U R T E I L - Vpb
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B<br />
X. AG<br />
EIDGENÖSSISCHE REKURSKOMMISSION FÜR HEILMITTEL<br />
COMMISSION FEDERALE DE RECOURS EN MATIERE DE PRODUITS THERAPEUTIQUES<br />
COMMISSIONE FEDERALE DI RICORSO IN MATERIA DI AGENTI TERAPEUTICI<br />
CUMISSIUN FEDERALA DA RECURS CONCERNENT ILS MEDICAMENTS<br />
U R T E I L<br />
vom 4. Februar 2005<br />
Die Eidgenössische Rekurskommission für Heilmittel<br />
HM 04.082<br />
unter Mitwirkung der Richter Johannes Frölicher, Vizepräsident, Max Giger<br />
und der Richterin Beatrix Falch sowie der Gerichtssekretärin<br />
Susanne Marbet Coullery<br />
hat in der Beschwerdesache<br />
vertreten durch Fürsprecher Martin Schmutz, Schwanengasse 9, 3011 Bern<br />
gegen<br />
Beschwerdeführerin<br />
Swissmedic, Schweizerisches Heilmittelinstitut, Erlachstrasse 8, 3000 Bern 9<br />
betreffend: - A., Kapseln, Sistierung der Zulassung<br />
- Verfügung vom 15. Juni 2004 des Schweizerischen Heilmittelinstituts
2<br />
den Akten entnommen:<br />
A. – Die Präparate A., Kapseln, wurden erstmals am 18. September 1984 (für<br />
die Dosisstärke 100 mg), am 25. November 1985 (für die Dosisstärke 200 mg) sowie<br />
am 3. September 1986 (für die Dosisstärke 400 mg) bei der Interkantonalen<br />
Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) registriert.<br />
B. – Am 23. Juni 2003 reichte die X. AG beim Schweizerischen Heilmittelinstitut<br />
(Institut) ein Gesuch um Erteilung einer Swissmedic-Zulassung bei abgelaufener<br />
IKS-Registrierung (Ende 2003) für die A. Kapseln ein und bestätigte, dass<br />
keine Änderungen der registrierten Zusammensetzung vorgenommen worden<br />
seien.<br />
Weil das in der Beilage zum Gesuch eingereichte Formular „Volldeklaration” eine<br />
Zusammensetzung auswies, welche nicht identisch mit der registrierten Zusammensetzung<br />
gemäss Anmeldeformular vom 30. April 1993 war, und weder der<br />
IKS noch dem Institut ein Änderungsgesuch eingereicht worden war, listete das<br />
Institut die qualitativen und quantitativen Abweichungen betreffend Wirkung<br />
und Hilfsstoffe auf und forderte die X. AG am 15. August 2003 auf, zu dieser Diskrepanz<br />
bis zum 30. September 2003 Stellung zu nehmen. Gleichzeitig wurde ihr<br />
die Möglichkeit eingeräumt, bis zum 30. November 2003 ein Änderungsgesuch<br />
mit den vollständigen Unterlagen einzureichen.<br />
Die X. AG bestätigte am 10. September 2003 eine Änderung der Zusammensetzung<br />
und ersuchte um Fristverlängerung zur Einreichung der vollständigen Dokumentation<br />
sowie des entsprechenden Änderungsgesuches. Das Institut gewährte<br />
eine Fristerstreckung bis zum 17. März 2004 und wies darauf hin, dass es<br />
sich für den Fall der Nichteinhaltung der Frist weitere Massnahmen (insbesondere<br />
die Sistierung der Zulassung) vorbehalte. Mit Verfügung vom 17. September<br />
2003 erteilte das Institut für die A. Kapseln eine Swissmedic-Zulassung infolge<br />
Ablaufs der IKS-Registrierung.<br />
C. – Am 23. Februar 2004 reichte die X. AG das Gesuch um Änderung der<br />
Wirk- und Hilfsstoffzusammensetzung sowie die zugehörige Qualitätsdokumentation<br />
für alle drei Dosierungen ein. Nach erfolgter Begutachtung der Dokumentation<br />
listete das Institut im Vorbescheid vom 6. April 2004 alle festgestellten<br />
Mängel und Unklarheiten auf, welche sich erneut auch auf die Zusammensetzung<br />
des auf dem Markt befindlichen Präparats bezogen. Zudem wurde eine letzte<br />
Frist von 4 Monaten angesetzt, um die erforderlichen, zusätzlichen Unterlagen<br />
einzureichen, mit dem Hinweis, dass andernfalls das Änderungsgesuch abgewiesen<br />
und bis zur abschliessenden Klärung der offenen Fragen bzw. bis zum Ab-
3<br />
schluss des Änderungsverfahrens die Zulassung sistiert werden müsse. In ihrer<br />
Stellungnahme vom 5. Mai 2004 erklärte die X. AG, dass sie die Rückkehr zur Zusammensetzung<br />
gemäss Anmeldeformular vom 30. April 1993 prüfe.<br />
D. – Mit Verfügung vom 15. Juni 2004 wies das Institut das Änderungsgesuch<br />
ab (Ziffer 1 der Verfügung), ordnete die Sistierung der Zulassung für A.,<br />
Kapseln, sowie die Publikation dieses Entscheides an (Ziffern 2 und 3 der Verfügung)<br />
und auferlegte Gebühren (Ziffer 4 der Verfügung).<br />
Zur Begründung machte das Institut geltend, die Zulassungsvoraussetzungen<br />
gemäss Art. 10 Abs. 1 Bst. a des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2000 über<br />
Arzneimittel und Medizinprodukte (HMG, SR 812.21) seien nicht erfüllt. Die Qualitätsdokumentation<br />
weise in allen Kapiteln gravierende Mängel und Unklarheiten<br />
auf, und es sei nicht klar, in welcher Zusammensetzung das Präparat auf dem<br />
Markt sei. Der Wirkstoffgehalt von Vitamin E stimme weder mit den Unterlagen<br />
vom 30. April 1993 noch mit denjenigen vom 5. Juni 2003 überein, ohne dass dafür<br />
eine Begründung angegeben oder die Verpackungs- und Informationsunterlagen<br />
angepasst worden seien.<br />
Im Weiteren fehle es an einer vollständigen Herstellungsformel (inklusive Rezeptur<br />
der Gelatinemasse) für alle drei Dosierungen. Auch seien keine Unterlagen<br />
betreffend die Entfettung der Gelatinekapseln vorhanden. Mängel wiesen auch<br />
die Validierungsprotokolle betreffend die Validierung der Herstellung auf und<br />
zwar in Bezug auf Ausführlichkeit und Chargengrösse. Das Institut kritisierte<br />
auch die Unübersichtlichkeit der eingereichten Unterlagen.<br />
Zudem führte das Institut an, die Dokumente zur Qualität des eingesetzten Wirkstoffes<br />
seien unklar und widersprüchlich, und die Unterlagen betreffend die Sicherheit<br />
der eingesetzten Hilfsstoffe seien mangelhaft. Bei der Verpackung seien<br />
gewisse Angaben unklar und ungenügend, und auch die Patienteninformation sei<br />
nicht angemessen zugreifbar.<br />
In Bezug auf die Kontrolle des Fertigproduktes wurde bemängelt, dass diesbezüglich<br />
kein Nachweis für die Übereinstimmung mit der Europäischen Pharmakopöe<br />
erbracht worden sei (Nachweis Zerfallzeit, Gleichförmigkeit der Kapselfüllmasse,<br />
mikrobielle Qualität). Auch würden präparatespezifische Prüfvorschriften<br />
und Validierungsunterlagen fehlen. Schliesslich wurde beanstandet,<br />
dass keine Stabilitätsdaten für die Dosierung 100 mg vorliegen.<br />
Im Weiteren wies das Institut darauf hin, dass auch eine Rückkehr zur alten genehmigten<br />
Formel eine Sistierung nicht hinfällig mache, da auch für die alte Formulierung<br />
nach heutigem Stand bloss ungenügende Dokumentationen vorhanden<br />
seien.
