Berufsrechtliche Rechtsprechung - BRAK-Mitteilungen
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216 Aufsätze <strong>BRAK</strong>-Mitt. 5/2005<br />
V. Rechtsanwälte als Erfüllungsgehilfen, Abs. 3<br />
Römermann, Tore weit geöffnet für unqualifizierte Rechtsberatung (II)<br />
Nach Absatz 3 des §5RDG-E dürfen Rechtsdienstleistungen<br />
im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit in Zusammenarbeit<br />
mit oder unter Hinzuziehung einer Person erbracht werden,<br />
der die entgeltliche Erbringung dieser Rechtsdienstleistungen<br />
erlaubt ist. Dadurch sollen „Lösungen aus einer Hand“ gefördert<br />
werden, die es bislang nur in der Form geben konnte,<br />
dass eine Anwaltskanzlei wirtschaftliches oder technisches<br />
Know-how einkauft (etwa durch angestellte Ingenieure) und<br />
dem Mandanten dann beispielsweise im Immobilienbereich<br />
Gesamtlösungen anbietet (steuerliche Folgen derartiger zum<br />
Teil gewerblicher Leistungen sollen hier nicht interessieren).<br />
Künftig geht es auch umgekehrt: Der Ingenieur erstellt ein Angebot<br />
inklusive rechtliche Beratungsleistungen und beauftragt<br />
zur Vertragserfüllung insoweit selbst einen Rechtsanwalt (oder<br />
sonst befugten Rechtsberater). Das Mandat besteht also ausschließlich<br />
zwischen Anwalt und Ingenieur, der umfassende<br />
Dienstleistungsvertrag zwischen Ingenieur und Kunde.<br />
Der Rechtsanwalt erbringt seine Beratung demnach vertraglich<br />
nur gegenüber dem Ingenieur oder sonstigen Anbieter. Die<br />
Weisungsbefugnis, der jeder Anwalt im Mandatsverhältnis unterliegt<br />
(er kann sich daraus nur durch Mandatsniederlegung<br />
befreien), wird vom „Zwischenhändler“ ausgeübt. Wird es tatsächlichjedem<br />
gewerblichen Hauptunternehmer gelingen, sich<br />
selbst so weit zurückzunehmen, dass die rechtliche Teilleistung<br />
keinen Honorarinteressen unterworfen wird? Auch die Anwaltschaft<br />
besteht nicht nur aus Heiligen und ihre wirtschaftliche<br />
Situation ist schlecht. Gleichwohl wage ich die Einschätzung,<br />
dass sichdie ganz überwiegende Zahl der Berufsträger bei ihrer<br />
Beratung nicht von finanziellen Eigeninteressen leiten lässt. Bei<br />
einer Öffnung für alle denkbaren Berufsgruppen wäre eine solche<br />
Prognose nicht mehr möglich.<br />
Die Art der Zusammenarbeit ist durch Absatz 3 nicht beschränkt.<br />
Unter „Zusammenarbeit mit“ wird man sich eine verstetigte<br />
Form, klassisch also eine Sozietät, vorzustellen haben.<br />
„Hinzuziehung“ zielt eher auf ein einmaliges Dienstleistungsverhältnis.<br />
Da beides gestattet wird, kommt es auf eine Abgrenzung<br />
im Ergebnis nicht an.<br />
Die Bestimmung steht in einem inhaltlichen Zusammenhang<br />
mit der Lockerung der Sozietätsregeln. Durch eine Neufassung<br />
von § 59a BRAO wird der Kreis der sozietätsfähigen Berufe auf<br />
jeden erweitert, der „vereinbar“ i.S. der §§ 7 Nr.8,14 Abs. 2<br />
Nr.8 BRAO ist. Der gewerbliche Dienstleistungsanbieter hat<br />
daraufhin die Wahl: Er kann über § 5Abs. 3 RDG-E einen Anwalt<br />
im Einzelfall als Erfüllungsgehilfen einsetzen oder über<br />
§59a Abs. 4BRAO-E eine Sozietät mit ihm eingehen. Für die<br />
Sozietät gelten zukünftig auf die Nichtanwälte erweiterte Zeugnisverweigerungsrechte<br />
und Beschlagnahmeverbote.<br />
Eine Revision der zu eng geratenen Soziierungsvorschriften in<br />
§59a BRAO wurde in der Literatur schon länger gefordert. 25 So<br />
leuchtet es beispielsweise nicht ein, warum ein im Arzthaftungsrecht<br />
aktiver Rechtsanwalt sich nicht mit Ärzten zusammenschließen<br />
darf. Die bisherige Verteidigungslinie bei § 59a<br />
BRAO, die Vorschrift sichere das Zeugnisverweigerungsrecht<br />
und die Beschlagnahmefreiheit, war im Hinblick auf Ärzte<br />
schon immer evident unhaltbar,da diese Berufsangehörigen insoweit<br />
genau die gleichen Privilegien genießen wie Anwälte.<br />
