Berufsrechtliche Rechtsprechung - BRAK-Mitteilungen
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206 Aufsätze <strong>BRAK</strong>-Mitt. 5/2005<br />
Deppert, Die <strong>Rechtsprechung</strong> des Senats für Anwaltssachen des Bundesgerichtshofs im Jahre 2004<br />
Die <strong>Rechtsprechung</strong> des Senats für Anwaltssachen des Bundesgerichtshofs<br />
im Jahre 2004 1<br />
Die Zahl der zum Anwaltssenat des BGH gelangten Verfahren<br />
ist weiter angestiegen. Im Jahre 2004 waren 98 Eingänge in<br />
Verwaltungsstreitverfahren, 15 Eingänge in Disziplinarsachen<br />
und 1Eingang in erstinstanzlichen Verfahren zu verzeichnen.<br />
Dabei bilden die Fälle des Widerrufs wegen Vermögensverfalls<br />
einen hohen Anteil der Verfahren. 50 der im Jahre 2004 eingegangenen<br />
Verfahren betrafen den Widerruf, drei Fälle die Versagung<br />
der Zulassung wegen Vermögensverfalls. 1<br />
I. Entscheidungen in Zulassungssachen<br />
1. Zuständigkeit<br />
Mit der Frage, welche Kammer nach einem Umzulassungsantrag<br />
für einen Widerruf der Zulassung zuständig ist, hatte sich<br />
der Senat in seinem Beschluss vom 8.11.2004 (AnwZ [B] 78/<br />
03) zu befassen. Der Antragsteller war zunächst bei dem Amtsgericht<br />
R. und dem Landgericht D. zugelassen. Anfang 2002<br />
betrieb er seine Umzulassung in den Bezirk der Rechtsanwaltskammer<br />
für den Oberlandesgerichtsbezirk H. Am 3.2.2002<br />
teilte er der Antragsgegnerin mit, dass er auf seine Zulassung<br />
bei dem Amtsgericht R. und dem Landgericht D. für den Fall<br />
seiner Zulassung bei dem Amtsgericht und Landgericht B. verzichte.<br />
Eine Zulassung bei diesen Gerichten erfolgte nicht. Die<br />
Antragsgegnerin, die Kammer,in deren Bezirk der Antragsteller<br />
zugelassen war, widerrief imApril 2002 die Zulassung wegen<br />
mehrerer Widerrufsgründe, u.a. wegen Vermögensverfalls. Den<br />
dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat<br />
der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Der Senat hat die sofortige<br />
Beschwerde, mit der der Antragsteller insbesondere die<br />
fehlende Zuständigkeit der Antragsgegnerin geltend machte,<br />
mit der Begründung zurückgewiesen, dass nicht der von ihm<br />
(im Übrigen auch nur bedingt) erklärte Verzicht auf die lokale<br />
Zulassung bei dem Amtsgericht R. und dem Landgericht D. seine<br />
Mitgliedschaft in der alten Rechtsanwaltskammer und damit<br />
die Zuständigkeit der Antragsgegnerin beendet hat. Er folgte<br />
damit der Meinung in der Literatur, wonach ein Zuständigkeitswechsel<br />
zur neuen Rechtsanwaltskammer erst eintritt, wenn<br />
nach einer anderweitigen lokalen Zulassung die bisherige lokale<br />
Zulassung nach § 33 Abs. 4BRAO widerrufen ist (vgl. auch<br />
Jessnitzer/Blumberg , BRAO 9. Aufl. §33 Rdnr.1; Feuerich/<br />
Weyland, BRAO 6.Aufl. §33 Rdnr.15; Henssler/Prütting ,<br />
BRAO 2. Aufl. § 33 Rdnr.25).<br />
2. Widerruf der Zulassung wegen Vermögensverfalls<br />
Die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden<br />
a) Bei der Frage, ob durch den Vermögensverfall die Interessen<br />
der Rechtsuchenden gefährdet werden, wurde von dem Senat<br />
stets eine strenge Linie gefahren (vgl. Zuck ,<strong>BRAK</strong>-Mitt. 1986,<br />
108). Nach seiner ständigen <strong>Rechtsprechung</strong> kommt der Ausschluss<br />
einer Gefährdung der Rechtsuchenden in Fällen eines<br />
eröffneten Insolvenzverfahrens allenfalls in extrem gelagerten<br />
1 Für die wertvolle Unterstützung dankeichFrau Richterin amLandgericht<br />
Dr.Rombach.<br />
Dr. Katharina Deppert, Karlsruhe<br />