4<br />
E. – Am 2. Juli 2004 beantragte die X. AG eine Wiedererwägung der Verfügung<br />
vom 15. Juni 2004 mit der Begründung, durch diese Verfügung werde der X.<br />
AG die Möglichkeit verweigert, die in Aussicht gestellte, bereinigte Dokumentation<br />
zur Vervollständigung des Änderungsgesuchs innert Frist nachzureichen.<br />
Damit habe das Institut der X. AG den „second loop“ vorenthalten.<br />
Am 9. Juli 2004 zog das Institut seine Verfügung vom 15. Juni 2004 in Wiedererwägung<br />
und hob deren Ziffer 1 (Abweisung des Abänderungsgesuches) und Ziffer<br />
4 (Gebühr) auf, wies jedoch darauf hin, dass die verfügte Sistierung nicht in<br />
Wiedererwägung gezogen werden könne, da es an einer genügenden Dokumentation<br />
der alten wie der neuen Zusammensetzung des umstrittenen Präparates<br />
fehle.<br />
F. – Am 16. August 2004 erhob die X. AG, vertreten durch Fürsprecher Martin<br />
Schmutz, Bern, bei der Eidgenössischen Rekurskommission für Heilmittel<br />
(REKO HM) Beschwerde gegen die Verfügung vom 15. Juni 2004 und beantragte<br />
unter Kosten- und Entschädigungsfolge, die Ziffern 2 und 3 dieser Verfügung seien<br />
aufzuheben, und es sei von einer Sistierung der Zulassung des Präparates A.,<br />
Kapseln, abzusehen.<br />
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Institut habe mit der<br />
Sistierung der Zulassung das Gebot der Verhältnismässigkeit verletzt, da die Sistierung<br />
nicht geeignet, und insbesondere das wirtschaftliche Interesse der Beschwerdeführerin<br />
am weiteren Vertrieb des Produktes höher zu werten sei als das<br />
Verkaufsverbot eines nicht gesundheitsgefährdenden Präparates. Dies sei umso<br />
mehr der Fall, als der Beschwerdeführerin die Gelegenheit eingeräumt worden<br />
sei, innert der vom Institut am 6. April 2004 gesetzten Frist die vollständige Dokumentation<br />
einzureichen. Es leuchte nicht ein, warum einerseits eine Frist zur<br />
Vervollständigung der Dokumentation, andererseits aber trotzdem die Sistierung<br />
der Zulassung verfügt werde. Wenn das Institut gewusst habe, dass ein nicht zulassungskonformes<br />
Produkt vertrieben werde, aber dennoch mit der Sistierung<br />
zugewartet habe, so sei nicht einzusehen, warum dann plötzlich diese Massnahme<br />
als nötig erachtet worden sei.<br />
Im Weiteren sei das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin verletzt worden,<br />
indem das Institut ohne Anhörung verfügt habe, dass die Ankündigung der<br />
Rückkehr zur alten Formulierung die Sistierung nicht hinfällig mache. Hinzu<br />
komme, dass die alte Zusammensetzung nie beanstandet resp. nie eine Aufdatierung<br />
der Dokumentation gefordert worden sei.<br />
G. – In seiner Vernehmlassung vom 18. Oktober 2004 beantragte das Institut,<br />
die Beschwerde sei unter Kostenfolge abzuweisen.
