8 - Entwicklungsraum Billstedt-Horn, Hamburg
8 - Entwicklungsraum Billstedt-Horn, Hamburg
8 - Entwicklungsraum Billstedt-Horn, Hamburg
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
10<br />
DAS SchIffBEkER<br />
ARBEItERquARtIER<br />
mit zunehmender Industrialisierung entwickelte sich in Schiffbek aus<br />
ungelernten Arbeitern ein proletarisches milieu.<br />
Mit Beginn der Industrialisierung wandelte sich Schiffbek binnen kurzer Zeit<br />
zum Arbeiterquartier. Hatte der Ort 1880 noch 980 Einwohner gezählt, waren<br />
es dreißig Jahre später fast zehnmal so viele. Mehr als drei Viertel davon waren<br />
ungelernte Fabrikarbeiter, die hier ein proletarisches Milieu entstehen ließen,<br />
wie man es auch in Arbeiterquartieren der nahen Hansestadt, etwa in Hammerbrook,<br />
Barmbek oder Eimsbüttel, vorfand.<br />
Den Anfang hatte die Arbeiterkolonie der 1883/84 errichteten Jutespinnerei<br />
und -weberei gemacht: Zum einen bestand sie aus den sogenannten „alten<br />
Spinnhäusern“, die sich oberhalb der direkt an der Bille gelegenen Fabrik<br />
zwischen der heutigen <strong>Billstedt</strong>er Hauptstraße und der Möllner Landstraße<br />
befanden, und den „neuen Spinnhäusern“, die sich nördlich davon anschlossen<br />
und etwa bis zur heutigen U-Bahn-Trasse reichten. Bei ersteren handelte es<br />
sich um zwei langgezogene eingeschossige Zeilenbauten, bei letzteren um vier<br />
zweigeschossige Blocks. Insgesamt umfassten sie 166 Wohnungen. Den „alten<br />
Spinnhäusern“ war zudem auf der Südseite ein zweigeschossiger Komplex vorgelagert,<br />
der tagsüber als Kindergarten diente und abends von den Arbeitern<br />
als Lesesaal genutzt werden konnte. Des Weiteren gab es ein Speisehaus mit<br />
Schlafsälen für unverheiratete Arbeiter und Arbeiterinnen. Ab 1896 errichtete<br />
man weiter östlich, rund um die heutige Straße Spökelbarg, eine kleine Siedlung<br />
mit Einzelhäusern für die Werkmeister. 1898 folgte schließlich gegenüber dem<br />
Kindergarten eine herrschaftliche Villa für den Werksdirektor. Heutzutage sind<br />
von der Arbeiterkolonie der „Jute“ alleine diese Villa, die Meisterhäuser am<br />
Spökelbarg und ein Ende der 1930er Jahre errichteter neuer Kindergarten in der<br />
<strong>Billstedt</strong>er Hauptstraße erhalten.<br />
Wo einst die Spinnhäuser standen, verläuft heute die Reclamstraße<br />
Unmittelbar westlich an die alten Spinnhäuser schloss sich die ab 1883 errichtete<br />
neue Schiffbeker Volksschule an. Sie wurde bis ins 20. Jahrhundert<br />
<strong>Entwicklungsraum</strong> BillstEdt i <strong>Horn</strong><br />
Das Arbeiterquartier zwischen heutiger <strong>Billstedt</strong>er Hauptstraße und<br />
Möllner Landstraße<br />
mehrfach erweitert und zählte 1914 schließlich nicht weniger als 1800 Schüler.<br />
Ebenso wie die Spinnhäuser fiel sie Ende der 1970er Jahre der Neugestaltung<br />
des <strong>Billstedt</strong>er Zentrums zum Opfer. Auf dem ehemaligen Schulgelände befinden<br />
sich heute die <strong>Billstedt</strong>er Polizeiwache sowie ein großer Wohnblock. Dort, wo<br />
einst die Spinnhäuser standen, verläuft heute die Reclamstraße.<br />
Rund um diesen Komplex aus Arbeiterkolonie der Jute und Volksschule entstanden<br />
um die Wende zum 20. Jahrhundert zahlreiche zwei- bis viergeschossige<br />
Arbeitermietshäuser. Im Westen reichte diese Bebauung über den heutigen<br />
Schiffbeker Weg hinaus unmittelbar bis an das alte Dorf Schiffbek heran, im<br />
Osten erstreckte sie sich bis über den Schleemer Bach. Während die Bauweise<br />
im inneren Bereich sehr eng war – mit geschlossenen Blockrändern und Terrassenhäusern<br />
und Gewerbebetrieben in den Höfen – wurde sie an den Rändern,<br />
gerade in Richtung Kirchsteinbek und jenseits der Möllner Landstraße, lockerer.<br />
Die Wohnungen selbst waren klein. Meist verfügten sie neben der Küche über<br />
zwei bis drei Zimmer. Bäder gab es keine, die Toiletten befanden sich am Treppenhaus<br />
oder aber im Hof. Da die Familien zum Teil vier und mehr Kinder hatten,<br />
waren die Verhältnisse oft sehr beengt.<br />
15