7a R Emil Nolde Nolde 1867 – 1956 Seebüll „ZWEI BÄRTIGE MÄNNER (APOSTEL)“. Um 1931/35 Aquarell und Tuschpinsel auf Japan. 50,2 x 36,2 cm (19 ¾ x 14 ¼ in.). Am rechten Rand unterhalb der Mitte signiert: Nolde. Mit einer Expertise von Dr. Martin Urban, Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde, vom 29. Oktober 1974. – [3258] Gerahmt. Provenienz: Ehemals Siegfried Adler, Montagnola Literatur und Abbildung: Ausst.-Kat. Emil Nolde. Aquarelle und Handzeichnungen aus dem Besitz der Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde. Bremen, Kunsthalle Bremen, 1971, S. 10 € 300.000 – 400.000 $ 389,000 – 518,000 Im Herbst 1931 setzt mit der Werkreihe der „Phantasien“ eine neue, experimentelle Phase in Emil Noldes Aquarellmalerei ein: War bislang das Motiv entscheidend für Farbwahl, Komposition und Bildgestaltung, läßt sich der Maler nun allein von der Struktur der Farbe zu neuen Bildideen inspirieren. In den zunächst rein zufällig und intuitiv auf das Papier gebrachten Aquarell- farben, ihren wolkenartigen, fleckigen Strukturen, erkennt Nolde groteske Köpfe, Paare oder auch ganze Szenerien, die er in einem zweiten Arbeitsschritt mit Tuschpinsel oder -feder näher umreißt und sie so erst für den Betrachter sichtbar macht. Die von Nolde seit jeher angestrebte „Mitarbeit der Natur“ ist nun erstmals in seinem Schaffen von entscheidender Bedeutung, der Zufall maßgeblich an der Entstehung eines Bildes beteiligt. Der meditative Umgang mit den Farben bedingt ein häufiges Auftauchen grotesk-bizarrer Kreaturen und Szenen. In seinen „Phantasien“ begibt sich Emil Nolde ganz in seine eigene Imaginationswelt und verleiht den inneren Gesichten male- rische Gestalt. Er war, wie er selbst schrieb, „zum Kopisten der eigenen Vorstellung“ geworden, und sein Freund und Malerkollege Paul Klee bezeichnete ihn in Anerkennung hierfür als den „Vetter der Tiefe“. Unser großformatiges Blatt ist ein herausragendes Beispiel für Noldes neue Arbeitsweise in den 1930er Jahren. Die Köpfe der beiden bärtigen Männer sind allein aus der Farbe geboren. Die hellen Gelb-, Orange-, und Brauntöne im Zentrum der Komposition bilden Kopf und Haare des Mannes im Profil sowie die rechte Gesichtshälfte seines Nachbarn. Die Um- gebung ist bewußt in dunklen Farben gehalten, wobei das für Noldes Aquarellmalerei typische intensive Ultramarin-Blau im Hintergrund der Szene eine fast schon magische Atmosphäre verleiht. Ohne die klärende Tuschfederzeichnung hätten wir ein rein abstraktes Bild vor uns. Nolde selbst schrieb einmal: „Höchste Schönheit im Werk entsteht dem Künstler unbewußt, das sinnlich sehende Auge sie schaut, der Verstand braucht Zeit, bis er versteht.“ (Emil Nolde: Reisen, Ächtung, Befreiung. Köln 1988, S.14) (AF)
<strong>Grisebach</strong> 11/2012