5<br />
Zur Begründung seines Antrages hielt es vorab fest, dass die Beschwerdeführerin<br />
mehrfach zur Ergänzung der Dokumentation aufgefordert worden sei. Angesichts<br />
der zahlreichen Mängel der Unterlagen sei die ergriffene Massnahme im<br />
Interesse der Qualitätssicherung und des Konsumentenschutzes erforderlich gewesen.<br />
Mit der Sistierung der Zulassung sei die mildere Massnahme gewählt<br />
worden, denn es hätte ebenso auch ein Widerruf der Zulassung erfolgen können.<br />
Es sei als Entgegenkommen zu werten, dass der Beschwerdeführerin die Möglichkeit<br />
eingeräumt worden sei, den rechtmässigen Zustand dadurch wieder herzustellen,<br />
dass ein Änderungsgesuch eingereicht und damit die Übereinstimmung<br />
zwischen Registrierung und tatsächlicher Zusammensetzung und Qualität<br />
des Präparates wieder erreicht würde. Allerdings sei es davon ausgegangen, dass<br />
die entsprechende Qualitätsdokumentation bei der Beschwerdeführerin bereits<br />
vorliege.<br />
Nach Ansetzung einer grosszügigen Frist habe es feststellen müssen, dass die am<br />
23. Februar 2004 eingereichte Dokumentation gravierende Mängel aufwies. Auch<br />
hätten weitere Diskrepanzen bei den Angaben zur Zusammensetzung festgestellt<br />
werden müssen. Eine Genehmigung des Änderungsgesuches auf dieser Basis sei<br />
ausgeschlossen gewesen. Da jedoch die Änderungen bereits vollzogen gewesen<br />
seien, hätte es einem weiteren Vertrieb in einer nicht genehmigten bzw. nicht bekannten<br />
Zusammensetzung und Qualität nicht zustimmen können.<br />
Entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführerin verletze die Praxis, eine<br />
Bewilligung zu sistieren und eine Frist zur Behebung der Mängel einzuräumen, in<br />
keiner Weise den Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Einerseits würde damit<br />
gewährleistet, dass nur qualitativ hoch stehende, sichere und wirksame Heilmittel<br />
in Verkehr gebracht würden, und andererseits könne die Beschwerdeführerin<br />
während der Dauer der Sistierung an der Behebung der Mängel arbeiten.<br />
Auch von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs könne keine Rede sein, da es<br />
sich bei der Aussage des Instituts, die Ankündigung der Wiederinverkehrbringung<br />
der alten, von der IKS genehmigten Form des Präparates mache die Sistierung<br />
nicht hinfällig, lediglich um eine Präzisierung zur Stellungnahme der Beschwerdeführerin<br />
handle. Die Sistierung der Bewilligung basiere auf der Tatsache,<br />
dass die von der Beschwerdeführerin eingereichten Unterlagen unvollständig<br />
gewesen seien und das vermarktete Produkt nicht der Bewilligung entsprochen<br />
habe. Im Übrigen seien die Voraussetzungen, unter welchen ein Eingriff<br />
in die Wirtschaftsfreiheit zulässig sei, vorliegend erfüllt.<br />
H. – Mit Verfügung vom 21. Oktober 2004 wurde der Schriftenwechsel geschlossen<br />
und den Parteien die Zusammensetzung der Kommission zum Entscheid<br />
mitgeteilt.
I. ‒ Auf die Ausführungen der Parteien ist in den folgenden Erwägungen<br />
– soweit erforderlich – näher einzugehen.<br />
Die Rekurskommission zieht<br />
6<br />
in Erwägung:<br />
1. Angefochten ist die Verfügung des Instituts vom 15. Juni 2004, mit welcher<br />
die Zulassung für das Arzneimittel A., Kapseln, sistiert und die Publikation<br />
dieses Entscheides im Swissmedic-Journal angeordnet wurde (Ziffern 2 und 3 der<br />
Verfügung).<br />
1.1 Der Vollständigkeit halber ist eingangs darauf zu verweisen, dass das<br />
Institut am 9. Juli 2004 die Verfügung vom 15. Juni 2004 in Wiedererwägung gezogen<br />
und die Ziffern 1 und 4 der Verfügung aufgehoben hat. Somit sind die Frage<br />
der Genehmigung eines Abänderungsgesuches für die Zulassung sowie die<br />
Frage der Gebühren nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.<br />
1.2 Gemäss Art. 85 Abs. 1 HMG ist die REKO HM zuständig zur Beurteilung<br />
von Beschwerden gegen Verfügungen des Instituts und anderer Behörden,<br />
die gestützt auf das HMG und seine Ausführungserlasse ergehen. Die angefochtene<br />
Verfügung stützt sich im Wesentlichen auf Art. 16 Abs. 2 HMG sowie Art. 9<br />
Abs. 3 der Verordnung vom 17. Oktober 2001 über die Arzneimittel (VAM, SR<br />
812.212.21). Die REKO HM ist damit zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde<br />
zuständig.<br />
1.3 Die Beschwerdeführerin ist als Zulassungsinhaberin durch die angefochtene<br />
Verfügung unmittelbar berührt und hat an deren Aufhebung ein schutzwürdiges<br />
Interesse. Auf die form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde ist daher<br />
einzutreten.<br />
2. Das Verfahren vor den Eidgenössischen Rekurskommissionen richtet sich<br />
im Wesentlichen nach den Vorschriften des Bundesgesetzes vom 20. Dezember<br />
1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021; vgl. Art. 71a Abs. 2<br />
VwVG).
7<br />
2.1 Mit der Verwaltungsbeschwerde an Eidgenössische Rekurskommissionen<br />
kann gerügt werden, die angefochtene Verfügung verletze Bundesrecht (einschliesslich<br />
der Überschreitung oder des Missbrauchs von Ermessen), beruhe auf<br />
einer unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts<br />
oder sei unangemessen (Art. 49 VwVG). Entsprechend umfassend ist<br />
damit grundsätzlich auch die Überprüfungsbefugnis und -pflicht (Kognition) der<br />
REKO HM (Art. 84 Abs. 1 HMG; vgl. BGE 120 Ia 115f.; A. Kölz/I. Häner, Verwaltungsverfahren<br />
und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998,<br />
Rz. 617 f.; A. Moser/P. Uebersax, Prozessieren vor eidgenössischen Rekurskommissionen,<br />
Basel 1998, Rz. 2.59f.).<br />
Nach ständiger Rechtsprechung können die Eidgenössischen Rekurskommissionen<br />
ihre Kognition aber einschränken, „soweit die Natur der Streitsache einer unbeschränkten<br />
Sachprüfung des angefochtenen Entscheides entgegensteht“ (A.<br />
Moser/P. Uebersax, a.a.O., Rz. 2.62, mit weiteren Hinweisen). So ist insbesondere<br />
dann, wenn die Ermessensausübung, die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe<br />
oder die Sachverhaltswürdigung hoch stehende, äusserst spezialisierte technische<br />
oder wissenschaftliche Kenntnisse erfordert, die Zurückhaltung der Beschwerdeinstanz<br />
bei der Überprüfung vorinstanzlicher Bewertungen angezeigt<br />
(vgl. VPB 67.31 E. 2, vgl. auch BGE 126 II 43 E. 4c, 121 II 384 E. 1; B. Wagner Pfeiffer,<br />
Zum Verhältnis von fachtechnischer Beurteilung und rechtlicher Würdigung<br />
im Verwaltungsverfahren, in: ZSR, NF 116, I. Halbbd., S. 442f.).<br />
Sind in einem Beschwerdeverfahren Fragen der Zulassung von Arzneimitteln<br />
und deren Anpassung oder Widerruf zu beurteilen und hat das Institut externe<br />
Fachexperten oder Kommissionen beigezogen, so kann sich die REKO HM nach<br />
ständiger Praxis bei der Überprüfung der Ermessensausübung, der Anwendung<br />
unbestimmter Rechtsbegriffe und der Würdigung technischer Aspekte des Sachverhalts<br />
eine gewisse Zurückhaltung auferlegen (vgl. VPB 67.31 E. 2).<br />
Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, ihr Anspruch auf rechtliches<br />
Gehör sei verletzt worden, und die Sistierung der Zulassung sei unverhältnismässig<br />
und verstosse gegen das Grundrecht der Wirtschaftsfreiheit. Diese Rügen<br />
prüft die REKO HM mit voller Kognition.<br />
2.2 Die REKO HM ist gemäss dem Grundsatz der Rechtsanwendung von<br />
Amtes wegen nicht an die Begründung der Begehren der Parteien gebunden (Art.<br />
62 Abs. 4 VwVG). Sie kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten<br />
Gründen gutheissen oder den angefochtenen Entscheid im Ergebnis mit<br />
einer Begründung bestätigen, die von jener der Vorinstanz abweicht (vgl. F. Gygi,<br />
Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Auflage, Bern 1983, S. 212; A. Moser/P. Uebersax,<br />
a.a.O., Rz. 1.8).
