9 Emil Nolde Nolde 1867 – 1956 Seebüll „BOOTE IN DER MARSCHLANDSCHAFT”. Um 1920 Aquarell und Tuschpinsel auf dünnem Japanbütten. 35 x 47,8 cm (13 ¾ x 18 ⅞ in.). Unten links mit Bleistift signiert: Nolde. Mit einer von Dr. Manfred Reuther bestätigten Zweitschrift einer Expertise von Prof. Dr. Martin Urban, Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde, vom 19. November 1996. – Rückseitig unten rechts mit dem schwarzen Sammlerstempel Lugt <strong>200</strong>5a (verblaßt). [3448] Gerahmt. Provenienz: Otto Brill, Wien / Henry Roland, London / Anthony Roland, London / Privatsammlung, Norddeutschland / Privatsamm- lung, Schweiz / Privatsammlung, Berlin Ausstellung: The Roland Collection. York, Newcastle, Leicester und Brighton, 1950; Southhampton, 1952; Manchester und Leeds, 1962; Cambridge, Fitzwilliam Museum, 1968; Bristol, 1969; Folkestone und London, Camden Arts Centre, 1975; Edinburgh, 1976 / Germany in ferment Festival. Art and Society in Germany 1900-1935. Durham, Durham University; Sheffield, Graves Art Gallery; Leicester, Museum and Art Gallery, 1970 [laut rückseitigem Etikett] / Works from the Roland Collection. London, Courtauld Institute Galleries; Norwich, Sainsbury Centre; York, City Art Gallery; Oxford, Ashmolean Museum; Plymouth, City Museum; 1979, Kat.- Nr. 33 [„In the Marshes“] / One man’s choice. Edinburgh, Scottish National Gallery of Modern Art, 1985, Kat.-Nr. 73 [laut rückseitigem Etikett] € 110.000 – 130.000 $ 142,000 – 168,000 <strong>Grisebach</strong> 11/2012 In der kalten Jahreszeit war in Emil Noldes Heimat Nordfriesland das Boot das wichtigste Verkehrsmittel. Wenn starke Regenfälle die Amphibienlandschaft unter Wasser setzten, war mit dem Leiterwagen auf dem Landwege kaum noch ein Durchkommen, man mußte mit speziellen Booten auf die zahlreichen Sielzüge und Abzugsgräben ausweichen. Auch das Ehepaar Nolde besaß ein solches Boot, das aufgrund seines geringen Tiefgangs selbst in flachstem Gewässer noch einsetzbar war. Der Antrieb erfolgte über eine Stak-Stange oder – bei Heubooten – mit Hilfe eines Segels. Wir wissen, daß der Umzug der Noldes von ihrem Hof Utenwarf in das benachbarte Seebüll im Jahr 1930 mit eben diesen Lastenbooten erfolgte. Doch auch in Phasen kreativer Ruhe leistete das Boot Nolde als Mensch und Künstler wertvolle Dienste, vor allem wenn er zum Fischen oder Entenjagen hinausfuhr oder sich in meditativer Ruhe von den Naturerscheinungen seiner Umgebung inspirieren ließ: „Wenn still der See war an milden Tagen, dann war es herrlich schön. […] Während der Nächte lag ich lange lauschend dem Plätschern der Wildenten im Wasser und dem Schmatzen der Fische; der Mond stand hoch, den Gottesfrieden spendend.“ (Emil Nolde: Jahre der Kämpfe. Köln 1985, S.126f) Genau diese Stimmung erweckt unser Aquarell mit der Darstellung zweier friedlich im Schilf liegender Holzboote. Kühle Blau- und Grüntöne beherrschen das Bild, während ein hellgelber Streifen entlang der Horizontlinie durchbrechendes Sonnenlicht andeutet. Man spürt bei diesem Werk, daß der Maler mit sich und der Natur im reinen war. Dies ist der Ort seiner Herkunft, der ihn und seine Kunst zeit seines Lebens entscheidend prägte. (AF)
<strong>Grisebach</strong> 11/2012