Berufsrechtliche Rechtsprechung - BRAK-Mitteilungen
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220 Aufsätze <strong>BRAK</strong>-Mitt. 5/2005<br />
4. Beweisaufnahme<br />
Lachmann, Effektivität des Rechtsschutzes vor den Schiedsgerichten und den staatlichen Gerichten<br />
Im Gegensatz zum staatlichen Gericht kann das Schiedsgericht<br />
Zeugen zwar nicht zwingen, vor ihm zu erscheinen und auszusagen,<br />
11 hier treten in der Praxis jedoch nur selten Probleme<br />
auf, weil die Parteien selber dafür sorgen, dass die von ihnen<br />
benannten Zeugen an der Beweisaufnahme mitwirken.<br />
Während im staatlichen Prozess die Vernehmung in erster Linie<br />
dem Gericht obliegt, besteht im schiedsrichterlichen Verfahren<br />
die Möglichkeit, diese Aufgabe primär den Anwälten der Parteien<br />
zu überlassen. Im internationalen Verfahren würde ein<br />
anderes Vorgehen als anstößig empfunden. Die Erfahrung zeigt<br />
jedoch, dass die deutschen Verfahrensbevollmächtigten die aus<br />
der staatlichen Gerichtsbarkeit gewohnte Verfahrensweise vorziehen,<br />
obwohl gerade sie –auch aufgrund ihres Hintergrundwissens<br />
–besonders geeignet wären, sogleich die „richtigen“<br />
Fragen zu stellen.<br />
Die Erhebung des Sachverständigenbeweises wird im<br />
Schiedsgerichtsverfahren dadurch erleichtert, dass die Gebühren<br />
frei vereinbar sind, es also leichter ist, Experten zur Mitwirkung<br />
zu bewegen.<br />
5. Eignung zum Vergleich<br />
Die Vergleichsquote bei den Landgerichten dürfte bei etwa<br />
17 %liegen. Demgegenüber wird behauptet, in der Schiedsgerichtsbarkeit<br />
würden etwa 60%aller Verfahren verglichen. 12<br />
An der Richtigkeit dieser These bestehen berechtigte Zweifel. 13<br />
Ich stimme mit den kritischen Stimmen aus dem Kreis häufiger<br />
„User“ der Schiedsgerichtsbarkeit darin überein, dass es – entgegen<br />
weit verbreiteter Anschauung – nicht Aufgabe der<br />
Schiedsrichter ist, den Rechtsstreit unter allen Umständen zu<br />
vergleichen. Streitbeilegungen, die aufgedrängt werden oder<br />
nur deshalb zustande kommen, weil ohnehin keine vernünftige<br />
Entscheidung zu erwarten ist, werden zu Recht negativ bewertet.<br />
Aber auch im schiedsrichterlichen Verfahren können gütliche<br />
Einigungen sinnvoll sein. Es bietet hierfür gute Rahmenbedingungen.<br />
Die Schiedsrichter sind inaller Regel bereit, die<br />
Parteien über delikatere Punkte unter sich sprechen zu lassen,<br />
auch wenn es Stunden dauert. Meistens werden auch genügend<br />
Räume für interne Beratungen angeboten. Wenn die Parteien<br />
bei der Auswahl der Schiedsrichter keine groben Fehler<br />
begangen haben, wird das Schiedsgericht auch sokompetent<br />
besetzt sein, dass es bei komplizierteren vertragstechnischen<br />
Ausgestaltungen der Einigung, soweit gewünscht, Hilfestellung<br />
leisten kann. 14<br />
6. Verfahrensdauer<br />
Die Behauptung, die Dauer schiedsrichterlicher Verfahren sei<br />
kürzer als die der staatlichen Prozesse, wird durch nichts belegt.<br />
Zweifel sind schon dann angebracht, wenn die Zeit ab<br />
Verfahrenseinleitung, also vor Konstituierung des Schiedsgerichts,<br />
mitgezählt wird.<br />
Nicht anders als im staatlichen Prozess sind auch imSchiedsgerichtsverfahren<br />
Fristverlängerungsanträge, die auf die übli-<br />
11 Vgl. aber die durch § 1050 ZPO gewährten Möglichkeiten.<br />
12 Raeschke-Kessler/Berger, a.a.O. Rdnr.820; vgl. auch Hesse , FS<br />
Böckstiegel, 2001, 277, 285.<br />
13 Vgl. hierzu Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis,<br />
2. Aufl., Rdnr.130.<br />
14 Manchmal beißen sich Parteien, obwohl sie sich einigen wollen, an<br />
bestimmten Konstruktionen oder Formulierungen fest; der Vorschlag<br />
