Analoge Tricktechnik im Zeitalter digitaler Medien - Institut für ...

Analoge Tricktechnik im Zeitalter digitaler Medien - Institut für ... Analoge Tricktechnik im Zeitalter digitaler Medien - Institut für ...

kunstpaedagogik.uni.muenchen.de
von kunstpaedagogik.uni.muenchen.de Mehr von diesem Publisher
06.01.2013 Aufrufe

3. Analyse kann. Das widerspricht gänzlich unserem rationalen Verstand. Um dieser Ma- gie auf die Spur zu kommen wird hier analaog zu Paul Wells zunächst auf die Zagreber Schule des ehemaligen Jugoslawien hingewiesen, die diese These unterstützt. 33 Die dort ansässigen Trickfilmzeichner arbeiteten an der Weiter- entwicklung von Norman McLarens Definition zur Animation. Dazu starteten sie den Versuch, ästhetische und philosophische Aspekte mit einzubeziehen. So schlagen sie Folgendes vor: Animation ist „to give life and soul to a de- sign, not through the copying but through transformation of reality.“ 34 Die Be- tonung liegt auf dem kreativen Aspekt des wörtlich zu nehmenden „etwas be- leben“, das unbelebt ist. Sie wollten etwas über die Figur oder das Objekt im Fortgang zum Vorschein bringen, das sich unter keinen Umständen begreifen lässt. Filmemacher aus Zagreb, wie Dusan Vutkovic wollten die Realität trans- formieren und der Art und Weise entgegenwirken, mit der die Disney Studios ihre Animationen anfertigten. Denn die Disney Studios Animationen waren bemüht realistisch zu wirken. Also einen Realismus darzustellen, ähnlich dem Realfilm. Diese Verfahrensweise bekam in den USA eine dominante und ideo- logische Position. Im Gegensatz dazu sah die Zagreber Schule Animation als etwas Nichtrealistisches und potenziell Subversives an. Auch die britischen Animationskünstler John Halas und Joy Batchelor scheinen diesen Punkt be- stätigen zu wollen indem sie postulieren: „If it is the live-action film's job to present physical reality, animated film is concerned with metaphysical reality – not how things look, but what they mean.“ 35 Diese Betrachtungsweise impli- ziert, dass die „Bedeutung“ aus dem eigentümlichen Vokabular, das dem Ani- mationskünstler zur Verfügung steht, hervorgerufen wird. Doch dies ist nicht das Terrain des Realfilmemachers. Der aus Tschechien stammende surrealisti- sche Trickzeichner Jan Svankmajer nimmt dieses Vokabular als etwas Befrei- endes, Einzigartiges und potenziell Hinterfragendes wahr: „Animation enables me to give magical powers to things. In my films, I move many objects, real objects. Suddenly, an everyday contact with things 33 Vgl. Well, Paul 1988, S. 10-11. 34 Holloway, Ronald (1972): Z is for Zagreb. London: Tantivy Press. S. 9. 35 Hoffer, Thomas W. (1981): Animation: A Reference Guide. Westport, Connecticut: Green- wood Press. S.3. 20

3. Analyse which people are used to acquires a new dimension and in this way casts a doubt over reality. In other words, I use animation as a means of subversion.“ 36 Paul Wells zufolge beschreibt Svankmajers Ansicht womöglich am besten, welche Möglichkeiten einem Animationskünstler zu Verfügung stehen: Durch Animation lässt sich das Alltägliche neu definieren. Die von uns akzeptierten Begriffe von „Realität“ werden untergraben, was dazu führt, das wir unseren strenggläubigen Verstand und die Akzeptanz unserer Existenz herausfordern müssen. Die Animation trotzt den physikalischen Gesetzen der Schwerkraft, stellt unser Verständnis von Raum und Zeit in Frage und stattet leblose Gegen- stände mit dynamischen und lebhaften Attributen aus. Dadurch lassen sich ori- ginelle Effekte erzeugen. Nicht umsonst meint Paul Wells, dass die Animation ursprünglich in den Händen der Magier lag. Georges Melies war zum Beispiel ein solcher Magier und das nicht nur im übertragenen Sinn. „The Father of Special Effects“ gilt zudem als Erfinder des Stop-Motion-Tricks: Während er eine Live-Szene am Place de l'Opera drehte blockierte seine Kamera. Es brauchte etwa eine Minute bis er seine Arbeit fortsetzten konnte. Als sich bei der späteren Vorführung ein Bus plötzlich in einen Leichenwagen verwandelt hatte und Passanten verschwanden und wieder auftauchten, baute er diese zu- fällige Entdeckung zu einem bedeutendem Spezialeffekt aus. Zwar wurde die Stop-Motion-Technik schon früher von Edison entdeckt, allerdings war es Melies, der sie ausgiebig in seinen Filmen verwendet hat. 37 , 38 Ohne weiter auf die Entstehungsgeschichte des Stop-Motion Verfahrens ein- zugehen, blicken wir an dieser Stelle nochmal zurück auf die Körperlichkeit, die ebenfalls eine Rolle in der Entmystifizierung der Magie spielt. Das Hauptaugenmerk dreidimensionaler Animation liegt nach Paul Wells auf dem Ausdruck von Materialität. 39 Bedingt dadurch wird eine gewisse Me- ta-Realität geschaffen, welcher die selben physikalischen Gesetzmäßigkeiten 36 Zitiert nach Wells, Paul 1998, S.11. 37 Vgl. Georges Méliès – Biography: http://www.imdb.com/name/nm0617588/bio, Zugriff am 12.06.2011. 38 Vgl. Leonhard, Joachim-Felix 2001, S. 1038 – 1040. 39 Der folgende Abschnitt bezieht sich auf Wells, Paul 1998, S. 90-92. 21

