Berufsrechtliche Rechtsprechung - BRAK-Mitteilungen
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<strong>BRAK</strong>-Mitt. 5/2005 Aufsätze 225<br />
einem Berufsethos, auf das sich die Richter immer wieder und<br />
gern beziehen. Mit der Anerkennung einer solchen Professionalität<br />
kann und soll selbstverständlich nicht gesagt werden,<br />
dass es bei Richtern nicht zu Fehlleistungen gerade auch indiesem<br />
Bereich kommt. Die Fehlleistungen sind gerade eine der<br />
Grundlagen der oben dargestellten These vom „Richterrisiko“.<br />
Gleichwohl dürfte indieser Professionalität aber die Ursache<br />
dafür liegen, dass Richter ein imVerhältnis zu verschiedenen<br />
anderen Gruppen des öffentlichen Dienstes erträgliches gesellschaftliches<br />
Ansehen haben.<br />
Die gesellschaftliche Wertschätzung dieser Professionalität<br />
dürfte sichnicht zuletzt dort zeigen, woRichter außerhalbihres<br />
originären Berufsfelds erfolgreich tätig sind. Hier kann man zunächst<br />
auf einen in den letzten Jahren neu entstandenen richterlichen<br />
Aufgabenbereich verweisen, nämlich den der so genannten<br />
gerichtsnahen Mediation. Diese Art der Streitbeilegung<br />
ist bereits an verschiedenen Gerichten in der Bundesrepublik<br />
formell eingerichtet und erzielt zum Beispiel bei dem<br />
Landgericht Göttingen nahezu unglaubliche Erfolgsquoten, auf<br />
die viele außergerichtliche Mediatoren mit gewissem Neid blicken.<br />
Diese Erfolge lassen sich kaum anders erklären als mit<br />
dem Vertrauen in die Richtigkeit des Verfahrensergebnisses,<br />
das unter Leitung eines Richters erarbeitet wird. Die äußere<br />
Struktur der Mediation ändert sich nämlich nicht dadurch, dass<br />
ein Richter sie organisiert. Vor allem bleibt es auch bei der gerichtsnahen<br />
Mediation bei der strikten Trennung zwischen den<br />
für die Entscheidung zuständigen und den meditierenden Richtern.<br />
Das andere Indiz für das Gewicht der Professionalität der Richter,das<br />
hier erwähnt werden soll, ist der Umstand, dass im Bereich<br />
der Schiedsgerichtsbarkeit von den Parteien gern auf Berufsrichter<br />
zurückgegriffen wird, wenn über die Besetzung des<br />
Schiedsgerichts verhandelt wird. Auch hier zeigt sich, dass,<br />
wenn das „Richterrisiko“ durch die Auswahl des Schiedsrichters<br />
begrenzt werden kann, die Professionalität der Berufsrichter,<br />
vielleicht verbunden mit einer gewissen Erfahrung im fraglichen<br />
Rechtsbereich, einausschlaggebender Faktor für dieBerufung<br />
in das Schiedsrichteramt ist. Festgehalten werden sollte jedenfalls,<br />
dass diese sich außerhalb des Zivilprozesses zeigende<br />
Qualität natürlich auch innerhalb des ordentlichen Gerichtsverfahrens<br />
bewährt.<br />
Nach der Ausbildungsreform obliegt es dem Kammervorstand,<br />
„bei der Ausbildung und Prüfung der Studierenden und der Referendare<br />
mitzuwirken“. Die Aufgaben der Rechtsanwaltskammern<br />
sind in § 73 BRAO und die Befugnisse der Kammerversammlungen<br />
in § 89 BRAO geregelt. Beide Bestimmungen zusammen<br />
umschreiben den Aufgaben- oder „Funktions“-Bereich<br />
der Rechtsanwaltskammern. Hierzu stellt der Anwaltssenat des<br />
BGH klar,dass nach seiner ständigen <strong>Rechtsprechung</strong> der dergestalt<br />
umrissene Aufgabenbereich nicht nur die den Kammern<br />
ausdrücklich zugewiesenen Aufgaben umfasst, sondern sich<br />
auf alle Angelegenheiten, welche von allgemeiner – nicht nur<br />
rein wirtschaftlicher – Bedeutung für die Rechtsanwaltschaft<br />
sind, erfasst (Beschl. v. 18.4.2005 inNJW 2005, 1710). Weiter<br />
hebt der Senat hervor, dass es bei der Mitwirkungspflicht der<br />
