Akzente 11_05.indd - Nordzucker AG

Akzente 11_05.indd - Nordzucker AG Akzente 11_05.indd - Nordzucker AG

06.01.2013 Aufrufe

4 I Aktuell I Akzente Dezember 2005 Nordzucker fit machen für die Zukunft WTO-Urteil zwingt zu Kapazitätsanpassungen Bereits seit dem 28. April 2005 haben wir es schwarz auf weiß: Die EU hat den Streit mit Brasilien, Thailand und Australien um unzulässige Subventionen im Zuckerexport endgültig verloren. Rund drei Millionen Tonnen C-Zucker, die die EU jährlich im Durchschnitt auf dem Weltmarkt verkauft hat, können nach dem Ende der Umsetzungsfrist, also zum 22. Mai 2006, nicht mehr exportiert werden. Auch der Reexport von jährlich 1,3 Millionen Tonnen AKP-Zucker wird dann nicht mehr zulässig sein. WTO-Entscheidung trifft direkt Die WTO-Entscheidung trifft uns direkt: Nordzucker hat im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre rund 200.000 Tonnen C-Zucker erzeugt und in Länder außerhalb der EU verkauft. Diese Menge entspricht „Man kann sich der Jahresproduktion fragen, wer gibt der von eineinhalb Wer- WTO eigentlich das ken.Produktionska- Recht zu bestimmen, pazität, die wir nach wer was herstellen Maßgabe des WTOoder exportieren darf Urteils künftig nicht und wer nicht?“ mehr benötigen, weil wir sie nicht mehr nutzen dürfen. Diese Überkapazitäten gilt es nun ohne Zeitverzug abzubauen. Nordzucker wird die notwendige Anpassung in zwei Schritten vornehmen und das Werk Wierthe nach der Kampagne 2005 sowie das Werk Groß Munzel nach der Kampagne 2006 stilllegen. Die Werksschließungen werden sozial verantwortlich ohne betriebsbedingte Kündigungen über ein unternehmensweites Vorruhestandsangebot umgesetzt. Europäische Union – das erfolgreiche Vorbild der WTO Man kann sich fragen, wer gibt der WTO eigentlich das Recht zu bestimmen, wer was herstellen oder exportieren darf und wer nicht? Wieso dürfen unsere Landwirte nicht das anbauen, was sie wollen? Und wieso darf Nordzucker ihren Zucker nicht in freier unternehmerischer Entscheidung zum Weltmarktpreis wettbewerbsfähig Dr. Ulrich Nöhle, Vorstandsvorsitzender Nordzucker AG anbieten? Antworten auf diese Fragen ergeben sich aus der bisherigen Entwicklung der Europäischen Union. Die heutige Staatengemeinschaft ist über Jahrzehnte zusammen gewachsen, indem sie durch Zollabbau, freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital „gerechtere“ Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Wirtschaft geschaffen hat. WTO: EU-ähnliches Konzept, aber niedrigeres Niveau Meilensteine der Entwicklung der EU • Gründung der Montan-Union für Kohle und Stahl in 1951/1953 (Unterzeichnung/Inkrafttreten) • Die Gründung der Europäischen Wirtschafts Gemeinschaft (EWG) sowie Euratom durch den Vertrag von Rom in 1957/1958. EWG und Euratom zusammen bilden seit dem Fusionsvertrag von1965/ 1967 die Europäischen Gemeinschaften mit Rat und Kommission. Die Welthandelsorganisation (WTO, world trade organisation) verfolgt ein ähnliches Konzept – allerdings auf weit niedrigerem Niveau. Als reine Handelsorganisation beschränkt sie sich auf die Absenkung von Ein- und Ausfuhrzöllen, den Abbau von Exportsubventionen • Der Maastricht Vertrag über die Gründung der Europäischen Union 1992/1993 bewirkte unter anderem die Umbenennung der EWG in EG. • Die Verträge von Amsterdam (1997/1999) und Nizza (2001/2003) brachten eine Konsolidierung von EU- und EG- Vertrag sowie eine institutionelle Reform. Ergebnis dieses Prozesses ist der politisch und wirtschaftlich stabile Raum Europäische Union.

