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8<br />
von Stechmücken so stark<br />
dezimierte, dass es auch<br />
im so feuchten Frühsommer<br />
2004 kaum Mücken<br />
gab. Da das Virus offenbar<br />
ausschließlich von Stechmücken<br />
übertragen wird,<br />
könnte damit aber auch<br />
der falsche Eindruck entstehen,<br />
die Seuche würde<br />
sich schon wieder totlaufen.<br />
Vielmehr ist damit zu<br />
rechnen, dass es nun –<br />
zumindest in Wien und<br />
Umgebung – ein Reservoir<br />
dieses Virus in den<br />
infizierten, aber überlebenden<br />
Amseln und vielleicht<br />
auch in anderen<br />
Vögeln gibt. Eine entsprechende<br />
Zunahme der<br />
Stechmücken wird das<br />
Ausmaß der Durchseuchung<br />
erst in den kommenden<br />
Sommern zum<br />
Ausdruck bringen. In<br />
Wien gehen inzwischen<br />
die Forschungen am<br />
Usutu-Virus weiter.<br />
Sollte dieses in größerem<br />
Umfang auf Vogelarten<br />
überspringen, von<br />
denen es nicht so große<br />
und so vitale Populationen<br />
wie bei den Amseln<br />
gibt, könnten ähnliche<br />
Verhältnisse wie in den<br />
letzten Jahren in weiten<br />
Bereichen der USA entstehen<br />
(und viele Vogelschutzmaßnahmen<br />
zunichte machen!).<br />
Eine gewisse Besorgnis<br />
erregen Befunde an den<br />
Amseln im Münchner<br />
Westen (Obermenzing)<br />
aus dem Jahr 2000:<br />
Damals gab es auffallend<br />
wenige Amseln und vor<br />
allem kaum Weibchen. In<br />
den folgenden Jahren<br />
erholten sich die Bestände<br />
zwar wieder, aber ob eine<br />
normale Bestandsschwankung<br />
zugrunde lag oder<br />
ob die Bestandsminderung<br />
um rund ein Drittel<br />
im Vergleich zu den anderen<br />
Jahren einer konkreten<br />
Ursache zuzuordnen ist,<br />
muss offen bleiben. Merkwürdig<br />
war jedenfalls der<br />
so geringe Anteil von<br />
Weibchen im März und<br />
1/ 2005<br />
April (weniger als 20 %).<br />
Völlig unklar ist, auf<br />
welche Weise das Virus<br />
von Afrika nach Mitteleuropa<br />
kam. Am transkontinentalen<br />
Vogelzug kann<br />
es wohl kaum gelegen<br />
haben, denn dieser vollzieht<br />
sich seit Jahrtausenden.<br />
Viele Millionen Vögel<br />
waren und sind daran<br />
beteiligt. Möglich ist, dass<br />
im tropischen Afrika überwinternde<br />
Fernzieher<br />
immun sind und dass erst<br />
die Verstädterung der<br />
Amsel das Potenzial einer<br />
empfindlichen Art aufgebaut<br />
hat, die das Virus<br />
nun ein gutes Jahrhundert<br />
nach ihrer massiven Verstädterung<br />
getroffen hat.<br />
Dichte Bestände erleichtern<br />
die Übertragung der<br />
Viren; Ausdünnung<br />
hemmt, weil infizierte<br />
Mücken nicht so leicht<br />
wieder von derselben<br />
empfindlichen Art Blut<br />
abzapfen können. Wachsamkeit<br />
ist dennoch geboten;<br />
die Meinung, die Seu-<br />
Virus breitet sich aus<br />
che träfe ja nur die ohnehin<br />
so häufigen Amseln<br />
könnte höchst fahrlässig<br />
sein. Daher ist es notwendig,<br />
auch hier in <strong>München</strong><br />
auf die Amseln zu achten,<br />
ob sie entsprechende<br />
Anzeichen zeigen. Sterbende<br />
und frisch tote<br />
Amseln sollten unverzüglich<br />
für entsprechende<br />
Untersuchungen eingesammelt<br />
und an die Zoologische<br />
Staatssammlung<br />
übergeben werden. Dort<br />
wird in der Zwischenzeit<br />
geklärt, ob Untersuchungen<br />
zum Nachweis des<br />
Usutu-Virus an geeigneten<br />
Stellen hier in <strong>München</strong><br />
vorgenommen werden<br />
können oder ob die<br />
Vögel (oder Gewebsproben<br />
davon) nach Wien<br />
geschickt werden müssen.<br />
Prof. Dr. Josef H. Reichholf<br />
Zoologische Staatssammlung<br />
Münchhausenstr. 21<br />
81247 <strong>München</strong><br />
Abb. 2: Als Überträger des Virus eher unwahrscheinlich – der transkontinentale Vogelzug Foto: Alfred Limbrunner