die Attraktivität des Gesundheitszentrum ist, im Vergleich zu<br />

einer normalen Einzelpraxis, durch die Nutzung gemeinsamer Infrastruktur und durch die<br />

Minimierung des finanziellen Risikos gewährleistet. 23 Dass das Praxismodell der<br />

Gemeinschaftspraxis attraktiv ist, zeigt auch meine Umfrage, denn bereits 54% der<br />

Hausärzte im Kanton <strong>Schaffhausen</strong> arbeiten in einer Gemeinschaftspraxis. Die Vorteile<br />

solcher Praxismodelle sind eindeutig. Teilzeitstellen und Job-­‐Sharing sind in einer<br />

Gruppenpraxis einfacher realisierbar. 86% der Hausärzte wünschen mehr Teilzeitstellen.<br />

Durch mehr Teilzeitstellen oder Job-­‐sharing steigt der Gesamtbedarf an Hausärzten und so<br />

lange nicht mehr Hausärzte ausgebildet werden, verschärft sich der Hausärztemangel<br />

zusätzlich.<br />

4.2.10. Abwägen der verschiedenen Aspekte<br />

Um langfristig genügend Nachwuchs an Hausärzten gewährleisten zu können, muss das Übel<br />

an der Wurzel gepackt werden. Es werden dringend mehr Studienplätze benötigt. Aspiranten<br />

hat es mehr als genug. Jährlich müssen Hunderte <strong>von</strong> jungen Interessenten des<br />

Humanmedizinstudiums abgewiesen werden. Bis anhin tut sich die Politik schwer, neue<br />

Ausbildungsplätze zu schaffen. Einerseits sind die Mehrkosten unattraktiv, andererseits<br />

konnten noch genügend Ärzte aus dem nahen Ausland rekrutiert werden. Die Zuströme <strong>von</strong><br />

Ärzten aus dem deutschsprachigen Raum versiegen zusehends. Gemäss Untersuchungen der<br />

FMH werden in der deutschsprachigen Schweiz immer mehr Ärzte aus Osteuropa und in der<br />

Romandie immer mehr Ärzte aus den ehemaligen französischen Kolonien eingestellt. 24 Es<br />

können dadurch sprachliche und kommunikative Probleme auftreten und wir berauben<br />

diese Länder ihrer eigenen Ressourcen für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Die<br />

Bedingungen der Ärzte in den umliegenden Ländern wurden verbessert, damit der<br />

Abwanderungsstrom eingeschränkt werden konnte. Wir können nicht mehr darauf zählen,<br />

dass das nahe Ausland unsere zukünftigen Mediziner ausbildet und die entsprechenden<br />

Kosten trägt. Bundesrat Didier Burkhalter hat, wie bereits eingangs erwähnt, die Situation<br />

23 Chatelain C., Ein Projekt gegen den Ärztemangel, Berner Zeitung, 21.01.2011<br />

24 De Haller J., Gesundheitspolitische Standpunkte und Empfehlungen der FMH, Bern, 25.02.2011<br />

30


erkannt und festgestellt, dass unser Gesundheitswesen <strong>von</strong> der Gesundheitspersonalpolitik<br />

des Auslands abhängt. Angesichts der Dringlichkeit des Hausärzte-­‐ und auch generell des<br />

Ärztemangels in der Schweiz, wären solche Mehrkosten deshalb mehr als verantwortbar.<br />

Der Numerus Clausus ist nicht das Problem, denn durch eine Aufhebung dieses<br />

Eignungstests würde die Selektion nicht verbessert. Der Eignungstest steuert lediglich die<br />

Zulassungsquote, mehr Ausbildungsplätze werden damit nicht geschaffen aber auch nicht<br />

verhindert. Ob die Feminisierung des Studiums und des Hausarztberufes ein Problem ist,<br />

bleibt schwer abschätzbar. Einerseits verringern die Frauen die Gesamtarbeitszeit der<br />

Hausärzte, andererseits wählen viele Frauen die Hausarztmedizin, um teilzeitlich arbeiten zu<br />

können. Die Gleichberechtigung <strong>von</strong> Frau und Mann in der Ausbildung und im Beruf ist eine<br />

der Errungenschaften der modernen westlichen Welt.<br />

Die fehlende Kanalisierung und Betreuung während der Ausbildung sehe ich nicht als<br />

Problemfaktor. Bereits zeichnen sich weitere Ärztemängel ab, z.B. in der Psychiatrie und<br />

Pädiatrie. Solange es keine mittel-­‐ oder langfristige Planung gibt, bleibt es schwer<br />

abzuschätzen, wie eine Kanalisation aussehen sollte. Die Politik und allen voran das<br />

Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist gefordert, hier Klarheit zu schaffen.<br />

Das schlechte Image an der Uni halte ich für ein überholtes Argument der Hausärzte. Das<br />

Ansehen und die Verdienstmöglichkeiten des Hausarztes ist ein Problem, welches<br />

Medizinstudenten dazu bewegt den Hausarztberuf nicht zu wählen. Fraglich bleibt ob man<br />

dieses Problem bekämpfen kann. Es ist sehr schwierig, das Ansehen eines Berufstandes in<br />

der Gesellschaft kurzfristig zu verändern, insbesondere wenn die Einsatzbereitschaft und<br />

Verfügbarkeit abnehmen. Der edle Beruf und die selbstlose Verfügbarkeit des Arztes waren<br />

die Eigenschaften, welche das Ansehen mitprägten.<br />

46 der 56 befragten Hausärzte sind der Meinung, dass die Attraktivität des Hausarztberufs<br />

unter den Ärzten durch bessere Verdienstmöglichkeiten gesteigert werden kann. Das<br />

schlechte Verhältnis <strong>von</strong> Verdienst und Arbeitszeit ist bei der Attraktivität das grösste<br />

