Infodienst Krankenhäuser - Ver.di
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Vor Ort<br />
Public-Private-Partnership an der Charité teuer<br />
130 Mio Euro Umsatzvolumen im<br />
Servicebereich hat das Berliner<br />
Universitätsklinikum Charité im<br />
Jahr 2005 in eine Public-Private-<br />
Partnerschaft-Gesellschaft ausgelagert.<br />
Das Uniklinikum gründete<br />
eine Tochterfirma, <strong>di</strong>e Charité<br />
CFM Facility Management (CFM)<br />
und behielt 51% der Gesellschaftsanteile<br />
in eigener Hand,<br />
damit keine Mehrwertsteuer für<br />
<strong>di</strong>e Leistungen gezahlt werden<br />
muss. 49% gehören privaten<br />
Partnern. Im Jahr 2010 sollten so<br />
gegenüber 2003 27,5 Mio. Euro<br />
eingespart werden.<br />
Jetzt rügt der Berliner Rechnungshof,<br />
dass er aus den vorgelegten<br />
Unterlagen nicht ersehen<br />
könne, ob <strong>di</strong>ese Lösung tatsächlich<br />
<strong>di</strong>e wirtschaftlichste sei. Der<br />
Rechnungshof schreibt in seinem<br />
Bericht, dass ihm »weder Projektakten<br />
mit Basisdaten (z.B. Mengengerüste)<br />
noch <strong>di</strong>e dazugehörigen<br />
Dateien ausgehän<strong>di</strong>gt werden<br />
[konnten]. Zudem waren einzelne<br />
Berechnungen für <strong>di</strong>e Leistungsbereiche<br />
Lagerwirtschaft, Archiv<strong>di</strong>enste,<br />
Telefonzentrale, Me<strong>di</strong>enproduktion,<br />
Raumvergabe, zentrale<br />
<strong>Ver</strong>vielfältigung und zentraler<br />
Schreib<strong>di</strong>enst unvollstän<strong>di</strong>g oder<br />
fehlten ganz.«<br />
Im ersten Jahr des Betriebes<br />
(2006) sollte <strong>di</strong>e Tochter laut Leistungsvertrag<br />
156.409 Betten aufbereiten.<br />
Jedes weitere Bett wird<br />
extra abgerechnet. Tatsächlich<br />
■ 38<br />
wurden 202.398 Betten aufbereitet.<br />
Nach dem <strong>Ver</strong>trag darf <strong>di</strong>e<br />
Tochter auf den Preis der ersten<br />
156.409 Betten 34% »Overheadkostenzuschlag«<br />
aufschlagen.<br />
Jedes weitere Bett muss aber ohne<br />
<strong>di</strong>esen Zuschlag abgerechnet werden.<br />
Trotzdem stellte <strong>di</strong>e Tochter<br />
der Charité auch für jedes der<br />
45.989 zusätzlichen Betten 34%<br />
Overheadkostenzuschlag in Rechnung.<br />
Die Charité zahlte.<br />
Auch in der Zentralsterilisation<br />
wurden mehr Leistungen erbracht<br />
als im Leistungsvertrag vorgesehen<br />
waren und ebenfalls teurer in<br />
Rechnung gestellt als erlaubt.<br />
Auch hier zahlte <strong>di</strong>e Charité.<br />
Die Charité bestätigte dem<br />
Rechnungshof den Fehler und<br />
überraschte <strong>di</strong>e Prüfer dann mit<br />
der Mitteilung, dass außerdem<br />
auch noch bei Krankentransporten<br />
<strong>di</strong>e Overheadkosten falsch abgerechnet<br />
worden seien. In <strong>di</strong>esem<br />
Fall seien <strong>di</strong>e Rechnungen der<br />
Tochter aller<strong>di</strong>ngs zu niedrig gewesen.<br />
Alle Fehler zusammengerechnet,<br />
habe <strong>di</strong>e Charité sogar<br />
Plus und <strong>di</strong>e Tochter Minus gemacht,<br />
deshalb fordere sie den<br />
Betrag für <strong>di</strong>e überhöhten Rechnungen<br />
nicht zurück.<br />
Der größte Batzen zu Lasten<br />
der Charité wurde gleich nach<br />
dem Start der Teilprivatisierung<br />
fällig. Es ist bekannt, dass Public-<br />
Private-Partnership-Projekte sehr<br />
hohe Vorlaufkosten haben und<br />
Den Jahresbericht 2009 des Berliner Rechnungshofs sowie <strong>di</strong>e Presseerklärung dazu<br />
gibt es unter http://www.berlin.de/rechnungshof/veroeffentlichungen/index.html 16. Mai 2009<br />
außerordentlich aufwen<strong>di</strong>ge <strong>Ver</strong>träge<br />
erfordern. Wie im Lehrbuch<br />
über <strong>di</strong>e Risiken der Public-<br />
Private-Partnership lief es bei der<br />
Charité.<br />
Laut <strong>Ver</strong>trag, so der Rechnungshof,<br />
hatte <strong>di</strong>e Tochter <strong>di</strong>e Kosten<br />
für den Übergang (Migrationskosten)<br />
zu tragen. Die Tochter sah<br />
das anders. Man stritt um »primäre«<br />
und »dauerhafte« Maßnahmen<br />
der Migration. Am Ende<br />
wurde eine »Klarstellungsvereinbarung«<br />
geschlossen, mit der sich<br />
<strong>di</strong>e Charité zur Zahlung von zusätzlichen<br />
5 Mio. Euro zuzüglich<br />
MwSt. an <strong>di</strong>e halbprivatisierte<br />
Tochter verpflichtete.<br />
Der Rechnungshof bemängelt,<br />
dass <strong>di</strong>ese Leistung schon im<br />
Businessplan des privaten Bieterkonsortiums<br />
enthalten gewesen<br />
seien. Die Migrationskosten seien<br />
zweimal bezahlt worden, ohne<br />
ausreichenden Grund habe sich<br />
<strong>di</strong>e Charité zu einer zusätzlichen<br />
Zahlung verpflichtet.<br />
Das Fazit im Bericht lautet: »Der<br />
Rechnungshof beanstandet zusammenfassend,<br />
dass <strong>di</strong>e Charité<br />
infolge erheblicher Mängel <strong>di</strong>e<br />
Wirtschaftlichkeit ihres Facility<br />
Managements nur unzureichend<br />
nachgewiesen und bei der Umsetzung<br />
der <strong>Ver</strong>träge in auffälliger<br />
Weise zugunsten des privaten<br />
Partners gehandelt hat.« ■<br />
Niko Stumpfögger, ver.<strong>di</strong>-<br />
Bundesverwaltung<br />
<strong>Info<strong>di</strong>enst</strong> <strong>Krankenhäuser</strong> Nr. 45 ■ Juni 2009<br />
RENATE STIEBITZ, POTSDAM (2)