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof<br />
Ausnahmefällen in Betracht (vgl. Senatsbeschlüsse v. 14.2.2000<br />
–AnwZ [B] 15/99, v. 13.3.2000 – AnwZ [B] 28/99, <strong>BRAK</strong>-Mitt.<br />
2000, 144). Einen solchen extrem gelagerten Ausnahmefall hat<br />
der Senat auch in seinem Beschluss vom 12.1.2004 (AnwZ [B]<br />
17/03) verneint. Der 92-jährige Antragsteller war seit über 50<br />
Jahren zur Rechtsanwaltschaft zugelassen, als seine Zulassung<br />
im Jahre 2001 wegen Vermögensverfalls widerrufen wurde.<br />
Der Senat war der Meinung, dass das hohe Alter, seine über<br />
fünf Jahrzehnte hinweg geleistete tadellose anwaltliche Berufsausübung<br />
und die offenbar nicht verschuldete Insolvenz für die<br />
Widerlegung der Vermutung der Vermögensgefährdung der<br />
Rechtsuchenden nicht ausreichten. Da es weder Hinweise auf<br />
eine nachhaltig eingeschränkte Berufstätigkeit des Antragstellers<br />
gab, welche das Moment einer relevanten Vermögensgefährdung<br />
von Mandanten vernachlässigenswert erscheinen ließe,<br />
noch Anhaltspunkte für besondere Sicherungsmaßnahmen,<br />
mit denen eine derartige Gefährdung auch nachhaltig reduziert<br />
würde, sah sich der Senat außerstande, einen den Widerruf<br />
vermeidenden Ausnahmefall anzuerkennen.<br />
b) Auch in seinem Beschluss vom 18.10.2004 (AnwZ [B] 70/<br />
03, <strong>BRAK</strong>-Mitt. 2005, 27) sah der Senat in dem Vermögensverfall<br />
eine Gefährdung der Rechtsuchenden. Der Antragsteller<br />
hatte vorgebracht, seine Tätigkeit auf Mandate ohne Fremdgeldzugriff<br />
beschränken zu wollen und über keine eigenen<br />
Konten mehr zu verfügen. Die Abwicklung seines eigenen Zahlungsverkehrs<br />
und eventuell unvermeidlichen Zahlungsverkehrs<br />
für Mandanten erfolge über Kontoverbindungen, die ausschließlich<br />
auf den Namen seiner Frau lauteten. Die geltend<br />
gemachte Tätigkeitsausrichtung auf Mandate ohne Fremdgeldzugriff<br />
hielt der Senat als nicht kontrollierbare, jederzeit aufgebbare<br />
Selbstbeschränkung nicht für ausreichend, um eine<br />
Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen. Angesichts<br />
der immer noch bestehenden Möglichkeit der Hereinnahme<br />
von Schecks oder Bargeld hat der Senat die Nichtunterhaltung<br />
jeglicher eigener Konten und die für sich nicht unbedenkliche<br />
Nutzung von Konten seiner Ehefrau (vgl. § 4Abs. 1BORA) im<br />
Rahmen der Anwaltstätigkeit als nicht ausreichend angesehen,<br />
um eine Gefährdung der Rechtsuchenden verneinen zu können.<br />
Zudem sprach die rechtskräftige Verurteilung des Antragstellers<br />
wegen eines Vergehens nach §266a StGB gegen die<br />
Annahme eines günstig zu beurteilenden Ausnahmefalls. Mitberücksichtigt<br />
wurde auch, dass der Antragsteller keine Gesamtdarstellung<br />
seiner Vermögenssituation gegeben hatte, die<br />
einen vollständigen Überblick über den Umfang seiner derzeitigen<br />
Anwaltstätigkeit gegeben hätte und eine Einschätzung der<br />
damit einhergehenden Gefährdungssignale erlauben würde.<br />
c) Mit der Frage, ob die Interessen der Rechtsuchenden trotz<br />
des Vermögensverfalls des Rechtsanwalts ausnahmsweise nicht<br />
gefährdet sind, befasst sich auch der vielbeachtete Beschluss<br />
des Senats vom selben Tage (18.10.2004 –AnwZ [B] 43/03,<br />
NJW 2005, 511, AnwBl. 2005, 216, <strong>BRAK</strong>-Mitt. 2005, 86). Römermann,<br />
der in dem hier besprochenen Verfahren der Bevollmächtigte<br />
des Antragstellers war, spricht in seiner Anmerkung<br />
(AnwBl. 2005, 178) sogar von einem richtungweisenden Be-