Berufsrechtliche Rechtsprechung - BRAK-Mitteilungen
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222 Aufsätze <strong>BRAK</strong>-Mitt. 5/2005<br />
Hawickhorst, Effektivität des Rechtsschutzes vor den Schiedsgerichten und den staatlichen Gerichten<br />
Effektivität des Rechtsschutzes vor den Schiedsgerichten und den staatlichen<br />
Gerichten im Vergleich aus richterlicher Sicht 1<br />
Die stets interessante Frage, ob Schiedsgerichte oder staatliche<br />
Gerichte effektiver arbeiten, ist geeignet, bei einigen Richterkollegen<br />
das ungute Gefühl hervorzurufen, sich ineiner Konkurrenzsituation<br />
mit anderen Anbietern der Streitbeilegung zu<br />
befinden. Sie mag Zweifel wecken, ob diese anderen die Aufgabe<br />
der Berufsrichter auf irgendeine Weise besser erledigen.<br />
Diesem unguten Gefühl kann und sollte man etwas Gutes abgewinnen.<br />
Man kann sich nämlich fragen, welche Leistungen<br />
das staatliche Gericht nach seiner rechtlichen Konstruktion und<br />
seiner tatsächlichen Ausstattung erfolgreich erbringen kann<br />
und welche Leistungen eher in der Kompetenz anderer Organisationsformen<br />
der Streitbeilegung liegen. Für den Berufsrichter<br />
– vice versa aber auch für den Schiedsrichter – ergibt sich daraus<br />
die Chance, sich auf die Erwartungen der Streitparteien,<br />
die sich aus den jeweiligen Strukturen des jeweiligen Streitbeilegungsmechanismus<br />
ergeben, einzustellen, ihnen gerecht zu<br />
werden und nicht zuletzt auch die „Effektivität“ des Verfahrens,<br />
in dem man tätig ist, zu optimieren.<br />
„Effektivität“ des Rechtsschutzes<br />
Was heißt aber „Effektivität“ des Rechtsschutzes“? Die Antwort<br />
ist wohl komplexer,als es auf erste Sicht erscheint. Jeder denkt<br />
zunächst an die Kosten und die Dauer der Verfahren. Aber es<br />
gibt noch andere Effekte, d.h. Leistungsaspekte von Verfahren<br />
zur Streitbeilegung. Von Bedeutung sind etwa Gesichtspunkte<br />
wie Akzeptanz und Legitimität des Verfahrensergebnisses, aber<br />
auch die Gesichtspunkte der Öffentlichkeit oder im Gegenteil<br />
der Geheimhaltung des Verfahrens. Vor allem ist auch die<br />
„Richtigkeit“ des Verfahrensergebnisses ein Effektivitätsmaßstab.<br />
Bei dem Produkt „Richtigkeit“ kann aber schon jetzt hervorgehoben<br />
werden, dass die Verfahren unter diesem Aspekt<br />
durchaus qualitativ Unterschiedliches zu verwirklichen in der<br />
Lage sind, was vielleicht auf den ersten Blick überraschen<br />
kann. Es gibt Verfahren, die mehr auf eine objektive, d.h. durch<br />
Dritte überprüfbare Richtigkeit abzielen. Andere Verfahren sind<br />
eher geeignet, eine subjektive Richtigkeit zu produzieren. Von<br />
subjektiver Richtigkeit kann man sprechen, wenn die Streitbeteiligten<br />
einen sachangemessenen Interessenausgleich mehr<br />
oder weniger unabhängig von rechtlichen Vorgaben anstreben.<br />
Dabei kann man keineswegs feststellen, dass die eine oder die<br />
andere „Richtigkeit“ die bessere wäre. Vielmehr hat jede ihren<br />
Platz in der gesellschaftlichen Realität.<br />
Strukturen der unterschiedlichen Streitbeilegungsverfahren<br />
Staatliche Gerichte und Schiedsgerichte sind nur ein Teil der<br />
Einrichtungen, die Personen oder Unternehmen, die sich ineiner<br />
Konfliktsituation befinden, bei der Beilegung des Streits zur<br />
Verfügung stehen. Die wesentlichen Formen sollen kurz einander<br />
gegenübergestellt werden, umdie typischen Unterschiede<br />