eines neutralen und vertragstechnisch bewanderten „Dritten“ wirkt<br />
dann gelegentlich wie eine „Befreiung“.<br />
chen Begründungen (Arbeitsüberlastung, Urlaub, Unerreichbarkeit<br />
der Partei etc.) gestützt werden, unvermeidbar.Sie werden<br />
schon im Hinblick auf den Grundsatz des rechtlichen Gehörs<br />
regelmäßig Erfolg haben. Bisweilen ist es auch schwierig,<br />
nahe Termine zu finden, in denen alle Schiedsrichter,die Parteien<br />
bzw. deren gesetzliche Vertreter und Verfahrensbevollmächtigten,<br />
ggf. Zeugen und Sachverständige zur Verfügung<br />
stehen können. 15<br />
Von den Schiedsgerichtsinstitutionen übt vor allem die ICC erheblichen<br />
Druck aus, umdie Zügigkeit der Verfahren zu gewährleisten.<br />
Dennoch beträgt die durchschnittliche Verfahrensdauer<br />
dort etwa zwei Jahre. Diese Werte lassen sich zwar auf<br />
einfacher gestaltete nationale Verfahren nicht übertragen, jedoch<br />
ist nach meiner Schätzung eine Verfahrensdauer von<br />
etwa einem Jahr jedenfalls dann weder außergewöhnlich noch<br />
unangemessen, wenn Beweise zu erheben, insbesondere Gutachten<br />
einzuholen sind und/oder die Parteien entgegen eindeutigen<br />
Auflagen des Schiedsgerichts – insoweit einträchtig –<br />
„scheibchenweise“ vortragen.<br />
7. Anfälligkeit gegenüber Obstruktion<br />
Sowohl das staatliche als auch das schiedsrichterliche Verfahren<br />
bieten die Möglichkeit, Versuche der Verfahrensobstruktion<br />
abzuwehren. Das Schiedsgericht kann das Verfahren im Falle<br />
einer Ablehnung fortsetzen und sogar noch einen Schiedsspruch<br />
erlassen.<br />
8. Kosten<br />
Die These, das schiedsrichterliche Verfahren sei besonders kostengünstig,<br />
hält der Überprüfung nicht stand.<br />
Der Hinweis, dass in der Schiedsgerichtsbarkeit kein Anwaltszwang<br />
herrscht, trifft zu, ist aber unergiebig: Die Parteien pflegen<br />
auch hier auf die Einschaltung von Anwälten nicht zu verzichten.<br />
Dies gilt selbst für Konzerne mit großen eigenen und<br />
hoch qualifizierten Rechtsabteilungen.<br />
Berechnungen aufgrund der bis vor kurzem geltenden BRA-<br />
GO, denen die üblichen Schiedsrichterhonorare 16 und die<br />
gesetzlichen Anwaltsvergütungen zugrunde gelegt wurden, ergaben,<br />
dass ein vor einem dreiköpfigen Schiedsgericht geführtes<br />
Verfahren einen Kostenaufwand mit sich bringt, der etwa<br />
dem eines durch zwei Instanzen geführten Prozesses entspricht.<br />
17<br />
Wie der Kostenvergleich nunmehr,nach dem Inkrafttreten des<br />
RVG, ausfällt, ist offen. Die Methode, die Schiedsrichtervergütung<br />
jetzt schlicht am RVG statt an der BRAGO auszurichten,<br />
führt in vielen Fällen zu einer Verbilligung der schiedsrichterlichen<br />
Verfahren: Zum einen honoriert das RVG nicht den inder<br />
Beweisaufnahme liegenden Aufwand, zum anderen sieht es<br />
eine Kappungsgrenze (30 Mio. Euro) vor.Es steht jedoch nicht<br />
fest, ob und inwieweit der Markt diese Änderungen akzeptiert.<br />
18 Es ist nicht auszuschließen, dass die an Ad-Hoc-Verfahren<br />
Beteiligten sich bei der Gestaltung der Schiedsrichterhonorare<br />
auf die Suche nach einem Vergütungssystem machen, das<br />
15 Mit dem Versuch, solche Termine abzustimmen, verbringt ein Einzelschiedsrichter<br />
oder Vorsitzender bisweilen ganze Vormittage.<br />
16 Diese sind nicht gesetzlich geregelt, wurden aber bisher weithin in<br />
analoger Anwendung der BRAGO-Sätze vereinbart (jeweils 15/10-<br />
Aktgebühren für den Vorsitzenden, 13/10-Aktgebühren für die „Beisitzer“).<br />
17 Vgl. hierzu Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis,<br />
2. Aufl., Rdnrn. 2214 ff.<br />
18 Vgl. die Kritik von Bischof ,SchiedsVZ 2004, 252.