6 Lovis Corinth Tapiau/Ostpreußen 1858 – 1925 Zandvoort „PARAPHRASE“ (CHARLOTTE CORINTH). 1907 Öl auf Leinwand. 87,5 x 63,5 cm (34 ½ x 25 in.). Oben links signiert: LOVIS CORINTH. Berend-Corinth/Hernad 342. – [3437] Gerahmt. Provenienz: Dr. Oskar Pinner, Frankfurt a.M. (1926) / Privatsammlung, Spanien / Kunsthaus Bühler, Stuttgart / Privatsammlung, Berlin Ausstellung: Lovis Corinth, Ausstellung von Gemälden und Aquarellen zu seinem Gedächtnis. Berlin, Nationalgalerie, 1926, Kat.-Nr. 136 („Frau Charlotte Corinth“) / Lovis Corinth, Gedächtnis-Ausstellung. Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Graphik. Dresden, Sächsischer Kunstverein, 1927, Kat.-Nr. 48 / Lovis Corinth. Stuttgart, Kunsthaus Bühler, 1983 / Orangerie ’83. Berlin, Deutscher Kunsthandel im Schloß Charlottenburg, 1983, Kat.-Nr. 21/3, ganzs. Farbabb. S. 215 / Lovis Corinth, 1858-1925. Essen, Museum Folkwang, und München, Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, 1985/86, ganzs. Farbabb. 40 / Künstler in Deutschland 1900-1945. Individualismus und Tradition. Stuttgart, Württembergischer Kunstverein, 1986, S. 346, ganzs. Farbabb. S. 68 / Lovis Corinth. München, Haus der Kunst; Berlin, Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin; Saint Louis, The Saint Louis Art Museum, und London, Tate Gallery, 1996/97, Kat.-Nr. 67, mit ganzs. Farbabb. Literatur und Abbildung: Rudolf Klein: Louis Corinth. Leipzig, E. Hedrich Nachf., o.J. (ca. 1908) (= International Art. A Review of the Art of All Countries, Nr. 3), m. Abb. (betitelt „Madame v. W.“) / Robert Bertrand: Lovis Corinth. Paris, Braun & Cie., 1940 (= Collection des Maîtres), Nr. 25 / Lovis Corinth. Bildnisse der Frau des Künstlers. Einführung von Carl Georg Heise. Erinnerungen an die Entstehung der Bilder von Charlotte Berend-Corinth. Stuttgart, Reclam, 1958 (= Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Bd. 26), Abb. 7 / Harald Behm: Lovis Corinth (Stuttgart, Kunsthaus Bühler). In: Weltkunst, Jg. 53, 1983, S. 2013 / Ausstellungskatalog: Lovis Corinth. Wien, Kunstforum der Bank Austria, und Hannover, Forum des Landesmuseums, 1992/93, S. 49, Abb. 16 (nicht ausgestellt, Bildlegende vertauscht mit Abb. 15) € 400.000 – 600.000 $ 518,000 – 777,000 <strong>Grisebach</strong> 11/2012 Lovis Corinth zählt zu den bedeutendsten Künstlern des deutschen Impressionismus – und an diesem Bildnis seiner Frau Charlotte kann man gut nachvollziehen, warum. Corinth, dem malerische Mittel zur Verfügung standen wie kaum einem Zweiten, entfacht hier einen regelrechten Sturm rasch dahingeworfener Farbkleckse und Pinselspuren, der sich – als immerwährendes Rätsel von Sehsinn und Wahrnehmungspsychologie – in seiner Summe mirakulös zu Körper, Kleid, transparentem Tuch und Baum formt. Lediglich das Antlitz hat Corinth offenbar mit einem kleineren Pinsel, aber dadurch nicht weniger kraftvoll behandelt. Der selbstbewußte Blick Charlottes aus dem Bild heraus zu ihrem Gegenüber ist das Zentrum der Komposition. Er ist der ruhende Gegenpol zur vibrierenden Virtuosität, mit der der Künstler seine um 22 Jahre jüngere Ehefrau portraitierte. Das Gemälde entstand 1907 während eines gemeinsamen Aufenthalts des Paares am Timmendorfer Strand. Lovis Corinth und Charlotte Behrend hatten vier Jahre zuvor geheiratet: Sie war die erste Schülerin, die sich in der von ihm 1901 gegründeten Malschule angemeldet hatte. Darzulegen, was er für sie empfunden haben muß, erübrigt sich fast angesichts der Hingabe, mit der er sich hier all seiner künstlerischen Fähigkeiten bedient. Erklärungsbedürftig bleibt nur der Titel des Bildes: „Paraphrase“. Er stammt vom Theaterkritiker Alfred Kerr, der Corinth im selben Jahr Modell stand. Wie Kerr darauf kam, ist nicht schwer zu erraten. Dieses Bild ist eine Paraphrase in zweifacher Hinsicht: der Liebe eines Mannes zu einer Frau – und des Glücks, dieser Liebe mit vollendeter Könnerschaft Ausdruck zu verleihen. (UC)
<strong>Grisebach</strong> 11/2012