Management in der Multioptionsgesellschaft - Universität St.Gallen
Management in der Multioptionsgesellschaft - Universität St.Gallen
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<strong>Management</strong><strong>in</strong><strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong><br />
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DISSERTATION<br />
<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,<br />
HochschulefürWirtschafts,<br />
RechtsundSozialwissenschaften(HSG)<br />
zurErlangung<strong>der</strong>Würdee<strong>in</strong>es<br />
Doktors<strong>der</strong>Wirtschaftswissenschaften<br />
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vorgelegtvon<br />
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JoëlLucCachel<strong>in</strong><br />
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von<br />
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Villiers(Neuchâtel)<br />
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GenehmigtaufAntrag<strong>der</strong>Herren<br />
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Prof.Dr.DieterEuler<br />
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und<br />
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Prof.Dr.PeterGross<br />
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DissertationNr.3585<br />
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Wiesbaden,Gabler2009
Die <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, Hochschule für Wirtschafts, Rechts und Sozialwissenschaften (HSG),<br />
gestattet hiermit die Drucklegung <strong>der</strong> vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den dar<strong>in</strong><br />
ausgesprochenenAnschauungen<strong>St</strong>ellungzunehmen.<br />
<br />
<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,den20.März2009<br />
<br />
DerRektor:<br />
<br />
Prof.ErnstMohr,PhD
Joël Luc Cachel<strong>in</strong><br />
<strong>Management</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Multioptionsgesellschaft</strong>
GABLER RESEARCH
Joël Luc Cachel<strong>in</strong><br />
<strong>Management</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Multioptionsgesellschaft</strong><br />
Neue Manager für neue Zeiten<br />
Mit e<strong>in</strong>em Geleitwort von Prof. Dr. Dieter Euler<br />
RESEARCH
Bibliografische Information <strong>der</strong> Deutschen Nationalbibliothek<br />
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten s<strong>in</strong>d im Internet über<br />
abrufbar.<br />
Dissertation <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 2009<br />
1. Auflage 2009<br />
Alle Rechte vorbehalten<br />
© Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009<br />
Lektorat: Claudia Jeske | Sab<strong>in</strong>e Schöller<br />
Gabler ist Teil <strong>der</strong> Fachverlagsgruppe Spr<strong>in</strong>ger Science+Bus<strong>in</strong>ess Media.<br />
www.gabler.de<br />
Das Werk e<strong>in</strong>schließlich aller se<strong>in</strong>er Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede<br />
Verwertung außerhalb <strong>der</strong> engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist<br />
ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die E<strong>in</strong>speicherung<br />
und Verarbeitung <strong>in</strong> elektronischen Systemen.<br />
Die Wie<strong>der</strong>gabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. <strong>in</strong> diesem<br />
Werk berechtigt auch ohne beson<strong>der</strong>e Kennzeichnung nicht zu <strong>der</strong> Annahme, dass solche<br />
Namen im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten<br />
wären und daher von je<strong>der</strong>mann benutzt werden dürften.<br />
Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg<br />
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier<br />
Pr<strong>in</strong>ted <strong>in</strong> Germany<br />
ISBN 978-3-8349-1887-1
Langsamerg<strong>in</strong>g<strong>der</strong>Denkendedah<strong>in</strong>undfragtesichselbst:<br />
Wasnunistesaber,dasduausLehrenundvonLehrernhat<br />
testlernenwollen,undwassie,diedichvielgelehrthaben,<br />
dichdochnichtlehrenkonnten?Un<strong>der</strong>fand:DasIchwares,<br />
dessenS<strong>in</strong>nundWesenichlernenwollte.DasIchwares,<br />
vondemichloskommen,dasichüberw<strong>in</strong>denwollte.<br />
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HermannHesse,Siddhartha<br />
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Me<strong>in</strong>entreuenBegleitern.<br />
Hierunddort.<br />
OhneEuchwäreichnichts.<br />
<br />
Demkle<strong>in</strong>enBuebistese<strong>in</strong>Anliegen,demliebenSimonfür<br />
se<strong>in</strong>eGeduld,fürse<strong>in</strong>eGrosszügigkeit,fürse<strong>in</strong>eIntuition,<br />
fürse<strong>in</strong>politischesWesenundWissen,fürse<strong>in</strong>eFragen,für<br />
se<strong>in</strong>Vorangehen,fürse<strong>in</strong>eAktivierungen,fürse<strong>in</strong>eMusik<br />
undfürse<strong>in</strong>eTreuezudanken.<br />
LepetitgarçonremercieJeffdeluimontrerdesaspectsdela<br />
viequ’ilneconnaîtpas,desapatienceetdetousles<br />
momentsdanslesquelsilaséchéseslarmes.
Geleitwort<br />
<br />
Als <strong>der</strong>Autor die nunmehr vorliegende Untersuchung begann, konnte erkaum ah<br />
nen,wieaktuellse<strong>in</strong>ThemazumZeitpunkt<strong>der</strong>Fertigstellungwerdenwürde.Inmit<br />
tene<strong>in</strong>erWirtschaftsundF<strong>in</strong>anzkrise,dieweith<strong>in</strong>alsdieschwerstenachdemZwei<br />
ten Weltkrieg gilt, rückt die Frage nach <strong>der</strong> angemessenen Ausbildung zukünftiger<br />
ManagerundWirtschaftsführerganznachobenauf<strong>der</strong>AgendaungeklärterProble<br />
me.DamitsollnichtdenvorschnellenVerkürzungengefolgtwerden,diezumeist<strong>der</strong><br />
Kausalkette folgt: Unmoralisch und raffgierig handelnde WirtschaftsführerAusbil<br />
dunganWirtschaftshochschulenmite<strong>in</strong>erneoliberalenDoktr<strong>in</strong>ökonomistischver<br />
engtes Curriculum. Dennoch: Die betriebswirtschaftliche Ausbildung steht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
neuenKontextundmusssichfragen,welcheMöglichkeitenundGrenzensie<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
Vorbereitungdes<strong>Management</strong>Nachwuchsesbesitzt.<br />
HerrCACHELINnimmtdiesenKontextbreiterundgrundsätzlicheraufundfragt,welche<br />
Implikationen das durch den Term<strong>in</strong>us ‚<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>‘ konturierte Ver<br />
ständnisvonGesellschaftundWirtschaftaufdieAusbildungvonzukünftigenMana<br />
gernhabensoll.WiejedewissenschaftlicheArbeitwidmetsichauchdiesezunächst<br />
nichtunmittelbar<strong>der</strong>BildungvonMenschen,son<strong>der</strong>n<strong>der</strong>BildungvonBegriffen.Ent<br />
sprechendwerdendasvertretene<strong>Management</strong>verständnisausgewiesenundauf<strong>der</strong><br />
Basis e<strong>in</strong>er fundierten Literaturstudiums zentrale Merkmale <strong>der</strong> Funktion und des<br />
Handlungsfeldes <strong>Management</strong> herausgearbeitet. Es folgen grundlegende bildungs<br />
undlerntheoretischeÜberlegungen.<br />
Die skizzierten „TheorieBauste<strong>in</strong>e“ bilden die Ausgangspunkte (man könnte auch<br />
sagen: <strong>St</strong>ichwortgeber) für den normativen Entwurf e<strong>in</strong>es erstrebenswerten Be<br />
triebswirtschaftslehrestudiums.DasErgebnisf<strong>in</strong>detsich<strong>in</strong>Forme<strong>in</strong>es„Manifestzum<br />
Betriebswirtschaftsstudium <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Multioptionsgesellschaft</strong>“. Hierverb<strong>in</strong>det<strong>der</strong>Au<br />
torzunehmendwissenschaftlicheErkenntnisseundpersönlicheBekenntnisse:„Esist<br />
e<strong>in</strong>Manifest,dasWerteundVorstellungen<strong>der</strong>Zukunftenthält.Esiste<strong>in</strong>Manifest,<br />
das zu Diskussionen anregen soll.“ Viele Ausführungen s<strong>in</strong>d entsprechend nicht als<br />
Beweise,son<strong>der</strong>nalsVerweiseaufnotwendigeAnschlussdiskursezu<strong>in</strong>terpretieren.<br />
Als roter Faden ist e<strong>in</strong> bildungstheoretisches Grundverständnis erkennbar, das auf<br />
<br />
<br />
vii
viii<br />
<br />
Persönlichkeitsbildung, <strong>der</strong> Entwicklung von überfachlichen Kompetenzen sowie ei<br />
nerAuse<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungmitfachlichenundüberfachlichenProblemenabhebt.Die<strong>in</strong><br />
dem„Manifest“dokumentiertenÜberlegungenwerdenschließlich<strong>in</strong>Forme<strong>in</strong>erFall<br />
studie über die <strong>Universität</strong> illustriert, <strong>der</strong>en Curriculum <strong>der</strong> Autor als <strong>St</strong>udieren<strong>der</strong><br />
selbsterlebenun<strong>der</strong>fahrenkonnte.<br />
DievorliegendeArbeitbietete<strong>in</strong>en<strong>St</strong>e<strong>in</strong>bruchan<strong>in</strong>teressantenIdeenundAnregun<br />
gen.Nichtdasabgeschlossene,fertigeKonzept,son<strong>der</strong>n<strong>der</strong>AufrissvonneuenPers<br />
pektivenstehtimVor<strong>der</strong>grund.InunsererZeit<strong>der</strong>gescheitertenProbatlösungenviel<br />
leichte<strong>in</strong>edemütige,daherabergeradeangemesseneHaltungimUmgangmitneuen<br />
Unsicherheiten.<br />
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DieterEuler
Vorwort<br />
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Esistfürden,<strong>der</strong>unsbegleitet,<br />
<strong>der</strong>unsereSchrittelenktundleitet,<br />
<strong>der</strong>wiee<strong>in</strong>Geistnebenunsschreitet,<br />
<strong>der</strong>sichanunsanschmiegtundunshält<br />
alswär'se<strong>in</strong>Schattenunsererselbst.<br />
<br />
Tocotronic,2005<br />
<br />
Zu behaupten, dass die Lektüre <strong>der</strong> <strong>Multioptionsgesellschaft</strong> me<strong>in</strong> Leben verän<strong>der</strong>t<br />
habe,würdeetwaszuweitgehen.UndtrotzdembildetdievonPeterGrosspräsen<br />
tierteGesellschaftdiagnoseseitJahrenimmerwie<strong>der</strong>denAusgangspunktme<strong>in</strong>erGe<br />
dankengänge.Eswardeshalbnurlogisch,sieauchzumUrsprung<strong>der</strong>Reflexionen<strong>in</strong><br />
me<strong>in</strong>erDissertationzumachen.DieReisesollüberdieFragenführen,wasdieichja<br />
gendenIndividuen<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>fürBedürfnissehaben,wasMana<br />
gement <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Multioptionsgesellschaft</strong> ist und wie die <strong>St</strong>udierenden <strong>der</strong> Manage<br />
mentwissenschaften<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>unterrichtetwerdensollen.<br />
IndiesenReflexionenwirddieSuchenachIdentitätimmerwie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>eRollespielen.<br />
MenschenundOrganisationen,diesichheuteke<strong>in</strong>eGedankendarübermachen,wer<br />
sie s<strong>in</strong>d, wer sie se<strong>in</strong> wollen und se<strong>in</strong> könnten, werden vom <strong>St</strong>rudel <strong>der</strong> Optionen<br />
mitgerissenund<strong>in</strong>Bedrängnisgebracht.DieseErfahrungprägteauchdieArbeitan<br />
<strong>der</strong> Dissertation. Sie fertigzustellen, war e<strong>in</strong> Prozess mit mehreren Schlaufen. Sie<br />
dientendazu,dasWesentlicheherauszuschälen,denTextvonallzupersönlichenRe<br />
flexionenzubefreienundihndenAnfor<strong>der</strong>ungene<strong>in</strong>eswissenschaftlichenPublikums<br />
anzupassen. Dieser Prozess kostete Kraft, führte mich <strong>in</strong> dunkle Kammern me<strong>in</strong>es<br />
Innernund<strong>in</strong>dieendloseWeite<strong>der</strong>möglichenQuellen.Unterwegslernteichvieles<br />
überdieWissenschaft,diegewählteFragestellungundmichselberkennen.Zudokto<br />
rieren bedeutete für mich deshalb vor allem auch e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>neren Reifeprozess zu<br />
durchlaufen.<br />
DankbarseheichaufzudenzahlreichenBegleitern,diemichandiesenPunktgeführt<br />
haben und die gleichzeitig verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t haben, dass ich mich völlig dem Sog <strong>der</strong>E<strong>in</strong><br />
<br />
<br />
ix
x<br />
<br />
samkeitausgelieferthabe.Ichdankeme<strong>in</strong>enEltern,ohne<strong>der</strong>enLiebeichnichtTeil<br />
<strong>der</strong>Erdengeme<strong>in</strong>schaftwäre,ohne<strong>der</strong>enUnterstützungichdiebisherendloseAus<br />
bildungnichthättedurchlaufenkönnen.IchdankeihnenfürdieliebevolleFürsorge<br />
undBegleitung<strong>in</strong>alldiesenJahren.Ichdankeme<strong>in</strong>enmichbegleitendenProfessoren<br />
DieterEulerundPeterGross,diemirdieGelegenheitschenkten,e<strong>in</strong>Werkzuschaf<br />
fen, das me<strong>in</strong>en Wünschen entspricht, das auf me<strong>in</strong>en <strong>St</strong>ärken beruht und me<strong>in</strong>e<br />
SchwächenoffenzurSchaustellt.IchdankeihnenfürdasVertrauen<strong>in</strong>me<strong>in</strong>eFähig<br />
keiten.Ichdankeihnen,dassichsofreidenkendurfte.Ichdankeihnenfürdiekriti<br />
schenFragen,durchdiedaswildeReflektierengeordnetwurde.Ichwerdesieimmer<br />
alsPersönlichkeiten<strong>in</strong>Er<strong>in</strong>nerungbehalten,dieme<strong>in</strong>Wesenundme<strong>in</strong>Denkenstark<br />
geprägt haben. Ich danke Franziska Zellweger Moser und Karl Wilbers, die mir das<br />
Forschennähergebrachthaben.IchdankeTimonBeyesfürdieSicherheit,dieermir<br />
<strong>in</strong>unsicherenZeitenspendierthat.IchdankeSaschaSpoun,<strong>der</strong>trotzzeitlicherVer<br />
zögerung und räumlicher Distanz immer e<strong>in</strong> heimlicher Begleiter war. Ich danke<br />
Ingrid Kunz, die diesen Text sorgfältig und <strong>in</strong> kurzer Zeit lektoriert hat. Ich danke<br />
MarioSianofürdieHilfebei<strong>der</strong>ErarbeitungdesModells.IchdankeHannyundHans<br />
Oswald,diemirnebendem<strong>St</strong>udiumE<strong>in</strong>blicke<strong>in</strong>dasBerufslebenermöglichthaben,<br />
diedieseDissertationletztlichf<strong>in</strong>anzierthabenundmir<strong>in</strong><strong>der</strong>Fernee<strong>in</strong>zweitesZu<br />
hause schufen. Ich danke Thomas Weilenmann, <strong>der</strong> mich aus <strong>der</strong> tränentraurigen<br />
DunkelheitzurückansLichtunddamitzumirselbergeführthat.Ichdankeme<strong>in</strong>en<br />
Mitbewohnern,dieaufengstemRaumme<strong>in</strong>epositivenundnegativenSeitenerlebt<br />
unddurchihreNäheundihreFreundeme<strong>in</strong>Lebenbereicherthaben.<br />
Ichdankeme<strong>in</strong>envielenFreunden,diemirhalfenundauch<strong>in</strong>Zukunfthelfenwerden,<br />
das Leben ausserhalb des <strong>St</strong>udierzimmers zu entdecken. Ich danke me<strong>in</strong>en vielen<br />
Freunden,diemirhelfen,dieabsurdenSeitendesLebenskennenzulernen,dieimmer<br />
auchdieSubstanzundden<strong>St</strong>offme<strong>in</strong>erErzählungenbilden,dieme<strong>in</strong>Lebenzudem<br />
machen,wasesist.Ichdankeme<strong>in</strong>envielenFreunden,diemichlehren,zufriedenzu<br />
se<strong>in</strong>,mitdemvielen,wasichhabe.Diemichimmersoakzeptierthaben,wieichb<strong>in</strong>.<br />
Dieme<strong>in</strong>eTextelesenundkommentieren,diemitmirüberme<strong>in</strong>eTextelachenund<br />
me<strong>in</strong>e Lesungen besuchen. Die treu neben mir g<strong>in</strong>gen, <strong>in</strong> den guten und <strong>in</strong> den<br />
schlechtenZeiten.Ihrseid<strong>der</strong>Grund,warumichlebe.OhneEuchwürdealleske<strong>in</strong>en<br />
S<strong>in</strong>nergeben.Ihrhabtmichzudemgemacht,wasichheuteb<strong>in</strong>.IchdankeEuchfür<br />
diesevielenMomente<strong>der</strong>Gleichzeitigkeit,diewirzusammenerlebthabenunddie<br />
denLeimunsererFreundschaftbilden.Zume<strong>in</strong>enFreundenseime<strong>in</strong>Bru<strong>der</strong>gezählt,
dessen Leben gleichzeitig so viele Parallelen und so viele Unterschiedlichkeiten zu<br />
me<strong>in</strong>em aufweist. Ich freue mich auf die Zukunft, die wir geme<strong>in</strong>sam mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
verbr<strong>in</strong>genwerden.<br />
<br />
<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,imMärz2009 JoëlLucCachel<strong>in</strong><br />
<br />
<br />
<br />
xi
xiii<br />
<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
<br />
1. E<strong>in</strong>führungen...........................................................................................................................1<br />
<br />
<br />
1.1. E<strong>in</strong>führung<strong>der</strong>Ausgangssituation..............................................................................1<br />
1.2. E<strong>in</strong>führung<strong>der</strong>TheorieBauste<strong>in</strong>e..............................................................................2<br />
1.3. E<strong>in</strong>führungdesWissenschaftsverständnisses...........................................................18<br />
1.4. E<strong>in</strong>führung<strong>der</strong>Methoden.........................................................................................21<br />
2. IdentitätsarbeitdesIndividuums............................................................................................29<br />
2.1. Verän<strong>der</strong>teAusgangslage..........................................................................................29<br />
2.2. IdentitätsarbeitalsFolgevonEntwicklungsaufgaben...............................................37<br />
2.3. Identitätsarbeit<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erambivalentenMo<strong>der</strong>ne......................................................40<br />
2.4. IdentitätsarbeitalsKund<strong>in</strong>undMitarbeiter<strong>in</strong>..........................................................45<br />
3. Identitätsarbeit<strong>der</strong>Organisation...........................................................................................54<br />
3.1. DerOrganisationszweck............................................................................................54<br />
3.2. MärkteundPositionierung........................................................................................58<br />
3.3. OrganisationaleEntwicklungsaufgaben....................................................................62<br />
3.4. OrganisationaleIdentität...........................................................................................66<br />
4. DerMoment<strong>der</strong>Wahrheit.....................................................................................................73<br />
4.1. ArbeitendeKunden....................................................................................................73<br />
4.2. Arbeitskraftunternehmer..........................................................................................78<br />
4.3. DieBedeutung<strong>der</strong>Marke.........................................................................................84<br />
4.4. Wechselwirkungen<strong>der</strong>Identitäten...........................................................................90<br />
5. <strong>Management</strong><strong>in</strong><strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>........................................................................94<br />
<br />
5.1. <strong>Management</strong>verständnis...........................................................................................94<br />
5.2. DieÖffnung<strong>der</strong>Organisation..................................................................................100<br />
5.3. Aufbauvon<strong>St</strong>akehol<strong>der</strong>Kapital..............................................................................106<br />
5.4. <strong>Management</strong>modell 21 .............................................................................................109
xiv<br />
<br />
6. Bildung<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>...............................................................................117<br />
6.1. Grundlagen<strong>der</strong>Curriculumentwicklung.................................................................117<br />
6.2. Bildungsideale.......................................................................................................... 123<br />
6.3. Lebenssituationenund<strong>St</strong>rukturgitter.....................................................................128<br />
6.4. AusweisdesBildungsverständnisses.......................................................................134<br />
7. ProblemorientiertesLernen.................................................................................................140<br />
7.1. UrsprüngedesproblemorientiertenLernens..........................................................140<br />
7.2. DasproblemorientierteLernen...............................................................................147<br />
7.3. H<strong>in</strong>weiseaus<strong>der</strong>Bildungsgangdidaktik..................................................................151<br />
7.4. Rolle<strong>der</strong>Lehrenden................................................................................................160<br />
8. ManifestzumBetriebswirtschaftsstudium<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>.........................166<br />
8.1. AufdemWegwoh<strong>in</strong>?..............................................................................................166<br />
8.2. Konfiguration<strong>der</strong>Probleme....................................................................................173<br />
8.3. UmfassendeProblemorientierung..........................................................................182<br />
8.4. Manifestzum<strong>St</strong>udium<strong>der</strong>Betriebswirtschaftslehre<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>..........................................................................................187<br />
9. DasBeispiel<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>:Zustandsbeschreibung....................................................193<br />
9.1. DieNeukonzeption<strong>der</strong>LehreimJahre2001..........................................................193<br />
9.2. <strong>St</strong>rukturelles............................................................................................................. 206<br />
9.3. För<strong>der</strong>ung<strong>der</strong>fachlichenundüberfachlichenKompetenzen.................................215<br />
9.4. Die<strong>St</strong>udierenden<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>............................................................233<br />
10. DasBeispiel<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>:DerkonkreteWeg<strong>in</strong>dieZukunft...................................244<br />
10.1. DieReform<strong>der</strong>Reform...........................................................................................244<br />
10.2. Konfiguration........................................................................................................... 250<br />
10.3. Kommunikation.......................................................................................................276<br />
10.4. ZusammenfassendeHandlungsempfehlungen.......................................................289<br />
Interviewverzeichnis...................................................................................................................336
Abbildungsverzeichnis<br />
<br />
Abb.1: <strong>Management</strong>modell 21 (EigeneDarstellung)<br />
Abb.2: Didaktisches<strong>St</strong>rukturgitter(EigeneDarstellung)<br />
Abb.3: Positionierungsdimensionen<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong><br />
(vgl.Spoun&Mohr,2000)<br />
Abb.4: Curriculum<strong>der</strong>Betriebswirtschaftslehre(EigeneDarstellung)<br />
Abb.5: <strong>St</strong>udienstruktur<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>(vgl.<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,2007i)<br />
Abb.6: CurriculumMaster<strong>St</strong>rategyandInternational<strong>Management</strong><br />
Abb.7: Curriculum<strong>der</strong>LeuphanaMaster(vgl.Leupahana,2008a)<br />
Abb.8: ModifiziertesCurriculum(EigeneDarstellung)<br />
Abb.9: Curriculum(EigeneDarstellung)<br />
Abb.10: Identität<strong>der</strong><strong>Universität</strong>(EigeneDarstellung)<br />
Abb.11:WahrnehmungsWichtigkeitsmatrixalsGestaltungsgrundlage<br />
(vgl.BekmeierFeuerhahn&Eichenlaub,2004)<br />
Abb.12: Logo<strong>der</strong>Leuphana<strong>Universität</strong>Lüneburg(vgl.Leuphana,2008c)<br />
Abb.13: Bildmarke<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>(vgl.Interbrand,2002)<br />
<br />
<br />
<br />
xv
xvii<br />
<br />
Zusammenfassung<br />
<br />
Die<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>,verstandenalsZusammenspiel<strong>der</strong>dreisozialenTrans<br />
formationskräfteEntobligationierung,OptionierungundIndividualisierungverän<strong>der</strong>t<br />
die menschlichen Bedürfnisse. Das Individuum sieht sich mit <strong>der</strong> Aufgabe konfron<br />
tiert,se<strong>in</strong>Lebenvollständigselbständigorganisierenzumüssen.ImRahmen<strong>der</strong>Dis<br />
sertation wird diese Selbstorganisation als Identitätsarbeit aufgefasst. Zu diesem<br />
Zweck begibt sich das Individuum <strong>in</strong> die Arme <strong>der</strong> Organisationen, die Relieve und<br />
EnableLeistungenzurVerfügungstellen.ImZuge<strong>der</strong>verän<strong>der</strong>tenBedürfnissebilden<br />
sichneueFormen<strong>der</strong>ZusammenarbeitzwischendenOrganisationenundihrenAn<br />
spruchsgruppenheraus.DieKundenwerdenalsRessource<strong>der</strong>Organisationbewirt<br />
schaftet.DieMitarbeitendenwerden<strong>in</strong>gesättigtenMärktenzurzentralenRessource<br />
<strong>der</strong>Organisation.SiewollenundmüssensichdurchihreArbeitselberverwirklichen.<br />
DieMitarbeitendens<strong>in</strong>dMarkenbotschafternundsetzendieMarkenversprechen<strong>der</strong><br />
Organisation im Moment <strong>der</strong> Wahrheit <strong>in</strong> konkrete Problemlösungen um. Im Mo<br />
ment<strong>der</strong>WahrheitentstehtdieSituation,dassMitarbeitendenundKundengleich<br />
zeitiganihrerIdentitätarbeiten.Geme<strong>in</strong>sambildensiedieIdentitäte<strong>in</strong>erOrganisati<br />
onheraus,dieauchalsBeitragzurLösunge<strong>in</strong>esgesellschaftlichenProblemsverstan<br />
denwerdenkann.<br />
Die Arbeit präsentiert e<strong>in</strong> <strong>Management</strong>modell, welches auf dem <strong>St</strong>.Galler Manage<br />
mentmodellbasiert.DasentwickelteModellbildetdieGrundlagefürdieEntwicklung<br />
e<strong>in</strong>esCurriculumsdesBetriebswirtschaftsstudiumsimpädagogischenTeil<strong>der</strong>Arbeit.<br />
DasCurriculumforciertdieIdentitätsarbeit<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendenundverlangtdassdie<br />
<strong>St</strong>udierenden mit gesellschaftlichen Problemen ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen. <strong>Management</strong><br />
beschäftigtsichdemnachnichtnurmitdemWohl<strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelnenOrganisation,son<br />
<strong>der</strong>nauchmitdemWohl<strong>der</strong>Gesellschaftunddese<strong>in</strong>zelnenIndividuums.<br />
DieArbeitschliesstmite<strong>in</strong>erFallstudie<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>undzeigt,wiediese<br />
nochbesseraufdieHerausfor<strong>der</strong>ungen<strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>e<strong>in</strong>gehenkönn<br />
te.
1. E<strong>in</strong>führungen<br />
1.1. E<strong>in</strong>führung<strong>der</strong>Ausgangssituation<br />
Nichtnur<strong>der</strong>systemtheoretischsensibilisierteWissenschaftlererkennt,dassdiege<br />
stiegeneKomplexitätdieSelbstverständlichkeit<strong>der</strong>Systeme<strong>in</strong>fragestellt.Esistdie<br />
Komplexität, die das Individuum bedroht, weil es <strong>in</strong> <strong>der</strong> stetig steigenden Unüber<br />
sichtlichkeit<strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>Problemehat,sichzuorientieren.Esistdie<br />
Komplexität,welchedieOrganisationbedroht,weildieManagerbemerken,dasssich<br />
dieAnspruchsgruppennichtsmehrvorschreibenlassenunddieLeistungen<strong>der</strong>Orga<br />
nisationenaustauschbargewordens<strong>in</strong>d.IndiesemSzenariogew<strong>in</strong>ntdieFrage,wer<br />
man ist und se<strong>in</strong> könnte, an Bedeutung. Es ist die Komplexität, welche die Gesell<br />
schaft bedroht, weil die gesellschaftlichen Systeme vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abhängig s<strong>in</strong>d und<br />
dadurchfürKrisenanfälligwerden,dieNebenwirkungen<strong>der</strong>Komplexitätssteigerung<br />
nichtunterKontrollesche<strong>in</strong>enund<strong>der</strong>Fortgang<strong>der</strong>Mo<strong>der</strong>nisierung<strong>in</strong><strong>der</strong>Artund<br />
Weisedes20.Jahrhun<strong>der</strong>ts<strong>in</strong>fragegestelltwird.<br />
Inmitten<strong>der</strong>Komplexität,die<strong>in</strong>diesemTextalsFolge<strong>der</strong>Vermehrung<strong>der</strong>Optionen<br />
desmenschlichenDenkensundHandelnsverstandenwird,s<strong>in</strong>dIndividuum,Organi<br />
sationundGesellschaftdazuaufgefor<strong>der</strong>t,anihrerIdentitätzuarbeiten.DieReflexi<br />
on<strong>der</strong>Frage,wermanist,stiftetSicherheit,weilsie<strong>in</strong>denzahlreichenverfügbaren<br />
OptionenfürOrdnungsorgt.DieFrageistdurchdieIdentitätnichte<strong>in</strong>maligzube<br />
antworten.Siemündet<strong>in</strong>lebenslangeIdentitätsarbeit.Sieist<strong>der</strong>Wegweiser,<strong>der</strong><strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> unübersichtlichen Komplexität die Selbstorganisation unter Kontrolle hält. Sie<br />
deutetdieVergangenheit.SiehilftdieGegenwartzubewältigen.SieschafftOrientie<br />
rungfürdenWeg<strong>in</strong>dieZukunft.SieschafftdamitKont<strong>in</strong>uitätaufdemWeg,<strong>der</strong>vom<br />
Gestern<strong>in</strong>dasMorgenführt.<br />
Nach dem Abschied von <strong>Management</strong>vorstellungen, die glaubten, durch Manager<br />
und<strong>Management</strong>systemeallesunterKontrollezuhalten,gew<strong>in</strong>nenweicheKoordi<br />
nationsmechanismenanBedeutung.SieverzichtenmehrheitlichaufdirekteInterven<br />
tionen und schaffen Raum für die Selbstorganisation <strong>der</strong> Systeme. Zu koord<strong>in</strong>ieren<br />
gilt es <strong>in</strong> offenen Systemen nicht nur die Wertschöpfungsbeiträge <strong>der</strong>Mitarbeiten<br />
den,son<strong>der</strong>ndieWertschöpfungsbeiträgeallerAnspruchsgruppen.E<strong>in</strong>eoffeneOrga<br />
nisationwirdvonallenAnspruchsgruppengestaltet,gelenktundentwickelt.Fürdas<br />
<strong>Management</strong><strong>in</strong>reifen<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>ensche<strong>in</strong>enbisanh<strong>in</strong>passendeMa<br />
1
2<br />
nagementmodellezufehlen.DenerweitertenModellenmussesaufgrunddesgegen<br />
seitigenVerwachsens<strong>der</strong>Systemegel<strong>in</strong>gen,dasWohl<strong>der</strong>Organisationgleichzeitig<br />
mitdemWohl<strong>der</strong>GesellschaftunddemWohl<strong>der</strong>Individuenzuberücksichtigen.<br />
Für die Entwicklung, Anwendung und Verbreitung von <strong>Management</strong>modellen s<strong>in</strong>d<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e diejenigen <strong>Universität</strong>en von Bedeutung, die betriebswirtschaftliche<br />
<strong>St</strong>udiengänge anbieten. Sie tragen die Verantwortung, solche Manager und Mana<br />
gementwissenschaftler auszubilden, die mit <strong>der</strong> zunehmenden Komplexität <strong>der</strong> Le<br />
bensbed<strong>in</strong>gungenvonMensch,OrganisationundGesellschaftumgehenkönnen.Die<br />
seManagers<strong>in</strong>d,ausgehendvonihrereigenenIdentitätsarbeit,fähig,dieIdentitäts<br />
arbeitdesIndividuums,dasihnenalsKunde,Mitarbeitero<strong>der</strong>Aktionärbegegnet,zu<br />
verstehenunddurchdieGestaltung,LenkungundEntwicklung<strong>der</strong>Organisationauf<br />
<strong>der</strong>enAnsprüchezureagieren.DieseManagers<strong>in</strong>dfähig,durchorganisationaleIden<br />
titätsarbeit dieOrganisationen an komplexe Umwelten anzupassen unddie für das<br />
Überstehen<strong>der</strong>Turbulenzennotwendige<strong>in</strong>nereE<strong>in</strong>igkeitzuschaffen.DieseManager<br />
erkennendieZusammenhängezwischendenvielfältigenIdentitätenvonMenschen,<br />
OrganisationenundGesellschaften.Sies<strong>in</strong>dwillig,dasWohldieserdreiSystemebe<br />
nennichtunabhängigvone<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zubetrachten.<br />
AmEndedieserkurzenE<strong>in</strong>führungkanndieForschungsfrageformuliertwerden,wel<br />
chedieReflexionen<strong>in</strong>diesemTextleitenwird.ErstelltsichdieFrage:Wieiste<strong>in</strong>Cur<br />
riculum <strong>der</strong> Betriebswirtschaftslehre zu konstruieren, das auf die organisationalen<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Multioptionsgesellschaft</strong> Rücksicht nimmt? Diese e<strong>in</strong>füh<br />
rendeFragestellungwirdamEndedesnächstenTeilkapitelsdurchTeilfragenkonkre<br />
tisiertunduntersuchbargemacht.<br />
<br />
1.2. E<strong>in</strong>führung<strong>der</strong>TheorieBauste<strong>in</strong>e<br />
WiejedewissenschaftlicheUntersuchungbautauchdieserTextauf<strong>der</strong>E<strong>in</strong>führung<br />
<strong>der</strong>zentralenVariablenauf.Daessichhiernichtume<strong>in</strong>quantitativesVorgehenhan<br />
delt,müssendieVariablenwe<strong>der</strong>haarscharfdef<strong>in</strong>iertnochzahlenmässigumschrie<br />
ben werden. <strong>St</strong>attdessen soll e<strong>in</strong>e kurze E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die verwendeten Theorie<br />
Bauste<strong>in</strong>e dem Leser und <strong>der</strong> Leser<strong>in</strong> helfen, sich mit <strong>der</strong> Denk und Argumentati<br />
onsweisedesAutorsvertrautzumachen.DieTheorieBauste<strong>in</strong>ewerden<strong>in</strong>denfol
gendenKapitelnvertieftundmite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>verknüpft.SiegebenAufschluss,<strong>in</strong>welchen<br />
QuellendiehierpräsentiertenGedankenverankertwerden.<br />
<br />
A. <strong>Multioptionsgesellschaft</strong><br />
<strong>St</strong>ellt man sich die Frage, <strong>in</strong> welcher Gesellschaft wir eigentlich leben (vgl. Pongs,<br />
2004), so kann <strong>der</strong> <strong>in</strong>teressierte Forscher <strong>St</strong>atistiken auswerten, empirische Daten<br />
generieren o<strong>der</strong> auf Gesellschaftsdiagnosen zurückgreifen (vgl. Schallberger, 2002;<br />
Papcke,1991).EsistdieserletzteWeg,<strong>der</strong>hierbegangenwird.Gesellschaftsdiagno<br />
sens<strong>in</strong>dProtokolle<strong>der</strong>gesellschaftlichenDiskurse.Sies<strong>in</strong>dInterpretationen,dieden<br />
MenschenzurDeutungihrerWirklichkeitdienen(vgl.Bock,1980).Sies<strong>in</strong>dsubjektive<br />
Beschreibungen<strong>der</strong>Gesellschaft,dieaufbestimmteMusterachtenundausblenden,<br />
wasnicht<strong>in</strong>sMusterpasst.DieMusterwerdenaufdieEntwicklung<strong>der</strong>Gegenwart<br />
und die Antizipation <strong>der</strong> Zukunft angewandt. Es s<strong>in</strong>d „Aussagen über im Entstehen<br />
bef<strong>in</strong>dliche beziehungsweise <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklung begriffene Verän<strong>der</strong>ungen gegen<br />
überdemgegenwärtigen‚<strong>St</strong>and<strong>der</strong>D<strong>in</strong>ge‘“(Hitzler,2003,S.114).<br />
Das<strong>St</strong>udierenvonGesellschaftsdiagnosengleichte<strong>in</strong>emFiebermessenmit<strong>der</strong>Hand<br />
beigleichzeitigerAbwesenheitvonexaktmessendenInstrumenten.„Solcheausaller<br />
leierdenklichenZusammenhängen‚zusammengetragenen‘beziehungsweise‚zusam<br />
mengedachten‘FundstückebeweisenimstrengwissenschaftlichenS<strong>in</strong>nselbstredend<br />
nochgarnichts.Aberimmerh<strong>in</strong>verweisensie–imVere<strong>in</strong>mitvielerleian<strong>der</strong>en,mehr<br />
o<strong>der</strong> weniger ‚schwachen‘ Signalen – auf etwas h<strong>in</strong>: auf e<strong>in</strong>en vermutlich über alle<br />
erdenklichen sozialen Praktiken h<strong>in</strong>weg generalisierbaren Wandel <strong>der</strong> Weltdeutung<br />
undSelbstwahrnehmung“(ebd.,S.114).AufgrunddesVerzichtsaufdieErhebungvon<br />
empirischen Daten, aufgrund ihrer essayistischen Sprache, ihrer selektiven Wahr<br />
nehmungundihrerSubjektivitätgeniessendieGesellschaftsdiagnosen<strong>in</strong>nerhalb<strong>der</strong><br />
Wissenschafte<strong>in</strong>enschlechtenRuf.„SolcheArbeitenwerdenals‚Popularsynthesen‘<br />
abgetan,als‚Quasiwissenschaft‘,alspartyorientiertesKulturgeschwätz,alsSpielmate<br />
rialfür<strong>in</strong>telligenteFreizeitgestaltung“geschimpft(Prisch<strong>in</strong>g,2003,S.22).Derschlech<br />
teRufwirddadurchkompensiert,dassGesellschaftsdiagnosene<strong>in</strong>enÜberblickund<br />
damit Ordnung schaffen. Sie offerieren verständliche Begrifflichkeiten, die sich für<br />
e<strong>in</strong>eanschaulicheundvere<strong>in</strong>fachendeArgumentationeignen.<br />
3
4<br />
Wennmandavonausgeht,dassdieGesellschaftaufzigMöglichkeitendiagnostiziert<br />
werdenkann(vgl.Schimank&Volkmann,2002;Pongs,2004),hatesoffenkundigkei<br />
nenS<strong>in</strong>n,allemöglichenDiagnosenzusammenzufassen,geschweigedennmite<strong>in</strong>an<br />
<strong>der</strong>zuvergleichen.Vielmehrmusse<strong>in</strong>dogmatischerEntscheidgetroffenwerden.Ich<br />
persönlichhabemichfürdieTrilogievonPeterGrossentschieden,<strong>in</strong>nerhalb<strong>der</strong>die<br />
<strong>Multioptionsgesellschaft</strong> e<strong>in</strong>e hervorgehobene Rolle e<strong>in</strong>nimmt. Im ersten Werk ist<br />
alles angelegt, was <strong>in</strong> den zwei folgenden Bänden ausgearbeitet wird. Gross be<br />
schreibt<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>nichtnurdieAusdifferenzierung<strong>der</strong>Deutung<br />
unsererGesellschaft,son<strong>der</strong>ndiegenerelleVerwandlungvonObligationen<strong>in</strong>Optio<br />
nen.„Die<strong>St</strong>eigerung<strong>der</strong>Erlebens,HandlungsundLebensmöglichkeiten,dieOptio<br />
nensteigerung,ist<strong>der</strong>augensche<strong>in</strong>lichsteVorgang<strong>der</strong>Mo<strong>der</strong>nisierung“(Gross,1994,<br />
S.14f.).H<strong>in</strong>ter<strong>der</strong>OptionssteigerungstehendieTransformationskräfteEntobligatio<br />
nierung, Optionierung und Individualisierung, welche die Mo<strong>der</strong>ne hervorbr<strong>in</strong>gen<br />
undextensivieren(vgl.Gross,2003).<br />
FürdasVerständnis<strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>ersche<strong>in</strong>tesmirvonzentralerBe<br />
deutung, darauf h<strong>in</strong>zuweisen, dass sie ke<strong>in</strong> Produkt weniger Jahre ist. Vielmehr<br />
nimmt die <strong>Multioptionsgesellschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> theologischen Interpretation von Gross<br />
(2007) mit <strong>der</strong> Geburt und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Loslösung des Menschen von e<strong>in</strong>em<br />
fremdbestimmtenErlöserihrenAnfang.DerTerm<strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>passt<br />
deshalbsogutzudenletztenJahrzehnten,weilsich<strong>in</strong>diesenJahrendieOptionen<strong>in</strong><br />
horrendem Tempo vermehrt haben und dem Menschen <strong>in</strong> allen Lebensbereichen<br />
Entscheidungenabr<strong>in</strong>gen.DieEntstehungsprozesse<strong>in</strong>desbeg<strong>in</strong>nenvielfrüher.Inso<br />
fernstehtdieaktuelleGesellschaftfüre<strong>in</strong>ereife<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>,diedann<br />
e<strong>in</strong>tritt,wennsichdieOptionenexponentiellzuvermehrenbeg<strong>in</strong>nen.DieEntstehung<br />
<strong>der</strong>Optionenwirdvonan<strong>der</strong>enAutorenauchan<strong>der</strong>sbeschrieben,beispielsweiseals<br />
Ausdifferenzierung<strong>der</strong>Gesellschaft(vgl.Schimank,2007).DieselässtsichnachSchi<br />
mank auf die Rollendifferenzierung und die teilsystemische Ausdifferenzierung <strong>der</strong><br />
Gesellschaft zurückführen. Die Optionierung lässt <strong>in</strong> beiden Beschreibungsweisen<br />
Selbstverständlichkeitenverschw<strong>in</strong>denundzw<strong>in</strong>gtMensch,OrganisationundGesell<br />
schaftzuumfassendenWahlentscheidungen(vgl.Schimank,2005).Insofernkönnen<br />
dieTransformationskräftenichtunabhängigvone<strong>in</strong>an<strong>der</strong>analysiertwerden.<br />
In <strong>der</strong> Auffor<strong>der</strong>ung zur Entscheidung liegt die Ambivalenz <strong>der</strong> Multioptionsgesell<br />
schaft verborgen. Wählen impliziert Abwählen, und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fülle <strong>der</strong> Möglichkeiten
überragtdasMöglichestetsdasWirkliche(vgl.Gross,1994;1999;2007).DasÜber<br />
angebot an Möglichkeiten bildet die Ausgangslage zur Entstehung e<strong>in</strong>er reflexiven<br />
Mo<strong>der</strong>ne.„ReflexiveMo<strong>der</strong>nisierungheisstalso:e<strong>in</strong>ezunächstunreflektierte,gleich<br />
sam mechanischeigendynamische Grundlagenverän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> entfalteten Indust<br />
riegesellschaft,diesichimZugenormalerMo<strong>der</strong>nisierungungeplantundschleichend<br />
vollziehtunddiebeikonstanter,möglicherweise<strong>in</strong>takterpolitischerundwirtschaftli<br />
cherOrdnungaufdreierleizielt:e<strong>in</strong>eRadikalisierung<strong>der</strong>Mo<strong>der</strong>ne,welchediePrä<br />
missenundKonturen<strong>der</strong>IndustriegesellschaftauflöstundWege<strong>in</strong>an<strong>der</strong>eMo<strong>der</strong><br />
nen–o<strong>der</strong>Gegenmo<strong>der</strong>nen–eröffnet“(Beck,1996a,S.29).Dieserauchunterdem<br />
Begriff <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne behandelte Zustand (vgl. Zima, 2001; Welsch, 2002) tritt<br />
danne<strong>in</strong>,wenndieTransformationskräfte,welchedieMo<strong>der</strong>nehervorgebrachtha<br />
ben, aufgrund <strong>der</strong> Überfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Menschen mit Optionen o<strong>der</strong> aufgrund <strong>der</strong><br />
<strong>St</strong>eigerung<strong>der</strong>Risiken<strong>der</strong>Mo<strong>der</strong>nisierung(vgl.Beck,2007;1996),nichtmehrunh<strong>in</strong><br />
terfragtakzeptiertwerden.ReflexivwirddannnichtnurdieMo<strong>der</strong>nisierung,son<strong>der</strong>n<br />
mit ihr das Individuum und se<strong>in</strong>e Vorstellungen von Fortschritt, <strong>Management</strong> und<br />
Bildung. In <strong>der</strong> Sprache <strong>der</strong> <strong>Multioptionsgesellschaft</strong> tritt dieser Zustand dann e<strong>in</strong>,<br />
wenndie<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>e<strong>in</strong>ereife<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>gewordenist,<br />
dasheisst,sichdieOptionenimmerschnellervermehrenundmanüberallvonPlurali<br />
tätspricht.<br />
Die<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>wurdealsDeutungsmusterausgewählt,weilsiegegen<br />
überan<strong>der</strong>enGesellschaftsdiagnosene<strong>in</strong>enMetastatuse<strong>in</strong>nehmenkann.Durchdie<br />
Beschreibung<strong>der</strong>Vervielfältigung<strong>der</strong>Variantenvere<strong>in</strong>tsiealleDiagnosevarianten<strong>in</strong><br />
sich.DerMetastatuswirddadurchzementiert,dasssichdie<strong>Multioptionsgesellschaft</strong><br />
aufdieProzessekonzentriert,diedenaktuellenZustand<strong>der</strong>Gesellschafthervorbr<strong>in</strong><br />
gen.Dadurchlöstsiesichvon<strong>der</strong>Beschreibung<strong>der</strong>Gegenwart.Sieberücksichtigtdie<br />
Entstehung <strong>der</strong> Gegenwart und denkt diese <strong>in</strong> die Zukunft. „Wir leben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Übermass <strong>der</strong> Möglichkeiten, <strong>der</strong>en Dynamik sich fortzeugt, steigert, über sich hi<br />
naustreibt,angetriebenvon<strong>der</strong>DifferenzzwischendemWirklichenunddemMögli<br />
chen,undjeweiter<strong>der</strong>Fortschrittfortschreitet,destogrösserwirddieseDifferenz“<br />
(Kaufmann,1995,S.550).DergetroffeneEntschei<strong>der</strong>fährtUnterstützung,wennman<br />
<strong>in</strong>quantitativerH<strong>in</strong>sichtbedenkt,dassdie<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>zumerlauchten<br />
KreisevonachtDiagnosengehört,diezugleich<strong>in</strong>zweideutschsprachigenDiagnose<br />
Kompendienfestgehaltenwurden(vgl.WalterBusch,2001;Pongs,2004;Schimank&<br />
Volkmann, 2000). Er wird dadurch verständlich, wenn man sich <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung ruft,<br />
5
6<br />
dasssichdie<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>selberrelativiert(Gross,1994,S.15)undsich<br />
alsglobaleDiagnoseversteht(ebd.,S.13).Schliesslichhandeltessichume<strong>in</strong>eholisti<br />
scheDiagnose,diedasGrosseunddasKle<strong>in</strong>ezu<strong>in</strong>terpretierenvermag.„Mankann<br />
alsobeg<strong>in</strong>nen,womanwill,mansiehtüberalldenselbenVorgang“(ebd.,S.26).Er<br />
laubtseidieBemerkung,dass<strong>der</strong>EntscheiddurchdieBegegnungenmitPeterGross,<br />
se<strong>in</strong>elebendigenVorträgeunddiepräziseundhumorvolleSprachese<strong>in</strong>esWerkszu<br />
sätzlicherleichtertwurde.<br />
Auch die <strong>Multioptionsgesellschaft</strong> kennt bl<strong>in</strong>de Flecken, die zu ihrer Relativierung<br />
führen.IhrMusterführtzwangsläufigzubewusst<strong>in</strong>KaufgenommenenInterpretati<br />
onslücken.Inspiriertdurche<strong>in</strong>enRezensentenaufAmazon,lässtsichweitersagen,<br />
dass<strong>der</strong>Textsehroptimistischargumentiert.„Warumnurvier[vonfünf]<strong>St</strong>erne[n]?<br />
Da Gross am Ende Idealist bleibt. Denn wer soll diesen Beschleunigungsprozessen<br />
E<strong>in</strong>haltgebieten?GeradeimZeichendesEndes<strong>der</strong>‚Wachstumsgesellschaft‘,dieim<br />
S<strong>in</strong>neLuhmannszue<strong>in</strong>er‚Exklusionsverkettung‘führt,daimmermehrMenschenvon<br />
<strong>der</strong> Multioptionalität aufgrund fehlen<strong>der</strong> Arbeitsplätze und hoher Arbeitslosigkeit<br />
von sich bietenden Optionen ausgeschlossen werden. Zudem gew<strong>in</strong>nt die Religion<br />
seitdem11.09.2001<strong>in</strong><strong>der</strong>islamischenWeltunddenglobalenmuslimischenDiaspo<br />
rageme<strong>in</strong>denimmerweiterane<strong>in</strong>ernormativenPrägekraftalssolidaritätsstiftendes<br />
Element <strong>der</strong> Inklusion. Damit wird auch die ‚<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>‘ ihr Ende f<strong>in</strong><br />
den,dake<strong>in</strong>eChancengleichheitexistiert“(Tartschthomas,2007).DerkritischeLeser<br />
vermisstH<strong>in</strong>weise,wiedieErlösungvon<strong>der</strong>Differenzrealisiertwerdenkönnte(vgl.<br />
Kaufmann,1995).UnabhängigvonihremInhalthaften<strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong><br />
dieMängelan,dieallean<strong>der</strong>enGesellschaftsdiagnosenauszeichnen.„Ke<strong>in</strong>Versuch,<br />
analytischeOrdnungzustiften,ke<strong>in</strong>eBezugnahmeaufe<strong>in</strong>enexternenReferenzrah<br />
men,ke<strong>in</strong>ekontrollierteEmpirie,son<strong>der</strong>nImpressionen,Beobachtungen,Zitate,rhe<br />
torische<strong>St</strong>eigerungenohneEnde“(ebd.,S.551).<br />
Abergerade<strong>der</strong>Verzichtaufe<strong>in</strong>etheoretischeundabstrakteGedankenführunglässt<br />
die <strong>Multioptionsgesellschaft</strong> lebendig werden. Für mich ist trotz den besprochenen<br />
Mängelnwesentlich,dassdie<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>e<strong>in</strong>eorig<strong>in</strong>elle,verständliche<br />
und holistischeSchablone liefert, welche die Entstehung <strong>der</strong>Gegenwart und damit<br />
dieAntizipation<strong>der</strong>Zukunftvere<strong>in</strong>facht.