8<br />
3. Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung ihres Anspruches auf<br />
rechtliches Gehör geltend mit der Begründung, das Institut habe auf ihr Vorbringen,<br />
sie sei bereit, zur alten Formulierung zurückzukehren, mitgeteilt, dies hätte<br />
keinen Einfluss auf die Verfügung. Dazu wiederum habe sie nicht Stellung nehmen<br />
können.<br />
Da der Gehörsanspruch formeller Natur ist und dessen Verletzung grundsätzlich<br />
ungeachtet der Erfolgsaussichten in der Sache selbst zur Aufhebung der angefochtenen<br />
Verfügung führen kann, rechtfertigt es sich, diese Rüge vorab zu behandeln.<br />
3.1 Das rechtliche Gehör umfasst die Rechte der Parteien auf Teilnahme<br />
am Verfahren und auf Einflussnahme auf den Prozess der Entscheidfindung. In<br />
diesem Sinne dient es einerseits der Sachaufklärung, stellt andererseits aber auch<br />
ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass von Verfügungen<br />
dar, welche in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreifen (vgl. BGE 126 V 131f.,<br />
121 V 152; A. Kölz/I. Häner, a.a.O., Rz. 293 ff.). Zum verfassungsmässigen Anspruch<br />
auf rechtliches Gehör, der für das Verwaltungsverfahren in Art. 26ff.<br />
VwVG konkretisiert worden ist, gehören insbesondere Garantien bezüglich Beweisverfahren,<br />
Begründungspflicht der Behörden und Akteneinsicht. Darin enthalten<br />
ist ebenfalls das Recht, sich vor Erlass einer Verfügung zu allen rechtserheblichen<br />
Punkten äussern zu können (Art. 30 VwVG).<br />
3.2 Das Institut teilte der Beschwerdeführerin mit, dass die Ankündigung,<br />
zur alten Formulierung zurückzukehren, keinen Einfluss auf die Sistierung habe.<br />
Diesbezüglich ist die Beschwerdeführerin auf Folgendes hinzuweisen:<br />
Gemäss ihren eigenen Angaben erfolgt die Herstellung der A. Kapseln nicht mehr<br />
gemäss der IKS-Registrierung und der damals zugelassenen Formulierung. Andererseits<br />
wurde betreffend die neue Formulierung zwar die Einreichung eines<br />
Abänderungsgesuches ermöglicht, ein Entscheid über die neue Formulierung<br />
steht jedoch aus (vgl. Wiedererwägungsverfügung vom 9. Juli 2004). Im Weiteren<br />
hat die Beschwerdeführerin lediglich angekündigt, sie prüfe, zur alten Formulierung<br />
zurückzukehren, hat aber keine weiteren Dokumente eingereicht oder<br />
eine solche Rückkehr gar bewiesen (vgl. dazu Schreiben vom 5. Mai 2004 der Beschwerdeführerin).<br />
Unter diesen Umständen hatte das Institut einzig die Situation<br />
zu beurteilen, in welcher ein von der genehmigten Zulassung abweichendes Produkt<br />
auf dem Markt vertrieben wurde, denn das Institut hat die aktuelle, und<br />
nicht eine mögliche künftige Situation zu beurteilen.
