06.01.2013 Aufrufe

Berufsrechtliche Rechtsprechung - BRAK-Mitteilungen

Berufsrechtliche Rechtsprechung - BRAK-Mitteilungen

Berufsrechtliche Rechtsprechung - BRAK-Mitteilungen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>BRAK</strong>-Mitt. 5/2005 Aufsätze 217<br />

Lachmann, Effektivität des Rechtsschutzes vor den Schiedsgerichten und den staatlichen Gerichten<br />

Effektivität des Rechtsschutzes vor den Schiedsgerichten und<br />

den staatlichen Gerichten 1<br />

I. Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit<br />

Rechtsanwalt und Notar Jens-Peter Lachmann, Berlin<br />

Die Behauptung, die Verfahren der alternativen Streitbeilegung<br />

befänden sich auf einem unaufhaltsamen Vormarsch, sie<br />

„boomten“ gar,ist gängig, trifft aber nicht zu. 2<br />

A. Fallzahlen<br />

Die Befassung mit den Tatsachen zeigt:<br />

1. Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit<br />

a) Deutsche Institutionen<br />

Bei der bedeutendsten deutschen Schiedsgerichtsinstitution,<br />

der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V.(DIS),<br />

werden jährlich um die 90 neue Verfahren eingeleitet. Dies ist<br />

schon deshalb aufschlussreich, weil dieser Institution neben<br />

den Industrie- und Handelskammern und auch großen international<br />

agierenden Unternehmen nahezu alle Juristen angehören,<br />

die imBereich der Schiedsgerichtsbarkeit Rang und Namen<br />

haben. Ihre Verfahrensordnung eignet sich sowohl für<br />

nationale als auch für internationale Schiedsverfahren.<br />

Die anderen deutschen Institutionen haben eine vergleichsweise<br />

geringe Bedeutung. So dürften die Finger einer Hand ausreichen,<br />

um z.B.die Verfahren beimSchlichtungs- und Schiedsgerichtshof<br />

der Notare und der Tenos Private Zivilgerichte Aktiengesellschaft<br />

aufzuzählen. Diese Institutionen sind mit großer<br />

Zuversicht gegründet, mit ausgefeilten Verfahrensordnungen<br />

versehen und dem relevanten Markt mit sehr hohem Aufwand<br />

vorgestellt worden.<br />

b) Internationale Institutionen<br />

Auf internationaler Ebene ragt die Schiedsgerichtsbarkeit der<br />

ICC heraus. Ihre Organisation und ihre „Rules“, die Raum für<br />

die Umsetzung „multikultureller“ Verfahrenskonzeptionen lassen,<br />

ziehen Verfahren aus der ganzen Welt an. Dennoch liegt<br />

die Zahl der jährlichen Eingänge bei unter 600 Fällen.<br />

Die nach den Fallzahlen nächst bedeutende Stockholmer Handelskammer<br />

administriert sowohl nationale als auch internationale<br />

Verfahren. Sie hatte ihre besondere Bedeutung während<br />

des „kalten Krieges“, administriert aber weiterhin „interkontinentale“<br />

Verfahren. Sieht man von einem positiven „Ausreißer“<br />

im Jahre 2003 mit 169 Eingängen ab, werden dort seit 1999 im<br />

Durchschnitt etwa 130 Verfahren pro Jahr eingeleitet.<br />

Der renommierte London Court of International Arbitration<br />

(LCIA) publiziert seine Fallzahlen nicht, sondern umschreibt<br />

diesen Aspekt im Internet recht wolkig. Im Jahr 2000 hat die<br />

Fallzahl sich auf 87 belaufen. Der Durchschnitt liegt bei etwas<br />

über 90 Eingängen pro Jahr.<br />

1 Vortrag, gehalten anlässlich des 3. ZPR-Symposions der <strong>BRAK</strong> am<br />

4./5.3.2005 inPotsdam.<br />