B. Komplexität<br />
Die von Peter Gross aufgestellte Diagnose lässt sich problemlos als Erhöhung <strong>der</strong><br />
Komplexität des menschlichen Lebens formulieren. Die Verknüpfung <strong>der</strong> Multiopti<br />
onsgesellschaftgel<strong>in</strong>gtüberdieDef<strong>in</strong>ition<strong>der</strong>Varietät,dasMassfürdieKomplexität<br />
e<strong>in</strong>esSystems.„VarietätistdieAnzahl<strong>der</strong>unterscheidbarenZuständee<strong>in</strong>esSystems<br />
bzw. die Anzahl <strong>der</strong> unterscheidbaren Elemente e<strong>in</strong>er Menge“ (Malik, 2002, S.186).<br />
Die Erhöhung <strong>der</strong> Zustände führt zur Entstehung von Unordnung. Systeme müssen<br />
aber,umüberlebenzukönnen,dieUnordnungdurchdieReduktion<strong>der</strong>Komplexität<br />
<strong>in</strong> Ordnung verwandeln (vgl. Kriz, 1997). So gesehen wird die Multioptionsgesell<br />
schaft mit je<strong>der</strong> neuen Optionengeneration zunehmend zur Durche<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gesell<br />
schaft(vgl.Jaeggi,2008).DieDurche<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gesellschaftstelltdiegängigenVorstel<br />
lungen von <strong>Management</strong> und <strong>Management</strong>ausbildung ständig <strong>in</strong>frage, weil die be<br />
stehendenOrdnungenpermanentdurche<strong>in</strong>an<strong>der</strong>geratenundmitneuenVorausset<br />
zungenagierenmüssen.<br />
ManagersolltenKomplexitätnichtnurverstehen,siesolltenmitihrkurzundlang<br />
fristig,privatundberuflichumgehenkönnen.SiesolltensieimrichtigenMomenter<br />
höhen und reduzieren können. „In gewisser Weise kann <strong>Management</strong> nachgerade<br />
def<strong>in</strong>iert werden als die Kunst, mit komplexen Systemen erfolgreich umzugehen“<br />
(Malik,1998a,S.132).WasfürdenSurferimUmgangmitdenWellengilt,istauchfür<br />
denUmgangdesManagersmitKomplexitätgültig.ErmussdieKomplexitätzuse<strong>in</strong>en<br />
Gunstenbzw.zugunstense<strong>in</strong>erOrganisationnutzenkönnen.KomplexitättrittimIn<br />
nernund<strong>in</strong><strong>der</strong>Umwelt<strong>der</strong>Organisationauf.„Komplexitätkannmanim21.Jahr<br />
hun<strong>der</strong>tnichtmehrbeseitigen,<strong>in</strong>denmeistenFällenauchnichtwirklichreduzieren.<br />
Dieser‚Zug‘istabgefahren.Wirs<strong>in</strong>ddef<strong>in</strong>itiv<strong>in</strong><strong>der</strong>Welt<strong>der</strong>Komplexitätangekom<br />
men.Wermitihrumgehenkann,hatenormeVorteile,undesistgutmöglich,dass<br />
diese nachhaltig s<strong>in</strong>d. Die neue Maxime heisst: Nutze die Komplexität!“ (Malik,<br />
2007a,S.65).<br />
Komplexität verlangt auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Beobachtung, dass l<strong>in</strong>eare Erklärungs und<br />
Handlungsmuster systemtheoretischen Zugängen weichen (vgl. Senge, 2005). Kom<br />
plexe Probleme s<strong>in</strong>d schwieriger zu lösen als komplizierte o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>fache Probleme.<br />
„ImGegensatzzudenkompliziertenProblemen,mitdenensiedieVielzahlvonE<strong>in</strong><br />
flussfaktorenunddiestarkeVerknüpfungteilen,s<strong>in</strong>dkomplexeProblemedurchDy<br />
namik charakterisiert. Art und Intensität <strong>der</strong> Beziehungen können sich verän<strong>der</strong>n,<br />
7
8<br />
E<strong>in</strong>flussfaktorendazustosseno<strong>der</strong>wegfallen.DasMuster<strong>der</strong>Zusammenhänge–die<br />
Vernetzung–iste<strong>in</strong>emWandelunterworfen“(Gomez&Probst,1999,S.22). Komple<br />
xitätverweistaufdenUmstand,dassallesmitallem<strong>in</strong>Verb<strong>in</strong>dungsteht,unddamit<br />
aufdieTatsache,dasskomplexeSystemeniemalsvölligdurchschautwerdenkönnen.<br />
DasVerständnis,dieBeschreibung,dieErklärunghängtwiebeie<strong>in</strong>emBuchvon<strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>genommenenPerspektiveab.„EshatvielerleiAspekteundwase<strong>in</strong>E<strong>in</strong>zelnerals<br />
charakteristischeEigenschaftene<strong>in</strong>eskomplexenSystemsansieht,hängtoftganzwe<br />
sentlichvonse<strong>in</strong>erpersönlichenE<strong>in</strong>stellungab“(Haken,1986,S.242).Wersichmit<br />
komplexenSystemenause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzt,solltesichstetsbewusstse<strong>in</strong>,dasserbeim<br />
Versuch,e<strong>in</strong>Systemverstehenzuwollen,immerscheiternwird.Diesbedeutetnun<br />
nichtzuverzweifeln.Esbedeutetvielmehr,sovielePerspektivenalsmöglichzube<br />
rücksichtigenunddieGrenzendeseigenenDenkensanzuerkennen.<br />
Komplexitätzuakzeptieren,heisst,dasPr<strong>in</strong>zip<strong>der</strong>Selbstorganisationanzuerkennen.<br />
Diesesf<strong>in</strong>detüberdieNaturwissenschaftenzunehmenddenWeg<strong>in</strong>dieSozialwissen<br />
schaften(vgl.Vecetal.,2006;Haken,1986).Esbesagt,dassSystemeohneäussere<br />
Hilfe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage s<strong>in</strong>d, Ordnung zu schaffen. Selbstorganisation ist die „spontane<br />
<strong>St</strong>rukturbildung, also das plötzliche Zusammenwirken e<strong>in</strong>iger o<strong>der</strong> vieler Elemente<br />
e<strong>in</strong>esSystems,diebisdah<strong>in</strong>unabhängigesVerhaltengezeigthaben.Von<strong>der</strong>re<strong>in</strong>en<br />
‚(Fremd)Organisation‘hebtsichdiesesPhänomendadurchab,dassdiesichbilden<br />
den<strong>St</strong>rukturendesSystemsnichtvonaussenauferlegtwerden“(Freundetal.,2006,<br />
S.14).Die<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>alsDeutung<strong>der</strong>Gesellschaftanzunehmen,heisst<br />
OrganisationdurchSelbstorganisationundReflexedurchSelbstreflexionzuersetzen<br />
(vgl.Kaufmann,2005).Dadurchgew<strong>in</strong>ntdasKonzept<strong>der</strong>IdentitätanBedeutung.Sie<br />
ist<strong>der</strong>WegweiserunddasResultat<strong>der</strong>Selbstreflexion.<br />
<br />
C. Identität<br />
Identität gehörtzu denjenigenBegriffen,<strong>der</strong>enDef<strong>in</strong>itionaufgrundihrerVielseitig<br />
keitundschichtigkeitzw<strong>in</strong>gendscheiternmuss.DieBegriffsproblematikrührt<strong>in</strong>sbe<br />
son<strong>der</strong>edaher,dassdasKonzept<strong>der</strong>Identität<strong>in</strong>verschiedenenDiszipl<strong>in</strong>enverwen<br />
detwird(vgl.Zirfas&Jörissen,2007;Zima,2007),dasssichmit<strong>der</strong>Entwicklung<strong>der</strong><br />
GesellschaftgleichzeitigihrKonzeptverän<strong>der</strong>t(vgl.Abels,2006;Keupp&Hohl,2006)<br />
unddassdieIdentität<strong>in</strong>nerhalb<strong>der</strong>Diszipl<strong>in</strong>enundZeitepochendurchdieForscher
unterschiedlicheFacettenerhält(vgl.zumBeispielfürdiePsychologieKeupp&Höfer,<br />
2007; Keupp et al., 2006). Marcia (1993) unterscheidet zwecks Vere<strong>in</strong>fachung zwi<br />
schen e<strong>in</strong>em strukturorientiertem, e<strong>in</strong>em phänomenologischen und e<strong>in</strong>em verhal<br />
tensorientiertenDiskussionsstrang(vgl.5ff.).<br />
DieseArbeitwählte<strong>in</strong>enstrukturorientiertenZugang,<strong>der</strong>sichdenBestandteilen<strong>der</strong><br />
Identitätwidmet.InnerhalbdiesesZugangsfolgtsie<strong>der</strong>soziologischenPerspektive,<br />
dievornehmlichmitdemArgumentarium<strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>agiert.Dieses<br />
besagt, dass Identität durch die Wahl von Optionen hergestellt wird (vgl. Gross,<br />
2007a;2004;2003;Hitzler,2001).DieseVorstellungreihtsichnahtlosandiepsycho<br />
logischen<strong>St</strong>udienvonMarciaan(vgl.1993;1993a;1967;1966).Se<strong>in</strong>erMe<strong>in</strong>ungnach<br />
zeichnensichMenschenmite<strong>in</strong>erstabilenIdentitätdurchdasAusprobierenundBe<br />
kennenzuAlternativenaus.„IdentityAchievementpersonshaveun<strong>der</strong>goneanex<br />
ploratoryperiodandhavemadefirmcommitments“(Marcia,1989,S.289).DieVer<br />
mehrung<strong>der</strong>Optionen,diedazuführt,dassdasMöglicheimmermehralsdasWirkli<br />
chese<strong>in</strong>wird,mündetnachGross(1999)<strong>in</strong>denZustand<strong>der</strong>Ichjagd.DasIchsucht<br />
nach sich selber und wird auf dieser Jagd zunehmend von sich selber verfolgt. Die<br />
Ichjagd gel<strong>in</strong>gt nur dann, wenn das Individuum Differenzen akzeptiert (vgl. ebd.;<br />
Gross,1999;Abels,2000).<br />
UmdiealltäglicheHerstellungvonIdentitätunddamitdasVerhaltenvonKund<strong>in</strong>und<br />
Mitarbeiternbesserverstehenzukönnen,folgtdieseArbeit<strong>der</strong>Forschung<strong>der</strong>Psy<br />
chologenKeuppetal.(2006).Eshandeltsichume<strong>in</strong>endogmatischenEntscheid,<strong>der</strong><br />
<strong>in</strong><strong>der</strong>optionalenErforschung<strong>der</strong>Identitätnötigist.„Identitätverstehenwiralsdas<br />
<strong>in</strong>dividuelleRahmenkonzepte<strong>in</strong>erPerson,<strong>in</strong>nerhalbdessensieihreErfahrungen<strong>in</strong><br />
terpretiertunddasihralsBasisfüralltäglicheIdentitätsarbeitdient.IndieserIdenti<br />
tätsarbeit versucht das Subjekt, situativ stimmige Passungen zwischen <strong>in</strong>neren und<br />
äusseren Erfahrungen zu schaffen und unterschiedliche Teilidentitäten zu verknüp<br />
fen“(vgl.ebd.,S.60).Identitätistmehre<strong>in</strong>Prozessdenne<strong>in</strong>starrerIdealzustand.Sie<br />
musslaufen<strong>der</strong>arbeitetwerden.DiesmachtenschonErikson(2004;2005)undHa<br />
vighurst(1979)mitihrerKonzeption<strong>der</strong>IdentitätalsFolgevonEntwicklungsaufga<br />
bendeutlich.DasKonzept<strong>der</strong>Entwicklungsaufgabenwirdheuterelativiert,weildie<br />
EntwicklungsaufgabenfürjedeEpocheundfürjedenMenschenneugedachtwerden<br />
müssen(vgl.Hausser,2007).DieVerknüpfung<strong>der</strong>alltäglichenErgebnisse<strong>der</strong>Identi<br />
tätsarbeitkannalsSelbstnarrationverstandenwerden(vgl.Keuppetal.,2006;Tho<br />
9
10<br />
mä, 2007; Willi, 2007), die durch Assimilation und Akkommodation ständig fortge<br />
schriebenwird(vgl.Hausser,2007).<br />
DieIdentitätübernimmtdieserArbeitgemässe<strong>in</strong>ezentraleFunktionbei<strong>der</strong>Regulie<br />
rung<strong>der</strong>Selbstorganisation.SiedientdenSystemenalsHilfsmittel<strong>der</strong>Komplexitäts<br />
reduktion(vgl.Lewandowski,291ff.).Siewird<strong>in</strong><strong>der</strong>Kybernetikmit<strong>der</strong>Funktionei<br />
nesFraktals(vgl.Kruse,1997),e<strong>in</strong>esMusters(vgl.Grothe,1997)o<strong>der</strong>e<strong>in</strong>esOrdners<br />
(vgl.Kriz,2005)verglichen.„E<strong>in</strong>zentralerAspekt<strong>der</strong>Synergetikbetrifftdiezirkuläre<br />
WechselbeziehungzwischenOrdnern(bzw.Ordnungsparametern)auf<strong>der</strong>makrosko<br />
pischenEbeneund<strong>der</strong>durchdieseOrdnerverursachtenOrdnerversklavtenDynamik<br />
auf<strong>der</strong>mikroskopischenEbene“(ebd.,S.33).Diekle<strong>in</strong>erenSystemerichtensichnach<br />
dengrösserenSystemen.DasgrössereSystemübernimmtdieFunktione<strong>in</strong>esMagne<br />
ten (vgl. Haken, 1986, S.3). Durch die Versklavung wird die Selbstorganisation ge<br />
lenkt.DieOrdnero<strong>der</strong>ebendieIdentitäts<strong>in</strong>ddasGeheimnis<strong>der</strong>Ordnung<strong>in</strong><strong>der</strong>Un<br />
ordnung,<strong>der</strong>Organisation<strong>in</strong><strong>der</strong>Selbstorganisation.<br />
<br />
D. <strong>Management</strong>und<strong>Management</strong>modelle<br />
Diese Arbeit verpflichtet sich <strong>der</strong> systemorientierten <strong>Management</strong>lehre, die <strong>in</strong> den<br />
letzten50Jahrenan<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>entwickeltwurde.Alternativstünden<br />
verhaltenswissenschaftliche, entscheidungsorientierte o<strong>der</strong> <strong>in</strong>stitutionstheoretische<br />
AnsätzezurVerfügung(vgl.Köhleretal.,2006).Diesystemorientierte<strong>Management</strong><br />
lehre ist e<strong>in</strong> Ansatz <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Betriebswirtschaftslehre. Die allgeme<strong>in</strong>e Be<br />
triebswirtschaftslehre„untersuchtdieMotive,Bed<strong>in</strong>gungenundKonsequenzendes<br />
Wirtschaftens<strong>in</strong>dene<strong>in</strong>zelnenWirtschaftse<strong>in</strong>heiten,wobeiWirtschaftenumschrie<br />
ben werden kann als disponieren über knappe Güter, die als Handelsobjekte<br />
(=Waren)GegenstandvonMarktprozessens<strong>in</strong>d(o<strong>der</strong>zum<strong>in</strong>destpotentiellse<strong>in</strong>kön<br />
nen)“ (Schierenbeck, 2008, S.133). Die vorliegende Arbeit lenkt die Optik auf das<br />
ÜbermassundnichtaufdieKnappheit.DiezunehmendenOptionenstellenalserhöh<br />
teKomplexitätdieUnternehmengenausovorProblemewiedieKnappheit<strong>der</strong>Res<br />
sourcen.<br />
Folgtmandensystemtheoretischen<strong>Management</strong>theorien<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong><br />
(vgl. Malik, 2008; Rüegg<strong>St</strong>ürm, 2004; Ulrich, 2001; Bleicher, 1996; Schwan<strong>in</strong>ger,
1994;1989;Dyllick,1982),soist<strong>Management</strong>e<strong>in</strong>eUnterstützung<strong>der</strong>Selbstorganisa<br />
tion.DieOrganisationwirdalssoziotechnischesSystemaufgefasst.„DurchErzeugen<br />
und Verteilen von Sachgütern sowie durch Anbieten und Ausüben von Diensten<br />
erbr<strong>in</strong>gen sie vielfältige Leistungen, die <strong>der</strong> Befriedigung menschlicher Bedürfnisse<br />
dienen.Unternehmungens<strong>in</strong>dke<strong>in</strong>eNaturersche<strong>in</strong>ungen,son<strong>der</strong>nvonMenschenge<br />
schaffeneGebilde.IhreTätigkeitberuhtaufmenschlicherArbeitgeistigerundkörper<br />
licher Art, unterstützt von immer zahlreicheren und leistungsfähigeren Masch<strong>in</strong>en<br />
und Anlagen. In diesem S<strong>in</strong>ne stellen sie produktive, soziotechnische Systeme dar“<br />
(Ulrich,1984,S.21).DieseSystemes<strong>in</strong>dgeistigeKonstruktionen<strong>der</strong>Anspruchsgrup<br />
pen,dieane<strong>in</strong>erOrganisationbeteiligts<strong>in</strong>d(vgl.Rusch,2006).E<strong>in</strong>solchesDenken<br />
ziehte<strong>in</strong>systemischevolutionäres<strong>Management</strong>verständnisnachsich,dasdemkon<br />
struktivistischtechnomorphem Ansatz entgegensteht (vgl. Malik, 2006, S.36ff.). Es<br />
ersetztmetaphorischgesprochendiefremdgestalteteMasch<strong>in</strong>edurchdenselbstor<br />
ganisiertenOrganismus.<br />
DieAufgabedes<strong>Management</strong>sliegt<strong>in</strong><strong>der</strong>Gestaltung,LenkungundEntwicklung<strong>der</strong><br />
Organisation,wobeidieFremdsteuerungmitzunehmen<strong>der</strong>LebensdauerdesSystems<br />
<strong>der</strong>Selbststeuerungweicht(vgl.Ulrich,1984,S.5).„IndieserSichtbestehtdieMana<br />
gementfunktion<strong>in</strong>ersterL<strong>in</strong>iedar<strong>in</strong>,dengesellschaftlichenInstitutionendieFähigkeit<br />
zurSelbstlenkungzuverschaffen.SolcheSystemeexistieren<strong>in</strong>FormvonLebewesen<br />
undÖkosystemenvonNaturaus;mankanndaherdaserwähnteModelldeslebens<br />
fähigenModellsalsSelbstlenkungsmodellauffassenundversuchen,es<strong>in</strong>Analogiezu<br />
natürlichenSystemenaufgesellschaftlicheInstitutionenzuübertragen“(ebd.,S.13).<br />
DasSystemOrganisationlebtnachMalik(2008)dadurch,dassesRessourcen<strong>in</strong>Nut<br />
zenfürse<strong>in</strong>eKundentransformiert.FürdieAusrichtungallerorganisationalenTätig<br />
keitenamCustomerValueplädierenauchBelz&Bieger(2004).„CustomerValuewill<br />
die Ausrichtung am Mehrwert für Aktionäre nicht ersetzen. Wir argumentieren je<br />
doch,dass<strong>der</strong>langfristigeMehrwerte<strong>in</strong>esUnternehmensdurchdieVorteilegeprägt<br />
ist,dieesfürattraktiveKundenbietet“(ebd.,S.38).DieNutzenerstellungkannauf<br />
alle an<strong>der</strong>en Anspruchsgruppen übertragen werden. Insbeson<strong>der</strong>e wird die Gesell<br />
schaft als Empfänger<strong>in</strong> von Public Value <strong>in</strong>s Auge gefasst (vgl. Meynhardt & Vaut,<br />
2007). Der Nutzenerstellung übergeordnet ist deshalb die Erfüllung e<strong>in</strong>es gesell<br />
schaftsdienlichenZwecks(vgl.Drucker,2006;2005;Malik,2008;2007;Ulrich,2001).<br />
11
12<br />
UmdieKomplexitätzureduzieren,machenManagerundihreAusbil<strong>der</strong>vonModel<br />
lenGebrauch(vgl.Schwan<strong>in</strong>ger,2001).„Generellverstehtmandaruntere<strong>in</strong>eNach<br />
bildung,e<strong>in</strong>Mustero<strong>der</strong>e<strong>in</strong>Vorbild–alsoe<strong>in</strong>vere<strong>in</strong>fachtesBilde<strong>in</strong>erWirklichkeit“<br />
(Schwan<strong>in</strong>ger,2004,S.53;1997).AlsebensolchesModellfungiertdas<strong>St</strong>.GallerMa<br />
nagementmodell (vgl. Ulrich & Krieg, 2001; Rüegg<strong>St</strong>ürm, 2004; 2003; 2000; IfB,<br />
2008). „Das neue <strong>St</strong>. Galler <strong>Management</strong> stellt e<strong>in</strong>en kont<strong>in</strong>genten Bezugsrahmen<br />
dar,d.h.e<strong>in</strong>enützlicheLandkartezurOrientierung,dieeserlaubt,wichtigeManage<br />
mentbegriffe<strong>in</strong>ihremGesamtzusammenhangzuverstehen.Eswerdenalsoke<strong>in</strong>eRe<br />
zeptevermittelt,wohlabere<strong>in</strong>solidesGrundverständnis,dasbei<strong>der</strong>Bewältigungvon<br />
<strong>Management</strong>anfor<strong>der</strong>ungen und bei<strong>der</strong> weiteren Vertiefung <strong>in</strong>betriebswirtschaftli<br />
cheFragestellungen guteDienste leistet“(Klappentextvon Rüegg<strong>St</strong>ürm, 2003).Als<br />
Gestaltungsmodell unterscheidet es sich von „wissenschaftlichen Erklärungsmodel<br />
len, welche e<strong>in</strong>e bestehende Wirklichkeit erklären wollen, und von Entscheidungs<br />
modellen,welchee<strong>in</strong>espezifischeProblemsituation<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emgegebenenSystemab<br />
bilden.GestaltungsmodellebildendagegenanalogzudenKonstruktionszeichnungen<br />
<strong>der</strong>Techniker,e<strong>in</strong>enochnichtexistierende,erstnochzuschaffendeWirklichkeitab;<br />
ihre Entwicklung stellt daher e<strong>in</strong>en em<strong>in</strong>ent schöpferischen Vorgang dar“ (Ulrich,<br />
1983,S.137).DiezugestaltendeWirklichkeitbleibtnichtaufdemPapier.Siewirdals<br />
mentales Modell zum Wegweiser <strong>der</strong> selbstorganisierten Organisation (vgl. Senge,<br />
2003).DasmentaleModellentspricht<strong>in</strong><strong>der</strong>Sprache<strong>der</strong>Konstruktivistendemlau<br />
fendenErgebnis<strong>der</strong><strong>in</strong>nerenErrechnungen(vgl.vonFoerster,1993)o<strong>der</strong>dem<strong>in</strong>ne<br />
renSkript(vgl.Jenter,2003).DieKonstruktivistenmachendeutlich,dassdieModel<br />
lierung <strong>der</strong> Organisation letztlich e<strong>in</strong>e Konstruktionsleistung jedes e<strong>in</strong>zelnen Indivi<br />
duumsist(vgl.Watzlawick,2007;Schmidt,2003).<br />
<br />
E. Wissenschaft2.0<br />
DieErhöhung<strong>der</strong>Komplexität,dieVermehrungundVernetzung<strong>der</strong>Optionen,zieht<br />
auchan<strong>der</strong>Wissenschaftnichtspurlosvorbei.Die<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>lässtdie<br />
Wirklichkeitimmerdynamischerundune<strong>in</strong>deutigerwerden.DieerhöhteKomplexität<br />
unddieneuenMedienführendazu,dassdasWissendenneuenTechnologienange<br />
passtwird(vgl.Lyotard,2005),neueFormendesWissensentstehen,sichunsereEr<br />
kenntnisformen mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> vermischen (vgl. Dries, 2007, 2007a) und dass das
Nichtwissene<strong>in</strong>eneueBedeutungerhält(vgl.Wehl<strong>in</strong>g,2006).DasmitAnnahmen<strong>der</strong><br />
L<strong>in</strong>earitätgewonneneWissen1.0verliert<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emKontext<strong>der</strong>erhöhtenKomplexität<br />
anBedeutung(vgl.Mitchell,2008,S.21).Eswirdnachundnachdurche<strong>in</strong>Wissen2.0<br />
ersetzt.„DiealtenKriterien<strong>der</strong>DarstellungundWeiterverarbeitungdesWissenslö<br />
sensichauf,Grenzenverschwimmen–zwischennüchternenFakten,EssayundMul<br />
timediashow, zwischen lebensweltlichem Wissen und Fachwissen, Deskription und<br />
Fiktion,aberauchzwischendene<strong>in</strong>zelnenDiszipl<strong>in</strong>en,zwischenArchäologie,Metall<br />
kunde und Biologie zum Beispiel, zwischen Wissenschaft und Kunst, Wissenschaft<br />
und Journalismus. Alles wird im Netz und durch das Netz vermittelbar und kombi<br />
nierbar.Magaz<strong>in</strong>eundInternetDienstewieSpiegelOnl<strong>in</strong>e,sciencegarden,Wikipedia,<br />
GoogleBookSearchundCo.weisendaraufh<strong>in</strong>,dasssichdieneuentstehendenWis<br />
senslandschaftenzunehmendverklüften,heterogenerundunübersichtlicherwerden.<br />
Mixit,Baby,lautetdieDevise.AmEndekommtetwasNeuesdabeiheraus:Wissen<br />
2.0“(Dries,2007;vgl.Dries,2007a).<br />
AnalogzumWissen2.0wirdamHorizonte<strong>in</strong>eWissenschaft2.0(vgl.Waldrop,2008)<br />
sichtbar, welche die Grenzen zwischen den Diszipl<strong>in</strong>en auflöst (vgl. Joas & Kippen<br />
berg,2005;Mittelstrass,2003;Puff&Wild,2003),dieGew<strong>in</strong>nungvonErkenntnissen<br />
im OpenAccessModus för<strong>der</strong>t(vgl.Spannagel, 2008; Thomas, 2007; Passek, 2006)<br />
unddieGrenzenzuWissensproduzentenausserhalb<strong>der</strong><strong>Universität</strong>öffnet(vgl.No<br />
wotny, 1999). Die Wissenschaft ist e<strong>in</strong> wild wucherndes Rhizom, bei dem alles ir<br />
gendwie mit allem verbunden ist. „Jede gute Antwort verweist auf neues Material<br />
und generiert neue Fragen und E<strong>in</strong>sichten“ (Nowotny, 1999, S.118; vgl. Deleuze &<br />
Guattari,1976).DieWissenschaft2.0reagiertaufdiegleichzeitigeRelativierungund<br />
VernetzungdesWissens.SieschiesstnichtvonheuteaufmorgenausdemBoden.Sie<br />
entsteht wie die <strong>Multioptionsgesellschaft</strong> aufgrund e<strong>in</strong>er langsamen Verän<strong>der</strong>ung.<br />
DieWissenschaft2.0nimmtaufdieBed<strong>in</strong>gungen<strong>der</strong>reifen<strong>Multioptionsgesellschaft</strong><br />
Bezug,diesich<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>edurchdieVermehrung,Relativität,dieVernetzungund<br />
die Digitalisierung des Wissens auszeichnen. Die Wissenschaft <strong>der</strong> reifen Multiopti<br />
onsgesellschaftrespektierte<strong>in</strong>endreifachenPluralismus.„E<strong>in</strong>erseitsverlangtdieNa<br />
turvonihremWesenhere<strong>in</strong>enPluralismus,an<strong>der</strong>seitsergibtsichPluralismusaber<br />
auchaus<strong>der</strong>Art,wiewirMenschenunserWissenüberdieNatur[bzw.dieGesell<br />
schaft]gew<strong>in</strong>nen,alsoaus<strong>der</strong>Erkenntnistheorie“(Mitchell,2008,S.148).Neben<strong>der</strong><br />
WirklichkeitzeigensichauchdieMethoden<strong>der</strong>Erkenntnisgew<strong>in</strong>nungunddieerken<br />
nendenForschendenpluralistisch.Mitchell(ebd.)for<strong>der</strong>te<strong>in</strong>en<strong>in</strong>tegrativenPluralis<br />
13
14<br />
mus(ebd.,S.146ff.),<strong>der</strong>komplexeSystemepluralistisch,pragmatischunddynamisch<br />
erforschenwill.<br />
Dieser setzt e<strong>in</strong>e konstruktivistische Erkenntnistheorie voraus. Die Ansichten auf<br />
komplexeSysteme,diegeneriertenErkenntnissehängenwiee<strong>in</strong>geführtvomerken<br />
nendenIndividuumab.Esist<strong>der</strong>Wissenschaftler,<strong>der</strong>dieWeltse<strong>in</strong>erForschungkon<br />
struiert.DieTransformationzwischenwissenschaftlichenTextenund<strong>der</strong>Wirklichkeit<br />
passiertimInnerndesForschers.Popper(1973;1996)hatdiesdieWelt2genannt.<br />
DieseArbeitbekenntsichzue<strong>in</strong>emradikalenKonstruktivismus(vgl.Glaserfeld,1997).<br />
Demnach wird Wissen vom denkenden Subjekt nicht passiv aufgenommen (ebd.,<br />
S.48).„WissenwirdvomdenkendenSubjektaktivaufgebaut“(ebd.,S.96).DasWissen<br />
dient „<strong>der</strong> Organisation <strong>der</strong> Erfahrungswelt des Subjekts und nicht <strong>der</strong> ‚Erkenntnis‘<br />
e<strong>in</strong>er objektiven ontologischen Realität“ (ebd., S.96). Das Gütekriterium <strong>der</strong> Kon<br />
struktivisten heisst Viabilität. „Handlungen, Begriffe und begriffliche Operationen<br />
s<strong>in</strong>ddannviabel,wennsiezudenZweckeno<strong>der</strong>Beschreibungenpassen,fürdiewir<br />
siebenutzen“(vonGlaserfeld,1997,S.43).IndiesemGütekriteriumverschw<strong>in</strong>detdas<br />
Konzepte<strong>in</strong>erallgeme<strong>in</strong>gültigenWahrheit.Wahrheitenwerdenstattdessensubjekt<br />
immanentverkündet(vgl.Gloy,2006,S.168ff.).„Wahrheitist,was<strong>der</strong>Denkstilsagt,<br />
dassWahrheitsei“(Feyerabend,2003,S.77).DerWissenschaftleriste<strong>in</strong>Künstler,<strong>der</strong><br />
sichse<strong>in</strong>en<strong>St</strong>ilaussucht.„In<strong>der</strong>Kunstgibteske<strong>in</strong>enFortschrittundke<strong>in</strong>enVerfall.<br />
Es gibt aber verschiedene <strong>St</strong>ilformen. Jede <strong>St</strong>ilform ist <strong>in</strong> sich vollkommen und ge<br />
horchtihreneigenenGesetzen“(ebd.S.29;vgl.Feyerabend,2004).<br />
Zahlreich s<strong>in</strong>d die Figuren, die den postmo<strong>der</strong>nen Forscher symbolisieren, <strong>der</strong> mit<br />
<strong>in</strong>tegrativemPluralismuszuWerkegeht(vgl.Gebhardt&Hitzler,2006).Postmo<strong>der</strong>ne<br />
Wissenschaftler s<strong>in</strong>d Möglichkeitsmenschen mit e<strong>in</strong>em Möglichkeitss<strong>in</strong>n. „Wer ihn<br />
besitzt,sagtbeispielsweisenicht:Hieristdieso<strong>der</strong>dasgeschehen,wirdgeschehen,<br />
muss geschehen; son<strong>der</strong>n er erf<strong>in</strong>det: Hier könnte, sollte o<strong>der</strong> müsste geschehen;<br />
undwennmanihmvonirgendetwaserklärt,dassessosei,wieessei,danndenkter:<br />
Nun,eskönntewahrsche<strong>in</strong>lichauchan<strong>der</strong>sse<strong>in</strong>.Soliessesich<strong>der</strong>Möglichkeitss<strong>in</strong>n<br />
geradezualsdieFähigkeitdef<strong>in</strong>ieren,alles,wasebensogutse<strong>in</strong>könnte,zudenken<br />
unddas,wasist,nichtwichtigerzunehmenalsdas,wasnichtist“(Musil,2006,S.16).<br />
Hitzler (2006) giesst diesen Möglichkeitsmenschen <strong>in</strong> die Figuren des Spielers, des<br />
SkeptikersunddesIrrs<strong>in</strong>nigen.„DerSkeptiker,<strong>der</strong>Irreund<strong>der</strong>Narr,siehaben–als<br />
archetypischeGeisteshaltungenundalsPrototypendesvagabundierendenDenkens
unterdenVorzeichendesverlorenen<strong>St</strong>andpunktes–,überalleUnterschiedeh<strong>in</strong>weg,<br />
e<strong>in</strong>geme<strong>in</strong>samesThema:DieWirklichkeit“(ebd.,S.80).Ichpersönlichwüsstenicht,<br />
fürwelcheFigurHitzlersichmichentscheidensollte.Icherkennemich<strong>in</strong>allenwie<br />
<strong>der</strong>,undtrotzdemgilteswährend<strong>der</strong>DauerdieserArbeitdenSpiels<strong>in</strong>nzwischendie<br />
Zeilenund<strong>in</strong>an<strong>der</strong>eTextezuverlagern.DieDissertationiste<strong>in</strong>BekenntniszumSys<br />
tem.Werdiesnichtbegreift,wirdnicht<strong>in</strong>diewissenschaftlicheGeme<strong>in</strong>schaftaufge<br />
nommen.O<strong>der</strong>wieHitzlerdemIrrenwortgewaltigdroht:„DerIrre,<strong>der</strong>dasSpielver<br />
dirbt, wird liquidiert, weil se<strong>in</strong> Verhalten die Wirklichkeit als Spiel entdeckt“ (ebd.,<br />
S.81).<br />
<br />
F. Bildung<br />
DieseerkenntnisundwissenschaftstheoretischenBed<strong>in</strong>gungengiltesvone<strong>in</strong>erUni<br />
versität,diedenKontext<strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>berücksichtigenwill,zuver<strong>in</strong><br />
nerlichen.Die<strong>Universität</strong>2.0steht<strong>in</strong><strong>der</strong>reifen<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>e<strong>in</strong>erver<br />
än<strong>der</strong>ten, weil durch plurale Möglichkeiten geprägten Def<strong>in</strong>ition, Gew<strong>in</strong>nung und<br />
VermittlungvonErkenntnissengegenüber.DerbeschriebeneKontextunterstütztden<br />
Wandel<strong>der</strong>universitärenAusbildung,<strong>in</strong>demdasVermittelnvonKenntnissendurch<br />
den Erwerb von Handlungskompetenzen ersetztwird (vgl.Euler, 2005; vgl. Euler&<br />
Hahn, 2004, S.77ff.). „Handlungskompetenzen s<strong>in</strong>d erworbenes und verarbeitetes<br />
Wissen,daszumHandelnbefähigt“(Euler&Hahn,2004,S.78).Dadurcherhofftman<br />
sichdenVerfall<strong>der</strong>Optionenbzw.diereduzierendeSpezialisierungüberw<strong>in</strong>denzu<br />
können.DieseAusrichtungunterscheidetsichnachEuler(2005)vone<strong>in</strong>emveralteten<br />
Ideal <strong>der</strong> Hochschulbildung. „Dieses ist fokussiert auf e<strong>in</strong>e Persönlichkeitsbildung,<br />
begrenzt diese aber faktisch auf e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tellektuellkognitive Reflexion von wissen<br />
schaftlichenErkenntnisobjekten.ImVor<strong>der</strong>grundstehtdiesachlicheAuse<strong>in</strong>an<strong>der</strong>set<br />
zungmitWissen.DasHandelnistbegrenztaufdieReflexion,diepraktischeUmset<br />
zungvonErkenntnissenbleibtausgeklammert“(ebd.,S.259).<br />
Das Zusammenspiel <strong>der</strong> Handlungskompetenzen, welche die Lernenden erwerben,<br />
führtzuihrerBildung.DieDiskussion,wasBildungist,dauertan,seit<strong>der</strong>Menschsei<br />
neErkenntnissevon<strong>der</strong>e<strong>in</strong>enaufdienächsteGenerationübertragenwill(vgl.We<br />
ber,1976;Nolda,2004;Rolff,1988).„BildungwirdverstandenalsEntfaltungsvorgang<br />
e<strong>in</strong>esIndividuums,alsProzess<strong>der</strong>Menschwerdung,alsEntwicklung<strong>der</strong>Persönlich<br />
15
16<br />
keit<strong>in</strong>folgezielgerichteterUnterrichtunge<strong>in</strong>erseits,undalsErgebnis<strong>der</strong>Entwicklung,<br />
als Grad <strong>der</strong> Persönlichkeitsentfaltung, als Zustand <strong>der</strong> Selbstverwirklichung des<br />
Menschen an<strong>der</strong>erseits“ (Keller & Novak, 2001, S.63). Die <strong>Multioptionsgesellschaft</strong><br />
br<strong>in</strong>gtzahlreicheMöglichkeitenhervor,umdieZieledesUnterrichtsunddieSelbst<br />
entwicklung<strong>der</strong>Lernendenzudenken.Geradedeshalbwirdesnötig,alsBildungs<strong>in</strong><br />
stitutionzudef<strong>in</strong>ieren,welcheBildungmananbieteno<strong>der</strong>,an<strong>der</strong>sausgedrückt,wel<br />
chenorganisationalenZweckmanverfolgenwill.DieseArbeitbeschreibtdasZiel<strong>der</strong><br />
Bildung <strong>in</strong> Anlehnung an die Überlegungen von Euler (1994), Klafki (1996; 1976;<br />
1970),QuadbeckSeegeretal.(1998),Gross(1994)undDahrendorf(1979)undwill<br />
denGegensatzzwischenformalenundmaterialenBildungstheorienüberw<strong>in</strong>den.Sie<br />
verstehtsichalskategorialeBildungimS<strong>in</strong>neKlafkis(vgl.Ebert,1986;Klafki,1964;<br />
1970;1996).BildungbedeutetdieBefähigungzue<strong>in</strong>emeigen,sozialundzukunfts<br />
verantwortlichen Umgang mit den Optionen <strong>der</strong> <strong>Multioptionsgesellschaft</strong>. Das Bil<br />
dungsverständnis e<strong>in</strong>er betriebswirtschaftlichen Abteilung kann den Ausführungen<br />
dieser Arbeit gemäss durch das Persönlichkeits, Wissenschafts und <strong>Management</strong><br />
verständniskonkretisiertwerden.<br />
VomBegriff<strong>der</strong>Bildungist<strong>der</strong>Begriff<strong>der</strong>Didaktikzuunterscheiden.Darunterwird<br />
die„TheoriedesUnterrichts“verstanden,diedenGesamtkomplex<strong>der</strong>Entscheidun<br />
gen, Entscheidungsvoraussetzungen, Entscheidungsbegründungen und Entschei<br />
dungsprozesse für alle Aspekte des Unterrichts umfasst (vgl. Keller & Novak, 1993,<br />
S.87f.). Nun gibt es <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Multioptionsgesellschaft</strong> viele Möglichkeiten, e<strong>in</strong>e allge<br />
me<strong>in</strong>e Didaktik zu formulieren (vgl. z.B. Blankertz, 1991; Gudjons; 1999; Peterssen,<br />
2001).Erneutwirde<strong>in</strong>Entscheidnötig.DieArbeitfolgtdemkonstruktivistischenVer<br />
ständnisvonLernprozessen(vgl.Arnold,2007;L<strong>in</strong>demann,2006;Diesbergen,1998;<br />
Dubs, 1995), im Wissen darum, dass dieses ke<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Didaktik formulieren<br />
kann (vgl. Terhart, 1999). Ergänzungen f<strong>in</strong>den deshalb über das Konzept des prob<br />
lemorientiertenLernens(vgl.Kohler,2007;Euler&Hahn,2004;Gräsel,1997;Soost<br />
meyer,1978)bzw.dieBildungsgangdidaktik(Hericksetal,2001;Trautmann,2004a)<br />
statt.<br />
Nach<strong>der</strong>E<strong>in</strong>führung<strong>der</strong>theoretischenBauste<strong>in</strong>efälltesleichter,dieallgeme<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />
geführteForschungsfragezukonkretisieren.Diesehiess:Wieiste<strong>in</strong>Curriculum<strong>der</strong><br />
Betriebswirtschaftslehrezukonstruieren,dasaufdieorganisationalenHerausforde<br />
rungen<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>Rücksichtnimmt?E<strong>in</strong>eersteNachfrageergibt
sich durch die Notwendigkeit <strong>der</strong> Konkretisierung <strong>der</strong> <strong>Multioptionsgesellschaft</strong>. Es<br />
wirdke<strong>in</strong>Vorgehengewählt, dass die<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>zusammenfasst (vgl.<br />
Abels,2000).Die<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>wirdstattdessenaufdieRollendesIndivi<br />
duumsalsKund<strong>in</strong>undMitarbeiter<strong>in</strong>angewandt.DavonausgehendgiltesdieAufga<br />
ben des <strong>Management</strong>s e<strong>in</strong>er Organisation zu umschreiben. Die dazugehörige For<br />
schungsfragelautet:Wiekönnen<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emSzenario<strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>die<br />
Beziehungen <strong>der</strong> Organisation zu ihren Anspruchsgruppen gemanagt werden? Die<br />
AntwortaufdieseFragewird<strong>in</strong>e<strong>in</strong>Modellführen,das<strong>in</strong>Forme<strong>in</strong>esFragegenerators<br />
versucht, die Selbstorganisation <strong>der</strong> Organisation zu unterstützen. Die Arbeit geht<br />
davon aus, dass dasKonzept <strong>der</strong> Identitätdas effektivsteMittel ist, um die Selbst<br />
steuerunge<strong>in</strong>esSystemszugestalten,lenkenundzuentwickeln.Ausformuliertgiltes<br />
zubeantworten,wiedurchdasKonzept<strong>der</strong>IdentitätdieSystemeGesellschaft,Orga<br />
nisationundIndividuummite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>verknüpftwerdenkönnenund<strong>der</strong>engleichzei<br />
tigesSelbstmanagementgemanagtwerdenkann.<br />
BasierendaufdiesenErgebnissenwirddas<strong>St</strong>udium<strong>der</strong>Betriebswirtschaftslehrege<br />
staltet.Die<strong>St</strong>udierendensollenreflektieren,wiedurch<strong>Management</strong>dieSelbstorga<br />
nisation von Gesellschaft, Organisation und Individuum unterstützt wird. Dabei<br />
nimmtdasSystemOrganisatione<strong>in</strong>ehervorgehobeneRollee<strong>in</strong>.Aufgrund<strong>der</strong>Abhän<br />
gigkeit <strong>der</strong> Systeme kann das <strong>Management</strong> e<strong>in</strong>er Organisation nicht losgelöst vom<br />
<strong>Management</strong> <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Systeme betrachtet werden. Zur Weiterentwicklung <strong>der</strong><br />
betriebswirtschaftlichenLehregiltes<strong>in</strong>haltlicheundmethodischeAspektezuberück<br />
sichtigen.In<strong>in</strong>haltlicherH<strong>in</strong>sichtgilteszuklären,wieInhaltefüre<strong>in</strong>Curriculumge<br />
wonnenwerdenkönnenundwiedasentwickelte<strong>Management</strong>modell<strong>in</strong>e<strong>in</strong>Curricu<br />
lum des Betriebswirtschaftsstudiums übersetzt werden kann. In methodischer H<strong>in</strong><br />
sichtgilteszuklären,wiedasproblemund<strong>in</strong>dividuumorientierteLernenane<strong>in</strong>er<br />
<strong>Universität</strong>umgesetztwerdenkann.Insgesamtgilteszuklären,wiedashiervorges<br />
tellteBildungsverständnisdeseigen,sozialundzukunftsverantwortlichenUmgangs<br />
mitOptionenane<strong>in</strong>er<strong>Universität</strong>vollzogenwerdenkann.ZurVisualisierungdientdie<br />
<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>.Innerhalb<strong>der</strong>Fallstudiesollgezeigtwerden,wiedieentwickel<br />
teTheorieaufdaskonkreteFallbeispielangewandtwerdenkannundwie<strong>der</strong>beste<br />
hendeZustand<strong>in</strong>den<strong>in</strong>dieserArbeitvorgestelltenSollzustandübergeführtwerden<br />
könnte.<br />
<br />
17
18<br />
1.3. E<strong>in</strong>führungdesWissenschaftsverständnisses<br />
Essche<strong>in</strong>t,alskönneheuteje<strong>der</strong>dieRegeln,wieWissenschaftzubetreibenist,selber<br />
generieren und für se<strong>in</strong> Forschungsprojekt nie<strong>der</strong>schreiben. Die Zwänge sche<strong>in</strong>en<br />
verflüchtigt,dieRegelngelockert.DieWissenschaft2.0sche<strong>in</strong>tvielesmöglichzuma<br />
chen.AusdieserRegellosigkeitentstehtdasDurche<strong>in</strong>an<strong>der</strong><strong>der</strong>überallgrassierenden<br />
Wissensfluten.„DieWissenschafttrifftaufe<strong>in</strong>Meerunde<strong>in</strong>MehrvonBefunden,Er<br />
gebnissenundsichgegenseitigo<strong>der</strong>selbstkorrigierenden,steigerndenundüberbie<br />
tendenDeutungenundBefunden,dieselberwie<strong>der</strong>umResultatee<strong>in</strong>esalleLebens<br />
bereiche undsphären und eben auch das Wissenschaftstreiben durchdr<strong>in</strong>genden<br />
Programmess<strong>in</strong>d[…]EswerdenphantastischeundauchfürdenExpertennichtmehr<br />
kontrollierbare Massen von Wissen produziert, denn alle Ergebnisse, Erfahrungen,<br />
Handlungen, S<strong>in</strong>nprov<strong>in</strong>zen s<strong>in</strong>d gleichwertig“ (Gross, 1994, S.23; S.22). Die Gleich<br />
wertigkeit <strong>der</strong> Perspektiven und Me<strong>in</strong>ungen ist <strong>in</strong> den Sozialwissenschaften altbe<br />
kannt.WalterBusch(1977)bezeichnetedieseschonvor30Jahrenalsunreif,weilsie<br />
überke<strong>in</strong>eMessverfahrenverfügen,umVieldeutigkeitzureduzieren,weilsieke<strong>in</strong>e<br />
allgeme<strong>in</strong>gültigenGeneralisierungentreffenkönnenundweilsieunvermeidlichnor<br />
mativhandlungsanleitendeFunktionenwahrnehmenmüssen.<br />
Die <strong>St</strong>eigerung <strong>der</strong> Möglichkeiten wie<strong>der</strong>holt sich auf <strong>der</strong> Metaebene <strong>der</strong> Wissen<br />
schaftstheorien.Esentstehte<strong>in</strong><strong>in</strong>sichverschlungenerTheoriendschungel(vgl.Beyes,<br />
2002, S.19). „Die erkenntnisorientierten Diskurse s<strong>in</strong>d variabel und kont<strong>in</strong>gent: E<strong>in</strong><br />
und<strong>der</strong>selbeGegenstandkannverschiedenbeschriebenwerden–undhierkommen<br />
diedivergierendenepistemologischenSchulenmitihrenMe<strong>in</strong>ungsverschiedenheiten<br />
<strong>in</strong>sSpiel“(ebd.,S.8).Aber<strong>in</strong>diesem<strong>St</strong>reit,<strong>in</strong>diesenendlosenDiskussionengibtes<br />
ke<strong>in</strong>e Sieger, denn „alle Schulenargumentierenzirkulär“(ebd., S.8).Die Positionen<br />
s<strong>in</strong>d<strong>in</strong>kommensurabel,weilsievonan<strong>der</strong>enVoraussetzungenausgehenundan<strong>der</strong>e<br />
Problemezulösenbegehren(vgl.Kuhn,1976).DerSchulenstreitendet<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erend<br />
losenDiskussion<strong>der</strong>Varianten,<strong>in</strong><strong>der</strong>Gleichberechtigung<strong>der</strong>Theorien.„Dasichnun<br />
je<strong>der</strong>methodologischeAnsatzdieserArgumentationstechnikbedient,ergibtsiche<strong>in</strong>e<br />
Pattsituationmit<strong>der</strong>Folge,dasseskaumTheoriengibt,dienichtvone<strong>in</strong>eran<strong>der</strong>en,<br />
konkurrierenden wi<strong>der</strong>legt werden. Und wenn e<strong>in</strong>e Erkenntnistheorie angeblich<br />
scheitert, heisst das lediglich, dass sie <strong>der</strong> Theorie entgegensteht, von <strong>der</strong> aus das<br />
Scheiterndiagnostiziertwird“(Beyes,2002,S.9).HierdasArgument.DortdasGegen
argument. Und schon lauert das Gegengegenargument. Und alle glauben und be<br />
hauptenimRechtzustehenundweichennichtvonihrerPosition.<br />
DiesesDurche<strong>in</strong>an<strong>der</strong>undGegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong>entsprichtunsererpluralenZeit.Aberes<br />
entsprichtnichtunseremnachSicherheitstrebendenWesen,undesentsprichtnoch<br />
weniger <strong>der</strong> Wissenschaft 1.0, die auf E<strong>in</strong>deutigkeit, allgeme<strong>in</strong>gültige und zeitüber<br />
dauerndeErkenntnisseausist.DieWissenschaftistdurche<strong>in</strong>deutige,allgeme<strong>in</strong>gülti<br />
ge, zeitlose und wertfreie Aussagen stark geworden (vgl. Schüle<strong>in</strong> & Reitze, 2005;<br />
Opp,2005).„Mit<strong>der</strong>SuchenachWahrheit,nachwahrenAuffassungen,Überzeugun<br />
gensche<strong>in</strong>talsodieSuchenachsicherenGründenuntrennbarverbundenzuse<strong>in</strong>,die<br />
Suchenache<strong>in</strong>erabsolutenBegründungunddamitRechtfertigungenunsererÜber<br />
zeugung,nache<strong>in</strong>emarchimedischenPunktfürdenBereich<strong>der</strong>Erkenntnis“(Albert,<br />
1991,S.10).„Undichwillsolangeweitervordr<strong>in</strong>gen,bisichirgendetwasGewisses,<br />
o<strong>der</strong>,wennnichtan<strong>der</strong>es,sodochwenigstensdasfürgewisserkenne,dassesnichts<br />
Gewissesgibt.Nichtsalse<strong>in</strong>enfestenundunbeweglichenPunktverlangteArchime<br />
des,umdieganzeErdevonihrer<strong>St</strong>ellezubewegenundsodarfauchichaufGrosses<br />
hoffen,wennichnurdasGer<strong>in</strong>gstef<strong>in</strong>de,dassicherundunerschütterlichist“(Decar<br />
tes,1641,zit.<strong>in</strong>Albert,1991,S.10).DieserPunkt,<strong>der</strong>letzteGrundste<strong>in</strong>jedesArgu<br />
mentesistnuraufe<strong>in</strong>em<strong>der</strong>PfadedesMünchhausenTrilemmaszuerreichen(vgl.<br />
Albert,1991,S.15).Mankannsich<strong>in</strong>e<strong>in</strong>en<strong>in</strong>f<strong>in</strong>itenRegressbegeben,<strong>der</strong><strong>in</strong>se<strong>in</strong>er<br />
ArgumentationniemalszurRuhekommt,weilerdieArgumentefürdieArgumente<br />
fürdieArgumentesucht.Mankannsich<strong>in</strong>e<strong>in</strong>enlogischenZirkelstürzen,<strong>der</strong><strong>in</strong><strong>der</strong><br />
ArgumentationnichtvomFleckkommt.O<strong>der</strong>mankanndieArgumentationirgend<br />
wann abbrechen und das Erreichen e<strong>in</strong>en archimedischen Punkte verkünden, wohl<br />
wissend,dassereigentlichke<strong>in</strong>erist.<br />
DadieerstenzweiVariantendieRastlosigkeit<strong>der</strong>endlosenRecherchenichtzubeen<br />
den vermögen, lässt sich die Unsicherheit stiftende Unendlichkeit nur durch den<br />
dogmatischen Entscheid lösen, „e<strong>in</strong>e Behauptung, <strong>der</strong>en Wahrheit gewiss und die<br />
dahernicht<strong>der</strong>Begründungbedürftigist“(ebd.,S.16).DerWissenschaftlermusssich<br />
nach<strong>der</strong>Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungmitdenmöglichenTheorienentscheidenundsichzum<br />
Gewähltenbekennen.Werabernach<strong>der</strong>Optionsschauschliessliche<strong>in</strong>Dogmasetzt,<br />
sollteumdieBeliebigkeitse<strong>in</strong>erSetzungwissen.Ermüsstewissen,dassersichper<br />
sönlich–aufgrundse<strong>in</strong>erEigenarten,se<strong>in</strong>erGeschichte,se<strong>in</strong>erErfahrungundse<strong>in</strong>er<br />
ihnformendenLehrerundLehrenentschiedenhat.„DieE<strong>in</strong>sicht,dassalleGewissheit<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Erkenntnis selbstfabriziert, radikal subjektiv und damit für die Erfassung <strong>der</strong><br />
19
20<br />
WirklichkeitohneBedeutungist,dassmanGewissheitnachBedarfherstellenkann,<br />
wennmansichnurentschliesst,diebetreffendeÜberzeugunggegenallemöglichen<br />
E<strong>in</strong>wändezuimmunisieren,stelltdenErkenntniswertjedesDogmasunddenmetho<br />
dischenWertje<strong>der</strong><strong>St</strong>rategie<strong>der</strong>Dogmatisierung<strong>in</strong>Frage“(ebd.,S.41).DasSetzen<br />
e<strong>in</strong>esDogmasiststrenggenommene<strong>in</strong>ean<strong>der</strong>eFormdesSkeptizismus.Dennwenn<br />
allesmöglichist,istgleichzeitignichtsmehrmöglich(vgl.Baumann,2006).Skeptizis<br />
musundunendlicherPluralismuss<strong>in</strong>dzweiAusdrucksweisendesselbenExtrems.Sie<br />
können durch pragmatischere Ansätze überwunden werden. „Offenbar kann man<br />
denSkeptizismusnicht<strong>in</strong>demS<strong>in</strong>newi<strong>der</strong>legen,dassmanüberzeugendnachweist,<br />
dasswir<strong>in</strong><strong>der</strong>TatWissenüberdieWelthaben.Aberdasistauchgarnichtnötig.Es<br />
reicht,wennmandenSkeptizismusentkräftenkann“(ebd.,S.290).Diesgel<strong>in</strong>gtdurch<br />
den M<strong>in</strong>imalbeweis, dass sich zwei Wissenschaftler über dieselbe Forschungsfrage<br />
unterhaltenkönnen.<br />
DerAusweis<strong>der</strong>wissenschaftstheoretischenmethodologischen<strong>St</strong>andpunkteermög<br />
lichtes,diegeneriertenundpräsentiertenTheorienimKontextihrerEntstehungzu<br />
verstehenundzubeurteilen(vgl.Euler,1994,S.211).„ErstdieAusweisung<strong>der</strong>jeweils<br />
geltendenRegelnschafftdieBed<strong>in</strong>gung<strong>der</strong>Möglichkeite<strong>in</strong>errationalenDiskussion–<br />
und erlaubt somit den begründeten H<strong>in</strong>weis auf Wi<strong>der</strong>sprüche o<strong>der</strong> Kritik an <strong>der</strong><br />
praktischen Anwendung e<strong>in</strong>es Paradigmas“ (ebd., S.244). Zu den gewonnenen Er<br />
kenntnissengehört<strong>der</strong>Ausweis<strong>der</strong>gewähltenWahrheitsundErkenntnistheorien,<br />
dieBeschreibung<strong>der</strong>gewähltenMethoden.Diescientificcommunityakzeptiertnur<br />
Forschende, die sich im wissenschaftstheoretischen Dschungel zurechtf<strong>in</strong>den und<br />
ihreErkenntnissemitdenzuihrererkenntnistheoretischenPositionpassendenMe<br />
thodenherleiten.SieverlangtnachvollziehbareAussagen,dieOffenlegungvonWer<br />
tenundPrämissen,dieInfragestellungundstetigeRelativierung<strong>der</strong>vorgetragenen<br />
Erkenntnisse.„Wissenschaftlers<strong>in</strong>dnur<strong>in</strong>sofernfrei,ihren‚subjektivenBedürfnissen‘<br />
zufolgen,alssiedieFreiheithaben,zwischendene<strong>in</strong>schränkendenOptionenzuwäh<br />
len,dieihnenoffenstehen.UnabhängigvonVerän<strong>der</strong>ungen<strong>in</strong><strong>der</strong>Wissenschafto<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong>Gesellschaftallgeme<strong>in</strong>,wirde<strong>in</strong>HauptteiltheoretischerArbeiteherdar<strong>in</strong>beste<br />
hen,dieSituationzuverstehen,mitdenenIndividuenkonfrontierts<strong>in</strong>d,alssichgene<br />
rellaufse<strong>in</strong>eune<strong>in</strong>geschränkteFreiheitzuberufen“(Chalmers,2001,S.128).<br />
DasBekenntniszurWissenschaft2.0wurdebereitsabgelegt.DieArbeitbekenntsich<br />
zumradikalenKonstruktivismus,zurInterdiszipl<strong>in</strong>arität,zurZirkularität,zurVorläufig<br />
keitundRelativitätvonErkenntnissen.Siekomb<strong>in</strong>iertdieseBekenntnissemit<strong>der</strong>Be
jahung <strong>der</strong> Subjektivität und Normativität des Forschenden. Mit e<strong>in</strong>em Wissen<br />
schaftsverständnis, das Formen und Methoden relativiert, ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Wissen<br />
schaftssystem,dasnochauf1.0programmiertist,nichtvielzuholen.DerSpielerwird<br />
bestraft. Deshalb gilt es, das Bekenntnis zur Pluralität mit den Regeln <strong>der</strong> Wissen<br />
schaft1.0<strong>in</strong>Verb<strong>in</strong>dungzubr<strong>in</strong>gen.Diesgel<strong>in</strong>gtdadurch,dassdieeigenenGedanken<br />
<strong>in</strong>formellerH<strong>in</strong>sicht<strong>in</strong>dasKorsett<strong>der</strong>Wissenschaft1.0gedrängtwerden.Diesimpli<br />
ziertdas<strong>St</strong>reichenvonunnötigenSprachspielen,denVerzichtaufAusführungen,die<br />
neben <strong>der</strong> Argumentationsl<strong>in</strong>ie liegen, das Argumentieren ohne Seitenhiebe, das<br />
Ausblenden<strong>der</strong>VieldeutigkeitunddenEntscheidfüre<strong>in</strong>ePerspektive.Diesimpliziert<br />
denVerzichtaufregelmässigeFeedbackschleifenunddenVerzichtaufdiegleichzeiti<br />
ge Arbeit von mehreren Forschern am fortlaufend zugänglich gemachten Text. Es<br />
implizierte<strong>in</strong>Abtöten<strong>der</strong>Lebendigkeit.DieArbeitgew<strong>in</strong>ntdafürdieQualitäte<strong>in</strong>es<br />
Puzzlestücks, das von an<strong>der</strong>en Forschern (auch) im Wissenschaftsmodus 1.0 zum<br />
Weiterdenkenverwendetwerdenkann.<br />
<br />
1.4. E<strong>in</strong>führung<strong>der</strong>Methoden<br />
Mit<strong>der</strong>E<strong>in</strong>führung<strong>der</strong>alszentralerachtetenTheorieBauste<strong>in</strong>eimS<strong>in</strong>nevonKatego<br />
riennachAnselm&<strong>St</strong>rauss(2005)sowie<strong>der</strong>E<strong>in</strong>führung<strong>der</strong>persönlichenDeutung<br />
<strong>der</strong>Wissenschafts<strong>in</strong>ddieVoraussetzungengeschaffen,umdieMethodenfürdiehier<br />
zubehandelndeFragestellungzuformulieren.<br />
DieAntwortaufdieaufgestellteFragestellungsolldurchdieVertiefungundVerknüp<br />
fung<strong>der</strong>e<strong>in</strong>geführtenKategorienerfolgen.Dazuistesnötig,dieEigenschaften<strong>der</strong><br />
Kategorienbesserkennenzulernen,sichalso<strong>in</strong>denerstenKapitelnvertieftmitden<br />
Kategorienause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zusetzen.DazuwirdaufqualitativeForschungvertraut,wel<br />
chedieDeutungsmöglichkeitene<strong>in</strong>erFragestellungerkundenundnichtwiediequan<br />
titativeForschungDeutungsmöglichkeitene<strong>in</strong>schränkenbzw.zählenwill.„Qualitative<br />
ForschunghatdenAnspruch,Lebenswelten‚von<strong>in</strong>nenheraus‘zubeschreiben.Damit<br />
will sie zu e<strong>in</strong>em besseren Verständnis sozialer Wirklichkeit(en) beitragen und auf<br />
Abläufe,Deutungsmusterund<strong>St</strong>rukturmerkmaleaufmerksammachen“(Flicketal.,<br />
2005, S.14). Dazu passend werden die Grundannahmen qualitativer Forschung for<br />
mulieret(vgl.ebd.,S.22).DiequalitativeForschungbegreiftdiesozialeWirklichkeit<br />
alskommunikativeHerstellungundZuschreibungvonBedeutungen.SiemachtKon<br />
21
22<br />
struktion und Rekonstruktionen sozialer Wirklichkeiten zum Ansatzpunkt ihre For<br />
schung.SieanerkenntdenProzesscharakterunddieReflexivität<strong>der</strong>Wirklichkeit.<br />
DieArbeitverstehtsichalstheoriegenerierendundnichttheorieprüfend.Sielegtdas<br />
Schwergewicht auf die Abduktion (vgl. Hoffmann, 2005; Reichertz, 2005), auf das<br />
AufwerfenvonneuenDenkmöglichkeiten.DurchdieLektürevonKategorienvertie<br />
fendenQuellensollen<strong>in</strong>Verb<strong>in</strong>dungmiteigenenkreativenE<strong>in</strong>fällenModelleerarbei<br />
tetwerden,diedurchdieseArbeit<strong>der</strong>wissenschaftlichenGeme<strong>in</strong>schaftzurDiskussi<br />
ongestelltwerden.DieseübernehmendannimoptimalenFallInduktionundDeduk<br />
tion.„ImDreischrittvonAbduktion,DeduktionundInduktionwirdWissenprozessual<br />
möglich,<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emaufSelbstkorrekturangelegtenProzess“(Hofmann,2005,S.192).<br />
ZieldieserArbeitistes,dieverschiedenenAspekte<strong>der</strong>e<strong>in</strong>geführtenFragestellungzu<br />
verstehen.WennmitwissenschaftlichenMethodenverstandenwerdensoll,danngilt<br />
es die Hermeneutik, die „Lehre des <strong>in</strong>terpretativen Vorgehens“ (Soeffner, 2005,<br />
S.164)zukonsultieren.„DaspermanenteProblemverstehen<strong>der</strong>Wissenschaftlerbe<br />
steht dar<strong>in</strong>, zu plausibilisieren, was ihr Tun eigentlich zu e<strong>in</strong>em wissenschaftlichen<br />
Unternehmenmache,obwohlesdochexplizitaufe<strong>in</strong>emganzalltäglichenVermögen<br />
aufruht“(Hitzler&Honer,1997,S.7).Letztlichwirdese<strong>in</strong>eHaltungse<strong>in</strong>,diedaswis<br />
senschaftlichevomalltäglichenVerstehenunterscheidet.„DiewissenschaftlicheDis<br />
kussionsgeme<strong>in</strong>schaftistzunächstlediglichaufgrundihrernotwendigenanalytischen<br />
Distanzvon<strong>der</strong>Geme<strong>in</strong>schaft<strong>der</strong>Handelndenunterschiedenundrepräsentiertda<br />
mite<strong>in</strong>enqualitativan<strong>der</strong>enHandlungstypusalsdendesAlltagshandelns.Dieseana<br />
lytische Distanz zu den ‚Alltagstexten‘, zu Interaktionsprodukten generell, ist ver<br />
pflichtendeProfessionsnorm<strong>der</strong>Wissenschaftler.Aufihrberuhenundnurdurchsie<br />
funktionieren die Gütekriterien wissenschaftlicher Arbeit: rationale Begründbarkeit,<br />
Nachvollziehbarkeit,möglichstumfassendeOffenlegungunddamitTestundFalsifi<br />
zierbarkeit – <strong>der</strong> Problemstellungen, Ziele, Hypothesen, Resultate und Methoden“<br />
(Soeffner,2004,S.31).<br />
DerWissenschaftlerwirdaufgefor<strong>der</strong>tzuzweifeln.„Während<strong>der</strong>‚realistische‘kogni<br />
tive<strong>St</strong>il<strong>der</strong>Praxis,desAlltags,unterHandlungsdrucksichaufe<strong>in</strong>eDeutungs,Wahl<br />
undHandlungsmöglichkeitkonzentriertundimInteresse<strong>der</strong>Handlungsfähigkeitden<br />
Zweifel ausklammert und das Fragwürdige als ‚normal‘ typisiert, systematisiert die<br />
Wissenschaft den Zweifel, die Aufdeckung <strong>der</strong> alternativen Deutungs, Wahl und<br />
Handlungsmöglichkeiten.[…]Derkognitive<strong>St</strong>il<strong>der</strong>Praxis,desAlltags,zieltabaufSi
cherung des Erkannten, <strong>der</strong> analytischrekonstruktive und rational konstruierende<br />
<strong>der</strong> Wissenschaft auf Zweifel am Erkannten und auf Entfaltung des Erkennbaren“<br />
(ebd., 32f.). Die Wissenschaft verzichtet auf Sicherheiten. Sie will im Gegenteil die<br />
D<strong>in</strong>geimmeran<strong>der</strong>s,immerneu,immerausaktuellenundverän<strong>der</strong>tenPerspektiven<br />
betrachteno<strong>der</strong>ebenbezweifeln.DasZweifelnbeziehtsichnichtnuraufdiezuver<br />
arbeitenden Inhalte, son<strong>der</strong>n auch auf das hermeneutische Vorgehen selbst. „Der<br />
hermeneutischdenkendeSozialwissenschaftlermusswissen,wasertut,wennersich<br />
<strong>in</strong>denProzess<strong>der</strong>Interpretationbegibt.[…]DassdieRegeln<strong>der</strong>Hermeneutiknicht<br />
mechanischanzuwendens<strong>in</strong>d,iste<strong>in</strong>weiteresGebotfürdiePraxis<strong>der</strong>Hermeneutik.<br />
Der hermeneutische Interpret muss sozusagen immer neben sich stehen,um se<strong>in</strong>e<br />
praktischenSchrittemite<strong>in</strong>emreflexivenBlickkontrollierenzukönnen“(Kurt,2004,<br />
S.260). Insofern handelt es sich um e<strong>in</strong>e selbstreflexive wissenschaftliche Methode<br />
(vgl.ebd.,S.260).DieHermeneutikund<strong>der</strong>hermeneutischeForscherverzichtenauf<br />
EndgültigkeitundE<strong>in</strong>deutigkeit.Siestellensich,ihrenForschungswegundihreFor<br />
schungsmethodenimmerwie<strong>der</strong><strong>in</strong>Frage.SiepassenihreForschungsstrategienund<br />
methoden <strong>der</strong> zu erforschenden Situation jedesmal den e<strong>in</strong>zigartigen Bed<strong>in</strong>gungen<br />
ihrerForschungsfragean.„ÜberMethodenundMethodologiensolltemaneigentlich<br />
nichtsTheoretischesschreiben.IhrePraktikabilitätundtheoretischeLegitimationer<br />
gebensichvielmehrdaraus,dassmansie<strong>in</strong>ihrempraktischenVerwendungszusam<br />
menhang, <strong>in</strong> <strong>der</strong> praktischen Forschungsarbeit explizit beschreibt und am Material<br />
begründet“(Soeffner,2004,S.61;vgl.Soeffner,2005,S.174).<br />
DashermeneutischeVerstehenwirdimS<strong>in</strong>ne<strong>der</strong>Wissenschaft2.0dah<strong>in</strong>gehendprä<br />
zisiert,alsdassdasVerstehene<strong>in</strong>erFragestellungimmerauchdasVerstehen<strong>der</strong>ei<br />
genenPersonunterstützt(vgl.Keuppetal.,S.314).Diesbr<strong>in</strong>gtauchRicoeur(2005)<strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>emKonzept<strong>der</strong>AneignungzumAusdruck.„UnterAneignungversteheich,dass<br />
dieInterpretatione<strong>in</strong>esTextessich<strong>in</strong><strong>der</strong>Selbstdeutunge<strong>in</strong>esSubjektsvollendet,das<br />
sichvondaanbesserversteht,an<strong>der</strong>sverstehto<strong>der</strong>überhaupterstzuverstehenbe<br />
g<strong>in</strong>nt“(ebd.,S.99).Aneignungiste<strong>in</strong>persönlicher,e<strong>in</strong><strong>in</strong>timerVorgang.DerInterpret<br />
überw<strong>in</strong>detdiekulturelleDistanz,diezwischenihmunddemTextsteht,<strong>in</strong>demerdie<br />
Text<strong>in</strong>terpretationmit<strong>der</strong>Selbst<strong>in</strong>terpretationverschmelzenlässt(vgl.,ebd.,S.100).<br />
MankönnteWissenschaftnunalsendlosenSelbstf<strong>in</strong>dungstripdef<strong>in</strong>ieren.„Dasauf<br />
richtigeBemühenumWahrheitsche<strong>in</strong>tbeimLesen<strong>der</strong>e<strong>in</strong>schlägigenTexteimplizit<br />
dieendloseSuchenachsichselbstzuspiegeln“(Gross,1999,S.110).Abergleichzeitig<br />
mit<strong>der</strong>Suchenachsichselbstför<strong>der</strong>tdasVerstehendasVerdrängenvonwillkürli<br />
23
24<br />
chenInterpretationen.„DieAneignungverliertdann<strong>in</strong>demMasseetwasvonihrer<br />
Willkür,<strong>in</strong>demsiegenauvondemwie<strong>der</strong>aufgenommenwird,wasimTextamWerk,<br />
an<strong>der</strong>Arbeit,<strong>in</strong>Arbeitist,dasheisstbei<strong>der</strong>GeburtdesS<strong>in</strong>neswirkt.DasSagendes<br />
Hermeneutikersiste<strong>in</strong>erneutesSagen,welchesdasSagendesTextesrelativiert“(Ri<br />
coeur, 2005 S.108). Unterdem <strong>St</strong>rich ist Wissenschaftbeides,Arbeit an<strong>der</strong>vorge<br />
schlagenenFragestellungundArbeitan<strong>der</strong>IdentitätdesForschenden.<br />
Die gewonnenen Erkenntnisse werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>zelfallstudie (vgl. Y<strong>in</strong>, 2004; Tra<br />
vers, 2001; <strong>St</strong>ake, 1995; Ger<strong>in</strong>g, 2007) auf das Beispiel <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> ange<br />
wandt.„Thebasicideaisthatonecase(orperhapsasmallnumberofcases)willbe<br />
studied<strong>in</strong>detail,us<strong>in</strong>gwhatevermethodsseemappropriate.Whiletheremaybea<br />
variety of specific purposes and research questions, the general objective is to de<br />
velopasfullanun<strong>der</strong>stand<strong>in</strong>gofthatcaseaspossible.[…]Inkeep<strong>in</strong>gwithotherap<br />
proaches<strong>in</strong>qualitativeresearch,thecasestudyaimstoun<strong>der</strong>standthecase<strong>in</strong>depth,<br />
and <strong>in</strong> is natural sett<strong>in</strong>g, recogniz<strong>in</strong>g is complexity and its context“ (Punch, 2005,<br />
S.144).Esgehtume<strong>in</strong>ePlausibilisierung<strong>der</strong>eigenentheoretischenArbeit.„Überge<br />
ordnetesZiele<strong>in</strong>erPlausibilisierungiste<strong>in</strong>eÜbertragung<strong>der</strong>bisherigen,theoretischen<br />
Ausführungen<strong>in</strong>e<strong>in</strong>e‚praktische‘SprachundGedankenwelt.Plausibelme<strong>in</strong>tdabei<br />
‚e<strong>in</strong>leuchtend‘ und Plausibilisierung etwas glaubhaft vermitteln o<strong>der</strong> zu verstehen<br />
geben.E<strong>in</strong>ePlausibilisierungstelltsomitdieargumentativeAbsicherunggewonnener<br />
Erkenntnissedar.AdressatendieserArbeitsollessoerlaubtwerden,ebendieseEr<br />
kenntnisse im konkreten Anwendungsfall zu verstehen, um ihren Nutzen (für sich)<br />
beurteilenzukönnen“(Fun<strong>der</strong>,2007,S.242).DasVerständnisdesFallswirddurchdie<br />
Nutzung <strong>der</strong> erarbeiteten Theorie und e<strong>in</strong>e „möglichst detaillierte und möglichst<br />
sorgfältige <strong>St</strong>udie“ durch die Beschreibung <strong>der</strong> vorliegenden Verhältnisse erreicht<br />
(vgl. <strong>St</strong>ier, 1999, S.232). Durch die Fallstudie werden ke<strong>in</strong>e neuen Erkenntnisse ge<br />
wonnen,son<strong>der</strong>ndiebestehendenErkenntnissewerdenzurLösunge<strong>in</strong>eskonkreten<br />
Problemsverwendet.DamitistdaskonkreteZieldieserArbeitangesprochen.Esgeht<br />
nicht nur um das Philosophieren und Beschreiben, son<strong>der</strong>n auch um das Handeln.<br />
„DiejüngsteFormdesvondene<strong>in</strong>zelnennaturundsozialwissenschaftlichenDiszip<br />
l<strong>in</strong>enproduziertenWissensalsunmittelbareProduktivkraftkönnteHandlungswissen<br />
genanntwerden,wobeiWissene<strong>in</strong>eunmittelbareFähigkeitzumHandelne<strong>in</strong>schliess<br />
lich<strong>der</strong>KapazitätzurKonstruktionzusätzlichenWissensrepräsentiert“(<strong>St</strong>ehr,2001,<br />
S.89).
DieFallstudieiststrenggenommene<strong>in</strong>eForschungsstrategieundke<strong>in</strong>eForschungs<br />
methodik.AlsMethode<strong>in</strong>nerhalb<strong>der</strong>Fallstudiebietetsichnebendem<strong>St</strong>udium<strong>der</strong><br />
Dokumente das Experten<strong>in</strong>terview als Spezialfall des LeitfadenInterviews an (vgl.<br />
Flick,2006,S.190).DieDatenwerdendabeiwiegesagtnichtzumHerleiteno<strong>der</strong>Be<br />
weisene<strong>in</strong>erTheorie,son<strong>der</strong>nzurIllustrationdestheoretischenTeilsgewonnen.Als<br />
Experten gelten Menschen, „die e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>es Wissen über soziale Sachverhalte<br />
besitzen,undExperten<strong>in</strong>terviewss<strong>in</strong>de<strong>in</strong>eMethode,diesesWissenzuerschliessen“<br />
(Gläser&Laudel,2004,S.10).DieExpertenwerdenalsMediumverstanden,„durch<br />
das <strong>der</strong> Sozialwissenschaftler Wissen über e<strong>in</strong>en ihn <strong>in</strong>teressierenden Sachverhalt<br />
erlangenwill.[…]DieExpertenhabene<strong>in</strong>ebeson<strong>der</strong>e,mituntersogarexklusive<strong>St</strong>el<br />
lung<strong>in</strong>demsozialenKontext,denwiruntersuchenwollen“(ebd.,S.10).Imvorliegen<br />
denFallgel<strong>in</strong>gtesmitdenExperten<strong>in</strong>terviewsnichtnurtiefgründigeInformationen<br />
zu verschiedenen Aspekten des <strong>Management</strong>s e<strong>in</strong>er Organisation zu sammeln. Die<br />
befragten Experten s<strong>in</strong>d auch Experten für die Zustandsbeschreibung des Systems<br />
<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>.DieExpertens<strong>in</strong>dimmerGesprächspartnerfürmanagement<br />
theoretischeundpädagogischdidaktischeFragestellungen.<br />
DieAuswahl<strong>der</strong>Expertenfolgte<strong>in</strong>erbewusstenAuswahlbzw.e<strong>in</strong>emtheoretischen<br />
Sampl<strong>in</strong>g(vgl.Merkens,2005).Eswirdke<strong>in</strong>e<strong>St</strong>ichprobegezogen,dieBefragtenwer<br />
denaufgrundihrerMerkmale,imvorliegendenFalleaufgrundihresWissensausge<br />
wählt.DastheoretischeSampl<strong>in</strong>ggehtaufdieGroundedTheoryvonGlaser&<strong>St</strong>rauss<br />
(2005)zurück.„TheoretischesSampl<strong>in</strong>gwird<strong>in</strong><strong>der</strong>Absichtdurchgeführt,Kategorien<br />
undihreEigenschaftenzuentdeckenunddas<strong>in</strong>terneBeziehungsgefügee<strong>in</strong>erTheorie<br />
zuentwerfen“(ebd.,S.70).AlsSpezialfall<strong>der</strong>bewusstenAuswahlgiltdasBestimmen<br />
<strong>der</strong> Experten nach dem Konzentrationspr<strong>in</strong>zip (Kromrey, 2006, S.284). „Hierbei be<br />
schränktmandieErhebungaufdiefürdenUntersuchungsgegenstandbeson<strong>der</strong>s‚<strong>in</strong>s<br />
Gewicht fallenden‘ Fälle“ (ebd., S.284). Für die vorliegende Arbeit fallen diejenigen<br />
Experten <strong>in</strong>s Gewicht, die aufgrund ihrer Forschung e<strong>in</strong>e Schlüsselposition <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
(Weiter)Entwicklungdes<strong>St</strong>.Galler<strong>Management</strong>modellse<strong>in</strong>nehmen.Esfallendieje<br />
nigen Experten <strong>in</strong>s Gewicht, die an <strong>der</strong> systemorientierten <strong>Management</strong>lehre for<br />
schen.EsfallendiejenigenExperten<strong>in</strong>sGewicht,welchedas<strong>St</strong>udium<strong>der</strong>Betriebs<br />
wirtschaftweiterentwickeln.<br />
DieBefragungendetimtheoretischenSampl<strong>in</strong>g,wennsichbeimForschere<strong>in</strong>subjek<br />
tivesGefühl<strong>der</strong>Sättigunge<strong>in</strong>stellt.„DasKriteriumumzubeurteilen,wannmitdem<br />
Sampl<strong>in</strong>g (je Kategorie) aufgehört werden kann, ist die theoretische Sättigung <strong>der</strong><br />
25
26<br />
Kategorie.[…]ManerreichttheoretischeSättigungdurchparallelesErhebenundAna<br />
lysieren<strong>der</strong>Daten.[…]KommteszurSättigung,wird<strong>der</strong>Forscher<strong>in</strong>allerRegelfest<br />
stellen,dassirgende<strong>in</strong>e,schonvorheridentifizierteLücke<strong>in</strong>se<strong>in</strong>erTheoriefast,wenn<br />
nichtganzgefülltwordenist.UmdieSättigungzuerreichen,maximierterdieDiffe<br />
renzen<strong>in</strong>se<strong>in</strong>enGruppen,d.h.ersteigertdieVerschiedenheit<strong>der</strong>jenigenDaten,die<br />
sich auf e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zelne Kategorie beziehen. Auf diese Weise entwickelt ermöglichst<br />
vieleEigenschaftense<strong>in</strong>erKategorie.DassdieSättigungerreichtist,bezeugte<strong>in</strong>theo<br />
retischsensiblerBlickaufdieempirischenGrenzen<strong>der</strong>Daten,dieIntegrationsowie<br />
dieDichte<strong>der</strong>Theorie“(Glaser&<strong>St</strong>rauss,2005,S.69).DasGefühl<strong>der</strong>Sättigungent<br />
spricht dem Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> <strong>St</strong>abilität. Zwischen theoretischer Erwartung und methodi<br />
schemFeedbacksolltesichdieDifferenzimForschungsprozessnachundnachver<br />
kle<strong>in</strong>ern (vgl. Moser, 2004, S.19ff.). Das Gefühl <strong>der</strong> Sättigung stellt sich dann e<strong>in</strong>,<br />
wenn man glaubt, mit den momentan verfügbaren Mitteln das Mögliche ausge<br />
schöpftzuhaben,wennalsozusätzlichErkenntnissenurdurcherheblichenMehrauf<br />
wandzugew<strong>in</strong>nenwären.<br />
DasExperten<strong>in</strong>terviewsetztsichausmehrerenoffenenFragestellungenzusammen.<br />
Bei <strong>der</strong> Konstruktion des Leitfadens müssen verschiedene Pr<strong>in</strong>zipien beachtet wer<br />
den.SoweistFlick(2006)daraufh<strong>in</strong>,dass<strong>der</strong>komplexeWissensbestand<strong>der</strong>Exper<br />
tensowohlausexplizitemalsauchausimplizitemWissenbesteht,„für<strong>der</strong>enArtiku<br />
lierunger[<strong>der</strong>Befragte]durchmethodischeHilfenunterstütztwerdensollte“(S.127).<br />
DemForschergel<strong>in</strong>gtesimOptimalfall,demExpertenGedankenzuentlocken,dieer<br />
selber noch nicht versprachlicht hat. Dafür können Visualisierungsmittel und <br />
technikene<strong>in</strong>gesetztwerden,umdasVerständniszusynchronisierenunddieErgeb<br />
nissezusichern.ImvorliegendenFalles<strong>in</strong>ddamitEntwürfedes<strong>Management</strong>modells<br />
unddesCurriculumsgeme<strong>in</strong>t.Bei<strong>der</strong>Reihenfolge<strong>der</strong>Fragens<strong>in</strong>ddieAuswirkungen<br />
desAusstrahlungseffekteszuverh<strong>in</strong><strong>der</strong>n(Kromrey,2006,S.385).„JedeFragebildet<br />
fürdienachfolgendendenBezugsrahmen,siestelltdenH<strong>in</strong>tergrundfürdasweitere<br />
Gesprächdar,sie‚strahltaus‘aufdieweitereGesprächsführung.[…]DieTatsachedes<br />
Ausstrahlungseffektesnutztmangezieltbei<strong>der</strong>Trichterung:Mitallgeme<strong>in</strong>enFragen<br />
wirde<strong>in</strong>Themae<strong>in</strong>geführt,mitimmerspeziellerenFragengehtmanschliesslichbis<strong>in</strong><br />
E<strong>in</strong>zelaspektedesProblems“(ebd.,S.385).DasPr<strong>in</strong>zipkannaufdieAnweisung„vom<br />
Allgeme<strong>in</strong>enzumSpeziellen“reduziertwerden.DiesesPr<strong>in</strong>zipistnichtnur<strong>in</strong>nerhalb<br />
e<strong>in</strong>zelnerFragenkomplexe,son<strong>der</strong>nbei<strong>der</strong>sogenannten„Makroplanung“(vgl.ebd.,<br />
S.386) auch bei <strong>der</strong>Placierungvon ganzen Fragenkomplexen <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Inter
viewszuberücksichtigen.FürdieEntwicklungdesLeitfadenswurdedemAufbau<strong>der</strong><br />
Arbeitgefolgt.Dasheisst,dassausgehendvongesellschaftlichenEntwicklungennach<br />
Konsequenzenfürdas<strong>Management</strong>gefragtwurdeunddieseZwischenerkenntnisse<br />
wie<strong>der</strong>zumAusgangspunkt<strong>der</strong>ReflexionmöglicherKonsequenzenfürdas<strong>St</strong>udium<br />
<strong>der</strong>Betriebswirtschaftslehregemachtwurden.AbschliessendsolltendieErkenntnisse<br />
auf das Fallbeispiel <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> angewandt werden. Hier galt es den ge<br />
wachsenenZustandbesserzuverstehenundmöglicheEntwicklungsrichtungenken<br />
nenzulernen.<br />
Im Anschluss an die Befragungen wurden die Interviews mit Hilfe <strong>der</strong> Software f4<br />
vollständig transkribiert. Dieser Auswertungsschritt ermöglicht durch die <strong>in</strong>tensive<br />
SichtungunddieschriftlicheFixierunge<strong>in</strong>etiefereDurchdr<strong>in</strong>gung<strong>der</strong>Datenunde<strong>in</strong>e<br />
genauere Erfassung <strong>der</strong> Beson<strong>der</strong>heiten e<strong>in</strong>es Gespräches (vgl. Kowal & O’Connell,<br />
2005). Zu den zehn speziell für die Dissertation geführten Interviews wurden zwei<br />
weitereInterviewszurDatenbasish<strong>in</strong>zugefügt,dieich2005fürme<strong>in</strong>eMasterarbeit<br />
geführt hatte.Die Software atlas.ti diente dazu, die Interviews auszuwerten. Dabei<br />
wurdendieInterviews<strong>in</strong>duktivunddeduktivkodiert.Währenddie<strong>in</strong>duktivenCodes<br />
def<strong>in</strong>itionsgemäss aus dem Text heraus geborgen wurden, diente die <strong>St</strong>ruktur <strong>der</strong><br />
vorliegendenArbeitdazu,diededuktivenCodeszugew<strong>in</strong>nen.DiedoppelteKodierung<br />
solltehelfen,sovielwiemöglichausdengewonnenDatenherauszulesen.Nach<strong>der</strong><br />
Kodierungwurdendie<strong>in</strong>denInterviewsmarkiertenAussagen<strong>in</strong>denTexte<strong>in</strong>gearbei<br />
tet.FürdieE<strong>in</strong>arbeitungwurdendieZitatesoumformuliert,dasssiedensprachlichen<br />
AnsprüchendieserArbeitgerechtwerden.<br />
Zuletztseien<strong>der</strong>Verwertungszusammenhang,die„Effektee<strong>in</strong>erUntersuchung“,„ihr<br />
BeitragzurLösungdesanfangsgestelltenProblems“konkretisiert(Friedrichs,1977,<br />
zit.<strong>in</strong>Kromrey,2006).AngestrebtesErgebnisdieserAuse<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungist<strong>in</strong>e<strong>in</strong>em<br />
erstenSchrittdieSkizzierunge<strong>in</strong>eszurDenkundDeutungsweise<strong>der</strong>Multioptionsge<br />
sellschaftpassenden<strong>Management</strong>modells.Se<strong>in</strong>Zweckliegt<strong>in</strong><strong>der</strong>Visualisierung<strong>der</strong><br />
Zusammenhängezwischendene<strong>in</strong>zelnenSystemebenenbzw.demKonzept<strong>der</strong>Iden<br />
tität sowie <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>St</strong>rukturierung <strong>der</strong> Inhalte e<strong>in</strong>es Curriculums <strong>der</strong> Betriebswirt<br />
schaftslehre<strong>in</strong><strong>der</strong>reifen<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>.DasModellbildetdieGrundlage,<br />
umdieReflexionenüberdasBetriebswirtschafsstudiumzubeg<strong>in</strong>nen.Dazuwird,ba<br />
sierend auf den Reflexionen zum <strong>Management</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Multioptionsgesellschaft</strong> und<br />
zumproblemorientiertenLernen,e<strong>in</strong>Manifestpräsentiert,dasme<strong>in</strong>enVorstellungen<br />
desBetriebswirtschaftsstudiums<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>entspricht.Damitist<br />
27
28<br />
dieOptikvorgestellt,mit<strong>der</strong>dasBeispiel<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>untersuchtwird.Das<br />
Verwertungsziel<strong>der</strong>Arbeitliegt<strong>in</strong><strong>der</strong>GenerierungvonVorschlägen,wiedieUniver<br />
sität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> ihr Betriebswirtschaftsstudium an dieHerausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> reifen<br />
<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>anpassenkönnte.AlsZielpublikum<strong>der</strong>ArbeitwerdenVer<br />
antwortlicheangesprochen,dievor<strong>der</strong>Weiterentwicklunge<strong>in</strong>esbetriebswirtschaftli<br />
chen<strong>St</strong>udiengangsstehen.<br />
Als Fazit dieses ersten Kapitels werden die Qualitätskriterien präsentiert, die diese<br />
Arbeitansichstellt.DieArbeitverstehtsichalsRundschaudurchsoziologische,ma<br />
nagementundbildungstheoretischeQuellen.DieFragestellungwurdebewusstbreit<br />
gewählt,ummöglichstvieleAspekte<strong>der</strong>WeiterentwicklungdesBetriebswirtschafts<br />
studiumszuberücksichtigen.Eswirddeshalbnichtmöglichse<strong>in</strong>,allendazugehörigen<br />
Diskursen<strong>in</strong><strong>der</strong>fürdieUntersuchunge<strong>in</strong>erengenFragestellungnotwendigenGründ<br />
lichkeitnachzugehen.ImVor<strong>der</strong>grundstehenZusammenhängeundke<strong>in</strong>eDetails.Im<br />
Vor<strong>der</strong>grundstehtdieZukunftundnichtdieVergangenheit.ImVor<strong>der</strong>grundstehtdie<br />
Beratung<strong>der</strong>Praxis,nichtdieWeiterentwicklung<strong>der</strong>Theorie.DieArbeitwilleigen<br />
ständig und neuartig se<strong>in</strong>. Durch das Bekenntnis zu e<strong>in</strong>er konstruktivistischen und<br />
pluralistischenWissenschaft2.0erlaubtessichdieseArbeitsubjektivundnormativ<br />
zuargumentieren.Eswäreallerd<strong>in</strong>gse<strong>in</strong>eIllusionzuglauben,dass<strong>Management</strong>the<br />
orieundHochschulentwicklungohneWerturteilemöglichwären.DieArbeitwirdsich<br />
deshalb bemühen, die persönlichen Vorstellungen <strong>der</strong> Zukunft durch die vielseitige<br />
VerwendungvonQuellensowiee<strong>in</strong>etransparenteArgumentationnachvollziehbarzu<br />
machenundpersönlicheUrteilezukennzeichnen.Auchdieswirdnichtimmergel<strong>in</strong><br />
gen. Die Arbeit will konkrete Vorschläge zur Weiterentwicklung des Betriebswirt<br />
schaftsstudiums liefern. Das Unterfangen gel<strong>in</strong>gt dann, wenn die Adressaten hier<br />
entwickelteIdeenfürdiskussionswürdighaltenundimOptimalfall<strong>in</strong>diePraxisum<br />
setzen.
