200 - Ausgewählte Werke - Villa Grisebach
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28 Fritz Winter<br />
Altenbögge 1905 – 1976 Herrsching/Ammersee<br />
„TRIEBKRÄFTE DER ERDE“. 1944<br />
Öl auf dünnem Transparentpapier,<br />
an den Ecken fest ins Passepartout montiert.<br />
29,5 x 21 cm (11 ⅝ x 8 ¼ in.).<br />
Lohberg 804. –<br />
[3428] Gerahmt.<br />
Provenienz: Privatsammlung, Nordrhein-<br />
Westfalen<br />
Ausstellung: Fritz Winter. Frankfurt a.M.,<br />
Göppinger Galerie, 1959, ohne Nr., Abb. /<br />
Fritz Winter. Gemälde, Aquarelle und Handzeichnungen.<br />
Köln, Kunshaus Lempertz, 1960,<br />
Kat.-Nr. 56, Abb. / Eine Krise der Kunst.<br />
Entartete Kunst im Dritten Reich. Sendai,<br />
Sendai Museum, 1995, Kat.-Nr. 171<br />
[lt. rückseitigem Etikett]<br />
Literatur und Abbildung: Werner Haftmann:<br />
Fritz Winter – Triebkräfte der Erde. Piper Verlag,<br />
München 1957, Farbabbildung<br />
€ 50.000 – 70.000<br />
$ 64,800 – 90,700<br />
<strong>Grisebach</strong> 11/2012<br />
In der abstrakten Kunst nach 1945 nehmen Fritz Winters <strong>Werke</strong><br />
eine ganz eigenständige Position ein. Seine Kriegserlebnisse -<br />
er wurde 1944 in Rußland verwundet - und die leidvollen<br />
Erfahrungen während des Nationalsozialismus (er wurde als<br />
’entarteter’ Künstler diffamiert) verarbeitete der Maler während<br />
eines Genesungsurlaubs in 46 kleinformatigen Blättern unter<br />
dem gemeinsamen Titel „Triebkräfte der Erde“. Die lebenspendende<br />
Energie der Natur wurde sein Thema. Jenseits aller Ideologien<br />
versuchte er zu beschreiben, woher der Mensch gekommen<br />
ist und welchen Platz er im Gefüge des Kosmos einnimmt. Winter<br />
bediente sich dabei einer ungegenständlichen Formensprache,<br />
die an seine Lehrer am Bauhaus in Dessau, Kandinsky und<br />
Klee erinnert. Der Betrachter sollte nicht auf eine bestimmte<br />
Darstellung festgelegt und sein Denken in keine vorgezeichnete<br />
Richtung beeinflußt werden.<br />
Die erdhaften Töne der Malerei, die Winter auf ölgetränktes<br />
Schreibmaschinenpapier setzte, das einzige für ihn damals<br />
verfügbare Material, wirken auf den ersten Blick rätselhaft und<br />
geheimnisvoll. Im Zusammenklang von verdunkelten Partien<br />
und helleren Lichtern, im Spiel der Kräfte zwischen amorphen<br />
Formationen und annähernd konstruktiven Linienverläufen<br />
gewinnt eine Geistwelt an Volumen. Aus diesem Gedanken-<br />
gebilde erwächst eine Dynamik, die neue Energien freisetzt.<br />
Mit der transzendierenden Umsetzung des Geistigen erreichte<br />
die frühe Nachkriegsmalerei Fritz Winters metaphysische<br />
Dimensionen, aus denen sich die informelle Malerei der 1950er<br />
Jahre auf dem Weg zu einer höheren Kunst unter Verzicht auf<br />
den Gegenstand gespeist hat. (EO)