2 Ausführlicheres Zahlenmaterial in Lachmann, Handbuch für die<br />

Schiedsgerichtspraxis, 2. Aufl. 2002, Rdnrn. 65 ff.<br />

2. Ad-hoc-Schiedsgerichtsbarkeit<br />

Die Zahl der gesetzlich geregelten Ad-hoc-Verfahren ist unbekannt.<br />

Diese werden nirgendwo statistisch erfasst. Da auch<br />

schiedsrichterliche Verfahren mit einer gütlichen Einigung enden<br />

und die wohl meisten Schiedssprüche nicht angegriffen,<br />

sondern freiwillig befolgt werden, lassen sich aus der Anzahl<br />

der vor den staatlichen Gerichten anhängig gemachten Aufhebungs-<br />

und Vollstreckbarerklärungsverfahren keine Rückschlüsse<br />

auf die Fallzahlen ziehen. Entsprechendes gilt für den<br />

Versuch, Anhaltspunkte aus der Anzahl richterlicher Nebentätigkeitsgenehmigungen<br />

zu ziehen, weil Schiedsgerichte auch<br />

ausschließlich mit Anwälten oder anderen Angehörigen freier<br />

Berufe besetzt werden.<br />

Es spricht sehr viel dafür, dass die Anzahl der in Deutschland<br />

geführten Ad-hoc-Verfahren 1000 pro Jahr jedenfalls nicht<br />

überschreitet.<br />

B. Wirtschaftliche Bedeutung<br />

Einige schiedsrichterliche Verfahren haben außergewöhnlich<br />

hohe Streitwerte. Die wirtschaftliche Bedeutung des Toll-Collect-Verfahrens,<br />

in dem mehrere Milliarden Euro streitig sind,<br />

ist aus der Berichterstattung der Medien weithin bekannt. In einigen<br />

anderen, der Öffentlichkeit verborgenen Verfahren wird<br />

die Milliarden-Grenze ebenfalls überschritten. Jedoch ist die<br />

Annahme, vor Schiedsgerichten werde grundsätzlich nur oder<br />

ganz überwiegend um außergewöhnlich hohe Werte gestritten,<br />

falsch: ImJahre 2000 hatten nur knapp mehr als die Hälfte der<br />

bei der ICC anhängig gemachten Verfahren einen Streitwert<br />

von über 1 Mio. USD, bei immerhin etwa 15 %der Fälle lag er<br />

unter 200.000 USD. Da die Hemmschwelle, ein notwendigerweise<br />

internationales und aufwendiges Verfahren vor der ICC<br />

einzuleiten, generell recht hoch sein dürfte, ist zu vermuten,<br />

dass die Streitwerte in rein nationalen Verfahren im Schnitt<br />

niedriger liegen. Es ist belegbar,dass vor den Schiedsgerichten<br />

in nennenswertem Umfang auch Streitigkeiten ausgetragen<br />

werden, deren objektive wirtschaftliche Bedeutung recht gering<br />

ist. 3 Dies schließt nicht aus, dass ihr Ausgang für die Parteien<br />

existentielle Bedeutung haben kann.<br />

C. Anwendungsbereich<br />

Schiedsgerichtsbarkeit ist im Wesentlichen Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit.<br />

Die Statistiken der Schiedsgerichtsinstitutionen<br />

zu den betroffenen Rechtsgebieten sind gelegentlich<br />

etwas vage, bestätigen aber wohl die aus eigenen Beobachtungen<br />

abgeleitete Vermutung, dass Konflikte aus Gesellschaftsverhältnissen,<br />

Unternehmenskäufen, Joint Ventures, Lieferverträgen,<br />

Bauverträgen (einschließlich Anlagenbau) und auch<br />

Handelsvertreterverhältnissen im Vordergrund stehen.<br />

3 Beispiele sind Konflikte aus Käufen kleiner freiberuflicher Praxen<br />

und aus Sozietätsverträgen. Auch die veröffentlichten Entscheidungen<br />

der deutschen Gerichte zur Schiedsgerichtsbarkeit belegen,<br />

dass erstaunlich oft recht geringe Beträge im (erbitterten) Streit sind.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!