2. IdentitätsarbeitdesIndividuums<br />
2.1. Verän<strong>der</strong>teAusgangslage<br />
In<strong>der</strong>FolgewirddieIndividualisierungalszentraleVerän<strong>der</strong>ung<strong>in</strong><strong>der</strong>Mo<strong>der</strong>nisie<br />
rung<strong>der</strong>Gesellschaftbehandelt.DieseAnnahmewirddeshalbgetroffen,weildieEr<br />
höhung<strong>der</strong>KomplexitätdesmenschlichenLebens<strong>in</strong>dieserArbeitaus<strong>der</strong>Optikdes<br />
e<strong>in</strong>zelnenMenschenbeschriebenwird.FürdiesenistdieIndividualisierungalse<strong>in</strong>e<br />
<strong>der</strong>dreiGross’schenTransformationskräfte(vgl.Gross,2003)ambestenspürbar.Die<br />
Arbeit argumentiert e<strong>in</strong>erseits aus <strong>der</strong> Sicht von Kunden und Mitarbeitenden, um<br />
verän<strong>der</strong>te<strong>Management</strong>aufgabenzuskizzieren,an<strong>der</strong>seitsaus<strong>der</strong>Sicht<strong>der</strong><strong>St</strong>udie<br />
renden,ume<strong>in</strong>verän<strong>der</strong>tesBetriebswirtschaftsstudiumzuentwerfen.Kunden,Mit<br />
arbeitendeund<strong>St</strong>udierendes<strong>in</strong>dwieallean<strong>der</strong>enMenschenumdieHerstellungvon<br />
Identitätbemüht,um<strong>in</strong><strong>der</strong>Unübersichtlichkeit<strong>der</strong>OptionenfürOrdnungzusorgen.<br />
FürdieEntwicklunge<strong>in</strong>es<strong>Management</strong>modellsunde<strong>in</strong>esdazugehörigenCurriculums<br />
ersche<strong>in</strong>tesunumgänglich,dasKonzept<strong>der</strong>Identitätundse<strong>in</strong>ealltäglichenKonse<br />
quenzenzuverstehen.Bei<strong>der</strong>Schil<strong>der</strong>ung<strong>der</strong>menschlichenIdentitätsarbeitwirdauf<br />
e<strong>in</strong>Vorgehenverzichtet,dasunterschiedlicheDef<strong>in</strong>itionsmöglichkeiten<strong>der</strong>Identität<br />
ane<strong>in</strong>an<strong>der</strong>reiht(vgl.Zima,2007;Zirfas&Jörissen,2007).VielmehrsollendieLeser<br />
durchdasnarrativeVerknüpfenvonausgewähltenAspektene<strong>in</strong>GespürfürdieAuf<br />
gabenundBedürfnissedesIndividuumsentwickelnundsichmehrundmehr<strong>in</strong>die<br />
IdentitätsarbeitvonKund<strong>in</strong>,Mitarbeiter<strong>in</strong>und<strong>St</strong>udent<strong>in</strong>e<strong>in</strong>fühlenkönnen.<br />
ZuerstseidieIndividualisierungetwasallgeme<strong>in</strong>erreflektiert.Siebeschreibte<strong>in</strong>sich<br />
verän<strong>der</strong>ndesVerhältniszwischendemIndividuumundse<strong>in</strong>enGesellschaften.Elias<br />
(2003)sprichtstattvon<strong>der</strong>Gesellschaftvon<strong>der</strong>Gesellschaft<strong>der</strong>Individuen.„Indivi<br />
dualisierungistzunächstdieganzallgeme<strong>in</strong>esoziologischeBeschreibungvonVerän<br />
<strong>der</strong>ungen<strong>in</strong><strong>der</strong>RelationvonIndividuumundGesellschaftundzugleich<strong>der</strong>Versuch<br />
<strong>der</strong>ErklärungdieserVerän<strong>der</strong>ungen“(Kron,2002,S.257).DasIndividuumistgleich<br />
zeitigOpferundGestalter<strong>der</strong>gesellschaftlichenDynamik(vgl.Schimank,2002a).Es<br />
steht<strong>der</strong>IndividualisierungnichtnuralspassivesOpfergegenüber.ImGegenteil,es<br />
zeichnetsichauchaktivfürsieverantwortlich.„Gesellschaftliche<strong>St</strong>rukturenprägen<br />
dasHandeln,daswie<strong>der</strong>um–alshandelndesZusammenwirkenmehrererIndividuen<br />
– die <strong>St</strong>rukturen aufbaut, erhält o<strong>der</strong> verän<strong>der</strong>t“ (ebd., S.369). Obwohl das Grund<br />
muster<strong>der</strong>Individualisierung,dieWechselwirkungzwischenIndividuumundGesell<br />
schaft sowie die damit verbundene Selbstverstärkung <strong>der</strong> Individualisierung schnell<br />
29
30<br />
erkannts<strong>in</strong>d,bleibtzunächstoffen,wash<strong>in</strong>ter<strong>der</strong>B<strong>in</strong>senwahrheit<strong>der</strong>Individualisie<br />
rungsteckt.Siewirdunterschiedlichbewertet,beurteiltundbegründet.<br />
NachKron(2002) gibt estrotz Unterschiedlichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beschreibung undBewer<br />
tunge<strong>in</strong>encommonsense<strong>in</strong><strong>der</strong>Theoretisierung<strong>der</strong>Individualisierung.Sieumfasst<br />
diePluralisierung<strong>der</strong>WerteunddiesozialeDifferenzierung(ebd.,S.271).BeideFa<br />
cettenführenzue<strong>in</strong>erErweiterungdes<strong>in</strong>dividuellenHandlungsraums.„Nebenneuen<br />
Facetten<strong>der</strong>Selbstbestimmtheituntersteht<strong>der</strong>E<strong>in</strong>zelneimWandel<strong>der</strong>Verhältnisse<br />
neuenAbhängigkeiten,neuartigenUnterordnungsverhältnisseno<strong>der</strong>,überspitztfor<br />
muliert,e<strong>in</strong>ermo<strong>der</strong>nenForm<strong>der</strong>Versklavung“(ebd.,S.271).DieVersklavungbedeu<br />
tet die Auffor<strong>der</strong>ung zur selbstständigen Herstellung von Identität. Das Individuum<br />
mussalle<strong>in</strong>ezurechtkommenundwirdzume<strong>in</strong>samenKämpfer<strong>in</strong>mitten<strong>der</strong>ausdiffe<br />
renziertengesellschaftlichenSysteme.DasersteTeilkapitelsetztsichmitdieserVer<br />
sklavungause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>undzeigt,dassdieIdentitätsarbeitGefahrenmitsichbr<strong>in</strong>gt,die<br />
imFortgang<strong>der</strong>ArgumentationdenGrundfürdiezunehmendeAbhängigkeit<strong>der</strong>In<br />
dividuenvonihrenOrganisationendarstellt.<br />
Die Individualisierung ist als Folge <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung kaum bestritten und wird<br />
dementsprechend von vielen Autoren thematisiert (vgl. die Überblickswerke von<br />
Volkmann&Schimank,2002;Schimank&Volkmann,2000;Pongs,2004).DieTheo<br />
rien<strong>der</strong>Individualisierungunterscheidensichweniger<strong>in</strong><strong>der</strong>Beschreibungals<strong>in</strong>ihrer<br />
Begründung(vgl.Kron,2002).Innerhalb<strong>der</strong>TheorienfolgtdieseArbeitdenAusfüh<br />
rungen von Peter Gross (vgl. <strong>in</strong>sb. 2007; 1999; 1994). Der Entscheid für Gross fällt<br />
deshalb,weilsichse<strong>in</strong>eBeschreibungendurchdiemetaphorischeSprachevonpsy<br />
chologischtheoretischen Konzepten lösen. Die Metapher <strong>der</strong> Ichjagd ermöglicht es<br />
zudem, die JanusköpfigkeitdesIchjägers zu zeigen. Das Herstellen von Identität ist<br />
gleichzeitig Genuss und Zwang. Durch den Rückgriff auf die GrossTrilogie wird es<br />
schliesslichmöglich,aufe<strong>in</strong>e<strong>in</strong>sichgeschlosseneArgumentationskettezurückzugrei<br />
fen.NachGrossführenEntobligationierungundOptionierungdieIndividualisierung<br />
alsdritteTransformationskraft<strong>der</strong>Mo<strong>der</strong>nisierungmitsich(vgl.Gross,2003;2007a).<br />
„Das mit Individualisierung überschriebene Epizentrum dieser Mo<strong>der</strong>nisierungsdy<br />
namiksetztdenMenschenausse<strong>in</strong>enüberkommenenB<strong>in</strong>dungenundVorgabenfrei<br />
und<strong>in</strong>e<strong>in</strong>eÜberfüllevonMöglichkeiten,dieihnumstellenundlockenundzw<strong>in</strong>gen,<br />
se<strong>in</strong>Leben<strong>in</strong>dieeigenenHändezunehmen“(Gross,2003,S.45).
IndividualisierungwirdbeiGross(2007)metaphysischgedeutet.Erargumentiertmit<br />
<strong>der</strong>VertreibungdesMenschenausdemGartenEden.DasLoslösenvonGottzw<strong>in</strong>gt<br />
den Menschen, die gottgegebenen Selbstverständlichkeiten durch Erkenntnisse zu<br />
ersetzen.„Jedenfallsmuss<strong>der</strong>Mensch,weilermitdenkärglichenMusterndesihm<br />
zurVerfügungstehenden<strong>in</strong>st<strong>in</strong>ktivenVerhaltensnichtauskommt,mehralsjedesTier<br />
durch das, was er selbst erfährt und erkennt o<strong>der</strong> – noch häufiger – von an<strong>der</strong>en<br />
lernt,ausdiesenVorgabenaufbrechen.Sogelangterzue<strong>in</strong>erOffenheit<strong>der</strong>Weltge<br />
genüber, die ihn vom Tier unterscheidet“ (Keller, 2006, S.11). In dieser Offenheit<br />
strebt<strong>der</strong>MenschnachSelbstverständlichkeit.Se<strong>in</strong>eIdentitätwirdnichtmehrvom<br />
Schicksal zur Verfügung gestellt. Der Mensch beg<strong>in</strong>nt nach sich selber zu suchen.<br />
Durch diese Suchestrebt <strong>der</strong> Flüchtl<strong>in</strong>g Mensch danach, sich und se<strong>in</strong>e Umwelt zu<br />
verän<strong>der</strong>n.„DenMenschenallerZeitenhatdieWirklichkeit,wiesieist,nichtgenügt.<br />
Sieimag<strong>in</strong>ierten,erträumtenun<strong>der</strong>hofftenan<strong>der</strong>eWelten“(ebd.,S.1).ImZuge<strong>der</strong><br />
EntobligationierungverlierendieMenschendenGlaubenane<strong>in</strong>eWeltnachdemTod<br />
unddamitane<strong>in</strong>eendgültigeErlösungvonihrenLeidenaufErdendurche<strong>in</strong>engnädi<br />
genErlöser.Gottwirdfürtoterklärt,abererstnachundnachwerdendemMensch<br />
wesen die Konsequenzen dieses langsamen Mordes bewusst. Dies beschrieb Nietz<br />
schebereitsvorlangerZeit.„Woh<strong>in</strong>bewegenwiruns?FortvonallenSonnen?<strong>St</strong>ürzen<br />
wirnichtfortwährend?Undrückwärts,seitwärts,vorwärts,nachallenSeiten?Gibtes<br />
noche<strong>in</strong>Obenunde<strong>in</strong>Unten?Irrenwirnichtallewiedurche<strong>in</strong>unendlichesNichts?<br />
Hauchtunsnicht<strong>der</strong>leereRauman?Istesnichtkältergeworden?Kommtnichtim<br />
merfortdieNachtundmehrNacht?“(Nietzsche,2005,S.514).<br />
Die meisten von uns s<strong>in</strong>d sich eher unbewusst bewusst, dass die metaphysische<br />
Nachte<strong>in</strong>treuerBegleiter<strong>der</strong>mo<strong>der</strong>nenZeitengewordenist.In<strong>der</strong>Verunsicherung<br />
rufenwirseltennache<strong>in</strong>emerlösendenGott.Wirwissennichto<strong>der</strong>wollennichtwis<br />
sen,welcheSicherheitendasGottvertrauendenMenschenfrühergestiftethat.„Mit<br />
dem Verschw<strong>in</strong>den <strong>der</strong> Transzendenz beg<strong>in</strong>nt die Suche nach Immanenz, mit dem<br />
Nie<strong>der</strong>gangGotteserhebtsichGottimMenschen.Aus<strong>der</strong>göttlichenVorsehungwird<br />
menschlicheVorsicht.DieWeltwillsichselbstwerdenund<strong>der</strong>Menschsichsteigern,<br />
überbieten, vervollkommnen. Der mo<strong>der</strong>ne Mensch sucht se<strong>in</strong> Glück <strong>in</strong> <strong>der</strong> Imma<br />
nenz, im Bereich des von ihm Mach und Überblickbaren. Nicht mehr religiös<br />
geistigesHeil,son<strong>der</strong>nmateriellesHeil,nichtmehrRechtfertigungimGlauben,son<br />
<strong>der</strong>nsozialeGerechtigkeitundAusgleichschiebensich<strong>in</strong>denVor<strong>der</strong>grund.Dasmo<br />
<strong>der</strong>neZeitalter,dasglobalausgreift,suchtsichse<strong>in</strong>eErfüllungimDiesseits.DieHim<br />
31
32<br />
melsleiter,auf<strong>der</strong>Engelaufundabstiegen,wirdabgesenkt.Sief<strong>in</strong>detobenke<strong>in</strong>en<br />
Haltmehr.Siefälltundwirdzum<strong>St</strong>eg<strong>in</strong>dieZukunft“(Gross,2007,S.21).DasIndivi<br />
duumsuchtse<strong>in</strong>Heil<strong>in</strong><strong>der</strong>Zukunft.DerMarschbefehl<strong>in</strong>bessereZeitenwirdselbst<br />
verfasst.DasSchicksalistselbstbestimmt.ManvertrautstattGottaufsichselber.<br />
DerZukunftentgegeneilend,istdasIndividuumzuerstmitsichselbstbeschäftigt.Die<br />
Obligationen,diee<strong>in</strong>stdenWeg<strong>in</strong>dieZukunftvorgeschriebenhaben,s<strong>in</strong>dverfallen<br />
undvertrieben.„Diemo<strong>der</strong>neGesellschaft,diezum<strong>in</strong>destpotentielle<strong>in</strong>eMultiopti<br />
onsgesellschaftist,diesichZugumZugausdenNotwendigkeitenherausgearbeitet<br />
undherausgeschälthat,öffnetundöffnetsichun<strong>der</strong>zw<strong>in</strong>gtdas<strong>St</strong>rampeln<strong>in</strong>Mög<br />
lichkeiten,dasImprovisieren,WählenundProbieren,währendsiedasAusführenund<br />
Kooperierenh<strong>in</strong>tanstelltundexorziert.Eslässtsichausserdembehaupten,dassim<br />
mer,wenndieMöglichkeitengegenüberdenNotwendigkeitenhervorund<strong>in</strong>sLeben<br />
treten,<strong>der</strong> Mensch auf sich selber verwiesenwird, sich aufdas zurückwendet, e<strong>in</strong>e<br />
PartiturimInnernsuchtunde<strong>in</strong>eInnenweltentwickelt,umklarzukommenmit<strong>der</strong><br />
Aussenwelt“(Gross,1999,S.9).InsofernistdasLoslaufen<strong>in</strong>dieZukunfte<strong>in</strong>Loslaufen<br />
<strong>in</strong> die <strong>in</strong>time Innenwelt. Die Antworten auf die drängenden Fragen, auf die bedro<br />
henden Unsicherheiten werden im Innern gesucht. Die Komplexität wird <strong>in</strong>nerlich<br />
bewältigt. Individualisierung heisst für das Individuum, sich selber organisieren zu<br />
müssen.Folge<strong>der</strong>Herabsenkung<strong>der</strong>Himmelsleiteriste<strong>in</strong>Individuum,dassichselbst<br />
zumReferenzpunktmachtund<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erendlosenIchjagdnachsichselbersucht.„An<br />
gesagtistnichtnurSelbsterkenntnis,son<strong>der</strong>nIchEmpf<strong>in</strong>dungundIchjagd,die<strong>in</strong>divi<br />
duelle Ichjagd, e<strong>in</strong>e Art Bl<strong>in</strong>dekuhSpiel mit sich selbst, e<strong>in</strong> Selbstb<strong>in</strong>dungs und<br />
Selbstverwirklichungsroman, denn das vorweggesandte Ich ist wie verschwunden,<br />
verschlucktvon<strong>der</strong>Leere<strong>der</strong>Zukunft,dieleuchtetund<strong>der</strong>sichdasIchwiee<strong>in</strong>eSon<br />
nenblume<strong>der</strong>Sonneentgegenundnachreckt“(Gross,1999,S.33).<br />
DieIchjagd,dieSuchenach<strong>der</strong>eigenenIdentität,wirddannerfundenundplötzlich<br />
lebenswichtig, wenn das Individuum vom Mangel an def<strong>in</strong>ierenden <strong>St</strong>rukturen zur<br />
Selbstreflexiongezwungenwird.DasIndividuumistdurchse<strong>in</strong>eTriebe,durchgesell<br />
schaftlicheSelbstverständlichkeitenunddurchse<strong>in</strong>Gottvertrauennichtmehre<strong>in</strong>deu<br />
tig identifiziert. Wer b<strong>in</strong> ich, und wer will ich se<strong>in</strong>? Die Selbstreflexion bleibt im<br />
menschlichenLebenohneEnde.Identitätwirddadurchnegativdef<strong>in</strong>iert.DasGefühl<br />
<strong>der</strong>Identitätistnichtmehralse<strong>in</strong>everlockendeVersuchung.Dennerledigtwirddas<br />
IcherstaufdemTotenbett.„Identitätkonstituiertsichdann–paradoxformuliert–
alsdauerhafteÜbergangslösung“(Schimank,2002,S.84).„Sieiste<strong>in</strong>endloserSelbst<br />
entwurfundSelbstversuch“(Gross,1999,S.250).DernegativeDef<strong>in</strong>itionsansatzwird<br />
dadurchunterstrichen,dass<strong>in</strong><strong>der</strong>Ichjagdimmere<strong>in</strong>eDifferenzverbleibt.Zwischen<br />
dem, was wir s<strong>in</strong>d, und dem, was wir se<strong>in</strong> wollen o<strong>der</strong> se<strong>in</strong> könnten, verbleibt e<strong>in</strong><br />
Zwischenraum.„Aberwie<strong>in</strong>denaktivistischen,dasJenseits<strong>in</strong><strong>der</strong>Zukunfttemporali<br />
sierendenVariantendesFuturismusgerätdieSelbstbefassung<strong>in</strong>e<strong>in</strong>eendloseAusei<br />
nan<strong>der</strong>setzungund<strong>in</strong>e<strong>in</strong>eendloseJagdmitdengesehenenundversprochenenMög<br />
lichkeiten.DasSelbstlöstsichnichtwiee<strong>in</strong>Kreuzworträtselauf,son<strong>der</strong>nbleibtsich<br />
selbsträtselhaftundwirdsich,jetieferesexploriertundausgespähtwird,umsoge<br />
heimnisvoller. Das Ich wird zum unentwirrbaren Knäuel, <strong>der</strong> die Wucherungen <strong>der</strong><br />
zivilisatorischen Errungenschaften spiegelt. Je hartnäckiger die Welt gemanagt und<br />
gemacht werden will, desto kont<strong>in</strong>genter, verzweigter, unvorhersehbarer wird sie.<br />
UndjefesterdasIchsichselbstzumanagenversucht,destomehrentgleitetessich“<br />
(Gross,2007,S.42).Dasmo<strong>der</strong>neIndividuumdroht<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erverzweifeltenSelbstver<br />
steifung,<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erausweglosenIchstarrezuverharren.<br />
DasfragileIndividuumzeigtsichdemPublikumdeshalb<strong>in</strong><strong>der</strong>DoppelrolledesJägers<br />
unddesGejagten.DieMetaphersymbolisiertdieAmbivalenz<strong>der</strong>Möglichkeiten.Es<br />
darf,esmussaberauchgewähltwerden.Esdarf,esmussaberauche<strong>in</strong>eIdentität<strong>in</strong><br />
Eigenregiehergestelltwerden.„DieMetaphervon<strong>der</strong>IchJagdmussmite<strong>in</strong>emAb<br />
standzwischene<strong>in</strong>emIch,dasjagt,o<strong>der</strong>e<strong>in</strong>emIch,dasgejagtwird,o<strong>der</strong>e<strong>in</strong>erDiffe<br />
renz zwischen e<strong>in</strong>em jagenden und e<strong>in</strong>em gejagten Ich operieren“ (ebd., S.77). Die<br />
DifferenzkonstruiertdieIdentitätalsIllusion.UndjemehrdasIndividuumsichsei<br />
nemInnernzuwendet,destomehrMühebekundetesmitsich.„AberauchdieIch<br />
wendungerlahmt.DasistdasEntscheidende.Jemehrmansichselbstbegegnet,um<br />
so mehr verliert man sich auch. Die Möglichkeiten <strong>der</strong> Selbtvervollkommnung,<br />
SelbstverbesserungundSelbstverwirklichungs<strong>in</strong>dzwar<strong>in</strong>geniös.Aber<strong>in</strong><strong>der</strong>zuneh<br />
menden Selbstvergegenwärtigung erhebt sich das unkorrigierbare Selbst und zeigt<br />
dieses Etwas, was nicht zu beherrschen ist“ (ebd., S.41). Irgende<strong>in</strong>e Differenz ver<br />
bleibtimmerzwischendem,wasmanse<strong>in</strong>möchte,se<strong>in</strong>könnte,unddem,wasman<br />
tatsächlich ist. „Die Entfesselung stösst auf etwas Hartes. Ihr enthüllt sich e<strong>in</strong> ge<br />
heimnisvoller<strong>St</strong>rumpf,e<strong>in</strong>Rest,etwasUnverfügbares“(ebd.,S.36).<br />
DiesesEtwasist<strong>in</strong>e<strong>in</strong>eran<strong>der</strong>enDeutung<strong>der</strong>Makel,<strong>der</strong>sichjenachLebensphase<br />
undAlter<strong>in</strong>immeran<strong>der</strong>erKonstitutionzeigt,aberstetsals<strong>in</strong>dividuelles<strong>St</strong>igmage<br />
33
34<br />
kanntundwahrgenommenwird.DasIndividuum„hate<strong>in</strong><strong>St</strong>igma,dasheisst,esist<strong>in</strong><br />
unerwünschterWeisean<strong>der</strong>s,alswiresantizipierthatten“(Goffman,1967,S.13).Das<br />
Etwas,<strong>der</strong>Makelistdieganz<strong>in</strong>timeUnvollständigkeit.Identitätentspricht<strong>in</strong>dieser<br />
Interpretation<strong>der</strong>Ansammlung<strong>der</strong>eigenenSchwächen,demZusammenspiel<strong>der</strong>im<br />
Innern verborgenen <strong>St</strong>igmas. Im Zeigen se<strong>in</strong>er Schwächen, im Präsentieren se<strong>in</strong>er<br />
Makelüberw<strong>in</strong>detdasIndividuumbeiGross(2007)dieewigeSuchenachsichselbst.<br />
„Es ist Mode geworden, nicht nur se<strong>in</strong> Leid, son<strong>der</strong>n auch se<strong>in</strong>e Defekte zu outen“<br />
(ebd.,S.67).DieDefektetreibenunsan,unszuverwirklichen.DieSelbststigmatisie<br />
rungmarkiertdenWegzur<strong>in</strong>dividuellenIdentität.Denndortliegtsieverborgen,die<br />
Differenz,diedasMöglichevomWirklichenunterscheidet,dieDifferenz,dieunsganz<br />
eigenist.Individuells<strong>in</strong>dwirdann,wennwirzuunserenUnvollkommenheitenste<br />
hen.IdentitätistnachdemfotografischenNegativebenauchalldas,waswirnicht<br />
s<strong>in</strong>d und niemals se<strong>in</strong> werden. Das Präsentieren <strong>der</strong> <strong>St</strong>igmata wird zur höchsten<br />
Kunst<strong>der</strong><strong>in</strong>dividuellenIdentität.„DurchSelbststigmatisierung,durchdasBekennen<br />
und Zeigen <strong>der</strong> <strong>St</strong>igmata, wird versucht, die eigene Identität und Individualität zu<br />
steigern.<strong>St</strong>igmatisierungerhältdamite<strong>in</strong>eaktiveBedeutung,e<strong>in</strong>eBedeutung,diemit<br />
den gesellschaftlich erwünschten Selbstdifferenzierungs und Selbstverwirklichungs<br />
vorstellungenkorreliert.[…]UnserLeidselbstistdieErlösung.Je<strong>der</strong>istse<strong>in</strong>eigener<br />
MessiasundspieltdasDrama<strong>der</strong>Erlösung<strong>in</strong>sichzuEnde–<strong>in</strong>demersicherlöst<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
Akzeptanzse<strong>in</strong>erUnerlöstheit“(ebd.,S.70).Gross(1994)nenntdieseSelbstbefreiung<br />
auchDifferenzakzeptanz.„DifferenzakzeptanzhiessedasSichLösenvon<strong>der</strong>Vorstel<br />
lung, alles müsse neu, an<strong>der</strong>s, besser hergestellt o<strong>der</strong> vervollkommnet werden“<br />
(ebd., S.404). Differenzakzeptanz ersetzt den Selbststeigerungsimperativ. „An se<strong>in</strong>e<br />
<strong>St</strong>elletritte<strong>in</strong>Wille[…],<strong>der</strong>will,ohneimmerzuwollen.Um<strong>der</strong>Anerkennungse<strong>in</strong>es<br />
Wollensnichtzuerliegen,könnteesse<strong>in</strong>,dassdas,wasmanheuteGlück,Zufrieden<br />
heit,vielleichtsogarLuxusnennenkönnte,dasist,wasmannichtmuss,undgleich<br />
zeitigdas,wasmannichtwill.Wase<strong>in</strong>emzufällt,ohneMüssenundohneBegehren“<br />
(Gross,1999,S.262).<br />
Wem es gel<strong>in</strong>gt, die selbstbezogene Reflexion durch SelbstVertrauen und Selbst<br />
Bewusstse<strong>in</strong><strong>in</strong>Schrankenzuhalten,beschütztzuverlässigse<strong>in</strong>eIchGrenze.„DieIch<br />
GrenzetrenntdasIchvomNichtIch.DieIchGrenzeselbstistdemIchzugehörigund<br />
nicht als Element <strong>der</strong> Aussenwelt zu betrachten. Bei e<strong>in</strong>em Gesunden ist sie leicht<br />
durchlässigundfe<strong>in</strong>porös,ohnedasssiegrosseLöcheraufweisenwürde.Sieistkom<br />
pakt, konsistent, kohärent, permeabel und e<strong>in</strong> wenig flexibel“ (Rom, 2007, S.21).
Identität umfasst deshalb auch das Abwehren <strong>der</strong> Angriffe, welche die IchGrenze<br />
bedrohenundzerstörenkönnten.Amweitestenverbreitets<strong>in</strong>dzurzeitdiepsychopa<br />
thologischen Angriffe <strong>der</strong> Depression, <strong>der</strong> Sucht und des Bor<strong>der</strong>l<strong>in</strong>eSyndroms (vgl.<br />
Gneist, 2007, S.11). Die angeschlagenen Individuen s<strong>in</strong>d nicht mehr fähig, mit den<br />
Individualisierungszwängen<strong>der</strong>Mo<strong>der</strong>neumzugehen.„Beischwerenfragmentierten<br />
IchKrankheitenkommteszurAufhebung<strong>der</strong>Semipermeabilität,dasheisstdietren<br />
nendeSchichtistnun<strong>in</strong>beidenRichtungendurchlässig“(Rom,2007,S.26).DasIndi<br />
viduumwirdvondenIndividualisierungszwängenüberrollt,vondenOptionenüber<br />
flutetund<strong>in</strong>nerlichkaputtgemacht.Beson<strong>der</strong>sdeutlichwirddiesbei<strong>der</strong>Depression.<br />
„DieKarriere<strong>der</strong>Depressionbeg<strong>in</strong>ntimdemAugenblick,<strong>in</strong>demdasdiszipl<strong>in</strong>arische<br />
Modell<strong>der</strong>Verhaltenssteuerung,dasautoritärundverbietenddensozialenKlassen<br />
unddenbeidenGeschlechternihreRollezuwies,zugunstene<strong>in</strong>erNormaufgegeben<br />
wird,diejedenzupersönlicherInitiativeauffor<strong>der</strong>t:ihndazuverpflichtet,erselbstzu<br />
werden. Die Konsequenz dieser neuen Norm ist, dass die Verantwortung für unser<br />
Leben nicht nur <strong>in</strong> uns selbst liegt, son<strong>der</strong>n auch im kollektiven Zwischenmenschli<br />
chen. […] Sie [die Depression] ist e<strong>in</strong>e Krankheit <strong>der</strong> Verantwortlichkeit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong><br />
Gefühl<strong>der</strong>M<strong>in</strong><strong>der</strong>wertigkeitvorherrscht.DerDepressiveistnichtvollauf<strong>der</strong>Höhe,<br />
eristerschöpftvon<strong>der</strong>Anstrengung,erselbstwerdenzumüssen“(Ehrenberg,2004,<br />
S.4).<br />
Ehrenberg (2004) ist bei Weitem nicht <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zige, <strong>der</strong> durch die Ansammlung <strong>der</strong><br />
Optionene<strong>in</strong>eErschöpfungdesIndividuumskonstatiert(vgl.Beck&BeckGernsheim,<br />
2004).Zuerwähnenist<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>eBröckl<strong>in</strong>g(2007),<strong>der</strong>nichtnurdenWahlzwang,<br />
son<strong>der</strong>ndieNotwendigkeite<strong>in</strong>esökonomischenUmgangsdesIndividuumsmitden<br />
Optionenbeschreibt.EsentpupptsichalsunternehmerischesSelbst.Amoffensicht<br />
lichsten vollzieht sich die Unterwerfung unter das kapitalistische Pr<strong>in</strong>zip im Unter<br />
nehmen,wenndieMenschenihreIdentitätüberihreArbeitdef<strong>in</strong>ierenundimGe<br />
genzug alles von ihnen abverlangt wird. Die Identitätsarbeit macht das Individuum<br />
zumUnternehmenimUnternehmen.„Hierwiedortf<strong>in</strong>detmandiegleicheBeschwö<br />
rung von Selbstverantwortung, Kreativität, Eigen<strong>in</strong>itiative, Durchsetzungsvermögen<br />
und Teamfähigkeit, die gleiche Aktivierungsrhetorik, das gleicheGebot kont<strong>in</strong>uierli<br />
cherVerbesserungunddengleichennahezuunbeschränktenGlaubenandieMacht<br />
desGlaubensansichselbst.Hierwiedortschliesslichfungiert<strong>der</strong>Marktalsoberster<br />
Richter“ (ebd., S.75). Hier wie dort, im Unternehmen genauso wie auf dem Sport<br />
platz,im<strong>St</strong>robolicht<strong>der</strong>DiskothekgenausowieaufdemArbeitsmarktentstehtuner<br />
35
36<br />
bittlicher Wettbewerb. Er „bildet e<strong>in</strong> ideales Konditionierungs<strong>in</strong>strument, weil er<br />
nichtgegendie<strong>in</strong>dividuelleVorteilssucheoperiert,son<strong>der</strong>ndurchdieseh<strong>in</strong>durch.Es<br />
s<strong>in</strong>ddieWahlhandlungen<strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelnenAkteure,dievermitteltüberdiePreise,die<br />
sozialeSynthesisherstellen.DerWettbewerbverb<strong>in</strong>detuniverselleVergleichbarkeit<br />
unddenZwangzurDifferenz;ertotalisiertund<strong>in</strong>dividualisiertzugleich:Je<strong>der</strong>e<strong>in</strong>zel<br />
nemusssich<strong>in</strong><strong>der</strong>Verfolgungse<strong>in</strong>esNutzensmitallenan<strong>der</strong>enmessen,un<strong>der</strong>kann<br />
se<strong>in</strong>enNutzennur<strong>in</strong>demMassesteigern,<strong>in</strong>demersichvonse<strong>in</strong>enMitbewerbern<br />
abhebt und für sich beziehungsweise für das, was er <strong>in</strong> den Tauschprozessen e<strong>in</strong><br />
br<strong>in</strong>gt,e<strong>in</strong>Alle<strong>in</strong>stellungsmerkmalgeltendmachenkann“(ebd.,S.106).Dasselbstun<br />
ternehmerischePr<strong>in</strong>zipimplizierte<strong>in</strong>eunbremsbare<strong>St</strong>eigerungslogik.AuchBröckl<strong>in</strong>g<br />
arbeitet die Depression als Pathologie <strong>der</strong> gegenwärtigen Gesellschaft heraus (vgl.<br />
ebd.,S.288).DasunternehmerischeSelbstistpermanentüberfor<strong>der</strong>t.<br />
Zuerwähnens<strong>in</strong>dschliesslichdieÜberlegungenvonBeck(1996;2007),diedasIndi<br />
viduum<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erglobalenRisikogesellschaftmitneuenRisikenkonfrontiertsehen.Ihr<br />
Ursprungliegt<strong>in</strong><strong>der</strong>HerauslösungdesIndividuumsausdenSozialformen<strong>der</strong><strong>in</strong>dus<br />
triellenGesellschaft,wie<strong>der</strong>Klasse,<strong>der</strong>Schicht,<strong>der</strong>Familieo<strong>der</strong><strong>der</strong>Geschlechtslage<br />
(vgl.Beck,1996,S.115).„InallenreichenwestlichenIndustrielän<strong>der</strong>n[…]hatsich<strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> wohlfahrtsstaatlichen Mo<strong>der</strong>nisierung nach dem Zweiten Weltkrieg e<strong>in</strong> gesell<br />
schaftlicherIndividualisierungsschubvonbislangunerkannterReichweiteundDyna<br />
mikvollzogen.[…]AufdemH<strong>in</strong>tergrunde<strong>in</strong>esvergleichsweisehohenmateriellenLe<br />
bensstandards und weit vorangetriebenen sozialen Sicherheiten wurden die Men<br />
schen<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emhistorischenKont<strong>in</strong>uitätsbruchaustraditionalenKlassenbed<strong>in</strong>gungen<br />
undVersorgungsbezügenaus<strong>der</strong>Familieherausgelöstundverstärktaufsichselbst<br />
und ihr <strong>in</strong>dividuelles Arbeitsmarktschicksal mit allen Risiken, Chancen und Wi<strong>der</strong><br />
sprüchenverwiesen“(ebd.,S.116).DieHerauslösungentspricht<strong>der</strong>weiterobenbe<br />
sprochenenAusdifferenzierung<strong>der</strong>Systeme.DasIndividuumwirdausdentraditio<br />
nellenSystemenherausgeschleu<strong>der</strong>tundistplötzlichselberfürdasAuff<strong>in</strong>denidenti<br />
tätsstiftendenSystemezuständig.„DiekonventionellenErfolgssysteme(E<strong>in</strong>kommen,<br />
Karriere, <strong>St</strong>atus) erfüllen für viele nicht mehr die neu erwachten Bedürfnisse nach<br />
Selbstf<strong>in</strong>dungundSelbstbestätigung,ihrenHungernache<strong>in</strong>em‚ausgefülltenLeben‘.<br />
Die Konsequenz ist, dass die Menschen immer nachdrücklicher <strong>in</strong> das Labyr<strong>in</strong>th <strong>der</strong><br />
Selbstverunsicherung, Selbstbefragung und Selbstvergewisserung h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geraten“<br />
(ebd.,S.156).FürBeck(ebd.)stelltdiedreifacheIndividualisierung,dasHerauslösung<br />
des Individuums aus den vorgegebenen Sozialformen undb<strong>in</strong>dungen, <strong>der</strong> Verlust
vontraditionellenSicherheitenunddieneuenFormen<strong>der</strong>sozialenE<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dungsund<br />
Kontrollmuster, den Anfang e<strong>in</strong>es neuen Modus <strong>der</strong> Vergesellschaftung dar. Indivi<br />
duumundGesellschaftstehen<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emverän<strong>der</strong>tenVerhältnis(vgl.ebd.,S.209).An<br />
die<strong>St</strong>elle<strong>der</strong>GesellschaftrücktdieAnsammlungvonIndividuumalsUntersuchungs<br />
objekt<strong>der</strong>Soziologen.Bowl<strong>in</strong>galoneistangesagt(vgl.Putnam,2000).<br />
<br />
2.2. IdentitätsarbeitalsFolgevonEntwicklungsaufgaben<br />
Die Individualisierung führt durch die Überführung von Reflexen <strong>in</strong> Reflexionen zu<br />
e<strong>in</strong>erstärkerenIdentitätsverantwortungdesIndividuums.UmdasIndividuum<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
Rolle <strong>der</strong> Kund<strong>in</strong>, <strong>der</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong> und <strong>der</strong> <strong>St</strong>udent<strong>in</strong> näher kennenzulernen und<br />
RückschlüsseaufS<strong>in</strong>nundZweckdes<strong>Management</strong>sundaufdasCurriculumdesBe<br />
triebswirtschaftsstudiumszugew<strong>in</strong>nen,giltesdiealltäglicheIdentitätsarbeitnäherzu<br />
betrachten.<br />
Identität wird beispielsweise als Folge von Entwicklungsaufgaben verstanden (vgl.<br />
Grob&Jasch<strong>in</strong>ski,2003;Erikson,2004;2005;Havighurst,1979).Entwicklungsaufga<br />
ben führen den rohen Menschen <strong>in</strong> e<strong>in</strong> gesellschaftsfähiges Individuum über. „Ent<br />
wicklungsaufgabenför<strong>der</strong>nFertigkeitenundKompetenzen,diezurkonstruktivenund<br />
zufriedenstellendenBewältigunge<strong>in</strong>esLebens<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erGesellschaftnotwendigs<strong>in</strong>d.<br />
Sie s<strong>in</strong>d gewissermassen e<strong>in</strong>B<strong>in</strong>degliedzwischen <strong>in</strong>dividuellen Bedürfnissenundge<br />
sellschaftlichenAnfor<strong>der</strong>ungen“(Grob&Jasch<strong>in</strong>ski,2003,S.23).ImKonzept<strong>der</strong>Ent<br />
wicklungsaufgabenistesdieGesellschaft,diedenEntwicklungspfadvorgibt.Diesist<br />
wiee<strong>in</strong>leitendbemerktauch<strong>der</strong>Grund,weshalbdieseVorstellung<strong>der</strong>Identitätsar<br />
beitkritisiertwird.Sievermagke<strong>in</strong>eRücksichtauf<strong>in</strong>dividuelleundepochentypische<br />
Spezifikazunehmen.TrotzdemleistetdasKonzept<strong>der</strong>Entwicklungsaufgabene<strong>in</strong>en<br />
wesentlichenBeitrag,umdasInnenleben<strong>der</strong>MenschenunddieUnterstützungsleis<br />
tungenvonOrganisationenund<strong>Universität</strong>enbesserzuverstehen.<br />
DieBewältigungdesEntwicklungspfadessetztaktiveSubjektevoraus.Wersichpassiv<br />
verhält,bleibtstehenundverharrtdemKonzeptvonEriksonnach<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erKrise.Die<br />
Arbeit an <strong>der</strong> Identität gleicht e<strong>in</strong>em konfliktreichen H<strong>in</strong><strong>der</strong>nisparcours. „Denn <strong>der</strong><br />
Menschmuss,umimpsychologischenS<strong>in</strong>neamLebenzubleiben,unaufhörlichsol<br />
cheKonfliktelösen,genausowiese<strong>in</strong>KörperunaufhörlichgegendiephysischeDe<br />
37
38<br />
kompositionkämpfenmuss“(Erikson,2004,S.56).DerEntwicklungsverlaufvonErik<br />
songlaubtane<strong>in</strong>estabileIdentität,diesichentlange<strong>in</strong>emklarvorgezeichnetenWeg<br />
ausbildet(vgl.Erikson,2005,S.36f.).DerWegführtvomSäugl<strong>in</strong>gs,zumKle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>d,<br />
zumSpielundSchulalterzurAdoleszenz,zumfrühenundzumeigentlichenErwach<br />
senenalter.DerWegendetimAlter,dasunausweichlich<strong>in</strong>denTodmündet.Alldie<br />
senAltersphasens<strong>in</strong>dKriseneigen,dievomIndividuumnichtnurausgestanden,son<br />
<strong>der</strong>n<strong>in</strong>aktiverIdentitätsarbeitbewältigtwerdenmüssen.DurchdieBewältigung<strong>der</strong><br />
KrisenwerdenaltersspezifischeKompetenzenerworben,welchedieGrundlageschaf<br />
fen, um die nächste Krise <strong>in</strong> Angriff nehmen zu können. „Es soll damit angedeutet<br />
werden, dass erstens jedes zu diskutierende Problem <strong>der</strong> gesunden Persönlichkeit<br />
systematischmitallenan<strong>der</strong>enverbundenistunddassallevon<strong>der</strong>richtigenEntwick<br />
lungzurrechtenZeitabhängenunddasszweitensjedesProblem<strong>in</strong>irgende<strong>in</strong>erForm<br />
schonexistiert,bevoresnormalerweise<strong>in</strong>se<strong>in</strong>eentscheidende,kritischeZeite<strong>in</strong>tritt“<br />
(Erikson,2004,S.59).Missl<strong>in</strong>gtdieBewältigunge<strong>in</strong>erKrise,drohtpsychischesUnge<br />
mach.NichtbewältigteKrisenwerdenlebenslangmitgezogenundbedrohenzum<strong>in</strong><br />
destlatentdieIdentität.<br />
Beispielhaft seien vor dem H<strong>in</strong>tergrund des Verwertungszweckes dieser Arbeit die<br />
Krisen<strong>der</strong><strong>St</strong>udent<strong>in</strong>,diesiewährend<strong>der</strong>AdoleszenzunddemjungenErwachsenen<br />
alter e<strong>in</strong>holen, kurz erläutert (vgl. auch Dreher & Dreher, 1985). In <strong>der</strong> Adoleszenz<br />
durchläuft sie das Spannungsfeld zwischen Identität und Identitätskonfusion (vgl.<br />
Erikson,2004;2005).Der<strong>St</strong>udent<strong>in</strong>mussesgel<strong>in</strong>gen,dieVielfaltanmöglichenIden<br />
titäten zu e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen Identität zusammenzuschweissen. Sie muss die Optionen<br />
durchforstenunddiepassendenOptionenauswählen(vgl.Marcia,1967;1977;1993;<br />
1993a).„Wieschonerwähnt,br<strong>in</strong>gte<strong>in</strong>gediegenesGefühlvonIdentitätdieVielfalt<br />
wechseln<strong>der</strong>SelbstVorstellungen,die<strong>in</strong><strong>der</strong>K<strong>in</strong>dheiterfahrenwordens<strong>in</strong>d[…]und<br />
dieRollen,diesichjungenMenschenalsWahlundH<strong>in</strong>gabemöglichkeitenanbieten,<br />
allmählichzue<strong>in</strong>erHarmonie.An<strong>der</strong>erseitsgibteske<strong>in</strong>dauerhaftesSelbstgefühloh<br />
nedieständigeErfahrunge<strong>in</strong>esbewussten‚Ich‘,dasdennum<strong>in</strong>osenMittelpunkt<strong>der</strong><br />
Existenzdarstellt:e<strong>in</strong>eArtexistentielleIdentitätalso,aus<strong>der</strong><strong>in</strong>‚letzterL<strong>in</strong>ie‘allmäh<br />
lichdiepsychosozialeIdentitäthervorgehenmuss“(Erikson,2005,S.95).Durchdas<br />
Ausprobieren verschiedener Rollen und Charaktere, die immer auch als Optionen<br />
verstandenwerdenkönnen,entdecktdie<strong>St</strong>udent<strong>in</strong>allmählichihreIdentität.Sieer<br />
hälte<strong>in</strong>eAhnungdavon,wersieist,wersiese<strong>in</strong>willundwersiese<strong>in</strong>könnte.
Aus<strong>der</strong>erfolgreichenBewältigungdesKonflikts<strong>der</strong>Adoleszenzgew<strong>in</strong>nt<strong>der</strong>Jugendli<br />
cheimKonzeptvonEriksondieFähigkeitzurTreue(ebd.,S.96).„DaTreuedasBe<br />
dürfnis nach Leitung durch Elternfiguren auf Ratgeber und Führer überträgt, über<br />
nimmtsiemitgrossemEiferihrideologischesMittleramt–magdieseIdeologieimpli<br />
zite<strong>in</strong>ebestimmte‚Lebensart‘o<strong>der</strong>explizitmilitantse<strong>in</strong>.DerantipathischeWi<strong>der</strong>part<br />
vonTreueistaberRollenZurückweisung,e<strong>in</strong>aktiverundselektiverDrang,<strong>der</strong>diefür<br />
die Identitätsbildung nützlich ersche<strong>in</strong>enden Rollen und Werte von denen unter<br />
scheidet, denen man Wi<strong>der</strong>stand entgegensetzen o<strong>der</strong> die man bekämpfen muss,<br />
weilsiedemSelbstfremds<strong>in</strong>d.RollenZurückweisungkannalsmangelndesSelbstver<br />
trauenauftreten,dase<strong>in</strong>egewisseSchwerfälligkeitundSchwächeh<strong>in</strong>sichtlichdeszur<br />
VerfügungstehendenIdentitätspotentialsverdeckt,o<strong>der</strong>aberalspenetranterTrotz.<br />
Letzterer ist e<strong>in</strong>e perverse Bevorzugung <strong>der</strong> (stets auch vorhandenen) negativen<br />
Identität,dasheisste<strong>in</strong>erKomb<strong>in</strong>ationsozialunannehmbarer,aberhartnäckigbejah<br />
terIdentitätselemente“(ebd.,S.96).EsistdieTreuezusichselbst,dievondenAdo<br />
leszentenerworbenwird.EsistdasGefühl<strong>der</strong>Selbstsicherheit,dasGefühl,sichsel<br />
bersicherse<strong>in</strong>zukönnen.EsistSelbstvertrauen.EsistdasVertrauen,dassmanals<br />
Individuumgeschätztundgebrauchtwird.EsistdieBestimmtheit,dassmanist,wer<br />
manist.EsistdieGewissheit,dassmanvonan<strong>der</strong>enMenschengeliebtwird.Esist<br />
dasBewusstse<strong>in</strong>,dassmantatsächlichalsselbstbestimmteE<strong>in</strong>zigartigkeitauftreten<br />
kann.<br />
DerAdoleszentistschnelle<strong>in</strong>jungerErwachsener.DamitrücktdienächsteKrise<strong>in</strong><br />
denMittelpunkt.DiesmalduellierensichimInnerendesIchjägersdieKräfte<strong>der</strong>Inti<br />
mitätund<strong>der</strong>Isolierung.FürdiejungenErwachsenenwirdesZeit,dassoebenIdenti<br />
fizierteimSpiegel<strong>der</strong>An<strong>der</strong>enwie<strong>der</strong>zuerkennen.EswirdZeit,ummitdemAn<strong>der</strong>en<br />
zuverschmelzen.„JungeErwachsene,dieebendieZeit<strong>der</strong>adoleszentenSuchenach<br />
e<strong>in</strong>emIdentitätsgefühlh<strong>in</strong>tersichhaben,könnensehrbegierigundbereitse<strong>in</strong>,ihre<br />
Identitäten<strong>in</strong>wechselseitigenIntimitätenzuverschmelzenundsiemitsolchenMen<br />
schenzuteilen,diesich<strong>in</strong>Arbeit,SexualitätundFreundschaftalskomplementärzu<br />
erweisenversprechen.Mankannoft‚verliebt‘se<strong>in</strong>o<strong>der</strong>sichaufIntimitätene<strong>in</strong>las<br />
sen,aberdieIntimität,diejetztaufdemSpielsteht,istdieFähigkeit,sichauffeste<br />
Partnerschaften e<strong>in</strong>zulassen, die ernste Opfer und Kompromisse for<strong>der</strong>n können“<br />
(ebd.,S.92).DiejungeErwachsenemusszwischenIntimitätundIsolationoszillieren.<br />
SiekannnichtnurnachNähestreben.SiemussauchGrenzensetzen.„DasGegen<br />
stückzurIntimitätistdieDistanzierung:dieBereitschaft,E<strong>in</strong>flüsseundMenschenvon<br />
39
40<br />
sichfernzuhalten,zuisolierenund,fallsnotwendig,zuzerstören,diee<strong>in</strong>emfürdas<br />
eigenenWesengefährlichersche<strong>in</strong>en.DiesereifereundwirksamereArt<strong>der</strong>Ableh<br />
nung[…]istüberdiebl<strong>in</strong>denVorurteileh<strong>in</strong>ausgewachsen,diewährenddesKampfes<br />
umIdentität so scharf und grausam das Vertraute vom Fremden trennen“ (Erikson<br />
2004,S.115).DiegesundeIsolierungiste<strong>in</strong>eDistanzierung,dieganzbewussterfolgt.<br />
DadurchwirddiekostbareIdentitätgeschützt.DerjungeErwachsenehatrealisiert,<br />
welche Menschen, welche Orte, welche Süchte, welche Momente, welche Heraus<br />
for<strong>der</strong>ungenihmunnötigvielKraftraubenbzw.welcheihmimGegenteilalsEnergie<br />
lieferantdienen.WenndasIndividuume<strong>in</strong>enMittelwegzwischenVerschmelzungund<br />
Abgrenzunggefundenhat,dannistesbereit,um<strong>in</strong>dasnächsteLevele<strong>in</strong>zutreten.Es<br />
hat nach Erikson (2004) die wohlkl<strong>in</strong>gende Fähigkeit zur Liebe erworben. „Aus <strong>der</strong><br />
Lösung<strong>der</strong>AntithesezwischenIntimitätundIsolationentstehtaberLiebe,jenerAus<br />
tauschreiferH<strong>in</strong>gabe,diee<strong>in</strong>eLösungfürdendurchunterschiedlicheFunktionenbe<br />
d<strong>in</strong>gtenAntagonismusverspricht“(ebd.,S.93).<br />
<br />
2.3. Identitätsarbeit<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erambivalentenMo<strong>der</strong>ne<br />
In<strong>der</strong>Optik<strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>bietetessichan,dieEntwicklung<strong>der</strong>Identi<br />
tät als Wählen von Optionen zu verstehen (vgl. Marcia, 1993; 1993a; 1967; 1966).<br />
EntscheidensetztdenpersönlichenWillenvoraus.„DerWegvondenGelegenheiten<br />
zudenMittelnundweiterzudenFähigkeiteniste<strong>in</strong>Weg,<strong>der</strong>immernäheranmich<br />
heranführt. Die Spielräume werden mit jedem Schritt persönlicher. Am Ende steht<br />
<strong>der</strong><strong>in</strong>timeSpielraum:<strong>der</strong>Spielraumme<strong>in</strong>esWillens.[…]EsistdasSpielme<strong>in</strong>esWil<br />
lens,dasmichdene<strong>in</strong>enWeg<strong>in</strong>dieZukunftgehenlässtundnichte<strong>in</strong>en<strong>der</strong>vielen<br />
an<strong>der</strong>en, die auch möglich wären“ (Bieri, 2006, S.48). Es ist unnötig zu erwähnen,<br />
dassdieAusführungdeseigenenWillense<strong>in</strong>eschwere,wennnichtunmöglicheKunst<br />
darstellt.SooftverhaltenwirunsalsGetriebene,alsMitläufer,alsGezwungeneo<strong>der</strong><br />
alsUnbeherrschte(vgl.ebd.).UmimWirrwarr<strong>der</strong>OptionendeneigenenWegzuf<strong>in</strong><br />
den, um eigenständige Entscheide zu treffen, um wirklich frei se<strong>in</strong> zu können, um<br />
selbstundnichtfremdbestimmtzuentscheiden,istdasIndividuumaufse<strong>in</strong>eIdenti<br />
tätangewiesen.OhneIdentitätagiertdasIndividuumzielundperspektivenlos.Die<br />
Identität verb<strong>in</strong>det die Vergangenheit mit <strong>der</strong> Zukunft. Und mit je<strong>der</strong> getroffenen<br />
EntscheidungverstetigtsichdiebereitserarbeiteteIdentität.
Durch den Zwang zur Entscheidung wird <strong>der</strong> Ichjäger zum S<strong>in</strong>nbastler. „Typisch für<br />
den <strong>in</strong>dividualisierten Menschen ist jedenfalls, dass er im Alltag ständig von Grup<br />
penorientierungzuGruppenorientierungwechselt,dasser<strong>in</strong>je<strong>der</strong>dieserRollennur<br />
e<strong>in</strong>enTeilse<strong>in</strong>erpersönlichenIdentitätaktualisiertundthematisiertunddassdieses<br />
S<strong>in</strong>nbasteln ästhetisch [so] überformt [wird], dass es <strong>St</strong>ilKriterien folgen kann. Das<br />
<strong>in</strong>dividuelle S<strong>in</strong>nbasteln des <strong>in</strong>dividualisierten Menschen hat – gel<strong>in</strong>gen<strong>der</strong>weise –<br />
folglichstetsetwasvone<strong>in</strong>emPatchworkbzw.vone<strong>in</strong>erCollage,vonjenemästhe<br />
tischtechnischen Verfahren also, diverse Sujets zu e<strong>in</strong>em neuen Assoziationsraum<br />
zusammenzuschliessen“(Hitzler&Honer,2004,S.310).S<strong>in</strong>nbastelnwillnichtheissen,<br />
dass am Schreibtisch e<strong>in</strong>e Identität zusammengeleimt wird. S<strong>in</strong>nbasteln ist nichts<br />
Theoretisches. Sie ist e<strong>in</strong>e von allen Menschen alltäglich zu verrichtende Sache.<br />
„S<strong>in</strong>nbasteleien im hier geme<strong>in</strong>ten Verstande bezeichnen mith<strong>in</strong> alle jene kle<strong>in</strong>en,<br />
alltäglichenUnternehmungendes<strong>in</strong>dividualisiertenMenschen,unter,zwischenund<br />
amRande<strong>der</strong>grossengesellschaftlichenWeltdeutungsprozeduren–undimständi<br />
gen, entsprechenden den je subjektiven Relevanzen oft ganz selektiven Rekurs auf<br />
diese–se<strong>in</strong>eigenesLebenzubewältigen“(ebd.,S.310).<br />
DerS<strong>in</strong>nbastlergehorcht<strong>der</strong>VorstellungvonIdentitätalskünstlerischemAusdruck,<br />
als eigenständiger Konstruktionsleistung, als eigens fabrizierter Individualität. Als<br />
Vorbild<strong>der</strong>erfolgreichenIchjagdpräsentiertSchimank(2002)denmo<strong>der</strong>nenKünst<br />
ler.„Sowiediemo<strong>der</strong>nenKünstlerdemkulturellenAnspruchausgesetzts<strong>in</strong>d,Schöp<br />
fervonimmerNeuemzuwerden,somussjedePerson<strong>in</strong><strong>der</strong>mo<strong>der</strong>nenGesellschaft<br />
e<strong>in</strong>Individuumdarstellen–voran<strong>der</strong>enwievorsichselbst“(ebd.,S.165).Identitätist<br />
hieraufIndividualitätangewiesen.DieseistohneUnabhängigkeitnichtrealisierbar.<br />
AnsonstendrohtdasUntergehen<strong>in</strong><strong>der</strong>Masse,dieVersenkung<strong>in</strong><strong>der</strong>Anonymität.<br />
„Die Orig<strong>in</strong>alität des mo<strong>der</strong>nen Künstlers be<strong>in</strong>haltet, wie dargestellt, zweierlei: Er<br />
schaffterstensauseigenemAntriebetwas,waszweitensnochke<strong>in</strong>an<strong>der</strong>ersoge<br />
schaffen hat. Verallgeme<strong>in</strong>ert man dieses Musterbeispiel, stösst man auf die zwei<br />
Komponenten mo<strong>der</strong>ner Individualität: E<strong>in</strong>zigartigkeit und Selbstbestimmung. Als<br />
Kurzformel:IndividualitätistselbstbestimmteE<strong>in</strong>zigartigkeit“(ebd.,S.165).Indieser<br />
Formel übertrumpft das <strong>St</strong>reben nach Individualität das <strong>St</strong>reben nach Identität im<br />
S<strong>in</strong>nedesBastelnse<strong>in</strong>esvollständigzusammenhängendenKonstrukts.Manmusssich<br />
immerwie<strong>der</strong>erf<strong>in</strong>den,umdemgesellschaftlichenPublikumneue<strong>St</strong>igmasalsvoyeu<br />
ristischesSpektakelanzubieten.ErstdasNegative,dasUngewöhnliche,dasAbnorme,<br />
dasScheiterngarantiertE<strong>in</strong>zigartigkeit.„Mit<strong>der</strong>SelbststigmatisierungtrittdieIndivi<br />
41
42<br />
dualität auf Kosten <strong>der</strong> Identität <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>grund. Individualität for<strong>der</strong>t heute<br />
nichtnure<strong>in</strong>An<strong>der</strong>sse<strong>in</strong>alsdiean<strong>der</strong>en,son<strong>der</strong>nauche<strong>in</strong>An<strong>der</strong>sse<strong>in</strong>alsmanselbst<br />
ist–alsoSelbst<strong>in</strong>szenierung“(Gross,2007,S.70).<br />
Aus <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> rollentheoretischen Soziologie (vgl. Dahrendorf, 2006;<br />
Weisshaupt,2008;Parson,1976)bastelt<strong>der</strong>Menschse<strong>in</strong>eIdentitätdurchMitglied<br />
schaften.„Umsichwie<strong>der</strong>‚e<strong>in</strong>zubetten‘,mussersichfürirgendwelche(biographisch<br />
mehr o<strong>der</strong> m<strong>in</strong><strong>der</strong> rasch wechselnden) Mitgliedschaften entscheiden. Das heisst er<br />
wird(freiwilligo<strong>der</strong>unfreiwillig)Mitglied,suchtAnschluss,nimmtKontaktauf,tritt<br />
bei,gehtBeziehungene<strong>in</strong>,schliesstFreundschaften,f<strong>in</strong>detsichzurecht,gewöhntsich<br />
– und zwar mehr o<strong>der</strong> weniger an alles“ (Hitzler & Honer, 2004, S.308). Für se<strong>in</strong>e<br />
Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>bettung ist <strong>der</strong> herausgebettete Mensch selber zuständig. „Er ist darauf<br />
angewiesen, die Drehbücher se<strong>in</strong>es <strong>in</strong>dividuellen Lebens selber zu schreiben, die<br />
Landkartenfürse<strong>in</strong>eOrientierung<strong>in</strong><strong>der</strong>Gesellschaftselberzuzeichnen,überse<strong>in</strong>e<br />
Biographie,se<strong>in</strong>ePersönlichkeit,se<strong>in</strong>SelbstverständnisselberRegiezuführen“(ebd.,<br />
S.312).<br />
Das Basteln von S<strong>in</strong>n kannte bereits Georg Simmel (1890). „Der E<strong>in</strong>zelne sieht sich<br />
zunächst<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erUmgebung,die,gegense<strong>in</strong>eIndividualitätrelativgleichgültig,ihnan<br />
ihrSchicksalfesseltundihme<strong>in</strong>engesZusammense<strong>in</strong>mitdenjenigenauferlegt,ne<br />
bendie<strong>der</strong>Zufall<strong>der</strong>Geburtihngestellthat;undzwarbedeutetdieszunächstso<br />
wohl die Anfangszustände phylogenetischer wie ontogenetischer Entwicklung. Der<br />
Fortgang<strong>der</strong>selbenaberzieltnunaufassoziativeVerhältnissehomogenerBestand<br />
teileheterogenerKreise.Mitfortschreiten<strong>der</strong>Entwicklungabersp<strong>in</strong>ntje<strong>der</strong>E<strong>in</strong>zelne<br />
<strong>der</strong>selbene<strong>in</strong>BandzuPersönlichkeiten,welcheausserhalbdiesesursprünglichenAs<br />
soziationskreisesliegenundstattdessendurchsachlicheGleichheit<strong>der</strong>Anlagen,Nei<br />
gungenundTätigkeitenusw.e<strong>in</strong>eBeziehungzuihmbesitzen;dieAssoziationendurch<br />
äusserlichesZusammense<strong>in</strong>wirdmehrundmehrdurche<strong>in</strong>esolchenach<strong>in</strong>haltlichen<br />
Beziehungenersetzt“(ebd.,S.100f.).<br />
Die ausgewählten Kreise bilden durch ihre Schnittmenge die Identität des Indivi<br />
duums.„DieGruppen,zudenen<strong>der</strong>E<strong>in</strong>zelnegehört,bildengleichsame<strong>in</strong>Koord<strong>in</strong>a<br />
tensystem, <strong>der</strong>art, dass jede neu h<strong>in</strong>zukommende ihn genauer und unzweideutiger<br />
bestimmt.DieZugehörigkeitzujee<strong>in</strong>er<strong>der</strong>selbenlässt<strong>der</strong>Individualitätnoche<strong>in</strong>en<br />
weitenSpielraum;aberjemehrereeswerden,destounwahrsche<strong>in</strong>licheristes,dass<br />
nochan<strong>der</strong>ePersonendiegleichenGruppenkomb<strong>in</strong>ationenaufweisenwerden,dass
diese vielen Kreise sich noch e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Punkte schneiden“ (ebd., S.103). Im<br />
Korpus<strong>der</strong>systemorientiertenBetriebswirtschaftslehref<strong>in</strong>detmanim<strong>St</strong>.GallerMa<br />
nagementmodell (vgl. Rüegg<strong>St</strong>ürm, 2004; 2003) e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>faches Instrument, um das<br />
Basteln<strong>der</strong>IdentitätdurchsozialeKreise(vgl.Simmel,1890)zukonkretisierenundzu<br />
visualisieren.Das<strong>St</strong>.Galler<strong>Management</strong>modellsprichtstattvonBerührungskreisen<br />
vonAnspruchsgruppen.„Anspruchsgruppen(<strong>St</strong>akehol<strong>der</strong>)s<strong>in</strong>dalsorganisierteo<strong>der</strong><br />
nichtorganisierteGruppenvonMenschen,OrganisationenundInstitutionenzuver<br />
stehen, die von den unternehmerischen Wertschöpfungs und manchmal auch<br />
Schadschöpfungsprozessenbetroffens<strong>in</strong>d“(Rüegg<strong>St</strong>ürm,2004,S.71).AusSichtdes<br />
Individuumsliessesichsagen,dasssichdieIdentitätdurchdieVerknüpfungallerAn<br />
spruchsgruppenrollenzusammensetzt,dieman<strong>in</strong>nehat.Damitistgeme<strong>in</strong>t,dassich<br />
beiOrganisationAKunde,beiOrganisationBMitarbeiter,beiOrganisationCAktio<br />
när,beiOrganisationDTeil<strong>der</strong><strong>in</strong>teressiertenÖffentlichkeitundbeiOrganisationE<br />
kritischerBetroffener<strong>der</strong>Schadschöpfungb<strong>in</strong>.DieseRollendesIndividuumskönnen<br />
nicht vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> getrennt werden. Sie bilden e<strong>in</strong>en dynamischen Fleckenteppich,<br />
<strong>der</strong>hieralsIdentitätdesIndividuumsaufgefasstwird.Umgekehrtbetrachtet,bilden<br />
die Leistungen <strong>der</strong> Organisation das Material, welches das Individuum zum Vollzug<br />
se<strong>in</strong>eralltäglichenIdentitätsarbeitverwendet.DasIndividuumnutztdieOrganisatio<br />
nen,umsichselberzudef<strong>in</strong>ierenundzuverwirklichen.<br />
DiesoanalysiertenTeilidentitäten(vgl.Keuppetal.,2006,S.218)giltesvomIndivi<br />
duumzue<strong>in</strong>emGanzenzusammenzuschweissen.Diesgel<strong>in</strong>gtnachKeuppetal.(ebd.)<br />
durchdieMetaidentität.Siesetztsichausdom<strong>in</strong>ierendenTeilidentitäten,demIdenti<br />
tätsgefühl und biografischen Kernnarrationen zusammen. Vertieft werden soll hier<br />
diebiografischeKernnarration.Sieistdenan<strong>der</strong>enbeidenElementenübergeordnet<br />
undeignetsichzurÜbertragungaufdieorganisationaleIdentitätsarbeit.„Identitätist<br />
weitgehende<strong>in</strong>enarrativeKonstruktion.DaszentraleMedium<strong>der</strong>Identitätsarbeitist<br />
dieSelbsterzählung.Damitme<strong>in</strong>enwirdieArtundWeise,wiedasSubjektselbstrele<br />
vanteEreignisseauf<strong>der</strong>Zeitachseaufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>beziehtund‚sich‘undan<strong>der</strong>enmit<br />
teilt“ (ebd., S.216). Die Qualität <strong>der</strong> Kernnarration misst sich am Idealtypus e<strong>in</strong>er<br />
wohlgeformtenNarration(vgl.ebd.,S.229).Siehate<strong>in</strong>ens<strong>in</strong>nstiftendenEndpunktzu<br />
f<strong>in</strong>den,sichaufrelevanteEreignissee<strong>in</strong>zuengen,dieEreignisse<strong>in</strong>e<strong>in</strong>enarrativeOrd<br />
nungzubr<strong>in</strong>gen,Kausalverb<strong>in</strong>dungenherzustellenundGrenzenzumAn<strong>der</strong>enzuset<br />
zen.DieSelbstnarrationiste<strong>in</strong>ver<strong>in</strong>nerlichtesCurriculumVitae(vgl.Willi,2007),das<br />
die e<strong>in</strong>zelnen Episoden des Lebens zusammenhält. Es verb<strong>in</strong>det die Vergangenheit<br />
43
44<br />
mit<strong>der</strong>Gegenwartund<strong>der</strong>Zukunft.„AlltäglicheIdentitätsarbeithat[…]dieAufgabe,<br />
diePassungen(dasMatch<strong>in</strong>g)unddieVerknüpfungenunterschiedlich(st)erSelbster<br />
fahrungenvorzunehmen.Retrospektivwieprospektivwerden<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emWechselspiel<br />
von Aussen und Innenanfor<strong>der</strong>ungen neue Identitätsentwürfe gebildet und immer<br />
wie<strong>der</strong> mit vergangenen und real gewordenen Identitätsprojekten verschmolzen“<br />
(<strong>St</strong>raus & Höfer, 2007, S.302). Die so entstehende Selbsterzählung wird zu e<strong>in</strong>er<br />
„IdeologiedesSelbst“(ebd.,S.232).SiefiltertdasErlebteundbildetgleichzeitigden<br />
AusgangspunktdesErlebens.ImProzess<strong>der</strong>Selbsterzählunggiltesdiebestehende<br />
IdentitätdurchAssimilationundAkkommodationlaufendmitdenaktuellenErlebnis<br />
senzuverknüpfen(vgl.vonFoerster,1993;Jenter,2003;vonGlaserfeld,1997).<br />
DerfortlaufendenSelbsterzählungmussesgel<strong>in</strong>gen,demeigenenLebene<strong>in</strong>enS<strong>in</strong>n<br />
zuverleihen.„Identitätheisst,demeigenenLebene<strong>in</strong>enS<strong>in</strong>nzugebenundsich<strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>emZentrumzuwissen.Identitätheisstweiter,sichdieZieleundMitteldesHan<br />
delns selbst zuzurechnen und sie mit Blick auf se<strong>in</strong>eselbstgewählteZukunft zu be<br />
gründen“(Abels,2006,S.441).ImZuge<strong>der</strong>reifen<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>und<strong>der</strong><br />
Vervielfältigung <strong>der</strong> Optionen, <strong>der</strong> Relativierung <strong>der</strong> Selbstverständlichkeiten, des<br />
Reflexivwerdens<strong>der</strong>Mo<strong>der</strong>nisierungist<strong>der</strong>RufnachKohärenzdesLebenss<strong>in</strong>nsleiser<br />
geworden.DasIndividuumsche<strong>in</strong>tsichdenKräftendesAuse<strong>in</strong>an<strong>der</strong>fallensnichtwi<br />
<strong>der</strong>setzenzukönnen.ZielistnichtmehrdasZusammenschweissenallerTeilerzählun<br />
genunterdemKriterium<strong>der</strong>IdentifikationmitdemEigenen.„Objemandsichselbst<br />
alshochkohärento<strong>der</strong>fragmentiert,alskont<strong>in</strong>uierlich,alternierendo<strong>der</strong>punktuell,<br />
als<strong>in</strong>tensivo<strong>der</strong>oberflächlicherfährt,lässtsich<strong>in</strong>komparativenÄhnlichkeitsrelatio<br />
nenbessererfassenals<strong>in</strong>kategorischenGleichheitsundDifferenzbeziehungen.Ähn<br />
lichkeiten weben e<strong>in</strong> Netz von Bedeutungen zwischen <strong>der</strong> zersplittertsten und un<br />
durchsichtigstenZusammenhängen,dasieimUnterschiedzurapodiktischenundbe<br />
weisenden Gleichheit, e<strong>in</strong>en hypothetischen und verweisenden Charakter haben:<br />
Gleichheitistkategorisch,Ähnlichkeitdeiktisch“(Zirfas&Jörissen,2007,S.247).Po<strong>in</strong><br />
tiertausgedrücktheisstdies,dassdieKohärenz<strong>der</strong>SelbsterzählungdurchdieKonti<br />
nuität<strong>der</strong>Selbsterzählungersetztwird(vgl.Keuppetal.,2006,S.86ff.).Individualität<br />
istwichtigeralsKohärenz.<br />
Nüchternbetrachtet,istdasIndividuumöftersgleichdennan<strong>der</strong>s.Nüchternbetrach<br />
tet,istdasIndividuumnichtnurKünstlere<strong>in</strong>ere<strong>in</strong>zigartigenIndividualität.Tatsäch<br />
lich s<strong>in</strong>d wir alle auch langweilige, normale und angepasste Massenmenschen. Die
Individualisierung f<strong>in</strong>det ihre Grenzen <strong>in</strong> den Auffor<strong>der</strong>ungen, welche die Gesell<br />
schaft, die Märkte und die Medien dem Individuum zukommen lassen. „Der Mas<br />
senmenschistso<strong>in</strong><strong>der</strong>TatimgängigenVerständnisdasgenaueGegenteildesIndivi<br />
dualisten.In<strong>der</strong>Masses<strong>in</strong>dallegleich,ohneeigeneBeson<strong>der</strong>heit;und<strong>in</strong><strong>der</strong>Masse<br />
istje<strong>der</strong>fremdbestimmt,ke<strong>in</strong>freiesSubjekt,son<strong>der</strong>nObjektdesmassenhaftenTrei<br />
bens“(Schimank,2002,S.166).Dermo<strong>der</strong>neMenschoszilliertzwischene<strong>in</strong>emNerd<br />
unde<strong>in</strong>emMassenmenschendase<strong>in</strong>.DennunsereKräftes<strong>in</strong>dnichtunbeschränkt,wir<br />
können und wollen uns nicht immer <strong>in</strong>szenierend exponieren. Das Verzichten auf<br />
Rechtfertigungenistleichtundangenehm.„Wirmüssenundkönnenertragen,zeit<br />
weise, vielleicht sogar meistens <strong>in</strong> <strong>der</strong> Masse unterzugehen. Doch wenn wir ke<strong>in</strong>e<br />
Chancenmehrsehen,wie<strong>der</strong>ausihraufzutauchen,geratenwir<strong>in</strong>e<strong>in</strong>eKrise“(ebd.,<br />
S.166). Wesentlich ist unter dem <strong>St</strong>rich also nicht, dass man stets als E<strong>in</strong>zelgänger<br />
durchsLebengeht.Wesentlichist,dassmanumdaseigenePotenzialweiss,dieRolle<br />
<strong>der</strong>E<strong>in</strong>zigartigkeitjenachErfor<strong>der</strong>nis<strong>der</strong>Situationspielenzukönnen.„Unsgenügt<br />
e<strong>in</strong>enurtemporäraktualisierte,ansonstenlediglichalsje<strong>der</strong>zeitaktualisierbaresPo<br />
tential bereitgehaltene Individualität“ (ebd., S.166). E<strong>in</strong>zigartigkeit ist erst dann e<strong>in</strong><br />
Problem,wenndasIndividuumnichtübersieverfügenkann.„Dochwennwirke<strong>in</strong>e<br />
