200 - Ausgewählte Werke - Villa Grisebach
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24 Otto Dix<br />
Gera-Untermhaus 1891 – 1969 Singen<br />
„LANDSCHAFT IM BÖHMISCHEN<br />
MITTELGEBIRGE“. 1942<br />
Mischtechnik auf Leinwand auf Holz.<br />
81 x 100 cm (31 ⅞ x 39 ⅜ in.).<br />
Unten rechts monogrammiert und<br />
datiert: 19 [Monogramm] 42.<br />
Löffler 1942/16. –<br />
Vereinzelte feine Risse in der Malschicht.<br />
[3382] Gerahmt.<br />
Provenienz: Privatsammlung, Nordrhein-<br />
Westfalen (während des Krieges erworben,<br />
seitdem in Familienbesitz)<br />
Literatur und Abbildung: Fritz Löffler: Otto Dix.<br />
Leben und Werk. Dresden, Verlag der Kunst,<br />
1. Aufl. 1960, S. 90/91, Abb. 136; 2. Aufl.<br />
1967, S. 101, Abb. 171; 3. Aufl. 1972, S. 103,<br />
Abb. 169<br />
€ 100.000 – 150.000<br />
$ 130,000 – 194,000<br />
<strong>Grisebach</strong> 11/2012<br />
Einen Blick aus der Vogelschau gewährt uns der Künstler hier<br />
auf die detailgenau festgehaltene Berglandschaft mit fruchtbaren,<br />
von der Sonne beschienenen Tälern. Es ist eine friedliche,<br />
bukolische Szenerie, in der sich, gleichsam hineingeduckt, ein<br />
Dorf mit wenigen Häusern an die grünen Hügel schmiegt. Wäre<br />
da nicht der spitz aufragende Fels im Vordergrund, der sich fast<br />
störend vor der beschaulichen Szenerie auftürmt. Auch er liegt<br />
im Sonnenlicht, was ihm etwas von seiner Bedrohlichkeit nimmt.<br />
Und doch ist er so ins Bild gesetzt, daß er uns den Blick auf die<br />
harmonische Welt in der Ferne verwehrt. Es ist eine ungewöhnliche<br />
Komposition, die das Element in den Mittelpunkt rückt,<br />
das sonst Ausgangspunkt unserer Betrachtung wäre: der Gipfel,<br />
der Aussichtspunkt, der das Schauen in die Weite erst möglich<br />
macht.<br />
Dix’ Beschäftigung mit der Landschaft hat ihre Ursachen in<br />
einer inneren Krise, die den politischen Repressalien der<br />
Nazi-Herrschaft geschuldet ist. Er galt als „entarteter“ Künstler.<br />
So entstanden in den Jahren während des Zweiten Weltkriegs<br />
ausschließlich Landschaften in akribisch ausgeführter Lasurtechnik.<br />
Seine Vorliebe für menschenleere, aus großer Fernsicht<br />
gezeigte Landschaftsansichten ist jedoch nicht als opportunistische<br />
Entscheidung anzusehen. Tatsächlich nutzte Dix den<br />
Spielraum einer mißverstandenen Romantik in der Nazi-Ästhetik<br />
für sich, durch eine auf die Spitze getriebene Technik und motivisch<br />
radikalisierte Darstellungen. Dabei wirkt die Natur bei Dix<br />
„keineswegs harmlos idyllisch und ,sauber’, sondern im Gegenteil<br />
unnahbar und unbewohnbar; sie ist Zufluchtsort nur noch für die<br />
Imagination“. (Zitiert nach: Eva Karcher: Landschaft, in: Otto Dix<br />
1891–1969, München, Museum <strong>Villa</strong> Stuck, 1985, S. 203) (AJ)