Das Thema einer Lockerung von Sozietätsverboten wurde in<br />
Deutschland praktisch „totgeschwiegen“. Umso unvorbereiteter<br />
trifft nun die radikale Öffnung durch den Entwurf die Anwaltschaft.<br />
Schon für das heutige Recht bedeutsam ist dabei die<br />
25 Ausführlich Michalski/Römermann, NJW 1996, 3233 ff.<br />
Einschätzung der Entwurfsverfasser über die aktuellen Restriktionen:<br />
„Es ist nicht erforderlich, Rechtsanwälten vorzuschreiben,<br />
welche gesellschaftsrechtliche Organisationsform sie wählen<br />
können, umihren Beruf ausüben zu können.“ 26 Unnötige<br />
Verbote stellen einen unverhältnismäßigen und damit verfassungswidrigen<br />
Eingriff indie Berufsfreiheit dar.„Es ist nicht erforderlich<br />
ihm vorzuschreiben, in welcher Kanzlei er seinen<br />
Beruf in welchem Umfang ausübt. Der geltende [§ 59a] Absatz<br />
2 kann daher insgesamt aufgehoben werden...“ 27 und ist offenbar<br />
schon jetzt verfassungswidrig. Die Vorschriften für Wirtschaftsprüfer<br />
und Steuerberater „zeigen, dass Sozietätsverbote<br />
nicht erforderlich sind, um die Beachtung anwaltlicher Berufspflichten<br />
gewährleisten zu können“. 28<br />
VI. Zusammenfassung<br />
Durch § 5RDG-E wird es Nichtjuristen gestattet, im Paket neben<br />
anderen auch rechtliche Dienstleistungen zu erbringen.<br />
Der juristische Teil soll dabei nur eine Nebenleistung darstellen.<br />
Die Kriterien, wann von einer Nebenleistung gesprochen<br />
werden kann und wie sie von einer Hauptleistung abzugrenzen<br />
wären, sind unbestimmt und lassen den Anbietern inder<br />
Praxis jeden erdenklichen Spielraum. Diese Beliebigkeit wird<br />
durch die Entwurfsbegründung nur noch forciert, wenn dort<br />
mehrfach verächtlich von einer (bislang) „kleinlichen“ Auslegung<br />
die Rede ist, die zukünftig offenbar einer großzügigen<br />
Handhabung weichen soll. „Den Gerichten wird es obliegen,<br />
die Grenzen zulässiger Nebentätigkeiten anhand dieser Kriterien<br />
im Einzelfall festzulegen“, 29 heißt es entlarvend inder<br />
Entwurfsbegründung. Warum aber haben sich die Gerichte in<br />
der Vergangenheit restriktiv,„kleinlich“ gezeigt? Es ging ihnen<br />
um den Schutz der Rechtsuchenden vor unqualifizierten Anbietern<br />
imRechtsberatungsmarkt und den damit verbundenen<br />
Gefahren für den Einzelnen wie für die Rechtspflege insgesamt.<br />
Großzügigkeit ist grundsätzlich stets zu begrüßen, aber<br />
nicht unbedingt dort, wo Rechtsuchende unmittelbar Schaden<br />
nehmen.<br />
Nach Absatz 3 der neuen Vorschrift können Nichtanwälte<br />
künftig Rechtsanwälte als Subunternehmer für rechtliche<br />
Dienstleistungen beschäftigen. Der Reformvorschlag „entspricht<br />
den Wünschen der Wirtschaft und der Rechtsuchenden<br />
und eröffnet auch der Rechtsanwaltschaft neue Marktchancen“,<br />
heißt es dazu im Eckpunktepapier des BMJ vom 30. März<br />
2005. Welche Rechtsuchenden solche Wünsche geäußert haben<br />
sollten, ist nicht erkennbar.„Die“ Rechtsuchenden in ihrer<br />
Gesamtheit werden es kaum gewesen sein. Einzelne Unternehmen<br />
werden neue Freiheiten gewünscht haben. Wo aber sind<br />
„neue Marktchancen“ der Anwaltschaft, die zukünftig das als<br />
Unterauftragnehmer leisten soll, was sie bisher im direkten<br />
Mandatsverhältnis tut? Die Zwischenschaltung gewerblicher<br />
Anbieter bringt für die Rechtsuchenden jedenfalls eher Gefahren<br />
mit sich. „Neue Marktchancen“ zeigen sich nur insoweit,<br />
als das RDG in dieser Fassung allen Anlass für bisher ungeahnte<br />
Auslegungsprobleme gibt, Wettbewerber untereinander über<br />
die Zulässigkeit von Dienstleistungen streiten und geschädigte<br />
Mandanten gegen unter Selbstüberschätzung leidende Quacksalber.Auf<br />
solche Marktchancen kann die Anwaltschaft getrost<br />
verzichten, sie berät lieber präventiv,als aufwendig zu „reparieren“.<br />
26 RefE, S. 125.<br />
27 RefE, S. 125.<br />
28 RefE, S. 126.<br />
29 RefE, S. 76.