Chance mehr sehen, wie<strong>der</strong> aus ihr [<strong>der</strong> Masse] aufzutauchen, geraten wir <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
existentielleKrise“(ebd.,S.166).<br />
<br />
2.4. IdentitätsarbeitalsKund<strong>in</strong>undMitarbeiter<strong>in</strong><br />
DievorliegendeArbeitwille<strong>in</strong>Curriculum<strong>der</strong>Betriebswirtschafslehrepräsentieren,<br />
dasdem<strong>Management</strong><strong>in</strong><strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>gerechtwird.Dazuistesnötig,<br />
ausgehendvon<strong>der</strong>gewähltenGesellschaftsdiagnose,dasVerhalten<strong>der</strong>Anspruchs<br />
gruppen zu reflektieren. Weil hier nicht alle Anspruchsgruppen behandelt werden<br />
können,f<strong>in</strong>dete<strong>in</strong>eBeschränkungaufdieKundenunddieMitarbeitendenstatt.Sie<br />
repräsentierendiezweidom<strong>in</strong>ierendenSichtweisenaufdieOrganisation,dieOutsi<br />
de<strong>in</strong>unddieInsideoutPerspektive(vgl.Rüegg<strong>St</strong>ürm,2004,S.86ff.).AusSichtdes<br />
<strong>Management</strong>se<strong>in</strong>erOrganisationgiltesdieIdentitätsarbeitunddiedamitverbunde<br />
nenBedürfnisse<strong>der</strong>Anspruchsgruppenzukennen,umalsOrganisationdaraufrea<br />
gierenzukönnen.<br />
45
46<br />
Wie im e<strong>in</strong>leitenden Kapitel festgehalten, wird die Hauptaufgabe <strong>der</strong> Organisation<br />
<strong>in</strong>nerhalbdesvorliegendenTextesalsTransformationvonRessourcen<strong>in</strong>Nutzenver<br />
standen. In <strong>der</strong> reifen <strong>Multioptionsgesellschaft</strong>, die auch als Dienstleistungs (vgl.<br />
Gross,1983)o<strong>der</strong>Wissensgesellschaft(vgl.<strong>St</strong>ehr,1994,2001)betrachtetwird,steht<br />
dieUmwandlungvonimmateriellenGüternimVor<strong>der</strong>grund.„Nichtdiee<strong>in</strong>zige,aber<br />
die wichtigste Ressource ist <strong>in</strong> den entwickelten Wirtschaften schon heute Wissen.<br />
Mankanndaherakzentuierendauchsagen,<strong>Management</strong>seidieUmwandlungvon<br />
Wissen<strong>in</strong>Nutzen.DieseVariation,<strong>Management</strong>istdieTransformationvonWissen<strong>in</strong><br />
Nutzen,istdieBasisfürdasVerständnisvonGesellschaftundWirtschaftim21.Jahr<br />
hun<strong>der</strong>t“(Malik,2007,S.33).UmdasGestalten,LenkenundEntwickelnvonOrgani<br />
sationenaus<strong>der</strong>Sicht<strong>der</strong>BedürfnissedesIndividuumsnochbessernachvollziehen<br />
zukönnen,sche<strong>in</strong>teswesentlich,dieRessourceWissenumdieRessourceEmotionen<br />
zuerweitern.Wiegleichzuzeigense<strong>in</strong>wird,s<strong>in</strong>des<strong>in</strong>Zeiten<strong>der</strong>Ichjagd<strong>in</strong>sbesonde<br />
reEmotionen,dievondenKundennachgefragtundvondenMitarbeitendenangebo<br />
ten werden (vgl. Illouz, 2007; 2003; Hochschild, 2006). Identität und Individualität<br />
s<strong>in</strong>daufEmotionenangewiesen,umsichherausbildenzukönnen.<br />
DieKonstruktiondesNutzensvollziehtsichunabhängigvon<strong>der</strong>anbietendenOrgani<br />
sation. Der Nutzen „entsteht beim Leistungsempfänger, beim Kunden. Es ist jener<br />
Nutzen,dendasUnternehmenschaffenmuss,umzuexistieren.EsistjenerNutzen,<br />
durch den das Unternehmen se<strong>in</strong>en Zweck erfüllt. „Für ‚Nutzen‘ verwende ich im<br />
EnglischendasWort‚value‘,nicht‚utility‘wiedieÖkonomen.Somitgibtesnure<strong>in</strong>e<br />
ArtvonValue,aufdeneswirklichankommt.DasistCustomerValue”(Malik,2007,<br />
S.34;vgl.Belz&Bieger,2004).DasEntstehenvonNutzenzuverstehen,bedeutetdie<br />
Bedürfnisse<strong>der</strong>Kundenzuverstehen.„Aus<strong>der</strong>Market<strong>in</strong>gMaxime,Entscheidungen<br />
konsequent an den Erfor<strong>der</strong>nissen und Bedürfnissen von Abnehmern auszurichten,<br />
folgt die Notwendigkeit, Natur und Eigenschaften von Bedürfnissen zu analysieren.<br />
DadieWertschöpfung<strong>der</strong>Unternehmungdaraufabzielt,imVergleichmitdenWett<br />
bewerbernüberlegeneNutzenangeboteherzustellen,musssiee<strong>in</strong>enrelativüberle<br />
genenBeitragdafürleisten,dieWünschepotenziellerKundenzuverstehen,zubee<strong>in</strong><br />
flussenundzubefriedigen“(Schmid&Lyczek,2005,S.47).<br />
DieDiskussion<strong>der</strong>menschlichenBedürfnisseistauchdeshalbvonzentralerBedeu<br />
tung, weil diese dem Wandel <strong>der</strong> Zeit unterliegen. Die Unternehmen können nicht<br />
von statischen Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Leistungsproduktion, Leistungsverteilung und Leis
tungsbeurteilung ausgehen. Gleichzeitig zu psychologischen und volkswirtschaftli<br />
chen werden soziologische Erkenntnisse berücksichtigt. „Den beiden Diszipl<strong>in</strong>en,<br />
ÖkonomieundPsychologie,istdabeie<strong>in</strong>Ansatzgeme<strong>in</strong>sam–siebetrachtenMarkt<br />
geschehenprimär aus <strong>der</strong> Sichtdes e<strong>in</strong>zelnen <strong>in</strong>dividuellenAkteurs.DieÖkonomie<br />
neigtzurAnsicht,dassdieWahlprimäraufgrunde<strong>in</strong>essubjektivenNutzenkalkülsge<br />
troffen wird und stark durch Preise bee<strong>in</strong>flusst werden kann. Die Psychologie geht<br />
vondemKonzept<strong>der</strong><strong>in</strong>dividuellenWünscheundBedürfnisseaus,wobeimanchmal<br />
auchpostuliertwird,dasseshistorischundkulturell<strong>in</strong>varianteWünschegibt.Beide<br />
Wissenschaftenbietenaberke<strong>in</strong>eLösungan,wennesdarumgeht,zuerklären,wa<br />
rumsichMenschenüberhauptdieseObjektewünschen,warumbestimmteObjekte<br />
als geeigneter betrachtet werden, bestimmte Bedürfnisse zu erfüllen, und wie es<br />
kommt,dasBedürfnisseundWünscheoffenbare<strong>in</strong>emstarkemhistorischenWandel<br />
unterliegen,dasssieaberzue<strong>in</strong>embestimmtenZeitpunkt<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erGesellschaftden<br />
noch<strong>in</strong>standardisierterFormauftreten.DieserFragewendensichdieGesellschafts<br />
wissenschaftenzu.DieseuntersuchendieRolle,diedieGesellschaft/dieKulturfür<br />
die Formung <strong>der</strong> Bedürfnisse des E<strong>in</strong>zelnen spielt, und sie betrachten Gütererwerb<br />
undKonsumalse<strong>in</strong>enTeildesgesamtensozialenSystems.Siebeziehene<strong>in</strong>eüberge<br />
ordneteSystemebenemite<strong>in</strong>“(Karmas<strong>in</strong>,2003,S.206).Durchdas<strong>St</strong>udiumvonGe<br />
sellschaftsdiagnosenundZukunftsszenarienkönnenManagerundihreAusbil<strong>der</strong>die<br />
Zukunfterahnen.Undzum<strong>in</strong>destzugewissenTeilenkanndieZukunftvonMe<strong>in</strong>ungs<br />
führernundmultiplikatorernauchgemachtwerden.„DieZukunftgehörtdenen,die<br />
diebestenGeschichtendarüberschreiben“(Frick&Kaiser,2006,S.16).DieseTatsache<br />
giltessowohlvondenManagernalsauchvonden<strong>Management</strong>theoretikernimH<strong>in</strong><br />
terkopf zu behalten. Beide kämpfen <strong>in</strong> <strong>der</strong> unübersichtlichen Multioptionsgesell<br />
schaftumAufmerksamkeit.„DabeihängtdieWirksamkeitsolcherGeschichtennicht<br />
vonihremWahrheitsgehalt,ihrerWahrsche<strong>in</strong>lichkeito<strong>der</strong>ihrerTrefferquoteab.Ge<br />
schichten über die Zukunft s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Vorhersagen im eigentlichen S<strong>in</strong>ne, son<strong>der</strong>n<br />
Gedankenexperimente zur Erschliessung neuer Möglichkeitsräume und Märkte“<br />
(Bosshartetal.,2004,S.8).<br />
Als<strong>St</strong>rukturierungshilfe,umdieBedürfnisseabzuarbeiten,bietetsichdieBedürfnis<br />
pyramide von Maslow an (vgl. Maslow, 1977; Karmas<strong>in</strong>, 2003; Schmid & Lyczek,<br />
2005).Siehatsich<strong>in</strong>denletztenJahren<strong>in</strong>sofernverän<strong>der</strong>t,alsdurchdasausgepräg<br />
teBedürfnisnachGesundheit(vgl.Kaiser,2006;Sigrist,2006;Nefiodow,2006;Kick<br />
busch,2006),dieSexualisierung<strong>der</strong>Gesellschaft(vgl.Illouz,2003;Hochschild,2003;<br />
47
48<br />
Schirach,2007;Matthiesen,2007)unddieRückkehr<strong>der</strong>Sicherheitsbedürfnisse(vgl.<br />
Beck,1996;2007;Shiller,2003;Volkmann,2002)dieOrdnung<strong>der</strong>Bedürfnissedurch<br />
e<strong>in</strong>an<strong>der</strong>geraten ist. Die Lust an e<strong>in</strong>er sündhaften Sexualität (vgl. Schulze, 2006,<br />
35ff.),das<strong>St</strong>rebennachGesundheitunddiegrassierendeUnsicherheitdurchtränken<br />
diegesamtePyramide.DasIndividuumprüftaufallen<strong>St</strong>ufen,obdiegewähltenBe<br />
dürfnisbefriedigungendieebenerwähntenMegabedürfnissebefriedigen.FürdieOr<br />
ganisationen hat dies die Konsequenz, bei <strong>der</strong> Entwicklung und Vermarktung von<br />
WissenundEmotionenaufdieseErneuerungen<strong>der</strong>BedürfnispyramideRücksichtzu<br />
nehmen.<br />
NebendiesenVerän<strong>der</strong>ungengiltesfestzuhalten,dasssichimZuge<strong>der</strong>Individuali<br />
sierungdieBedeutung<strong>der</strong>höherenBedürfnisse(vgl.Maslow,1977)erhöht.Ess<strong>in</strong>d<br />
Bedürfnisse,welchedieMenschennurmitErlebnissenundEmotionenstillenkönnen.<br />
DiehöherenBedürfnisses<strong>in</strong>dwenigerlebensnotwendigundentsprechendsubjektiv<br />
geprägt.„DiehöherenBedürfnisses<strong>in</strong>dsubjektivwenigerdr<strong>in</strong>glich.Sies<strong>in</strong>dweniger<br />
wahrnehmbar,wenigerunmissverständlich,mehrmitan<strong>der</strong>enBedürfnissenzuver<br />
wechseln,durchSuggestion,Imitation,falschenGlaubeno<strong>der</strong>falscheGewohnheiten.<br />
Esiste<strong>in</strong>ebeachtlichepsychologischeLeistung,dieeigenenBedürfnisseerkennenzu<br />
können,dasheisst,zuwünschen,wasmanwirklichwill.Diesgiltdoppeltfürdieho<br />
henBedürfnisse“(ebd.,S.128).Hieroffenbartsiche<strong>in</strong>malmehrdieAmbivalenz<strong>der</strong><br />
Individualisierung. Will das Individuum die <strong>St</strong>ufen <strong>der</strong> Pyramide hochklettern, dann<br />
kommtesnichtdarumherum,dieFragenach<strong>der</strong>eigenenIdentitätzubeantworten.<br />
DazuwirdesimNotfalldieHilfevonBegleiternundBeratern<strong>in</strong>Anspruchnehmen.<br />
S<strong>in</strong>ddieeigenenBedürfnissee<strong>in</strong>malkartiert,ersche<strong>in</strong>tesalslegitime<strong>St</strong>rategiedes<br />
mitökonomischem,sozialemundkulturellemKapital(vgl.Bourdieu,2005)ausgestat<br />
tetenIndividuums,dieBefriedigung<strong>der</strong>BedürfnissedurchOrganisationenzuerleich<br />
tern.DabeiwirdmitHilfe<strong>der</strong>OrganisationendieKonstitution<strong>der</strong>eigenenBedürfnis<br />
se untersucht, die Erledigung von unangenehmen Aufgaben an die Organisationen<br />
ausgelagertunddieBefriedigunghöhererBedürfnissedurchdieLeistungen<strong>der</strong>Or<br />
ganisationen erleichtert. Bieger (2000) unterscheidet zwischen Enabl<strong>in</strong>g und Relie<br />
v<strong>in</strong>gDienstleistungen.SiesollendieKundenvonihrenLastenbefreienundsiezum<br />
Glückführen.„EsgibtTätigkeiten,<strong>der</strong>enHauptzweckesist,Kundenzuanimieren.[…]<br />
Diesentypischen‚Enabl<strong>in</strong>g‘Funktionenstehenklare‚Reliev<strong>in</strong>g‘Aufgabengegenüber,<br />
diedasBedienenzumHauptzweckhaben(ebd.,S.223).InbeidenFällenwerdensich<br />
KundennichtmitsimplenProduktenabgeben.ImGegenteil,dieKundenweckenmit
ihren Bedürfnissen die latenten Dienstleistungsnetzwerke aus dem Dämmerschlaf,<br />
umlogistisch,<strong>in</strong>formationstechnisch,kulturellundverrechnungstechnischschnittstel<br />
lenloseDienstleistungene<strong>in</strong>zufor<strong>der</strong>n(vgl.Bieger&Beritelli,2006;2006a).<br />
AuchimInnern<strong>der</strong>OrganisationwirktdieIndividualisierung.Zum<strong>in</strong>destdiehochka<br />
pitalisierten Mitarbeitenden im S<strong>in</strong>ne Bourdieus streben nach Selbstverwirklichung<br />
(vgl.Keuppetal.,2006,S.111ff.;Pongratz&Voss,2004).BeidiesenIndividuenhat<br />
dieArbeitauchIdentitätsarbeitzuse<strong>in</strong>.Diesgilt<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>efürdenvonPongratz&<br />
Voss(2004)identifiziertenTypusdesLeistungsoptimierers.IhmsollArbeitdasAus<br />
drücken<strong>der</strong>Individualitätermöglichen.„DerLeistungsbeweisan<strong>der</strong>ungewöhnlichen<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung gerät nicht nur zum Nachweis fachlicher Kompetenz, son<strong>der</strong>n ge<br />
wissermassenzurSelbstvergewisserung<strong>der</strong>persönlichenIndividualität“(ebd.,S.68).<br />
DieLeistungsoptimierersuchen<strong>in</strong>ihrenOrganisationennachS<strong>in</strong>nundSelbstverwirk<br />
lichung.GeradeweildieUmwelt<strong>der</strong>Organisationsowandelhaftundturbulentist,<br />
hoffen nicht nur leistungsoptimierende Individuen im Innern <strong>der</strong> Organisation auf<br />
Schutz,SicherheitundOrientierung.„Wirerlebene<strong>in</strong>enkulturgeschichtlichenWan<br />
del <strong>in</strong> <strong>der</strong> Selbstauffassung <strong>der</strong> Person. Es ist überraschend, wie Menschen <strong>in</strong> den<br />
neuen,beschleunigtflexiblenArbeitsformenwie<strong>der</strong>denaltenS<strong>in</strong>nsuchenunddar<br />
aufbeharren,dassArbeitIdentitätstiftet“(Sprenger,2001,S.41f.).S<strong>in</strong>n–unddasist<br />
<strong>der</strong>Unterschiedzufrüher–wirdnichtmehrdadurchvorgegeben,dassmandenBe<br />
rufdesVaterserbto<strong>der</strong>zwanzigJahre<strong>in</strong><strong>der</strong>selbenOrganisationverharrt.S<strong>in</strong>nwird<br />
heute selbst gewählt und kann sich mit dem Lebensverlauf än<strong>der</strong>n. Man arbeitet<br />
nichtfürdasSystem,fürdieFamilieo<strong>der</strong>fürdenVorgesetzten.Manarbeitetvoral<br />
lemfürsichselbst.„DerKerngedankevonArbeitistdabe<strong>in</strong>icht,dassichgernefür<br />
an<strong>der</strong>e arbeite, son<strong>der</strong>n für mich selbst. Ich tue etwas, an das ich glaube, das mir<br />
richtigersche<strong>in</strong>tunddasichverwirklichenwill“(ebd.,S.38).<br />
DurchdasE<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen<strong>der</strong>eigenenPerson,durchdasFortsetzen<strong>der</strong>Identitätsarbeit<br />
im Innern <strong>der</strong> Organisation wird die Arbeit subjektiviert (vgl. Moldaschl & Voss,<br />
2003).„DieFormulierung‚SubjektivierungvonArbeit‘bezeichnet<strong>in</strong><strong>der</strong>arbeitssozio<br />
logischenDebatteganzallgeme<strong>in</strong>e<strong>in</strong>eIntensivierungvon‚<strong>in</strong>dividuellen‘,d.h.Subjek<br />
tivität <strong>in</strong>volvierenden Wechselverhältnissen zwischen Person und Betrieb bzw. be<br />
trieblich organisierten Arbeitsprozessen. Dies kann e<strong>in</strong>mal heissen, dass Individuen<br />
vonsichausmehrSubjektivität<strong>in</strong>dieArbeith<strong>in</strong>e<strong>in</strong>tragen,aberauch,dassdieArbeit<br />
immermehrSubjektivitätvondenIndividuenfor<strong>der</strong>t.InbeidenFällenist<strong>der</strong>zuneh<br />
mende <strong>St</strong>ellenwert von Subjektivität mit e<strong>in</strong>em relativen Rückgang von e<strong>in</strong>deutig<br />
49
50<br />
strukturierten Situationen verbunden. Es gilt dann, Arbeitskraft unter dem Aspekt<br />
ihrer<strong>in</strong>dividuellenBeson<strong>der</strong>heit(undnicht,wie<strong>in</strong><strong>der</strong>Arbeitssoziologieüblich,unter<br />
dem Aspekt ihrer Austauschbarkeit) zu betrachten“ (Kleemann et al., 2003, S.62).<br />
Wenn Mitarbeitende im Arbeitsalltag ihre Eigenarten e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen und während <strong>der</strong><br />
Arbeitgarentwickelnsollen,dannresultierte<strong>in</strong>eErhöhung<strong>der</strong>KomplexitätimInnern<br />
<strong>der</strong> Organisation. „Im Vergleich zum Arbeiten <strong>in</strong> starren Weisungshierarchien und<br />
unterautoritärenFührungsstilenwirddasInnenleben<strong>in</strong>Unternehmendamitturbu<br />
lenter.Aberdiesistnötig,umihreReaktionsundAnpassungsfähigkeitzusteigern“<br />
(Beyes,2002,S.35).<br />
Das<strong>Management</strong>erkenntvorerste<strong>in</strong>maldiezunehmendeBedeutung<strong>der</strong>Mitarbei<br />
tendenalswettbewerbsentscheidendenFaktorundproklamierte<strong>in</strong>enWar4Talents<br />
(vgl. Klaffke & Barmettler, 2006; Füllemann, 2006). Es drängt sich e<strong>in</strong> strategischer<br />
UmgangmitdemHumanKapitalauf(vgl.Zaugg,2006).„E<strong>in</strong>Anbietersolltesichbei<br />
se<strong>in</strong>erEntwicklungaufKompetenzenkonzentrieren,diegegenüberWettbewerbern<br />
wertvolleundklareVorteileschafftunde<strong>in</strong>zigartigs<strong>in</strong>d;dieErgebnisse<strong>der</strong>Kompe<br />
tenzen müssen für den Kunden e<strong>in</strong>en relevanten Nutzen stiften, zudem sollten die<br />
Fähigkeiten nicht leicht kopierbar o<strong>der</strong> substituierbar se<strong>in</strong>“ (Belz & Bieger, 2004,<br />
S.314). Dabei wie<strong>der</strong>holt sich die Geschichte, dass die Befreiung des Individuums<br />
neueZwängemitsichbr<strong>in</strong>gt.DenndieMitarbeitendens<strong>in</strong>dselberdafürverantwort<br />
lich,dasssie<strong>in</strong>terneno<strong>der</strong>externenKundenNutzenstiftenkönnen.DieMitarbeiter<strong>in</strong><br />
wirdzurMitunternehmer<strong>in</strong>.„UnterMitunternehmertumverstehenwirdieaktiveund<br />
effizienteUnterstützung<strong>der</strong>Unternehmensstrategiedurchproblemlösendes,sozial<br />
kompetentesundumsetzendesDenkenundHandelne<strong>in</strong>ermöglichstgrossenAnzahl<br />
von Mitarbeitern aller Hierarchie und Funktionsbereiche mit hoher Eigen<strong>in</strong>itiative<br />
undverantwortung“(Wun<strong>der</strong>er,2000,S.109).DieIdee<strong>der</strong>Selbstorganisationwie<br />
<strong>der</strong>holtsichauf<strong>der</strong>EbenedesselbstorganisiertenTeams.Selbstorganisationerhält<br />
imorganisationalenKontext<strong>in</strong><strong>der</strong>HoffnungaufProduktivitätssteigerungenzusätzli<br />
cheBedeutung.„ErstdurchselbstorganisierteTeamarbeitwerdenLean<strong>Management</strong><br />
und Just<strong>in</strong>timeFertigung o<strong>der</strong> Kostensenkungsprogramme durch Organisations<br />
pr<strong>in</strong>zipien wie NullLager, NullPuffer und NullFehler praktikabel“ (Greif, 1996,<br />
S.161).<br />
InZeiten<strong>der</strong>IndividualisierungwirddasHumanResources<strong>Management</strong>immermehr<br />
zur selbstständigen und dauerhaften Sicherstellung <strong>der</strong> Arbeitsmarktfähigkeit (vgl.<br />
Kraus, 2006). Den Mitarbeitenden die Selbstorganisation zuzutrauen, bedeutet von
e<strong>in</strong>emfremdbestimmtenMenschenbildAbschiedzunehmen(vgl.Kriz,1996).Mana<br />
gement wird zum Selbstmanagement, Organisation zur Selbstorganisation. „Die<br />
Selbstorganisationskompetenzenbildene<strong>in</strong>espezielleUntergruppeausdemBereich<br />
<strong>der</strong>sozialenKompetenzenundProblemlösungskompetenzen.Derbeson<strong>der</strong>eSchwer<br />
punktliegthier<strong>in</strong>denKompetenzenzureigenständigen<strong>St</strong>rukturierungundOrdnung<br />
vonAufgaben,RegelnundHandlungen.E<strong>in</strong>facherausgedrückt,gehtesimKernum<br />
Kompetenzen zur selbständigen Planung und Durchführung von Arbeitsaufgaben.<br />
Personeno<strong>der</strong>Gruppen,diefürbestimmteAufgabenguteSelbstorganisationskom<br />
petenzenentwickelthaben,s<strong>in</strong>d<strong>in</strong><strong>der</strong>Lage,ohnevorherigeAnleitungundAnwei<br />
sungselbereffektivePläneund<strong>St</strong>rukturenzurBearbeitungdieserAufgabenzuent<br />
wickeln.DieFör<strong>der</strong>ungvonSelbstorganisationskompetenzistbeson<strong>der</strong>sdannnütz<br />
lich, wenn die erfolgreiche Durchführung <strong>der</strong> Aufgaben spezielles Fach und Erfah<br />
rungswisseno<strong>der</strong>aufwendigeKontrollenerfor<strong>der</strong>tundwenn<strong>der</strong>PlanungsundVor<br />
bereitungsaufwand […] hoch ist. Durch Selbstorganisationskompetenzen können<br />
langfristigdieKostenfürPlanungs,Vorbereitungs,ÜberwachungsundSchulungs<br />
personalverr<strong>in</strong>gertwerden“(ebd.,S.166f.).Zuerwarten,dasssichdieSelbstorgani<br />
sationskompetenz von alle<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>stellt unddiese Entwicklung ohne Kostenfür e<strong>in</strong>e<br />
Organisationverliefe,iste<strong>in</strong>Trugschluss.DasselbstorganisierteLerneno<strong>der</strong>Arbeiten<br />
stellthoheAnfor<strong>der</strong>ungenandasIndividuumundse<strong>in</strong>eBetreuer(vgl.Greif&Kurz,<br />
1996),unddieTransformation<strong>der</strong>fremd<strong>in</strong>selbstgesteuerteKulturenund<strong>St</strong>ruktu<br />
renb<strong>in</strong>dete<strong>in</strong>enMengeanf<strong>in</strong>anziellenundzeitlichenRessourcen.<br />
Eswirde<strong>in</strong>Bildungsmanagementnötig,dasdieInteressen<strong>der</strong>Organisationunddes<br />
Individuumsgleichzeitigberücksichtigt.„Bildungsmanagementbezeichnete<strong>in</strong>Gestal<br />
tungsfeld,daspr<strong>in</strong>zipiell<strong>in</strong>alljenenOrganisationenrelevantist,<strong>in</strong>denenBildungs<br />
prozessegeplant,durchgeführtundevaluiertwerden“(Euler,2004,S.36).Bildungs<br />
prozessewerdenausorganisationalerSichtnötig,wennsichdieRahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
<strong>der</strong> Wertschöpfungserstellung verän<strong>der</strong>t haben, wenn also Anpassungsprozesse an<br />
verän<strong>der</strong>teUmweltbed<strong>in</strong>gungennötigwerden(vgl.Bull<strong>in</strong>ger,2006).Bei<strong>der</strong>Weiter<br />
bildung<strong>der</strong>MitarbeitendendürfendieInteressenunddieEigenarten<strong>der</strong>Mitarbei<br />
tendennichtausserAchtgelassenwerden.„Vielmehrwirdesnotwendig,<strong>in</strong>denBil<br />
dungsprozessendieInteressen<strong>der</strong>Mitarbeiter<strong>in</strong>nenundMitarbeitermitdenendes<br />
Unternehmens abzustimmen, das Spannungsfeld von <strong>in</strong>dividueller Persönlichkeits<br />
entwicklungundMarktanfor<strong>der</strong>ungenzugestalten–kurz:Bildungalse<strong>in</strong>komplexes<br />
<strong>Management</strong>problem zu konzeptualisieren“ (Euler, 2004, S.37). Die <strong>in</strong>dividuellen<br />
51
52<br />
Handlungskompetenzen<strong>der</strong>Mitarbeitendenmüssenmitden<strong>St</strong>rategien,<strong>St</strong>rukturen<br />
und Kulturen e<strong>in</strong>er Organisation <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung gebracht werden (vgl. ebd.,<br />
S.37).Dabeisollsichnichtnur<strong>der</strong>MitarbeiterandieOrganisation,son<strong>der</strong>nebenso<br />
die Organisation an den Mitarbeiter anpassen. „Es geht um die Führung von Men<br />
schen <strong>in</strong> Organisationen. Und es geht um die Gestaltung von Organisationen mit<br />
Menschen.[…]<strong>Management</strong>bedeutet,OrganisationenandieNaturdesMenschen<br />
anzupassen,nichtdieNaturdesMenschenandieOrganisation“(Malik,2007,S.26,<br />
S.27).<br />
Individualisierung,SubjektivierungundImmaterialisierung<strong>der</strong>Beiträge<strong>der</strong>Mitarbei<br />
tendenwirkensichaufdasHumanResources<strong>Management</strong>aufgesamtorganisatori<br />
scherEbeneaus.ImZuge<strong>der</strong>Individualisierungverän<strong>der</strong>nsichUnternehmensstruk<br />
turen, Unternehmensarchitekturen und die Gestaltung des Arbeitsplatzes. Das Of<br />
fice 20 wird zum Office 21 (vgl. Spath & Kern, 2003). In diesem spielen die e<br />
Infrastruktur, die Mobilität des Büromaterials und die Formen und Farben des Ar<br />
beitsplatzese<strong>in</strong>ewichtigeRolle.AlsFazitgilt:„DasUnternehmenistumdenE<strong>in</strong>zelnen<br />
herum zubauen“(Sprenger, 2001, S.230). Das <strong>in</strong>dividualisierteIndividuum verlangt<br />
an<strong>der</strong>eArbeitsbed<strong>in</strong>gungenals<strong>der</strong>Massenmensch.EskommtzumAufstanddesIn<br />
dividuums (vgl. ebd.). „Der Aufstand des Individuums hat daher vor allem Konse<br />
quenzenfürdieArchitektur<strong>der</strong>Unternehmen.Mitarbeiters<strong>in</strong>dke<strong>in</strong>egesichtslosen<br />
Befehlsempfängermehr;sies<strong>in</strong>dselbstbewusster,<strong>in</strong>dividueller,reflektierter.Siewol<br />
len,dassmanihrenNamenkennt.Sies<strong>in</strong>dwiePartnere<strong>in</strong>erBeratungsfirma,Werbe<br />
agenturo<strong>der</strong>Freiberuflerorganisation.SiewollenihrenWunschnachAutonomieund<br />
Selbstständigkeitauchdannerfülltsehen,wennSie<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emGrossunternehmenar<br />
beiten.Siewi<strong>der</strong>setzensich<strong>der</strong>allgeme<strong>in</strong>enE<strong>in</strong>schwörungaufdieDurchschnittlich<br />
keit.Sieverlangen<strong>in</strong>zunehmendenMasse,dasssichdasUnternehmenaufdiejebe<br />
son<strong>der</strong>en E<strong>in</strong>flüsse des E<strong>in</strong>zelnen e<strong>in</strong>stellt“ (ebd., S.42). Konkreter kann <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ar<br />
beitsgestaltung,<strong>in</strong><strong>der</strong>Entgeltgestaltung,<strong>in</strong><strong>der</strong>Personalentwicklung,<strong>in</strong><strong>der</strong>Arbeits<br />
gestaltung und wie gesehen <strong>in</strong> <strong>der</strong> direkten Personalführung <strong>in</strong>dividueller auf den<br />
e<strong>in</strong>zelnenMitarbeitere<strong>in</strong>gegangenwerden(vgl.Schanz,2004).<br />
Schliesslich verlangen <strong>in</strong>dividualisierte Mitarbeitende nach an<strong>der</strong>en Führungsstilen.<br />
DerautoritäreFührungsstilsche<strong>in</strong>tfürdas<strong>Management</strong>vonWissenundEmotionen<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er dem Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Selbstorganisation unterstellten Organisation ungeeignet.<br />
Kommandieren, Kontrollieren und Korrigieren werden heute durch Koord<strong>in</strong>ieren,<br />
KommunizierenundKooperierenersetzt(vgl.Schmid,2007).DerChefverschw<strong>in</strong>det
und wird zum Coach <strong>der</strong> Selbstorganisation. Anstelle des unsichtbaren Chefs wird<br />
auchvon<strong>der</strong>Individualisierung<strong>der</strong>Führung(vgl.Sprenger,2001)o<strong>der</strong>dem<strong>in</strong>dividu<br />
alisierten Unternehmen (vgl. Schanz, 2004) gesprochen. Als Begleiter müssen Füh<br />
rungskräftedieBed<strong>in</strong>gungenschaffen,damitihreMitarbeitendenihreFähigkeiten<strong>in</strong><br />
dieOrganisationene<strong>in</strong>br<strong>in</strong>genundweiterentwickeln.DazubrauchtesFreiräumeund<br />
<strong>St</strong>rukturen.DazubrauchtesFreiheitenundRegeln.„ZeitgenössischesLea<strong>der</strong>shipla<br />
viertimambivalentenSpannungsfeldzwischenentgrenzterunde<strong>in</strong>gedämmterKon<br />
t<strong>in</strong>genz,zwischen‚Freiheitengeben‘und‚<strong>St</strong>rukturenerhalten‘wieniezuvor.[…]Die<br />
Fähigkeit, klug mit Ambivalenzen und Wi<strong>der</strong>sprüchen umzugehen, ist dabei die ei<br />
gentlicheKunst.Momentanlässtsiche<strong>in</strong>Abbau<strong>der</strong>straffenBefehlsundBefugnispy<br />
ramidendurchTeams,Matrixorganisationen,netzwerkähnliche<strong>St</strong>rukturenundande<br />
reReformansätzebeobachten,<strong>der</strong>jedochmitneuenProblemene<strong>in</strong>hergeht:DiePa<br />
radoxien<strong>der</strong>Unternehmensführung,die<strong>in</strong>Zeitenrigi<strong>der</strong>ÜberundUnterordnungs<br />
verhältnissenichtweiterauffallen,brechennunanvielenEckenhervorundmüssen<br />
bearbeitetwerden.EsgehtumE<strong>in</strong>griffe<strong>in</strong>daswechselseitigeBed<strong>in</strong>gungsverhältnis<br />
von Freiheit und Organisation, um Experimente mit Festlegungen, die variabel und<br />
korrigierbar bleiben müssen, um Unschärfe. Es wird nach an<strong>der</strong>en Wegen gesucht,<br />
um Entscheidungsvorgänge zu strukturieren, an<strong>der</strong>en Wegen, um weiterh<strong>in</strong> Unab<br />
hängigkeitundAbhängigkeitzusichern.EsgehtumKont<strong>in</strong>genzfreisetzungundKon<br />
t<strong>in</strong>genzbegrenzungo<strong>der</strong>umdieQuadraturdesKreises–imBewusstse<strong>in</strong><strong>der</strong>Quadra<br />
tur“(Beyes,2002a,S.34,S.36).<br />
<br />
53
54<br />
3. Identitätsarbeit<strong>der</strong>Organisation<br />
3.1. DerOrganisationszweck<br />
AuchdieOrganisationssytemeagieren<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emUmfeld<strong>der</strong>Unordnung.Auchsiese<br />
hen sich mit umfassen<strong>der</strong> Komplexität konfrontiert, die ihre Selbstverständlichkeit<br />
bedroht.AuchsiemüssenIdentitätsarbeitleisten.<br />
Um<strong>in</strong><strong>der</strong>Fülle<strong>der</strong>MöglichkeitendenÜberblickzubewahren,konzentrierensichdie<br />
OrganisationenaufihreKernkompetenzen(vgl.H<strong>in</strong>terhuberetal.,2003).„Ine<strong>in</strong>em<br />
<strong>in</strong>tensivierten,globalenWettbewerbmüssensichUnternehmenzunehmendaufLeis<br />
tungsbereichefokussieren,<strong>in</strong>denensieüberunimitierbareundschwerangreifbare<br />
Wettbewerbsvorteileverfügen.Dementsprechendleistete<strong>in</strong>Unternehmen<strong>in</strong>nerhalb<br />
e<strong>in</strong>er komplexen Wertschöpfungskette immer weniger selbst. Se<strong>in</strong> vertikaler Wert<br />
schöpfungsbereich verkle<strong>in</strong>ert sich“ (Belz & Bieger, 2004, S.343). Die Verkle<strong>in</strong>erung<br />
desvertikalenWertschöpfungsbereichsgehtmitKooperationenauf<strong>der</strong>horizontalen<br />
Ebenee<strong>in</strong>her.DurchdieVernetzungwirdesmöglich,demEndkundengegenüberdie<br />
gesamte Wertschöpfungskette abzudecken. Dieser <strong>in</strong>tegriert die e<strong>in</strong>zelnen Wert<br />
schöpfungsstufen und tendiert zu umfassenden und kohärenten Problemlösungen<br />
(vgl.Belz,1996;1991).„FehlendeTeilleistungen,dienichtdurchdaseigeneUnter<br />
nehmen bereitgestellt werden können (o<strong>der</strong> sollen), lassen sich mit Kooperationen<br />
abdecken.UnternehmenverbreiternihrenhorizontalenWertschöpfungsbereich;ent<br />
sprechend müssen Unternehmen auch an <strong>der</strong> Schnittstelle zum Kunden vermehrt<br />
kooperieren“ (Belz & Bieger, 2004, S.343). Die Konzentration auf das Wesentliche<br />
entspricht<strong>der</strong>menschlichenAuse<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungmit<strong>der</strong>Frage:„Werb<strong>in</strong>ich?“.<br />
Überträgt man das menschliche Identitätskonzept auf die Organisation, dann sieht<br />
sichdiesemit<strong>der</strong>Aufgabekonfrontiert,durchIdentitätsarbeitanihrerSelbsterzäh<br />
lung zu schreiben. Diese umfasst mehr als die Bestimmung <strong>der</strong> Kernkompetenzen.<br />
E<strong>in</strong>eAbstraktionsebeneüberdiesenliegt<strong>der</strong>Organisationszweck.Ause<strong>in</strong>ersoziolo<br />
gischenPerspektiveteilensichdieOrganisationendurchdasBestimmenverschiede<br />
ner Organisationszwecke die Arbeit auf, welche die Menschen als Gesellschaft ver<br />
richtenwollen.SieorganisierendieArbeitsteilung,umdieBedürfnisse<strong>der</strong>Individuen<br />
undihrerGesellschaftzubefriedigen.DiesesBefriedigengleichthäufige<strong>in</strong>emProb<br />
lemlösen. „Unter gesellschaftlichen Institutionen verstehen wir hier von Menschen<br />
gemachte Gebilde, <strong>in</strong> denen Menschen zusammenwirken, um <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
Funktionenzuerfüllen.DieseFunktionenkönnenimKonkretenausserordentlichver
schieden se<strong>in</strong>; allgeme<strong>in</strong> können sie als Erstellung von Leistungen für ihre Umwelt<br />
betrachtetwerden.[…]Ess<strong>in</strong>dsomit<strong>in</strong>diesemS<strong>in</strong>nekünstliche,aufgrundmenschli<br />
cherAbsichtenentstandene,zweckgerichteteSysteme“(Ulrich,1983,S.134).Nurals<br />
vondenMenschengeschaffene,denMenschendienlicheSystemekönnenOrganisa<br />
tionenBestandteileihrerGesellschaftenwerdenunddadurchlangfristigüberleben.<br />
„Unternehmensziele[müssen]InterpretationenundKonkretisierungengesellschaftli<br />
cherZweckese<strong>in</strong>;an<strong>der</strong>siste<strong>in</strong>edauerhafteIntegrationdesTeils‚Unternehmung‘<strong>in</strong><br />
dasGanze‚Gesellschaft‘nichterreichbar“(Ulrich,1984a,S.304).<br />
Aus<strong>der</strong>Perspektive<strong>der</strong>Arbeitsteilungergibtsiche<strong>in</strong>ealternativeBetrachtungsweise<br />
aufdieAufgabedes<strong>Management</strong>s.<strong>Management</strong>istdanndie„bewegendeKraft,bei<br />
<strong>der</strong>esdurche<strong>in</strong>arbeitsteiligesZusammenwirkenvielerMenschengeme<strong>in</strong>sametwas<br />
zuerreichengilt“(Ulrich&Krieg,2001,S.13).Darausresultierte<strong>in</strong>eanspruchsvolle<br />
<strong>Management</strong>aufgabe. „Die Hauptaufgaben<strong>der</strong> Unternehmensführung s<strong>in</strong>daus die<br />
serSicht:zunächstdasErkennens<strong>in</strong>nvoller–mankannauchsagenwertvollerZweck<br />
setzungenfürdasUnternehmen,wasnurdurche<strong>in</strong>eBetrachtungdesUnternehmens<br />
vomgrösserenGanzen,vonihrernatürlichenundgesellschaftlichenUmweltausge<br />
schehen kann, und das Ableiten entsprechen<strong>der</strong>, erreichbarer Unternehmensziele“<br />
(Ulrich,1984,S.302).UnternehmerischeZweckes<strong>in</strong>ddanns<strong>in</strong>nvoll,wennsiee<strong>in</strong>kon<br />
kretesmenschlichesProblemansprechen.OrganisationenbeziehenihreLegitimation<br />
aus<strong>der</strong>Lösunge<strong>in</strong>esProblems,welchesdasIndividuumauchalsTeil<strong>der</strong>Gesellschaft<br />
betrifft.Durchdas<strong>Management</strong>giltesdenUnternehmenszweckmitdenFähigkeiten<br />
und den Werten <strong>der</strong> Mitarbeitenden <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung zu br<strong>in</strong>gen. Denkt man an die<br />
Vernetzung<strong>der</strong>Systeme,sogiltesdieseSelbsterzählung<strong>in</strong>Zusammenhangmit<strong>der</strong><br />
gesamten Gesellschaft zu denken. „Der Beitrag sowohl <strong>der</strong> Wirtschafts<br />
Unternehmungenalsauch<strong>der</strong>NonProfitOrganisationenistalsogesellschaftlichde<br />
f<strong>in</strong>iert. Hier<strong>in</strong> liegt ihre Ethik. Sie liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirkung für die Gesellschaft“ (Malik,<br />
2008,S.150).<br />
Die Organisation wirkt <strong>in</strong> technischer, ökonomischer und sozialer H<strong>in</strong>sicht auf ihre<br />
Umweltzurück.DurchdieLeistungen<strong>der</strong>Organisationverän<strong>der</strong>nsichdieRahmen<br />
bed<strong>in</strong>gungen des organisationalen Handelns. „Die technologische Gestaltungsebene<br />
umfasstdiephysischenundmateriellenAspektedesUnternehmensgeschehensund<br />
orientiertsichdemgemässvorallemanQuantitätenundQualitäten.ImMittelpunkt<br />
steht die Frage <strong>der</strong> Produktivität, das heisst des Verhältnisses von Inputs (E<strong>in</strong>satz<br />
mengen)undOutputs(Ausbr<strong>in</strong>gungsmengen).[…]In<strong>der</strong>ökonomischenGestaltungs<br />
55
56<br />
ebeneersche<strong>in</strong>tdasUnternehmensgeschehenalsWertekreislauf,e<strong>in</strong>gebettet<strong>in</strong>den<br />
volkswirtschaftlichenGesamtumlaufzwischenUnternehmungenundHaushalten.[…]<br />
In<strong>der</strong>sozialenGestaltungsebenegehtesumMenschen,TrägerdesUnternehmungs<br />
geschehens und Empfänger <strong>der</strong> Unternehmensleistungen zugleich. Gegenstand <strong>der</strong><br />
Betrachtungs<strong>in</strong>ddie<strong>in</strong>dividuellen,gruppendynamischenundsozialsystemischenE<strong>in</strong><br />
flüsseaufdasVerhaltendesMenschen,<strong>der</strong>imMittelgefüge<strong>der</strong>Unternehmunge<strong>in</strong>e<br />
Son<strong>der</strong>stellung e<strong>in</strong>nimmt: er besitzt Selbstwert, ist e<strong>in</strong> erlebendes, reflektierendes<br />
undVerantwortungtragendesWesen,betätigtsich<strong>in</strong>itiativundvielseitigundkann<br />
nur<strong>in</strong>begrenztemMassersetztwerden.AlledamitzusammenhängendenProbleme<br />
münden<strong>in</strong>dieeigentlicheKernfragenachdemmöglichenBeitragzurmenschlichen<br />
Selbstverwirklichung“(Ulrich&Krieg,2001,S.29).DasSchreiben<strong>der</strong>organisationalen<br />
SelbsterzählungumfasstdieReflexion<strong>der</strong>technologischen,ökonomischenundsozia<br />
len Wechselwirkungen. Werden Gestaltungsebenen vergessen, bleibt die Reflexion<br />
unvollständig.FürdieKonstruktione<strong>in</strong>esdazupassenden<strong>Management</strong>modellsund<br />
die Weiterentwicklung e<strong>in</strong>es entsprechenden Betriebswirtschaftsstudiums ist die<br />
Neudef<strong>in</strong>itiondesErkenntnisobjekts<strong>der</strong>Betriebswirtschaftslehrenotwendig.Reflek<br />
tiertwirdnichtdasWohl<strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelnenOrganisation,son<strong>der</strong>ndasWohl<strong>der</strong>mitihrer<br />
UmweltverwachsenenOrganisation.<br />
Das Bekenntnis zur gleichzeitigen Berücksichtigung aller drei Gestaltungsebenen<br />
stehtschonlangeschwarzaufweiss(vgl.Ulrich&Krieg,2001;Dyllick,1982,S.170ff.).<br />
„Grundsätzlich weist jedes Unternehmen zu lösende Problem technologische, öko<br />
nomischeundsozialeAspekteauf,wennauch<strong>der</strong>enrelativeBedeutungvonFallzu<br />
Fallverschiedenist.Deshalbkannnure<strong>in</strong>e<strong>in</strong>tegrierende,vondenkonkretenGege<br />
benheitenausgehendeErfassungallerdreiGestaltungsebenenzusituationsgerechten<br />
Problemlösungenführen“(Ulrich&Krieg,2001,S.29).Tatsächlichnehmen<strong>in</strong><strong>der</strong>be<br />
triebswirtschaftlichenLehrebisheutedietechnologischeundvorallemdieökonomi<br />
sche Betrachtungsebene e<strong>in</strong>e dom<strong>in</strong>ierende <strong>St</strong>ellung e<strong>in</strong> (vgl. Bickmann, 1999; Dyl<br />
lick,1982;B<strong>in</strong>swanger,2006).Optimiertwirdbisanh<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zigdasWohl<strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelnen<br />
Organisation,nichtdasWohl<strong>der</strong>mitihrenAnspruchsgruppenvernetztenOrganisati<br />
onundschongarnichtdasWohl<strong>der</strong>Gesellschaft.„InUnternehmendom<strong>in</strong>iert<strong>der</strong><br />
GlaubeandasnumerischBelegbaredieEntscheidungen,denndieunternehmerische<br />
WirklichkeitwirddurchZahlensche<strong>in</strong>barhaptisch.[…]EsistdiegrössteFiktion<strong>der</strong><br />
Wirtschaftswissenschaften, unternehmerischen Entscheiden ökonomische Rationali<br />
tätzuzuschreiben.ImschlimmstenFallführtdiesdazu,PannenundFehlschlägee<strong>in</strong>er
nochnichtweitgehendgenugdetailliertenUntersuchungundPlanungvonE<strong>in</strong>zelab<br />
läufenzuzuschreiben“(Bickmann,1999,S.27,S.29).<br />
DieFokussierungaufdasWohl<strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelnenOrganisationimplizierte<strong>in</strong>geschlosse<br />
nes Systemmodell. „Im Grund s<strong>in</strong>d die betriebswirtschaftlichen und <strong>Management</strong><br />
Theorien bis <strong>in</strong> die sechziger Jahre unseres Jahrhun<strong>der</strong>ts [<strong>in</strong>] e<strong>in</strong>em geschlossenen<br />
Systemmodell verhaftet geblieben, das davon ausgeht, dass die Beziehungen zur<br />
Umweltentwe<strong>der</strong>bedeutungslosfürdieAufgaben<strong>der</strong>Unternehmensführungseien<br />
o<strong>der</strong>alsRahmenbed<strong>in</strong>gungene<strong>in</strong>ergegebenenWirtschaftsordnungimmanent.Dem<br />
geschlossenenSystemmodellangemessenistdieverwendetePerspektiveimRahmen<br />
dieser Ansätze e<strong>in</strong>e ‚<strong>in</strong>terne‘, die davon ausgeht, dass auftretende Probleme durch<br />
e<strong>in</strong>eVerän<strong>der</strong>ung<strong>der</strong>system<strong>in</strong>ternenElementeundBeziehungen,ohneBerücksich<br />
tigung <strong>der</strong> Umweltbeziehungen gelöst werden müssen und können“ (ebd., S.11f.).<br />
Das geschlosseneSystemverständnisgehtdavonaus,dassdasSystemverhaltendie<br />
Bed<strong>in</strong>gungen des eigenen Handelns nicht verän<strong>der</strong>n kann. Es geht davon aus, dass<br />
dasSystemverhaltenunabhängigvon<strong>der</strong>Umweltgeschieht.Esgehtdavonaus,dass<br />
eszuke<strong>in</strong>enWechselwirkungenzwischenUmweltundOrganisationkommt.Esgeht<br />
davonaus,dassdasVerhaltendesSystemsvom<strong>Management</strong>befohlenwerdenkann.<br />
WirddieOrganisationalsSystemverstanden,dasauchdasWohlse<strong>in</strong>erUmweltbe<br />
rücksichtigen muss, dann wird die Organisation zum offenen System (vgl. Dorn,<br />
1993).„E<strong>in</strong>offenesSystemkannsichmittelsAustauschbeziehungenmitse<strong>in</strong>erUm<br />
welt selbst erhalten und selbst organisieren“ (Dyllick, 1982, S.169). Die Betrach<br />
tungsweise <strong>der</strong> zum Gleichschritt mit <strong>der</strong> Umwelt verpflichteten Entwicklung ist<br />
rückblickend ke<strong>in</strong>e Selbstverständlichkeit. Gerade Ulrich wird viel Überzeugungsar<br />
beitattestiert(vgl.Malik,2004a).DieVorstellungdesoffenenSystemswir<strong>der</strong>stum<br />
1960durchentscheidungsverhaltensundsystemorientierteAnsätze<strong>in</strong>dieManage<br />
menttheoriee<strong>in</strong>gebracht(vgl.Dyllick,1982,S.167).ImMittelpunktdes<strong>Management</strong>s<br />
vonoffenenSystemenstehtnichtmehrdiee<strong>in</strong>zelneOrganisation,son<strong>der</strong>ndie<strong>in</strong>ihre<br />
Umwelte<strong>in</strong>gewachseneOrganisation.„Unter<strong>der</strong>Umwelte<strong>in</strong>esSystemss<strong>in</strong>ddieex<br />
ternenBed<strong>in</strong>gungenzuverstehen,<strong>in</strong><strong>der</strong>enRahmensiche<strong>in</strong>Systementwickelt.Sie<br />
besteht aus externen Elementen, mit denen das System <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Wirkungszusam<br />
menhangtritt.[…]JedesSystemmusssichaufdieverschiedenenUmweltsegmente<br />
e<strong>in</strong>stellen,dieaufdieseszwangsläufige<strong>in</strong>engewissenE<strong>in</strong>flussausüben.Umgekehrt<br />
wirddasSystemmiteigenenAktionense<strong>in</strong>eUmweltverän<strong>der</strong>n.DasSystem‚Unter<br />
nehmen‘istalso<strong>der</strong>Weltgegenüberoffenundtrittzuihr<strong>in</strong>ständigeInteraktion“<br />
57
58<br />
(Probst,1993,S.27f.).DieOrganisationwirdalsorganischesSystemkonzeptioniert,<br />
das<strong>in</strong>se<strong>in</strong>erUmweltumdasÜberlebenkämpft.„Dieökologischenundgesellschaftli<br />
chen Entwicklungstendenzen im allgeme<strong>in</strong>en sowie <strong>der</strong> technologische Fortschritt,<br />
<strong>der</strong>wirtschaftliche<strong>St</strong>rukturwandelunddieVerän<strong>der</strong>ungen<strong>der</strong>menschlichenArbeits<br />
und Verbrauchsgewohnheiten im beson<strong>der</strong>en erfor<strong>der</strong>n ständige Anpassungen <strong>der</strong><br />
UnternehmungenunddesarbeitsteiligenUnternehmensgeschehens“(Ulrich&Krieg,<br />
1972, S.21). Die Modellbauste<strong>in</strong>e des ständigen Anpassens und <strong>der</strong> gegenseitigen<br />
AustauschprozessezwischenOrganisationundUmweltverdrängendasl<strong>in</strong>eareDen<br />
kenun<strong>der</strong>setzenesdurchWechselwirkungenunddasDenken<strong>in</strong>Kreisläufen.„Damit<br />
tretendieSystemUmweltBeziehungen<strong>in</strong>denVor<strong>der</strong>grunddesInteresses“(Dyllick,<br />
1982,S.187).<br />
<br />
3.2. MärkteundPositionierung<br />
Ausgehend vom Organisationszweck, lassen sich die e<strong>in</strong>zelnen Märkte bestimmen,<br />
auf denen e<strong>in</strong>e Organisation tätig se<strong>in</strong> will. „Für die e<strong>in</strong>zelne Unternehmung stellt<br />
sich das Problem <strong>in</strong>nerhalb des Gesamtmarktes <strong>in</strong>dividuelle Märkte zu bestimmen,<br />
die ihren Zwecken entsprechen. Dies geschieht durch Segmentierung nach räumli<br />
chen und zeitlichen Gesichtspunkten, nach Branchen und Leistungsarten, nach Be<br />
dürfniskomplexen und Kundengruppen. Im weiteren hat sie zu beachten, dass die<br />
Märkteke<strong>in</strong>ee<strong>in</strong>fürallemalgegebenenGrössendarstellen,son<strong>der</strong>ndurchständige<br />
Beschaffungs und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Absatzaktivitäten ausgebaut, erhalten und verän<br />
<strong>der</strong>twerdenmüssen.DieFrage,aufwelchenMärktene<strong>in</strong>eUnternehmungtätigwer<br />
densoll,istuntrennbarmit<strong>der</strong>FragenachdenanzubietendenMarktleistungenver<br />
bunden. Die Bestimmung des Outputs, das heisst <strong>der</strong> Marktleitungen, wonach sich<br />
naturgemässdieBestimmungdesInputs,dasheisst<strong>der</strong>zubeschaffendenInputsaus<br />
richtenmuss,zähltdannauchzudengrundlegendenFührungsentscheidungen,geht<br />
esdabeidochumdieErfüllungdesproduktivenZweckese<strong>in</strong>erUnternehmung“(Ul<br />
rich& Krieg, 2001, S.26).Die organisationale Identitätsarbeit wird durch diese Ent<br />
scheideweitervorangetrieben.DieOrganisationwirde<strong>in</strong>geklemmt<strong>in</strong>e<strong>in</strong>Netzwerk<br />
vonanbietendenundnachfragendenAnspruchsgruppen,dieähnlichwiesozialeKrei<br />
se(vgl.Simmel,1890)dieIndividualitäte<strong>in</strong>erOrganisationhervorbr<strong>in</strong>gen.<br />
Um als Organisation Ressourcen <strong>in</strong> Nutzen transformieren zu können, ist e<strong>in</strong>e Be<br />
schäftigung mit dem Kundennutzen unumgänglich. Bei Malik (2008) wird <strong>der</strong> Kun
dennutzen zur obersten Leitl<strong>in</strong>ie des <strong>Management</strong>s gekürt. „Kundennutzen ist <strong>der</strong><br />
erste und orig<strong>in</strong>äre Fixpunkt für die Orientierung <strong>der</strong> Unternehmenslenkung. Der<br />
zweiteFixpunktergibtsichunmittelbarausdemzufriedenenKundenbzw.ist<strong>in</strong>die<br />
seme<strong>in</strong>geschlossen“(ebd.,S.155).DervomKundenempfundeneNutzenkannüber<br />
se<strong>in</strong>eZufriedenheiterfasstwerden.„KundenzufriedenheitistdasErgebnise<strong>in</strong>esVer<br />
gleiches<strong>der</strong>Kundenerwartungenmit<strong>der</strong>wahrgenommeneno<strong>der</strong>erlebtenLeistung<br />
e<strong>in</strong>esAnbieters“(Belz&Bieger,2004,S.119).AlsAnbieterstehtmanvor<strong>der</strong>Heraus<br />
for<strong>der</strong>ung,mitse<strong>in</strong>enLeistungendieErwartungen<strong>der</strong>Kundenzuübertreffen.Dies<br />
gel<strong>in</strong>gtdann,wenndieKundenrelativeVorteileerkennen.Siepräsentierensichzum<br />
Beispiel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Individualisierungs, e<strong>in</strong>em Emotions, e<strong>in</strong>em Geschw<strong>in</strong>digkeits<br />
o<strong>der</strong>e<strong>in</strong>emWirtschaftlichkeitsvorteil(vgl.ebd.,S.101).ZufriedeneKundenfüllendie<br />
Kassen.NebendemBasisgew<strong>in</strong>nsorgensiefürGew<strong>in</strong>nedurcherhöhteKauffrequenz,<br />
CrossSell<strong>in</strong>g, ger<strong>in</strong>gere Transaktionskosten, Weiterempfehlungen und mögliche<br />
Preiszuschläge(vgl.H<strong>in</strong>terhuberetal.,2003,S.7).<br />
Aus Sicht <strong>der</strong> Organisationen zeigen sich Kundenvorteile im Verhältnis zu an<strong>der</strong>en<br />
OrganisationenalsWettbewerbsvorteile.„Wettbewerbsvorteileprägenmassgeblich<br />
dieDiskussionumerfolgreicheUnternehmensstrategien.Umsich<strong>in</strong>Märktendurch<br />
zusetzen, gilt es, im Vergleich zu den Wettbewerbern kostengünstiger vorzugehen<br />
o<strong>der</strong>sichzudifferenzieren.Dazumusse<strong>in</strong>AnbieterdieentsprechendenWertaktivitä<br />
ten auswählen und die eigene Wertschöpfung optimieren“ (Belz & Bieger, S.93f.).<br />
Dah<strong>in</strong>terstecktdieNotwendigkeit,e<strong>in</strong>eOrganisationdurchdieAntizipation<strong>der</strong>Zu<br />
kunft zu führen. „Demgegenüber besteht die Aufgabe <strong>der</strong> strategischen Unterneh<br />
mensführungdar<strong>in</strong>,sofrühwiemöglichundsofrühwienotwendigfürdieSchaffung<br />
und Erhaltung <strong>der</strong> besten Voraussetzungen für anhaltende und weit <strong>in</strong> die Zukunft<br />
reichendeErfolgsmöglichkeiten,dasheisstfür‚Erfolgspotentiale‘zusorgen.DasEr<br />
folgspotentialistdiebei<strong>der</strong>strategischenUnternehmensführungimMittelpunktste<br />
hende Führungs und <strong>St</strong>euerungsgrösse. Die <strong>St</strong>euerung des Erfolgspotentials als<br />
Kernaufgabe<strong>der</strong>strategischenFührungistdahernichtsan<strong>der</strong>esalse<strong>in</strong>eorganisierte<br />
und systematische ‚Vorsteuerung‘ <strong>der</strong> für die operative Führung massgebenden<br />
GrössenErfolgundLiquidität“(Gälweiler,1979,S.1).<br />
Es verbleibt die Frage, <strong>in</strong> welcher Art und Weise e<strong>in</strong>e Organisation den gewählten<br />
Zweckerstellenundvermarktenwill.Mitan<strong>der</strong>enWortengehtesumdiePositionie<br />
rungaufdenMärkten,<strong>in</strong>denensietätigse<strong>in</strong>will.Damits<strong>in</strong>dArbeits,F<strong>in</strong>anzund<br />
59
60<br />
Leistungsmärktegleichermassenangesprochen.„Bei<strong>der</strong>Positionierungstelltsichei<br />
nemUnternehmendieAufgabe,e<strong>in</strong>evorteilhafte<strong>St</strong>ellunggegenüberse<strong>in</strong>enalsrele<br />
vanterachtetenAnspruchsgruppenzuerarbeitensowieMittelundWegezuüberle<br />
gen,wieese<strong>in</strong>esolcheerreichenkann“(Müller&<strong>St</strong>ewens,2003,S.141).DiePositio<br />
nierungverfe<strong>in</strong>ertdasäusserlicheBild,dasdieAnspruchsgruppenwahrnehmensol<br />
len.Sieistdeshalbe<strong>in</strong>bedeuten<strong>der</strong>Teil<strong>der</strong>organisationalenIdentitätsarbeit.Umso<br />
wichtigeristes,dassdiePositionierungengmit<strong>der</strong>Wertschöpfungzusammenhängt.<br />
Hier verschmelzen die äussere und die <strong>in</strong>nere Wirkung <strong>der</strong> Positionierung. „Die<br />
SchnittstellezwischenPositionierungundWertschöpfungistvonelementarerBedeu<br />
tung. F<strong>in</strong>det hier ke<strong>in</strong>e konzeptionelle und handlungsleitende Verb<strong>in</strong>dung statt, so<br />
reisst<strong>der</strong>logischeZusammenhangundesistnichtmehre<strong>in</strong>sichtig,welcheAuswir<br />
kungen e<strong>in</strong>e spezifische Positionierung für die Wertschöpfung e<strong>in</strong>er unternehmeri<br />
schenE<strong>in</strong>heitmitsichbr<strong>in</strong>gto<strong>der</strong>–imGegenzug–welchePotenzialesichause<strong>in</strong>er<br />
bestimmten Wertschöpfungskonfiguration für die Positionierung ergeben“ (ebd.,<br />
S.366).WährenddiePositionierungprimärvonaussennach<strong>in</strong>nendenkt,denktdie<br />
Wertschöpfungprimärvon<strong>in</strong>nennachaussen.<br />
Outside<strong>in</strong> und InsideoutPerspektive bilden zwei Extreme <strong>der</strong>selben Betrachtung.<br />
„Die Konfrontation bei<strong>der</strong> Sichtweisen (Market versus ResourcebasedView) hat<br />
sich über die Zeit weitgehend aufgelöst und man sieht sie eher als komplementär.<br />
HeuterichtetsichdasInteressemehraufe<strong>in</strong>eEntwicklunge<strong>in</strong>erdynamischenTheo<br />
rie des <strong>St</strong>rategischen <strong>Management</strong>s, die e<strong>in</strong>e Erklärung für diedauerhafte Realisie<br />
rungvonWettbewerbsvorteilenzuliefernversucht“(ebd.,S.13f.).Dabeibesagtdie<br />
Hauptthese <strong>der</strong> ResourcebasedView, „dass Erfolgsunterschiede zwischen Firmen<br />
durch Unterschiede zwischen ihren jeweiligen Ressourcen zu erklären s<strong>in</strong>d. O<strong>der</strong><br />
noch präziser: Es kommt auf die Effizienzunterschiede zwischen Ressourcen an“<br />
(ebd., S.357). Aus Sicht <strong>der</strong> CapabilitybasedView s<strong>in</strong>d nicht die organisationalen<br />
Ressourcen,son<strong>der</strong>ndieorganisationalenFähigkeitendiezentraleAnalysee<strong>in</strong>heit<strong>der</strong><br />
Wertschöpfung(vgl.ebd.,S.359).„Dennerstdurch[ihre]Fähigkeiten[…]wirde<strong>in</strong>e<br />
Firma<strong>in</strong>dieLageversetzt,Rentenzugenerieren,währendRessourcengewissermas<br />
sendas‚Baumaterial‘s<strong>in</strong>d,mitdemFähigkeitenhantierenunddiedieses‚Baumateri<br />
al‘geschickte<strong>in</strong>setzen.[…]KonsequenterweisewerdenFähigkeitenimCBValskom<br />
plexe Interaktions, Koord<strong>in</strong>ations und Problemlösungsmuster e<strong>in</strong>er Organisation<br />
verstanden.[…]DiezentraleAufgabee<strong>in</strong>esstrategischen<strong>Management</strong>sliegt<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
Anpassung,IntegrationundRekonfigurationvon<strong>in</strong>ternenundexternenFähigkeiten
undRessourcen.Zielistes,jeweilsdenAnfor<strong>der</strong>ungene<strong>in</strong>ersichkont<strong>in</strong>uierlichver<br />
än<strong>der</strong>ndenUmweltgerechtzuwerden“(ebd.,S.360).Dasstrategische<strong>Management</strong><br />
schafftdieVoraussetzungen,damitsichdieOrganisationpermanentanihreUmwelt<br />
anpassenkannunddieOrganisationzurlernendenOrganisationwird.<br />
DieOrganisationen,denendiesgel<strong>in</strong>gt,bauendynamischeFähigkeitenauf.Siezeich<br />
nensichdurchdiedynamischeVerteidigungunddieErweiterungvonWettbewerbs<br />
vorteilenaus.„Werefertothisabilitytoachievenewformsofcompetitiveadvantage<br />
as‚dynamiccapabilities‘toemphasizetwokeyaspectsthatwerenotthema<strong>in</strong>focus<br />
<strong>in</strong>previousstrategyperspectives.Theterm,dynamic‘referstothecapacitytorenew<br />
competencessoastoachievecongruencewiththechang<strong>in</strong>gbus<strong>in</strong>essenvironment;<br />
certa<strong>in</strong><strong>in</strong>novativeresponsesarerequiredwhentimetomarketandtim<strong>in</strong>garecriti<br />
cal,therateoftechnologicalchangeisrapid,andthenatureoffuturecompetition<br />
andmarketsdifficulttodeterm<strong>in</strong>e.Theterm,capabilities‘emphasizesthekeyroleof<br />
strategicmanagement<strong>in</strong>appropriatelyadapt<strong>in</strong>g,<strong>in</strong>tegrat<strong>in</strong>g,andreconfigur<strong>in</strong>g<strong>in</strong>ter<br />
nal and external organisational skills, resources, and functional competences to<br />
matchtherequirementsofachang<strong>in</strong>genvironment“(Teeceetal.,1997,S.515).Die<br />
dynamische Organisation, welche die organisationsübergreifende Zusammenarbeit<br />
zurErhaltungihrerLebensfähigkeitnichtscheut,son<strong>der</strong>nimGegenteilaktivanstrebt,<br />
entsprichtdenVorstellungenvonBelz&Bieger(2004).Siebehaupten,dassKompe<br />
tenzenundKooperationene<strong>in</strong>erOrganisation<strong>in</strong>engerVerb<strong>in</strong>dungstehen.„Esgeht<br />
nichtnurdarum,dieKompetenzendesUnternehmensbereitzustellen.Ebensowich<br />
tigistes,diesemitdenKompetenzendesKundeno<strong>der</strong>weitererKooperationspartner<br />
zuverknüpfen.MancheLeistungsundKundensystemestützensichaufdieKunden<br />
kompetenz,alsoaufdieFähigkeitdesKunden,mitse<strong>in</strong>enAnsprüchenundBedürfnis<br />
senprofessionellumzugehen.NeueLösungenerfor<strong>der</strong>nentsprechendeLernprozesse<br />
desKundenundoftmüssenEntscheidungskriterienundprozessesowiespätereAr<br />
beitsprozesseangepasstwerden.Grundsätzlichgiltesalso,dieKompetenzensämtli<br />
cherMarktpartnerzubeachten,dieamWertschöpfungsprozessbeteiligts<strong>in</strong>d“(ebd.,<br />
S.307).OrganisationalesLernenbedeutet<strong>in</strong>dieserDeutung,sichbei<strong>der</strong>Entwicklung<br />
von neuen Wettbewerbsvorteilen auf die Kompetenzen aller Anspruchsgruppen zu<br />
verlassen.DasSystemundse<strong>in</strong>eUmweltentwickelnsichimGleichschritt,<strong>in</strong>demsie<br />
gegenseitigvone<strong>in</strong>an<strong>der</strong>lernen.<br />
<br />
61
62<br />
3.3. OrganisationaleEntwicklungsaufgaben<br />
WiedasIndividuumistauchdieIdentitätsarbeit<strong>der</strong>OrganisationalsProzesszuver<br />
stehen.AuchdieOrganisationbef<strong>in</strong>detsich<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emUmfeld,dassichdurchWandel<br />
auszeichnet. Der Wandel f<strong>in</strong>det auf verschiedenen Ebenen statt. Kondratieffzyklen,<br />
Konjunktur,Moden,technologischeEntwicklungenund<strong>der</strong>Wandel<strong>der</strong>Bedürfnisse<br />
sorgendafür,dasssichdieBed<strong>in</strong>gungen<strong>der</strong>organisationalenWertschöpfungunddas<br />
Verhältnis <strong>der</strong> Organisation zu ihren Anspruchsgruppen dauernd verän<strong>der</strong>n (vgl.<br />
HerrmannPillath,2000;Fueglistaller&Halter,2006).DieserWandelkannaufe<strong>in</strong>zel<br />
ne Märkteheruntergebrochen werden. Gemäss denPr<strong>in</strong>zipien<strong>der</strong> Evolution f<strong>in</strong>det<br />
dieWeiterentwicklungdesorganisationalenVerhaltens<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erabstraktenBetrach<br />
tungsweiseüberdiePhasenVariation,SelektionundRetentionstatt(vgl.Kumbartzki,<br />
2002).<br />
Die Organisation will vor allem <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sich wandelnden Umwelt überleben (vgl.<br />
Adam,2001;Malik,2002).Diesgel<strong>in</strong>gt<strong>der</strong>OrganisationausSicht<strong>der</strong>Bedürfnisbe<br />
friedung,wennsieüberdieZeith<strong>in</strong>wegWertschöpfungerbr<strong>in</strong>gt,sichdauerhaftVor<br />
teilegegenüberihrenKonkurrentenerarbeitetundsichoptimal<strong>in</strong>ihreUmwelte<strong>in</strong>zu<br />
fügenvermag.„DieHauptaufgabe<strong>der</strong>(strategischen)Unternehmensführungbesteht<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Herstellung dauerhafter Wettbewerbsvorteile <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sich wandelnden Um<br />
welt“(<strong>St</strong>e<strong>in</strong>mann&Hennemann,1997,S.35).DieserAuftragwirdvondenAutoren<br />
alsAufbauundkritischeH<strong>in</strong>terfragungvonKernkompetenzenumschrieben(vgl.ebd.,<br />
S.39).Kernkompetenzenwerdenals„BündelvonRessourcen“,„bestehendausMa<br />
sch<strong>in</strong>en, Personen, Knowhow, Organisationsstrukturen etc.“, verstanden (vgl. H<strong>in</strong><br />
terhuberetal.,2006,S.45).Siemüssengleichzeitigwertvoll,selten,nichto<strong>der</strong>nur<br />
schwer imitierbar und nicht substituierbar se<strong>in</strong> (vgl. Rüegg<strong>St</strong>ürm, 2004, S.88). Die<br />
Kompetenzenmüssenvon<strong>der</strong>OrganisationdurchdieTransformationvonRessour<br />
cen <strong>in</strong> Kundennutzen umgewandelt werden. Diese Fähigkeit <strong>der</strong> Organisation lässt<br />
sichdurchdasKonzept<strong>der</strong>ErfolgspotenzialevonGälweiler(1979;2005)näherum<br />
schreiben. Erfolgspotenziale s<strong>in</strong>d Problemlösungen. „Ganz allgeme<strong>in</strong> versteht man<br />
unterdemErfolgspotenzialdasgesamteGefügeallerjeweilsproduktundmarktspe<br />
zifischenerfolgsrelevantenVoraussetzungen,diespätestensdannbestehenmüssen,<br />
wennesumdieErfolgsrealisierungengeht“(ebd.,S.5).<br />
Gälweiler(ebd.)undMalik(2007a)weisendaraufh<strong>in</strong>,dassbestehendeErfolgspoten<br />
zialenichtausreichen,umdenErfolge<strong>in</strong>erOrganisationlangfristigzusichern.Nötig
s<strong>in</strong>dKenntnisseüberlösungsunabhängigeKundenprobleme.„ImZentrum<strong>der</strong><strong>St</strong>eue<br />
rung neuer Erfolgspotenziale stehen zwei Grundgedanken: Erstens die Frage nach<br />
dem Kunden beziehungsweise Anwen<strong>der</strong>problem, das durch bestimmte Produkte<br />
undMarkleistungengelöstwird,undzweitensdieKenntnis<strong>der</strong>Substitutionsdynamik.<br />
DerSchlüsseldazuliegtimVerständnise<strong>in</strong>esProduktesalsLösungfüre<strong>in</strong>Kunden<br />
problem.DiesesVerständnismussaberaufe<strong>in</strong>emganzbestimmtenGedankenauf<br />
bauen,nämlichdemlösungsunabhängigformuliertenKundenproblem“(Malik,2007,<br />
S.193).DielösungsunabhängigenKundenproblemeerklärtMalik(2004a)anhandvon<br />
Automobilen. „In diesem S<strong>in</strong>ne produzieren Automobilunternehmungen eben nicht<br />
