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Berufsrechtliche Rechtsprechung - BRAK-Mitteilungen

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224 Aufsätze <strong>BRAK</strong>-Mitt. 5/2005<br />

Hawickhorst, Effektivität des Rechtsschutzes vor den Schiedsgerichten und den staatlichen Gerichten<br />

Schiedsgerichtsverfahren als preisgünstig erscheinen lässt, bedarf<br />

danach keiner Begründung mehr.<br />

3. Das „Richterrisiko“<br />

Ein verschiedentlich zu hörendes Argument bei der Diskussion<br />

des vorliegenden Themas ist ein Aspekt, den man mit dem Ausdruck<br />

„Richterrisiko“ bezeichnen kann. Hinter diesem Ausdruck<br />

steht der Gedanke, dass die Parteien sich im staatlichen<br />

Prozess mit dem Streitentscheider abfinden müssen, der als ihr<br />

gesetzlicher Richter bestimmt ist. Auch wenn in Deutschland<br />

nicht unbedingt die schlechtesten Absolventen der Ausbildung<br />

in den Richterdienst aufgenommen werden, lässt sich nicht von<br />

der Hand weisen, dass nicht zu vernachlässigende Unterschiede<br />

bei Kompetenz und Engagement des richterlichen Personals<br />

festzustellen sind. Ein Qualitätsmanagement gibt es in der Justiz<br />

nicht und kann es, soweit es auf Anordnung der Justizverwaltung<br />

beruhen könnte, wohl auch nur sehr eingeschränkt geben.<br />

Die Struktur des Einzelrichtersystems, wie sie durch die<br />

ZPO-Novelle des Jahres 2001 erstellt worden ist, ist geeignet,<br />

die Unsicherheit hinsichtlich der Fähigkeiten des zuständigen<br />

Richters zu verstärken, führt sie doch dazu, dass dieser unabhängig<br />

von seinen beruflichen Erfahrungen im zivilrechtlichen<br />

Bereich die Schwierigkeit des Falles allein beurteilt. 4 Noch<br />

deutlicher wird die Mangelhaftigkeit des Einzelrichtersystems<br />

im Hinblick auf die Sicherung der Qualität der <strong>Rechtsprechung</strong>,<br />

wenn man die Regelungen in den §§ 348a, 347 Abs. 1<br />

Satz 2 ZPO in den Blick nimmt. Hier hat der Gesetzgeber verschiedene<br />

Rechtsgebiete aufgezählt, die er augenscheinlich als<br />

schwieriger ansieht. Für die betroffenen Fälle ordnet er die primäreZuständigkeit<br />

der Kammer an, überraschenderweiseallerdings<br />

nur dann, wenn der Geschäftsplan des Gerichts entsprechende<br />

Spezialkammern vorsieht. Der (Un-)Sinn dieser Regelung<br />

lässt sich nur so zusammenfassen, dass Spezialisten für<br />

schwierige Fälle sich grundsätzlich gegenseitig unterstützen<br />

sollen, um die Qualität der <strong>Rechtsprechung</strong> zu sichern; existieren<br />