9<br />
Ohne Belang ist es demzufolge, ob die Beschwerdeführerin allenfalls die Absicht<br />
hat, zur alten Formulierung zurückzukehren. Das Institut hat demnach zu Recht<br />
seine Aussage, wonach eine künftige Rückkehr zur alten Formulierung keinen<br />
Einfluss auf die zu verfügende Sistierung habe, als lediglich präzisierende Erläuterung<br />
bezeichnet. Durch diese Äusserung machte das Institut die Beschwerdeführerin<br />
bereits darauf aufmerksam, dass auch bei einer Rückkehr zur alten Formulierung<br />
die Dokumentation allenfalls ungenügend sein könnte.<br />
Allerdings wurde die Frage einer Rückkehr zur alten Formulierung entgegen der<br />
Ansicht der Beschwerdeführerin nicht verfügungsmässig entschieden, und ist in<br />
diesem Sinn auch nicht rechtserheblich im Rahmen der angefochtenen Verfügung<br />
vom 15. Juni 2004. Demzufolge war die Beschwerdeführerin zu diesem Punkt<br />
nicht mehr speziell anzuhören. Dem Institut ist somit beizupflichten, wenn es den<br />
Vorwurf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs zurückweist.<br />
4. Es ergibt sich aus den Akten und wird im Übrigen auch nicht bestritten,<br />
dass die Beschwerdeführerin ein Produkt auf dem Markt vertreibt, welches keiner<br />
Zulassung entspricht. Die Formulierung der A. Kapseln war abgeändert worden,<br />
ohne dass der IKS oder dem Institut ein entsprechendes Abänderungsgesuch eingereicht<br />
worden war (vgl. dazu Art. 10 bis 12 VAM). Dies ergab sich, als die Beschwerdeführerin<br />
am 5. Juni 2003 beim Institut ein Gesuch um Erteilung einer<br />
Swissmedic-Zulassung infolge des Ablaufes der IKS-Registrierung per Ende 2003<br />
einreichte (vgl. dazu Schreiben des Instituts vom 15. August 2003). Im Februar<br />
2004 reichte die Beschwerdeführerin die Unterlagen zum Abänderungsgesuch<br />
ein. Daraus ergab sich eine Formulierung, welche weder der zugelassenen noch<br />
derjenigen entsprach, die anlässlich des Gesuches vom 5. Juni 2003 angegeben<br />
worden war. Eine Rückkehr zur alten, durch die IKS registrierten Formulierung<br />
wurde zwar durch die Beschwerdeführerin als Gegenstand eigener „Prüfungen“<br />
(vgl. Schreiben vom 5. Mai 2004) angegeben, es wurden jedoch keine diesbezüglichen<br />
Beweise vorgelegt.<br />
4.1 Verwendungsfertige Arzneimittel dürfen in der Schweiz nur dann in<br />
Verkehr gebracht werden, wenn sie vom Institut zugelassen worden sind (abgesehen<br />
von Ausnahmen, die im vorliegenden Verfahren ohne Belang sind; vgl. Art.<br />
9 HMG). Gemäss Art. 10 VAM sind Änderungen des Arzneimittels genehmigungspflichtig,<br />
sofern sie nicht die Voraussetzungen der Art. 11 und 12 VAM erfüllen.<br />
Die Zulassungsinhaberin hat sie in einem Gesuch an das Institut zu beantragen.<br />
Geringfügige Änderungen müssen dem Institut gemeldet werden (Art. 11<br />
Abs. 1 VAM), und bei wesentlichen Änderungen muss ein neues Zulassungsverfahren<br />
durchgeführt werden (Art. 12 VAM). Die Zulassung setzt insbesondere<br />
voraus, dass die Gesuchstellerin belegen kann, dass ein Arzneimittel qualitativ
10<br />
hoch stehend, sicher und wirksam ist (Art. 10 Abs. 1 lit. a HMG). Zulassungsgesuche<br />
müssen sämtliche für die Beurteilung der Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit<br />
erforderlichen Angaben und Unterlagen enthalten, die in Art. 11 Abs. 1<br />
HMG und in Art. 3ff. der Verordnung des Schweizerischen Heilmittelinstituts<br />
vom 9. November 2001 über die Anforderungen an die Zulassung von Arzneimitteln<br />
(AMZV, SR 812.212.22) näher umschrieben sind. Die Dokumentation muss<br />
vollständig sein und dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen<br />
(Art. 2 AMZV).<br />
Diese Regelung enthält eine Reihe unbestimmter Rechtsbegriffe, welche dem Institut<br />
einen relativ erheblichen Beurteilungsspielraum lassen, der allerdings in<br />
rechtsgleicher und verhältnismässiger Weise zu füllen ist. Bei der Bestimmung<br />
des aktuellen Standes von Wissenschaft und Technik müssen nach ständiger Praxis<br />
allgemein anerkannte internationale Richtlinien und Normen berücksichtigt<br />
werden – selbst dann, wenn diese in der Schweiz nicht unmittelbar anwendbar<br />
sind (vgl. etwa VPB 68.31 E. 3.3). Im Zusammenhang mit dem Nachweis der hoch<br />
stehenden Qualität von Arzneimitteln sind insbesondere die von der International<br />
Conference on Harmonisation erarbeiteten Richtlinien (ICH-Guidelines) zu beachten,<br />
die detaillierte, dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entsprechende<br />
Vorschriften über den Nachweis einer genügenden Arzneimittelqualität<br />
enthalten. So sind mit der Qualitätsdokumentation insbesondere auch Unterlagen<br />
zur Validierung der Analysemethoden gemäss ICH-Guidelines Q2A und Q2B<br />
einzureichen.<br />
Nur dann, wenn sämtliche nach den genannten Regeln erforderlichen Qualitätsunterlagen<br />
vorliegen, lässt sich entscheiden, ob die Qualität eines Arzneimittels<br />
im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Bst. a HMG hoch stehend ist – dieses also die Zulassungsvoraussetzungen<br />
erfüllt. Dabei ist zu beachten, dass dieser Nachweis für<br />
jedes Arzneimittel einzeln, präparatespezifisch zu erbringen ist und – zumindest<br />
bei Originalpräparaten – ein Verweis auf die Zulassungsunterlagen eines anderen<br />
Präparates grundsätzlich ausgeschlossen ist (Art. 12 Abs. 1 HMG e contrario).<br />
4.2 Im Rahmen von Marktüberwachungsverfahren überprüft das Institut<br />
die zugelassenen Arzneimittel periodisch oder aufgrund von Meldungen und<br />