Autos, son<strong>der</strong>n Lösungen für ganz bestimmte Probleme ganz bestimmter Kunden<br />
gruppen.DasProdukt‚Auto‘mussdamitsofortverstandenwerdenalse<strong>in</strong>evonmeh<br />
rerenmöglichenLösungenfürdah<strong>in</strong>terliegendeProblemstellungen–undesistnicht<br />
übertriebenzusagen,dassdiee<strong>in</strong>enAutomobilunternehmungeneben‚Transportve<br />
hikel‘o<strong>der</strong>‚Distanzüberw<strong>in</strong>dungsgeräte‘produzieren,währendan<strong>der</strong>eeher‚Balzge<br />
räte höherer Ordnung‘ herstellen“ (ebd., S.58). Für die Organisationen gilt es statt<br />
denProduktenihrenZweck<strong>in</strong>denMittelpunkt<strong>der</strong>Zukunftsplanungzustellen.„Nur<br />
sogel<strong>in</strong>gtes,<strong>der</strong>systemwissenschaftlichenFor<strong>der</strong>ungRechnungzutragen,dasSys<br />
temgewissermassenunabhängigvonse<strong>in</strong>emheutigenOutputundnurnochvonsei<br />
nergrundlegendenFunktion,vonse<strong>in</strong>emZweckherzuverstehen“(ebd.,S.58).<br />
Die Identitätsarbeit <strong>der</strong> Organisation kann wie die menschliche Identitätsarbeit <strong>in</strong><br />
verschiedeneEntwicklungsaufgabenzerlegtwerden.E<strong>in</strong>eersteEntwicklungsaufgabe<br />
ergibtsichfürdas<strong>Management</strong>aus<strong>der</strong>laufendenAnalyse<strong>der</strong>Märkte,<strong>in</strong>denensie<br />
operiert.Aus<strong>der</strong>Überprüfung<strong>der</strong>Reifee<strong>in</strong>esMarkteslassensichRückschlüsseauf<br />
denZustandunde<strong>in</strong>s<strong>in</strong>nvollesVerhalten<strong>der</strong>Organisationziehen.DiesesVerhalten<br />
f<strong>in</strong>det durch die Transformation von Ressourcen <strong>in</strong> Nutzen statt. Dabei wird es je<br />
nach Umwelt o<strong>der</strong> Systemverän<strong>der</strong>ung zu Reaktionen auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Manage<br />
ment, Geschäfts o<strong>der</strong> Unterstützungsprozesse kommen (vgl. Rüegg<strong>St</strong>ürm, 2004).<br />
Innerhalb<strong>der</strong>AnpassungwirdzwischenOptimierungundErneuerungunterschieden.<br />
„Während Optimierung lediglich mit F<strong>in</strong>eTun<strong>in</strong>g <strong>in</strong>nerhalb gegebener <strong>St</strong>rukturen<br />
vergleichbarist,impliziertErneuerungdiegrundlegendeVerän<strong>der</strong>unge<strong>in</strong>esMusters,<br />
seiendies(kollektive)DenkundDeutungsmuster,Verhaltensmustero<strong>der</strong>organisati<br />
onaleRout<strong>in</strong>en“(ebd.S.125).Letztlichiste<strong>in</strong>eOrganisationnichthandlungsfähig.Sie<br />
handeltdadurch,dassihreAnspruchsgruppenhandeln.<br />
63
64<br />
Evolutionf<strong>in</strong>detauch<strong>in</strong>nerhalbdesUnternehmensstatt(vgl.Kumbartzki,2002).Wie<br />
dasOrganisationsverhaltenistauchdasVerhalten<strong>der</strong>MitarbeitendenEvolutionspro<br />
zessenausgesetzt.ImGegensatzzurOrganisationwird<strong>der</strong>Verän<strong>der</strong>ungsdrucksys<br />
tem<strong>in</strong>ternausgelöst.Kumbartzki(ebd.)ergänztdasEvolutionsmodellfürdie<strong>in</strong>terne<br />
EvolutionumdiePhase<strong>der</strong>Konstruktion.EswerdenLernbzw.Verän<strong>der</strong>ungsprozes<br />
se des Individuums erwartet. „Ökonomische Organisationen verfolgen das überge<br />
ordneteZiel<strong>der</strong>Wertschöpfungfürihre<strong>St</strong>akehol<strong>der</strong>.Diesumfasst<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>edie<br />
GestaltungundAbstimmungorganisations<strong>in</strong>ternerundexternerTransaktionsbezie<br />
hungen.DiedafürnotwendigenHandlungengenerierendieOrganisationsmitglie<strong>der</strong><br />
aufgrundihresProblemlösungswissens.Insofernstehtvore<strong>in</strong>ernachSelektionspr<strong>in</strong><br />
zipien ablaufenden organisations<strong>in</strong>ternen Evolution also e<strong>in</strong> Konstruktionsprozess“<br />
(ebd., S.224). Die Konstruktionsprozesse vollziehen sich <strong>in</strong> den bereits bekannten<br />
Modi<strong>der</strong>AssimilationundAkkommodation(vgl.Piaget,1979).Siepassieren<strong>in</strong>e<strong>in</strong>em<br />
Individuum, das se<strong>in</strong>erseits Lebenszyklen ausgesetzt ist. Man wird erwachsen. Die<br />
Hautaltert.Mansuchtnachsichselber.Als<strong>St</strong>rukturierungshilfedient<strong>in</strong>nerhalbdie<br />
ser Arbeit das Lebenszykluskonzept von Erikson (2004; 2005), das den Verlauf des<br />
LebensalsFolgevonEntwicklungsaufgabenzeichnet.<br />
<strong>St</strong>e<strong>in</strong>mann&Hennemann(1997)unterscheidendreiSchlüsselproblemedesorganisa<br />
tionalen Lernens: dasKollektivieren <strong>in</strong>dividuellen Wissens undKönnens, die Sicher<br />
stellunge<strong>in</strong>erunternehmerischenVerwendungdesvorhandenenWissensundKön<br />
nenssowiediedauerhafteInganghaltung<strong>der</strong>Kollektivierungund<strong>der</strong>Anwendungs<br />
prozesse(vgl.ebd.,S.40).DieseSchlüsselproblemewerdenalleunterverschiedenen<br />
Aspekten <strong>der</strong> lernenden Organisation behandelt, beispielsweise unter dem Begriff<br />
des Wissensmanagements (vgl. Probst et al., 2006; von <strong>der</strong> Oelsnitz & Hahmann,<br />
2003),<strong>der</strong>organisationalenKompetenzen(vgl.Bouncken,2002)o<strong>der</strong><strong>der</strong>organisati<br />
onalenEnergie(Bruch&Vogel,2005).AlsErgänzungzurKonzeption<strong>der</strong>lernenden<br />
Organisation,diegewissermassenaufdiealltäglicheIdentitätsarbeit<strong>der</strong>Organisation<br />
verweist, lassen sich wie beim Menschen neben den abstrakten Evolutionsphasen<br />
konkrete Entwicklungsaufgaben identifizieren. Auf e<strong>in</strong>er ersten Abstraktionsebene<br />
lässtsich<strong>der</strong>Lebenszykluse<strong>in</strong>erOrganisationnachFueglistaller&Haller(2006)<strong>in</strong>die<br />
vierPhasen„<strong>St</strong>art&Gründung“,„Wachstum“,„SättigungundReife“sowie„Beendi<br />
gung&Erneuerung“glie<strong>der</strong>n(S.19).IndiesenPhasenbestehenwiebeimmenschli<br />
chenEntwicklungsprozesslatenteKrisen,dievomSystemdieBewältigungvonkon<br />
kreten Entwicklungsaufgaben verlangen. „Krisenmodelle gehen von <strong>der</strong> Annahme
aus, dass die Unternehmensentwicklung wie<strong>der</strong>kehrend von Krisen unterbrochen<br />
wird, <strong>der</strong>en erfolgreiche Bewältigung den E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> die nächste Wachstumsphase<br />
ermöglicht“(ebd.,S.89).<br />
ImVerhältniszumnatürlichenSystemwerdenUnterschiedeimEntwicklungsprozess<br />
festgestellt.„E<strong>in</strong>wesentlicherUnterschiedbestehtzwischen<strong>der</strong>F<strong>in</strong>alität<strong>der</strong>beiden<br />
Systeme.DerbiologischeOrganismusentwickeltsichaufe<strong>in</strong>festgelegtesEndzielh<strong>in</strong><br />
(unizentrisch).Das bedeutet, dass die F<strong>in</strong>alität genetisch festgelegt ist und<strong>der</strong>Tod<br />
damitunvermeidlichist.BeiUnternehmenh<strong>in</strong>gegenstellt<strong>der</strong>Todke<strong>in</strong>unausweichli<br />
chesFaktumdar.DasEndzielalssolchesistnichtvorgegeben,son<strong>der</strong>neswirdvon<br />
e<strong>in</strong>zelnenMenscheno<strong>der</strong>Menschengruppenfestgelegt.Dasbedeutet,dasssichdie<br />
Zielsetzung aus verschiedenen Zielsetzungen <strong>der</strong> dar<strong>in</strong> teilnehmenden E<strong>in</strong>zelorga<br />
nismen zusammensetzt (polyzentrisch). In e<strong>in</strong>er Organisation müssen die Ziele des<br />
GanzensowiedieZiele<strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelnenZellendementsprechendkoord<strong>in</strong>iertwerden“<br />
(ebd.,S.61).Durchdas<strong>Management</strong>giltes,dasVerhalten<strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelnenZellen,die<br />
hieralsAnspruchsgruppenaufgefasstwerden,imS<strong>in</strong>nedesgleichzeitigenWohlsvon<br />
Gesellschaft,OrganisationundIndividuumzukoord<strong>in</strong>ieren.IndieserArbeitwirddie<br />
organisationaleIdentitätalsHilfsmittelvorgeschlagen,umdieseKoord<strong>in</strong>ationzube<br />
werkstelligen.Evolutionheisstdemnachfüre<strong>in</strong>eOrganisation,geme<strong>in</strong>sammitihren<br />
AnspruchsgruppenorganisationaleIdentitätsarbeitzuleisten.<br />
DerLebenszykluswie<strong>der</strong>holtsichauf<strong>der</strong>Ebene<strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelnenProdukteundDienst<br />
leistungen(vgl.Kotler&Bliemel,2001,S.571ff.;Fueglistaller&Haller,2006,S.93ff.).<br />
JenachPhase(E<strong>in</strong>führung,Wachstum,Reife,Rückgang),<strong>in</strong><strong>der</strong>siche<strong>in</strong>Produktbe<br />
f<strong>in</strong>det,benötigte<strong>in</strong>eOrganisatione<strong>in</strong>an<strong>der</strong>esunterstützendesVerhalten(vgl.ebd.,<br />
S.574). „Das LebenszyklusKonzept legt e<strong>in</strong>e anzustrebende Zusammensetzung des<br />
ProduktMixnahe.Danachbenötigte<strong>in</strong>Unternehmene<strong>in</strong>igeProdukte,diesich<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
Reifephasebef<strong>in</strong>den,diealsonichtmehrvieleInvestitionenerfor<strong>der</strong>n,son<strong>der</strong>nviel<br />
mehr zur F<strong>in</strong>anzierung an<strong>der</strong>er Aktivitäten dienen können. Da diese Produkte ir<br />
gendwann<strong>in</strong>e<strong>in</strong>eDegenerationsphasegeraten,müssenspäteran<strong>der</strong>enachrücken,<br />
<strong>der</strong>en Wachstumsphase dann zu Ende geht. Für diese Produkte müssen wie<strong>der</strong>um<br />
an<strong>der</strong>eaus<strong>der</strong>E<strong>in</strong>führungsphasenachkommen“(Kuss&Tomczak,2002,S.77).E<strong>in</strong>e<br />
OrganisationmusssichüberihreDienstleistungenundProdukteständigerneuern.<br />
<br />
65
66<br />
3.4. OrganisationaleIdentität<br />
DieE<strong>in</strong>führungensolltenklargemachthaben,dassdieseArbeitdavonausgeht,dass<br />
dieOrganisationen<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erDurche<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gesellschaftagieren,diesichdurchhohe<br />
Komplexitätauszeichnet.DiesistdieAusgangslage<strong>der</strong>organisationalenIdentitätsar<br />
beit. Die Unordnung resultiert aus <strong>der</strong> gesellschaftlichen Ausdifferenzierung. Sie ist<br />
umsogrösser,jemehrZuständee<strong>in</strong>Systemannehmenkann.„DieUnordnunge<strong>in</strong>es<br />
MakroZustandes wird durch die Anzahl <strong>der</strong> zugehörigen MikroZustände, se<strong>in</strong>er<br />
Komplexionen, gemessen“ (Grothe, 1997, S.195). Ordnung dient systemtheoretisch<br />
dazu, das Verhalten <strong>der</strong> Systemelemente zu e<strong>in</strong>em Systemverhalten abzustimmen.<br />
„OrdnungenimS<strong>in</strong>nedessystemischevolutionärenAnsatzesentstehen,wiebereits<br />
kurzerwähnt,dadurch,dassihreElemente(Individuen)allgeme<strong>in</strong>eRegelndesVer<br />
haltensfaktischbefolgen,ohnedassvorausgesetztwerdenmuss,dasssiedieseRe<br />
gelnauch<strong>in</strong>demS<strong>in</strong>nekennen,dasssiesienenneno<strong>der</strong>beschreibenkönnten.Da<br />
durchentstehenRegelmässigkeiten,die–unddasistdasEntscheidende–esermög<br />
lichen,sichzuorientieren,stabileErwartungenüberdasVerhaltenan<strong>der</strong>ermithoher<br />
Erfüllungswahrsche<strong>in</strong>lichkeitzubilden,undaufgrunddessense<strong>in</strong>eigenesVerhalten<br />
mitdemjenigene<strong>in</strong>erunbestimmten,imPr<strong>in</strong>zipbeliebiggrossenZahlan<strong>der</strong>erkoor<br />
d<strong>in</strong>ierenzukönnen“(Malik,2006,S.41).<br />
Gomez,Malik&Oeller(1975)behandelndasSchaffenvonOrdnungunterdemBeg<br />
riff<strong>der</strong>„Constra<strong>in</strong>ts“.Constra<strong>in</strong>tsschränkendieAnzahl<strong>der</strong>möglichenZuständee<strong>in</strong>es<br />
Systemse<strong>in</strong>.„DieSchlussfolgerungist,dassesoffenbarirgendetwasgebenmuss,das<br />
dasE<strong>in</strong>tretenallerdenklichenEreignisseverh<strong>in</strong><strong>der</strong>t,d.h.dieMenge<strong>der</strong>tatsächlichen<br />
Ereignisse e<strong>in</strong>schränkt auf die Menge <strong>der</strong> tatsächlichen Ereignisse“ (ebd., S.198).<br />
AuchwenndieAutorenConstra<strong>in</strong>tsnichtexplizitmit<strong>der</strong>Identitäte<strong>in</strong>erOrganisation<br />
<strong>in</strong>Verb<strong>in</strong>dungverbr<strong>in</strong>gen,sobeschreibenihreAusführungenzudenRegelne<strong>in</strong>erOr<br />
ganisation doch ziemlich genau das, was hier geme<strong>in</strong>t ist. „Jede Regel schränkt ir<br />
gende<strong>in</strong>enBereichdesVerhaltense<strong>in</strong>.Diesistevident,wennmananjuristischeRe<br />
gelno<strong>der</strong>Vorschrifteno<strong>der</strong>anreligiöseGebote,andiedieRegelne<strong>in</strong>esSpielesu.v.a.<br />
denkt.DieseRegelns<strong>in</strong>dnichtzuletztevident,weilsiehäufigexplizitundunterBeto<br />
nung ihres imperativen Charakters häufig auf irgende<strong>in</strong>e Weise festgehalten s<strong>in</strong>d;<br />
aberauchwennsienichtirgendwogeschriebenstehen,sos<strong>in</strong>dwirdennochmeistens<br />
<strong>in</strong><strong>der</strong>Lage,siezubeschreibeno<strong>der</strong>siezunennen“(vgl.ebd.,S.233).Dieorganisatio<br />
nale Identität funktioniert als implizite Regel, die das mögliche Verhalten <strong>der</strong> An
spruchsgruppenaufe<strong>in</strong>VerhaltenimS<strong>in</strong>nee<strong>in</strong>erbestimmtenorganisationalenIden<br />
tität reduziert. Explizit wird die organisationale Identität nur dann, wenn diese ge<br />
genüber den Anspruchsgruppen kommuniziert werden soll. Dann löst sie sich von<br />
ihrerInnenwirkungundwidmetsich<strong>der</strong>Aussenwirkung.Danngehtes<strong>in</strong><strong>der</strong>Form<br />
vonVisionen,FührungsgrundsätzenundLeitbil<strong>der</strong>nnichtmehrumdieKoord<strong>in</strong>ation<br />
des Verhaltens <strong>der</strong> Anspruchsgruppen, son<strong>der</strong>n um wechselseitige Kommunikation<br />
mitdenAnspruchsgruppen.<br />
DieBedeutung<strong>der</strong>UnternehmensidentitätwarschonUlrichklar,auchwennerda<br />
mals mit dem Begriff <strong>der</strong> Unternehmenspolitik argumentiert hat. „Die Unterneh<br />
menspolitikumfasstdieorig<strong>in</strong>ären,allgeme<strong>in</strong>enundlangfristigwirksamenEntschei<br />
de,welchedasVerhalten<strong>der</strong>UnternehmungauflangeSichtbestimmensollen“(Ul<br />
rich,2001b,S.191).DieUnternehmenspolitikistetwas,dasnichtirgendwoabgeleitet<br />
o<strong>der</strong> abgeschrieben werden kann. „Da die Unternehmenspolitik die oberste Füh<br />
rungsstufedarstellt,handeltessichdabeiumorig<strong>in</strong>äreEntscheide,dienichtaushö<br />
herwertigenEntscheidungenableitbars<strong>in</strong>d“(ebd.,S.188).Rüegg<strong>St</strong>ürmer<strong>in</strong>nertsich<br />
im Interview an Ulrich und bemerkt, dass die Unternehmenspolitik <strong>in</strong> <strong>der</strong> jetzigen<br />
Versiondes<strong>St</strong>.Galler<strong>Management</strong>modellsnichtvorhandenist.„Etwas,wasmirganz<br />
wichtigist,was<strong>in</strong>dieserGeschichtehiernichtabgebildetist,istdieTatsache,dasses<br />
vor <strong>der</strong> Unternehmensstrategie noch etwas Grundlegen<strong>der</strong>es gibt. Das hat Ulrich<br />
damalsUnternehmenspolitikgenannt.Esist<strong>der</strong>Ort,wodiegrundlegendenFrages<br />
tellungen, die <strong>der</strong> <strong>St</strong>rategie vorgelagert s<strong>in</strong>d, bearbeitet o<strong>der</strong> abgebildet werden<br />
müssen. Die <strong>St</strong>rategie orientiert sich sehr stark am Wettbewerb, und dort s<strong>in</strong>d die<br />
ThemenPositionierungundDifferenzierungfundamental.Bei<strong>der</strong>Unternehmungspo<br />
litikdagegengehtesumdasThemaIdentität.UndzwarumdieIdentität<strong>in</strong><strong>der</strong>Ge<br />
sellschaft,<strong>der</strong>BezugspunktdortistdieGesellschaft.DieUnternehmungspolitikum<br />
fasstallezentralennormativenFestlegungen.Daskannsichausdifferenzieren<strong>in</strong>e<strong>in</strong>e<br />
Vision,<strong>in</strong>unternehmenspolitischeLeitl<strong>in</strong>ien,<strong>in</strong>e<strong>in</strong>enethicalcodeofconduct,daent<br />
wickelt jede Unternehmung e<strong>in</strong>e eigene Sprachregelung. Aber es s<strong>in</strong>d von mir aus<br />
gesehenFestlegungen,dieimWesentlichennichtgeprägts<strong>in</strong>ddurchdieFrage:Ren<br />
tiertdas,br<strong>in</strong>gt’sdas,ökonomisch?Son<strong>der</strong>ndieFragens<strong>in</strong>dvorgelagert,esgehtum<br />
dasSelbstverständnis,umdieeigeneRolle.Verstehenwirunsalse<strong>in</strong>ere<strong>in</strong>ökonomi<br />
scheVeranstaltungnachdemMotto,solangedieKundenzufriedens<strong>in</strong>dunddieIn<br />
vestoren von <strong>der</strong> Wertsteigerung profitieren können, machen wir eigentlich alles,<br />
wasnichtverbotenist?O<strong>der</strong>sagtman,ne<strong>in</strong>,wirverstehenunshierganzklaralse<strong>in</strong><br />
67
68<br />
breit<strong>in</strong>dieGesellschaft<strong>in</strong>tegriertesWertschöpfungssystem.Dabeis<strong>in</strong>dwirunsbe<br />
wusst,dasswirimmerAbwägungenvornehmenmüssen,dassesnieSchwarz/Weiss<br />
gibt,dassesnieklareKriteriengibt,obdieseso<strong>der</strong>jenesbesserist,son<strong>der</strong>ndassdas<br />
eigentliche<strong>in</strong>eäusserstfragileGeschichteist“(InterviewJohannesRüegg<strong>St</strong>ürm,28.<br />
August2007).<br />
Die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> organisationalen Identität dauert auch unter dem<br />
expliziten <strong>St</strong>ichwort Corporate Identity schon lange an (vgl. Herbst, 2006; Birkigt &<br />
<strong>St</strong>adler2002;Regenthal,1997;Oll<strong>in</strong>s,1990;Keller,1987;Tanneberger,1987).Birkigt<br />
&<strong>St</strong>adler(2002)argumentierenaufe<strong>in</strong>erhohenAbstraktionsebene,umdieBedeu<br />
tung<strong>der</strong>organisationalenIdentitätzubegründen.„BestimmendwarendreiE<strong>in</strong>fluss<br />
grössen: das zunehmende Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>treten von Selbstverständnis und Fremdver<br />
ständnisdurchdieAuflösungdesverb<strong>in</strong>dlichenSozialkodex,<strong>der</strong>wachsendeRollen<br />
konfliktdesSubjekts(desIndividuums,<strong>der</strong>Gruppe)imWi<strong>der</strong>streitmitse<strong>in</strong>ersozialen<br />
Funktionmitse<strong>in</strong>enegoistischenInteressenundschliesslich–speziellaufdieOrgani<br />
sation und Unternehmen zutreffend – die sich oft bis zum Chaotischen steigernde<br />
VielfaltvonZielen,Zwecken,Tätigkeitsgebieten,Mitarbeiter<strong>in</strong>teressenundMarktak<br />
tivitäten“ (ebd., S.15). Neu ersche<strong>in</strong>t die gleichzeitige Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong><br />
Innen und Aussenwirkung <strong>der</strong> organisationalen Identität. Neuersche<strong>in</strong>t die Entde<br />
ckung<strong>der</strong>organisationalenIdentitätals<strong>in</strong>ternerKoord<strong>in</strong>ationsmechanismus.Dieor<br />
ganisationaleIdentitätiste<strong>in</strong>Koord<strong>in</strong>ationsmechanismus,<strong>der</strong>aufdirekteInterventi<br />
onenverzichtetundals<strong>in</strong>direkter<strong>St</strong>euerungsmechanismusaufdieSelbstorganisation<br />
vonMensch,TeamundOrganisationvertraut.DiespasstzudenichjagendenMen<br />
schen<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>.DieKoord<strong>in</strong>ation<strong>der</strong>Wertschöpfungsbeiträge<br />
<strong>der</strong>MitarbeitendendurchKontrollenundBefehlewir<strong>der</strong>setztdurchdieKoord<strong>in</strong>ation<br />
<strong>der</strong>WertschöpfungsbeiträgeallerAnspruchsgruppendurchdieorganisationaleIden<br />
tität.<br />
Der nach <strong>in</strong>nen ausgerichtete <strong>St</strong>euerungsmechanismus passt zur systemisch<br />
evolutionären <strong>Management</strong>theorie (vgl. Malik, 2006). „Se<strong>in</strong> BasisParadigma ist die<br />
spontane,sichselbstgenerierendeOrdnung,<strong>der</strong>enanschaulichstesunddemAlltags<br />
verständniswahrsche<strong>in</strong>lichamnächstenstehendesBeispiel<strong>der</strong>lebendeOrganismus<br />
ist.Organismenwerdenvonniemandemwirklichgemacht,sieentwickelnsich“(ebd.,<br />
S.38f.). Der Organismus unterscheidet sich wesentlich von e<strong>in</strong>er Masch<strong>in</strong>e. „Die<br />
Grundvorstellunge<strong>in</strong>erMasch<strong>in</strong>ebestehtdar<strong>in</strong>,dasssiee<strong>in</strong>erbewusstvorgefassten<br />
Zwecksetzungunde<strong>in</strong>emPlanentsprechendzukonstruierenistunddassihreFunkti
on,ZuverlässigkeitundEffizienzabhängigs<strong>in</strong>dvondenentsprechendenFunktionen<br />
undEigenschaftenihrerE<strong>in</strong>zelteile.WeiteristdamitdieVorstellungverbunden,dass<br />
alle E<strong>in</strong>zelteile nach exakten und bis <strong>in</strong>s Detail ausgearbeiteten Plänen konstruiert<br />
und<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erimvorausgenaubestimmtenArtundWeisezusammengesetztwerden<br />
müssen“ (ebd., S.38).Selbstorganisation lässt sichnicht durch fremdbestimmte Be<br />
fehleundKontrollenregulieren.DasSystemmanagtsichstattdessenselber.Mana<br />
gement ist dann die Aufgabe aller Mitarbeitenden. „Man kann mit guten Gründen<br />
davonausgehen,dassje<strong>der</strong>Mitarbeitere<strong>in</strong>erUnternehmungo<strong>der</strong>Institution,<strong>der</strong>es<br />
an<strong>der</strong>enMenschenermöglichensoll,e<strong>in</strong>enproduktivenBeitragzuleisten,imGrunde<br />
e<strong>in</strong>eFührungskraft,e<strong>in</strong>Managerist“(ebd.,S.54).Ine<strong>in</strong>ersoskizziertenOrganisation<br />
erfolgtdie<strong>St</strong>euerung<strong>in</strong>direkt,auf<strong>der</strong>Metaebene,statt<strong>der</strong>Objektebene(vgl.ebd.,<br />
S.57ff.).GelenktwirddurchdasGestalten<strong>der</strong><strong>St</strong>rukturenundRegelne<strong>in</strong>erOrganisa<br />
tion.„ImGegensatzdazugeht<strong>der</strong>systemischeAnsatzvon<strong>der</strong>Vorstellungaus,dass<br />
<strong>der</strong>Outpute<strong>in</strong>esSystemsimmervon<strong>der</strong><strong>St</strong>rukture<strong>in</strong>esSystems,vondense<strong>in</strong>Ver<br />
halten bestimmenden Regeln und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e von den Interaktionsmustern <strong>der</strong><br />
SystemelementeundSubsystemeabhängigist“(ebd.,S.58).DieorganisationaleIden<br />
titätgibtWerteundRegelnvor,anwelchendieAnspruchsgruppenihrDenkenund<br />
Handelnausrichtenkönnen.<br />
Die organisationale Identität ist Ausdruck <strong>der</strong> organisationalen Individualität. „Die<br />
Unternehmensidentität bezeichnet die Erkennbarkeit und Wie<strong>der</strong>erkennbarkeit <strong>der</strong><br />
<strong>in</strong>dividuellenEigenheite<strong>in</strong>esUnternehmens.Identität<strong>in</strong>diesemS<strong>in</strong>neumfasstauch<br />
das Erkennen und Wie<strong>der</strong>erkennen von Teilen des Gesamtunternehmens und das<br />
Zuordnen<strong>der</strong>Teilezudemselben“(Tanneberger,1987,S.172).ZurWie<strong>der</strong>holungsei<br />
dievorneverwendeteDef<strong>in</strong>ition<strong>der</strong>menschlichenIdentitätzitiert.„Identitätverste<br />
henwiralsdas<strong>in</strong>dividuelleRahmenkonzepte<strong>in</strong>erPerson,<strong>in</strong>nerhalbdessensieihre<br />
Erfahrungen<strong>in</strong>terpretiertunddasihralsBasisfüralltäglicheIdentitätsarbeitdient.In<br />
dieser Identitätsarbeit versucht das Subjekt, situativ stimmige Passungen zwischen<br />
<strong>in</strong>neren und äusseren Erfahrungen zu schaffen undunterschiedlicheTeilidentitäten<br />
zu verknüpfen“ (vgl. Keupp et al., 2006, S.60). Beide Def<strong>in</strong>itionen zeigen, dass die<br />
IdentitätunterschiedlichePerspektivenaufdasSystemvere<strong>in</strong>t.WiebeimMenschen<br />
kanndieorganisationaleIdentitätalsSelbstnarrationaufgefasstwerden.Diesmacht<br />
auchJäger(2008)deutlich,<strong>in</strong>demere<strong>in</strong>en„erzählungsleitendenBezugsrahmen“für<br />
denWandele<strong>in</strong>erOrganisationbeschreibt.„Zusammenfassendlässtsichalsofesthal<br />
ten,dasssich<strong>der</strong>erzählungsleitendeBezugsrahmenauszweiElementenzusammen<br />
69
70<br />
setzt:Aus<strong>der</strong>AufmerksamkeitfürTransformationspotentialeundausPraktiken,die<br />
Transformationspotentiale<strong>in</strong>ihrerEntfaltungunterstützenzukönnen,wasauchals<br />
‚organisationaleMo<strong>der</strong>ation‘bezeichnetwird“(ebd.,S.178).DieorganisationaleMo<br />
<strong>der</strong>ationistabernichtsan<strong>der</strong>esalsdiehiergefor<strong>der</strong>teorganisationaleIdentitätsar<br />
beit.<br />
DieseFunktionen<strong>der</strong>Identitätstimmen,wie<strong>in</strong><strong>der</strong>E<strong>in</strong>führung<strong>der</strong>Begrifflichkeiten<br />
angedeutet, mit den von den Systemtheoretikern vorgeschlagenen Konzepten Ord<br />
ner,MusterundFraktalübere<strong>in</strong>.EsseimitdemOrdnervonHakenargumentiert.„Im<br />
ungeordneten Zustand des Eisenmagneten können die Elementarmagneten <strong>in</strong> alle<br />
möglichen Richtungen zeigen. Wir haben, wie man sagt, e<strong>in</strong>en symmetrischen Zu<br />
standvoruns.Ke<strong>in</strong>eRichtungisthiere<strong>in</strong>eran<strong>der</strong>enbevorzugt.Ist<strong>der</strong>Gesamtzustand<br />
h<strong>in</strong>gegen magnetisch, so zeigen plötzlich alle Elementarmagneten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ganz be<br />
stimmte Richtung. Obwohl alle Richtungen vor dem Übergang gleichberechtigt wa<br />
ren, wird nunmehr e<strong>in</strong>e ganz bestimmte Richtung ausgewählt“ (Haken, 1986, S.3).<br />
Der Ordner dient <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Organisation dazu, das Verhalten <strong>der</strong> Mitarbeitenden an<br />
e<strong>in</strong>emgeme<strong>in</strong>samgeteiltenZielauszurichten.AnstellevonZielwirdauchvomWe<br />
ckenvonorganisationalenEnergien(vgl.Bruch&Vogel,2004)o<strong>der</strong><strong>der</strong>KraftvonVi<br />
sionengesprochen.„Dasse<strong>in</strong>eunternehmerischeE<strong>in</strong>heitsichane<strong>in</strong>erVisionorien<br />
tiert und sich <strong>in</strong> ihrem Verhalten auch wirklich davon leiten lässt, ist ke<strong>in</strong>eswegs<br />
selbstverständlich,selbstwennheutzutagediemeistenGeschäftsideenmitdemEti<br />
kett<strong>der</strong>‚Vision‘versehenwerden.Vone<strong>in</strong>erVisionsolltejedocherstdanngespro<br />
chen werden, wenn e<strong>in</strong>e unternehmerische E<strong>in</strong>heit e<strong>in</strong>e auf die Zukunft gerichtete<br />
LeitideeüberdieeigeneEntwicklunghat,siealsoe<strong>in</strong>erichtungsweisende,normative<br />
Vorstellunge<strong>in</strong>eszentralenZielesbesitztundihreHandlungenandiesemZielkonse<br />
quentausrichtet“(Müller<strong>St</strong>ewens&Lechner,2003,S.235).DieVisioniste<strong>in</strong>ezuPa<br />
piergebrachteVersion<strong>der</strong>organisationalenIdentität.IstdieIdentitätaufgrunddes<br />
prozessualenCharaktersauchniemalsvollständigfassbar,sowirktihreReduktionim<br />
S<strong>in</strong>nevonZukunftsvorstellungendocherklärendfürdieAnspruchsgruppen.Dierich<br />
tungsweisende,normativeVorstellunge<strong>in</strong>eszentralenZieleswirkts<strong>in</strong>nstiftend,moti<br />
vierend,handlungsanleitendundkoord<strong>in</strong>ierend(vgl.ebd.,S.235).EsschafftOrdnung<br />
<strong>in</strong><strong>der</strong>Unordnung<strong>der</strong>möglichenVerhaltensweisen.<br />
Auf<strong>der</strong>SuchenachdenBestandteilen<strong>der</strong>organisationalenIdentitätstösstmanauf<br />
denorganisationalenZweck(vgl.Ulrich&Krieg,2001),aufdenCustomerValue(vgl.<br />
Belz&Bieger,2004)o<strong>der</strong>aufdenPublicValue(vgl.Meynhardt&Vaut,2007).Alle
dieseKonzeptes<strong>in</strong>dfürdieBeschreibung<strong>der</strong>organisationalenIdentitätzuwenigum<br />
fassend,weilsienurdieLeistungen<strong>der</strong>OrganisationalsBestandteile<strong>der</strong>organisati<br />
onalenIdentitätzulassenundweilsiedasAugenmerknachaussenstattnach<strong>in</strong>nen<br />
richten.OrganisationaleIdentitätmussalleBil<strong>der</strong>aufdasSystemvere<strong>in</strong>enunddes<br />
halbauchdieB<strong>in</strong>nenperspektiveo<strong>der</strong>dieArtundWeise<strong>der</strong>Erstellung<strong>der</strong>organisa<br />
tionalen Wertschöpfung <strong>in</strong> Betracht ziehen. Diese zusätzlichen Informationen um<br />
fasstdieBus<strong>in</strong>essMissionvonMalik(2008).DorttrifftmanaufdreizentraleFragen,<br />
diee<strong>in</strong>eOrganisationbeantwortenmuss.„DieHauptfragens<strong>in</strong>d:Wasist<strong>der</strong>Bedarf.<br />
O<strong>der</strong>:Wofürbezahltuns<strong>der</strong>Kunde?Wass<strong>in</strong>dunsere<strong>St</strong>ärken?O<strong>der</strong>:Waskönnenwir<br />
besseralsan<strong>der</strong>eundwos<strong>in</strong>dwirdaherüberlegen?WoherkommtunsereÜberzeu<br />
gung?O<strong>der</strong>:WoherkommtunsereKraft,jeneKraft,diewirdannbrauchen,wenndie<br />
Motivationerschöpftist?“(ebd.,S.165).DieseFragenkönnendazudienen,dieorga<br />
nisationale Identität zwecks Kommunikation mit den Anspruchsgruppen zu struktu<br />
rierenundzuvisualisieren.<br />
ZumAufbauvonIdentitätstehenTopdownundBottomupVariantenzurVerfügung<br />
(vgl.Grothe,1997,S.119).DieTopdownVariantenwerdenzurzeittendenziellunter<br />
<strong>der</strong> Chiffre des Behavioral Brand<strong>in</strong>gs (vgl. Tomczak et al., 2008), die Bottomup<br />
Varianten tendenziell unter <strong>der</strong> Chiffre des Wertwissens (Meynhardt, 2003; Jäger,<br />
2008) behandelt. Den Prämissen für den radikalen Konstruktivismus und e<strong>in</strong>em<br />
selbstgesteuertenMenschenbildfolgend,wirdhieraufdieKraft<strong>der</strong>Selbstorganisati<br />
onvertraut.SiebevorzugtdasEntstehenvonGrösseremausdemKle<strong>in</strong>eren.Siebe<br />
vorzugtBottomupProzesse.„HierbeiistdieErkenntnis<strong>der</strong>Synergetikgrundlegend<br />
wichtig,dass<strong>der</strong>Aufwand,e<strong>in</strong>enOrdnerkünstlichzuschaffen,enormgrossist,und<br />
man es deshalb im System durch den Prozess <strong>der</strong> Selbstorganisation fertigbr<strong>in</strong>gen<br />
muss,gewünschteOrdnerzuerzeugen.Diesberuhtaufe<strong>in</strong>ergeschicktenAusnützung<br />
vondensynergetischenGesetzmässigkeiten,wobeibestimmte,relativunspezifische<br />
KontrollparameterSituationenimGesamtsystemschaffen,diedieSelbstorganisation<br />
för<strong>der</strong>no<strong>der</strong>sogarnotwendigmachen.Hierbeiiste<strong>in</strong>ejeweilsime<strong>in</strong>zelnenzuent<br />
scheidendeFrage,welche<strong>St</strong>rukturundwelchezusätzlichenKontrollparameterdem<br />
System e<strong>in</strong>gegeben werden müssen, damit die Selbstorganisation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Richtung<br />
verläuft,die<strong>der</strong>agierendeManagerwünscht“(Haken,1991,S.90).Konkretbedeutet<br />
diese<strong>in</strong>eorganisationaleIdentitätnichtvorzugeben,son<strong>der</strong>nausdenIdentitäten<strong>der</strong><br />
Anspruchsgruppenherauszuentwickeln.<br />
71
72<br />
UnabhängigvomEntstehungsmodusistdieorganisationaleIdentitäte<strong>in</strong>Hilfsmittel,<br />
um die organisationalen Entwicklungsaufgaben zu bewältigen. Die organisationale<br />
Identitätvere<strong>in</strong>tdieIdentitäten<strong>der</strong>Anspruchsgruppene<strong>in</strong>erOrganisation.Sieistdas<br />
kollektive Gedächtnis <strong>der</strong> Organisation und gibt als solche den Weg <strong>in</strong> die Zukunft<br />
vor.Siebestimmt,wieGeschichte,GegenwartundZukunft<strong>in</strong>terpretiertwerdensol<br />
len.SieistAusdruck<strong>der</strong>organisationalenNarration.Sieiste<strong>in</strong><strong>in</strong>ternerKoord<strong>in</strong>ati<br />
onsmechanismus,<strong>der</strong>dasVerhalten<strong>der</strong>AnspruchsgruppenanähnlichenZielenund<br />
Wertenausrichtet.
4. DerMoment<strong>der</strong>Wahrheit<br />
4.1. ArbeitendeKunden<br />
WurdedasVerhaltenvonKundenundMitarbeitendenbishergetrenntvone<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
betrachtet,sogehtdiesesKapitele<strong>in</strong>enSchrittweiter.DiebeidenPerspektivensollen<br />
vonnunanundvordemH<strong>in</strong>tergrund<strong>der</strong>Entwicklunge<strong>in</strong>es<strong>Management</strong>modellsim<br />
nächsten Kapitel gleichzeitig gedacht werden. Dies geschieht durch die genaue Be<br />
trachtungdesMoments,<strong>in</strong>demKundenundMitarbeitendeaufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>treffen,um<br />
GeldgegenLeistungzutauschen.IndiesemMomentgiltesdenKundennutzenkon<br />
kretzurealisieren.„Esentsteht<strong>der</strong>eigentliche‚Moment<strong>der</strong>Wahrheit‘,<strong>in</strong>demsichall<br />
dieseVoraussetzungen,gewissermassendieKompetenzenunddieDienstleistungskul<br />
turdesUnternehmensüberse<strong>in</strong>eMitarbeiter<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erkonkretenLeistungoffenbaren<br />
müssen“(Bieger,2002,S.215).DieseMomentetreten<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erDienstleistungsgesell<br />
schafthäufigerals<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erProduktionsgesellschaftauf.DieIndividualisierung<strong>der</strong>Be<br />
dürfnisseführte<strong>in</strong>ePersonifizierungvonAngebotundNachfragemitsich.DieInter<br />
aktionerlangtdorte<strong>in</strong>eneueIntensität,wodieMenschennichtvonMasch<strong>in</strong>enver<br />
drängtwerden(vgl.Rifk<strong>in</strong>,2005;Rayport,2005).<br />
UnabhängigvondenMasch<strong>in</strong>enwirdfestgestellt,dassdieIntegration<strong>der</strong>Kunden<strong>in</strong><br />
quantitativer und qualitativer H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>e neue Dimension erreicht. Die Kunden<br />
nehmenaktiveralsfrüheran<strong>der</strong>Wertschöpfung<strong>der</strong>Organisationenteil(vgl.Picotet<br />
al.,2003;Fueglistaller,2008;Bieger&Beritelli,2006b;Ashkenasetal.,2003).„Kun<br />
den<strong>in</strong>tegrationistdieaktiveBeteiligungdesNachfragersane<strong>in</strong>ervertraglichvere<strong>in</strong><br />
barten Leistungserstellung durch Erbr<strong>in</strong>gung externer Faktoren beziehungsweise<br />
Übernahme von Teilleistungen, sodass die Leistungsaktivitäten des Anbieters bee<strong>in</strong><br />
flusstwerden“(Büttgen,2008,S.243).Büttgen(ebd.)weistdem<strong>in</strong>tegriertenKunden<br />
vielfältigeFunktionenzu.ErentwickeltundspezifiziertLeistungen,istHumanressour<br />
ce,sichertdieQualität,übernimmtFührungsundMarket<strong>in</strong>gfunktionen(vgl.S.244).<br />
InallendiesenFällenwird<strong>der</strong>Kundezue<strong>in</strong>emaktivenBestandteil<strong>der</strong>Organisatio<br />
nen. Das <strong>Management</strong> denkt die Wertschöpfung nicht mehr losgelöst, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong><br />
ZusammenarbeitmitdenKunden.DieserWandelistbeson<strong>der</strong>sdannvonBedeutung,<br />
wennKundenihreLeistungengleichzeitigmitdenMitarbeitendenerbr<strong>in</strong>gen.Beidie<br />
sen Dienstleistungen s<strong>in</strong>d sowohl <strong>der</strong> Interaktions als auch <strong>der</strong> Aktivitätsgrad des<br />
Kundenhoch(vgl.ebd.,S.250).DemKundenwirddurchdie„Rückdelegation<strong>der</strong>Leis<br />
tungen“(vgl.Bieger,2008)e<strong>in</strong>egesteigerteEmpf<strong>in</strong>dung<strong>der</strong>Leistungsqualitätermög<br />
73
74<br />
licht. Durch die Mitgestaltung erfährt er e<strong>in</strong>e grössere Selbstbestimmung und e<strong>in</strong>e<br />
grössereAuthentizität<strong>der</strong>konsumierteno<strong>der</strong>mitproduziertenLeistungen(vgl.ebd.,<br />
S.149).Ererfährtundtätigtdurchse<strong>in</strong>enKonsumIdentitätsarbeit.<br />
Als Lehrbuchbeispiel fungiert das Gesundheitsweisen (vgl. Sigrist, 2006, S.12). Man<br />
gehtvone<strong>in</strong>emaktivenPatientenaus,<strong>der</strong>überDiagnoseundBehandlungsmöglich<br />
keiten<strong>in</strong>formiertistundgeme<strong>in</strong>sammitse<strong>in</strong>enÄrztendierelevantenEntscheidun<br />
gentrifft.AbernichtnurimGesundheitswesenentstehenneueFormen<strong>der</strong>Zusam<br />
menarbeitzwischendenKundenundihrenOrganisationen,zwischendenOrganisati<br />
onen und ihren Kunden. Diese neuen Formen <strong>der</strong> Zusammenarbeit, die sich durch<br />
e<strong>in</strong>e grössere Nähe auszeichnen, werden auch unter dem <strong>St</strong>ichwort <strong>der</strong> Co<br />
Produktiondiskutiert(vgl.Grün&Brunner,2002).„CoProduktionentstehtdurchdie<br />
AufgabenverlagerungvomProduzentenaufdenKunden(Prosumer)imRahmene<strong>in</strong>er<br />
Kooperation mit spezifischem Nutzenkalkül, spezifischem Ressourcene<strong>in</strong>satz und<br />
wechselseitigem Ressourcenzugriff“ (ebd., S.19). Der wechselseitige Ressourcen<br />
zugriff bedeutet aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Organisation, Wertschöpfungsaktivitäten auf die<br />
KundenauszulagernunddamitdieArbeitsteilungzwischendenbeidenzumodifizie<br />
ren(vgl.ebd.,S.23).AusSicht<strong>der</strong>Kundenwird<strong>der</strong>RessourcenzugriffdurchdasAus<br />
lagernvonehemalsselbstständigerledigtenAktivitätenalltäglich.Manbedientsich<br />
<strong>der</strong>Hilfe<strong>der</strong>Organisationen,umse<strong>in</strong>enAlltagzumeistern.AusSichtdesManage<br />
mentsistfestzustellen,dassOrganisationenundihreKundenmite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>verschmel<br />
zen,e<strong>in</strong>Ganzeswerdenunddeshalbgleichzeitiggemanagtwerdenmüssen.<br />
Die verän<strong>der</strong>te Arbeitsteilung führt beim E<strong>in</strong>gehen e<strong>in</strong>er Beziehung beidseitig zur<br />
Entstehung von Nutzen. „Die wesentlichen Nutzenarten für die CoProduktion s<strong>in</strong>d<br />
Kostensenkungen bzw. Produktivitätssteigerungen, Marktzuwächse, Qualitätssteige<br />
rungen,Zeitersparnisse,Aufbauund<strong>St</strong>ärkung<strong>der</strong>KernkompetenzensowieImagege<br />
w<strong>in</strong>n und FlowErlebnisse“ (ebd., S.32). Während die ersten drei Punkte und <strong>der</strong><br />
Imagegew<strong>in</strong>nNutzen<strong>der</strong>produzierendenSeitedarstellen,könnendierestlichenVor<br />
teilebeidenSeitenzugerechnetwerden.DieQualitätssteigerungnimmte<strong>in</strong>eSchnitt<br />
stellenfunktione<strong>in</strong>.DurchdieengereZusammenarbeitzwischendenMitarbeitenden<br />
und ihren Kunden gel<strong>in</strong>gt es die Wertschöpfung <strong>der</strong> Organisation näher an die Be<br />
dürfnisse <strong>der</strong> Kunden zu br<strong>in</strong>gen. Die Organisationen produzieren, was die Kunden<br />
kaufen.UnddieKundenerhalten,wassiebrauchen.DieOrganisationenwerdenrei<br />
cher,dieKundenglücklicher.SchliesslichwirkensichZeitersparnisse,Zeitsouveräni<br />
tät,die<strong>St</strong>ärkung<strong>der</strong>Kernkompetenzen,<strong>der</strong>Imagegew<strong>in</strong>nunddieE<strong>in</strong>ladungzuFlow
Erlebnissen(ebd.,S.33)aufbeidenSeiten<strong>der</strong>Organisationsgrenzepositivaus.Diese<br />
InteraktionenschaffenaufbeidenSeiten<strong>der</strong>OrganisationsgrenzeMöglichkeitenzur<br />
Erprobungund<strong>St</strong>ärkung<strong>der</strong>Identität.Damits<strong>in</strong>d<strong>in</strong>tensivereBeziehungenimpliziert,<br />
diesich<strong>in</strong>Abhängigkeitensteigernkönnen.WohlbemerktberuhtdasE<strong>in</strong>gehen<strong>der</strong><br />
BeziehungenundAbhängigkeitenaufFreiwilligkeit(vgl.ebd.,S.31).EsistdemPatien<br />
tenselberüberlassen,wievieleprivateInformationenerwährend<strong>der</strong>Zahnre<strong>in</strong>igung<br />
se<strong>in</strong>erDentalhygieniker<strong>in</strong>preisgebenwill,wievieledunkleKammerner<strong>in</strong><strong>der</strong>Psy<br />
chotherapieöffnenwill,wiesehrersichvomInvestmentBanker<strong>in</strong>dieKartenblicken<br />
lassenwill.<br />
HistorischgesehenistdieAktivierung<strong>der</strong>Kundene<strong>in</strong>eKonsequenz<strong>der</strong>Individualisie<br />
rung. Das Individuum muss, will aber auch die Konsequenzen für se<strong>in</strong> Wohl über<br />
nehmen.EswillsichverwirklichenundverlangtnachLeistungen,diese<strong>in</strong>erIndividua<br />
litätgerechtwerden.Esfor<strong>der</strong>tLeistungen,diese<strong>in</strong>erIndividualitätAusdruckverlei<br />
henkönnen.DieseVerän<strong>der</strong>ungenf<strong>in</strong>denselbstredendnebendemGesundheitswe<br />
senauch<strong>in</strong>vielenan<strong>der</strong>enBranchenstatt.„VordemH<strong>in</strong>tergrunde<strong>in</strong>esumfassenden<br />
Wertewandelsabden1960erJahrenwurdeimGesundheitsundSozialbereichmit<br />
emanzipatorischerAbsichtdieaktiveMitwirkungundMitentscheidungvonPatienten<br />
undKlientenmassive<strong>in</strong>gefor<strong>der</strong>t“(Voss&Rie<strong>der</strong>,2006,S.73).ObdasKonzeptEm<br />
powerment von Patienten, Patientensouveränität o<strong>der</strong> Shared Decision Mak<strong>in</strong>g<br />
heisst,immergehtesdarum,dasssich<strong>der</strong>Patientausse<strong>in</strong>empassivenModusbe<br />
freit und zu e<strong>in</strong>em aktiven Teil des Prozesses wird (vgl. ebd., S.73). Voss & Rie<strong>der</strong><br />
(ebd.)sprechenvomarbeitendenKunden,<strong>der</strong>historischgesehenaufdenselbstkon<br />
sumierendenUrproduzenten,denzukaufendenSelbstproduzenten,denWarenkäufer<br />
mitsubstanziellerRestproduktionunddenvollständigenKäuferkundenmitresidualer<br />
Restproduktionfolgt(vgl.ebd.,S.185).<br />
DerarbeitendeKundezeichnetsichdadurchaus,dasserproduktiveBetriebsfunktio<br />
nen übernimmt. Gleichzeitig wird diese Produktivität betrieblich genutzt (vgl. ebd.,<br />
S.185).DieHeimarbeiterlebte<strong>in</strong>eRenaissance,weilmanzuHausefürse<strong>in</strong>enKonsum<br />
arbeitet.ManerledigtBankgeschäfte.ManbuchtHotelsundFlüge.ManfülltFrage<br />
bögenaus.ManreklamiertperEMail.DerarbeitendeKundelebtimAktivmodus.Der<br />
arbeitendeKundepacktan.DerarbeitendeKundebestimmt,waserwann,wie,wo,<br />
warum konsumiert. Der arbeitende Kunde hilft Wert zu schöpfen. Der arbeitende<br />
KundeverlässtsichaufRegelmässigkeiten,umanse<strong>in</strong>erIdentitätzuarbeitenund<strong>in</strong><br />
<strong>der</strong>Unordnung<strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>Ordnungzuf<strong>in</strong>den.Dieselbstauferlegte<br />
75
76<br />
Aktivierungführtauf<strong>der</strong>an<strong>der</strong>enSeite<strong>der</strong>organisationalenGrenzezuSparpotenzia<br />
len, neuen Informationsquellen und gesteigerten Möglichkeiten <strong>der</strong> Individualisie<br />
rung<strong>der</strong>Wertschöpfung.DieneuegesellschaftlicheGrundform<strong>in</strong>dividuellerKonsum<br />
tionundReproduktion(ebd.,S.130ff.),diemite<strong>in</strong>erkonsequentenWeiterentwicklung<br />
<strong>der</strong>kapitalistischenGesellschaftassoziiertwird(ebd.,S.170),istdeshalbgleichzeitig<br />
dasErgebnisverän<strong>der</strong>terorganisationaler<strong>St</strong>rategienundAusdrucke<strong>in</strong>erverän<strong>der</strong>ten<br />
Kundenmentalität.„Selbstbedienung,dieIKEA<strong>St</strong>rategie,dieMcDonald’sRituale,die<br />
Aktivierung von Patienten, das Home und Selfbank<strong>in</strong>g, EShopp<strong>in</strong>g und E<br />
Governement,InternetAuktionenusw.s<strong>in</strong>dnichtnurFolgevonbetrieblichenRatio<br />
nalisierungsverfahren, son<strong>der</strong>n auch Ausdruck e<strong>in</strong>er verän<strong>der</strong>ten Interessens und<br />
Orientierungslage <strong>der</strong> Betroffenen, an <strong>der</strong> betriebliche <strong>St</strong>rategien nun mit grossem<br />
Erfolgansetzen,geradeimKonsumbereich.An<strong>der</strong>sformuliertheisstdasauch,dass<br />
sichimbeschriebenenWandeldesKonsumszwarbetrieblicheInteressenund<strong>St</strong>rate<br />
giennie<strong>der</strong>schlagen–mansichabervore<strong>in</strong>ere<strong>in</strong>seitigenundvere<strong>in</strong>fachendenInter<br />
pretationundSchuldzuweisunghütenmuss“(ebd.,S.157).An<strong>der</strong>sgesagt:Dienorma<br />
tiveVerschiebungmite<strong>in</strong>erals‚emanzipatorisch‘konnotierten,kulturell(undletztlich<br />
sogarpolitisch)breitenFor<strong>der</strong>ungnachmehrEigenständigkeitundSelbstgestaltung<br />
<strong>der</strong>BetroffenenbildendenfruchtbarenBoden<strong>der</strong>WeiterentwicklungdesKapitalis<br />
mus(S.157).DieWeiterentwicklungdesKapitalismusvollziehtsichdurchdieVerbrei<br />
tung des ökokomischen Pr<strong>in</strong>zips, durch die gewachsene Macht des Marktpr<strong>in</strong>zips,<br />
durchdasVerwachsen<strong>der</strong>OrganisationmitihrenAnspruchsgruppenunddurchdie<br />
zunehmendfreiwillige<strong>in</strong>gegangenenAbhängigkeiten(vgl.Hess<strong>in</strong>ger&Wagner,2008;<br />
Leid<strong>in</strong>ger,2008;Rifk<strong>in</strong>,2007;Boltanski&Chiapello,2006).Sievollziehtsichmithoher<br />
Geschw<strong>in</strong>digkeitundIntensität,weildieEntwicklungengleichzeitigReaktionaufdie<br />
Bedürfnisse<strong>der</strong>Kundenund<strong>der</strong>Organisationens<strong>in</strong>d.<br />
KundenundOrganisationenbegegnen<strong>der</strong>gehäuftenCoProduktionmitdemAufbau<br />
vonlangfristigenBeziehungen.DieB<strong>in</strong>dung<strong>der</strong>KundenwirdausSicht<strong>der</strong>Organisa<br />
tionendannnötig,wenndieWettbewerbeumstrittens<strong>in</strong>dundmehrereOrganisatio<br />
nenumdieGunst<strong>der</strong>gleichenKundenbuhlen.WenndenKundenzuvieleOptionen<br />
zurVerfügungstehen,wennsichdieKundennichtmehrentscheidenwollen,wenn<br />
dieKundennichtmehrloyals<strong>in</strong>d,danngiltesdieseb<strong>in</strong>dungswilligzumachen.Für<br />
Kuss&Tomczak(2002)istdieKundenb<strong>in</strong>dungneben<strong>der</strong>Kundenakquisition,<strong>der</strong>Leis<br />
tungs<strong>in</strong>novationund<strong>der</strong>Leistungspflegee<strong>in</strong>eKernaufgabedesstrategischenMarke<br />
t<strong>in</strong>gs. „Im Mittelpunkt <strong>der</strong> Kernaufgabe ‚Kundenb<strong>in</strong>dung‘ steht die Frage, wie sich
e<strong>in</strong>malerschlosseneKundenpotentialeausschöpfenlassen.[…]DazumüssenUnter<br />
nehmenpsychologische(Kundenzufriedenheit,Vertrauen)undfaktische,d.h.techno<br />
logische, rechtliche sowie ökonomische Wechselbarrieren bei selektieren Kunden<br />
gruppenoptimieren“(ebd.,S.130).DieOrganisationenwissen,dassunzufriedeneund<br />
damit b<strong>in</strong>dungslose Kunden hohe Kosten verursachen. „Immer mehr Unternehmen<br />
werdensichbewusst,dasssiedurchdenVerlustvonKundenSchadenerleidenund<br />
dassessiebeiweitemmehrkostet,e<strong>in</strong>enneuenKundenzugew<strong>in</strong>nen,alse<strong>in</strong>enbe<br />
stehendenKundenimKundenstammzubehalten“(Kotler&Biemel,2001,S.82).Für<br />
dieOrganisationenmachtes<strong>in</strong>nerhalb<strong>der</strong>Kundenb<strong>in</strong>dungsstrategienS<strong>in</strong>n,dieB<strong>in</strong><br />
dung <strong>der</strong> Kunden durch Verbundenheitsstrategien herbeizuführen. Kunden wollen<br />
dannauseigenemAntriebvondenVorteilen<strong>der</strong>B<strong>in</strong>dungprofitieren.„DieVerbun<br />
denheitsstrategiezieltdaraufh<strong>in</strong>,dasssichdieKundene<strong>in</strong>emAnbieterundse<strong>in</strong>en<br />
Produktengegenüberverbundenfühlen,ihnimVergleichzurKonkurrenzbevorzugen<br />
und beabsichtigen, die Austauschbeziehung fortzusetzen. Dies kann durch Aufbau<br />
und För<strong>der</strong>ung von Kundenzufriedenheit und Kundenvertrauen erreicht werden“<br />
(ebd.,S.85).<br />
KundensollenausSicht<strong>der</strong>Organisationauchdeshalbgebundenwerden,weilnurso<br />
e<strong>in</strong>Zugriffauf<strong>der</strong>enRessourcen,aufdasgesamteCustomerEquity(vgl.Belz&Bie<br />
ger,2004)möglichwird.DiesesKapitalsetztsichauskurzfristigenMarktundlang<br />
fristigenRessourcenpotenzialenzusammen.DiekurzfristigenErtrags,Entwicklungs<br />
und Loyalitätspotenziale s<strong>in</strong>d die Grundlage für die Realisierung von langfristigeren<br />
Potenzialen.ImReferenz,Kooperations,Informationsund<strong>in</strong>ternenSynergiepoten<br />
zial(vgl.RudolfSipötz,2001)zeigtsich,dassKundennichtnurpassiveLeistungsemp<br />
fänger s<strong>in</strong>d. Die erweiterten Potenziale machen die Kunden im Gegenteil zu e<strong>in</strong>er<br />
zentralen Ressource <strong>der</strong> Organisation. Es ist e<strong>in</strong> Potenzial, <strong>in</strong> das sich Investitionen<br />
durchaus auszahlen. „Dem Gedanken, ‚Kundenbeziehung als Investitionsobjekt‘ fol<br />
gend,ist<strong>der</strong>Kundenichtnuralsre<strong>in</strong>erErlösundKostenträger,son<strong>der</strong>nvielmehrals<br />
WertundVermögensbestandteildesAnbieterszubetrachten,o<strong>der</strong><strong>in</strong>an<strong>der</strong>enWor<br />
ten:<strong>der</strong>KundealsUnternehmensasset.Alssolchesliefert<strong>der</strong>Kunde,wiebereitsan<br />
an<strong>der</strong>er <strong>St</strong>elle erörtert, neben se<strong>in</strong>em direkten gegenwärtigen und zukünftigen Er<br />
folgsbeitrag <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>direkten Beitrag zum Unternehmenserfolg,<br />
<strong>in</strong>dem er häufig aktiv o<strong>der</strong> passiv als Unternehmensressource dient“ (ebd., S.108).<br />
Investitionen<strong>in</strong>dieKundenbeziehungenbedeutennichtsan<strong>der</strong>es,alsdasse<strong>in</strong>eOr<br />
ganisationbestrebtist,dieKundenzue<strong>in</strong>emBestandteil<strong>der</strong>Organisationzumachen.<br />
77
78<br />
DieBeziehungenzudenKundenwerdenzue<strong>in</strong>erzentralen<strong>Management</strong>aufgabe.Die<br />
Qualität<strong>der</strong>KundenbeziehungerhältwettbewerbsentscheidendenCharakter.„Unter<br />
demgegebenenWettbewerbsdruckwirddielangfristigeKundenbeziehungundKun<br />
denb<strong>in</strong>dung zu e<strong>in</strong>em zentralen Ziel jedes Unternehmens. Der Unternehmenserfolg<br />
hängt<strong>in</strong>vielenBranchenvon<strong>der</strong>Fähigkeitab,zusätzlichenKundennutzendurch<strong>in</strong>di<br />
viduelle, speziell auf die Bedürfnisse des e<strong>in</strong>zelnen Kunden abgestimmte Produkte<br />
undProblemlösungenzuschaffen“(Picotetal.,2003,S.456).<br />
WennmandieBeziehungenzwischendenKundenundihrenOrganisationenweiter<br />
denkt,könntemanbehaupten,dassesdemMenschenheuteaufgrund<strong>der</strong>Ausdiffe<br />
renzierung <strong>der</strong> gesellschaftlichen Systeme immer weniger möglich ist, vollständig<br />
selbstständigzuse<strong>in</strong>.DieFamilie,dieNachbarschafto<strong>der</strong>dieKircheunterstützendie<br />
<strong>in</strong>dividuelleAutarkienichtmehr<strong>in</strong>genügendemMasse.Womanh<strong>in</strong>blickt,entstehen<br />
Abhängigkeiten. „Die freigesetzten Individuen werden arbeitsmarktabhängig und<br />
damit bildungsabhängig, konsumabhängig, abhängig von sozialrechtlichen Regelun<br />
gen und Versorgungen, von Verkehrsplanungen, Konsumangeboten, Möglichkeiten<br />
undModen<strong>der</strong>mediz<strong>in</strong>ischen,psychologischenundpädagogischenKontrollstruktur<br />
‚<strong>in</strong>stitutionenabhängigerIndividuallagen‘,dieauchoffenwerdenfür(implizite)politi<br />
scheGestaltungenund<strong>St</strong>euerungen“(Beck,1996,S.119).DieAbhängigkeitenfolgen<br />
aufdieArbeitsteilung,welchedieGrundlage<strong>der</strong>ErrichtungunsererOrganisationen<br />
darstellt.„AlleArten<strong>der</strong>Lebensführung<strong>in</strong>mo<strong>der</strong>nenGesellschaftens<strong>in</strong>dhochgradig<br />
vergesellschaftet. D.h., sie können auch dann, wenn den Menschen selbst das Bild<br />
<strong>in</strong>dividuellerAutonomieimKopfherumgaukelt,nur<strong>in</strong><strong>der</strong>Teilhabeund<strong>der</strong>Abhän<br />
gigkeitvonvielfältigenInstitutionengeführtwerden.Diesliegtwesentlichdar<strong>in</strong>be<br />
gründet, dass im Zugang zurMo<strong>der</strong>ne alle Möglichkeiten zur Selbstversorgung zer<br />
schnittenwerden.[…]Je<strong>der</strong>arbeitetalsofüretwas,mitdemerselbst,unterdemGe<br />
sichtspunkt <strong>der</strong> Subsistenzsicherung, gar nichts anfangen kann. Damit werden aber<br />
Arbeitfüran<strong>der</strong>eundalles,wasdiesevoraussetzt,zumSchlüssel<strong>der</strong>Lebensführung<br />
<strong>in</strong><strong>der</strong>Mo<strong>der</strong>ne“(Beck,1996a,S.92).<br />
<br />
4.2. Arbeitskraftunternehmer<br />
AusSichtdesKundenentscheidetsichimMoment<strong>der</strong>Wahrheit,wiezufriedenermit<br />
denProblemlösungen<strong>der</strong>ausgewähltenOrganisationist.DieBeurteilungführtgera<br />
debeiimmateriellenGüternüberdasEmpf<strong>in</strong>den<strong>in</strong><strong>der</strong>InteraktionmitdenMitarbei
tenden. Wissen und Emotionen müssen <strong>in</strong> <strong>in</strong>dividuelle Bedürfnisbefriedigungen<br />
transformiert werden. „Für den Menschen als soziales Wesen ist <strong>der</strong> zwischen<br />
menschliche Kontakt zu se<strong>in</strong>em Dienstleistenden, <strong>der</strong> ihm – gesellschaftlich legiti<br />
miert–oftüberdieIntimsphäreh<strong>in</strong>aussehrnahekommt,vongrosserBedeutung.<br />
Sympathie,positiveAusstrahlung,AnteilnahmeunddieFähigkeit,sich<strong>in</strong>dieAnliegen<br />
und<strong>in</strong>dividuellenBedürfnissedesKundene<strong>in</strong>zudenken,s<strong>in</strong>dvonbeson<strong>der</strong>erBedeu<br />
tung“(ebd.,S.215).UmalsMitarbeiterimMoment<strong>der</strong>Wahrheitzubestehen,benö<br />
tigt er Sozialkompetenzen. Sach und Selbstkompetenzen reichen nicht mehr aus,<br />
wennan<strong>der</strong>eMenschen<strong>in</strong>sSpielkommen,wenn<strong>der</strong>Menschmitan<strong>der</strong>enMenschen<br />
kommunizieren soll. „Sozialkompetenzen sollen def<strong>in</strong>iert werden als Kompetenz zur<br />
wertbewussten Kommunikation mit an<strong>der</strong>en Menschen über bestimmte Inhalte <strong>in</strong><br />
spezifischenTypenvonSituationen“(Euler,2004a,S.11).<br />
AuspädagogischerSichtverlangtdieFör<strong>der</strong>ungvonSozialkompetenzendiePräzisie<br />
rung dieser Situationen. „Aus diesen Grundlegungen ergibt sich für die weiteren<br />
ÜberlegungendiePrämisse,dass(Sozial)Kompetenzennichtgenerell,son<strong>der</strong>nsitua<br />
tionsspezifisch erworben und angewendet werden“ (Euler & Klebl, ohne Datum,<br />
S.10).SpezifiziertwerdendieKompetenzendurchdiekonkreteInteraktionssituation.<br />
„E<strong>in</strong>e soziale Kommunikation vollzieht sich unmittelbar im Kontext e<strong>in</strong>er Situation.<br />
DieMerkmale<strong>der</strong>SituationbestimmenmassgeblichdieAnfor<strong>der</strong>ungenandieKom<br />
munizierenden.[…]LetztlichistjedeSituatione<strong>in</strong>zigartig.Entsprechends<strong>in</strong>dSozial<br />
kompetenzenerfor<strong>der</strong>lich,umdieAnfor<strong>der</strong>ungen<strong>der</strong>s<strong>in</strong>gulärenSituationzubewäl<br />
tigen“(Euler,2004a,S.35).S<strong>in</strong>gulärwerdendieSituationenauspädagogischerSicht<br />
durchsozialkommunikativeAufgabenundRollen,essenzielleSituationsbestandteile,<br />
SituationsabläufesowiekritischeEreignisse(vgl.ebd.,S.37).S<strong>in</strong>gulärwerdendieSi<br />
tuationen aus betriebswirtschaftlicher Sicht durch die Bedürfnisse <strong>der</strong> Kunden, die<br />
WertschöpfungsangebotedesUnternehmensunddurchdieIdentitäten<strong>der</strong>Mitarbei<br />
tenden.<br />
Walzik(2006)fasstdie<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erOrganisationvondenMitarbeitendenbenötigtenSo<br />
zialkompetenzenalszwischenmenschlichenUmgangzusammen.„DieAuflösungstar<br />
rerFührungshierarchien<strong>in</strong><strong>der</strong>Arbeitsweltverlangte<strong>in</strong>eimmergrössereSelbständig<br />
keit<strong>der</strong>Mitarbeiter.E<strong>in</strong>blossesAusführenvorgegebenerAnweisungenundH<strong>in</strong>arbei<br />
tenauf‚vonoben‘festgelegteZielewirdvermehrtvon<strong>St</strong>rukturenabgelöst,dieSelb<br />
ständigkeit<strong>der</strong>Mitarbeitererfor<strong>der</strong>t.DiegrössereVerantwortungdese<strong>in</strong>zelnenMit<br />
arbeitersgegenüberse<strong>in</strong>emeigenenArbeitsprozessmachteszunehmendnotwendig,<br />
79
80<br />
sichmitKollegen,VorgesetztenundGeschäftspartnernabzustimmen.Daherwerden<br />
heuteFähigkeitenfürdenzwischenmenschlichenUmgangimmerwichtiger.Verstärkt<br />
wird diese Tendenz zudem durch die gewachsene Bedeutung von Kundenorientie<br />
rungimDienstleistungssektor“(ebd.,S.3f.).DasInstitutfürWirtschaftspädagogik<strong>der</strong><br />
<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>konkretisiertdenzwischenmenschlichenUmgang<strong>in</strong><strong>der</strong>Schrif<br />
tenreihe„Sozialkompetenzen<strong>in</strong>TheorieundPraxis“.SieumfasstdieModule„Team<br />
situationen gestalten“ (vgl. Walzik, 2004), „Mo<strong>der</strong>ation und Präsentationssituatio<br />
nengestalten“(vgl.Gomez,2004),„Konfliktsituationengestalten“(vgl.Keller,2004),<br />
„FührungssituationCoach<strong>in</strong>gprozessegestalten“(vgl.Nüesch,2004)und„Führungssi<br />
tuation Innovationsprozesse gestalten“ (vgl. Seitz & Capaul, 2006). Diese Module<br />
implizieren, dass <strong>der</strong> zwischenmenschliche Umgang fass und för<strong>der</strong>bar ist. Gut im<br />
zwischenmenschlichen Umgang ist aus Sicht <strong>der</strong> Pädagogik, wer <strong>in</strong> den genannten<br />
Situationen die Ansprüche se<strong>in</strong>es Gegenübers zu erfüllen und diese Interaktion zu<br />
reflektierenvermag.AusbetriebswirtschaftlicherSichtwerdendieSituationendurch<br />
die Individualität <strong>der</strong> Kund<strong>in</strong> und <strong>der</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong> def<strong>in</strong>iert. Sie bestimmen, nach<br />
welchenRegelnwelcheWertschöpfungerbrachtwird.<br />
AndenSchnittstellenzu<strong>in</strong>ternenundexternenKundengehört<strong>der</strong>zwischenmensch<br />
liche Umgang zum Repertoire des erfolgreichen Mitarbeiters. Mit dem E<strong>in</strong>zug des<br />
Marktpr<strong>in</strong>zips<strong>in</strong>unsereOrganisationenwerdendurchdieAuflösungklassischerOr<br />
ganisationsformen <strong>der</strong> Arbeit die Mitarbeitenden <strong>in</strong> den Momenten <strong>der</strong> Wahrheit<br />
zusätzlichemDruckausgeliefert.Auchsozialkompetentmussmanse<strong>in</strong>.Auch<strong>der</strong>zwi<br />
schenmenschlicheUmgangmussoptimiertwerden.DurchdasAbflachen<strong>der</strong>Hierar<br />
chienunddievermehrteZusammenarbeit<strong>in</strong>verschiedenenRollen,<strong>in</strong>verschiedenen<br />
Teams,<strong>in</strong>verschiedenenProjektenentstehenimmerneueSituationen,<strong>in</strong>denensich<br />
<strong>der</strong>Mitarbeiterbeweisenundbewährenmuss.ManhatBedürfnissezuerkennen,aus<br />
<strong>der</strong>PerspektivedesKundenzudenken,sich<strong>in</strong>denDienstdesKundenzustellen,mit<br />
Empathiezubrillieren.ManhatWissenundEmotionensoe<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen,dass<strong>in</strong>je<br />
dem e<strong>in</strong>zelnen Fall Customer Value entsteht. Nur wenn es gel<strong>in</strong>gt, die Bedürfnisse<br />
se<strong>in</strong>erKundenzubefriedigen,wirdman<strong>in</strong>denSituationen<strong>der</strong>Wahrheitbestehen.<br />
DasBestehenerfor<strong>der</strong>tdenE<strong>in</strong>satzdesgesamten<strong>in</strong>dividuellenGemischesanHand<br />
lungskompetenzenundIdentitätsoptionen,selbstverständlichangepasstandenspe<br />
zifischenKundenmitse<strong>in</strong>en<strong>in</strong>dividuellenBedürfnissen.IndiesenSituationenlegt<strong>der</strong><br />
Mitarbeiterallse<strong>in</strong>Wissenundallese<strong>in</strong>eEmotionen<strong>in</strong>dieWaagschaledesDienst<br />
leistens.