Problem. Die Hausärzte arbeiten viel und erhalten dabei eine geringere Entlöhnung als ihre<br />

operativ tätigen Kollegen. Spezialisten wie Pädiater oder Psychiater verdienen noch weniger,<br />

auch sie kämpfen mit Nachwuchsproblemen. 25<br />

25 Künzi K., Strub S., Stocker D., Erhebung der Einkommensverhältnisse der berufstätigen Ärzteschaft,<br />

Schweizerische Ärztezeitung 2011;92: 36<br />

31


Mit einer Erhöhung des Taxpunktwertes könnte man den finanziellen Anreiz der<br />

Hausarztmedizin steigern und das Verhältnis <strong>von</strong> Ertrag und Einsatz verbessern, jedoch ist<br />

dies nur über eine Erhöhung der Krankenkassenprämie möglich und deshalb in der aktuellen<br />

Situation undenkbar. Eine weitere Möglichkeit, die finanzielle Attraktivität des<br />

Hausarztberufes in der Stadt zu steigern ist die Selbstdispensation (DMA). Kantone mit<br />

Selbstdispensation weisen tiefere Medikamentenkosten und Krankenkrassenprämien auf.<br />

Eine Kostensteigerung durch die Selbstdispensation ist nicht zu erwarten. Im Tarifwesen<br />

allenfalls durch verbesserte hausärztliche Positionen, aber vor allem in der<br />

Selbstdispensation sehe ich ein grosses Potential den Hausärztemangel in Neuhausen und<br />

<strong>Schaffhausen</strong> erfolgreich zu bekämpfen.<br />

Die Arbeitszeitbelastung ist ein weiteres Problem des Hausärztemangels. Diese kann durch<br />

weniger Bürokratie, weniger Notfalldienst und neue Praxismodelle verbessert werden. Neue<br />

Praxismodelle sind für die Zukunft wegweisend. Die Hausärzte schätzen Gruppenpraxen und<br />

wünschen weiterhin, selbständig arbeiten zu können. Regionale Gesundheitszentren sind<br />

möglicherweise dereinst auch in <strong>Schaffhausen</strong> anzutreffen und vereinen Gruppenpraxis und<br />

Selbständigkeit.<br />

Bis wir genügend Hausärzte ausgebildet haben, wird es noch eine Weile dauern. Sollten<br />

dereinst mehr Ausbildungsplätze bewilligt werden, vergehen ca. 11-­‐15 Jahre (6 Jahre<br />

Studium und 5 Jahre Ausbildung bis zum Facharzttitel) bis die neue Generation ausgebildet<br />

ist und die Nachfolge antreten kann.<br />

4.3. Politische Situation<br />

Das Problem des drohenden Hausärztemangels in der Schweiz ist erkannt – lieber spät als<br />

nie. Welche Massnahmen werden gefordert und <strong>von</strong> Seiten der Politik realisiert? Zuerst eine<br />

kurze Übersicht über die politischen Ereignisse in den letzen Jahren zum Thema des<br />

drohenden Hausärztemangels.<br />

Am 1. April 2006 demonstrierten über 12000 Personen, darunter viele Ärzte, vor dem<br />

Bundeshaus für den Erhalt der Hausarztmedizin. Nachdem in den folgenden Jahren in der<br />

Bundespolitik keine Taten folgten, lancierten die Hausärzte eine Volksinitiative. Im Oktober<br />

2008 reichte die Nationalrätin Jaqueline Fehr die Motion „Strategie gegen Ärztemangel und<br />

zur Förderung der Hausarztmedizin“ ein. Diese wurde im Dezember 2008 vom Bundesrat<br />

32


angenommen, kurze Zeit später auch vom National-­‐ und Ständerat. Die Volksinitiative „Ja zur<br />

Hausarztmedizin“ wurde am 1.10.2009 eingereicht. Im April 2011 präsentierte der Bundesrat<br />

den Gegenentwurf zur Initiative. Der Bericht des Bundesrats in Erfüllung der Motion <strong>von</strong><br />

Jaqueline Fehr wurde im September 2011 publiziert.<br />

Der Bericht des Bundesrats analysiert verschiedene Aspekte des schweizerischen<br />

Gesundheitswesens und kommt zu folgenden Erkenntnissen: 26<br />

• In der Schweiz existiert im Moment kein Ärztemangel.<br />

• Die Schweiz muss aus Gründen der Fairness gegenüber andern Ländern und der<br />

Versorgungssicherheit mehr Ärzte ausbilden (zwischen 1200-­‐1300 pro Jahr).<br />

• Insbesondere in der ärztlichen Grundversorgung und der Psychiatrie werden mehr<br />

Ärzte benötigt.<br />

• Die Entwicklung neuer Versorgungsmodelle, die nicht nur dem Bedarf einer älter<br />

werdenden Bevölkerung, sondern auch den Berufsvorstellungen der<br />

Gesundheitsfachpersonen besser gerecht werden, ist vorrangig.<br />

Der Bericht listet zudem weitere 48 Empfehlungen auf. Hier einige Beispiele: 27<br />

• Der Bund setzt sich für eine Erhöhung der Studienplatzkapazitäten ein.<br />

• Der Numerus Clausus soll beibehalten werden.<br />

• Die integrierte Versorgung sollte mittels geeigneter Anreize gefördert und gestärkt<br />

werden (z.B. in Form der KVG-­‐Revision Managed Care).<br />

• Der Einbezug nicht-­‐ärztlicher Gesundheitsfachpersonen in der medizinischen<br />

Grundversorgung muss im Sinne einer Entlastung der Ärztinnen und Ärzte <strong>von</strong><br />

Leistungen, die nicht zwingend durch sie erbracht werden müssen, verstärkt werden<br />

(z.B. spezialisierte Pflegende, spezialisierte medizinische Praxisassistentinnen,<br />

Apothekerinnen und Apotheker ).<br />

Folgende Massnahmen wurden bereits eingeleitet oder umgesetzt. 28<br />

• Unterstützung der Forschung in Hausarztmedizin<br />

• Direkter Gegenentwurf zur Volksinitiative „Ja zur Hausarztmedizin“<br />

26<br />

Bericht des Bundesrates: Strategie gegen Ärztemangel und zur Förderung der Hausarztmedizin vom<br />

