Akzente 11_05.indd - Nordzucker AG
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12 I Aktuell I <strong>Akzente</strong> Dezember 2005<br />
Der süße Riese, den keiner kennt<br />
Zuckerwirtschaft in Indien<br />
Nach den <strong>Akzente</strong>-Zuckerportraits über<br />
Brasilien, Australien und Thailand –<br />
den Ländern, die vor der WTO erfolgreich<br />
gegen die EU-Zuckerexporte<br />
geklagt haben – setzen wir die Vorstellung<br />
wichtiger Zuckerländer der Welt<br />
fort. Thomas Graf hat Indien unter die<br />
Lupe genommen, ein Schwergewicht<br />
unter den Zuckererzeugerländern, das<br />
wenigen ein Begriff ist. Mit rund 21,7<br />
Millionen Tonnen Rohwert ist das Land<br />
nach Brasilien zweitgrößter Zuckererzeuger<br />
der Welt. Unter den Zuckerverbrauchern<br />
hält Indien sogar Platz eins.<br />
Landwirtschaft – klein strukturiert<br />
mit großen Unterschieden zwischen<br />
den Rohranbauregionen<br />
Auf den insgesamt 163 Millionen<br />
Hektar Ackerfläche Indiens wirtschaften<br />
<strong>11</strong>6 Millionen landwirtschaftliche Betriebe<br />
mit durchschnittlich 1,4 Hektar<br />
Ackerfläche. Die rund eine Million<br />
Betriebe mit Rohranbau bewirtschaften<br />
insgesamt über vier Millionen Hektar.<br />
Sie sind im Durchschnitt größer, nach<br />
europäischem Maßstab aber immer<br />
noch klein strukturiert. Etwa 85 Prozent<br />
der indischen Zuckerrohrfläche können<br />
beregnet werden. Die Feldarbeiten<br />
werden vorwiegend von Hand mit<br />
geringer Arbeitsproduktivität verrichtet.<br />
Überraschend ist, dass Rohr in Indien<br />
nur für eine relativ kurze Nutzungsdauer<br />
von zwei Jahren angebaut wird.<br />
Die Unterschiede zwischen den Anbauregionen<br />
sind groß: In Uttar Pradesh<br />
Zuckerrohranbaugebiete in Indien<br />
Region<br />
Niederschl.<br />
(mm/Jahr)<br />
Breitengrad<br />
ø Jahrestemperatur<br />
beträgt die Kampagnedauer <strong>11</strong>7 Tage<br />
und läuft von November bis April. In<br />
Tamil Nadu erstreckt sich die Kampagne<br />
sogar über 206 Tage im Zeitraum<br />
Oktober bis Juli. Die Zuckererträge pro<br />
Hektar variieren in den einzelnen Regionen<br />
von 5,5 Tonnen Zucker je Hektar<br />
im Norden bis 10,9 Tonnen im Süden.<br />
Der Zuckerrohranbau in Indien hat<br />
neben konkurrierenden Früchten wie<br />
Reis, Weizen, Ölsaaten, Nüssen und<br />
Kaffee eine hohe Wettbewerbsfähigkeit<br />
– nicht zuletzt weil die Zuckerbranche<br />
staatlich gefördert wird.<br />
Zuckerindustrie – niedrige Kapazitäten<br />
mit günstiger Auslastung<br />
Zur Zuckerindustrie Indiens gehören<br />
derzeit etwa 430 aktive Rohrmühlen.<br />
Die Verarbeitungskapazität ist mit rund<br />
2.500 Tonnen Rohr je Fabrik und Kampagnetag<br />
sehr niedrig. Die Auslastung<br />
ist dank der langen Kampagne günstiger<br />
als zum Beispiel in der deutschen<br />
Zuckerwirtschaft.<br />
Die Herstellungskosten von Zucker in<br />
Indien liegen bei rund 300 Euro je<br />
Tonne Zucker und damit auf Rang fünf<br />
der wichtigen Zuckerhersteller.<br />
Trotz eines bestehenden staatlichen<br />
Förderprogramms für die Beimischung<br />
von Ethanol zum Benzin und bestehender<br />
Destillerien wird von der Verwendung<br />
von Ethanol im Kraftstoff bisher<br />
nur eingeschränkt Gebrauch gemacht.<br />
Bewässerung<br />
Fläche<br />
Rohr (ha)<br />
Rohrertrag<br />
Zuckerertrag/t<br />
Rohr<br />
Uttar Pradesh 700 - 1.200 25 - 28˚N 26˚C ergänzend 923.000 57 t/ha 97 kg<br />
Maharashtra 700 18 - 21˚N 25˚C notwendig 635.000 80 t/ha 120 kg<br />
Tamil Nadu 1.300 8 - 13˚N 28˚C notwendig 170.000 109 t/ha 100 kg<br />
Quelle: Sweetener Analysis, April 2004<br />
Thomas Graf,<br />
Marktordnungsfragen,<br />
Neue Felder<br />
Die Energieerzeugung aus Bagasse<br />
existiert nur in den Anfängen.<br />
Eine Besonderheit im indischen<br />
Süßungsmittelmarkt ist die Produktion<br />
von Gur (Jaggery) und Khandsari.<br />
Diese Süßungsmittel werden ebenfalls<br />
aus Zuckerrohr von Konkurrenten der<br />
Rohrmühlen auf traditionelle Weise in<br />
offenen Pfannen hergestellt. Der Anteil<br />
dieser Produktion ist jedoch rückläufig.<br />
Herstellungskosten von Zucker<br />
im internationalen Vergleich<br />
Herstellungskosten in €/t Zucker<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
Ber. Kosten Verarbeitung Transport<br />
Nebenprodukte, Sonstiges<br />
Rohstoff<br />
Brasilien<br />
Australien<br />
Thailand<br />
Südafrika<br />
Indien<br />
Polen<br />
Ukraine<br />
USA (Rohr)<br />
USA (Rübe)<br />
Deutschland<br />
Quelle: Zimmermann, B.; Zeddies, J.: „Zuckerrübe contra Zuckerrohr“,<br />
in: Die Zuckerrübe, Ausg. 5/2003, vgl. LMC International, 2005<br />
Staatlich reglementiert:<br />
Zuckerabsatz und Rohrpreis<br />
Die Zuckerproduktion Indiens wuchs<br />
auf 21 Millionen Tonnen und übersteigt<br />
derzeit den Inlandsverbrauch<br />
(19 Millionen Tonnen). Der Pro-Kopf<br />
Verbrauch liegt bei 18 Kilogramm pro<br />
Jahr. Mittelfristig wird von Verbrauchssteigerungen<br />
von etwa vier Prozent<br />
pro Jahr ausgegangen. Die im Inland<br />
nicht benötigte Menge – je nach Erntejahr<br />
bis zu zwei Millionen Tonnen<br />
Zucker – geht in den Export.