E<strong>in</strong>wichtigerErfolgsfaktorstelltdieAusprägung<strong>der</strong>personellenundorganisationa<br />
lenDienstleistungskompetenzdar(vgl.Fueglistaller,2008).Manverstehtes,Dienstzu<br />
leisten.Manverstehtes,sichkompetent<strong>in</strong>denDienstzustellen.„Dienstleistungs<br />
kompetenzumschreibtdiesubjektiveZuversichtdesKompetenzträgers,umdierich<br />
tigeAufbietungvonFähigkeiten,diedaserfolgreicheDienstleistenermöglichen.Ob<br />
jektivbetrachtetmanifestiertsichdieDienstleistungskompetenz<strong>in</strong><strong>der</strong>Konstellation<br />
des E<strong>in</strong>satzes von Fähigkeiten, die e<strong>in</strong>e Situation o<strong>der</strong> Aufgabe im Zusammenhang<br />
mit Dienstleistungen bewältigt. Die Fähigkeiten stehen im direkten Zusammenhang<br />
mitdenAspekten<strong>der</strong>angebotenenundpotentiellenDienstleistungen.Diebewusste<br />
E<strong>in</strong>satzgestaltungvonErfahrungen,Innovationen,WissensowiediekulturelleGrund<br />
haltung (ethische, <strong>in</strong>nere Haltung) des Dienstleisters zugunsten <strong>der</strong> Lösung e<strong>in</strong>er<br />
DienstleistungsaufgabeundzumWohle<strong>der</strong>Beteiligtendeterm<strong>in</strong>ierendieDienstleis<br />
tungskompetenz.DieeffektiveAusprägung<strong>der</strong>Dienstleistungskompetenzentspricht<br />
idealerweiseden(potentiellen)Anfor<strong>der</strong>ungenundErwartungen<strong>der</strong>Anspruchsgrup<br />
pen sowie den Vorstellungen des Dienstleisters bezüglich <strong>der</strong> Soll<br />
Dienstleistungskompetenz und wird laufend an die Bedürfnisse des Marktes ange<br />
passt“(Fueglistaller,2001,S.183).Dienstleistenheisst,dieLeistungen<strong>der</strong>Organisati<br />
ondenBedürfnissenund<strong>der</strong>IndividualitätdesKundenanzupassenunddenKunden<br />
dieWünschevondenAugenabzulesen.<br />
AuchimFalledesMitarbeiterssprechendieSoziologenvone<strong>in</strong>emTypenwechsel.Der<br />
Arbeitskraftunternehmer löst den Arbeitnehmer ab (vgl. Pongratz & Voss, 2004).<br />
„Bisherdom<strong>in</strong>iertee<strong>in</strong>TypusvonArbeitskraft,<strong>der</strong>daraufausgerichtetunddazuaus<br />
gebildet ist, se<strong>in</strong>e Arbeitsfähigkeit pauschal genommen beruflichen Mustern e<strong>in</strong>em<br />
BetriebgegenEntgeltzurVerfügungzustellen,umsichdorteherpassivAnweisungen<br />
undKontrollenzuunterwerfen.Nunmehrbeobachtenwirde<strong>in</strong>eUmkehrungdieser<br />
Logik:immerwenigerErfüllungfremdgesetzterAnfor<strong>der</strong>ungenbeiger<strong>in</strong>genGestal<br />
tungsspielräumen und fixen Ressourcen, son<strong>der</strong>n aktive Selbststeuerung im S<strong>in</strong>ne<br />
allgeme<strong>in</strong>erUnternehmenserfor<strong>der</strong>nisse,dieofterstimDetaildef<strong>in</strong>iertundfürdie<br />
nicht selten Ressourcen erst beschafftwerden müssen.Ausdem eher reaktiv agie<br />
rendenbisherigen‚Arbeitnehmer‘[…]wirde<strong>in</strong><strong>in</strong>neuerWeiseaktiverTypusvonAr<br />
beitskraft,<strong>der</strong>sichnichtnuraufdemArbeitsmarkt,son<strong>der</strong>nauch<strong>in</strong>nerhalbdesBe<br />
triebs kont<strong>in</strong>uierlich zur Leistung anbietet und sich im Arbeitsprozess gezielt selbst<br />
organisiert“ (ebd., S.24f.). Durch die Selbstorganisation gew<strong>in</strong>nt <strong>der</strong> Mitarbeiter an<br />
81
82<br />
neuen Freiheiten. Gleichzeitig wird er neuen Pflichten unterstellt. Die Regeln s<strong>in</strong>d<br />
wenigeroffensichtlich,abernichtwenigunverb<strong>in</strong>dlich.<br />
Die zusätzliche Aktivierung <strong>der</strong> <strong>in</strong>timen Potenziale kommt e<strong>in</strong>er Übertragung des<br />
ökonomischen Pr<strong>in</strong>zips auf das ganze Wesen des Mitarbeiters gleich. „E<strong>in</strong>e solche<br />
Anfor<strong>der</strong>ungbedeutete<strong>in</strong>eneue<strong>St</strong>ufe<strong>der</strong>SelbstÖkonomisierungvonArbeitskraft–<br />
undzwar<strong>in</strong>doppelterH<strong>in</strong>sicht:Zume<strong>in</strong>enmüssenArbeitskräfte<strong>in</strong>autonomisierten<br />
ArbeitsformenihreFähigkeitenundLeistungengezieltaktivherstellenundbetreiben<br />
damit e<strong>in</strong>e bewusste ‚Produktionsökonomie‘ ihrer Arbeitsvermögen. Zum an<strong>der</strong>en<br />
müssensiesichaufbetrieblichenundüberbetrieblichenMärktenaktivanbieten,das<br />
heisst<strong>in</strong>Forme<strong>in</strong>er<strong>in</strong>dividuellen‚Marktökonomie‘sicherstellen,dassihreFähigkei<br />
ten gebraucht, gekauft und effektiv genutzt werden. Aus passiven Arbeitnehmern<br />
werdendamitauchimengerenS<strong>in</strong>ne‚Unternehmerihrerselbst‘(ebd.,S.25).Mitdem<br />
unternehmerischenSelbstbetrittdasMarktpr<strong>in</strong>zipauchimInnern<strong>der</strong>Organisatio<br />
nendenThron<strong>der</strong>Verhaltenssteuerung.Wersichnichtselbstoptimiert,wirdvom<br />
Spielfeld verdrängt. Wer sich nicht selbst zu managen versteht, wird von den Ar<br />
beitsmärktenweggefegt.ÜberlebentunnurdieSelbstoptimierer,dieArbeitskraftun<br />
ternehmer. Diese zeichnen sich durch Selbstkontrolle, Selbstökonomisierung und<br />
Selbstrationalisierung aus (ebd., S.24). Sie machen sich zu e<strong>in</strong>em Produkt, das sich<br />
positioniertunde<strong>in</strong>emendlosenQualitätsmanagement,e<strong>in</strong>emgrenzenlosenkont<strong>in</strong>u<br />
ierlichenVerbesserungsprozessunterstelltwird.„Sieentwickelnundunterhaltene<strong>in</strong>e<br />
Art‚Betrieb‘.DieserBetriebdesArbeitskraftunternehmersistnatürlichke<strong>in</strong>Betrieb<br />
imgewohntenS<strong>in</strong>ne;hiergehtesumdieHerstellungundVermarktunge<strong>in</strong>esbeson<br />
<strong>der</strong>enProduktsunterbeson<strong>der</strong>enBed<strong>in</strong>gungen,nämlichvonArbeitskraftimRahmen<br />
privaterLebensführung“(ebd.,S.25).<br />
Umaufdie<strong>in</strong>timenRessourcen<strong>der</strong>Mitarbeitendenzugreifenzukönnen,s<strong>in</strong>ddieOr<br />
ganisationenbestrebt,langfristigeBeziehungenzuihrenMitarbeitendenaufzubauen<br />
und dadurch das Human Kapital zu entwickeln und auszuschöpfen. Dafür sorgt e<strong>in</strong><br />
nachhaltigesHumanResources<strong>Management</strong>(vgl.Zaugg,2006a).DasHRMistdann<br />
nachhaltig,wennessichvonadm<strong>in</strong>istrativenAufgabenzulösenvermag,wennesei<br />
nenprom<strong>in</strong>entenPlatz<strong>in</strong>nerhalb<strong>der</strong>Geschäftsleitungzugesprochenerhältundwenn<br />
essichverstärktstrategischenAufgabenwidmenkann(vgl.Oertig,2006;1994).Die<br />
BedeutungdesHRMnimmtzu,wennmanbedenkt,dasssich<strong>der</strong>Wert<strong>der</strong>Ressource<br />
Mensch vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> gegenwärtigen demografischen Verän<strong>der</strong>ungen<br />
zusätzlicherhöht(vgl.Gross&Fagetti,2008;Kaufmann,FX,2005;Möckli,1999).Im
KampfumdieTalentegehtesnichtnurumAkquisition,son<strong>der</strong>nvorallemumB<strong>in</strong><br />
dung.VomHofe(2005)streichtzweiHauptgründeheraus,warume<strong>in</strong>eOrganisation<br />
ihreMitarbeitendenb<strong>in</strong>densollte.E<strong>in</strong>erseitskanndurchmangelndeB<strong>in</strong>dungdieMo<br />
tivation<strong>der</strong>Mitarbeitendenverlorengehen.An<strong>der</strong>seitsentfallendenOrganisationen<br />
beim Abgang die Qualifikationen <strong>der</strong> Kompetenzträger. Es kann ausserdem davon<br />
ausgegangenwerden,dassdieB<strong>in</strong>dung<strong>der</strong>Mitarbeitendene<strong>in</strong>erOrganisationgüns<br />
tigerzustehenkommtalsdiepermanenteBemühungumerfolgreicheAkquisitionen<br />
(vgl.Jaeger,2006;vomHofe,2005;<strong>St</strong>ührenberg,2004).<br />
Die B<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Mitarbeitenden konzentriert sich auf diejenigen Fälle, von denen<br />
mansichauch<strong>in</strong><strong>der</strong>Zukunfte<strong>in</strong>enmassgeblichenBeitragzumOrganisationserfolg<br />
erhofft. „Das Interesse des Arbeitgebers an e<strong>in</strong>er Personalb<strong>in</strong>dung ist im Wesentli<br />
chen vom Mitarbeiterpotenzial abhängig. Je besser das Mitarbeiterpotenzial, desto<br />
stärkeristse<strong>in</strong>Interesseane<strong>in</strong>erPersonalb<strong>in</strong>dung“(Pepels,2004,S.52).Jegrösser<br />
die Potenziale <strong>der</strong> Mitarbeitenden, desto grösser ist ihr potenzieller Wertschöp<br />
fungsbeitragzurOrganisation,destogrösseristihrWertfürdieOrganisation,desto<br />
grössers<strong>in</strong>d<strong>der</strong>B<strong>in</strong>dungswilleunddieInvestitionsbereitschaft<strong>der</strong>Organisation.Ka<br />
habka(2004) br<strong>in</strong>gt das Mitarbeiterpotenzial explizitmit <strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit<br />
e<strong>in</strong>erOrganisation<strong>in</strong>Verb<strong>in</strong>dung.„E<strong>in</strong>ezielorientierteundsystematischangewandte,<br />
<strong>in</strong>dividuelle Potenzialanalyse <strong>der</strong> Mitarbeiter stellt die Wettbewerbsfähigkeit e<strong>in</strong>es<br />
Unternehmens für die Zukunft sicher“ (ebd., S.84). Dieser selektive B<strong>in</strong>dungswille<br />
stelltdenUnterschiedzurtraditionellenMitarbeiterb<strong>in</strong>dungimS<strong>in</strong>nevonlangfristi<br />
genVerträgendar.ProfitiertenfrüheralleMitarbeitendenvon<strong>der</strong>B<strong>in</strong>dungswilligkeit<br />
<strong>der</strong> Organisation, so ist die unternehmerische Generosität heute e<strong>in</strong>em selektiven<br />
B<strong>in</strong>dungswillengewichen.Gebundenwird,werfürdieOrganisationvonWertist.In<br />
Zeiten<strong>der</strong>Individualisierungistklar,dassauchdieB<strong>in</strong>dungsstrategien<strong>der</strong>Organisa<br />
tionen <strong>in</strong>dividualisiert werden müssen (vgl. Horx, 2001; Sprenger, 2006; Schulz,<br />
2004).DieIndividualisierungspflichtlässtsichmotivationstheoretischunterstreichen.<br />
E<strong>in</strong>erFührungskraftmussesgleichzeitiggel<strong>in</strong>gen,Arbeitssituationenattraktivzuges<br />
taltenunddiepersonalenMotive<strong>der</strong><strong>in</strong>dividuellenMitarbeiter<strong>in</strong>anzusprechen(vgl.<br />
Rhe<strong>in</strong>berg,2002,S.72).LeistungsmotivierteMitarbeitendearbeiten<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emUmfeld,<br />
<strong>in</strong> dem sie mittelgrosse Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gefühl <strong>der</strong> Selbstwirksamkeit<br />
bewältigen(vgl.Deci&Ryan,1993).<br />
<br />
83
84<br />
4.3. DieBedeutung<strong>der</strong>Marke<br />
Im Moment <strong>der</strong> Wahrheit spielt die Marke e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle. Die Marke<br />
br<strong>in</strong>gt die organisationale Identität <strong>in</strong> kondensierter Form zum Ausdruck. Sie redu<br />
ziertdieKomplexität<strong>der</strong>zuvermittelndenBotschaften.DiesistauchdenAnspruchs<br />
gruppenbekannt,dieihrerseitsMarkenzurReduktion<strong>der</strong>Komplexität<strong>der</strong>Entschei<br />
dungsvielfalte<strong>in</strong>setzen.Markenübendadurche<strong>in</strong>egrosseAnziehungskraftaus.<br />
Organisationen setzen Marken primär zurKennzeichnung undDifferenzierung ihrer<br />
Leistungene<strong>in</strong>.DieMarkeist„e<strong>in</strong>Name,Begriff,Zeichen,Symbol,e<strong>in</strong>eGestaltungs<br />
form o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation aus diesen Bestandteilen zum Zwecke <strong>der</strong> Kennzeich<br />
nung<strong>der</strong>Produkteo<strong>der</strong>Dienstleistungene<strong>in</strong>esAnbieterso<strong>der</strong>e<strong>in</strong>erAnbietergruppe<br />
und <strong>der</strong> Differenzierung gegenüber Konkurrenzprodukten“ (Kotler & Bliemel, 2001,<br />
S.736).Markenwerdenverwendet,um<strong>in</strong><strong>der</strong>Fülle<strong>der</strong>MöglichkeitenfürOrdnungzu<br />
sorgen.OrganisationenreduzierendadurchfürihreKundendieKomplexität<strong>der</strong>Ent<br />
scheidung (vgl. Hellmann, 2003). Dieser Wunsch nach Reduktion <strong>der</strong> Komplexität<br />
führt<strong>in</strong><strong>der</strong>Markenführungdazu,dassMarkenvonimmermehrOrganisationenzur<br />
Ordnung<strong>der</strong>Märktee<strong>in</strong>gesetztwerdenunddassMarkenführung,willsiefunktionie<br />
ren,immermehraus<strong>der</strong>SichtdesKundengedachtwerdenmuss.„WasdieGeschich<br />
te<strong>der</strong>WissenschaftvomMarkenwesenzuerkennengibt,iste<strong>in</strong>erseitse<strong>in</strong>eVerlage<br />
rung<strong>der</strong>OrientierungamHersteller,<strong>der</strong>dieMarkeanbietet,aufdenVerbraucher,<br />
<strong>der</strong> sie nachfragt, an<strong>der</strong>erseits e<strong>in</strong>e Erweiterung <strong>der</strong> bisherigen Markenanwendung<br />
aufSachundKonsumgüter,dielangeZeitalle<strong>in</strong>fürmarkierungsfähiggehaltenwur<br />
den,ume<strong>in</strong>egeradezu<strong>in</strong>sBeliebigeausuferndeVielfaltimmateriellerLeistungsange<br />
bote, die man allesamt zu Marken aufbauen zu sucht“ (ebd., S.66). Heute werden<br />
auch Parteien (vgl. Henschel, 2008), Popstars (vgl. Engh, 2006) und <strong>St</strong>andorte (vgl.<br />
Bieger,2004)alsMarkenbehandelt.WillmandieMarkendabeisoführen,dasssie<br />
ausSichtdesKundenihreWirkungentfalten,sogiltesalsOrganisationdieIdentitäts<br />
arbeit des Kunden verstehen zu lernen. Nur dann kann es gel<strong>in</strong>gen, die Kunden <strong>in</strong><br />
diesemArbeitsprozessdurchmarkierteWertschöpfungzuunterstützen.<br />
DieMarkeistihrerseitsTeilundErgebnis<strong>der</strong>Identitätsarbeite<strong>in</strong>erOrganisation.Sie<br />
br<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> prägnanter Form die wesentlichen Charakterzüge <strong>der</strong> Organisation zum<br />
Ausdruck. Die Verständlichkeit <strong>der</strong> Marke wird aus Sicht des Kunden dann erhöht,<br />
wennerglaubt,mit<strong>der</strong>Markegleichwiemite<strong>in</strong>emMenschen<strong>in</strong>teragierenzukön<br />
nen.SeitlängererZeitbemühensichOrganisationendarum,ihreMarkenalsPersön
lichkeiten zu konstruieren. Hellmann (2003) weist darauf h<strong>in</strong>, dass das Persönlich<br />
keitsparadigma das Paradigma <strong>der</strong> technischen Führung e<strong>in</strong>er Marke abgelöst hat.<br />
„DennwennzunehmendmehrProduktefürdenprivatenBedarfgeschaffeneFertig<br />
warendarstellen,ausgestattetmite<strong>in</strong>erMarkierung,e<strong>in</strong>heitlicherAufmachung,glei<br />
cher Menge sowie gleichbleiben<strong>der</strong> o<strong>der</strong> verbesserter Güte für e<strong>in</strong>en Absatzraum,<br />
dabeimassivunterstütztvon<strong>der</strong>Werbung:Wobleibtdann<strong>der</strong>angestrebteDifferen<br />
zierungsvorteil?Wodurchwirde<strong>in</strong>eerneuteDifferenzierungerreicht,wenndieklas<br />
sischeMarkenpolitiknichtmehrgreift?“(ebd.,S.77f.).ImKonzept<strong>der</strong>Persönlichkeit<br />
f<strong>in</strong>den Market<strong>in</strong>gfachleute die Antwort auf diese Fragen. Markenpersönlichkeiten<br />
s<strong>in</strong>d<strong>in</strong><strong>der</strong>Lage,dasVertrauenzuersetzen,dasfrüher<strong>der</strong>persönlichbekannteVer<br />
käufergeschaffenhat.„WennVertrauenKont<strong>in</strong>uitätundKonsistenzvoraussetztund<br />
dieRedevon<strong>der</strong>Persönlichkeite<strong>in</strong>erMarkewie<strong>der</strong>umbedeutet,dassdieseMarke<br />
e<strong>in</strong>eweitgehendeKont<strong>in</strong>uitätundKonsistenz<strong>in</strong>ihrerKommunikationaufweist,dann<br />
istdasVertrauen<strong>in</strong>solcheMarkenamgrössten,denenmanPersönlichkeitzuspricht“<br />
(Hellmann,2003,S.88).<br />
Die Marke spielt immer dann e<strong>in</strong>e grosse Rolle, wenn die Wertschöpfung, für sich<br />
betrachtet,austauschbargewordenist.DieProblemlösungen<strong>der</strong>Organisationenzei<br />
gensichdann<strong>in</strong>grosserVielfalt,ohnesichgrosszuunterscheiden.Grosssprichtvon<br />
<strong>der</strong>Notwendigkeit,LeistungenaufzuladenundihreNebensachenzurHauptsachezu<br />
machen.Mit<strong>der</strong>Wertschöpfungund<strong>der</strong>dazugehörigenKommunikationwerdendie<br />
höheren Bedürfnisse des Menschen angesprochen. Die Leistungen <strong>der</strong> Organisatio<br />
nen werden bemenschelt, mit e<strong>in</strong>er menschlichen Seele versehen. „Der Begriff <strong>der</strong><br />
‚Aufladungstechnik‘ bedeutet, dass Produkte nicht e<strong>in</strong>fach Produkte s<strong>in</strong>d, son<strong>der</strong>n<br />
leistungsundkundenbezogeneFunktionen.Funktionens<strong>in</strong>d,sounsereterm<strong>in</strong>ologi<br />
sche Festlegung, dasselbe wie Aufladungstechniken. Sie lassen sich e<strong>in</strong>erseits <strong>in</strong><br />
HauptundNebenfunktionenunterscheiden,an<strong>der</strong>seits<strong>in</strong><strong>in</strong>terneundexterneAuf<br />
ladungstechniken.DieHauptfunktion,wiebeie<strong>in</strong>erUhr,istdieZeitangabe;ihrNe<br />
benfunktionkann<strong>der</strong>Geltungsnutzense<strong>in</strong>,<strong>der</strong>mite<strong>in</strong>erUhrverbundenwird.Inter<br />
neAufladungheisst,Aufladungmitimwesentlich<strong>in</strong>tern,vondenEntwicklungsabtei<br />
lungenerarbeitetentechnischenVerfe<strong>in</strong>erungen(<strong>in</strong>sideout).ExterneAufladungbe<br />
deutet das ‚Loaden‘ von Produkten o<strong>der</strong> Dienstleistungen mit Geschichten, mit<br />
Brands,mitIdolen,mitSzenen,mitCommunities(vielleichtoutside<strong>in</strong>)“(Gross,2004,<br />
S.232).<br />
85
86<br />
NichtnurProduktewerdenaufgeladen.DieOrganisationselbstwirdzurMarke(vgl.<br />
Eschetal.,2006;Oll<strong>in</strong>s,2004).DieaufgeladeneMarke<strong>der</strong>Organisationtransportiert<br />
dieIdentität<strong>der</strong>OrganisationnichtnurimProduktundDienstleistungsmarkt.Sieist<br />
<strong>in</strong>ZeitendesWar4TalentsauchvongrosserBedeutungaufdemArbeitsmarkt(vgl.<br />
Petkovic,2008;Trost,2008;Barrow&Mosley,2006).DieMarkebildetdasVerb<strong>in</strong><br />
dungsstückzwischendemAngebot<strong>der</strong>OrganisationunddenBedürfnissen<strong>der</strong>Orga<br />
nisation.SoauchimF<strong>in</strong>anzsektor(vgl.Poráketal.,2006;Porák,2002;Achleitner&<br />
Bassen,2001).MarkenunterstützendenAufbauunddiePflege<strong>der</strong>Beziehungzwi<br />
schendenInvestorenundihrenUnternehmen.EsentstehenInvestorRelations.„In<br />
vestorRelationsbezeichnetdiestrategischgeplanteundzielgerichteteGestaltung<strong>der</strong><br />
Kommunikationsbeziehungen zwischen e<strong>in</strong>em (börsennotierten) Unternehmen und<br />
<strong>der</strong>F<strong>in</strong>ancialCommunity“(Porák,2006,S.259).DieVerwendungdesBegriffesBezie<br />
hungmachtdeutlich,dassdieInteraktionenzwischendenOrganisationenundihren<br />
Kunden dynamisch s<strong>in</strong>d und e<strong>in</strong>em Wandel unterliegen. Entsprechend unterliegen<br />
auchMarkene<strong>in</strong>emLebenszyklus(vgl.Kotler&Bliemel,2001,S.573ff.).<br />
Ess<strong>in</strong>ddieBedürfnisse<strong>der</strong>Kunden,diedenAusgangspunkt<strong>der</strong>Argumentationfür<br />
dieBedeutungvonMarkenbilden.DieBedürfnisses<strong>in</strong>dAusdruckundProduktunse<br />
rerIdentitätsarbeit.„IngewisserH<strong>in</strong>sicht‚s<strong>in</strong>d‘wirdieBedürfnissesogar:Wirdef<strong>in</strong>ie<br />
renunsübersieundvertrauenunsihnenan,sehendieeigenenWahrnehmungsund<br />
Kommunikationsrout<strong>in</strong>endurchsieangeleitet,wennnichtgesteuert,undzitierensie<br />
im Zweifelsfalle als Motive des eigenen Erlebens und Handelns“ (Hellmann, 2003,<br />
S.348).DieSuchenachdemeigenenWesenlässtdieMenschen,wiebeiGross(2007)<br />
gesehen,auf<strong>in</strong>nerenWi<strong>der</strong>standtreffen.„DadieSuchenachdemGlück,dasals<strong>in</strong><br />
neres Erleben begriffen wird, im Inneren des Verbrauchers aber ke<strong>in</strong>en festen An<br />
haltspunktf<strong>in</strong>det,wasgenauihnglücklichmacht,son<strong>der</strong>nnure<strong>in</strong>eTautologie[…],<br />
aus<strong>der</strong>auchReflexionnichtwirklichherauszuführenvermag,siehtsich<strong>der</strong>Verbrau<br />
chere<strong>in</strong>ereigentümlichen<strong>in</strong>nerenLeeregegenüber,dieihnratundhilfloslässtund<br />
ihn deshalb nach aussen treibt,um dort nach Anregungen und Angeboten für se<strong>in</strong><br />
schönes,erfülltesLebenzusuchen“(Hellmann,2003,S.372).<br />
Diesist<strong>der</strong>Moment,<strong>in</strong>demdieMarkenmitihrenVersprechenwirksamwerden(vgl.<br />
Illouz,2003;Schulze,1999).„GenauandiesemPunkttrittWerbungaufdenPlan,da<br />
sieebendiesverheisst:e<strong>in</strong>glückliches,schönesLeben,unddiesunentwegt,jedenTag<br />
erneut.Denn<strong>der</strong>Unmöglichkeitwegen,dassesdase<strong>in</strong>etotaleErlebnis,denultima<br />
tiven ‚Kick‘, <strong>der</strong> e<strong>in</strong> für allemal glücklich macht, nicht gibt, entwickelt sich e<strong>in</strong>
,habitualisieren<strong>der</strong> Hunger‘ nach allem, was die Möglichkeit des Glücklichse<strong>in</strong>s <strong>in</strong><br />
Aussichtstellt“(Hellmann,2003,S.372f.).Markenhelfenuns,unsereLebensstileaus<br />
zudrücken(vgl.Schulze,2005).Siehelfenuns,unsgegenüberan<strong>der</strong>enabzugrenzen.<br />
Siehelfenunszue<strong>in</strong>emBestandteilvonMilieusundSzenenzuwerden.Siewerdenzu<br />
e<strong>in</strong>em wichtigen Element unserer Lebensführung. „Denn solche Marken berühren<br />
dasSelbstverständnisunddieGestaltung<strong>der</strong>eigenenLebensführungundwerdenzu<br />
e<strong>in</strong>emwichtigenElement<strong>der</strong>eigenenLebensführung,aufdasregelmässigBezugge<br />
nommen wird. Ausserdem steht zur Vermutung, dass Markentreue nicht nur e<strong>in</strong>e<br />
Treuezusichselbstbedeutet,son<strong>der</strong>nauchdasVerhältniszuan<strong>der</strong>enbetrifftund<br />
möglicherweisesogare<strong>in</strong>eGeme<strong>in</strong>samkeitdesErlebensundHandelnsstiftet“(ebd.,<br />
S.233). In <strong>der</strong> Term<strong>in</strong>ologie dieser Arbeit nutzt das Individuum Marken, um se<strong>in</strong>e<br />
Selbsterzählung zu präzisieren und zu illustrieren. Es greift auf Marken zurück, um<br />
an<strong>der</strong>enMenschenmitHilfe<strong>der</strong>Marken(geschichten)e<strong>in</strong>eGeschichtezuerzählen.<br />
DieSelbstnarrationwirdzumHypertext.<br />
In<strong>der</strong>SprachevonKarmas<strong>in</strong>(2004)tragendiekonsumiertenProdukteundDienst<br />
leistungenBotschaften<strong>in</strong>sich,diedenMenschendassozialeE<strong>in</strong>ordnendesGegen<br />
überserleichtern.„Me<strong>in</strong>ezentraleThesebesagt,dassProduktedavonleben,dasssie<br />
kulturelleKonzeptionendesWünschenswertenbenützenundzusammenmitalleden<br />
ideologischen Ordnungsmustern, die damit verknüpft s<strong>in</strong>d, transportieren“ (ebd.,<br />
S.208). Die mit den Produkten und Dienstleistungen transportierten Codes (ebd.,<br />
S.203)machennurdanne<strong>in</strong>enS<strong>in</strong>n,wennmanvone<strong>in</strong>emIndividuum<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emsozia<br />
lenUmfeldausgeht.Esistwesentlichzuerkennen,dasseske<strong>in</strong>eProdukteohneCo<br />
desgibt.GeradeauchProdukteohneMarken,ProdukteohneLogostragene<strong>in</strong>enCo<br />
de.NoLogo(vgl.Kle<strong>in</strong>,2005)–dasgibtesnicht.Gross(2004)<strong>in</strong>terpretiertdasAufla<br />
denvonProduktenundDienstleistungenalsReaktion<strong>der</strong>Organisationenaufdieaus<br />
ihrenGeme<strong>in</strong>schaftenundGesellschaftenherausgelöstenIndividuen.DurchdenKon<br />
sumvonMarkenvermögensieneuenS<strong>in</strong>nzuf<strong>in</strong>denundneueGeme<strong>in</strong>schaftzuer<br />
richten.„DerMenschistnichtmehr<strong>in</strong>dieNature<strong>in</strong>gebunden,son<strong>der</strong>nausihrher<br />
ausgefallen;erhatse<strong>in</strong>Fellverloren,sichaufgerichtetundmusssichse<strong>in</strong>enPlatz<strong>in</strong><br />
<strong>der</strong>Weltsuchenundaufbauen.DiefehlendeNaturwirdkompensiertdurchKultur,<br />
undKulturwird,als<strong>in</strong>dividuellero<strong>der</strong><strong>in</strong>teraktiverLebensstil,von<strong>in</strong>nennachaussen<br />
gestaltet und geformt. Dazu gehören neben Communities auch D<strong>in</strong>ge und konsu<br />
mierbareGüter,<strong>der</strong>enGebrauchnichtzuletztwie<strong>der</strong>dieZugehörigkeitzuCommuni<br />
tiesanzeigen“(ebd.,S.232).<br />
87
88<br />
DiesozialeBedeutungvonMarkenverstärktsichunterdemAspekt<strong>der</strong>Communities,<br />
diesichumMarkenherumbilden(vgl.Kaul&<strong>St</strong>e<strong>in</strong>mann,2008;Baumgartner,2007;<br />
vonLöwenfeld,2006;Algesheimer,2004).Hier<strong>in</strong>teragierenMenschenaufgrund<strong>der</strong><br />
von Organisationen hervorgebrachten Marken. „Brand Communities bilden sich<br />
dann,wennzwischenMarkeundKonsumente<strong>in</strong>s<strong>in</strong>nstiftendesMusterentsteht,das<br />
sichfüre<strong>in</strong>edauerhafteInteraktioneignet.Dabeihandeltessichumdengenetischen<br />
CodefürBrandCommunities.DieMenschenhabennichtdasBedürfnis,alsMitglied<br />
e<strong>in</strong>erZielgruppeangesprochenzuwerden.Siewollensich<strong>in</strong><strong>St</strong>oryswie<strong>der</strong>f<strong>in</strong>den,mit<br />
denensiesichidentifizierenkönnen“(Baumgartner,2007,S.20).DieMarkens<strong>in</strong>dTeil<br />
<strong>der</strong>Erzählung,<strong>in</strong>denensichdieMenschenbewegen.SiehelfendemIndividuum,sich<br />
<strong>in</strong>sozialenNetzwerkenzuorientieren.DieLeistungen<strong>der</strong>Organisationenenthalten<br />
Codes,diewirimsozialenVerkehrbewusst,aberauchunbewusste<strong>in</strong>setzen.Je<strong>der</strong><br />
Kauf,denwirtätigen,sagtetwasüberunsaus.DieGesamtheit<strong>der</strong>vonunserworbe<br />
nenundkonsumiertenLeistungenerzeugtunsereIdentitätundstabilisiertdieseda<br />
durch,dasssiesierepräsentiert.„Menschenbrauchene<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.Markennetzwerke,<br />
die an <strong>der</strong> Schnittstelle von Kommerz und Kultur am <strong>in</strong>tensivsten gedeihen, bieten<br />
e<strong>in</strong>eAntwort<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erZeit,daKonsums<strong>in</strong>nstiftendwirkt.DennwoReligioneno<strong>der</strong><br />
ParteienBeziehungsorientierungausübten,s<strong>in</strong>desheuteMarkenmitihrennutzen<br />
stiftenden Eigenschaften und Geme<strong>in</strong>schaften. Marken und Produkte bilden heute<br />
e<strong>in</strong>eZweitrealität“(ebd.,S.16).E<strong>in</strong>extremesBeispielbildetdieVerschmelzungvon<br />
VideospielenundMarkenwelten.„AufdieserBasisversuchenwir,dieWerbungdort<br />
zuplatzieren,wosienichtaufe<strong>in</strong>emöglicheAblehnungo<strong>der</strong>Vergeltungsmassnahme<br />
stossenkann.[…]Videogamesdr<strong>in</strong>gen<strong>in</strong>dieMenschene<strong>in</strong>;manistnichtpassivwie<br />
beimFernsehen.WirkönnenalsoMarkenmitdenErlebnissen<strong>der</strong>Userverb<strong>in</strong>den–<br />
unddasistetwas,wovonalleträumen“(Herman,2005,S.29,S.30).DiesesE<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen<br />
wird nur durch Second Life übertroffen, wo sich reale Unternehmen e<strong>in</strong>e virtuelle<br />
Nie<strong>der</strong>lassunggönnen.<br />
Umgekehrtbetrachtets<strong>in</strong>desauf<strong>der</strong>Seite<strong>der</strong>OrganisationMenschen,die<strong>in</strong>Form<br />
vonWissenundEmotionendieProdukteundDienstleistungenimInnern<strong>der</strong>Kunden<br />
erschaffen(vgl.Tomczaketal.,2008).MansprichtvonBehavioralBrand<strong>in</strong>g.„Unter<br />
Behavioral Brand<strong>in</strong>g werden alle Massnahmen verstanden, die dazu geeignet s<strong>in</strong>d,<br />
denAufbauunddiePflegevonMarkendurchzielgerichtetesVerhaltenundpersönli<br />
cheKommunikationzuunterstützen“(Kernstock,2008,S.7).GetauschtesWissenund<br />
getauschteEmotionenbrennensichstärker<strong>in</strong>unseremInnerne<strong>in</strong>als<strong>der</strong>kurzfristige
Konsume<strong>in</strong>esmateriellenGutes.„DieAufgabe<strong>der</strong>FlugbegleiterInnenbestehtdar<strong>in</strong>,<br />
dasWohlbef<strong>in</strong>den<strong>der</strong>Kundenzusteigernundse<strong>in</strong>eo<strong>der</strong>ihreWichtigkeitherauszu<br />
streichen“(Hochschild,2006,S.113).DurchdenMoment<strong>der</strong>Wahrheitgiltesnach<br />
haltig<strong>in</strong>Er<strong>in</strong>nerungzubleiben.„JedeDienstleistungistzugleiche<strong>in</strong>eWerbung“(ebd.,<br />
S.113).DerDienstwirdzurRepräsentation<strong>der</strong>Marke.„ErstdurchdieMitarbeiten<br />
denwerdenCorporateBrandszumLebenerweckt.Sieübernehmene<strong>in</strong>eSchlüssel<br />
funktion,diemitihrenvielfältigenWirkungseffektenmassgeblichfürdenMarkener<br />
folgist“(Eschetal.,2005,S.415).DieMarkeweistdasVerhalten<strong>der</strong>Mitarbeitenden<br />
an.„DieVerankerung<strong>der</strong>Markenidentität<strong>in</strong>denKöpfen<strong>der</strong>Mitarbeitererhöht<strong>in</strong><br />
<strong>der</strong>InnenwirkungdasCommitmentmit<strong>der</strong>CorporateBrandunddadurchdieMitar<br />
beitermotivation.In<strong>der</strong>AussenwirkungbildetsiefürdenMitarbeiterdenLeitfaden<br />
für se<strong>in</strong> Verhalten gegenüber den Kunden. Dies führt zu e<strong>in</strong>em konsequenten und<br />
e<strong>in</strong>heitlichen Aufbau des Markenimages bei den Kunden und e<strong>in</strong>er Erhöhung <strong>der</strong><br />
Kundenzufriedenheit, wovon letztlich die Erreichung ökonomischer Ziele profitiert“<br />
(ebd., S.416). Die Mitarbeitenden s<strong>in</strong>d personifizierte Marken. Das Zusammenspiel<br />
ihres Verhaltens erschafft die organisationale Marke, die den Anspruchsgruppen <strong>in</strong><br />
Er<strong>in</strong>nerungbleibtund<strong>der</strong>enzukünftigesVerhaltenbee<strong>in</strong>flusst.<br />
Der Sozialisationsprozess, <strong>der</strong> das Verhalten <strong>der</strong> Mitarbeitenden ordnen soll, wird<br />
vondenMarket<strong>in</strong>gFachleutenalsgestaltbarerProzessaufgefasst(vgl.Herrmannet<br />
al., 2002). Burmann & Zepl<strong>in</strong> (2005) unterscheiden markenorientierte Human<br />
ResourcesAktivitäten, <strong>in</strong>terne Markenkommunikation und markenorientierte Füh<br />
rung als Hebel für das „<strong>in</strong>nengerichtete Markenmanagement“ (S.124). Die Hebel<br />
müssenzurKulturundzur<strong>St</strong>rukture<strong>in</strong>erOrganisationpassen.„DiedreiHebelmar<br />
kenorientierter HRAktivitäten, Markenkommunikation und markenorientierte Füh<br />
rung resultieren nur dann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em hohen Brand Commitment, wenn die Unterneh<br />
menskulturundstrukturaufdasMarket<strong>in</strong>gidentitätskonzeptabgestimmts<strong>in</strong>d“(ebd.,<br />
S.131).Dasheisst,dassdieMassnahmen<strong>der</strong>PersonalundOrganisationsentwicklung<br />
mit<strong>der</strong>bereitsexistierendenIdentitätübere<strong>in</strong>stimmenmüssen.„VondenExperten<br />
wurdeübere<strong>in</strong>stimmenddaraufh<strong>in</strong>gewiesen,dassdieseHebelnurdannzumErfolg<br />
führen,wenndieKontextfaktorenimE<strong>in</strong>klangmit<strong>der</strong>Markenidentitäts<strong>in</strong>d:Kultur<br />
und <strong>St</strong>rukturFit s<strong>in</strong>d notwendige Voraussetzungen für die Entstehung von Brand<br />
Commitment,undBrandCommitmentführtnurdannzuBrandCitizenshipBehavior,<br />
wenn je<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne Mitarbeiter über das notwendige Knowhow und die entspre<br />
chendenRessourcenverfügt,ume<strong>in</strong>konsistentesMarkenerlebniszugewährleisten“<br />
89
90<br />
(ebd.,S.124).FürdiegegenseitigeAngleichungvonKulturundIdentitätgibtessum<br />
ma summarum drei Möglichkeiten: „Anpassung <strong>der</strong> Markenidentität, <strong>Management</strong><br />
umdieKulturherumo<strong>der</strong>Anpassung<strong>der</strong>Kultur.DieersteOptionistdiee<strong>in</strong>fachste<br />
undwird<strong>in</strong><strong>der</strong>Regeldies<strong>in</strong>nvollstese<strong>in</strong>.DadieUnternehmenskulturdieMarkenhis<br />
torieundherkunftwi<strong>der</strong>spiegelt,garantiertdieseOptiondieKont<strong>in</strong>uität<strong>in</strong><strong>der</strong>Ent<br />
wicklung<strong>der</strong>Markenidentität“(ebd.,S.131).<br />
4.4. Wechselwirkungen<strong>der</strong>Identitäten<br />
ImMoment<strong>der</strong>WahrheitkommtesnichtnurzurInteraktionzweierIndividuen,es<br />
kommtauchzue<strong>in</strong>erInteraktion<strong>der</strong>IdentitätenvonMenschundOrganisation.Das<br />
anbietendeIndividuumbr<strong>in</strong>gtimMoment<strong>der</strong>Wahrheitsowohlse<strong>in</strong>epersönlicheals<br />
auchdieorganisationaleIdentitätzumAusdruck.DasnachfragendeIndividuumarbei<br />
tetse<strong>in</strong>erseitsdurchdenMoment<strong>der</strong>Wahrheitanse<strong>in</strong>erIdentität.Dabeikommtes<br />
zuWechselwirkungenzwischen<strong>der</strong>Identität<strong>der</strong>Organisationund<strong>der</strong>Identitätdes<br />
nachfragendenIndividuums.<br />
Wenne<strong>in</strong>Menschmite<strong>in</strong>erOrganisation<strong>in</strong>teragiert,danndeshalb,ume<strong>in</strong>Bedürfnis<br />
zubefriedigen.Ause<strong>in</strong>eridentitätstheoretischenPerspektivearbeitetdasIndividuum<br />
durchdieInteraktionanse<strong>in</strong>erIdentität.DasE<strong>in</strong>nehmen<strong>der</strong>Kundenrollebildetbei<br />
jedemKonsumakte<strong>in</strong>ensozialenKreis.DiesozialenKreisekönnen,wieweitervorne<br />
gesehen, als Bauste<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Individualität e<strong>in</strong>es Menschen betrachtet werden. Die<br />
IdentitätgibtalsWahrnehmungshilfewie<strong>der</strong>umvor,welcheOrganisationenfürdie<br />
Befriedigung<strong>der</strong>Bedürfnisse<strong>in</strong>fragekommen.GleichzeitiglässtsichdasIndividuum<br />
auchvondenIdentitäten<strong>der</strong>Organisationenleiten.UmdieArgumentationzuvere<strong>in</strong><br />
fachen, geht die Arbeit davon aus, dass es primär Organisationsmarken, Corporate<br />
Brandss<strong>in</strong>d,diedieseAnziehungskräfteauslösen(vgl.Eschetal.,2006).DieIdentität<br />
<strong>der</strong> Organisation stiftet e<strong>in</strong>en Beitrag zur Weiterentwicklung <strong>der</strong> Identität <strong>der</strong> An<br />
spruchsgruppen.DiekonsumiertenProdukteundDienstleistungenhelfendenMen<br />
schen,ihreSelbsterzählungenzuerzählen.SienutzenMarken,umihreMängelher<br />
vorzuheben,umihreSelbstverwirklichungvoranzutreiben,umsichganznahebeisich<br />
zu fühlen. Den Individuen fällt es heute leichter, S<strong>in</strong>n mit Hilfe <strong>der</strong> Organisationen<br />
herzustellen,alsS<strong>in</strong>nautonomdurcheigenständigeDenkleistungenzukonstruieren.<br />
„WoGewissheitenundVerlässlichkeitenfehlen,nehmendieMenschenihrSchicksal<br />
<strong>in</strong>dieeigeneHand.DabeidientheutedieOrientierungamKommerzalsBedienfeld
für S<strong>in</strong>nangebote, die abhandengekommen s<strong>in</strong>d. Denn Unternehmen stellen nicht<br />
nur Waren her, sie bieten auch Werte, Haltungen, Normen und Lifestyles“ (Baum<br />
gartner,2007,S.16).<br />
AusSicht<strong>der</strong>OrganisationheisstDienstleistengeme<strong>in</strong>sammitdemKundenanse<strong>in</strong>er<br />
Identitätzuarbeiten.„Derf<strong>in</strong>aleNutzendieserInteraktionenkann<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emBeitrag<br />
zumAusbau<strong>der</strong>eigenenIdentitätgesehenwerden“(Bieger&Laesser,2000,S.223;<br />
vgl.Bieger,2008).Organisationenbemühensichdarum,zusammenmitdenKunden<br />
e<strong>in</strong>eGeschichtezuerzählenunddabeidieSpannungaufrechtzuerhalten(vgl.Bieger,<br />
2008,S.153).IndenMomenten<strong>der</strong>WahrheitbildenMitarbeiterundKundee<strong>in</strong>In<br />
teraktionssystem,<strong>in</strong>demsiegegenseitigaufdieEntwicklungvonIdentitätundIndivi<br />
dualitätdesGegenüberse<strong>in</strong>wirken.„DadieInteraktionenimobendargestelltenSys<br />
temnichte<strong>in</strong>seitigs<strong>in</strong>d,entstehenauchdieResultate<strong>der</strong>Interaktionsbeziehung,<strong>in</strong>s<br />
beson<strong>der</strong>edieIdentitätsbildung,wechselseitig.Auch<strong>der</strong>Mitarbeiterkanndurchdie<br />
InteraktionmitdemKundense<strong>in</strong>eIdentitätfestigen,o<strong>der</strong>dasUnternehmenbekommt<br />
durchdieInteraktion<strong>der</strong>Mitarbeitere<strong>in</strong>ewahrnehmbareIdentität.E<strong>in</strong>fester<strong>St</strong>and<br />
punkterleichtertdieBeobachtung,e<strong>in</strong>klarerSpiegelerleichtertdieSelbstwahrneh<br />
mung, aber e<strong>in</strong> profilierter Interaktionspartner mit Identität erleichtert die Wahr<br />
nehmungundIdentitätsbildungdesGegenübers.DiesemGrundsatzfolgendkanne<strong>in</strong><br />
SelbstverstärkungseffektbezüglichInteraktionundIdentitätsbildungimInteraktions<br />
system postuliert werden. Dies bedeutet nichts an<strong>der</strong>es, als dass Mitarbeiter, die<br />
durch die Beziehungen mit dem Chef und <strong>der</strong> Organisation ihre Identität festigen<br />
können,auchbesser<strong>in</strong><strong>der</strong>Lages<strong>in</strong>d,demKundenIdentitätzuvermitteln“(Bieger&<br />
Laesser,2000,S.225).<br />
Kund<strong>in</strong> und Mitarbeiter<strong>in</strong> sehen sich meist wie<strong>der</strong>holt. Sie lernen sich kennen und<br />
lernenihremGegenüberzuvertrauen.Mangibtsich,wiemanist.ManziehtdieMas<br />
kenab.Manstehtzuse<strong>in</strong>enMängeln.GanzeOrganisationengewöhnensichanihre<br />
Kundenundverschmelzenmitihnen<strong>in</strong>langfristigenBeziehungen.Bei<strong>der</strong>Dienstleis<br />
tungskompetenz<strong>der</strong>bedienendenMitarbeitendenhandeltessichume<strong>in</strong>edynami<br />
scheKompetenz.DennUmweltenverän<strong>der</strong>nsichundmitihnendieMenschen,die<br />
siekonstituierenund<strong>in</strong>ihnenleben.Menschenentwickelnsichweiter,<strong>der</strong>Lebens<br />
fluss fliesst ohne Ende weiter. Und auch Beziehungen kennen e<strong>in</strong> Eigenleben und<br />
passensichdenverän<strong>der</strong>tenMenschenunddemZeitgeistan.DiebedienendenMit<br />
arbeitendens<strong>in</strong>ddazuverpflichtet,sichdenverän<strong>der</strong>tenAusgangslagendurchLern<br />
91
92<br />
prozesse anzugleichen. „Die starke Wertorientierung <strong>der</strong> persönlichen Interaktion,<br />
aberauch<strong>der</strong>UmgangmitneuenInformationstechnologieno<strong>der</strong>generelldemWan<br />
delerfor<strong>der</strong>tvonKundenundMitarbeiternvonUnternehmen<strong>in</strong>tensiveLernprozes<br />
se.GleichzeitigistdasdamitverbundeneTra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<strong>in</strong>vielfältigenFormenauchselbst<br />
e<strong>in</strong>ebedeutendeDienstleistungsbranche“(Belz&Bieger,2000,S.16).Indenlangfris<br />
tigenBeziehungen<strong>der</strong>MitarbeitendenzuihrenKundenschimmertdasKonzept<strong>der</strong><br />
lernendenOrganisationdurch.DieAnspruchsgruppenverän<strong>der</strong>nsichimGleichschritt<br />
mitdenOrganisationenun<strong>der</strong>warten,dassihreBeziehungennichtständigbe<strong>in</strong>ull<br />
beg<strong>in</strong>nen. Sie erwarten, dass Beziehung im Moment <strong>der</strong> Wahrheit auf den bereits<br />
geme<strong>in</strong>samerlebtenMomentenaufbaut.<br />
EsistdieorganisationaleIdentität,diealsHandlungsanleitungfürdasVerhalten<strong>der</strong><br />
Mitarbeitenden im konkreten Umgang mit ihren Anspruchsgruppen wirkt. Dies gilt<br />
unabhängigdavon,obdieorganisationaleIdentitätTopdownvorgegebeno<strong>der</strong>Bot<br />
tomuperarbeitetwird.DieorganisationaleIdentitätstelltRahmenbed<strong>in</strong>gungendes<br />
Handelnsaufundführtzue<strong>in</strong>emkonsistentenVerhalten<strong>der</strong>Organisation.Anstelle<br />
<strong>der</strong>IdentitätwirdauchvonWerteno<strong>der</strong>Spielregelngesprochen,dieAnweisungen<br />
fürdasVerhalten<strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelnenMitarbeitendengeben(vgl.Emmrich,1998,S.111).<br />
Die organisationale Identität ist e<strong>in</strong> Holismus, e<strong>in</strong> Fraktal (vgl. Kruse, 1997). Malik<br />
(2006) spricht vom Rekursionspr<strong>in</strong>zip des komplexen Systems (S.98ff.). „Selbst die<br />
e<strong>in</strong>zelnen Menschen, die Mitarbeiter e<strong>in</strong>er Unternehmung s<strong>in</strong>d, weisen ihrerseits<br />
wie<strong>der</strong>umdieganze<strong>St</strong>rukturdeslebensfähigenSystemsauf.[…].Jedelebensfähige<br />
E<strong>in</strong>heit e<strong>in</strong>er Unternehmung verfügt somit über den Konstruktionsplan <strong>der</strong> Unter<br />
nehmungalsGanzes,o<strong>der</strong>mitan<strong>der</strong>enWorten,dieUnternehmungalsGanzesist<strong>in</strong><br />
je<strong>der</strong>lebensfähigenUntere<strong>in</strong>heitreproduziert“(ebd.,S.103).Trotzdemwird<strong>der</strong>e<strong>in</strong><br />
zelneMitarbeiterdieorganisationaleIdentitätnurzumTeilübernehmen.Erverweilt<br />
imModus<strong>der</strong>Selbstorganisation.Erjagtse<strong>in</strong>eIndividualität.Erbleibte<strong>in</strong>Individuum,<br />
daszuje<strong>der</strong>Zeitanse<strong>in</strong>erSelbsterzählungschreibt.Diesgeschiehtgeradeauchbei<br />
<strong>der</strong> Arbeit. Diesist<strong>der</strong> Grund,weshalbweicheKoord<strong>in</strong>ationsmechanismen wie die<br />
organisationaleIdentität<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>diegrössereWirkungalsBe<br />
fehleundKontrollenentfalten.<br />
ImMoment<strong>der</strong>Wahrheitfallen<strong>in</strong>DienstleistungsorganisationendieProduktionund<br />
<strong>der</strong> Konsum <strong>der</strong> Dienstleistung zusammen. Man spricht vom UnoActuPr<strong>in</strong>zip (vgl.<br />
Bieger,2008;2002).EsentstehtdiemerkwürdigeSituation,dasssichimMoment<strong>der</strong><br />
WahrheitsowohldieKund<strong>in</strong>alsauchdieMitarbeiter<strong>in</strong><strong>in</strong>e<strong>in</strong>emModus<strong>der</strong>Identi
tätsarbeit bef<strong>in</strong>den. Die Kund<strong>in</strong> will durch das Nachfragen, die Mitarbeiter<strong>in</strong> durch<br />
das Anbieten <strong>der</strong> Leistung S<strong>in</strong>n f<strong>in</strong>den und an ihrer Selbsterzählung schreiben. Sie<br />
bef<strong>in</strong>densichfürdenMoment<strong>der</strong>DienstleistungimselbenSystem.DieIdentitäten<br />
<strong>in</strong>teragieren, verschmelzen und formieren sich zu etwas Neuem (vgl. Baumgartner,<br />
2007).DasdadurchentstehendeSystemgehorchtwie<strong>der</strong>um<strong>der</strong>Selbstorganisation.<br />
DerMoment<strong>der</strong>Wahrheitentziehtsichpraktischvollständig<strong>der</strong>LenkungdurchFüh<br />
rungskräfte(vgl.Bieger,2008).ErvollziehtsichnachdenRegeln,welchediejeweili<br />
gen Identitäten von Mitarbeiter<strong>in</strong> und Kund<strong>in</strong> vorgeben. Die Anspruchsgruppen lo<br />
ckern<strong>in</strong>diesenMomentendieGrenzen<strong>der</strong>Organisationundformierene<strong>in</strong>System<br />
zwischendenSystemen.Esiste<strong>in</strong>System,dassichgemässdemPr<strong>in</strong>zip<strong>der</strong>Selbstor<br />
ganisation, nach den Regeln <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen und gleichzeitigen Identitätsarbeit<br />
vollzieht.DieAnspruchsgruppenbee<strong>in</strong>flussengegenseitigihrVerhalten,mankönnte<br />
vongegenseitigerFührungsprechen.<br />
Auchzwischen<strong>der</strong>Identität<strong>der</strong>Anspruchsgruppenund<strong>der</strong>Identität<strong>der</strong>Organisati<br />
onkommteszuWechselwirkungen.E<strong>in</strong>erseitsentsprichtdieorganisationaleIdenti<br />
tätdemZusammenspiel<strong>der</strong>IdentitätenallerMenschen,die<strong>in</strong>irgende<strong>in</strong>erRolleals<br />
Anspruchsgruppeane<strong>in</strong>erOrganisationbeteiligts<strong>in</strong>d.Dabeiseidah<strong>in</strong>gestellt,obdas<br />
Zusammenspieleherdemkle<strong>in</strong>stengeme<strong>in</strong>samenNennero<strong>der</strong>eher<strong>der</strong>Summe<strong>der</strong><br />
menschlichen Identitäten entspricht. An<strong>der</strong>seits wirkt die organisationale Identität<br />
aufdieIdentitäten<strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelnenAnspruchsgruppenzurück.Sieiste<strong>in</strong>Hilfsmittel,um<br />
dieSelbsterzählungzuformieren.DiesebeidenE<strong>in</strong>flussrichtungenergebengesamt<br />
haft betrachtet e<strong>in</strong>e zirkuläre Kausalität. „E<strong>in</strong>erseits konstituiert das Verhalten <strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>zelnen Komponenten erst die Ordnungsparameter, an<strong>der</strong>erseits determ<strong>in</strong>ieren<br />
dieseParameterdasVerhalten<strong>der</strong>Komponenten.AlsBeispielhierfür–undumden<br />
direktenWorts<strong>in</strong>nzumil<strong>der</strong>n–mage<strong>in</strong>wissenschaftlichesTheoriegebäudealsOrd<br />
nungsparameter <strong>in</strong>terpretiert werden: Dieses entsteht erst durch die Arbeit vieler<br />
Wissenschaftler,prägtjedochgleichzeitig<strong>der</strong>enWirken“(Grothe,1997,S.117).<br />
93
94<br />
5. <strong>Management</strong><strong>in</strong><strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong><br />
5.1. <strong>Management</strong>verständnis<br />
DieseArbeitfolgtwiee<strong>in</strong>geführtdenPrämissenundZielendessystemtheoretischen<br />
<strong>Management</strong>s.DurchdiesenEntscheidsollteesgel<strong>in</strong>gen,das<strong>Management</strong>e<strong>in</strong>erOr<br />
ganisation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ganzheitlichen S<strong>in</strong>ne zu erfassen. Das heisst verschiedene Per<br />
spektiven <strong>der</strong> Gestaltung, Lenkung und Entwicklung e<strong>in</strong>er mit <strong>der</strong> Gesellschaft ver<br />
netztenOrganisationzuberücksichtigen.Dasheisstdieökonomische,technologische<br />
und soziale Dimension des <strong>Management</strong>s e<strong>in</strong>er Organisation wahrzunehmen. „Vor<br />
diesem H<strong>in</strong>tergrund kann festgestellt werden, dass auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> speziellen betriebs<br />
wirtschaftlichenBetrachtungdieLeistungsfähigkeit<strong>der</strong>Systemtheorie<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emBei<br />
tragzurÜberw<strong>in</strong>dung<strong>der</strong>mechanistischsummativenRealitätserklärungund<strong>der</strong>Er<br />
reichung e<strong>in</strong>es ganzheitlichen Verständnisses von Entwicklungsprozessen gesehen<br />
wird“(Grothe,1997,S.100).AmEndedesKapitelssolle<strong>in</strong><strong>Management</strong>modellprä<br />
sentiert werden, das den Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> <strong>Multioptionsgesellschaft</strong> gerecht<br />
wird und als Grundlage <strong>der</strong> Entwicklung e<strong>in</strong>es Curriculums des <strong>St</strong>udiums <strong>der</strong> Be<br />
triebswirtschaftslehre dienen kann. Das Modell wird nicht quantitativ operationali<br />
siertwerden.Esstellte<strong>in</strong>eDenkhilfeundke<strong>in</strong>eVisualisierungvongemessenenVari<br />
ablendar.<br />
Diesystemtheoretische<strong>Management</strong>lehregreiftaufModellezurück,welchedieWelt<br />
<strong>in</strong>Systemezerlegen.„Das<strong>Management</strong>modellistke<strong>in</strong>eSammlungvonRezepten,wie<br />
gutes<strong>Management</strong>se<strong>in</strong>sollte.Son<strong>der</strong>nesist<strong>der</strong>Versuch,wichtigeSuch,Entschei<br />
dungsundHandlungsfel<strong>der</strong><strong>in</strong>e<strong>in</strong>egraphischeFormzubr<strong>in</strong>gen.Esiste<strong>in</strong>kategoria<br />
ler Bezugsrahmen, Ulrich hat immer von e<strong>in</strong>em Leerstellengerüst gesprochen. Das<br />
<strong>Management</strong>modell ist e<strong>in</strong>e ArtFragengenerator, e<strong>in</strong>e Hilfestellung, wenn e<strong>in</strong>e Un<br />
ternehmungsichselberbeschreibenmöchte.Dasheisst,das<strong>St</strong>.Galler<strong>Management</strong><br />
modellsolle<strong>in</strong>engeme<strong>in</strong>schaftlichenSelbsterkundungs,Denk,e<strong>in</strong>enReflexionspro<br />
zessunterstützen.UndwenndarausgewisseWirkungen<strong>in</strong>ternalisiert,gewisseD<strong>in</strong>ge<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Alltagspraxis realisiert worden s<strong>in</strong>d, dann kann das Modell im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er<br />
‚Denkkrücke‘ wie<strong>der</strong> beiseite gestellt und vergessen werden“ (Interview Rüegg<br />
<strong>St</strong>ürm,15.August2007).Das<strong>Management</strong>modelliste<strong>in</strong>eAnleitungzurSelbstreflexi<br />
on.EsdientManagerndazu,dasGestalten,LenkenundEntwickelnihresOrganisati<br />
onssystems zu reflektieren und aus diesen Reflexionen Denkanstösse und Hand<br />
lungsmöglichkeiten zu gew<strong>in</strong>nen. Das Modell vere<strong>in</strong>facht die Realität. Es br<strong>in</strong>gt für
kurzeMomentedieWirklichkeitzum<strong>St</strong>illstand.EszeichnetdasUne<strong>in</strong>deutigee<strong>in</strong>deu<br />
tig.EsersetztUnordnungdurchOrdnung.EsreduziertdieKomplexität.<br />
DieseArbeitpropagiert,dasszue<strong>in</strong>ermultiplenRealitätmultipleErkenntnissepas<br />
sen.DiesesBekenntnismachtesunmöglich,e<strong>in</strong><strong>Management</strong>modellzupräsentieren,<br />
das allen Menschen, allen <strong>Management</strong>problemen, allen Perspektiven, allen For<br />
schungsmethoden gerecht wird. H<strong>in</strong>ter jedem <strong>Management</strong>modell stehen e<strong>in</strong> Wis<br />
senschaftsverständnis, e<strong>in</strong> <strong>Management</strong>verständnis, e<strong>in</strong> Menschenbild und Vorstel<br />
lungen<strong>der</strong>gesellschaftlichenZukunft.<strong>Management</strong>modelles<strong>in</strong>ddeshalbrelativ.Sie<br />
gebenimmernure<strong>in</strong>enbestimmtenAusschnitt<strong>der</strong>Wirklichkeitwie<strong>der</strong>.Sienehmen<br />
e<strong>in</strong>e Perspektive e<strong>in</strong>. Sie dienen e<strong>in</strong>em ausgewählten Zweck (vgl. ten Have et al.,<br />
2003).Siebekennensichzue<strong>in</strong>erbestimmtenRealität,zue<strong>in</strong>erbestimmtenZukunft.<br />
„Jetztlässtsichnatürlichke<strong>in</strong>Universalmodelldenkengeschweigedennschaffen,das<br />
alledenkbarenProblemeabdeckenkönnte.Wirwerdennie<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emModellallesdr<strong>in</strong><br />
haben können“ (Interview Thomas Dyllick, 28. August 2007). Was <strong>Management</strong> ist<br />
undwiees<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emModellabgebildetwird,istke<strong>in</strong>eFrage<strong>der</strong>Wahrheit.DieDef<strong>in</strong>i<br />
tionvon<strong>Management</strong>istrelativ.Esiste<strong>in</strong>enormativeEntscheidung,wasmanunter<br />
e<strong>in</strong>erOrganisationversteht,womanihreGrenzenzieht,welchenPlatzmanihr<strong>in</strong>un<br />
seren Geme<strong>in</strong>schaften und Gesellschaften zuweist. Es ist e<strong>in</strong>e normative Entschei<br />
dung,wasmanfür<strong>Management</strong>hältundwieundzuwelchenZweckenmanes<strong>in</strong>ei<br />
nem Modell abbilden will. Schliesslich ist es e<strong>in</strong>e normative und zugleich e<strong>in</strong>e Ent<br />
scheidungvongrosserTragweite,mitwelchenInhaltenmanManagerundManage<br />
menttheoretiker<strong>in</strong>ihrerAusbildungkonfrontierenwill.<br />
Zue<strong>in</strong>er<strong>Management</strong>lehregehörtdasAusweisen<strong>der</strong>dah<strong>in</strong>terstehendennormativen<br />
un<strong>der</strong>kenntnistheoretischenAnnahmenundZielsetzungen.„Voraussetzungfürlang<br />
fristigerfolgreichesFührenistdahere<strong>in</strong>efundierte<strong>Management</strong>Philosophie,welche<br />
dieWertvorstellungenklarlegt,die<strong>der</strong>Tätigkeit<strong>der</strong>FührungskräftewieauchdesUn<br />
ternehmensselbstzugrundeliegen.DieEntwicklunge<strong>in</strong>ertragfähigen<strong>Management</strong><br />
Philosophieistzue<strong>in</strong>erAufgabe<strong>der</strong>Unternehmensführunggeworden,dienurdurch<br />
e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>tensiveAuse<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungmitdengeistigen<strong>St</strong>römungenunsererZeitbewäl<br />
tigtwerdenkann.E<strong>in</strong>e<strong>Management</strong>lehre,diedaraufverzichtet,zudiesenexistentiel<br />
lenFragenzweckorientiertersozialerSystemeAussagenzumachen,klammerte<strong>in</strong>en<br />
Problemkreisdes<strong>Management</strong>svonzentralerBedeutungaus“(Ulrich,2001a,S.145).<br />
95
96<br />
DieArbeitfolgt<strong>der</strong><strong>St</strong>.GallerTradition,wonach<strong>Management</strong>alsGestalten,Lenken<br />
und Entwickeln von sozialen Systemen def<strong>in</strong>iert wird (vgl. Ulrich, 2001, S.182). E<strong>in</strong><br />
Systemzumanagen,bedeutetdiesemDenkennach,e<strong>in</strong>emSystemMöglichkeitenzur<br />
Selbstentwicklung anzubieten. Es bedeutet die Selbstorganisation zu organisieren.<br />
„DenAusdruck‚Lenkung‘verwendenwirimS<strong>in</strong>nedesangelsächsischen‚tocontrol‘,<br />
alsoalsInbegriffallerHandlungen,welcheaufdieErreichunge<strong>in</strong>eszwecko<strong>der</strong>ziel<br />
gerichteten Verhaltens des Gesamtsystems Unternehmung ausgerichtet s<strong>in</strong>d. Die<br />
Lenkungsprozesse bestimmen und kontrollieren die eigentlichen Transformations<br />
prozesseimUnternehmen,durchwelchekonkreteMarktleistungenerzeugtwerden“<br />
(ebd.,S.182).Malikmachtdaraufaufmerksam,dasscontrolimmerwie<strong>der</strong>missver<br />
standenwird.„Esgibte<strong>in</strong>enBegriffvonKontrolle,<strong>der</strong>mitHerrschaftverbundenist,<br />
möglicherweisesogarmite<strong>in</strong>erGewaltausübendenHerrschaft.Darumgehtesnatür<br />
lichnicht,son<strong>der</strong>ndasdeutscheWortKontrolleleiteichabvombritischen‚control‘<br />
unddortheisstesebenregulieren,lenken,steuern.[…],Tocontrol‘heisst<strong>in</strong>diesem<br />
S<strong>in</strong>ne,dassdasSystemnichtausdemRu<strong>der</strong>laufendarf.Dassalsodieselbstorganisie<br />
renden Tendenzen, die Eigendynamik des Systems <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e vom <strong>Management</strong> er<br />
wünschte Richtung und nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e unerwünschte Richtung gehen“ (Malik, 2006,<br />
S.213).<br />
Lenkungwirdmitzunehmen<strong>der</strong>LebensdauerdesSystemszurSelbstlenkung.Control<br />
wirdSelfcontrol.AlsVorbilddient<strong>der</strong>Organismus.„Organismenwerdenvonnieman<br />
demwirklichgemacht;sieentwickelnsich.AuchimsozialenBereichentwickelnsich<br />
spontane Ordnungen, die von niemandem gemacht werden. Sie entstehen zwar<br />
durchdasHandelnvonMenschen,entsprechenabernichtnotwendigerweiseimVor<br />
aus gefassten menschlichen Absichten,Plänen o<strong>der</strong>Zwecksetzungen“ (Malik, 2004,<br />
S.105).Das<strong>Management</strong>e<strong>in</strong>erOrganisationhatsichentsprechendnichtaufdieRe<br />
gelung von Details zu konzentrieren. Im Vor<strong>der</strong>grund steht die Sicherstellung des<br />
langfristigenÜberlebens.Diesgel<strong>in</strong>gtdurchdieBeschäftigungmitdenBedürfnissen<br />
<strong>der</strong>KundenunddendazugehörigenWertschöpfungsmöglichkeiten.Erfolgspotenziale<br />
müssen entdeckt, gepflegt und weiterentwickelt werden (vgl. Malik, 2007; 2008;<br />
Gälweiler,2005).„EsgehtumdieSchaffungundKultivierunge<strong>in</strong>erOrdnung,diedie<br />
Eigenschaftbesitzt,sichselbstzuregenerierenundsoanständigän<strong>der</strong>ndeUmstände<br />
anpassenzukönnen“(Malik,2004,S.239).AlleEmergenzists<strong>in</strong>nlos,wennesnicht<br />
doche<strong>in</strong>enRahmengibt,<strong>der</strong>dieRichtung<strong>der</strong>Entwicklungvorgibt.Selbstorganisation<br />
istaufe<strong>in</strong>eIdentitätangewiesen,diedasSelbstorganisiert.