16.09.2011, S.53-­‐54<br />

27<br />

Bericht des Bundesrates: Strategie gegen Ärztemangel und zur Förderung der Hausarztmedizin vom<br />

16.09.2011, S.55-­‐63<br />

28<br />

Bericht des Bundesrates: Strategie gegen Ärztemangel und zur Förderung der Hausarztmedizin vom<br />

16.09.2011, S.64-­‐65<br />

33


• Schaffung eines neuen eidgenössischen Weiterbildungstitels in Allgemeiner Innerer<br />

Medizin<br />

Meiner Meinung nach sieht der Bericht viele Probleme des drohenden Hausärztemangels<br />

richtig. Doch bleibt der Verdacht, dass der Bundesrat hier viel Gutes predigt und keine<br />

griffigen Mittel bereitstellt. Die Massnahmen, die bereits verwirklicht wurden, bekämpfen<br />

nicht das Hauptproblem des drohenden Mangels. Die Zukunft des drohenden Ärztemangels<br />

auf politischer Ebene bleibt ungewiss, es sei denn, die <strong>von</strong> den Hausärzten lancierte Initiative<br />

wird angenommen. Ich denke, die Hausärzte haben diese Initiative vor allem lanciert, weil<br />

sie ihren Platz im Gesundheitswesen gefährdet sehen. Gerade die oben erwähnte<br />

Ausweitung der medizinischen Grundversorgung durch andere Medizinalberufe lässt Raum<br />

für Spekulationen. Will man mit günstigeren Arbeitskräften Kosten sparen – versucht man<br />

die ungenügende Anzahl an Ausbildungsplätzen zu umgehen? Was ist die Rolle des<br />

Hausarztes in den neuen Versorgungsmodellen? Wird er durch andere<br />

Gesundheitsfachpersonen ersetzt? Mit der Initiative wollen die Hausärzte ihre Position im<br />

schweizerischen Gesundheitswesen langfristig sichern und natürlich den Hausärztemangel<br />

bekämpfen. Folgend ein paar Forderungen der Hausärzte: 29<br />

• Eigener Tarif für Hausärzte<br />

• Die Schaffung <strong>von</strong> gesundheitspolitisch stabilen Rahmenbedingungen für die<br />

Hausärzte<br />

• Vertretung der Hausärzte in gesundheitspolitisch relevanten Kommissionen und<br />

Gremien mit Anspruch auf Mitgestaltung und -­‐entscheidung<br />

• Medikamentenabgabe in der Hausarztpraxis<br />

Ein wichtiger Punkt fehlt, die Kapazitätserhöhung der Studienplätze. Es ist mir unklar,<br />

weshalb dieser Punkt nicht in ihren Forderungen steht.<br />

Der Bundesrat hat sich für einen Gegenentwurf entschieden, da er der Hausarztmedizin auf<br />

Verfassungsstufe keine Sonderposition einräumen will. Zudem beschränkt sich der<br />

Gegenentwurf nicht auf die Hausarztmedizin als einzigen Grundversorger. Der Gegenentwurf<br />

propagiert den Einbezug weiterer ärztlicher und nicht-­‐ärztlicher Gesundheitsfachpersonen,<br />

welche koordiniert zusammenarbeiten. 30<br />

29 http://www.jzh.ch/de/initiative/unsere-­‐forderungen, Stand 06.11.2011<br />

30 Erläuternder Bericht zum Gegenentwurf des Bundesrates zur Volksinitiative: Ja zur Hausarztmedizin,<br />

06.04.2011, S.2<br />

34


Durch diese Kernbotschaft des Gegenentwurfs sehe ich die Befürchtungen der Hausärzte um<br />

ihren Platz im zukünftigen Gesundheitswesen bestätigt. Im Kampf gegen den<br />

Hausärztemangel und für die Zukunft der Hausärzte ist die Annahme der Initiative<br />

wegweisend. In nächster Zeit wird auf politischer Ebene zum Thema Hausärztemangel noch<br />

viel diskutiert werden müssen. Bisher hat es die Politik verpasst, unsere eigenen Ressourcen<br />

besser zu nutzen. Rund 22% der 2009 in der Schweiz tätigen Ärzte haben ihre Ausbildung im<br />

Ausland absolviert. 31 Der Zustrom aus dem Ausland ist problematisch, da die<br />

Ausbildungskosten ins Ausland delegiert werden und dort die notwendigen Ärzte fehlen.<br />

4.4. Folgen für die Zukunft<br />

Was für Folgen würde ein wie in der Arbeit prognostizierter Hausärztemangel nach sich<br />

ziehen, wenn diesem nicht entgegengewirkt wird?<br />

Wenn uns im Jahr 2016 die Hälfte der Hausärzte fehlen werden, sofern nicht genügend<br />

Nachwuchs gefunden wird, dürften folgende Auswirkungen eintreten. Die ärztliche<br />

Grundversorgung wird nicht mehr im gleichen Masse zur Verfügung stehen wie heute. Laut<br />

einer Studie des Schweizerisches Gesundheitsobservatorium (OBSAN) werden im Jahr 2030<br />

40 Prozent der Hausarztkonsultationen nicht mehr gesichert sein. 32 Aufgrund der<br />

eingeschränkten Grundversorgung werden mehr Patienten direkt den ambulanten Notfall<br />

der Spitäler aufsuchen. Dies führt zu einer Verteuerung des Gesundheitswesens, denn laut<br />

einer Studie <strong>von</strong> Hugentobler ist die Behandlung eines ambulanten Notfalls im Spital doppelt<br />

so teuer wie jene durch den Hausarzt. 33 Die Wartezeiten für eine Konsultation beim Hausarzt<br />

werden vergrössert. Der hausärztliche Notfalldienst wird eingeschränkt, die<br />

Versorgungssicherheit sinkt.<br />

31 http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Kein-­‐rztemangel-­‐-­‐aber-­‐nur-­‐dank-­‐<br />