Vorkommnissen auf ihre Rechtmässigkeit und Übereinstimmung mit der Zulassung<br />
(Art. 58 Abs. 1, 2 und 3 HMG, Art. 13 VAM). Dabei kann es von den Zulassungsinhaberinnen<br />
die Vorlage der notwendigen (Qualitäts-) Unterlagen verlangen<br />
(Art. 13 Abs. 3 und Art. 32 Abs. 3 VAM).<br />
4.3 Im vorliegenden Fall wurde auf dem Markt ein Produkt unter dem Namen<br />
A., Kapseln, vertrieben in einer Formulierung, die derjenigen, welche durch
11<br />
die IKS zugelassen worden war, nicht entspricht. Im Weiteren wurde ‒ nachdem<br />
das Institut die Änderung festgestellt hatte ‒ von der Beschwerdeführerin ein Abänderungsgesuch<br />
eingereicht, welches aber noch nicht endgültig behandelt worden<br />
ist. Im Rahmen des Abänderungsverfahrens waren Unterlagen eingereicht<br />
worden, bei welchen das Institut verschiedenste Mängel festgestellt und im Vorbescheid<br />
vom 6. April 2004 sowie in der Verfügung vom 15. Juni 2004 aufgelistet<br />
hat.<br />
4.4 Unter diesen Umständen ist festzuhalten, dass das Arzneimittel A., Kapseln,<br />
auf dem Markt vertrieben wird, ohne dass die unter diesem Namen erteilte<br />
Zulassung mit diesem Produkt übereinstimmt. Das auf dem Markt befindliche<br />
Produkt entspricht unbestrittenermassen nicht mehr der ursprünglichen IKS-<br />
Registrierung, und es fehlt auch an einer genehmigten Abänderung dieser Zulassung.<br />
Mithin ist die grundlegende Voraussetzung, wonach Arzneimittel bloss<br />
nach erfolgter Zulassung auf dem Markt vertrieben werden können, vorliegend<br />
nicht bzw. nicht mehr erfüllt. Das Produkt A., Kapseln, darf somit gemäss den<br />
Vorschriften des HMG nicht mehr auf dem Markt vertrieben werden. Aus diesem<br />
Grund war das Institut grundsätzlich befugt, die erforderlichen Verwaltungsmassnahmen<br />
zur Wiederherstellung der rechtmässigen Ordnung zu treffen (Art.<br />
66 HMG, Art. 13 Abs. 3 VAM).<br />
Zu bemerken ist an dieser Stelle, dass es fraglich ist, ob das Institut aufgrund der<br />
bis im September 2003 zur Verfügung stehenden Unterlagen überhaupt eine<br />
Swissmedic-Zulassung hätte erteilen sollen. Zum einen gab die Beschwerdeführerin<br />
am 16. September 1986 eine völlig andere als in der Registrierungsurkunde<br />
dokumentierte Zusammensetzung der Kapseln an, und zum anderen akzeptierte<br />
die IKS seinerzeit Stabilitätsdaten über 2 Jahre für eine Laufzeit von 3 Jahren, so<br />
dass die Stabilität und damit die Qualität des Präparates nicht ausreichend belegt<br />
ist. Diese Frage kann indes offen bleiben, da sie nicht Gegenstand des vorliegenden<br />
Verfahrens bildet.<br />
5. Die Beschwerdeführerin bringt allerdings vor, die verfügte Massnahme<br />
greife in unverhältnismässiger Weise in ihre Wirtschaftsfreiheit ein. Im Folgenden<br />
ist daher zu prüfen, ob dieser Vorwurf berechtigt ist.<br />
5.1 Nach ständiger Praxis und einheitlicher Lehre steht der Handel mit Heilmitteln<br />
unter dem Schutz der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 der Bundesverfassung<br />
der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV, SR 101]; vgl. BGE<br />
111 Ia 186f, 99 Ia 373; VPB 67.93 E. 6; P. Bratschi/U. Eggenberger Stöckli, Bundesgesetz<br />
über Arzneimittel und Medizinprodukte, Bern 2001, S. 5). Staatliche Massnahmen,<br />
welche den Handel beeinträchtigen, können dieses Grundrecht ein-
12<br />
schränken und sind daher nur zulässig, wenn sie auf einer ausreichenden gesetzlichen<br />
Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen, verhältnismässig sind<br />
und den Kernbereich der Wirtschaftsfreiheit beachten (Art. 36 BV, vgl. zur Einschränkung<br />
der Wirtschaftsfreiheit etwa BGE 127 II 100 ff.).<br />
5.2 Das Institut ist gemäss Art. 66 Abs. 1 HMG befugt, jene Verwaltungsmassnahmen<br />
anzuordnen, die zur Durchsetzung des Gesetzes (und auch der gestützt<br />
darauf erlassenen Verordnungen) erforderlich sind (vgl. etwa den unveröffentlichten<br />
Entscheid des Bundesgerichtes vom 28. März 2003 i.S. X. [2A.515/<br />
2002], E 4.1). Insbesondere kann es Beanstandungen aussprechen und eine angemessene<br />
Frist zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ansetzen (Art.<br />
66 Abs. 2 lit. a), Zulassungen sistieren oder widerrufen (Art. 66 Abs. 2 lit. b), gesundheitsgefährdende<br />
oder nicht den Vorschriften des Heilmittelgesetzes entsprechende<br />
Heilmittel beschlagnahmen, amtlich verwahren oder vernichten (Art.<br />
66 Abs. 2 lit. d) oder das Vertreiben und Abgeben von Heilmitteln verbieten und<br />
den Rückruf von Heilmitteln anordnen (Art. 66 Abs. 2 lit. e).<br />
Wie bereits unter Ziffer 4 festgehalten wurde, wird auf dem Markt ein Produkt<br />
ohne entsprechende Zulassung vertrieben bzw. es wird unter dem Namen eines<br />
zugelassenen Produktes ein nicht der Zulassung entsprechendes Arzneimittel<br />
vertrieben. Unter diesen Umständen war das Institut gehalten, die erforderlichen<br />
Massnahmen anzuordnen (vgl. Art. 32 Abs. 4 VAM) – was gemäss Art. 9 Abs. 3<br />
VAM bedeutet, dass die Zulassung des Arzneimittels wegen Nichteinhaltung der<br />
gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen zu widerrufen oder zu sistieren war.<br />
Eine genügende gesetzliche Grundlage für die im vorliegenden Fall verfügte Sistierung<br />
der Zulassung ist demnach gegeben.<br />
5.3 Das Heilmittelgesetz soll zum Schutz der Gesundheit von Mensch und<br />
Tier gewährleisten, dass nur qualitativ hoch stehende, sichere und wirksame<br />
Arzneimittel in Verkehr gebracht werden (Art. 1 Abs. 1 HMG). Zudem soll es<br />