DiezahlreichenErkenntnisse,dievone<strong>in</strong>erDiszipl<strong>in</strong>o<strong>der</strong>e<strong>in</strong>erInstitutionzumMa<br />
nagement e<strong>in</strong>er Organisation gesammelt werden, können nicht dadurch zu e<strong>in</strong>em<br />
Ganzenzusammengefügtwerden,dassdieErkenntnisseausverschiedenenPerspek<br />
tivenane<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gereihtwerden.NötigistdieIntegration<strong>der</strong>Erkenntnisseaufe<strong>in</strong>er<br />
höherenEbene.„Ichglaubejedoch,dassmandurchblosseAdditiondesSpezialisten<br />
Wissensübere<strong>in</strong>zelneAspekteundFunktionen<strong>der</strong>Führungniezue<strong>in</strong>emwirklichen<br />
Verstehen<strong>der</strong>Probleme<strong>der</strong>Unternehmensführunggelangenwird.Nure<strong>in</strong>ganzheitli<br />
cherAnsatz,<strong>der</strong>dasGanzealsmehralse<strong>in</strong>eSummevone<strong>in</strong>zelnanalysierbarenTeilen<br />
begreift,kannzue<strong>in</strong>erwirklichen<strong>Management</strong>lehreführen.Unternehmungsführung<br />
bedeutetGestaltenundLenkene<strong>in</strong>ergesellschaftlichenInstitution.Unternehmungen<br />
stellennichte<strong>in</strong>eAnsammlungvonMenschenundD<strong>in</strong>gendar,son<strong>der</strong>ns<strong>in</strong>dstruktu<br />
rierte,<strong>in</strong>e<strong>in</strong>ervielgestaltigenUmweltlebensfähigeGanzheiten.IhnendieEigenschaf<br />
ten e<strong>in</strong>es lebensfähigen Systems zu verschaffen und sie aufrechtzuerhalten, für sie<br />
Ziele zu setzen und dafür zu sorgen, dass sie erreicht werden, ist die Aufgabe des<br />
<strong>Management</strong>s.Wissenzuproduzieren,dasdem<strong>Management</strong>hilft,diedabeientste<br />
hendenProblemezulösen,istAufgabe<strong>der</strong><strong>Management</strong>lehre.NichtdasVerhalten<br />
e<strong>in</strong>zelnerMenschen,son<strong>der</strong>ndasVerhaltensozialerSystemeistGegenstand<strong>der</strong>Ma<br />
nagementlehre“ (ebd., S.143). Malik (ebd.) spricht deshalb von <strong>der</strong> Notwendigkeit<br />
e<strong>in</strong>erneuenDiszipl<strong>in</strong>.„DamitverlierenauchdiebisherigenE<strong>in</strong>teilungen<strong>der</strong>Wissen<br />
schaftsdiszipl<strong>in</strong>enihreRelevanz:GestaltenundLenkene<strong>in</strong>esGesamtsystemsistwe<br />
<strong>der</strong>e<strong>in</strong>wirtschaftlichesnoche<strong>in</strong>technischesnoche<strong>in</strong>psychologischesProblem;esist<br />
alleszusammen–abernicht<strong>in</strong>aggregieren<strong>der</strong>Interdiszipl<strong>in</strong>arität,son<strong>der</strong>nalsneue<br />
Diszipl<strong>in</strong>“(ebd.,S.122).<br />
Diese Pr<strong>in</strong>zipien werden häufig missachtet. Untersucht wird e<strong>in</strong>e Organisation, die<br />
sichimluftleerenRaumbef<strong>in</strong>det,diesiche<strong>in</strong>zigumihreigenesWohlundvielleicht<br />
nochumdasWohl<strong>der</strong>Anspruchsgruppenkümmert,dassichf<strong>in</strong>anziellauszahlt.Diese<br />
Sichtgreiftfüre<strong>in</strong>ganzheitliches<strong>Management</strong>zukurz,denndasWohl<strong>der</strong>Organisa<br />
tionistabhängigvomWohl<strong>der</strong>grösserenundkle<strong>in</strong>erenSysteme,mitdenensiever<br />
netzt ist. E<strong>in</strong>e Orientierung am kurzfristigen f<strong>in</strong>anziellen Erfolg verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t, dass die<br />
OrganisationihrelangfristigenErfolgspotenzialereflektiert.„Dochgenauweilese<strong>in</strong>e<br />
<strong>der</strong>art weitreichende soziale Funktion erlangt hat, ist das <strong>Management</strong> mit se<strong>in</strong>er<br />
grössten Herausfor<strong>der</strong>ung konfrontiert: Wem gegenüber ist die Unternehmensfüh<br />
rung verantwortlich? Und wofür ist sie verantwortlich? Worauf beruht ihre Macht?<br />
Woher bezieht sie ihre Legitimation? Hier handelt es sich nicht um wirtschaftliche<br />
97
98<br />
o<strong>der</strong> betriebliche Fragen. Es handelt sich um politische Fragen“ (Drucker, 2005,<br />
S.25f.).Politikund<strong>Management</strong>s<strong>in</strong>ddemnachzwe<strong>in</strong>ichtsosehrverschiedeneD<strong>in</strong><br />
ge.In<strong>der</strong>Politiks<strong>in</strong>desWerte,<strong>in</strong>denMärktens<strong>in</strong>desGüter,diegestaltet,gelenkt<br />
undentwickeltwerden.E<strong>in</strong>weitererUnterschie<strong>der</strong>gibtsichdurchdieunterschiedli<br />
chenMöglichkeitenzurE<strong>in</strong>flussnahme.„Ichwürdesagen,beim<strong>Management</strong>,istes<br />
so,dasssiewahrsche<strong>in</strong>lichmehr<strong>St</strong>ellhebelhaben.SiehabenmehrMöglichkeiten,die<br />
MenschenunddieSystemezubee<strong>in</strong>flussen.Ichglaube<strong>in</strong><strong>der</strong>Politikistdene<strong>in</strong>zelnen<br />
AkteurensehrvielmehrFreiheitsspielraumgegeben.Ichme<strong>in</strong>e,manmussdasmal<br />
konkretsehen.Wennsie<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erUnternehmungangestellts<strong>in</strong>d,danngibtesletztlich<br />
Menschen,dieihnensagen,wassiezutunhaben.Sonstwerdensieentlassen.In<strong>der</strong><br />
PolitikhatdasIndividuumdochvielmehrBewegungsspielraum.Esistme<strong>in</strong>esErach<br />
tensdeshalb<strong>in</strong><strong>der</strong>Politikauchschwierigerzuorganisierenals<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emUnterneh<br />
men. Aber <strong>in</strong> Politik und <strong>Management</strong> geht es darum Wert zu schaffen. Jetzt stellt<br />
sichdieFrage,wasfüre<strong>in</strong>Wertgeschaffenwerdensoll.Wennmanwirklichbeides<br />
untere<strong>in</strong>enBegriffnehmenwill,danngehtesumPublicValue.DieAkteurehaben<br />
gesellschaftlichen Wert zu schaffen. Daran werden sie sich messen lassen müssen.<br />
Dasiste<strong>in</strong>Massstab,<strong>der</strong>imMomentnochnichtsoausgeprägtist,weilmanihnnicht<br />
sokennt“(InterviewPeterGomez,3.Dezember2007;vgl.Meynhardt&Vaut,2007).<br />
Politik und <strong>Management</strong> s<strong>in</strong>d für das Wohl <strong>der</strong> Gesellschaft verantwortlich. Beide<br />
schaffenWertefürdieGesellschaft.„UnserLebensunterhalthängtvon<strong>der</strong>Qualität<br />
<strong>der</strong> Unternehmensführung ab. Und unsere Fähigkeit, zum Wohlergehen <strong>der</strong> Gesell<br />
schaftbeizutragen,hängtnichtnurvonunserenpersönlichenFähigkeiten,unserem<br />
EngagementundunserenAnstrengungenab,son<strong>der</strong>nauchvom<strong>Management</strong>e<strong>in</strong>er<br />
Organisation,fürdiewirtätigs<strong>in</strong>d“(Drucker,2005,S.27).ObersteAufgabe<strong>der</strong>Un<br />
ternehmensführungistdeshalbdasBestimmengesellschaftsdienlicherZwecke.„Um<br />
richtige<strong>in</strong>schätzenzu können,was e<strong>in</strong> Unternehmen ist, müssen wir zunächst ver<br />
stehen, wor<strong>in</strong> se<strong>in</strong> Zweck besteht. Dieser Zweck muss ausserhalb des eigentlichen<br />
Unternehmensliegen.Tatsächlichmusser<strong>in</strong><strong>der</strong>Gesellschaftliegen,dadasUnter<br />
nehmen e<strong>in</strong> Organ <strong>der</strong> Gesellschaft ist. Es gibt nur e<strong>in</strong>e richtige Def<strong>in</strong>ition für den<br />
Zwecke<strong>in</strong>esUnternehmens:Esmusse<strong>in</strong>enKundenf<strong>in</strong>den“(ebd.,S.37).DiesenKun<br />
denmusseszufriedenstellen.FürdiesenKundenmussesWertschaffen.„DerKunde<br />
entscheidetdarüber,wase<strong>in</strong>Unternehmenist.E<strong>in</strong>zigundalle<strong>in</strong>dieBereitschaftdes<br />
Kunden, für e<strong>in</strong> Wirtschaftsgut o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>eDienstleistung zu bezahlen, wandelt wirt<br />
schaftlicheRessourcen<strong>in</strong>Wohlstandum,machtausD<strong>in</strong>genGüter.DerKundekauft
niemalsnure<strong>in</strong>Produkt.Erkauftstetsse<strong>in</strong>enNutzen.WelchenWerterProdukten<br />
o<strong>der</strong> Dienstleistungen beimisst, hängt davon ab, was diese für ihn leisten“ (ebd.,<br />
S.37).DerKundewird<strong>in</strong><strong>der</strong>LogikdieserArbeitdannNutzenempf<strong>in</strong>den,wenndie<br />
konsumiertenundmöglicherweisecoproduziertenLeistungene<strong>in</strong>enBeitragzurBe<br />
friedigungse<strong>in</strong>erBedürfnissestiften.Diesewerden<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emSzenario<strong>der</strong>Ichjagddie<br />
Identitätsarbeitunterstützen.<br />
E<strong>in</strong>Betriebswirtschaftsstudium,dasverschiedenePerspektiven<strong>in</strong>sichvere<strong>in</strong>enwill,<br />
dasgleichzeitigdieSystemebenenIndividuum,OrganisationundGesellschaftunddie<br />
technischen, sozialen und ökonomischen Wechselwirkungen betrachten will, führt<br />
notwendigerweise <strong>in</strong> die Interdiszipl<strong>in</strong>arität. „ ,Interdiszipl<strong>in</strong>arität‘ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em wissen<br />
schaftstheoretischenS<strong>in</strong>neaufgefasst,iste<strong>in</strong>eFormkooperativen,wissenschaftlichen<br />
Handelns <strong>in</strong> Bezug auf geme<strong>in</strong>sam erarbeitete Problemstellungen und Methoden,<br />
welche darauf ausgerichtet ist, durch Zusammenwirken geeigneter Vertreter unter<br />
schiedlicher wissenschaftlicher Diszipl<strong>in</strong>en, das jeweils angemessenste Problemlö<br />
sungspotentialfürgeme<strong>in</strong>sambestimmteZielsetzungenbereitzustellen.E<strong>in</strong>eVielzahl<br />
unterschiedlicherFaktorenund<strong>der</strong>enVerhältniszue<strong>in</strong>an<strong>der</strong>legtdieZusammenarbeit<br />
vonFallzuFallfest“(Balsiger,2005,S.173).E<strong>in</strong>enSchrittweiteralsdieInterdiszipl<strong>in</strong>a<br />
ritätgehtnachBalsiger(ebd.)dieTransdiszipl<strong>in</strong>arität.Siefor<strong>der</strong>tfürdieErarbeitung<br />
<strong>der</strong>ProblemlösungendieZusammenarbeitmitausserwissenschaftlichenVertretern.<br />
„DerfürdieTransdiszipl<strong>in</strong>aritätspezifischeAspekte<strong>in</strong>eswissenschaftlichenProblems<br />
istdanngegeben,wenndiesesProblemimausserwirtschaftlichenBereich(Ökonomie,<br />
Politik,Lebenswelt)entstandenist,dortauchse<strong>in</strong>eLösungalsdr<strong>in</strong>gendempfunden<br />
wird,esdeshalbvon<strong>der</strong>Öffentlichkeitalsrelevante<strong>in</strong>gestuftwirdundüber<strong>in</strong>stituti<br />
onelleWege(Forschungsaufträge,Projektf<strong>in</strong>anzierung)andieWissenschaftherange<br />
tragenwird.Zusätzlichsoll<strong>der</strong>BegriffTransdiszipl<strong>in</strong>aritätauchdannzurAnwendung<br />
gelangen,wenndieWissenschafterkannthat,dassbestimmteEntwicklungenzuge<br />
sellschaftlichrelevantenProblemenführenkönnen,dieÖffentlichkeitsichaberdieser<br />
ProblemhaftigkeitnochnichtbewusstistunddieWissenschaftdeshalbe<strong>in</strong>ebeson<br />
<strong>der</strong>eAufklärungsaufgabeübernimmto<strong>der</strong>übernehmenmöchte“(ebd.,S.185).<br />
Im<strong>Management</strong>istInterdiszipl<strong>in</strong>aritätnötig,weilsich<strong>Management</strong>problemenicht<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen Diszipl<strong>in</strong>, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen <strong>Management</strong>funktion verstauen lassen.<br />
Transdiszipl<strong>in</strong>arität ist im <strong>Management</strong> von Bedeutung, weil zur Lösung von Mana<br />
gementproblemendieZusammenarbeitmit<strong>der</strong>ausserwissenschaftlichenWeltnötig<br />
ist.InterundTransdiszipl<strong>in</strong>aritätwerden<strong>der</strong>Tatsachegerecht,dassdieProbleme,<br />
99
100<br />
diedas<strong>Management</strong>beschäftigt,nicht<strong>der</strong>Theorie,son<strong>der</strong>n<strong>der</strong>alltäglichenPraxis<br />
entspr<strong>in</strong>gen und auch dort gelöst werden. Der E<strong>in</strong>bezug von Nichtwissenschaftlern<br />
kannbei<strong>der</strong>ErarbeitungvonProblemlösungengrossenNutzenstiften.Managerund<br />
<strong>Management</strong>wissenschaftler tragen die Verantwortung, zukünftige Probleme von<br />
Individuum,OrganisationundGesellschaft,dieaufgrundvonMissmanagementent<br />
stehenkönnten,zuantizipierenunddiesemMissmanagementdurchAusundWei<br />
terbildungvorzubeugen.<br />
<br />
5.2. DieÖffnung<strong>der</strong>Organisation<br />
DurchihreAktivierungdr<strong>in</strong>gendieAnspruchsgruppen<strong>in</strong>dasInnereihrerOrganisati<br />
onenvor.SiewerdenzumaktivenBestandteil<strong>der</strong>Organisation.RegulationundEnt<br />
wicklung<strong>der</strong>damitverbundenenBeziehungenwerdenzue<strong>in</strong>erKernaufgabedesMa<br />
nagements.DieGrenzene<strong>in</strong>erOrganisationwerdenrelativ.E<strong>in</strong>seitigeAuswirkungen<br />
werdenvonWechselwirkungenabgelöst.Das<strong>St</strong>arrewirddynamischundnimmte<strong>in</strong>e<br />
flüssigeForman.„Derfüre<strong>in</strong>‚Fliessen‘<strong>der</strong>Organisationcharakteristischepermanen<br />
te Wandel <strong>der</strong> <strong>St</strong>rukturen lässt sich dann als e<strong>in</strong>e zeitliche Abfolge, wie auch das<br />
gleichzeitige Nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, verschiedener organisch ‚strukturierter‘ Subsysteme<br />
beschreiben,die,ausprozessorientierterSichtweise,alsInteraktionssystemeimmer<br />
wie<strong>der</strong>unterschiedliche<strong>St</strong>rukturbil<strong>der</strong>aufweisen.Durche<strong>in</strong>‚Organisieren‘zielgerich<br />
teter Tätigkeiten auf bestimmte (im Kern immer zeitlich begrenzte o<strong>der</strong> bezüglich<br />
e<strong>in</strong>er operationalisiertenZielbestimmung<strong>in</strong>haltlichbegrenzbarer)Aufgabenkomple<br />
xe,könntedas‚Fliessen‘alsProzesse<strong>in</strong>espermanenten‚<strong>St</strong>rukturbildens‘aufgefasst<br />
werden“ (Weber, 1996, S.173). Im Zuge <strong>der</strong> Verflüssigung verliert die Organisation<br />
ihrenObjektstatusundwirdzurTätigkeit,zurDaueraufgabe,zumProzessdesOrgani<br />
sierens(vgl.Weick,1995).<br />
Aus<strong>der</strong>PerspektivedesIndividuumskommteszue<strong>in</strong>emeigentlichenOutsourc<strong>in</strong>g.<br />
TeiledesAlltagswerdenanDritteausgelagert(vgl.Hellmann,2003,S.136).Manlässt<br />
sichentlastenundbefähigen.Esresultierte<strong>in</strong>ezunehmendeAbhängigkeitvonOrga<br />
nisationenundAnspruchsgruppen.MangreiftgegenseitigaufdieRessourcenzu.In<br />
stitutionsökonomischbetrachtet(vgl.Ebers&Gotsch,2006),bildensichHybridorga<br />
nisationenheraus,diesichzwischendenExtremenMarktundOrganisatione<strong>in</strong>nisten<br />
(vgl. Reiss, 2008). „Die obigen Ausführungen lassen bereits erkennen, dass es zwi<br />
schen den beiden Extremformen Markt und Hierarchie e<strong>in</strong> vielfältiges Spektrum an
Zwischenformengibt.Sievere<strong>in</strong>igensowohlElementemarktlicheralsauchhierarchi<br />
101<br />
scherOrganisation[…]DurchihreBerücksichtigungwirdesmöglich,e<strong>in</strong>Kont<strong>in</strong>uum<br />
vonOrganisationsformenzwischendenExtremformen<strong>der</strong>re<strong>in</strong>marktlichenOrganisa<br />
tionmitkurzfristigenSpotmarktKontraktenund<strong>der</strong>re<strong>in</strong>hierarchischenOrganisation<br />
aufBasiszeitlichunbegrenzterArbeitsverträgeaufzuspannen.Diesche<strong>in</strong>bare<strong>in</strong>fache<br />
Wahl zwischen unternehmens<strong>in</strong>terner und unternehmensexterner Erstellung ent<br />
puppt sichdamit als komplexe Optimierungsaufgabe <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es breiten Konti<br />
nuumsvonMöglichkeiten“(Picotetal.,2003.,S.52f.).<br />
Nebendenverän<strong>der</strong>tenRollenvonKundenundMitarbeitendengiltesdasAufbre<br />
chenvonWertschöpfungskettenzubeachten(vgl.Ashkenasetal.,2002).DieGren<br />
zen zu kooperierenden und konkurrierenden Organisationen werden geöffnet, um<br />
geme<strong>in</strong>sammehrKundennutzenzuerarbeiten.DieOrganisationenverschmelzenzu<br />
Netzwerken.„UnternehmensnetzwerkeermöglichenneueArbeitsteilungenzwischen<br />
Unternehmen,Kundennetzwerkeermöglichene<strong>in</strong>eKommunikationzwischenKunden<br />
überUnternehmen,diesichvon<strong>der</strong>unternehmensbestimmtenKommunikationab<br />
löst,neueUnternehmensundKundennetzwerkeermöglichenneueArbeitsteilungen<br />
zwischenKundenundLieferanten“(Biegeretal.,2002,S.3).Diee<strong>in</strong>zelneOrganisati<br />
onkannheuteschwerlichohneKooperationenüberleben.Sieexistiert<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emVer<br />
bundvonNetzwerkpartnern,wobeiAktivitätenausserhalb<strong>der</strong>Kernkompetenzenan<br />
Partnerorganisationen ausgeglie<strong>der</strong>t werden. Die Informations und Kommunikati<br />
onstechnologien forcieren das Zusammenwachsen <strong>der</strong> Organisationen und helfen<br />
traditionelleWertschöpfungsprozesseundBranchengrenzenaufzubrechen(vgl.Bie<br />
ger & Rüegg<strong>St</strong>ürm, 2002; Friedmann, 2008). Nur angedeutet sei hier die Gefahr,<br />
dass, wenn alles zusammenwächst, das System auf höherer Ordnung anfälliger ist.<br />
Kriselt e<strong>in</strong> starker Partner des Netzes, kriselt das ganze System. Dies wird zurzeit<br />
(2008)augenblicklichamBeispiel<strong>der</strong>F<strong>in</strong>anzdienstleistungsbranchevorgeführt.<br />
DieseVerän<strong>der</strong>ungengehennichtspurlosam<strong>Management</strong>vorbei.DieKonzentration<br />
<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Organisationen auf ihre Kernkompetenzen schränkt den Handlungs<br />
spielraum<strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelnenOrganisationerhebliche<strong>in</strong>.DieOrganisationenwerdenvo<br />
ne<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abhängig, und das Organisationsnetzwerk wird zur zu managenden E<strong>in</strong><br />
heit.„DieE<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dungdesUnternehmens<strong>in</strong>Netzwerke,dieGestaltung<strong>der</strong>Transakti<br />
onsbeziehungen<strong>in</strong>nerhalbdesUnternehmensunddieFähigkeitzurInternalisierung<br />
von Netzwerkexternalitäten s<strong>in</strong>d heute wichtige Werttreiber. Entsprechend kann<br />
auchnichtmehrdieUnternehmungAnalysee<strong>in</strong>heitbei<strong>der</strong>Klärung<strong>der</strong>Wertbeschaf
102<br />
fungse<strong>in</strong>.DerAnalyseausschnittmussweitergefasstwerden,wozurelevanteange<br />
botsseitigeundnachfrageseitigeNetzwerkee<strong>in</strong>bezogenwerden“(Biegeretal.,2002,<br />
S.36). Gemanagt wird nicht mehr die e<strong>in</strong>zelne Organisation, gemanagt wird das<br />
Netzwerk.DerErfolgführtüberdas<strong>Management</strong><strong>der</strong>organisationalenBeziehungen.<br />
Man muss Partner auswählen, diese besser kennenlernen, die geme<strong>in</strong>same Bezie<br />
hungdef<strong>in</strong>ieren,diesepflegenundimrichtigenMomenterneuerno<strong>der</strong>beenden(vgl.<br />
Bieger&Rüegg,2002,S.27).Iste<strong>in</strong>eOrganisationaufdieZusammenarbeitmitande<br />
renOrganisationenangewiesen,nehmensowohldieAnzahlalsauchTiefeundNach<br />
haltigkeit<strong>der</strong>e<strong>in</strong>gegangenBeziehungenzu.<br />
Die Organisation im Netzwerk wird durch e<strong>in</strong>zelne Kundenwünsche zum Leben er<br />
weckt(vgl.Bieger,2008).SiewirdzurAnsammlungenvonProjekten.„Andie<strong>St</strong>elle<br />
e<strong>in</strong>es,e<strong>in</strong>eVielzahlpotentiellerAktivitätenumfassenden,zeitlichzunächstnichtnäher<br />
bestimmtenOrganisationsrahmenstrittdann<strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelneKunden bzw.Projektauf<br />
trag“(Weber,2006.,S.175).EsentstehenlatentevirtuelleDienstleistungsnetzwerke<br />
(vgl.Bieger&Beritelli,2006).DieOrganisationiste<strong>in</strong>gespannt<strong>in</strong>e<strong>in</strong><strong>in</strong>terorganisato<br />
rischesProjektnetzwerk.„AusSicht<strong>der</strong>Gesamtorganisationschliessensichverschie<br />
deneUnternehmene<strong>in</strong>es<strong>in</strong>terorganisatorischenFeldesüberihreTeile<strong>in</strong>heiten,wie<br />
z.B.Geschäftsbereicheo<strong>der</strong>eigensgegründeteTochtergesellschaften,zu<strong>in</strong>terorgani<br />
satorischenProjektenzusammen.SiebildendurchihreprojektzielbezogenenInterak<br />
tionene<strong>in</strong>ealsNetzwerkseparatabgrenzbare,temporäreE<strong>in</strong>heitzurLösungkomple<br />
xerProblemstellungen,diedasFähigkeitenspektrume<strong>in</strong>ese<strong>in</strong>zelnenNetzwerkunter<br />
nehmensübersteigenwürde.ImAnschlussandieErreichung<strong>der</strong>vorgängigfestgeleg<br />
ten Projektzielsetzungen lösen sich diese ‚flüchtigen Geme<strong>in</strong>schaften‘ wie<strong>der</strong> auf“<br />
(ebd.,S.197).DieProjektorganisationsetztsichimInnern<strong>der</strong>Organisationfort(vgl.<br />
Weber,1996,S.183).Auch<strong>in</strong>terneTeamswerdennurnochfürdieDauere<strong>in</strong>esPro<br />
jektes<strong>in</strong>sLebengerufen.<br />
„E<strong>in</strong> solchermassen beschreibbares Unternehmen verfügt deshalb nicht mehr über<br />
fest def<strong>in</strong>ierteAbteilungen undentsprechend funktional ausdifferenzierteGrenzen,<br />
son<strong>der</strong>nist<strong>in</strong>ersterL<strong>in</strong>ie‚umWissenherumgebaut‘“(ebd.,S.180).Konkreters<strong>in</strong>d<br />
mit dem Wissen die Kompetenzen geme<strong>in</strong>t, die zur Lösung e<strong>in</strong>es Kundenproblems<br />
notwendig s<strong>in</strong>d. Die Teams zwischen den Organisationen werden je nach Kunden<br />
wunschimmerwie<strong>der</strong>neuzusammengesetzt.Ess<strong>in</strong>ddieaktivenKunden,welchedie<br />
Qualität und die Ausprägung <strong>der</strong> Wertschöpfung bestimmen (ebd., S.180). „Profes<br />
sionelleDienstleistungsunternehmens<strong>in</strong>d<strong>in</strong>ersterL<strong>in</strong>ieproblemzentriertund‚struk
turierensich‘umbzw.<strong>in</strong>Abhängigkeit<strong>der</strong>jeweilsspezifischenKundenprobleme.Da<br />
103<br />
für treten Experten und Führungskräfte <strong>in</strong> direkt projektbasierte Interaktionen mit<br />
denjeweiligenAkteuren<strong>der</strong>Auftraggeber.TemporäreProjektgruppenwerdendem<br />
nachjenachAufgabenspezifikationunddemdamitverbundenennotwendigenProb<br />
lemlösungswissenzusammengestellt.[…]DurchdienurimAusnahmefallidentischen<br />
Aufgabenstellungenergebensichsoimmerwie<strong>der</strong>neue,verän<strong>der</strong>teNetzwerkstruktu<br />
ren.RichtetmandenBlickaufdenProzessdes<strong>St</strong>rukturbildensbzw.diepermanente<br />
Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Vernetzungen, wird deutlich, dass es die Aufbauorganisation <strong>der</strong><br />
fluidenOrganisationnichtgibtundauchnichtgebenkann.ImH<strong>in</strong>blickaufihre‚<strong>St</strong>ruk<br />
turen‘erschienen<strong>der</strong>artigeGebildedannimZeitablaufalsfliessend“(ebd.,S.181).<br />
DieKundenerhaltendadurchdieMöglichkeit,dasVerhalten<strong>der</strong>Mitarbeitendenaus<br />
zuwählen,zuän<strong>der</strong>nundzukontrollieren.Esergibtsiche<strong>in</strong>Lea<strong>der</strong>shipbyCustomers,<br />
bei dem die Kunden die Mitarbeitenden führen (vgl. Maas & Graf, 2004, S.340f.).<br />
Bosshart(2004)sprichtüberdieganzeGesellschaftgesehenvonConsumerDemocra<br />
cy,von<strong>der</strong>Macht<strong>der</strong>Konsumenten.„DasistdasVersprechen,dassdieMenschen<br />
Zugang haben zu e<strong>in</strong>er unglaublichen Vielfalt von Angeboten, dass sie daraus frei<br />
wählenkönnen,daszukaufen,wassiewirklichwollen.[…]ConsumerDemocracyist<br />
e<strong>in</strong>e logische Weiterentwicklung aus <strong>der</strong> politischen Demokratie. Die Grundrechte<br />
s<strong>in</strong>dgegeben,Teile<strong>in</strong>erTraditiongeworden,diemangarnichtmehrzurDiskussion<br />
stellenwill,weilsiesoselbstverständlichgewordenist.DassdieMenschenpolitisch<br />
E<strong>in</strong>flussnehmenkönnenmitihremWahlzettel,istfürsie‚geschenkt‘,impositivem<br />
S<strong>in</strong>negegeben.Siehabenauchgelernt,dassdaswichtigist,abernichtalles.Sies<strong>in</strong>d<br />
kluggenug,diesesRechtzuschätzen.Siewissenaberauch:PolitischeMacht<strong>in</strong>e<strong>in</strong>er<br />
mo<strong>der</strong>nenDemokratieist<strong>in</strong>direkt,relativschwachundvorallemlangsam.DieMen<br />
schenlernenheute,dasssieaufan<strong>der</strong>eWeiseE<strong>in</strong>flussnehmenkönnen,undzwardi<br />
rekt,unmittelbarundmitsofortigerWirkungaufihreigenenLeben.Unddassdiese<br />
Wirkung durchaus auch politischer Natur se<strong>in</strong> kann. In <strong>der</strong> heutigen Consumer De<br />
mocracykönnensiemitihremPortemonnaieo<strong>der</strong>vielmehrmitPlastikgeld,mitihrer<br />
Kreditkarte abstimmen“ (ebd., S.11). Während Bossharts Consumer Democracy auf<br />
<strong>der</strong>Ebenedese<strong>in</strong>zelnenIndividuumsargumentiert,verstehenOll<strong>in</strong>s(2004)undLasn<br />
(2005)dieMacht<strong>der</strong>KundenalssozialeGrösse.DieKundenwerden<strong>in</strong>ihrerGesam<br />
theitzurpolitischenMacht,diedasVerhalten<strong>der</strong>Organisationenbelohneno<strong>der</strong>be<br />
strafenkann.„Wir–dieÖffentlichkeit,dieVerbraucher–müssendaraufachten,wie
104<br />
sichUnternehmenundMarkenverhalten.WirmüssendieGutenmitTreuebelohnen<br />
unddieBösenmitNichtbeachtungstrafen“(Oll<strong>in</strong>s,2004,S.206).<br />
ZurückzurOrganisation<strong>der</strong>Wertschöpfung:DieMacht<strong>der</strong>Netzwerkeerstrecktsich<br />
biszure<strong>in</strong>zelnenMitarbeiter<strong>in</strong>.DasIndividuumwirdzumNetzwerkimNetzwerkim<br />
NetzwerkimNetzwerk.„DerGedanke<strong>der</strong>Netzwerkbildunglässtsichauf<strong>der</strong>unters<br />
ten<strong>St</strong>ufeorganisatorischerBetrachtungsebenenkonkretisierenundrücktdie<strong>in</strong>tera<br />
gierenden ‚Netzwerker‘ <strong>in</strong> denMittelpunkt <strong>der</strong> Betrachtung“ (Weber, 2006, S.200).<br />
DasIndividuumwirdzumletztenBevollmächtigten<strong>der</strong>Organisation.Eserrichtete<strong>in</strong><br />
Selbstmanagement <strong>in</strong>nerhalb sich selbst managen<strong>der</strong> Teams <strong>in</strong>nerhalb sich selbst<br />
managen<strong>der</strong> Organisationen. „In letzter Konsequenzist also <strong>der</strong> jeweilige ‚Netzwer<br />
ker‘se<strong>in</strong>eigener,‚unabhängiger‘Projektleiter,<strong>der</strong>bestimmteTeilprojekteselbständig<br />
akquiriert und eigenverantwortlich, alle<strong>in</strong> o<strong>der</strong> mit an<strong>der</strong>en Akteuren geme<strong>in</strong>sam<br />
durchführt.DieserwirdzurSchlüsselfigurbei<strong>der</strong>Akquisitionunddem<strong>Management</strong><br />
immerneuerProjekte,diesichentwe<strong>der</strong>alskomplexundzeit<strong>in</strong>tensiverweiseno<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong>enDurchführung,als‚molekulareOrganisationen‘,sichaufwenige<strong>St</strong>undeno<strong>der</strong><br />
Tagebeschränken.Durchdienurnochprojektbezogene‚Zugehörigkeit‘zutemporä<br />
ren E<strong>in</strong>heiten werden die Akteure quasi zu ‚Organisationsnomaden‘ “ (ebd., S.200).<br />
Die Nomaden fügen sich dem Zwang zur Selbstverbesserung. Je mehr sie das Spiel<br />
desMarktesmitspielenunddemZwangzurständigenVerbesserunggehorchen,des<br />
tomehrsteigtihrWertaufdemArbeitsmarkt.DieIchunternehmer<strong>in</strong>nenwissen,was<br />
siewerts<strong>in</strong>d.SiehegendasBedürfnis,ihreWertschöpfungdortzuvollstrecken,wo<br />
sievonihrenLüstenundihrerIdentitäth<strong>in</strong>getragenwerden.„AusdieserPerspektive<br />
ergibt sich die Frage, ob e<strong>in</strong>e feste Unternehmenszugehörigkeit für diese Akteure<br />
noche<strong>in</strong>erstrebenswertesZieldarstellt,zumaldann,wennsichdenNetzwerkerndie<br />
Möglichkeit bietet, als Teilzeitkräfte, professionelle Projektmitarbeiter, Spezialisten<br />
fürbestimmteWissensfel<strong>der</strong>o<strong>der</strong>als<strong>in</strong>tegrativtätigeprofessionelleProjektmanager<br />
zuarbeiten“(ebd.,S.201).DiegeschwundeneLoyalität<strong>der</strong>Mitarbeitendenverdeut<br />
lichtdieBedeutungvonFührungsmechanismen,diewiedieorganisationaleIdentität<br />
S<strong>in</strong>n schaffen und den Mitarbeitenden möglichst hohen Freiraum bei <strong>der</strong> Erfüllung<br />
<strong>der</strong>geme<strong>in</strong>samenZielee<strong>in</strong>räumen.<br />
Blickt man <strong>in</strong> die Zukunft, so sche<strong>in</strong>t es durchaus möglich, dass die Organisationen<br />
irgendwannalsOpenSourceOrganisationenvollständigmitihrenGesellschaftenver<br />
schmelzen.DenndieKundenarbeitenfürihreOrganisationen,unddieMitarbeiten<br />
denerbr<strong>in</strong>genihreWertschöpfungdort,wosiewollen.OpenSource–dasbedeutet
105<br />
denAnspruchsgruppenfreienZugangzudenGeheimnissen<strong>der</strong>Organisation,präziser<br />
zu<strong>der</strong>enProduktundProzesscodeszuermöglichen(vgl.OpenSource,2008).„Dieses<br />
Phänomen, bei dem <strong>in</strong> weltweiten Kooperationen qualitativ konkurrenzfähige Soft<br />
wareentwickeltwird,könnte[…]diebisdatogültigeOrdnung<strong>der</strong>westlichenGesell<br />
schaftgrundsätzlich<strong>in</strong>Fragestellen.GrundwertewieEigentum,Erwerbsarbeit,Pro<br />
duktivkräfte,Tauschwerteetc.werdenwomöglichschonbaldzurDispositionstehen<br />
o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest ihren konstitutiven Charakter für die Gesellschaft verlieren“ (Tipp<br />
mann,2007,S.10).Tippmannistnicht<strong>der</strong>E<strong>in</strong>zige,<strong>der</strong>diebestehendeOrdnung<strong>der</strong><br />
Organisationenaufgrund<strong>der</strong>OpenSourceBewegungmitFragezeichenversieht(vgl.<br />
Bergmann,2004).„OpenSource,diefreieSoftwareBewegung,istmehralse<strong>in</strong>ethi<br />
schesPr<strong>in</strong>zip<strong>der</strong>Computerwelt.Eshandeltsichdabeivielmehrumdas<strong>St</strong>rebennach<br />
e<strong>in</strong>erLebensundArbeitsphilosophie,dieGeheimhaltungundProtektionismusüber<br />
flüssigmachtunddieTorezurInnovationweiteraufstösst,alsdiesjezuvormöglich<br />
war“(Rushkoff,2005,S.259).<br />
DieOpenSourceBewegunghatdieKraft,unsereVorstellungendesS<strong>in</strong>nsundZwecks<br />
von Organisationen, unsere Vorstellungen des Zusammenspiels von Organisationen<br />
und ihren Anspruchsgruppen grundlegend zu verän<strong>der</strong>n. „Me<strong>in</strong>er Ansicht nach be<br />
ruhtdieBewegungaufdreiGrundpr<strong>in</strong>zipien,diefürsichgenommenbereitsweitrei<br />
chende Folgen haben: 1. Die Systeme, <strong>in</strong> denen wir leben, s<strong>in</strong>d nicht mehr als von<br />
MenschenersonneneKonstruktionen.2.DieCodesdieserSystemelassensicherlernen<br />
und verän<strong>der</strong>n. 3. Dieser Prozess wird am besten <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit an<strong>der</strong>en<br />
Menschen<strong>in</strong>Angriffgenommen“(ebd.,S.266).DieOpenSourceBewegungwillsich<br />
dieOrganisationenzurückerobern,sievomGew<strong>in</strong>nstrebenbefreienundsiezurBe<br />
friedigung <strong>der</strong> wahren menschlichen Bedürfnisse nutzen. „Unternehmen s<strong>in</strong>d nichts<br />
weiteralse<strong>in</strong>eGruppevonRegeln,dieaufPapiernie<strong>der</strong>gelegtwerden.Aus<strong>der</strong>Open<br />
SourcePerspektives<strong>in</strong>dsowohldasUnternehmenalsauchdasGeld,dasdar<strong>in</strong>steckt,<br />
Software.SiewurdenvonMenschengeschaffen,ausbestimmtenGründenundzube<br />
stimmten Zwecken. Für den Renaissancemenschen von heute stehen beide Punkte<br />
zurDispositionun<strong>der</strong>folgreicheUnternehmenhabensichaufdieserGrundlageneu<br />
formiert“(ebd.,S.269).Unternehmenwerden<strong>in</strong><strong>der</strong>neuenRenaissance(ebd.)zuvöl<br />
ligoffenenSystemen,<strong>in</strong>denensichMenschenzusammenf<strong>in</strong>den,umgeme<strong>in</strong>samdie<br />
jenigenZweckezuerreichen,diesiealle<strong>in</strong>enichtbewältigenkönnen,undnichtum<br />
Geldh<strong>in</strong>undherzuschiebenunddadurchimmerneueundkrassereUngleichgewich<br />
tehervorzubr<strong>in</strong>gen.Ine<strong>in</strong>emsolchenSzenarioverliertdieErwerbsarbeitihrebisheri
106<br />
geLegitimierung(vgl.Bergmann,2004;Rushkoff,2005;Rifk<strong>in</strong>,2005).Anihre<strong>St</strong>elle<br />
trittdieidentitätsunds<strong>in</strong>nstiftendeArbeit,dievone<strong>in</strong>emBürgergeldbegleitetwird.<br />
<br />
5.3. Aufbauvon<strong>St</strong>akehol<strong>der</strong>Kapital<br />
WenndieOrganisationmitihrenAnspruchsgruppenverwächst,dannwird<strong>der</strong>Orga<br />
nisationswertdurchdieInteraktionmitdenmöglichenAnspruchsgruppenbestimmt.<br />
Schmid(2004)wähltdasImage<strong>der</strong>OrganisationalsDeterm<strong>in</strong>antedes<strong>St</strong>akehol<strong>der</strong><br />
Handelns(S.704)unddamitalsGrundlage<strong>der</strong>Interaktion.DerselbeGedankewurde<br />
<strong>in</strong>dieserArbeitmit<strong>der</strong>Term<strong>in</strong>ologie<strong>der</strong>Unternehmensidentitätverfolgt.„DasBild,<br />
dase<strong>in</strong>Individuume<strong>in</strong>erAnspruchsgruppevomUnternehmenhat,wird<strong>in</strong><strong>der</strong>Unter<br />
nehmenskommunikation als ‚Image‘ bezeichnet. Diese englische Übersetzung des<br />
Worts‚Bild‘me<strong>in</strong>tdieGesamtheitvonVorstellungenmitihrenemotionalenNuancen,<br />
das heisst Gefühlen und Assoziationen, die e<strong>in</strong>e Person gegenüber dem Unterneh<br />
menempf<strong>in</strong>det.DarausresultiertdieE<strong>in</strong>stellungdieserPersonzumUnternehmen“<br />
(ebd.,S.704).<br />
Das Image ist ke<strong>in</strong>e statische Grösse. Es verän<strong>der</strong>t sich durch gegenseitige E<strong>in</strong>wir<br />
kung.„DasImageresultiertausdenverschiedenstenE<strong>in</strong>drücken,diedasIndividuum<br />
imLaufe<strong>der</strong>ZeitvomUnternehmenundse<strong>in</strong>enProduktenempfängt,alsInformatio<br />
nen,Werbung,Medienkampagnen,Verkaufsgesprächenusw.,aberauchauseigenen<br />
Erfahrungen mit dem Unternehmen und se<strong>in</strong>en Produkten. Der weltanschauliche<br />
Kontext, die politische o<strong>der</strong> soziale Ausrichtung sowie das persönliche und soziale<br />
Umfeld bestimmenebensodasImage.DasImageistdahere<strong>in</strong>lebendigesBild,e<strong>in</strong><br />
Ganzes,das<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emlebendigenMenschenlebtunddurchse<strong>in</strong>ePersönlichkeit,sei<br />
neEmotionenundse<strong>in</strong>eZielegeprägtwirdundumgekehrtse<strong>in</strong>DenkenundEmpf<strong>in</strong><br />
denlenkt.DieErfahrungen,diee<strong>in</strong>MenschmitdemUnternehmenundse<strong>in</strong>enPro<br />
duktensowiemit<strong>der</strong>InformationüberdasUnternehmenerhält,seienesgeplante<br />
o<strong>der</strong>ungeplante,symbolischeo<strong>der</strong>solche<strong>in</strong>FormvonGesten(Verhalten,Auftreten<br />
usw.),seienesInputs,dieerausse<strong>in</strong>emUmkreis,ausMedienundPolitiko<strong>der</strong>von<br />
denKonkurrentenerfährtusw.Dieserganze<strong>St</strong>romvonErfahrungenundInformatio<br />
nenbestimmt das<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emIndividuumgebildeteImageundverän<strong>der</strong>teslaufend“<br />
(S.704).<br />
DieFormierungdesImagesf<strong>in</strong>det<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emsozialenKontextstatt.„Das,wasdiean<br />
<strong>der</strong>n über das Unternehmen denken, sozusagen das kollektive Image, das die Ge
107<br />
me<strong>in</strong>schaftübere<strong>in</strong>Unternehmengew<strong>in</strong>nt,bildetdieGrundlagefüre<strong>in</strong>eReputation.<br />
Dasbedeutet:DieMe<strong>in</strong>ungübere<strong>in</strong>Unternehmeno<strong>der</strong>das,was‚man‘vomUnter<br />
nehmenhält.WährendImagealsodasbezeichnet,wasichvomUnternehmendenke,<br />
istReputationdas,was‚man‘(dieGruppe,dieAn<strong>der</strong>en)vomUnternehmendenken“<br />
(ebd., S.705). Image und Reputation <strong>in</strong>teragieren mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> und bee<strong>in</strong>flussen<br />
massgeblichdasVerhalten<strong>der</strong>Individuen<strong>in</strong>ihrenunterschiedlichenAnspruchsgrup<br />
penrollen.„AlsDeterm<strong>in</strong>antendes<strong>St</strong>akehol<strong>der</strong>HandelnsweisenImageundReputa<br />
tione<strong>in</strong>erUnternehmunge<strong>in</strong>enökonomischenWertauf:Imagess<strong>in</strong>de<strong>in</strong>kommens<br />
wirksamundhabendaherKapitalcharakter.DieGesamtheitaller<strong>St</strong>akehol<strong>der</strong>Images<br />
lässt sich als ‚<strong>St</strong>akehol<strong>der</strong> Capital‘ e<strong>in</strong>er Unternehmung auffassen. Der Wert dieses<br />
KapitalskanndurchdieSumme<strong>der</strong>erwarteten,diskontierten,durchdieRessourcen<br />
ermöglichten E<strong>in</strong>kommensströme bzw. <strong>der</strong>en Mehrung o<strong>der</strong> M<strong>in</strong><strong>der</strong>ung bestimmt<br />
werden“(Schmid&Lyczek,2006,S.91).DasKondensatdiesesKapitalsistdieMarke.<br />
Auf physischen Produkten wird sie durch e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Symbol, bei Dienstleistungen<br />
durchdasVerhalten<strong>der</strong>Mitarbeitendensichtbar.<br />
Das Verwachsen <strong>der</strong> Organisation ist managementtheoretisch o<strong>der</strong> management<br />
technischke<strong>in</strong>Selbstläufer.DurchdieIntegration<strong>der</strong>Anspruchsgruppensteigertsich<br />
dieKomplexität<strong>der</strong>Aufgabe<strong>Management</strong>.DieKomplexitätnimmte<strong>in</strong>sohohesMass<br />
an,dassh<strong>in</strong>terdieBeherrschbarkeit<strong>der</strong>Umweltundh<strong>in</strong>terdieWirksamkeitdesMa<br />
nagementse<strong>in</strong>grossesFragezeichengesetztwerdenmuss.„Dieexponentiellgewach<br />
seneKomplexitätunddiedamitverbundeneDynamik<strong>der</strong>Systemeführenunsandie<br />
GrenzenihrerBeherrschbarkeitheran.Durche<strong>in</strong>eÖffnungnachaussenwienach<strong>in</strong><br />
nen,diean<strong>der</strong>sartigestrategischeÜberlegungen,strukturelleGestaltungsmusterund<br />
e<strong>in</strong>eauflernendeAnpassungausgerichteteEntwicklungvonUnternehmenskulturen<br />
erfor<strong>der</strong>t,wird<strong>der</strong>zeitversucht,dieseGrenzenzuüberw<strong>in</strong>den“(Bleicher,1993,S.71).<br />
DasZaubermittelzurÜberw<strong>in</strong>dungvonKomplexitätliegtimInnern<strong>der</strong>Organisation<br />
verborgen.AnstattnurdieäussereKomplexitätzureduzieren,mussauchdie<strong>in</strong>nere<br />
Komplexitäte<strong>in</strong>erOrganisationerhöhtwerden.WenngestiegeneKomplexitätbewäl<br />
tigt werden soll, müssen auch die Bewältigungsstrategien komplexer werden. „Das<br />
ZielbeimUmgangmitkomplexenSystemenmussalso<strong>der</strong>Aufbau<strong>der</strong>Fähigkeitse<strong>in</strong>,<br />
übere<strong>in</strong>enmöglichstgleichhohenVerhaltensspielraumzuverfügen,wiedasjeweils<br />
zubee<strong>in</strong>flussendeUmsystem“(Weber,1996,S.52).DieArbeitglaubt<strong>in</strong><strong>der</strong>organisa<br />
tionalenIdentitätsarbeite<strong>in</strong>eAntwortaufdieseHerausfor<strong>der</strong>ungengefundenzuha<br />
ben.
108<br />
DieGrenzenzudenAnspruchsgruppenrelativierensichundverwandelnsich<strong>in</strong>Be<br />
ziehungen mit wechselseitigen Auswirkungen. Beziehungen werden e<strong>in</strong>gegangen,<br />
wennsiee<strong>in</strong>Bedürfnisbefriedigen,wennsiee<strong>in</strong>enNutzenstiften,wennsie<strong>der</strong>Iden<br />
titätsarbeitdienlichs<strong>in</strong>d.Siewerdenaufgebrochen,wenndieLustvergangenist,<strong>der</strong><br />
Nutzennichtmehrerkanntwird,dieZufriedenheitabgenommenhato<strong>der</strong>dieKosten<br />
den Nutzen überschreiten. Durch die schnell und häufig wechselnden Beziehungen<br />
zwischen <strong>der</strong> Organisation und ihren Anspruchsgruppen geht die klare Abgrenzung<br />
<strong>der</strong>Organisationzuihrer Umwelt verloren. Die Umwelt wirdTeil<strong>der</strong> Organisation.<br />
DieOrganisationwirdTeil<strong>der</strong>Umwelt.„Mit<strong>der</strong>zunehmendenÖffnungdesUnter<br />
nehmensundse<strong>in</strong>erstärkerenE<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<strong>in</strong>grenzüberschreitendeNetzwerkeverlie<br />
ren sich die sachlichen und sozialen Konturen des Systems“ (Bleicher, 1993, S.71).<br />
Bleicher (ebd.) konkretisiert den Verlust <strong>der</strong> Konturen als problematisch werdende<br />
Identifikation<strong>der</strong>AnspruchsgruppenmitdemoffenenUnternehmen(S.71f.).Dieses<br />
Problem sche<strong>in</strong>t naheliegend, führt doch das Verwachsen <strong>der</strong> Organisationen tat<br />
sächlichzuSystemsystemen,diesichumgewisseWertschöpfungsbereiche,dasheisst<br />
um gewisse Kundenbedürfnisse gruppieren, bei denen die Grenzen zu den Ans<br />
pruchsgruppen zwecks optimaler Leistungserstellung eher latent denn fix s<strong>in</strong>d.<br />
Gleichzeitigverpflichtensichdiee<strong>in</strong>zelnenIndividuennichtmehrlebenslänglichfür<br />
bestimmte <strong>St</strong>akehol<strong>der</strong>Rollen bei bestimmten Organisationen. Das Individuum<br />
macht, was es will. Wenn die Mitgliedschaft des Arbeitnehmers als langfristig be<br />
zeichnetwerdenkann,danns<strong>in</strong>ddieKundenbeziehungenhöchstensmittelfristigsta<br />
bil.Amextremstens<strong>in</strong>ddief<strong>in</strong>anziellenBeziehungen,dieaufdenglobalenundzeit<br />
echtenF<strong>in</strong>anzmärkten<strong>in</strong>nerhalbvonSekundenaufgebrochenwerden.<br />
AufdieBedeutung<strong>der</strong>InteraktionverweistauchHellmann(2005,S.88).Kommunika<br />
tionlöstdiePersönlichkeitalsdrittesParadigma<strong>der</strong>Markenführungab.Diesmacht<br />
deutlich,dassorganisationaleIdentitätennichtdurchE<strong>in</strong>bahnstrassenRegiegeführt<br />
werden.DieMarkenlösensichvonihrenProduktenund<strong>in</strong>teragierenals<strong>St</strong>ellvertre<br />
ter <strong>der</strong> Organisation mit ihren Anspruchsgruppen. „Damit ist die Marke aber völlig<br />
abgelöst vom Produkt, eben ‚Metaprodukt‘ d.h. re<strong>in</strong>e Kommunikation ohne Beimi<br />
schung von Produkteigenschaften“ (ebd., S.98). Marken o<strong>der</strong> eben organisationale<br />
IdentitätenentstehendurchdasVerhalten<strong>der</strong>Anspruchsgruppen.DiesesVerhalten<br />
entspr<strong>in</strong>gt <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellen Identitätsarbeit, die e<strong>in</strong>e konsistente Selbsterzählung<br />
zumZielhat.DieIdentitäten<strong>der</strong>an<strong>der</strong>endienenalsHilfsmittel,umdieseErzählungen<br />
zuformen.„Dah<strong>in</strong>terstehtdieÜberlegung,dassProdukteundMarkenmehrdennje
109<br />
die zentralen Bedeutungsträger zur Selbstverortung und Abgrenzung nach aussen<br />
s<strong>in</strong>d“(ebd.,S.101).Diesgiltunabhängigdavon,obessichbeimSystemume<strong>in</strong>Indivi<br />
duumo<strong>der</strong>e<strong>in</strong>eOrganisationhandelt.<br />
<br />
5.4. <strong>Management</strong>modell 21 <br />
DiebisherigenÜberlegungenwerdenjetzt<strong>in</strong>e<strong>in</strong>Modellübergeführt.Diesessolldas<br />
Gedachte zusammenfassen und Orientierung bei <strong>der</strong> Entwicklung des Curriculums<br />
liefern.DasModellentspr<strong>in</strong>gtpersönlichenGedanken,die<strong>in</strong>denbisherigenKapiteln<br />
dokumentiert werden. Es wi<strong>der</strong>spricht <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung, wissenschaftliche Modelle<br />
durchempirischeDatenherzuleiten.<br />
Das vorgestellte <strong>Management</strong>modell 21 will dem Verwachsen <strong>der</strong> Organisation mit<br />
ihrer Umwelt gerecht werden. Die zu managende Organisation ist e<strong>in</strong>gebunden <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>eUmwelt,dievollerSystemebesteht.ImZuge<strong>der</strong>Individualisierungbestehendie<br />
BauelementedieserSystemeausichjagendenIndividuen.DieMenschenbr<strong>in</strong>gendie<br />
OrganisationdurchdasE<strong>in</strong>nehmen<strong>der</strong>verschiedenenAnspruchsgruppenrollenüber<br />
hauptersthervor.DieOrganisation–dasistdasZusammenspiel<strong>der</strong>Lenkungse<strong>in</strong>flüs<br />
sevonKunden,Mitarbeitenden,Partnerorganisationen,Kapitalgebern,Konkurrenten<br />
unddem<strong>St</strong>aataufdieorganisationaleTransformationvonRessourcen<strong>in</strong>Nutzen.Die<br />
Organisation–dasistdasErgebnis<strong>der</strong>IdentitätsarbeitallerihrerAnspruchsgruppen.<br />
DieOrganisationistgleichzeitigTeilvongrösserenSystemen,für<strong>der</strong>enWohlsiever<br />
antwortlichist.WenndieSystemekollabieren,<strong>in</strong>diee<strong>in</strong>eOrganisatione<strong>in</strong>gebunden<br />
ist,dannkollabiertfrühero<strong>der</strong>späterauchdieOrganisation.Angestrebtwirddeshalb<br />
e<strong>in</strong>e Erweiterung des Erkenntnisobjektes <strong>der</strong> Betriebswirtschaftslehre. Zum Mana<br />
gemente<strong>in</strong>erOrganisationgehörtdasGestalten,LenkenundEntwickelnvonOrgani<br />
sationsnetzwerkenunddesWohls<strong>der</strong>Gesellschaft.DieOrganisationbeziehtihreLe<br />
gitimation aus den Problemen <strong>der</strong> grösseren Systeme. Alle organisationale Wert<br />
schöpfunglässtsichamEndeaufe<strong>in</strong>gesellschaftlichesProblemzurückführen,zudem<br />
dieOrganisationdirekto<strong>der</strong><strong>in</strong>direkte<strong>in</strong>enLösungsbeitragstiftet.H<strong>in</strong>terdemMana<br />
gementmodell 21 verbergensichimUnterschiedzurstereotypenkapitalistischenWirt<br />
schaft an<strong>der</strong>e Ziele und damit an<strong>der</strong>e Wertvorstellungen (vgl. Butterwegge et al.,<br />
2007).Eswirddeshalbe<strong>in</strong>verän<strong>der</strong>tesMaximierungsproblemvorgeschlagen.Durch<br />
das <strong>Management</strong> sollen die Systeme Individuum, Organisation und Gesellschaft<br />
gleichzeitig gestaltet, gelenkt und entwickelt werden. Nicht mehr fremdbestimmte
110<br />
Optimierung, son<strong>der</strong>n Selbstorganisation und das langfristige Überleben stehen im<br />
Vor<strong>der</strong>grund.Diesgel<strong>in</strong>gtbeie<strong>in</strong>emBekenntniszurSelbstorganisationdurchdieUn<br />
terstützung<strong>der</strong>IdentitätsarbeitdieserSysteme.DabeigehteswenigerumMaximie<br />
rung,dennumgleichzeitigeundgeme<strong>in</strong>sameEntfaltung.DieseVorgängekönnennur<br />
qualitativbeurteiltwerden.<br />
DieOrganisationleistete<strong>in</strong>enBeitrag,durchdendasWohl<strong>der</strong>Gesellschaftgemanagt<br />
wird (vgl. Drucker, 2005). Wenn es e<strong>in</strong>er Gesellschaft gut geht, dann ist die Wahr<br />
sche<strong>in</strong>lichkeithoch,dassesauchihrenOrganisationenundIndividuengutgeht.Das<br />
Wohl e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zigen Individuums, e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen Organisation sagt dagegen wenig<br />
überdenGesundheitszustande<strong>in</strong>erGesellschaftaus(vgl.Malik,2007,S.52).An<strong>der</strong>s<br />
betrachtets<strong>in</strong>ddannauchdieMissstände<strong>in</strong>unsererGesellschaftaufmangelhaftes<br />
<strong>Management</strong> abzuschieben. „Die wirklich gewichtigen Probleme, die die Manager<br />
heutezulösenhaben,s<strong>in</strong>dnicht<strong>in</strong>dentechnologischeno<strong>der</strong>politischenEntwicklun<br />
genundnichtausserhalbdes<strong>Management</strong>sunddesUnternehmenszusuchen.Viel<br />
mehrhabendieseProblemeihreWurzelimErfolgdes<strong>Management</strong>s“(Drucker,2005,<br />
S.19). Gesellschaftliche Probleme entstehen, weil die Menschen schlecht managen.<br />
Im <strong>Management</strong>modell 21 werden deshalb gesellschaftliche Problem zentriert. Das<br />
ModellfolgtDrucker(2005),<strong>der</strong>gesellschaftlicheProblemezumAusgangspunktor<br />
ganisationaler Wertschöpfung erklärt. „Die bedeutsamsten Gelegenheiten zur Um<br />
wandlung gesellschaftlicher Probleme <strong>in</strong> wirtschaftliche Möglichkeiten liegen daher<br />
unterUmständennicht<strong>in</strong>neuenTechnologien,neuenProduktenundneuenDienst<br />
leistungen.Möglicherweiseliegensie<strong>in</strong><strong>der</strong>Lösunge<strong>in</strong>esgesellschaftlichenProblems,<br />
dasheisst<strong>in</strong><strong>der</strong>gesellschaftlichenInnovation,dieanschliessenddemUnternehmen<br />
o<strong>der</strong><strong>der</strong>Branchedirektsowie<strong>in</strong>direktzugutekommt“(ebd.,S.7).<br />
DieimModellzentriertengesellschaftlichenProblemehaben,angelehntandieUm<br />
weltim<strong>St</strong>.Galler<strong>Management</strong>modell,soziologische,ökologische,ökonomischeund<br />
technologische Problemkomponenten. Als aktuelle Beispiele können das Gesund<br />
heitswesen,dieKreditkrise,dieausgehendenRessourcen,<strong>der</strong>Klimawandel,dieAlte<br />
rung<strong>der</strong>Gesellschaft,dieKluftzwischenArmundReich,dieIntegrationvonAuslän<br />
<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> die persönliche Sicherheit genannt werden (vgl. gfs, 2006; Credit Suisse,<br />
2007). Dies alles s<strong>in</strong>d Probleme, die e<strong>in</strong>e Gesellschaft als Ganzes betreffen. Sie<br />
schwächendasWohldesKollektivsunddasWohlse<strong>in</strong>ere<strong>in</strong>zelnenMitglie<strong>der</strong>.Ess<strong>in</strong>d<br />
Probleme,diesich<strong>in</strong><strong>der</strong>Wahrnehmung<strong>der</strong>BefragtendurchhoheBetroffenheitund<br />
Dr<strong>in</strong>glichkeitauszeichnen.
Abb.1:<strong>Management</strong>modell 21 <br />
<br />
111<br />
Ause<strong>in</strong>erkulturwissenschaftlichenPerspektivesche<strong>in</strong>tesnötig,daraufaufmerksam<br />
zumachen,dassdiegesellschaftlichenProbleme<strong>in</strong>gesellschaftlichenDiskursenher<br />
vorgebrachtundnichtvone<strong>in</strong>erhöherenInstanzvorgeschriebenwerden.„Siesagen,<br />
esgibtdieseProblembereicheundesgibtdenMenschenbereichunddieses<strong>in</strong>d<strong>in</strong>ir<br />
gende<strong>in</strong>erFormaufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>bezogen.Jetztkannundmüsstemanaberause<strong>in</strong>erkul<br />
turwissenschaftlichen Sicht sagen, dass das, was diesen Quellbereich zum Kollektiv<br />
formt,jageradedieAuse<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungmitdiesentechnischen,sozialenundsowei<br />
terProblemenist.Dasheisst,wirhabene<strong>in</strong>dialektischesVerhältnis“(InterviewUlrike<br />
Landfester,3.September2007).ProblemeundGesellschaftwirkengegenseitigauf<br />
e<strong>in</strong>an<strong>der</strong>e<strong>in</strong>.Jenachdem,welcheProblemee<strong>in</strong>eGesellschaftalswichtigo<strong>der</strong>dr<strong>in</strong>g
112<br />
lichtaxiert,werdendieIndividuenetwasan<strong>der</strong>esals„Gesellschaft“wahrnehmen.Je<br />
nach Selbstverständnis wird e<strong>in</strong>e Gesellschaft an<strong>der</strong>e Probleme als ihre Probleme<br />
benennen. Durch die Def<strong>in</strong>ition <strong>der</strong> gesellschaftlichen Probleme formiert sich die<br />
Identitäte<strong>in</strong>erGesellschaft.Manist,woruntermanleidet.Manist,worüberdieMe<br />
dienberichten.Manist,worüberdiePolitikerdebattieren.Manist,wofürdieOrgani<br />
sationenreliev<strong>in</strong>gundenabl<strong>in</strong>gLeistungenanbieten.Manist,wofürmanarbeitet.<br />
DieProblemerepräsentierendieorganisationaleUmwelt,wiemansieausdenoffi<br />
ziellenVersionendes<strong>St</strong>.Galler<strong>Management</strong>modellskennt.Dortwurdendiegesell<br />
schaftlichen Probleme als Kontext <strong>der</strong> organisationalen Wertschöpfung aufgefasst<br />
(vgl.Rüegg<strong>St</strong>ürm,2004).DieReihenfolge<strong>der</strong>Modellbauste<strong>in</strong>ewirdimhierpräsen<br />
tiertenModellumgekehrt.Manblicktnichtmehrvon<strong>der</strong>Organisationzudengesell<br />
schaftlichenProblemen.ManblicktvondengesellschaftlichenProblemenzudenOr<br />
ganisationen. Die gewählte Reihenfolge verdeutlicht, dass die Organisation nicht <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Vakuum operiert. Die Organisation setzt sich aus e<strong>in</strong>er Fülle von Individuen<br />
zusammen,welchedieOrganisationwie<strong>der</strong>um<strong>in</strong>e<strong>in</strong>NetzwerkvonAnspruchsgrup<br />
pen verweben. Die Individuen s<strong>in</strong>d die Elemente e<strong>in</strong>er Gesellschaft, die durch ihre<br />
Problemeimmer<strong>in</strong>Bewegungundauf<strong>der</strong>Suchenache<strong>in</strong>emneuenGleichgewicht<br />
ist.DieseProblemebildendenKontext<strong>der</strong>organisationalenTätigkeit.DieAnspruchs<br />
gruppen agieren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er technologischen, e<strong>in</strong>er ökonomischen, e<strong>in</strong>er sozialen und<br />
e<strong>in</strong>er ökologischen Umwelt. Das Modell ist e<strong>in</strong>gebettet <strong>in</strong> den gesellschaftlichen<br />
Wandel. Es handelt sich um die sozialen Transformationskräfte, die Ursprung und<br />
Triebkraft<strong>der</strong>Verän<strong>der</strong>ungendes<strong>Management</strong>s,se<strong>in</strong>erModelleundVorstellungen<br />
s<strong>in</strong>d(vgl.Gross,2003).<br />
DieKräfte<strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>umhüllendasgesamteModell.Sieverän<strong>der</strong>n<br />
stetigdas,waswiralsunsereWirklichkeiterleben.Sieverän<strong>der</strong>nstetig,waswiruns<br />
unter Organisationen und <strong>Management</strong> vorstellen. Sie verän<strong>der</strong>n stetig die Bed<strong>in</strong><br />
gungen,unterdenenIndividuum,OrganisationundGesellschaftanihrenIdentitäten<br />
arbeiten.DieUmhüllungentsprichte<strong>in</strong>erFor<strong>der</strong>ungvonPeterGross,dieimRahmen<br />
<strong>der</strong>InterviewsfürdieDissertationaufgetauchtist.„Nagut,ichhabemichnatürlich<br />
beidiesem[neuen<strong>St</strong>.Galler<strong>Management</strong>]Modellimmergefragt,wodadieGesell<br />
schaft ist, die da als äusserster Rahmen angesetzt wird. Was ist die soziale Sphäre<br />
eigentlich?Ichpersönlichhättebei<strong>der</strong>Umweltsphäreganzpr<strong>in</strong>zipiellmit<strong>der</strong>Überle<br />
gunge<strong>in</strong>gesetzt,wasfürParameterdiemo<strong>der</strong>neGesellschaftausmachen,etwamit<br />
diesen Treibern, wie <strong>der</strong> Autonomisierung bei <strong>der</strong> Renaissance, dann die Optionie
113<br />
rung,danndieEnttraditionalisierung.AlleInstitutionen<strong>der</strong>Gesellschaftundauchdie<br />
Organisationens<strong>in</strong>dh<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gedacht<strong>in</strong>e<strong>in</strong>eDynamik,<strong>in</strong><strong>der</strong>siesichentsprechendver<br />
än<strong>der</strong>n.Mankannallesnehmenundwiee<strong>in</strong>enBlock<strong>in</strong>dieseDynamikh<strong>in</strong>e<strong>in</strong>tauchen<br />
und sich fragen, was jetzt <strong>in</strong> dieser Dynamik <strong>der</strong> Gesellschaft damit geschieht. Ich<br />
würde sogar bis zu e<strong>in</strong>em gewissen Grade reklamieren, dass die gesellschaftlichen<br />
Verän<strong>der</strong>ungen,dieVerän<strong>der</strong>ung<strong>der</strong>WeltanschauungendiegrundlegendenVerän<br />
<strong>der</strong>ungens<strong>in</strong>d.DassdiewirtschaftlichenVerän<strong>der</strong>ungenwohldieTreibers<strong>in</strong>d,aber<br />
schliesslich<strong>der</strong>MarktunddiePolitikAblegeretwa<strong>der</strong>neuartigenVorstellungen<strong>der</strong><br />
Autonomie des Subjektes <strong>in</strong> <strong>der</strong> Renaissance s<strong>in</strong>d“ (Interview Peter Gross, 17. Juli<br />
2007).<br />
Das Modell setzt sich mit den <strong>Management</strong>problemen verschiedener Systeme aus<br />
e<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.Gestaltet,gelenktundentwickeltwirddasWohldesIndividuums,<strong>der</strong>Or<br />
ganisation,desOrganisationsnetzwerks,<strong>der</strong>Geme<strong>in</strong>schaftund<strong>der</strong>Gesellschaft.Die<br />
Systemebenenf<strong>in</strong>densichimModellwie<strong>der</strong>,wobeidenIndividuendiedom<strong>in</strong>ierende<br />
Rollezugesprochenwird.ImZuge<strong>der</strong>Individualisierunghabensichdiegesellschaftli<br />
chenSystemesoweitausdifferenziert,dassdasSystemIndividuumallean<strong>der</strong>enSys<br />
temeüberlagert.Entobligationierung,OptionierungundIndividualisierunglassenOp<br />
tionen<strong>in</strong>Optionen<strong>in</strong>Optionenzerfallen,lassene<strong>in</strong>System<strong>in</strong>Teilsysteme<strong>in</strong>Teilteil<br />
systemeverfallen.EsistdasIndividuum,dasdurchmühseligeIdentitätsarbeitdiese<br />
Optionenwie<strong>der</strong>zue<strong>in</strong>emGanzenzusammenfügenmuss.DasIndividuumwirdgra<br />
fischsozentriert,<strong>in</strong>demesdieletzte,diekle<strong>in</strong>steAnalysee<strong>in</strong>heitdesModellsbildet.<br />
AlssolcheswirdeszurGrundlage<strong>der</strong>Modellierung<strong>der</strong>verschiedenenOptimierungs<br />
probleme,zumgrafischenRohstoffdesModells.DieIndividuenstehenumdiegesell<br />
schaftlichenProbleme,weilsiesiegeme<strong>in</strong>samdef<strong>in</strong>ieren.Siestehenumdiegesell<br />
schaftlichenProbleme,weilsiesiegeme<strong>in</strong>samlösen.SiebildendenNährbodenund<br />
dieSubstanz<strong>der</strong>organisationalenWertschöpfung.SiebildendenNährbodenunddie<br />
Substanz<strong>der</strong>Aktivitäten<strong>der</strong>Anspruchsgruppen.Sies<strong>in</strong>ddieAnspruchsgruppen.Sie<br />
s<strong>in</strong>ddieOrganisationen.Sies<strong>in</strong>ddieGesellschaft.<br />
DasIndividuumistnichtTeile<strong>in</strong>ere<strong>in</strong>zigenOrganisation.DieKräfte<strong>der</strong>Multioptions<br />
gesellschaftdifferenzierendiegesellschaftlicheSysteme<strong>in</strong>kle<strong>in</strong>eSpezialsystemeaus.<br />
DieSystememüssensichaufihreKernkompetenzenkonzentrieren,umimGewirr<strong>der</strong><br />
OptionenihrenPlatzbehauptenzukönnen.FürdasIndividuumgiltesdurchdieTeil<br />
habeanverschiedenenSystemense<strong>in</strong>Lebenzumanagen.Durchse<strong>in</strong>eaktivenund<br />
passivenRessourcenzugriffewirdesBestandteile<strong>in</strong>erFüllevonOrganisationen.BeiA
114<br />
geheicharbeiten,beiBe<strong>in</strong>kaufen,Cverwaltetme<strong>in</strong>Geld,fürDhabeiche<strong>in</strong>ePetition<br />
unterschrieben,Ebesorgtme<strong>in</strong>eKommunikation,Fme<strong>in</strong>evirtuelleSexualität,Glässt<br />
se<strong>in</strong>eAbfälle<strong>in</strong>me<strong>in</strong>Tr<strong>in</strong>kwasserlaufen,Hist<strong>der</strong>Konkurrentme<strong>in</strong>esArbeitgebers<br />
undsoweiterundsofort.DurchdiesesZusammenspielformtdasIndividuumse<strong>in</strong>e<br />
Identität,se<strong>in</strong>eselbstbestimmteE<strong>in</strong>zigartigkeit.DasVerhalten<strong>der</strong>Organisationent<br />
sprichtdazugehörigdemZusammenspiel<strong>der</strong>vondenverschiedenenAnspruchsgrup<br />
pen ausgelösten Lenkungsbemühungen. Geme<strong>in</strong>sam leisten sie die organisationale<br />
Identitätsarbeit.DieIndividuen,diesichzusammenschliessen,umgeme<strong>in</strong>same<strong>in</strong>en<br />
Zweckzuerreichen,br<strong>in</strong>gendieKulture<strong>in</strong>erOrganisationhervor.E<strong>in</strong>eOrganisation<br />
bestehtdieserAnsichtnachausdemZusammenspiel<strong>der</strong>Menschen,diegeme<strong>in</strong>sam<br />
e<strong>in</strong>enZweckverfolgen.DieserZweckkannimdirektenLösene<strong>in</strong>esgesellschaftlichen<br />
Problemsliegen.Erkann<strong>in</strong><strong>der</strong>Verfolgungre<strong>in</strong>ökonomischerZweckeliegen.Diever<br />
schiedenen Anspruchsgruppen werden durch die Identität e<strong>in</strong>er Organisation zu<br />
sammengehalten,diesichfortlaufendausdemgegenseitigenRessourcenzugriff,aus<br />
denwechselseitigenAbhängigkeitenformiert.<br />
Zumanagens<strong>in</strong>dvone<strong>in</strong>erOrganisationdemnachvorallemdieBeziehungenzuihren<br />
Anspruchsgruppen.Grundlagediesere<strong>in</strong>gegangenenBeziehungenbildetdieIdentität<br />
<strong>der</strong>Organisation.Siebee<strong>in</strong>flusst,weralleszurzumanagendenOrganisationgehört.<br />
Siekoord<strong>in</strong>iertdieBeiträgezurGestaltung,LenkungundEntwicklung<strong>der</strong>Wertschöp<br />
fung. Die Organisation ist durch die gegenseitigen Ressourcenzugriffe so mit ihren<br />
Anspruchsgruppenverwachsen,dasssienichtmehrvonihnengetrenntwerdenkann.<br />
OrganisationundUmweltbildene<strong>in</strong>Ganzes.Dieprom<strong>in</strong>ente<strong>St</strong>ellungdesse<strong>in</strong>eAn<br />
spruchsgruppenrollenauswählendenIndividuumssollnichtdarüberh<strong>in</strong>wegtäuschen,<br />
dassesimvorliegendenModelltatsächlichumdas<strong>Management</strong>e<strong>in</strong>erOrganisation<br />
geht.AberdasWohl<strong>der</strong>Organisationistnurdanngestaltbar,wennbeimManage<br />
mentdesorganisationalenWohlsgleichzeitigdasWohlvonkle<strong>in</strong>erenundgrösseren<br />
Systemenberücksichtigtwird.DieseWohlergehenhängen<strong>in</strong>e<strong>in</strong>ervernetztenGesell<br />
schaftzunehmendzusammen.ImInnern<strong>der</strong>Organisationbleibt<strong>in</strong><strong>der</strong>Modellierung<br />
allesbeimAlten(vgl.Rüegg<strong>St</strong>ürm,2004).ImInnern<strong>der</strong>Organisationwurdenke<strong>in</strong>e<br />
Verän<strong>der</strong>ungenvorgenommen.DieorganisationaleWertschöpfungist<strong>der</strong>selbePfeil,<br />
den man aus dem <strong>St</strong>. Galler <strong>Management</strong>modell von Rüegg<strong>St</strong>ürm (2004; 2003)<br />
kennt.<br />
ImModelltauchtnichtwiefrühernure<strong>in</strong>ee<strong>in</strong>zigeOrganisationauf.DerPlural<strong>der</strong><br />
dargestelltenOrganisationenverweistdarauf,dassauchdieArbeitangesellschaftli
115<br />
chen Problemen die Zusammenarbeit <strong>der</strong> Organisationen erfor<strong>der</strong>t. Der Plural <strong>der</strong><br />
dargestelltenOrganisationenverweistdarauf,dassdieBefriedigunge<strong>in</strong>esKundenbe<br />
dürfnissesdieKooperationvonmehrerenOrganisationenerfor<strong>der</strong>t.DieheutigenOr<br />
ganisationens<strong>in</strong>ddurchdieKonzentrationaufihreKernkompetenzenunddieAusla<br />
gerungalleran<strong>der</strong>enAktivitäten<strong>in</strong>hohemMassemite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>verbundenundvon<br />
e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abhängig. Sie erbr<strong>in</strong>gen gegenseitig Wertschöpfung füre<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Grafisch<br />
wurdediesdadurchumgesetzt,dassimModelldieWertschöpfungmehrererOrgani<br />
sationendargestelltwird.Jenachdem,obe<strong>in</strong>eOrganisationdirekte<strong>in</strong>gesellschaftli<br />
ches Problem löst o<strong>der</strong> ob sie Organisationen beliefert, die e<strong>in</strong> gesellschaftliches<br />
Problemlösen,nimmt<strong>der</strong>Pfeil<strong>der</strong>organisationalenWertschöpfunge<strong>in</strong>enan<strong>der</strong>en<br />
W<strong>in</strong>kele<strong>in</strong>.DurchdieVielfalt<strong>der</strong>dargestelltenW<strong>in</strong>kelsolldeutlichwerden,dasse<strong>in</strong>e<br />
polareBetrachtungnicht<strong>der</strong>Realitätentspricht.JedeOrganisationistmite<strong>in</strong>erViel<br />
zahlvonan<strong>der</strong>enOrganisationenverknüpft,vondenenjedeunterschiedlicheW<strong>in</strong>kel<br />
zurLösungverschiedenergesellschaftlicherProblemee<strong>in</strong>nimmt.<br />
InallendargestelltenSystementauchtdieIdentitätauf.Mit<strong>der</strong>ReferenzgrösseIden<br />
tität soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass es sich bei allen Systemen um<br />
selbstgesteuerte,selbstreferenzielleGebildehandelt.<strong>Management</strong>,dasistnichtdie<br />
vollständigeKontrollevonSystemen.<strong>Management</strong>,dasistHilfezurSelbsthilfe.Ma<br />
nagement,dasistUnterstützung<strong>der</strong>IdentitätsarbeitvonMensch,Organisationund<br />
Gesellschaft. Die Identität steuert das Handeln des Systems. Sie ist <strong>der</strong> Wegweiser<br />
desSelbstmanagements.SieüberwachtdieSelbstgestaltung,dieSelbstlenkungund<br />
dieSelbstentwicklung.Sieentscheidetdarüber,welcherWeg<strong>in</strong>dieZukunftgenom<br />
menundwiedieVergangenheitgedeutetwird.Sieentscheidetdarüber,wasdasSys<br />
temtut,unddarüber,wasdasSystemnichttut.DieIdentitätdientalsUnterschei<br />
dungsmerkmal.SiesepariertdasInnenvomAussen.Sieiste<strong>in</strong>Mittel<strong>der</strong>Komplexi<br />
tätsreduktion.Siebestimmt,welcheOptionenfürdasSystemrelevants<strong>in</strong>dundwel<br />
che Optionen durch das System vernachlässigt werden können. Sie bestimmt, was<br />
das System e<strong>in</strong>zigartig macht. Sie koord<strong>in</strong>iert die Wertschöpfungsbeiträge <strong>der</strong> An<br />
spruchsgruppen.ImFalle<strong>der</strong>Gesellschaftsagtsieetwasdarüberaus,welcheProb<br />
lemegelöstwerdensollten,welcheFunktion<strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelneMenschundse<strong>in</strong>eOrgani<br />
sationen haben. Im Falle <strong>der</strong> Organisationen setzt sie Grenzen. Die organisationale<br />
IdentitättrenntdieOrganisationvonihrerUmwelt.Sieumschreibt,welchengesell<br />
schaftsdienlichen Zweck die Organisation erfüllen soll. Im Falle des Individuums<br />
schliesslichistdieIdentitätdieFolge<strong>der</strong>BewältigungvongesellschaftlichenEntwick
116<br />
lungsaufgaben. Sie umschreibt den persönlich gewählten Pfad durch die Multiopti<br />
onsgesellschaft.Sievere<strong>in</strong>tdieBil<strong>der</strong>aufunserInneres,diewir<strong>in</strong>Forme<strong>in</strong>erSelbst<br />
erzählungzusammenfügen.SieweistunsunserenPlatz<strong>in</strong>unserenGeme<strong>in</strong>schaften<br />
undGesellschaftenzu.
