Berufsrechtliche Rechtsprechung - BRAK-Mitteilungen
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232 Pflichten und Haftung des Anwalts <strong>BRAK</strong>-Mitt. 5/2005<br />
mögenslage des Auftraggebers endgültig verschlechtert hat. Das<br />
gilt auch dann, wenn über die Auslegung der Erklärung noch in<br />
einem Prozess gestritten wird. Die Sekundärverjährung beginnt<br />
dann –bei Vorliegen der dafür entwickelten weiteren Voraussetzungen<br />
–mit Ablauf der Primärverjährung, wenn zu diesem<br />
Zeitpunkt noch das Mandat besteht. Das war hier der 3.6.1995<br />
und nicht erst die Beendigung des Mandats am 1.8.1995. Eine<br />
Belehrung über evtl. Regressansprüche und die Verjährung von<br />
damit zusammenhängenden Schadenersatzansprüchen wäre zu<br />
diesem Zeitpunkt auch schon zu spät gewesen. Sie kann sinnvoller<br />
Weise rechtzeitig nur vor Ablauf der Primärverjährung<br />
erfolgen. Die Orientierung am Mandatsende, wie sie das OLG<br />
vornahm, entsprach damit nicht den höchstrichterlich entwickelten<br />
Prinzipien der Sekundärverjährung. Wie gesagt, auch<br />
§51b BRAO ist nach wie vor auf viele „Altfälle“ anzuwenden<br />
und wird uns deshalb noch eine Weile beschäftigen.<br />
Rechtsanwalt Bertin Chab<br />
Beratungspflichten bei Unklarheit über Person des<br />
Anspruchsgegners<br />
Zu den Pflichten eines Rechtsanwalts, der den Auftrag erhält, den<br />
Anspruch eines Mandanten durchzusetzen, welcher nicht sicher<br />
benennen kann, wer von mehreren in Betracht kommenden Personen<br />
sein Vertragspartner ist.<br />
BGH, Urt. v. 21.7.2005 –IX ZR 193/01<br />
Anmerkung:<br />
Der Mandant hatte den Anwalt beauftragt, für ihn Honoraransprüche<br />
geltend zu machen, die aus einer von ihm durchgeführten<br />
„Management-Analyse“ betreffend leitende Angestellte von<br />
Tochtergesellschaften der damaligen Treuhandanstalt (THA) in<br />
den neuen Bundesländern resultierten. Den Auftrag hierzu hatte<br />
ihm ein Mitarbeiter G. der THA erteilt, der ein Büro ineiner<br />
Anwaltskanzlei unterhielt und einer mit der Privatisierung befassten<br />
„Steuerungsgruppe“ der THA angehörte. Alle in Betracht<br />
kommenden Auftraggeber,namentlich die THA, G. persönlich<br />
und die Anwaltskanzlei, lehnten es ab, die Rechnungen des<br />
Mandanten zu begleichen. Eine vom Anwalt erhobene Klage<br />
gegen die Kanzlei als vermeintliche Mitglieder der „Steuerungsgruppe“<br />
wurde mit der Begründung abgewiesen, G.habe im<br />
Auftrag der THA gehandelt und die Anwälte der Kanzlei seien<br />
nicht einmal Mitglieder der Steuerungsgruppe gewesen. Eine<br />
Klage gegen G. als Vertreter ohne Vertretungsmacht wurde<br />
wegen Verjährung abgewiesen. Daraufhin machte der Mandant<br />
Schadensersatzansprüche gegen seinen Anwalt geltend.<br />
Das OLG hat einen Schadensersatzanspruch des Mandanten in<br />
der Hauptsache verneint, weil es nicht Aufgabe des Anwalts<br />
gewesen sei, den Vertragspartner des Mandanten zu ermitteln.<br />
Wer im Rechtssinne Auftraggeber gewesen sei, habe sich nicht<br />
klären lassen. Auch eine Streitverkündung gegenüber allen in<br />
Betracht kommenden Auftraggebern hätte nicht zur Feststellung<br />
des richtigen Anspruchsgegners geführt.Der Anwalt hafte lediglich<br />
für die Kosten des Verfahrens gegen die Anwaltskanzlei.<br />
Der BGH hat diese Entscheidung aufgehoben und die Sache<br />
zur Klärung der haftungsausfüllenden Kausalität zurückverwiesen.<br />
Auf der Grundlage des vom Berufungsgericht angenommenen<br />
Sachverhalts hätte der Mandant von G. entweder Erfüllung<br />
oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung wegen Handelns<br />
als vollmachtloser Vertreter verlangen können. Bei G.<br />
hätte die Beweislast dafür gelegen, dass er den Auftrag inVollmacht<br />
für die THA erteilt habe. Insofern hätte der Anwalt der<br />
THA den Streit verkünden können. Dann wäre dem Mandanten<br />
ein Anspruchsgegner sicher gewesen.<br />
Aufgabe des Anwalts wäre es gewesen, dem Mandanten diese<br />