Konsumentinnen und Konsumenten von Heilmitteln vor Täuschung schützen<br />
(Art. 1 Abs. 2 Bst. a HMG). Es besteht ein grosses öffentliches Interesse daran,<br />
dass Arzneimittel, deren ausreichende Qualität nicht oder nicht mehr nachgewiesen<br />
ist, zum Schutz der öffentlichen Gesundheit nicht in Verkehr gebracht oder<br />
nötigenfalls sogar vom Markt genommen werden.<br />
In ihrer Argumentation, vom fraglichen Arzneimittel gehe keine Gefahr für die<br />
Gesundheit der Menschen aus, verkennt die Beschwerdeführerin, dass die Qualität,<br />
Sicherheit und Wirksamkeit eines Arzneimittels nur durch entsprechende<br />
Angaben und Unterlagen belegt werden kann. Falls die erforderlichen Belege
13<br />
nicht vorliegen, oder wenn die Herstellung anders als in der zugelassenen und<br />
belegten Form erfolgt, muss von einer zumindest potentiellen Gefährdung der<br />
öffentlichen Gesundheit ausgegangen werden, an deren Vermeidung bzw. Behebung<br />
ein grosses öffentliches Interesse besteht (Vorsorgeprinzip). Dabei gilt der<br />
Grundsatz, dass der Vertrieb eines Arzneimittels eine Zulassung erfordert, die<br />
sich auf das auf dem Markt befindliche Produkt beziehen muss. Stimmt die Zulassung<br />
nicht mit dem auf dem Markt vertriebenen Produkt überein, so sind die<br />
gesetzlichen Anforderungen, die zum Schutz der Öffentlichkeit erlassen wurden,<br />
nicht erfüllt, und es können auch die Anforderungen an die Qualität, Sicherheit<br />
und Wirksamkeit nicht überprüft werden. In einer derartigen Situation besteht<br />
ein erhebliches öffentliches Interesse am Erlass von entsprechenden Massnahmen.<br />
5.4 Nach den Grundsätzen des allgemeinen Polizeirechts sind generell-abstrakte<br />
Polizeivorschriften in der Regel durchzusetzen, ohne dass eine konkrete<br />
Gefährdung im Einzelfall nachgewiesen werden müsste (vgl. U. Häfelin/G. Müller,<br />
Grundriss des allgemeinen Verwaltungsrechts, 4. Aufl., Zürich 2002, Rz. 2486;<br />
unveröffentlichter Entscheid des Bundesgerichtes vom 2. März 2001 i.S. X. AG<br />
[2A.493/2000], E. 6b). Für die Prüfung der Verhältnismässigkeit einer Anordnung<br />
im Einzelfall bleibt zumal dann kein Raum, wenn der Gesetzgeber den rechtsanwendenden<br />
Behörden kein Ermessen zugestanden hat.<br />
Art. 66 HMG sowie Art. 9 Abs. 3 und Art. 32 Abs. 4 VAM räumen dem Institut<br />
nun aber einen Ermessensspielraum bei der Auswahl der angemessenen Verwaltungsmassnahmen<br />
ein. Im Folgenden ist daher zu prüfen, ob die angeordnete Sistierung<br />
der Zulassung sich als verhältnismässig erweist, was von der Beschwerdeführerin<br />
bestritten wird.<br />
5.4.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, vom fraglichen Präparat gehe<br />
keine konkrete Gesundheitsgefährdung aus.<br />
Arzneimittel, die den Zulassungsvoraussetzungen nicht (mehr) entsprechen – insbesondere<br />
solche, deren Qualität nicht nachgewiesen werden kann – dürfen in<br />
der Schweiz grundsätzlich nicht in Verkehr gebracht werden (vgl. Art. 9 Abs. 1<br />
HMG i.V.m. Art. 10 und Art. 58 Abs. 2 HMG), kann doch nicht ausgeschlossen<br />
werden, dass sie die Gesundheit der Patientinnen und Patienten gefährden könnten.<br />
Das heilmittelrechtliche Vorsorgeprinzip verlangt, dass bereits dann, wenn<br />
von einem Präparat potenzielle Gefahren für die öffentliche Gesundheit ausgehen,<br />
Schutzmassnahmen ergriffen werden.<br />
Stimmt ein unter einem bestimmten Namen vertriebenes Produkt nicht mit demjenigen<br />
Produkt überein, für welches unter diesem Namen eine Zulassung erteilt<br />
worden ist, so entfällt die Möglichkeit, dessen Qualität, Sicherheit und Wirksam-
14<br />
keit zu kontrollieren. Im vorliegenden Fall fand für das abgeänderte Produkt nie<br />
ein dafür gesetzlich vorgesehenes Zulassungs- oder Abänderungsverfahren statt.<br />
Unter diesen Umständen sind die Zulassungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt,<br />
und das Institut war gehalten, die erforderlichen Massnahmen anzuordnen (vgl.<br />
Art. 32 Abs. 4 VAM) – was gemäss Art. 9 Abs. 3 VAM zur Folge hatte, dass die<br />
Zulassung des Arzneimittels wegen Nichteinhaltung der gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen<br />
entweder zu widerrufen oder zu sistieren war.<br />
Die Sistierung der Zulassung des zu beurteilenden Präparates ist ohne Zweifel<br />
geeignet, die potenziellen Gefahren für die öffentliche Gesundheit, die vom Vertrieb<br />
des nicht zulassungskonformen Arzneimittels ausgehen, abzuwenden.<br />
5.4.2 Der Beschwerdeführerin musste bereits seit längerem bekannt sein,<br />
dass die Produktion der A. Kapseln nicht mehr nach der IKS-Registrierung erfolgte.<br />
Trotzdem reichte sie kein Änderungsgesuch ein. Erst im Zusammenhang<br />
mit dem Gesuch um Umwandlung der IKS-Registrierung in eine Swissmedic-<br />
Zulassung wurde sie vom Institut formell aufgefordert, ein entsprechendes Abänderungsgesuch<br />
einzureichen.<br />
Mangels eines eindeutigen und konkreten Gefährdungspotenzials wurde seitens<br />
des Instituts von Sofortmassnahmen abgesehen. Die IKS-Registrierung wurde in<br />
eine Swissmedic-Zulassung umgewandelt und der Beschwerdeführerin sogar Zeit<br />
gegeben, die Unterlagen zum Abänderungsgesuch zu vervollständigen. Erst als<br />
sich am 23. Februar 2004 herausstellte, dass diese Unterlagen ungenügend waren,<br />
und im Rahmen des Vorbescheidverfahrens keine weiteren relevanten Tatsachen<br />
bekannt wurden, erliess das Institut die angefochtene Massnahme. Unter diesen<br />
Umständen erscheint eine Sistierung der Zulassung im jetzigen Zeitpunkt als erforderlich<br />