3. Analyse<br />

kann. Das widerspricht gänzlich unserem rationalen Verstand. Um dieser Ma-<br />

gie auf die Spur zu kommen wird hier analaog zu Paul Wells zunächst auf die<br />

Zagreber Schule des ehemaligen Jugoslawien hingewiesen, die diese These<br />

unterstützt. 33 Die dort ansässigen Trickfilmzeichner arbeiteten an der Weiter-<br />

entwicklung von Norman McLarens Definition zur An<strong>im</strong>ation. Dazu starteten<br />

sie den Versuch, ästhetische und philosophische Aspekte mit einzubeziehen.<br />

So schlagen sie Folgendes vor: An<strong>im</strong>ation ist „to give life and soul to a de-<br />

sign, not through the copying but through transformation of reality.“ 34 Die Be-<br />

tonung liegt auf dem kreativen Aspekt des wörtlich zu nehmenden „etwas be-<br />

leben“, das unbelebt ist. Sie wollten etwas über die Figur oder das Objekt <strong>im</strong><br />

Fortgang zum Vorschein bringen, das sich unter keinen Umständen begreifen<br />

lässt. Filmemacher aus Zagreb, wie Dusan Vutkovic wollten die Realität trans-<br />

formieren und der Art und Weise entgegenwirken, mit der die Disney Studios<br />

ihre An<strong>im</strong>ationen anfertigten. Denn die Disney Studios An<strong>im</strong>ationen waren<br />

bemüht realistisch zu wirken. Also einen Realismus darzustellen, ähnlich dem<br />

Realfilm. Diese Verfahrensweise bekam in den USA eine dominante und ideo-<br />

logische Position. Im Gegensatz dazu sah die Zagreber Schule An<strong>im</strong>ation als<br />

etwas Nichtrealistisches und potenziell Subversives an. Auch die britischen<br />

An<strong>im</strong>ationskünstler John Halas und Joy Batchelor scheinen diesen Punkt be-<br />

stätigen zu wollen indem sie postulieren: „If it is the live-action film's job to<br />

present physical reality, an<strong>im</strong>ated film is concerned with metaphysical reality<br />

– not how things look, but what they mean.“ 35 Diese Betrachtungsweise <strong>im</strong>pli-<br />

ziert, dass die „Bedeutung“ aus dem eigentümlichen Vokabular, das dem Ani-<br />

mationskünstler zur Verfügung steht, hervorgerufen wird. Doch dies ist nicht<br />

das Terrain des Realfilmemachers. Der aus Tschechien stammende surrealisti-<br />

sche Trickzeichner Jan Svankmajer n<strong>im</strong>mt dieses Vokabular als etwas Befrei-<br />

endes, Einzigartiges und potenziell Hinterfragendes wahr:<br />

„An<strong>im</strong>ation enables me to give magical powers to things. In my films, I<br />

move many objects, real objects. Suddenly, an everyday contact with things<br />

33 Vgl. Well, Paul 1988, S. 10-11.<br />

34 Holloway, Ronald (1972): Z is for Zagreb. London: Tantivy Press. S. 9.<br />

35 Hoffer, Thomas W. (1981): An<strong>im</strong>ation: A Reference Guide. Westport, Connecticut: Green-<br />

wood Press. S.3.<br />

20

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!