Auslaendern/story/28735694, Stand 29.11.2011<br />

32<br />

Medienmitteilung des OBSAN: Der Ärztemangel könnte bis 2030 die ambulante medizinische Versorgung in<br />

der Schweiz gefährden, 01.07.2008<br />

33<br />

Hugentobler W., Kostenvergleich der ambulanten Notfallversorgung in der hausärztlichen Praxis mit den<br />

Notfallstationen der Spitäler, PrimaryCare 2006;6: Nr.32-­‐33<br />

35


5. Schlussfolgerungen<br />

5.1. Beantwortung der Leitfragen<br />

Auf Grund der Informationen und Erkenntnissen, welche ich durch die Auseinandersetzung<br />

mit diesem Thema gewonnen habe, versuche ich nun meine vier Leitfragen zu beantworten.<br />

• Wie stark ist der Hausärztemangel, der dem Kanton <strong>Schaffhausen</strong> in den nächsten<br />

Jahren droht?<br />

Bis zum Jahr 2021 wollen 66% der Schaffhauser Hausärzte ihre Tätigkeit einstellen. In der<br />

gesamten Schweiz wird erwartet, dass bis zum Jahr 2021 75% aller Hausärzte ihren Beruf<br />

aufgeben werden. 34 Die Situation im Kanton <strong>Schaffhausen</strong> scheint leicht weniger gravierend.<br />

Die Hausärzte bekunden heute schon Mühe einen Nachfolger zu finden. Verstärkt wird die<br />

schwierige Nachfolgeregelung durch den Standortnachteil in <strong>Schaffhausen</strong>, welcher durch<br />

die fehlende Selbstdispensation (Stadt) und die schlechten Taxpunktwerte verursacht wird.<br />

Zudem wird in den nächsten Jahren ein Zuwachs der Nachfrage an ärztlicher<br />

Grundversorgung vorausgesagt. Dem Kanton <strong>Schaffhausen</strong> drohen leicht weniger<br />

Hausarztpensionierungen, doch resultiert für <strong>Schaffhausen</strong> im interkantonalen Vergleich ein<br />

Standortnachteil bei der Nachfolgeregelung. Der Hausärztemangel in <strong>Schaffhausen</strong> ist<br />

durchaus mit dem Hausärztemangel in der gesamten Schweiz vergleichbar.<br />

• Was sind die Ursachen des drohenden Hausärztemangels?<br />

Es gibt viele verschiedene Ursachen, die einen möglichen Einfluss auf den Hausarztmangel<br />

haben. Die Feminisierung, die Notfalldienstbelastung und mangelndes Ansehen sind einige<br />

Beispiele. Die Hauptursachen aber sind die fehlende Anzahl Studienplätze und das schlechte<br />

Verhältnis Verdienst/Arbeitszeit.<br />

• Wie könnte der drohende Hausärztemangel gemildert/abgefangen werden?<br />

34 Carobbio M., Nationalrätin TI, Vizepräsidentin der SP Schweiz, Hausärztin, Die Grundversorgung zu<br />

gewährleisten ist Aufgabe der öffentlichen Hand, Bern, 27. Januar 2011<br />

36


Um den Mangel zu mildern/abfangen, muss man die Hauptursachen bekämpfen. Mehr<br />

Studienplätze und ein besseres Verhältnis Verdienst/Arbeitszeit würden dem Mangel<br />

erfolgreich entgegenwirken. Speziell in <strong>Schaffhausen</strong> könnte durch die Wiedereinführung<br />

der Selbstdispensation die Attraktivität stark gesteigert werden. Gruppenpraxen sind sehr<br />

beliebt, auch müssen genügend Teilzeitstellen vorhanden sein damit der Feminisierung<br />

Rechnung getragen werden kann. Des Weiteren schätzen 85% der Hausärzte eine<br />

selbständige Tätigkeit. Neue Modelle wie Gesundheitszentren sind im Aufbau. Hier haben<br />

Hausärzte und Spezialisten die Möglichkeit selbständig und koordiniert<br />

zusammenzuarbeiten. Zusätzlich können Abwesenheiten und die Arbeitszeit besser reguliert<br />

werden.<br />

• Was wären die Folgen eines Hausärztemangels?<br />

Die Folge eines Hausärztemangels wäre eine Verschlechterung der ärztlichen<br />

Grundversorgung. Die hausärztliche Notfallversorgung wird reduziert. Dies führt zu einer<br />

Verteuerung unseres Gesundheitswesens, da mehr Patienten direkt den kostspieligen<br />

Notfall des Spitals aufsuchen werden. Die Wartezeit für eine Konsultation beim Hausarzt<br />

wird ansteigen.<br />

37


6. Zusammenfassung<br />

Der drohende Hausärztemangel in der Schweiz ist ein sehr aktuelles Thema. Die Lage ist<br />

prekär, bis zum Jahr 2021, das heisst in 10 Jahren, müssen drei Viertel aller Hausärzte ersetzt<br />

werden. 35 Mittels einer bei den Hausärzten im Kanton <strong>Schaffhausen</strong> durchgeführten<br />

Umfrage, bezweckte ich die Situation im Kanton <strong>Schaffhausen</strong> zu erfassen. Die Umfrage<br />

diente auch zur Bestandesaufnahme der Ist-­‐Situation im Kanton <strong>Schaffhausen</strong>. Einerseits<br />

wurden rein technische Daten (z.B. Anzahl Einzel-­‐/Gruppenpraxis) und andererseits<br />

Ansichten, Befindlichkeiten und Meinungen der Hausärzte zum Thema des<br />

Hausärztemangels eingefangen. Für den Kanton <strong>Schaffhausen</strong> zeigt sich ein ähnliches<br />

Ergebnis wie für die Schweiz. Bis zum Jahr 2021 wollen 66% der Hausärzte ihre Tätigkeit<br />

aufgeben. Verstärkt durch weitere Faktoren, wie der fehlenden Selbstdispensation in der<br />

Stadt, resultiert daraus auch für den Kanton <strong>Schaffhausen</strong> ein drohender Hausärztemangel.<br />