und trotz der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten, die üblichen<br />
Folgen einer gesundheitspolizeilichen Massnahme nicht übersteigenden<br />
wirtschaftlichen Nachteile, als angemessen.<br />
Unbeachtlich ist der Einwand, dass eine Sistierung erfolge und gleichzeitig die<br />
Möglichkeit geboten werde, die Unterlagen zum Abänderungsgesuch zu ergänzen.<br />
Wenn der Beschwerdeführerin Hand geboten wird, die Dokumentation zum<br />
abgeänderten Produkt zu verbessern, so bedeutet das im Rahmen einer Sistierung<br />
ein Entgegenkommen. Aus der Möglichkeit des „second loop“ für das abgeänderte<br />
Produkt kann jedoch keineswegs abgeleitet werden, dass bis zu diesem Entscheid<br />
ein Produkt in nicht zugelassener Formulierung auf dem Markt vertrieben<br />
werden könnte. In dieser Beziehung kam das Institut der Beschwerdeführerin bereits<br />
entgegen, indem es die Sistierung nicht etwa schon im Jahr 2003, sondern<br />
erst nach Gewährung einer Nachbesserungsfrist aussprach. Das Vorgehen des<br />
Instituts ist also keinesfalls unverhältnismässig, sondern bot der Beschwerdefüh-
15<br />
rerin vor Erlass der Sistierung genügend Möglichkeit, den rechtmässigen Zustand<br />
wieder herzustellen. Die nunmehr verfügte Sistierung ist letztlich auch die Konsequenz<br />
daraus, dass es der Beschwerdeführerin selbst innert verlängerter Fristen<br />
nicht gelang, einen rechtmässigen Vertrieb der A. Kapseln wieder zu ermöglichen.<br />
Zu bemerken ist auch, dass eine Zulassung sogar widerrufen werden kann, wenn<br />
die Voraussetzungen des HMG nicht mehr erfüllt sind. Die Sistierung der Zulassung<br />
stellt demnach bereits eine mildere Massnahme dar und kommt praxisgemäss<br />
nur dann in Frage, wenn innert nützlicher Frist mit der Behebung der Mängel<br />
zu rechnen ist und zudem schwer wiegende Gesundheitsschädigungen aufgrund<br />
der bestehenden Mängel ausgeschlossen werden können, wovon im vorliegenden<br />
Fall auszugehen ist.<br />
Die verfügte Sistierung der Zulassung erweist sich demnach insgesamt als verhältnismässig.<br />
5.5 Ein Eingriff in den Kerngehalt der Wirtschaftsfreiheit wird nicht geltend<br />
gemacht und ist auch nicht auszumachen. Nach Prüfung aller verfassungsmässigen<br />
Voraussetzungen kann nicht von einer unzulässigen Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit<br />
gesprochen werden.<br />
6. Gestützt auf diese Erwägungen kommt die REKO HM zum Schluss, dass<br />
die vom Institut angeordnete Sistierung der Zulassung rechtmässig und angemessen<br />
ist, und auch der Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör<br />
nicht verletzt wurde. Die Beschwerde ist daher vollumfänglich abzuweisen.<br />
7. Zu befinden bleibt noch über die Verfahrenskosten und eine allfällige Parteientschädigung.<br />
7.1 Angesichts des Ausgangs des Verfahrens, sind die Verfahrenskosten der<br />
unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG i.V.m.<br />
Art. 26 der Verordnung vom 3. Februar 1993 über Organisation und Verfahren<br />
eidgenössischer Rekurs- und Schiedskommissionen [VRSK], SR 173.31).<br />
Die Verfahrenskosten setzen sich aus der Spruch- und der Schreibgebühr zusammen<br />
und werden insgesamt, unter Berücksichtigung der Bedeutung der Streitsache,<br />
des Umfangs der erstellten Schriftstücke und des Aufwandes der REKO HM<br />
auf Fr. 2'500.-- festgelegt und mit dem bereits geleisteten Kostenvorschuss in glei-
16<br />
cher Höhe verrechnet (Art. 2 und 3 der Verordnung vom 10. September 1969 über<br />
Kosten und Entschädigungen im Verwaltungsverfahren [Kostenverordnung], SR<br />
172.041.0).<br />
7.2 Der obsiegenden Partei kann nach Massgabe ihres Erfolges von Amtes<br />
wegen oder auf Begehren hin eine Entschädigung für ihr erwachsene, notwendige<br />
und verhältnismässig hohe Kosten zugesprochen werden (Art. 64 Abs. 1 VwVG).<br />
Als öffentlich-rechtliche Anstalt des Bundes hat das obsiegende Institut allerdings<br />
keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 8 Abs. 5 Kostenverordnung).<br />
Aus diesen Gründen hat die Eidgenössische Rekurskommission für Heilmittel<br />
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.<br />
e r k a n n t :<br />
2. Die Verfahrenskosten, bestehend aus der Spruch- und der Schreibgebühr,<br />
werden auf insgesamt Fr. 2'500.-- festgelegt.<br />
Sie werden der Beschwerdeführerin zur Bezahlung auferlegt und mit dem<br />
bereits geleisteten Verfahrenskostenvorschuss verrechnet.<br />
3. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.<br />
Rechtsmittelbelehrung:<br />
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen ab Eröffnung schriftlich, mit Anträgen<br />
und Begründung, beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14,<br />
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben werden (vgl. Art. 108 des Bundesgesetzes<br />
vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege; OG;<br />
SR 173.110). Die Beschwerde ist in dreifacher Ausfertigung unter Beilage der angefochtenen<br />
Verfügung und der als Beweismittel angerufenen Unterlagen einzureichen.
Zu eröffnen:<br />
17<br />
- der Beschwerdeführerin, p.A. Fürsprecher Martin Schmutz, Schwanengasse 9,<br />
3011 Bern<br />
- dem Schweizerischen Heilmittelinstitut<br />
Mitzuteilen:<br />
- dem Eidgenössischen Departement des Innern (Art. 103 Bst. b OG)<br />
IM NAMEN DER<br />
EIDGENÖSSISCHEN REKURSKOMMISSION FÜR HEILMITTEL<br />
Der Vize-Präsident: Die Gerichtssekretärin:<br />
Johannes Frölicher Susanne Marbet Coullery