und andere den Handel verzerrende Regelungen. Deutschland und die EU haben sich durch ihre Mitgliedschaft zur Einhaltung von WTO-Regeln und Vereinbarungen verpflichtet. Verbindlich für alle Mitglieder: WTO-Entscheidungen Bei Streitigkeiten zwischen WTO- Mitgliedern können einzelne Staaten eine Art Schiedsgericht anrufen, den so genannten Appelate Body in Genf. Eben das haben Brasilien, Thailand und Australien – die weltgrößten Zuckerexporteure – getan, weil sie der Meinung waren, „Bemerkenswert ist dabei, dass nicht etwa ein armes Land geklagt hat, um seine Exportchancen zu verbessern, sondern eben die größten Zuckerex porteure der Welt.“ dass die EU den C- Zucker nur durch eine unzulässige Quersubven tio nierung aus der Quotenzuckererzeugung herstellen könne. Konkret heißt das: Nur weil die Rübenanbauer und die Zuckerindustrie auf der Grundlage der EU-Zuckermarktordnung Mindestpreise garantiert bekommen, konnten sie sich die Maschinen und Anlagen kaufen, mit denen sie über den EU-Verbrauch hinaus weiteren Zucker produzieren und zu Weltmarktpreisen absetzen. Ob nun richtig oder falsch – das WTO-Gericht hat entschieden, dass der C-Zucker nicht mehr exportiert werden darf und die EU und auch Deutschland müssen sich daran halten, ob wir als Nordzucker das nun wollen oder nicht. Bemerkenswert ist dabei, dass nicht etwa ein armes Land geklagt hat, um seine Exportchancen zu verbessern, sondern eben die größten Zuckerexporteure der Welt, die schon heute 40 Prozent des Exportmarktes bedienen. Wer die Tagespresse aufmerksam liest, entdeckt weitere Streitfälle ähnlicher Art: Prominente Beispiele sind der Bananenstreit zwischen der EU und den mittelamerikanischen Bananen exportierenden Staaten oder auch der anstehende Streit um unzulässige Subventionen zwischen Airbus und Boeing. Verschiebung ganzer Industriezweige Letztlich führt die neue „Welthandelsordnung“ zur Verschiebung von ganzen Industriezweigen und damit verbunden zur Verschiebung von Arbeitsplätzen. Eindrucksvolles Beispiel aus jüngster Vergangenheit ist der Textilstreit zwischen der EU und China. China ist 2001 der WTO beigetreten. Seitdem sind hunderttausende neuer Arbeitsplätze im Textilsektor in China entstanden, während die wenigen verbliebenen in Europa entfallen. Auf der anderen Seite kaufen diese Länder Maschinen und Dienstleistun gen in der EU. Sie schaffen damit neue Akzente Dezember 2005 I Aktuell I 5 WTO-Doha-Runde: Auf der Suche nach neuen Formeln für freieren Warenverkehr Die Ursprünge der WTO liegen in den GATT-Verhandlungsrunden (General Agreement on Tarifs and Trade = Ver - einbarung über Zölle und Handel) aus den Jahren 1947 bis 1994, insbesondere in der so genannten Uruguay- Runde von 1986 bis 1994. Dem GATT folgte die Gründung der WTO im Jahre 1995. Die WTO hat insgesamt 148 Mitgliedstaaten. Sie konzentriert sich auf die Absenkung von Zöllen und Subven tionen, um für gerechtete Handelsbedingungen zwischen den beigetretenen Staaten zu sorgen. Aktuell werden verschiedene so genannte „Zollbänder“ und „Zoll senkungsformeln“ intensiv diskutiert, deren Anwendung den freien Waren verkehr zwischen den 148 beigetretenen Staaten erleichtert. Die nächsten Verhandlungen der so genannten Doha-Runde (Doha ist die Hauptstadt von Katar) sind für den 13. bis 18. Dezem ber 2005 in Hongkong vorgesehen. Arbeitsplätze – auch und insbesondere beim Exportweltmeister Deutschland. Zurzeit gewinnt nur der Billigste – Nachholbedarf bei den WTO-Statuten Diese Entwicklung „Unter den jetzigen lässt sich unter dem Bedingungen gewinnt Schlagwort „Globali- eben nicht der beste, sierung“zusammen- umwelt freundlichste fassen.Zollabsen- oder sozialste Marktteilkun gen und Subvennehmer, sondern eintions abbau führen fach nur der billigste“ zu neuen Waren strömen. Umwelt- und Sozialbedin gungen spielen jedoch – noch – keine Rolle bei den WTO-Verhandlungen. Unter den jetzigen Bedingungen gewinnt eben nicht der beste, umwelt freundlichste oder sozialste Marktteil nehmer, sondern einfach nur der billigste. Die Er rungenschaften unserer mitteleuropäischen Zivilisation seit der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts u