Weiter habe ich die am häufigsten <strong>von</strong> den Hausärzten genannten Ursachen (z.B. Probleme<br />

bei der Ausbildung, schlechtes Image, schlechte Rahmenbedingungen, schlechter Verdienst<br />

etc.) geprüft. Zur Überprüfung gewisser Aspekte der Thematik habe ich mir durch ein selbst<br />

durchgeführtes Interview mit einem Medizinstudenten geholfen. So kam ich zum Schluss,<br />

dass die fehlenden Studienplätze und das schlechte Verhältnis Verdienst/Arbeitszeit die<br />

Hauptursachen des Hausärztemangels sind. Die besten Möglichkeiten, um dem<br />

Hausärztemangel entgegenzuwirken sehe ich in der Erhöhung der Studienplatzkapazität und<br />

der Attraktivierung des Hausarztberufes durch bessere Arbeitsbedingungen, geeignete<br />

Praxisformen mit der Möglichkeit der Teilzeitarbeit sowie einem verbesserten finanziellen<br />

Anreiz. Die Folgen eines Hausärztemangels wären die Verschlechterung unseres<br />

Gesundheitswesens bei einer gleichzeitigen Verteuerung. Zudem habe ich die politische<br />

Situation des Hausärztemangels in der Schweiz analysiert. Diese Analyse bestätigt den<br />

drohenden Hausärztemangel und die gefährdete Hausarztmedizin in der Schweiz. Wir dürfen<br />

gespannt sein, ob die Politik Lösungen finden wird.<br />

35 Carobbio M., Nationalrätin TI, Vizepräsidentin der SP Schweiz, Hausärztin, Die Grundversorgung zu<br />

gewährleisten ist Aufgabe der öffentlichen Hand, Bern, 27. Januar 2011<br />

38


7. Danksagung<br />

Nach über einem halben Jahr und vielen Stunden Arbeit, bin ich mit meiner Maturaarbeit zu<br />

einem Ende gekommen. Ganz herzlich möchte ich mich bei folgenden Personen bedanken,<br />

die mich auf meinem Weg begleitet und unterstützt haben:<br />

• Herr Dr. Pablo Zarotti, meinem Betreuer, der immer für meine Fragen offen war und<br />

der <strong>von</strong> mir selbstständiges Denken und Eigenverantwortung forderte.<br />

• Hausärzte des Kantons <strong>Schaffhausen</strong>s, die mit ihrer regen Teilnahme und ihrem<br />

Interesse meine Arbeit überhaupt ermöglichten.<br />

• Christian Thüring, Student der Humanmedizin, der mir für ein Interview zur<br />

Verfügung stand und meine Fragen engagiert und interessiert beantwortete.<br />

Ausserdem möchte ich mich bei meinen Eltern, meiner Tante, meinem Grossvater und<br />

meinem Freund Stefan, für ihre Anregungen, konstruktive Kritik und die grosse<br />

Unterstützung bedanken.<br />

39


8. Quellen<br />

8.1. Literatur-­‐ und Internetquellen<br />

1) http://www.hausaerzteschweiz.ch/de/ueber-­‐uns.html, Stand 06.10.2011<br />

2) Das “OECD Health Project” ist eine Studie der Organisation für Wirtschaftliche<br />

Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) zum Gesundheitswesen in den Industrieländern.<br />

3) http://www.hausaerzteschweiz.ch/hausarztmedizin/bedarf-­‐an-­‐hausaerzten, Stand<br />

2.12.2011<br />

4) Carobbio M., Nationalrätin TI, Vizepräsidentin der SP Schweiz, Hausärztin, Die<br />

Grundversorgung zu gewährleisten ist Aufgabe der öffentlichen Hand, Bern, 27. Januar 2011<br />

5) De Haller J., Gesundheitspolitische Standpunkte und Empfehlungen der FMH, Bern,<br />

25.02.2011<br />

6) Giger J., Dissertation: Hausärztliche Versorgungssituation 2005, Institut für<br />

Hausartmedizin der Universität Basel, Dezember 2008, S.82<br />

9) König U., Hausarztmangel: Bericht der Arbeitsgruppe zur Förderung der<br />

Hausarztmedizin im Kanton St. Gallen, Primary Care 2005: Nr. 26-­‐27, S. 589<br />

10) Bericht des Bundesrates: Strategie gegen Ärztemangel und zur Förderung der<br />

Hausarztmedizin, 16.09.2011, S.6<br />

11) Bericht des Bundesrates: Strategie gegen Ärztemangel und zur Förderung der<br />

Hausarztmedizin, 16.09.2011, S.26<br />

13) http://www.hausarztmedizin.uzh.ch/index.html, 20.10.2011<br />

14) Rosemann T., Akademisierung der Hausarztmedizin an der Universität Zürich – eine<br />

Bilanz nach drei Jahren,Schweizerische Ärztezeitung 2011;92: 16/17<br />

16) Haefeli A., Ärzteverband Aargau, Kantonale Daten und Tarife, Stand 25.08.2011<br />

17) http://de.wikipedia.org/wiki/Gesundheitswesen_in_der_Schweiz, Stand 4.11.2011<br />

18) http://www.praxishilfe.ch/seiten/tpw_tarmed.html, Stand 4.11.2011<br />

19) http://www.santesuisse.ch/de/dyn_output.html?content.vcid=6&content.cdid=-­‐<br />

10624&detail=yes&navid=2, Stand 16.11.2011<br />

40


20) http://www.zh.ch/internet/de/aktuell/news/medienmitteilungen/2011/248_med-­‐<br />

ikamentenabgabe.html, Stand 06.11.2011<br />

21) Giger J., Dissertation: Hausärztliche Versorgungssituation 2005, Institut für<br />

Hausartmedizin der Universität Basel, Dezember 2008, S.46<br />

22) http://www.spitaeler-­‐sh.ch/die-­‐spitaeler-­‐<br />

schaffhausen/medien/medienmitteilungen/detail/article/ 2011/09/02/rueckblick-­‐aufs-­‐erste-­‐<br />

jahr-­‐notfallpraxis-­‐schaffhausen, Stand 04.10.2011<br />

23) Chatelain C., Ein Projekt gegen den Ärztemangel, Berner Zeitung, 21.01.2011<br />