Kammern bei Ausbildung und Prüfung angehender Juristen<br />
nicht um eine Pflicht, sich finanziell zu beteiligen, geht, son-<br />
Ahlers, Anwaltsorientierte Ausbildung<br />
5. Ausrichtung auf objektiv richtige Ergebnisse<br />
Aus den vorstehend erwähnten Gesichtspunkten ergibt sich,<br />
dass staatliche Gerichte objektiv richtige Ergebnisse herbeiführen<br />
sollen. Dies zeigt sich sowohl bei der Vorgegebenheit des<br />
Verfahrens als auch bei derjenigen des Sachentscheidungsprogramms.<br />
Gleichermaßen belegt der Instanzenzug, dass die Entscheidung<br />
einer sachlichen Qualitätskontrolle unterzogen werden<br />
soll. Das Verfahren ist auf ein objektives Optimum ausgerichtet,<br />
auch wenn dies aus zahlreichen Gründen nicht immer<br />
und unbedingt erreicht wird. Demgegenüber hat das Schiedsgerichtsverfahren<br />
eine deutlich subjektiver ausgeprägte Richtigkeit<br />
zum Ziel. Dies wird am deutlichsten dadurch, dass die Parteien<br />
dieEntscheider selbst aussuchen. Wenn sie dabei, wie nicht selten,<br />
zumindest als beisitzende Schiedsrichter Personen aussuchen,<br />
die keine juristische, sondern eine sachbezogene Ausbildung<br />
absolviert haben, dann wird deutlich, dass sie von diesem<br />
Spruchkörper eher eine ihrer konkreten Sache angemessene, als<br />
eine juristisch korrekt konstruierte Lösung erwarten.<br />
Noch einmal soll hier deutlichfestgestellt werden, dass der hier<br />
erörterte Aspekt der „Richtigkeit“ nicht als Vorzug des staatlichen<br />
Verfahrens anzusehen ist. Vielmehr handelt es sich um<br />
zwei unterschiedliche Richtigkeitsmaßstäbe, die inden beiden<br />
Verfahren maßgeblich sind. Das staatliche Urteil ist nicht<br />
grundsätzlich richtiger als der Schiedsspruch. Vielmehr entscheiden<br />
die Parteien sich bei der Wahl des Verfahrens auch<br />
zwischen einer eher objektiv und einer eher subjektiv geprägten<br />
Richtigkeit. Diese Wahl prägt einen Leistungsaspekt der<br />
Verfahren.<br />
Zusammenfassung<br />
Anwaltsorientierte Ausbildung<br />
Rechtsanwalt Dr.Dr.h.c. Dieter Ahlers, Bremen<br />
Wenn man die unterschiedlichen Leistungsaspekte der beiden<br />
Mechanismen zur Streitbeilegung vergleicht, kann man dies mit<br />
dem Bild des Verhältnisses von Maßschneiderei zu Konfektion<br />
tun. Die Schiedsgerichtsbarkeit ist die individuelle, strikt auf<br />
den Willen der beiden Streitparteien bezogene Konfliktlösung,<br />
während die staatliche Gerichtsbarkeit eine praktische und<br />
funktionelle Lösung für Fälle gewährleistet, bei denen den Parteien<br />
eine individuelle Gestaltung von Verfahrensablauf und<br />
Einfluss aufdas Verfahrensergebnis nicht wichtig ist.Das besondere<br />
an dieser Konfliktlösung ist allerdings, dass die Konfektion<br />
sehr teuer wird, wenn man es nicht bei einer Instanz belässt.<br />
dern ausschließlich darum, ob die Kammern dazu befugt sind,<br />
was der Senat bejaht. Die Entscheidung betrifft die Mitwirkungspflicht<br />
der Rechtsanwaltskammern inder Referendarausbildung,<br />
sie ist aber auch für diese inder universitären Ausbildung<br />
maßgeblich, da der Gesetzgeber beide Aufgaben der<br />
Kammervorstände gleichrangig als aufeinander abgestimmte<br />
Bestandteile (§ 5Abs. 2 DRiG) der einheitlichen Juristenausbildung<br />
geregelt hat. Gegen den Senatsbeschluss ist Verfassungsbeschwerde<br />
eingelegt worden.<br />
Die Hans Soldan Stiftung fördert die anwaltsorientierte universitäre<br />
Ausbildung und hat deshalb den nachfolgenden Brief<br />
vom 5.7.2005 an die Dekane der rechtswissenschaftlichen Fakultät<br />
der Universitäten, die Präsidenten der Rechtsanwaltskammern<br />
und die Vorsitzenden der Anwaltsvereine an Standorten<br />
der Universitäten versandt.