hingegen keine Spezialkammern, soll der im Sachgebiet<br />

möglicherweise völlig unerfahrene Richter in einer allgemeinen<br />

Kammer die Unterstützung des Kollegen nicht benötigen<br />

und die Probleme des Falls allein auffinden und lösen. Unter<br />

dem Gesichtspunkt des „Richterrisikos“ kann diese Struktur in<br />

einer Vielzahl von Fällen Anlass geben, die staatlichen Gerichte<br />

zu meiden und sich die Person selbst auszusuchen, von der<br />

man hoffen kann, dass sie den Fall kompetent bearbeitet.<br />

Stärken des gerichtlichen Verfahrens<br />

Wenn man vor diesem Hintergrund danach sucht, welche Gesichtspunkte<br />

die Parteien eines Konflikts veranlassen können,<br />

die Lösung bei den staatlichen Gerichten zu suchen, dann gibt<br />

es immerhin fünf tragfähige Sachgründe:<br />

1. Die Vorgegebenheit des Verfahrens<br />

Ein nicht zu unterschätzender Vorteil der gerichtlichen Streitbeilegung<br />

ergibt sich daraus, dass dieses Angebot für die Rechtsuchenden<br />

bereits vorhanden ist: Die Gerichte sind eingerichtet;<br />

die Verfahrensordnung ist vom Gesetzgeber vorgegeben.<br />

Die Parteien sind nicht darauf angewiesen, die Einrichtung, die<br />

den Konflikt bearbeiten soll, erst zu konstituieren. Dies ist immer<br />

dann von Vorteil, wenn die Streitigkeit eine solche Intensi-<br />

4 Dieses Problem kann in einer nicht spezialisierten allgemeinen Zivilkammer<br />

nur dadurch reduziert werden, dass die Richter sich darauf<br />

einigen, dass jede Akte von einem weiteren Kollegen gesehen wird.<br />

Anders als einverständlich ist dieses Vorgehen nicht herzustellen,<br />

weil ansonsten die richterliche Unabhängigkeit tangiert werden<br />

könnte.<br />

tät erreicht hat, dass die Parteien zu gemeinsamen Schritten<br />

nicht mehr in der Lage sind. Gleiches gilt, wenn eine Seite daran<br />

interessiert ist, die Entscheidung über den Streit zu verzögern,<br />

etwa weil die Verzögerung den Erhalt von Liquidität bedeutet.<br />

Vor allem aber ist das gerichtliche Verfahren optimal<br />

und für die Parteien von hoher Effektivität, wenn es um kleinere<br />

Fälle oder alltägliche Rechtsstreitigkeiten geht. Hier lohnt sich<br />

der Aufwand für die Konstituierung eigener Mechanismen zur<br />

Streitbeilegung nicht.<br />

2. Staatliche Gerichte als Institutionen der Rechtsfortbildung<br />

Ganz offensichtlich müssen die Parteien den Weg zu den staatlichen<br />

Gerichten wählen, wenn ihr Begehren oder ihre Rechtsverteidigung<br />

nur nach einer Fortbildung des Rechts erfolgreich<br />

sein kann. Auch wenn Schiedsgerichte ihre Entscheidungen<br />

ebenfalls am Recht und nicht nur am Gesetz ausrichten und<br />

deshalb in der Sache zuweilen ihre Entscheidung auf ein Recht<br />

stützen, das sie erst in dem Entscheidungsprozess gefunden haben,<br />

würde man dieses Vorgehen kaum als Rechtsfortbildung<br />

bezeichnen, weil es keine Auswirkungen auf die Rechtsordnung<br />

als solche hat. Andere Gerichte können diese „Rechtsfortbildung“<br />

bei ihren Entscheidungen nicht berücksichtigen, weil<br />

diese nicht bekannt, also öffentlich wird.<br />

3. Die Öffentlichkeit des Verfahrens<br />

Für bestimmte Streitigkeiten erweist es sich für den einen oder<br />

anderen Beteiligten als Vorzug, dass die Verfahren vor den<br />

staatliche Gerichten von der Maxime der Öffentlichkeit geprägt<br />

sind. Dies gilt sicher nicht für den Regelfall, in demdie Parteien<br />

im Sitzungssaal mit dem Gericht allein bleiben. Man stellt aber<br />

immer wieder einmal fest, dass die Prozessbeteiligten sich<br />

während des Verfahrens an die Öffentlichkeit wenden und das<br />

Gespräch mit der Presse suchen. Warum dies geschieht, mag<br />

der Anwalt eher beurteilen können als der Zivilrichter.Für diesen<br />

erscheint es teilweise paradox, dass gerade dann, wenn<br />

Personen von gewisser Prominenz sich inihrer Privatsphäre gestört<br />

fühlen, die viel gescholtene Presse bei den Gerichtsterminen<br />

ein gern gesehener Gast zu sein scheint.<br />

Das Schiedsgerichtsverfahren ist demgegenüber auf gegenteilige<br />

Effekte ausgerichtet. Die Ergebnisse dieser Verfahren, vor allem<br />

aber die Grundlagen der Entscheidungen bleiben fast ausnahmslos<br />

der Öffentlichkeit verborgen. Auch dies kann ein gerade<br />

angestrebtes Ziel bei der Entscheidung für ein Schiedsgerichtsverfahren<br />

sein. So mag indem Streit zwischen der Bundesrepublik<br />

und Toll Collect – von außen betrachtet – nicht allein<br />

das Kostenargument für die Vereinbarung des Schiedsgerichts<br />

ausschlaggebend gewesen sein, weil es für beide Seiten<br />

möglicherweise nicht günstig gewesen wäre, wenn die rechtliche<br />

und politische Qualität des streitigen Vertrages Gegenstand<br />

veröffentlichter Diskussionen würde.<br />

4. Die Profession des Richters<br />

Auch wenn die folgenden Ausführungen ein gewisses Befremden<br />

auslösen können, weil sie aus der Feder eines Berufsrichters<br />

stammen, soll darauf hingewiesen werden, dass die spezielle<br />

richterliche Professionalität bei der Auswahl des Streitbeilegungsverfahrens<br />

positiv ins Gewicht fällt. Jedenfalls gibt es<br />

hierfür durchaus einige tatsächliche Belege. Das Spezifikum<br />

dieser Professionalität liegt nicht in einer besonderen Fachoder<br />

Sachkenntnis. Diese findet sich nicht weniger bei anderen<br />

juristischen Berufsgruppen. Es dürfte vielmehr die von Beginn<br />

der Richtertätigkeit an eingeübte Haltung der Neutralität und<br />

Unvoreingenommenheit sein, die die typische Professionalität<br />

der Berufsrichter ausmacht und von derjenigen anderer Berufsgruppen<br />

unterscheidet. Dieses Rollenverhalten geht einher mit

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