Zusammenhänge zu erläutern, ihm eine Klage gegen G. aus<br />
<strong>Rechtsprechung</strong>sleitsätze<br />
§179 Abs. 1BGB zu empfehlen und ihm zu raten, den als Auftraggeber<br />
in Betracht kommenden natürlichen und juristischen<br />
Personen den Streit zu verkünden. Nach der Vermutung beratungsgerechten<br />
Verhaltens (vgl. BGHZ 123, 311) hätte der<br />
Mandant diese Ratschläge befolgt und entsprechenden Klageauftrag<br />
erteilt. Dann hätte er seinen Honoraranspruch nicht<br />
verloren. Der BGH hat somit eine anwaltliche Pflichtverletzung<br />
und die Haftung dem Grunde nach bejaht.<br />
Fristen<br />
Verschärfte Anforderungen an Computerfax!<br />
Rechtsanwalt Holger Grams<br />
a) Die in Computerschrift erfolgte Wiedergabe des Vor- und<br />
Nachnamens des Prozessbevollmächtigten unter einer als Computerfax<br />
übermittelten Berufungsbegründungsschrift stellt keine den<br />
Anforderungen des § 130 Nr.6 2.Halbs. ZPOgenügende Wiedergabe<br />
der Unterschrift dar.<br />
b) Das Fehlen der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten unter<br />
der Berufungsbegründungsschrift kann ausnahmsweise unschädlich<br />
sein, wenn sich aus anderen, eine Beweisaufnahme nicht<br />
erfordernden Umständen eine der Unterschrift vergleichbare<br />
Gewähr dafür ergibt, dass der Rechtsmittelanwalt die Verantwortung<br />
für den Inhalt der Rechtsmittelbegründungsschrift übernommen<br />
und diese willentlich in den Rechtsverkehr gebracht hat.<br />
Dabei sind nur spätestens bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist<br />
dem Berufungsgericht bekannt gewordene Umstände<br />
berücksichtigungsfähig.<br />
BGH, Urt. v. 10.5.2005 –XI ZR 128/04, NJW 2005, 2086<br />
Anmerkung:<br />
Ein Schriftsatz soll gemäß § 130 Nr.6 ZPO unterschrieben sein.<br />
Zu Zeiten, als noch alle Schriftsätze imOriginal zu Gericht<br />
gelangten, konnte man darüber streiten, inwieweit Namenskürzel,<br />
Paraphen oder unleserliche Kritzeleien noch als Unterschrift<br />
angesehen werden konnten. Maßgeblich war und ist,<br />
dass die Identität des Unterschreibenden erkennbar ist. Dies ist<br />
auch bei einer Kopie des Originalschriftsatzes gewährleistet,<br />
der per Fax an das Gericht übermittelt wird. Problematisch ist<br />
die Schriftform allerdings in den Fällen, in denen es gar keine,<br />
also auch keine kopierte Unterschrift gibt. Dies ist namentlich<br />
bei der Übermittlung per Computerfax oder per E-Mail der Fall.<br />
In beiden Fällen gibt es keinen Schriftsatz in Papierform, somit<br />
auch kein Original, das mit einem Stift unterzeichnet werden<br />
könnte. Eine handschriftliche Unterschrift kann hier allenfalls<br />
mittels einer eingescannten Unterschrift in das Dokument eingefügt<br />
werden. Ob dies dem Schriftformerfordernis genügt, war<br />
streitig, ist aber vom GemsOGB, NJW 2000, 2340, letztlich<br />
unter bestimmten Voraussetzungen anerkannt worden. Maßgeblich<br />
für die Beurteilung der Wirksamkeit des elektronisch<br />
übermittelten Schriftsatzes ist es, ob der Verantwortliche den<br />
Schriftsatz dem Gericht zuleiten will: „Entspricht ein Schriftsatz<br />
inhaltlich den prozessualen Anforderungen, soist die Person<br />
des Erklärenden in der Regel dadurch eindeutig bestimmt, dass<br />
seine Unterschrift eingescannt oder der Hinweis angebracht ist,<br />
dass der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform<br />
nicht unterzeichnen kann.“ Der GemsOGB ließ es<br />
also auch zu, dass der Schriftsatz gar keine bildliche Unterschrift<br />
enthielt. Dies ist konsequent, weil auch die eingescannte<br />
Unterschrift vom Büropersonal verwendet und eingefügt<br />
werden kann. Auf den gedanklichen Schritt, dass der RA<br />
mit der Unterschrift den Schriftsatz erst „fertig stellt“, hat der<br />
GemsOGB damit verzichtet.<br />
Im nun entschiedenen Fall war im Schriftsatz per Computerfax<br />
weder eine eingescannte Unterschrift noch der vom GemsOGB<br />
verlangte Hinweis enthalten, sondern nur der Name des RA in