herauszuarbeiten:<br />
–Staatliche Gerichte<br />
–Schiedsgerichte<br />
Dr. Heinz Hawickhorst ,Berlin, Vorsitzender Richter am Landgericht<br />
1 Vortrag, gehalten anlässlich des 3. ZPR-Symposions der <strong>BRAK</strong> am4./<br />
5.3.2005 inPotsdam.<br />
–Schlichter<br />
–Mediatoren<br />
–die Streitparteien selbst (bei Vergleichsverhandlungen)<br />
Die direkten Vergleichsverhandlungen der Streitparteien sind<br />
hier mit aufgeführt, weil sie zum einen in der Praxis nicht selten<br />
eine Möglichkeit bieten, Konflikte schnell und sachgerecht<br />
auszuräumen, und weil sie zum anderen in theoretischer Hinsicht<br />
in der Gegenüberstellung der Formen der Streitbeilegung<br />
den Endpunkt eines Kontinuums bilden, dessen Antipode am<br />
anderen Ende die staatlichen Gerichtsverfahren sind. Mit der<br />
obigen Reihenfolge der verschiedenen Verfahren lassen sich<br />
deren unterschiedliche Leistungsaspekte an Hand von einigen<br />
Parametern verdeutlichen. So nimmt die Autonomie der Streitbeilegung<br />
in der Aufstellung von unten nach oben ab und die<br />
Formalisierung des Verfahrens in derselben Richtung gesehen<br />
zu. Mit Einschränkungen kann man darüber hinaus feststellen,<br />
dass mit der Zunahme der Formalisierung die Sachkompetenz<br />
und das innere Engagement des Konfliktbearbeiters –natürlich<br />
nicht dieVerfahrenskompetenz –abnehmen oder jedenfalls abnehmen<br />
können. Schließlich ist eine Tendenz festzustellen,<br />
dass Kosten- und Zeitaufwand in der Aufstellung von unten<br />
nach oben zunehmen.<br />
1. Vergleichsverhandlungen der Streitbeteiligten<br />
Hier versuchen die Parteien selbst, gegebenenfalls unterstützt<br />
durch externe Berater in rechtlicher, steuerlicher, technischer<br />
oder anderer Hinsicht, den Konflikt zu lösen. Sie sind uneingeschränkt<br />
selbst Herren des Verfahrens. Der Erfolg hängt nur von<br />
ihnen ab. Das Verfahren kann überaus schnell und kostengünstig<br />
sein, weil man grundsätzlich nur wenig vorbereiten muss.<br />
Die Sachkompetenz und das Interesse sind regelmäßig nicht zu<br />
steigern, weil ineigener Sache verhandelt wird. Die Richtigkeit<br />
des Ergebnisses wird imKern nicht durch vorgegebene Normen,<br />
sondern durch den Willen der Beteiligten vermittelt.<br />
2. Mediation<br />
Die lege artis durchgeführte Mediation ändert an der Struktur<br />
der vorstehend erörterten Vergleichsverhandlung nur wenig.<br />
Die Streitbeteiligten bleiben auch hier weitgehend allein für<br />
die Richtigkeit des Ergebnisses und die äußere Gestaltung des<br />
Verfahrens verantwortlich. Die Mediation steht unter der Überschrift<br />
der Eigenverantwortlichkeit. Die Parteien bestimmen regelmäßig<br />
über Ort und Zeit der Verhandlung sowie über die<br />
Person des Mediators. Lediglich bei dem inneren Ablauf der<br />
Verhandlung übt der Mediator seinen Einfluss aus. Er leitet das<br />
Gespräch. Er hilft den Parteien, ihre eigenen Interessen zu identifizieren,<br />
sie zu äußern und dieInteressen der anderen Seite zu<br />
erkennen. Eigene Lösungsvorschläge macht der Mediator<br />
grundsätzlich nicht. Die Kosten und der Zeitaufwand nehmen<br />
mit Rücksicht auf das Honorar des Mediators und die Vorbereitung<br />
in mäßigem Umfang zu.<br />
3. Schlichtung<br />
Wenn sich auch das methodische Vorgehen des Schlichters<br />
von demjenigen des Mediators merklich unterscheiden dürfte,