24) De Haller J., Gesundheitspolitische Standpunkte und Empfehlungen der FMH, Bern,<br />

25.02.2011<br />

25) Künzi K., Strub S., Stocker D., Erhebung der Einkommensverhältnisse der berufstätigen<br />

Ärzteschaft, Schweizerische Ärztezeitung 2011;92: 36<br />

26) Bericht des Bundesrates: Strategie gegen<br />

Ärztemangel und zur Förderung der Hausarztmedizin vom 16.09.2011, S.53-­‐65<br />

27) Bericht des Bundesrates: Strategie gegen Ärztemangel und zur Förderung der<br />

Hausarztmedizin vom 16.09.2011, S.55-­‐63<br />

28) Bericht des Bundesrates: Strategie gegen Ärztemangel und zur Förderung der<br />

Hausarztmedizin vom 16.09.2011, S.64-­‐65<br />

29) http://www.jzh.ch/de/initiative/unsere-­‐forderungen, Stand 06.11.2011<br />

30) Erläuternder Bericht zum Gegenentwurf des Bundesrates zur Volksinitiative: Ja zur<br />

Hausarztmedizin, 06.04.2011, S.2<br />

31) http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Kein-­‐rztemangel-­‐-­‐aber-­‐nur-­‐dank-­‐<br />

Auslaendern/story/28735694, Stand 29.11.2011<br />

32) Medienmitteilung des OBSAN: Der Ärztemangel könnte bis 2030 die ambulante<br />

medizinische Versorgung in der Schweiz gefährden, 01.07.2008<br />

33) Hugentobler W., Kostenvergleich der ambulanten Notfallversorgung in der<br />

hausärztlichen Praxis mit den Notfallstationen der Spitäler, PrimaryCare 2006;6: Nr.32-­‐33<br />

34) Carobbio M., Nationalrätin TI, Vizepräsidentin der SP Schweiz, Hausärztin, Die<br />

Grundversorgung zu gewährleisten ist Aufgabe der öffentlichen Hand, Bern, 27. Januar 2011<br />

35) Carobbio M., Nationalrätin TI, Vizepräsidentin der SP Schweiz, Hausärztin, Die<br />

Grundversorgung zu gewährleisten ist Aufgabe der öffentlichen Hand, Bern, 27. Januar 2011<br />

41


8.2. Abbildungsverzeichnis<br />

Titelblatt:<br />

http://www.jzh.ch/de/oeffentlichkeit/galerie, Stand 16.11.2011<br />

Abbildung 1: Durchschnittsalter der Hausärzte*<br />

Abbildung 2: Praxisstandort und Geschlechterverteilung der Hausärzte*<br />

Abbildung 3: Verteilung Einzel/Gruppenpraxen*<br />

Abbildung 4: Anzahl Hausärzte in 0, 5 und 10 Jahren unter Berücksichtigung der<br />

Pensionierungsabsichten*<br />

Abbildung 5: Prozentuale Reduzierung/Erhöhungsabsichten nach Hausärzten*<br />

Abbildung 6: Anteile der Antworten auf die Frage „Wieso wird es schwierig eine/n<br />

Nachfolger/in zu finden?“ *<br />

Abbildung 7: Anteile der Antworten auf die Frage „Wie könnte man den Hausarztberuf<br />

attraktiver gestalten?"*<br />

Abbildung 8: Anteile der 4 Hauptgruppen am drohenden Hausärztemangel*<br />

Abbildung 9: Anteile der Antworten auf die Frage „Wo sehen sie die Probleme bei der<br />

Ausbildung der Hausärzte?"*<br />

Abbildung 10: Anteile der Antworten auf die Frage „Sollte der Hausarzt selbständig oder<br />

angestellt arbeiten?“*<br />

Abbildung 11: Feminisierung als Problem*<br />

Abbildung 12: Befindlichkeit der Hausärzte*<br />

Abbildung 13: Verteilung weibliche/männliche Absolventen des Humanmedizinstudiums<br />

BFS, Bundesamt für Statistik, Abschlüsse der Universitären Hochschule 2010, Stand<br />

28.10.2011<br />

Abbildung 14: Vergleichslohn Hausarzt/angestellte Tätigkeit<br />

Datenpool der Kantonalen Ärztegesellschaft <strong>Schaffhausen</strong>, Stand 14.11.2011<br />

Abbildung 15: Jahreseinkommen der Hausärzte mit/ohne Selbstdispensation vor den<br />

Steuern<br />

Datenpool der Kantonalen Ärztegesellschaft <strong>Schaffhausen</strong>, Stand 14.11.2011<br />

Abbildung 16: Regionen mit/ohne Selbstdispensation<br />

Datenpool der Kantonalen Ärztegesellschaft <strong>Schaffhausen</strong>, Stand 14.11.2011<br />

42


Abbildung 17: Medikamentenkosten pro Versicherten<br />

http://www.santesuisse.ch/user_content/pics/grafik-­‐<br />

db/1024x768/g1_medikosten_pro_kanton_d_20100209134746.jpg, Stand 10.11.2011<br />

Abbildung 18: Durchschnittliche kantonale Krankenkassenprämien 2011 (je Monat) für<br />

Erwachsene. Rot: Kantone mit Selbstdispensation<br />

Datenpool der Kantonalen Ärztegesellschaft <strong>Schaffhausen</strong>, Stand 14.11.2011<br />

* Aus eigenen Daten zusammengestellte Abbildungen.<br />

43


9. Anhang<br />

9.1. Der Umfragebogen<br />

Umfrage für die Maturarbeit <strong>von</strong> <strong>Lukas</strong> <strong>Funke</strong><br />

Liebe Hausärztinnen, Liebe Hausärzte<br />

In meiner Maturaarbeit untersuche ich den drohenden Hausärztemangel am Beispiel der<br />