und andere den Handel verzerrende<br />

Regelungen. Deutschland und die EU<br />

haben sich durch ihre Mitgliedschaft<br />

zur Einhaltung von WTO-Regeln und<br />

Vereinbarungen verpflichtet.<br />

Verbindlich für alle Mitglieder:<br />

WTO-Entscheidungen<br />

Bei Streitigkeiten zwischen WTO-<br />

Mitgliedern können einzelne Staaten<br />

eine Art Schiedsgericht anrufen, den<br />

so genannten Appelate Body in Genf.<br />

Eben das haben Brasilien, Thailand<br />

und Australien – die weltgrößten<br />

Zuckerexporteure – getan, weil sie<br />

der Meinung waren,<br />

„Bemerkenswert ist<br />

dabei, dass nicht<br />

etwa ein armes<br />

Land geklagt hat,<br />

um seine Exportchancen<br />

zu<br />

verbessern, sondern<br />

eben die größten<br />

Zuckerex porteure<br />

der Welt.“<br />

dass die EU den C-<br />

Zucker nur durch<br />

eine unzulässige<br />

Quersubven tio nierung<br />

aus der Quotenzuckererzeugung<br />

herstellen könne.<br />

Konkret heißt das:<br />

Nur weil die Rübenanbauer<br />

und die<br />

Zuckerindustrie auf<br />

der Grundlage der EU-Zuckermarktordnung<br />

Mindestpreise garantiert bekommen,<br />

konnten sie sich die Maschinen<br />

und Anlagen kaufen, mit denen sie<br />

über den EU-Verbrauch hinaus weiteren<br />

Zucker produzieren und zu Weltmarktpreisen<br />

absetzen. Ob nun richtig oder<br />

falsch – das WTO-Gericht hat entschieden,<br />

dass der C-Zucker nicht<br />

mehr exportiert werden darf und die<br />

EU und auch Deutschland müssen sich<br />

daran halten, ob wir als <strong>Nordzucker</strong><br />

das nun wollen oder nicht.<br />

Bemerkenswert ist dabei, dass nicht<br />

etwa ein armes Land geklagt hat, um<br />

seine Exportchancen zu verbessern,<br />

sondern eben die größten Zuckerexporteure<br />

der Welt, die schon heute 40<br />

Prozent des Exportmarktes bedienen.<br />

Wer die Tagespresse aufmerksam liest,<br />

entdeckt weitere Streitfälle ähnlicher<br />

Art: Prominente Beispiele sind der<br />

Bananenstreit zwischen der EU und<br />

den mittelamerikanischen Bananen<br />

exportierenden Staaten oder auch der<br />

anstehende Streit um unzulässige Subventionen<br />

zwischen Airbus und Boeing.<br />

Verschiebung ganzer Industriezweige<br />

Letztlich führt die neue „Welthandelsordnung“<br />

zur Verschiebung von<br />

ganzen Industriezweigen und damit<br />

verbunden zur Verschiebung von<br />

Arbeitsplätzen. Eindrucksvolles Beispiel<br />

aus jüngster Vergangenheit ist der<br />

Textilstreit zwischen der EU und China.<br />

China ist 2001 der WTO beigetreten.<br />

Seitdem sind hunderttausende neuer<br />

Arbeitsplätze im Textilsektor in China<br />

entstanden, während die wenigen verbliebenen<br />

in Europa entfallen. Auf der<br />

anderen Seite kaufen diese<br />

Länder Maschinen und<br />

Dienstleistun gen in<br />

der EU. Sie<br />

schaffen<br />

damit<br />

neue<br />

<strong>Akzente</strong> Dezember 2005 I Aktuell I 5<br />

WTO-Doha-Runde: Auf der Suche nach neuen<br />

Formeln für freieren Warenverkehr<br />

Die Ursprünge der WTO liegen in den<br />

GATT-Verhandlungsrunden (General<br />

Agreement on Tarifs and Trade = Ver -<br />

einbarung über Zölle und Handel) aus<br />

den Jahren 1947 bis 1994, insbesondere<br />

in der so genannten Uruguay-<br />

Runde von 1986 bis 1994. Dem GATT<br />

folgte die Gründung der WTO im Jahre<br />

1995. Die WTO hat insgesamt 148<br />

Mitgliedstaaten.<br />

Sie konzentriert sich auf die Absenkung<br />

von Zöllen und Subven tionen,<br />

um für gerechtete Handelsbedingungen<br />

zwischen den beigetretenen<br />

Staaten zu sorgen. Aktuell werden<br />

verschiedene so genannte „Zollbänder“<br />

und „Zoll senkungsformeln“ intensiv<br />

diskutiert, deren Anwendung den<br />

freien Waren verkehr zwischen den<br />

148 beigetretenen Staaten erleichtert.<br />

Die nächsten Verhandlungen der so<br />

genannten Doha-Runde (Doha ist<br />

die Hauptstadt von Katar) sind für<br />

den 13. bis 18. Dezem ber 2005 in<br />

Hongkong vorgesehen.<br />

Arbeitsplätze – auch und insbesondere<br />

beim Exportweltmeister Deutschland.<br />

Zurzeit gewinnt nur der Billigste –<br />

Nachholbedarf bei den WTO-Statuten<br />

Diese Entwicklung „Unter den jetzigen<br />

lässt sich unter dem Bedingungen gewinnt<br />

Schlagwort „Globali- eben nicht der beste,<br />

sierung“zusammen- umwelt freundlichste<br />

fassen.Zollabsen- oder sozialste Marktteilkun<br />

gen und Subvennehmer, sondern eintions<br />

abbau führen fach nur der billigste“<br />

zu neuen Waren strömen.<br />

Umwelt- und Sozialbedin gungen<br />

spielen jedoch – noch – keine Rolle bei<br />

den WTO-Verhandlungen. Unter den<br />

jetzigen Bedingungen gewinnt eben<br />

nicht der beste, umwelt freundlichste<br />

oder sozialste Marktteil nehmer, sondern<br />

einfach nur der billigste. Die Er rungenschaften<br />

unserer mitteleuropäischen<br />

Zivilisation seit der industriellen Revolution<br />

des 19. Jahrhunderts<br />

u

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!