Schaffhauser Hausärzte. Spätestens seit der Workforce-Studie der Uni Basel wissen wir, dass<br />

in 5 Jahren 50% der Hausärzte in Pension gehen. Leider scheint diese Lücke nicht mit<br />

genügend Nachfolger/innen geschlossen werden zu können. Mit meiner Umfrage möchte ich<br />

die Situation im Kt. SH erfassen und ihre Meinung hierzu erfahren. Dazu werde ich die<br />

Ursachen, aber auch die möglichen Auswirkungen eines solchen Mangels untersuchen.<br />

Zudem möchte ich herausfinden, wie man den Mangel mildern/abfangen könnte.<br />

Darum wäre es sehr hilfreich, wenn sie diesen kurzen Umfragebogen ausfüllen und mir<br />

innerhalb <strong>von</strong> 4 Wochen, nach Erhalt der Unterlagen, zurückschicken.<br />

Im Voraus dankend<br />

<strong>Lukas</strong> <strong>Funke</strong><br />

Zur Umfrage: Bei mehr als 3 Kästchen ( ) sind Mehrfachantworten möglich.<br />

Die Daten werden anonym und vertraulich behandelt.<br />

1. Ihr Geschlecht?<br />

2. Ihr Geburtsjahr?<br />

Männlich Weiblich<br />

3. Arbeiten sie in einer Gemeinschaftspraxis?<br />

Ja Nein<br />

4. Wie lange gedenken sie noch als Hausarzt/ärztin zu arbeiten?<br />

0-5 Jahre 5-10 Jahre mehr als 10 Jahre<br />

44


5. Wie hoch ist ihre Gesamtarbeitszeit pro Jahr in Stunden?<br />

__________________________________________________________________<br />

6. Gedenken sie ihre Arbeitszeit in den nächsten Jahren zu reduzieren/erhöhen?<br />

Reduzieren...um: 10-30% Erhöhen...um: 10-30%<br />

30-60% 30-60%<br />

mehr als 60% mehr als 60%<br />

7. Denken sie, dass es schwierig wird eine/n Nachfolger/in zu finden?<br />

Falls ja, wieso?<br />

Ja Nein<br />

Unattraktiver Beruf<br />

Mangel an Hausärzten<br />

Verdienstmöglichkeiten/geringes Einkommen<br />

Mangelnde Freizeit<br />

Anderes:________________________________________________________<br />

8. Spielt die direkte Medikamentenabgabe beim Standort der Praxiswahl eine Rolle?<br />

Ja Nein<br />

9. Dürfen sie Medikamente abgeben? (Selbstdispensation)<br />

Ja Nein<br />

10. Wie könnte man den Hausarztberuf attraktiver gestalten?<br />

Job-Sharing<br />

Gemeinschaftspraxen<br />

Bessere Verdienstmöglichkeiten<br />

Weniger Arbeitszeit<br />

Anderes:_________________________________________________________<br />

45


11. Was sind für sie die Hauptgründe des drohenden Hausärztemangels?<br />

1.__________________________________________________________________<br />

2.__________________________________________________________________<br />

3.__________________________________________________________________<br />

12. Wo sehen sie die Probleme bei der Ausbildung neuer Hausärzte?<br />

Numerus Clausus<br />

Ungenügende Betreuung und Kanalisierung während der Ausbildung<br />

Fehlende Studienplätze<br />

Anderes:________________________________________________________<br />

13. Ist der Hausarztberuf attraktiver in einer Einzel, oder in einer Gruppenpraxis?<br />

Einzelpraxis Gruppenpraxis Beides<br />

14. Sollte der Hausarzt selbständig oder angestellt arbeiten?<br />

Selbstständig in Einzelpraxis<br />

Selbstständig in Gruppenpraxis<br />

Angestellt <strong>von</strong> einer Unternehmung<br />

Angestellt <strong>von</strong> einer Versicherung (Swica-Modell)<br />

Angestellt <strong>von</strong> einer Ärzte-AG<br />

15. Sollten mehr Teilzeitstellen geschaffen werden?<br />

Falls ja, wie?<br />

Ja Nein<br />

Als Jobsharing<br />

Teilzeitstellen<br />

46


16. Stellt die Feminisierung ein Problem für die Hausärztemedizin dar?<br />

Ja Nein<br />

17. Sehen sie die ärztliche Grundversorgung in Zukunft gefährdet?<br />

Ja Nein<br />

Falls ja, inwiefern?<br />

Ungenügende Abdeckung des Bedarfes ärztlicher Leistung?<br />

Ungenügende Honorierung?<br />

Eingeschränkter Notfalldienst?<br />

Anderes:________________________________________________________<br />

18. Wie drücken sie ihre aktuelle Befindlichkeit gegenüber dem Hausarztberuf aus?<br />

Bin zufrieden<br />

19. Anmerkungen:<br />

Bin unzufrieden<br />

Habe Bedenken für die Zukunft<br />

Würde heute einen anderen Beruf wählen<br />

Anderes:________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________<br />

Vielen Dank für ihre Geduld!<br />

47


9.2. Das Interview<br />

Interview<br />

Das Interview wurde mit einem Student durchgeführt, der sich im achten Semester des<br />

Humanmedizinstudiums befindet.<br />

1. Frage: Ist der Hausärztemangel ein Thema an der Uni?<br />

Man erfährt da<strong>von</strong> vor allem über die Medien, wie die Leute, die nicht Medizin studieren.<br />

Der Hausärztemangel an sich, wird nicht während Vorlesungen besprochen und thematisiert.<br />

Jeder Dozent sagt <strong>von</strong> seinem jeweiligen Fach, dass es einen Mangel gibt. Das Fach<br />

Hausarztmedizin existiert jedoch nicht, ab und zu jedoch, kommt ein/e Hausarzt/in und<br />

verbindet den Hausarztberuf mit dem aktuellen Thema, zum Beispiel dozierte eine Hausärztin<br />

darüber, wie sie die Gynäkologie in Verbindung mit ihren Patienten in ihrer Praxis anwendet.<br />

2. Frage: Wird den Studierenden der Hausarztberuf genügend vorgestellt?<br />

Ja, dieses Jahr durfte jeder Student ein Praktikum bei einem Hausarzt besuchen. Während<br />

sechs Nachmittagen durfte der Student dem Hausarzt zur Seite stehen. Ich persönlich wurde<br />

komplett in den Betrieb einbezogen. Ich durfte eine Wunde nähen und am Schluss meines<br />

Praktikums sogar einen Patienten selber behandeln. Ich habe diese Erfahrung als äusserst<br />

positiv empfunden. Der Hausarztberuf scheint mir sehr vielseitig, man muss sein komplettes<br />

Wissen wieder anwenden. Jedoch trägt man auch eine grosse Verantwortung, wen soll man<br />

selber behandeln und wen sollte man besser an einen Spezialisten weiterschicken?<br />

Zusammengefasst denke ich, dass der Hausarztberuf nicht ungenügend dargestellt wird, man<br />

hat teilweise Vorlesungen und auch Praktika. In meinem Fall könnte ich aber bemängeln, dass<br />

die Begeisterung durch die Dozenten nicht mitgegeben wurde, was aber nur auf den Dozent<br />

ankommt und individuell vielleicht anders empfunden wird.<br />

3. Frage: Bei meiner Umfrage äusserten sich viele Hausärzte, dass sie während<br />

dem Studium als unwissende Nichtskönner dargestellt werden. Darum frage ich<br />

sie: Wird der Hausarztberuf schlecht dargestellt?<br />

Nein, die Dozenten äussern sich nicht negativ gegenüber dem Hausarztberuf. Im Gegenteil,<br />

sie erläutern, dass man als Hausarzt ein breites Wissen haben muss, dass man abschätzen<br />

kann, wann man den Patienten weiterschicken sollte.<br />

4. Frage: Viele Hausärzte sehen den Numerus Clausus als Mitverantwortlicher<br />

des Hausärztemangels, was halten sie vom Numerus Clausus?<br />

Ich halte den Numerus Clausus für nötig. Würden 1000 Studenten in Zürich im 1. Jahr<br />

gemeinsam studieren, würde ein riesiger Konkurrenzkampf stattfinden. Die Kollegialität wäre<br />

verloren und ein schlechtes Arbeitsklima würde entstehen. Ich hege jedoch einen Zweifel an<br />

den Anforderungen, welche der Numerus Clausus testet. Vielmals frage ich mich, wieso<br />

studieren diese Leute Medizin? Es gibt viele rücksichtslose, asoziale Leute. Gerade beim<br />

Hausarztberuf ist der soziale Aspekt sehr wichtig, häufig ist man auch ein Seelsorger und ein<br />

halber Psychiater. Als Hausarzt muss man nicht zwingend hochintelligent sein, aber<br />

ausgeprägte menschliche Fertigkeiten sind sehr wichtig. Einige Studenten sind vielleicht<br />

keine Nobelpreisträger (schmunzelt), aber wären super Hausärzte. Gerade die beschriebenen<br />

Studenten sind aber jene, die häufig an den Prüfungen nicht so gut abschneiden. Darum würde<br />

ich es als sinnvoll betrachten, die sozialen Fertigkeiten beim Numerus Clausus zu prüfen.<br />

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5. Frage: Spürt man bereits während des Studiums eine Feminisierung des<br />

Hausarztberufs? Gibt es viele Frauen, die Hausärztin werden wollen aus<br />

Gründen der Familienplanung?<br />

Ich kenne einige Mitstudentinnen, die es in Betracht ziehen, Hausärztinnen zu werden, aus<br />

Gründen der Familienplanung. Angestellt in einer Klinik geht es nicht so gut teilzeitlich zu<br />

arbeiten und selber zu bestimmen, wie viel man jetzt arbeiten will, und wann. Die<br />

Feminisierung ist natürlich ein Teilpunkt des Hausärztemangels, denn sie brauchen 100%<br />

Ausbildung, der Output später beträgt dann aber häufig nicht mehr 100%.<br />

6. Frage: Ist die Verdienstmöglichkeit ein Grund dafür, den Hausarztberuf nicht<br />

zu wählen?<br />

Die Verdienstmöglichkeit ist nicht das wichtigste Kriterium, aber es spielt natürlich auch eine<br />

wichtige Rolle. Wenn man erst mit 30 Jahren Facharzt wird, dann will man auch richtig<br />

verdienen.<br />

7. Frage: Wo sehen sie die Möglichkeit, die ärztliche Grundversorgung in<br />

Zukunft sicherzustellen?<br />

Der finanzielle Anreiz muss sich vergrössern. Die Arbeitszeitbilanz soll stimmen, man will<br />

nicht viel arbeiten und dabei wenig verdienen. Des weiteren denke ich, dass das<br />

„Einzelkämpfertum“ nicht sinnvoll ist. Man sollte sich zu zweit oder zu dritt<br />

zusammenschliessen. So kann man sich den Notfalldienst teilen und auch sonst die<br />

Arbeitszeit besser regulieren. Keiner will mit 50 Jahren schon ausgebrannt sein, weil er soviel<br />

gearbeitet hat.<br />

Ich denke auch, dass ein Umdenken stattfinden sollte. Nicht der Herzchirurg ist der grosse<br />

Star, sondern auch unsere Hausärzte sind sehr wichtig, denn sie tragen zum Beispiel die<br />

grösste Verantwortung im Gesundheitssystem.<br />

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Eigenständigkeitserklärung<br />

Hiermit erkläre ich, dass ich die Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe<br />

verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benützt habe.<br />

Ausserdem versichere ich, dass die Arbeit noch nicht veröffentlicht oder in<br />

einem anderen Prüfungsverfahren als Prüfungsleistung vorgelegt ist.<br />

<strong>Schaffhausen</strong>, 06.12.2011 <strong>Lukas</strong> <strong>Funke</strong>:<br />

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