6. Bildung<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong><br />
6.1. Grundlagen<strong>der</strong>Curriculumentwicklung<br />
117<br />
<strong>St</strong>ammtendiebisherverarbeitetenQuellenausdenFe<strong>der</strong>nvonsoziologischundbe<br />
triebswirtschaftlichargumentierendenAutoren,istesnunan<strong>der</strong>Zeit,<strong>in</strong>dieBiblio<br />
theken <strong>der</strong> Pädagogen umzuziehen. Die Arbeit nähert sich Schritt für Schritt ihrem<br />
praktischen Ziel. Es sollen bekanntlich Vorschläge generiert werden, wie das Be<br />
triebswirtschaftsstudium <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> an die Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />
<strong>Multioptionsgesellschaft</strong> angepasst werden könnte. Dazu wird <strong>in</strong>haltlich auf das im<br />
letztenKapitelpräsentierte<strong>Management</strong>modellzurückgegriffen.Dazus<strong>in</strong>ddieMe<br />
thodenzupräzisieren,wiedieseInhalteumgesetztwerdensollen.<br />
UnterdemBegriff<strong>der</strong>(allgeme<strong>in</strong>en)Didaktikwirddie„TheoriedesUnterrichts“ver<br />
standen, die den Gesamtkomplex <strong>der</strong> Entscheidungen, Entscheidungsvoraussetzun<br />
gen, Entscheidungsbegründungen und Entscheidungsprozesse für alle Aspekte des<br />
Unterrichts umfasst (Keller & Novak, 1993, S.87f.). In <strong>der</strong> <strong>Multioptionsgesellschaft</strong><br />
gibteszahlreicheMöglichkeiten,umüberdieallgeme<strong>in</strong>eDidaktikzus<strong>in</strong>nieren(vgl.<br />
z.B. Blankertz, 1991; Gudjons; 1999; Peterssen, 2001). Erleichterung <strong>in</strong> diesem<br />
Durche<strong>in</strong>an<strong>der</strong>schafft<strong>der</strong>bewussteEntscheidfüre<strong>in</strong>evorgetrageneOrdnung.Ter<br />
hart(2005)wurdedeshalbalsOrientierungswerkausgewählt,weilse<strong>in</strong>eGlie<strong>der</strong>ung<br />
die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft berücksichtigt. Er unterscheidet<br />
vier Theoriefamilien <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Didaktik: Die bildungstheoretischen, die lehr<br />
lerntheoretischen, die kommunikations und <strong>in</strong>teraktionstheoretischen Ansätze so<br />
wiediekonstruktivistischenAnsätze(S.3ff.).ZwischendenFamilienhabensichse<strong>in</strong>er<br />
Me<strong>in</strong>ungnachFamilienbandeentwickelt.Esfälltdeshalbheuteschwer,dieTheorie<br />
ansätze fe<strong>in</strong> säuberlich ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zuhalten. „Diese Theoriefamilien haben sich im<br />
Verlauf<strong>der</strong>letztenJahrzehnteimmanentweiterentwickelt.Siehabensichdabeiun<br />
tere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> bee<strong>in</strong>flusst und z.T. auch angenähert; <strong>in</strong>sofern bestehen zahlreiche<br />
Querverb<strong>in</strong>dungen.AllevierFamilienwarendarüberh<strong>in</strong>ausgezwungen,sichdurch<br />
Exklusion‚alter‘,alsüberholterachteterArgumentationenundBegriffesowiedurch<br />
Inklusionvon‚neuen‘ThemenundKonzepten[…]zumo<strong>der</strong>nisieren.AufdieseWeise<br />
iste<strong>in</strong>Netzwerkvon<strong>in</strong>ternenundexternenQuerverb<strong>in</strong>dungenentstanden,sodasses<br />
naheliegendist,vonFamilienbandenzusprechen“(ebd.,S.5).NebendenFamilien<br />
bandenstelltTerhart(ebd.)Erbschaftsanwärtervor,welchedieallgeme<strong>in</strong>eDidaktik<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em wesentlich an<strong>der</strong>en Licht betrachten. Neben <strong>der</strong> fachdidaktischen Lehr
118<br />
LernForschungund<strong>der</strong>FormulierungvonBildungsstandardswirddieBildungsgang<br />
didaktikbzw.dieBildungsgangforschungerwähnt,dievone<strong>in</strong>erBiografisierungund<br />
damite<strong>in</strong>erIndividualisierungdesBildungsproblemsausgeht(vgl.ebd.,S.8ff.).Dieses<br />
letzteErbesche<strong>in</strong>timArgumentationsgangdieserArbeitaufgrund<strong>der</strong>Nähezuden<br />
Konzepten <strong>der</strong> Individualisierung und <strong>der</strong> Identität beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong>teressant. Die Bil<br />
dungsgangdidaktikwirddeshalb<strong>in</strong>Kapitel7.3vertieft.<br />
IndieserArbeitwirde<strong>in</strong>bildungstheoretischerAnsatzverfolgt,weilbildungstheoreti<br />
sche Argumente <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Erziehungswissenschaften immer relevant<br />
warenundauch<strong>in</strong><strong>der</strong>Weiterentwicklung<strong>der</strong>allgeme<strong>in</strong>enDidaktikimmere<strong>in</strong>ebe<br />
son<strong>der</strong>eRollespielenwerden.Mankannsichnichtübersieh<strong>in</strong>wegsetzen,weilman<br />
immer über Bildungsziele und Bildungs<strong>in</strong>halte debattieren wird (vgl. Euler & Hahn,<br />
2004, S.50). Bildung ist ohne Inhalte nicht denkbar und ohne Ziele wenig s<strong>in</strong>nvoll.<br />
„BildungwirdverstandenalsEntfaltungsvorgange<strong>in</strong>esIndividuums,alsProzess<strong>der</strong><br />
Menschwerdung,alsEntwicklung<strong>der</strong>Persönlichkeit<strong>in</strong>folgezielgerichteterUnterrich<br />
tunge<strong>in</strong>erseits,undalsErgebnis<strong>der</strong>Entwicklung,alsGrad<strong>der</strong>Persönlichkeitsentfal<br />
tung,alsZustand<strong>der</strong>SelbstverwirklichungdesMenschenan<strong>der</strong>erseits“(Keller&No<br />
vak,2001,S.63).BildungwirdhieralsBeschreibungundBegründung<strong>der</strong>Entfaltung<br />
des Individuums verstanden. Um die Diskussion zu erleichtern, wird Bildung durch<br />
LehrpläneundLernzieleoperationalisiert(vgl.Blankertz,1991,S.119).DerLehrplan<br />
ist„diegeordneteZusammenfassungvonLehr<strong>in</strong>halten,diewährende<strong>in</strong>esvomPlan<br />
angegebenenZeitraumesüberUnterricht,Schulungo<strong>der</strong>AusbildungvonLernenden<br />
angeeignetwerdensollen“(ebd.,S.118).Erwirkte<strong>in</strong>emSzenarioentgegen,<strong>in</strong>dem<br />
die Geschehnisse im Schulzimmer durch zufällige E<strong>in</strong>fälle <strong>der</strong> Lehrenden geprägt<br />
werden.„Das‚Planmässige‘imAusdruck‚Lehrplan‘setztdasbeabsichtigteLehren<strong>in</strong><br />
Gegensatzzumunreflektierten,zufälligenVerhalten“(ebd.,S.118).<br />
In<strong>der</strong>Folgewirdanstellevon„Lehrplan“<strong>der</strong>BegriffdesCurriculumsverwendet.Die<br />
sergehtüberdenBegriffdesLehrplansh<strong>in</strong>aus(vgl.ebd.,S.122).DasCurriculumwird<br />
breiterals<strong>der</strong>Lehrplanverstanden,weilhierauchErfahrungenalsLernenbezeichnet<br />
werden, die ausserhalb des Schulzimmers (vgl. ebd., S.122; Rauschenbach et al.,<br />
2006;Franketal.,2005)undjenseits<strong>der</strong>bewusstenInstruktion<strong>der</strong>Lernendenstatt<br />
f<strong>in</strong>den(vgl.French,2002;Reber,1993).„Thecurriculumiscommonlydef<strong>in</strong>edasall<br />
theexperiencesthatalearnerhasun<strong>der</strong>theguidanceoftheschool“(Harris&Liba,<br />
1960,S.358).Im<strong>in</strong>haltlichweitestenS<strong>in</strong>nebestehtdasCurriculumaus„allenLerner<br />
fahrungen,welchedasK<strong>in</strong><strong>der</strong>hält,ohnedaraufzuachten,wanno<strong>der</strong>wiesichdie
119<br />
Erfahrungenabspielen“(Oliver,1969,zit.<strong>in</strong>Frey,1971,S.33).ImengstenS<strong>in</strong>neum<br />
fasstdasCurriculum„jeneKurse, welchee<strong>in</strong> Individuum, wiez.B. dieSchüler Hans<br />
undPeterbesuchen“(ebd.,S.33).DieArbeitfolgt<strong>der</strong>breitenDef<strong>in</strong>ition.E<strong>in</strong>Curricu<br />
lumistwesentlichmehralsdieaufe<strong>in</strong>em<strong>St</strong>ückPapierfestgehaltenenLernziele.Und<br />
was<strong>der</strong>Lehrerlehrenwill,istnochlangenichtdas,wasdieLernendenlernenwollen<br />
o<strong>der</strong>tatsächlichlernen.<br />
DasCurriculumkenntnachFrey(ebd.)dreihauptsächlicheVerwendungszwecke.Das<br />
Curriculumist<strong>in</strong><strong>der</strong>Umgangssprache„e<strong>in</strong>Programm,daseszurealisierengilto<strong>der</strong><br />
sich <strong>in</strong> Realisierung bef<strong>in</strong>det“ (ebd., S.35). Im Verwendungsbereich ist es e<strong>in</strong> Pla<br />
nungsobjekt,e<strong>in</strong>Unterrichtsprogramm,daseszuentwickeln,kodifizierenundfürdie<br />
Implementation zu präparieren und schliesslich zu realisieren gilt (ebd., S.35f.).<br />
Schliesslich ist dasCurriculum <strong>in</strong> <strong>der</strong> an <strong>der</strong> Herleitung von Theorien <strong>in</strong>teressierten<br />
WissenschaftdasbeabsichtigteLernresultat(ebd.,S.36).H<strong>in</strong>terdiesendreiVerwen<br />
dungsformen des Begriffs steckt e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>samkeit. „Allen drei genannten Ver<br />
wendungsbereichen des Wortes Curriculum sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong> Aspekt geme<strong>in</strong>sam zu se<strong>in</strong>,<br />
dieBildungsabsicht.“(ebd.,S.37).ZurBildungsabsichtgehörtdasPlanenundKontrol<br />
lieren. Lernplanung, Lernorganisation und Lernkontrolle bilden e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit, zum<strong>in</strong><br />
destwennmanvone<strong>in</strong>emlernzielorientiertenAnsatzdesLernensausgeht(vgl.Möl<br />
ler, 1999; 1976; Peterssen, 2001). Das Curriculum überspannt dann den gesamten<br />
LernLehrProzess.„DasCurriculumistdiesystematischeDarstellungdesbeabsichtig<br />
tenUnterrichtsübere<strong>in</strong>enbestimmtenZeitraumalskonsistentesSystemmitmehre<br />
renBereichenzumZwecke<strong>der</strong>optimalenVorbereitung,VerwirklichungundEvaluati<br />
onvonUnterricht“(Frey,1971,S.50).<br />
Frey(1975)weistdaraufh<strong>in</strong>,dassVorbereitung,VerwirklichungundEvaluationnicht<br />
getrennt vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> betrachtet werden können. „Diese Beispiele zeigen, dass im<br />
allgeme<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>e gegenseitige Abhängigkeit zwischen den Lernzielen, den Themen,<br />
den Schüler<strong>in</strong>teressen und an<strong>der</strong>en Determ<strong>in</strong>anten des Unterrichts besteht. Die<br />
LernzielebestimmendieThemen,dieThemenbestimmenrückwirkenddieLernziele.<br />
Die Unterrichtsmethode hat E<strong>in</strong>fluss auf die Behandlung <strong>der</strong> Themen usw.“ (ebd.,<br />
S.406).DiesegegenseitigenAbhängigkeitentauchen<strong>in</strong><strong>der</strong>didaktischenLiteraturun<br />
terdemBegriffdesImplikationszusammenhangsauf(vgl.ebd.,S.406).Dasengver<br />
standene Curriculumdokument verknüpft methodische mit <strong>in</strong>haltlichen Zielen. Frey<br />
(ebd.) räumt den Lernzielen im Curriculumprozess <strong>der</strong> Vorbereitung, Durchführung<br />
und Evaluation e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e <strong>St</strong>ellung e<strong>in</strong>. Sie wirken sich mehr als alle an<strong>der</strong>en
120<br />
genanntenElementeaufdierestlichenElementedesCurriculum(prozesses)aus.Um<br />
sowichtigerwerdendeshalbDiskussionundFestlegung<strong>der</strong>LernzielefürdieGestal<br />
tunge<strong>in</strong>erUnterrichtslektion,e<strong>in</strong>es<strong>St</strong>udiengangs,e<strong>in</strong>erBildungs<strong>in</strong>stitution.DieLern<br />
zieles<strong>in</strong>de<strong>in</strong>Wegweiser,<strong>der</strong>dasDenkenundHandeln<strong>der</strong>Lehrendenleitet.DieBe<br />
stimmung<strong>der</strong>LernzieleumfasstEntscheidemitgrosserTragweiteundhohernorma<br />
tiver Geltungskraft. Die hervorgehobene <strong>St</strong>ellung <strong>der</strong> Lernziele wird auch bei Blan<br />
kertz(1991)ersichtlich,<strong>der</strong>Lernenalse<strong>in</strong>enRegelkreiskonzipiert.Indiesemwerden<br />
dieLernzieleausserhalbdesRegelkreisesfestgelegt.„AufjedenFallliegtdieKapitäns<br />
funktion, also die Instanz, die die zu erreichenden Lernziele angibt, ausserhalb des<br />
Regelkreises;siewirdvielmehrunterdemTitel<strong>der</strong>‚normativenIdeologiebenötigt‘,<br />
umsichPrämissenvorgebenzulassen“(ebd.,S.55).<br />
Aufe<strong>in</strong>erhöherenAbstraktionsebenebildetdasCurriculume<strong>in</strong>Zwischensystem,das<br />
vompädagogischenundvomgesellschaftlichenSysteme<strong>in</strong>geklemmtwird(vgl.Frey,<br />
1971,S.47).EsumfasstdengesamtenEntwicklungsprozess.DieEntwicklungdesCur<br />
riculumsf<strong>in</strong>detgleichzeitigimpädagogischenundimgesellschaftlichenSystemstatt.<br />
Beide stellen Anfor<strong>der</strong>ungen an das Curriculum. Nicht zuletzt stellen auch die Ler<br />
nenden Ansprüche an das Curriculum (vgl. Bönsch, 2002; Trautmann, 2004a). Das<br />
CurriculumsystemgibtAntwortaufdiezentraleFrage,wieLernzielehergeleitetwer<br />
den.Konkreter:„DasProblemistdieBegründungdesVerfahrens–o<strong>der</strong><strong>in</strong>H<strong>in</strong>sicht<br />
aufe<strong>in</strong>eTheorieformuliert,dieErklärung,weshalbdiedurchdasVerfahrengewonne<br />
nen Lernziele gültig s<strong>in</strong>d“ (Frey, 1971, S.57). „Die Curriculumtheorien, die Theorien<br />
<strong>der</strong>Erforschung(Entwicklung,Begründung,Erprobung,E<strong>in</strong>führungundRevision)ei<br />
nesCurriculums“(Gatzemeier,1975,S.41)werdenheranzogen,umLernzielezuge<br />
nerieren,diedenAnsprüchenallerAnspruchsgruppengerechtwerden(vgl.Hameyer,<br />
1983).<br />
BevormanüberLernzielelegitimierteEntscheidetrifft,müssenLernzielehergeleitet<br />
werden.Isenegger(1970)unterscheidetzwischenInhaltengenerieren<strong>der</strong>Lernzieler<br />
hebung und Entscheidung treffen<strong>der</strong> Lernzielbestimmung. In dieser Arbeit werden<br />
Lernzieleerhoben.DieerstenfünfKapiteldieserArbeithabensichden<strong>in</strong>haltlichen<br />
Aspekten des Betriebswirtschaftsstudiums verschrieben. Entscheiden dürfen, kön<br />
nen,müssenan<strong>der</strong>e.TrotzdemgeniesstdieLernzielerhebunge<strong>in</strong>ehervorgehobene<br />
<strong>St</strong>ellungimgesamtenCurriculumprozess,orientierensichdochallespäterenPhasen<br />
andiesererstenPhase(vgl.ebd.,S.16).DieUnterscheidungzwischenLernzielerhe<br />
bungundLernzielbestimmungentspricht<strong>der</strong>UnterscheidungzwischenEntdeckungs
und Begründungszusammenhang (vgl. Treml, 1983, S.431). Die Entscheide für be<br />
121<br />
stimmte Entdeckungen müssen gegenüber den Anspruchsgruppen begründet und<br />
legitimiertwerden.Legitimationsproblemetretenimmerdannauf,wennSelbstver<br />
ständlichkeiten verflossen s<strong>in</strong>d. Dies ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Multioptionsgesellschaft</strong> andauernd<br />
<strong>der</strong> Fall. „Legitimationsprobleme brechen auf, wenn Normen ihre fraglose Geltung<br />
verlierenunddamitdasProblemrichtigenHandelnsbzw.richtigerZiele,Inhalteund<br />
Methoden<strong>der</strong> Erziehunggestellt wird“ (König, 1983,S.588). Legitimationsprobleme<br />
akzentuieren sich, wenn die Entscheidungskompetenz auf die Hände mehrerer An<br />
spruchsgruppenverteiltwird.„Mankannalsosagen:LegitimationentstehtalsNot<br />
wendigkeit dort, wo Herrschaftsansprüche nicht mehr als selbstverständlich h<strong>in</strong>ge<br />
nommen werden, son<strong>der</strong>n pr<strong>in</strong>zipiell bezweifelbar s<strong>in</strong>d“ (Kaiser, 1983, S.597). Trotz<br />
<strong>der</strong>Verteilung<strong>der</strong>MachtaufmehrereHändewirddieAuswahl<strong>der</strong>Inhalteniemals<br />
vollständigdemokratischse<strong>in</strong>.DieAnspruchsgruppene<strong>in</strong>erBildungs<strong>in</strong>stitutionhaben<br />
unterschiedlichvielMachtundkönnendadurchunterschiedlichstarkaufdasCurricu<br />
lum E<strong>in</strong>fluss nehmen. Das Curriculum ist so gesehen nichts an<strong>der</strong>es als „e<strong>in</strong>e Form<br />
vonkonkreterHerrschaftsordnung“(ebd.,S.598).Esiste<strong>in</strong>Spiegel<strong>der</strong>vorherrschen<br />
denKräfteverhältnisse.<br />
DieAufgabe<strong>der</strong>CurriculumarbeitkonzentriertsichaufdieLösung<strong>der</strong>zentralenFra<br />
ge:„WiekönnenLernsituationenentwickeltwerden,verwirklichtundevaluiertwer<br />
den,welcheimHorizontihrergesellschaftlichenundd<strong>in</strong>glichenUmweltwie<strong>der</strong><strong>in</strong>di<br />
viduellen Selbst<strong>in</strong>terpretation des Lernenden gerechtfertigt s<strong>in</strong>d und zugleich die<br />
SelbstentfaltungallerBetroffenen(Lehrende,Lernende,Abnehmer,Kontaktpersonen<br />
usw.) vor, während und nach dem anvisierten Lernprozess optimal garantieren“<br />
(Roth, 1976, S.76). Meyer (1975) unterscheidet zwischen normativer Legitimation,<br />
VerfahrenslegitimationunddiskursiverLegitimation(vgl.ebd.,S.432).Dienormative<br />
Legitimation entspricht dem Vorgehen <strong>der</strong> deduktiven Didaktik (vgl. ebd., S.432).<br />
„Durch e<strong>in</strong>e verme<strong>in</strong>tlich logische Deduktion werden alle unterrichtspraktischen<br />
HandlungsentscheidungenausübergeordnetenNormenzugew<strong>in</strong>nenversucht.Kon<br />
struktionundLegitimation<strong>der</strong>E<strong>in</strong>zelentscheidungwerdenhier<strong>in</strong>e<strong>in</strong>unddemselben,<br />
re<strong>in</strong> theoretischen Begründungszusammenhang durch Rückführung auf nicht mehr<br />
h<strong>in</strong>terfragtenvorpädagogischenNormenzuleistenversucht.SolcheNormenwerden<br />
<strong>in</strong> Mythos, Offenbarungsreligion, Vernunftreligion bis h<strong>in</strong> zu positiver Ideologie<br />
sprachlichartikuliert;sieerfüllenihreFunktionallerd<strong>in</strong>gsnur<strong>in</strong>traditionalenGesell<br />
schaften und sichern diesen e<strong>in</strong>e Überlegenheit <strong>der</strong> Handlungsorientierung; sobald
122<br />
sieselbst<strong>der</strong>ReligionskritikunddemIdeologieverdachtausgesetzt,d.h.alsSymbole<br />
überflüssiger, im Blick auf den Entwicklungsstand <strong>der</strong> Produktivkräfte nicht mehr<br />
notwendiger Herrschaft verstanden werden, zerbricht die Grundlage für normative<br />
Legitimation“(ebd.,S.432;vgl.Blankertz,1991).<br />
DieVerfahrenslegitimationgehtvon<strong>der</strong>Theseaus,„dass<strong>in</strong>mo<strong>der</strong>nenGesellschaf<br />
tene<strong>in</strong>Entwicklungsstan<strong>der</strong>reichtwordenist,<strong>der</strong>jedemsozialenSysteme<strong>in</strong>esoho<br />
he Leistung von Komplexitätsreduktion und Entscheidungsf<strong>in</strong>dung abverlangt, dass<br />
<strong>der</strong>Nachweis<strong>der</strong>S<strong>in</strong>nhaftigkeit<strong>der</strong>E<strong>in</strong>zelentscheidungennurnochdurch<strong>der</strong>enGe<br />
neralisierung und Formalisierung möglich ersche<strong>in</strong>t“ (Meyer, 1975, S.432). Folglich<br />
müssen statt Entscheidungsprodukten Entscheidungsprozesse legitimiert werden.<br />
„LegitimeVerfahrensollendieBereitschaftzurAnerkennungbeliebiger,nichtvorher<br />
sehbarer Entscheidungen sichern“ (ebd., S.432). E<strong>in</strong> Spezialfall <strong>der</strong> Verfahrenslegiti<br />
mationstelltdiediskursiveLegitimationdar.Siekomb<strong>in</strong>iertnormativeLegitimation<br />
undVerfahrenslegitimation,<strong>in</strong>demsiedasVerfahrenbeschreibt,durchdasNormen<br />
mit Hilfe <strong>der</strong> Diskussionen unter den Anspruchsgruppen breit abgestützt werden<br />
können.„Sieteiltmit<strong>der</strong>VerfahrenslegitimationdieKritik<strong>der</strong>normativen;sieunter<br />
scheidet sich von <strong>der</strong> letzten <strong>in</strong>sofern, als sie an <strong>der</strong> Begründbarkeit von Wertent<br />
scheidungenfesthält,freilichnichtdurche<strong>in</strong>evorabpr<strong>in</strong>zipiellalsgesichertgedachte<br />
KopplungmitübergeordnetenNormen,son<strong>der</strong>ndurchdenkontrafaktischbehaupte<br />
ten Grundsatz e<strong>in</strong>er herstellbaren, durch Diskurs zu leistenden argumentativen Be<br />
gründung <strong>der</strong> Geltung von Normen“ (ebd., S.432f.). E<strong>in</strong>e vierte Möglichkeit liegt <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong>Variante,dieLegitimation<strong>der</strong>InhaltedemmündigenIndividuumzuüberlassen<br />
(vgl. Bönsch, 2002). Dies bedeutete, dass das Individuum stets selber auswählen<br />
kann,welcheLernzieleesverfolgenwill.Diesabersetztvoraus,dassdieLernenden<br />
fähigs<strong>in</strong>d,überihreLernzieleeigenständigzuurteilen.DabeimüssendieLernenden<br />
e<strong>in</strong>emAngebotvonLernzielengegenüberstehen,ausdenensiediezuihnenpassen<br />
denauswählenkönnen.<br />
In <strong>der</strong> Betriebswirtschaftslehre wird die Legitimationsproblematik <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>St</strong>rategie<br />
formierung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>St</strong>rategieprozessforschung thematisiert (vgl. Deiss, 2003; Fun<br />
<strong>der</strong>,2007;Müller<strong>St</strong>ewens&Lechner,2003).DiedurchdenDiskurszuleistendear<br />
gumentativeBegründungvonNormenwirdzum<strong>Management</strong>problem.Dabeigehtes<br />
umdieRegulierungvonkognitiven,sozialen,organisatorischenundpolitischenPro<br />
zessen(vgl.Deiss,2003,S.34).DasCurriculume<strong>in</strong>er<strong>Universität</strong>istdasResultat<strong>der</strong><br />
strategiegenerierendenProzesse.ImUnterschiedzufrüherwird<strong>der</strong><strong>St</strong>rategieprozess
123<br />
heutenichtmehrnuralsAufgabedesTopmanagementsverstanden(vgl.Deiss,2003,<br />
S.35).„DieUnternehmensleitungistausdieserPerspektivevielmehrfürdieAdm<strong>in</strong>ist<br />
rationdieserProzessezuständig.[…]<strong>St</strong>rategiekanndahernurvone<strong>in</strong>emKollektivim<br />
Unternehmen selbst verstanden und def<strong>in</strong>iert werden. Nur wenn e<strong>in</strong>e Vielzahl von<br />
Beteiligten<strong>in</strong><strong>der</strong>MehrheitihrerHandlungenrichtigliegt,d.h.e<strong>in</strong>eähnlicheontologi<br />
scheRealitätwahrnimmtundaufgrunddieserhandelt,kannsiche<strong>in</strong>wie<strong>der</strong>kehrendes<br />
Mustervonaufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>bezogenenHandlungenentwickeln“(ebd.,S.35;S.47).Durch<br />
organisationale Identitätsarbeit kann Kohärenz geschaffen werden. „Die Genese ei<br />
nerkohärenten<strong>St</strong>rategiedurchPersonenkollektiveverlangtdahere<strong>in</strong>erArt‚Überset<br />
zung‘ <strong>der</strong> Wahrnehmung, Interpretationen und Handlung von Beteiligten <strong>in</strong> Inhalt<br />
und Ablauf <strong>der</strong> <strong>St</strong>rategieformierung. <strong>St</strong>rategieentstehung kann daher auch als <strong>in</strong>te<br />
grativerProzessverstandenwerden,<strong>der</strong>dieunterschiedlichenRepräsentationen<strong>der</strong><br />
Beteiligtenz.B.h<strong>in</strong>sichtlichProblemstellung,potenziellerLösungenund<strong>der</strong>enUmset<br />
zungsmöglichkeiten zusammenbr<strong>in</strong>gt. E<strong>in</strong>egeme<strong>in</strong>same Orientierung an<strong>der</strong> <strong>St</strong>rate<br />
gieformierung beteiligter Mitarbeiter befähigt sie zur geme<strong>in</strong>samen Handlung. […]<br />
Zusammenfassend kann die Kernimplikation e<strong>in</strong>er kollektiven <strong>St</strong>rategieformierung<br />
dar<strong>in</strong>gesehenwerden,e<strong>in</strong>eOrientierungundHandlungsfähigkeitvon<strong>St</strong>rategiebetei<br />
ligten <strong>in</strong> <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen Konstruktion neuer, im Vorh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> nicht existieren<strong>der</strong><br />
Handlungs und Interaktionsmöglichkeiten zur Wertschöpfung von Unternehmen<br />
aufzubauenundzuerhalten“(ebd.,S.49;S.51;vgl.Jäger,2008;vgl.Jäger&Beyes,<br />
2007).<br />
AlsBildungs<strong>in</strong>stitutiongiltesdaherausgehendvomBildungsverständnis<strong>in</strong>dieCurri<br />
culumarbeitzugehen.HiersolldasCurriculum<strong>in</strong><strong>in</strong>haltlicherundmethodischerH<strong>in</strong><br />
sicht konkretisiert werden. Bildungsverständnis und Curriculum entsprechen allge<br />
me<strong>in</strong>erbetrachtetdemOrganisationszweckunddavonabgeleitetenProdukten.Wie<br />
weiterobengesehen,s<strong>in</strong>dsiee<strong>in</strong>wesentlicherTeil<strong>der</strong>organisationalenIdentität.<br />
<br />
6.2. Bildungsideale<br />
ParallelzudenformellenQuellen<strong>der</strong>Legitimierungwerdendrei<strong>in</strong>haltlicheQuellen<br />
unterschieden(vgl.Reetz,1984,S.76;vgl.Euler&BauerKlebl,ohneDatum;Kaiser;<br />
1983).Sieeigenensichzur<strong>St</strong>rukturierungundKonkretisierungdesBildungsverständ<br />
nisses.EshandeltsichumdieErmittlungvonLernzielenüberdieAnalysevonFach<br />
strukturen<strong>der</strong>Wissenschaft,umdieErmittlungvonLernzielenüberdieAnalysevon
124<br />
zubewältigendenLebenssituationenundumdieErmittlungvonLernzielenüberdie<br />
Diskussion<strong>der</strong>anzustrebendenPersönlichkeit<strong>der</strong>Lernenden(vgl.Reetz,1984,S.77).<br />
DiesedreiQuellenentsprechendreiPr<strong>in</strong>zipien.„DasWissenschaftspr<strong>in</strong>zipalsTeilas<br />
pektdesumfassen<strong>der</strong>enKulturbereichspr<strong>in</strong>zips,denenzufolgedieZiel/InhaltsWahl<br />
bestimmtwirdvonvorliegendenwissenschaftlicheno<strong>der</strong>an<strong>der</strong>enkulturellenObjek<br />
tivationen (z.B. Kunst, Literatur, usw.). Das Situationspr<strong>in</strong>zip, demzufolge die Wahl<br />
<strong>der</strong>Ziele/Inhaltesichdanachrichtet,was<strong>in</strong>jetzigenundkünftigenLebenssituationen<br />
<strong>der</strong>betreffendenSchülerbedeutsamisto<strong>der</strong>werdenkann.DasBildungso<strong>der</strong>allge<br />
me<strong>in</strong>erdasPersönlichkeitspr<strong>in</strong>zip,demzufolgesichdieZiel/InhaltsWahlnachdem<br />
richtet,wasimH<strong>in</strong>blickaufdieEntwicklung<strong>der</strong>Schülerpersönlichkeitund<strong>der</strong>en‚Bil<br />
dung‘fürmöglichundbedeutsamgehaltenwird“(Reetz,1984,S.77).DiePr<strong>in</strong>zipien<br />
könnennichtunabhängigvone<strong>in</strong>an<strong>der</strong>betrachtetwerden.„DaallePr<strong>in</strong>zipienpäda<br />
gogischeGrundsätzedarstellen,sichmith<strong>in</strong>aufdenzuerziehendenMenschenbezie<br />
hen, treffen sich die Pr<strong>in</strong>zipien <strong>in</strong> diesem Bezugspunkt und s<strong>in</strong>d folglich durch ihn<br />
mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verbunden. Diese Verbundenheit ist durch gegenseitige Abhängigkeit<br />
(Interpedenz) gekennzeichnet: Die stärkere Betonung des e<strong>in</strong>en Pr<strong>in</strong>zips führt zur<br />
Vernachlässigung<strong>der</strong>an<strong>der</strong>en.Damitdeutetsichan,dassdiedreiRelevanzpr<strong>in</strong>zipien<br />
sich nicht als je isolierte <strong>St</strong>rategien <strong>der</strong> Auswahl zu begreifen s<strong>in</strong>d, son<strong>der</strong>n dass<br />
zweckunds<strong>in</strong>nrationaleEntscheidungenhierdieKenntnisundsichereHandhabung<br />
aller drei Pr<strong>in</strong>zipien voraussetzen“ (ebd., S.77f.). Für die Entwicklung e<strong>in</strong>es Curricu<br />
lumss<strong>in</strong>ddiedreiPr<strong>in</strong>zipien<strong>in</strong>e<strong>in</strong>enZusammenhangzubr<strong>in</strong>gen.Geme<strong>in</strong>samkonkre<br />
tisierensiedieBildung,diee<strong>in</strong>e<strong>Universität</strong>anbietet.SieformierendasBildungsver<br />
ständnis,dasvone<strong>in</strong>er<strong>Universität</strong>auszuweisenist.<br />
DasPersönlichkeitspr<strong>in</strong>zipistdasälteste<strong>der</strong>dreiPr<strong>in</strong>zipien.Esprägtdiegeisteswis<br />
senschaftlichbildungstheoretischeunddienormativeDidaktik(vgl.Blankertz,1991).<br />
In<strong>der</strong>Folgewirdmitdiesenallgeme<strong>in</strong>enTheorienargumentiert.Unter<strong>der</strong>normati<br />
ven Didaktik ist e<strong>in</strong> System zu verstehen, „das ausgeht von obersten vorpädagogi<br />
schenS<strong>in</strong>nNormenüberdasmenschlicheLeben,überdie<strong>St</strong>ellungdesMenschen<strong>in</strong><br />
<strong>der</strong>Welto<strong>der</strong>überdieNaturdesMenschen,dieseNormendannauslegtaufErzie<br />
hungsziele,darausInhaltedesUnterrichtensableitet,alsodenLehrplangew<strong>in</strong>ntund<br />
schliesslichbiszuMethodenundErziehungsformenweiterdifferenziert,sodasse<strong>in</strong>e<br />
<strong>in</strong>sichgeschlosseneDeduktionsketteentsteht,dieaussagt,wiedieWirklichkeit‚Un<br />
terricht‘se<strong>in</strong>sollte“(Blankertz,1991,S.19).Ine<strong>in</strong>erWelt,<strong>in</strong><strong>der</strong>dieWirklichkeit,die<br />
HerrschaftsverhältnisseunddievorherrschendeMe<strong>in</strong>ungimS<strong>in</strong>nevonObligationen
nochvorgegebenwaren,warese<strong>in</strong>fach,dieWertezubestimmen,welchedieEnt<br />
125<br />
wicklung des Individuums lenken sollten. Aufgrund <strong>der</strong> Pluralisierung zeigt sich die<br />
Bestimmung<strong>der</strong>idealenPersönlichkeitheutewesentlichproblematischer.Jedenfalls<br />
istesdiebildungstheoretischeDidaktik,die<strong>der</strong>Def<strong>in</strong>ition<strong>der</strong>Bildunge<strong>in</strong>enüberge<br />
ordnetenPlatzzuweist.„BildungstheoretischeDidaktikwähltdemzufolgedenBegriff<br />
<strong>der</strong>BildungzuihrerzentralenKategorie,weilesalsunerlässlichangesehenwird,die<br />
pädagogischeIntentionalitätalssolcheauszudrückenunddamitdenMassstabzulie<br />
fern,mitdemdieDidaktikdieihrgestelltenAufgabenzulösenhat“(ebd.,S.33).<br />
DerselbenMe<strong>in</strong>ungistKlafki(1996):„E<strong>in</strong>ezentraleKategoriewie<strong>der</strong>Bildungsbegriff<br />
o<strong>der</strong>e<strong>in</strong>Äquivalentdafüristunbed<strong>in</strong>gtnotwendig,wenndiepädagogischenBemü<br />
hungenumdienachwachsendeGenerationund<strong>der</strong>heuteunabd<strong>in</strong>gbareAnspruchan<br />
unseraller,alsoauch<strong>der</strong>Erwachsenen‚‚lebenslangesLernen‘nicht<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erunver<br />
bundenes Nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> o<strong>der</strong> gar Gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> von zahllosen E<strong>in</strong>zelaktivitäten<br />
ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>fallen soll, wenn vielmehr pädagogisch geme<strong>in</strong>te Hilfen, Massnahmen,<br />
Handlungen und <strong>in</strong>dividuelle Lernbemühungen begründbar und verantwortbar blei<br />
ben o<strong>der</strong> werden sollen. Diese Notwendigkeit e<strong>in</strong>er übergreifenden pädagogischen<br />
Zielkategorie erweist sich auch daran, dass <strong>in</strong> manchen neueren, jedenfalls <strong>in</strong> sich<br />
kritischverstehendenpädagogischenTheorienzwarz.T.aufdenBildungsbegriffver<br />
zichtetwird,abernichtimS<strong>in</strong>nee<strong>in</strong>ergleichsam‚ersatzlosen<strong>St</strong>reichung‘,son<strong>der</strong>nso,<br />
dassanse<strong>in</strong>e<strong>St</strong>elle,aber<strong>in</strong>analogerFunktionan<strong>der</strong>eZentralbegriffetreten.Begriffe<br />
wie ‚Emanzipation‘ o<strong>der</strong> ‚Selbst und Mitbestimmungsfähigkeit‘ im S<strong>in</strong>ne oberster<br />
Leitziele o<strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>ster Pr<strong>in</strong>zipien für Lernzielbestimmungen sollen strukturell<br />
genaudasgleicheleistenwiedieKategorie<strong>der</strong>Bildung:siebezeichnennämlichzent<br />
rierende, übergeordnete Orientierungs und Beurteilungskriterien für alle pädagogi<br />
schenMassnahmen“(ebd.,S.44).<br />
WasalsErziehungszielo<strong>der</strong>Bildungsidealgeltensoll,warGegenstand<strong>der</strong>pädagogi<br />
schenDiskussionenzuallenZeiten(vgl.z.B.Weber,1976;Nolda,2004,S.17ff.).„In<br />
<strong>der</strong> Geschichte des pädagogischen Denkens ist ‚Bildung‘ sehr unterschiedlich be<br />
stimmtworden,undnichtsgibtesheutewenigeralse<strong>in</strong>eallgeme<strong>in</strong>eDef<strong>in</strong>itionihres<br />
Begriffs. Die sich stets erneuernde, nie abschliessend auflösbare Entgegensetzung<br />
von Positionen ermüdet, so dass unter den Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> technisch<br />
wissenschaftlichen Zivilisation das Bildungsdenken <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Krise geraten ist“ (Blan<br />
kertz,1991,S.36).Reetz(1984)streichthervor,dassdasPersönlichkeitspr<strong>in</strong>zipimmer<br />
dannbetontwird,wennesdarumgeht,dieRechteundBedürfnissedesheranwach
126<br />
sendenIndividuumsgegendieZumutungen<strong>der</strong>ErwachsenenundihrerGesellschaft<br />
zu wahren „o<strong>der</strong> aber bestimmte Persönlichkeitsmerkmale als Erziehungsziele o<strong>der</strong><br />
‚Bildungsideale‘zubetonen“(ebd.,S.93).Die<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>br<strong>in</strong>gtzahlrei<br />
cheSystemehervor,diealleAnsprücheandieBildungdesIndividuumsstellen.Inso<br />
fern ist es ke<strong>in</strong> Wun<strong>der</strong>, dass auch die Vorstellung dessen, was Bildung bedeuten<br />
könnte, <strong>in</strong> <strong>der</strong> gängigen Manier <strong>der</strong> <strong>Multioptionsgesellschaft</strong> <strong>in</strong> Möglichkeiten zer<br />
fällt.<br />
Orientierungf<strong>in</strong>detman<strong>in</strong><strong>der</strong>aufKlafki(1967;1976)zurückgehendenUnterschei<br />
dungzwischenmaterialenundformalenBildungstheorien.MaterialeTheoriengehen<br />
vomInhalt,formaleTheorienvomIndividuumaus.„NehmendieVertreter<strong>der</strong>‚mate<br />
rialen‘BildungstheorienihrenBlickpunktauf<strong>der</strong>ObjektseitedesBildungsgeschehens<br />
e<strong>in</strong>,<strong>in</strong>denInhalten,die<strong>der</strong>jungenGenerationzugänglichgemachtwerdensollen,so<br />
habendieAnhänger<strong>der</strong>formalenTheorienihren<strong>St</strong>andpunktauf<strong>der</strong>SeitedesSub<br />
jekts, desK<strong>in</strong>des,das gebildet werden soll“ (Klafki, 1967, S.27).MaterialeBildungs<br />
theorienorientierensichbei<strong>der</strong>Festlegungdessen,wasBildungausmachensoll,am<br />
Wissen,dasdenMenschenzugänglichgemachtwerdensoll.„MaterialeBildungsthe<br />
oriendef<strong>in</strong>ieren<strong>in</strong>haltlichundtendierendazu,e<strong>in</strong>enbestimmtenKanonsignifikant<br />
auf ‚Menschenbildung‘ zu beziehen und so e<strong>in</strong>e humane Qualität vom Besitz ganz<br />
bestimmterGehalteabhängigzumachen“(Blankertz,1991,S.37).Währendsichdie<br />
materialenTheorienaufdieInhaltebeziehen,dievone<strong>in</strong>emIndividuum<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erbe<br />
stimmtenGesellschafterworbenwerdensollen,widmensichdieformalenBildungs<br />
theorien dem Entwicklungsprozess des Individuums. „Formale Theorien def<strong>in</strong>ieren<br />
BildungvomSubjektaus,von<strong>der</strong>EntwicklungundFör<strong>der</strong>ungse<strong>in</strong>erMöglichkeiten,<br />
nicht von den Inhalten und ihrer objektiven Bedeutung her. Selbstverständlich ist<br />
damitnichtgeme<strong>in</strong>t,BildungwäreohneInhalt,ohnegegenständlichbestimmteAuf<br />
gaben realisierbar. Davon kann ke<strong>in</strong>e Rede se<strong>in</strong>; aber die formale Auffassung zeigt<br />
sichun<strong>in</strong>teressiertandenInhaltenalsInhalten:Sielegtihnene<strong>in</strong>epädagogischeBe<br />
deutungausschliesslichunter<strong>der</strong>Fragebei,obund<strong>in</strong>wiefernihreAssimilationetwas<br />
zurEntfaltung<strong>der</strong><strong>in</strong>dividuellenKräftebeiträgt“(Klafki,1970,S.39).Formaleundma<br />
teriale Theorien s<strong>in</strong>d aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> angewiesen, sie werden im vierten Teilkapitel <strong>in</strong><br />
Verb<strong>in</strong>dunggebracht.<br />
DieKraft<strong>der</strong>Bildungsidealeistzurelativieren.NormativeBildungsvorstellungenge<br />
henursprünglichdavonaus,dassalleweiterenEntscheideimCurriculumprozessaus<br />
gehend von den ausgewählten Normen bestimmt werden können. Im Verlauf von
127<br />
mehr als hun<strong>der</strong>t Jahren Curriculumforschung haben sich aber e<strong>in</strong>ige kritische E<strong>in</strong><br />
wändeherausgebildet.Anerster<strong>St</strong>elleseidasMündigkeitsparadoxonerwähnt(vgl.<br />
Rolff,1988).„Wennwir<strong>in</strong>haltlichvorgebenwollen,wasBildungsei,sowürdenwir<br />
Mündigkeit und Selbstbestimmung ausser Kraft setzen, e<strong>in</strong>en Kernbestandteil des<br />
Bildungsverständnisses“ (ebd., S.59). Wie Prisch<strong>in</strong>g (2008) ironisch zu denken gibt,<br />
erhältdasParadoxon<strong>in</strong>e<strong>in</strong>empostmo<strong>der</strong>nenSzenario<strong>der</strong>IchjagdzusätzlicheDr<strong>in</strong>g<br />
lichkeit:„Wenn<strong>der</strong>E<strong>in</strong>zelneIdentitätundSelbstentfaltungdar<strong>in</strong>f<strong>in</strong>det,dasserüber<br />
alles selbst entscheiden kann; wenn er mitten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er IchJagd nach zufälligen<br />
Fundstückengreift;wennerbeliebigeMaterialienkompiliert,imE<strong>in</strong>klangmite<strong>in</strong>er<br />
Authentizität,dieerverme<strong>in</strong>tlich<strong>in</strong><strong>der</strong>eigenenSeelegefundenhabenwill,–dann<br />
mussdieVorschreibunge<strong>in</strong>esKanons,<strong>der</strong>nichtse<strong>in</strong>er<strong>in</strong>dividuellenWahlfreiheitun<br />
terstelltist,fastschonmenschenrechtswidrigersche<strong>in</strong>en“(ebd.,S.190)<br />
Weiter werden die Geschehnisse im Schulzimmer nie nur von Werten bestimmt.<br />
„Trotz<strong>der</strong>B<strong>in</strong>dunganobersteS<strong>in</strong>nNormen[…]schlägte<strong>in</strong>edidaktischeEigenstruktur<br />
durch.DieserVergleichillustriert,wase<strong>in</strong>enormativeDidaktiksichnichte<strong>in</strong>gesteht,<br />
nämlich, dass die lückenlose Deduktion immer nur sche<strong>in</strong>bar ist, dass die obersten<br />
Normendurchausnichtalles<strong>in</strong>nuceenthalten,wasdiedidaktischeKonzeptionent<br />
faltet, dass sich vielmehr die obersten S<strong>in</strong>nNormen gegen zahlreiche didaktische<br />
Sachfragen <strong>in</strong>different verhalten“ (ebd., S.21). Die Normen beantworten nicht alle<br />
Fragen<strong>der</strong>LehrendenundCurriculumverantwortlichen.EsherrschtdasDeduktions<br />
problem. „Im groben handelt es sich hierbei um die Frage, wie konkrete Ziele und<br />
Inhalte<strong>in</strong>Beziehungzusetzens<strong>in</strong>dmitdenübergeordnetenErziehungszielen.In<strong>der</strong><br />
TatstelltsichfürdieLegitimationvonUnterrichtszielenund<strong>in</strong>haltendasProblem,<br />
dieseaufallgeme<strong>in</strong>eErziehungszielezubeziehen.HierfürmüssenVerfahrensregeln<br />
(Deduktionsregeln)zurVerfügungstehen,nachdenensichüberprüfenlässt,obkon<br />
kreteUntersuchungszieleund<strong>in</strong>haltemitdenallgeme<strong>in</strong>enNormenübere<strong>in</strong>stimmen<br />
o<strong>der</strong>nicht“(König,1983,S.591;vgl.Treml,1983,S.434).<br />
ProblematischanformalenBildungstheorienistletztlich,dasssieke<strong>in</strong>eAussagenzu<br />
denbildendenInhaltenmachen(vgl.Blankertz,1991,S.40).FormaleBildungstheorien<br />
s<strong>in</strong>d auf materiale Theorien angewiesen, um geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> sich geschlossene<br />
Bildungstheoriezuformieren.Aufsichalle<strong>in</strong>egestellt,vermögendiematerialenThe<br />
orien ke<strong>in</strong>e Bildungstheorie hervorzubr<strong>in</strong>gen. „Die S<strong>in</strong>nNormen s<strong>in</strong>d zwar <strong>in</strong> allen<br />
didaktischenEntwürfenenthalten,selbstda,wosiegeleugnetwerden,abersieha<br />
ben nur e<strong>in</strong>grenzende Geltung; <strong>in</strong>nerhalb ihres Spielraumes s<strong>in</strong>d sehr verschiedene
128<br />
didaktische Konzeptionen möglich, die zum Teil ebenso <strong>in</strong> die Toleranz an<strong>der</strong>er, ja<br />
entgegenstehen<strong>der</strong> Normen fallen“ (ebd., S.20). Noch e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Worten:<br />
„Siekönnene<strong>in</strong>eDidaktiknure<strong>in</strong>grenzen,alsoallenfallsnegativbestimmen,welche<br />
Formenannehmbars<strong>in</strong>d,nichtaberpositivableitenddiedidaktischeKonzeptionsel<br />
berhervorbr<strong>in</strong>gen“(ebd.,S.24).Esistdeshalbnötig,diean<strong>der</strong>enLegitimationsquel<br />
lenzustudieren.<br />
<br />
6.3. Lebenssituationenund<strong>St</strong>rukturgitter<br />
Bildungpositivzudef<strong>in</strong>ieren,dasvermagdieLegitimationsquelle<strong>der</strong>Lebenssituatio<br />
nen.SieliefertInhalte,<strong>in</strong>demsiesichan<strong>der</strong>BewältigungvonkonkretenLebenssitua<br />
tionenorientiert.„DasGrundpr<strong>in</strong>zipsituationsorientierterCurriculumentwicklunglau<br />
tet,dassdieLebenswirklichkeit<strong>der</strong>LernendenzumBezugspunkt<strong>der</strong>Entwicklungsar<br />
beitgemachtwird,dasheisst,dassdasLernangebotsichaufgegenwärtigeundkünf<br />
tigeLebenssituationenbezieht“(Reetz,1984,S.99).Nunisteske<strong>in</strong>eswegse<strong>in</strong>deutig,<br />
aufwelcheLebenssituationendieAuszubildendenvorbereitetwerdensollen.In<strong>der</strong><br />
<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>gibtesdieWirklichkeit,denLebenswegnichtmehr.Diee<strong>in</strong><br />
geschlagenenLebenswegewerdendieLernendenmitsehrunterschiedlichenHeraus<br />
for<strong>der</strong>ungen konfrontieren. „Was das ‚Leben‘ eigentlich sei, auf das die Erziehung<br />
vorzubereiten habe, welche Situationen dieses Lebens vorrangige Relevanz bean<br />
spruchenmüssen, welche Lern<strong>in</strong>halte eben jene Qualifikationen verlässlich aufbau<br />
ten, ist umstritten. Die Geschichte des pädagogischen Denkens wie <strong>der</strong> erzieheri<br />
schen Praxis und ihrer Institutionen ist die Geschichte <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung um<br />
ebendieseFrage“(Blankertz,1975,S.202).<br />
Es ist Saul B. Rob<strong>in</strong>sohn (1975), <strong>der</strong> mit se<strong>in</strong>er Programmschrift (Blankertz, 1975,<br />
S.205)e<strong>in</strong>elaw<strong>in</strong>enartigeWirkung(ebd.,S.202)auslöste.Erwares,<strong>der</strong>erstmalsden<br />
Begriff <strong>der</strong> Lebenssituationen explizit aussprach und e<strong>in</strong>e Bildung for<strong>der</strong>te, die <strong>der</strong><br />
Bewältigung von praktischen Situationen dient. Der Ansatz von Rob<strong>in</strong>sohn (1975)<br />
entspr<strong>in</strong>gt<strong>der</strong>TraditionmaterialerBildungstheorien.ErorientiertsichandenAufga<br />
ben,dievommenschlichenLebewesenbewältigtwerdensollen.Nichtdiegegenwär<br />
tigeökonomischeSituation,nichtdiegegenwärtigensozialpolitischenVorstellungen,<br />
nichtdiegegenwärtigentechnischenAnfor<strong>der</strong>ungensollendenUnterrichtreformie<br />
ren.„Ichkommedamitzue<strong>in</strong>emviertenmöglichenAnsatz,dem<strong>der</strong>Reformvonden<br />
Inhaltenher“(ebd.,S.9).Rob<strong>in</strong>sohngehtesneben<strong>der</strong>Zentrierung<strong>der</strong>zukünftigzu
129<br />
bewältigenden Probleme darum, <strong>der</strong> willkürlichen Bestimmung <strong>der</strong> Inhalte etwas<br />
entgegenzusetzen. Macht soll durch planbare und transparente Verfahren ersetzt<br />
werden.„Esverhältsichebenso,dassUmfangundKomplexitätdessen,wasdurch<br />
‚Bildung‘ umschrieben wird, dass die gesellschaftspolitische Tragweite curricularer<br />
EntscheidungenunddiePluralität<strong>der</strong>EntscheidungskriterienInstitutionen<strong>der</strong>stän<br />
digen Rationalisierung und Objektivierung von Curriculumplanung notwendig ma<br />
chen“(ebd.,S.10).DieausgewähltenVerfahrendienendazu,unterdenAnspruchs<br />
gruppenE<strong>in</strong>igkeitüberdiezuverfolgendenBildungszielebzw.Bildungs<strong>in</strong>haltezuer<br />
zielen.„UnsereprimäreAufgabeistvielmehr,Methodenzuentwerfen,durchdiege<br />
sellschaftlicherKonsensüberjeneKriterienunddieübersiezukonstituierendenCur<br />
riculaermitteltundaktiviertwerdenkann“(ebd.,S.22).<br />
Zusammengefasst heisst die Frage, die Rob<strong>in</strong>sohn beantwortenwill: „Durch welche<br />
Methodensystematischobjektivieren<strong>der</strong>ErmittlungundgesellschaftlicherOrganisa<br />
tionkönnenCurriculumentscheidungensovorbereitetwerden,dasssieaus‚Beliebig<br />
keit‘,auspädagogischemo<strong>der</strong>politischemDezionismusheraus<strong>in</strong>Formene<strong>in</strong>esratio<br />
nalen Konsens gehoben werden?“ (ebd., S.31). Rob<strong>in</strong>sohn gibt dazugehörig e<strong>in</strong>e<br />
<strong>St</strong>ruktur<strong>der</strong>Antwortvor.„WirgehenalsovondenAnnahmenaus,dass<strong>in</strong><strong>der</strong>Erzie<br />
hung AusstattungzurBewältigung von Lebenssituationen geleistet wird; dass diese<br />
Ausstattunggeschieht,<strong>in</strong>demgewisseQualifikationenunde<strong>in</strong>egewisse‚Disponibili<br />
tät‘ durch die Aneignung von Kenntnissen, E<strong>in</strong>sichten, Haltungen und Fertigkeiten<br />
erworbenwerden;unddassebendieCurriculaund–imengerenS<strong>in</strong>ne–ausgewähl<br />
te Bildungs<strong>in</strong>halte zur Vermittlung <strong>der</strong>artiger Qualifikationen bestimmt s<strong>in</strong>d. Damit<br />
ergibtsichfürdieCurriculumforschungdieAufgabe,Methodenzuf<strong>in</strong>denundanzu<br />
wenden, durch welche diese Situationen und die <strong>in</strong> ihnen gefor<strong>der</strong>ten Funktionen,<br />
diezu<strong>der</strong>enBewältigungnotwendigenQualifikationenunddieBildungs<strong>in</strong>halteund<br />
Gegenstände,durchwelchedieseQualifikationenbewirktwerdensolle,<strong>in</strong>optimaler<br />
Objektivierungidentifiziertwerdenkönnen“(ebd.,S.45).DieOrientierunganLebens<br />
situationenentpupptsichalscurriculareProzesstheorie.ZuihrerSkizzierunggibtRo<br />
b<strong>in</strong>sohn(ebd.)Kriterien,VerfahrensweisenundInstanzenvor(vgl.ebd.,S.47ff.).<br />
DieBeschreibung<strong>der</strong>Verfahren,welchedieAdäquanzvonBildungsgegenständenan<br />
dengenanntenKriterienoptimalmessen(Rob<strong>in</strong>sohn,1975S.48),iste<strong>in</strong>eAufzählung<br />
vonmöglichenForschungsmethoden.„DieFragenach<strong>der</strong>Relevanze<strong>in</strong>esGegenstan<br />
des<strong>in</strong>nerhalbe<strong>in</strong>esbestimmtenWissensbereichesstelltsichalse<strong>in</strong>ewissenschafts<br />
logische,alse<strong>in</strong>edidaktischeundunterUmständenalse<strong>in</strong>ehermeneutischeAufga
130<br />
be“(ebd.,S.48).DieempirischeÜberprüfungkannaufverschiedeneWeisenerfolgen<br />
(ebd., S.48). Als konkrete Methoden nennt Rob<strong>in</strong>sohn (ebd.) psychologische Theo<br />
rien,Hypothesentest,SituationsanalysenunddieBefragungvonExperten(vgl.S.48).<br />
DieAufzählungvermeidetes,dieInstanzenzuumschreiben,die<strong>in</strong>dieHerleitungei<br />
nes Curriculums e<strong>in</strong>bezogen werden sollen. Erwähnt werden lediglich die Wissen<br />
schaftler.Dieswi<strong>der</strong>spricht<strong>der</strong>For<strong>der</strong>ungnache<strong>in</strong>erbreitenAbstützung<strong>der</strong><strong>St</strong>rate<br />
gieentwicklung.DerProzessisterstdannvollständigdef<strong>in</strong>iert,wenn<strong>der</strong>Beitragaller<br />
am Prozess Beteiligten beschrieben worden ist. Rob<strong>in</strong>sohn (ebd.) betont, dass die<br />
Entscheidungen nicht im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es additiven Verfahrens zustande kommen. Zur<br />
ErreichunglegitimierterEntscheidungenmüssendieverschiedenenInstanzenmite<strong>in</strong><br />
an<strong>der</strong>kommunizieren.„DieIntegration<strong>der</strong>ermitteltenAussagenkannsodannnatür<br />
lichnichtdurche<strong>in</strong>additivesVerfahrenerfolgen,son<strong>der</strong>ngeschiehtdurche<strong>in</strong>eAus<br />
wertung,diedatenanalytischeundideologiekritischeMethodenkomb<strong>in</strong>iert.Wieim<br />
mersieaberime<strong>in</strong>zelnenerfolgenmöge,<strong>in</strong>jedemFalleistdieMitwirkungverschie<br />
denergesellschaftlicherInstanzenunddieIntegrationihrerAnsprüchedasentschei<br />
dende Merkmal <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nung e<strong>in</strong>es Konsenses über Curriculumentscheidungen“<br />
(ebd.,S.49).WeitergibtRob<strong>in</strong>son(ebd.)zubedenken,dass<strong>der</strong>Beitrag<strong>der</strong>beteilig<br />
tenInstanzenumsowertvollerist,jekonkreterdieHerausfor<strong>der</strong>ungenausformuliert<br />
s<strong>in</strong>d.„DieAntworten<strong>der</strong>Expertenwerdensachlichumsoverlässlicherundimallge<br />
me<strong>in</strong>enauchumsoideologiefreierse<strong>in</strong>,jepräziser<strong>der</strong>Katalog<strong>der</strong>Gegenständeund<br />
Qualifikationen ist, den man ihnen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Befragung vorgibt“ (ebd., S.49). Es zeigt<br />
sich,dassdieProzesstheorievonRob<strong>in</strong>sohnprimärAussagendarübermacht,wiemit<br />
demKatalog<strong>der</strong>GegenständeundQualifikationenumzugehenist.Wie<strong>der</strong>Katalog<br />
konkret gewonnen werden soll, bleibt dem Willen des Forschers überlassen. Die<br />
Antwortsche<strong>in</strong>tauchhiernurdurche<strong>in</strong>wissenschaftstheoretischesBekenntnismög<br />
lichzuse<strong>in</strong>.<br />
Das Skizzieren von Lebenssituationen ist mit Vorstellungen <strong>der</strong> Zukunft verbunden.<br />
Dies wird vor allem dann deutlich, wenn man sich <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung ruft, dass die Be<br />
stimmung<strong>der</strong>LebenssituationendieAntizipation<strong>der</strong>Zukunftvoraussetzt.„DieEnt<br />
wicklung e<strong>in</strong>es Curriculums basiert auf <strong>der</strong> Annahme, dass die Schulbildung e<strong>in</strong>en<br />
Beitrag zur Bewältigung se<strong>in</strong>er künftigen Lebenssituationen leistet. Das Curriculum<br />
setzt also e<strong>in</strong>e Prognose voraus“ (Frey, 1977, S.7). Frey (ebd.) unterscheidet beim<br />
Blick <strong>in</strong> die Zukunft zwischen e<strong>in</strong>em „Bedürfnisansatz“ und e<strong>in</strong>em „Innovationsan<br />
satz“. „Die Grundfrage beim ‚Bedürfnisansatz‘ lautet: welche Bildung braucht <strong>der</strong>
131<br />
Schüler,umdieVerhaltenssituationenzubewältigen,diesichunterse<strong>in</strong>enaktuellen<br />
Lebensbed<strong>in</strong>gungen und unter jenen ergeben, die sich bei <strong>der</strong> Fortentwicklung <strong>der</strong><br />
aktuellenBed<strong>in</strong>gungenkünftigherausstellen.[…]Bei<strong>der</strong>Verwendungdes‚Innovati<br />
onsansatzes‘ setzen wir voraus, dass sich die Bedürfnislage durch bestimmte Bil<br />
dungsangeboteverän<strong>der</strong>t“(ebd.,S.8).MitdemInnovationsansatzantwortendieCur<br />
riculumentwickler auf die Frage „Welche Wirkungen möchten wir mit e<strong>in</strong>em be<br />
stimmten Bildungsangebot erreichen“ (ebd., S.8). Der Innovationsansatz glaubt an<br />
die Möglichkeit, durch Bildung Gesellschaften verän<strong>der</strong>n zu können, wogegen <strong>der</strong><br />
Bedürfnisansatz von e<strong>in</strong>em <strong>St</strong>atus quo ausgeht. Die beiden Ansätze formieren e<strong>in</strong><br />
Spannungsfeld,<strong>in</strong>demsichdieCurriculumentwicklungbef<strong>in</strong>det.E<strong>in</strong>malorientiertsie<br />
sichzustarkamVergangenen,dasan<strong>der</strong>eMalvertrautsiezustarkaufmöglicheSze<br />
narien<strong>der</strong>Zukunft.„E<strong>in</strong>malwirdgegensie<strong>der</strong>Vorwurfdes‚Konservatismus‘erho<br />
ben,nachdem<strong>der</strong>BezugaufdiegegenwärtigherrschendenErziehungsnormen,<strong>der</strong><br />
beiAnalysendesIstZustandesimmergegebenist,radikaleLösungenzum<strong>in</strong>destver<br />
h<strong>in</strong><strong>der</strong>t,wennnichtgarunmöglichmacht.Zuman<strong>der</strong>enwirdaberandieAdresse<strong>der</strong><br />
Curriculumanalyseauch<strong>der</strong>Vorwurfdes‚Utopismus‘gerichtet:Curriculumforschung<br />
alle<strong>in</strong>e reiche nicht aus, Erziehungs<strong>in</strong>stitutionen und die über diese vermittelten<br />
Normenzuverän<strong>der</strong>n“(Achtenhagen,1975,S.182).DieseArbeitglaubtandieKraft<br />
<strong>der</strong> Bildung und vertritt zusammen mit dem Gestaltungsmodell <strong>Management</strong> 21 den<br />
Innovationsansatz.<br />
DieEntwicklungvonCurriculakommtnichtohnePrognosenundWünscheaus,wie<br />
dasLebene<strong>in</strong>malse<strong>in</strong>könnte(vgl.Frey,1971,S.67).Diesstellt<strong>in</strong>soferne<strong>in</strong>Problem<br />
dar,alsdassvone<strong>in</strong>erwertneutralenBestimmung<strong>der</strong>zubewältigendenLebenssitua<br />
tionenAbschiedgenommenwerdenmuss.NebendasProblem<strong>der</strong>Antizipationtritt<br />
das Problem <strong>der</strong> zweifelhaften Verb<strong>in</strong>dung von Lebenssituationen, Qualifikationen<br />
undInhalten(vgl.Euler&BauerKlebl,ohneDatum;Achtenhagen,1975;Hemmer&<br />
Zimmer, 1975). Wissenschaftstheoretischausgedrückt stösst man auf die Probleme<br />
des <strong>in</strong>duktiven Argumentierens (vgl. Blankertz, 1975, S.203). Damit steht man wie<br />
beimdeduktivenSchliessenvorforschungsmethodischenProblemen(vgl.Chalmers,<br />
2001;Opp,2005;Baumann,2006).Beson<strong>der</strong>sbrisantistdasInduktionsproblem.„Das<br />
Problem entsteht, wenn die Frage aufgeworfen wird, wie die Induktion selbst ge<br />
rechtfertigt werden kann“ (Chalmers, 2001, S.42). Um aber nicht dem skeptischen<br />
Zweifeln zu verfallen, wird auf dem Weg fortgefahren, <strong>der</strong> ausgehend von e<strong>in</strong>em
132<br />
möglichen<strong>Management</strong>modelle<strong>in</strong>möglichesCurriculumvorschlägt.Esiste<strong>in</strong>prakti<br />
schesundke<strong>in</strong>theoretischesProblem,dasdieseArbeitlösenwill.<br />
Jenseits <strong>der</strong> Probleme des <strong>in</strong>duktiven Schliessens werden verschiedene Reaktionen<br />
auf die wachsende <strong>St</strong>offfülle diskutiert. Vorgestellt werden hier die exemplarische<br />
Lehre(vgl.Kapitel6.1)unddidaktische<strong>St</strong>rukturgitter(vgl.Hemmer&Zimmer,1975;<br />
Blankertz, 1991, S.178). Didaktische <strong>St</strong>rukturgitter „dienen <strong>der</strong> mehrdimensionalen<br />
Analyse <strong>der</strong> Bed<strong>in</strong>gungsfel<strong>der</strong> des Lehrens und Lernens. Hierbei wird mittels e<strong>in</strong>es<br />
RastersvonBegriffen(alsMatrixangeordnet)dieWirklichkeitsowohlaufihrensach<br />
lichen Gehalt als auch die damit verbundenen Ansprüche analysiert und didaktisch<br />
rekonstruiert. Zusätzlich werden die Beziehungen zu Kenntnissen, Fertigkeiten und<br />
Fähigkeiten <strong>der</strong> SchülerInnen e<strong>in</strong>gebracht“ (Schrö<strong>der</strong>, 2001, S.76). Mit didaktischen<br />
<strong>St</strong>rukturgittern werden wissenschaftliche Erkenntnisse und pädagogische Absichten<br />
<strong>in</strong>E<strong>in</strong>klanggebracht.DiemöglichenInhaltewerdenanhandvonmaterialenundfor<br />
malenLernzielengefiltertundreduziert.„<strong>St</strong>rukturgittersetzendarumdieleitenden<br />
pädagogischenundpolitischenIntentionenimMediumfachspezifischerSachverhalte<br />
<strong>in</strong> regulative Kriterien um. Sie entstehen, <strong>in</strong>dem grundlegende Sachverhalte, eben<br />
‚<strong>St</strong>rukturen‘,e<strong>in</strong>esGegenstandsfeldesmitdenMittelnundErgebnissene<strong>in</strong>erdieses<br />
FeldauslegendenWissenschaftaufdieedukativeIntentionalitätbezogenundeben<br />
dadurchzuCurriculum<strong>in</strong>haltenkonstituiertwerden“(Blankertz,1975,S.206).<br />
KonkreteBeispielevon<strong>St</strong>rukturgitternf<strong>in</strong>densichbeiGeissler(1995),Kross(1979),<br />
Kell(1971)o<strong>der</strong>Thoma(1971),wobeidieseabstraktundtechnokratischwirkenund<br />
damitwenigpraktischenNutzenstiftenkönnen.ZurVerbesserung<strong>der</strong>kommunikati<br />
ven Funktion <strong>der</strong> <strong>St</strong>rukturgitter wird vorgeschlagen, die hochabstrakten Kategorien<br />
durch bestimmte Ausschnitte <strong>der</strong> Realität zu ersetzen (vgl. Reetz & Seyd, 1983,<br />
S.177).AnstellevonabstraktenInhaltensollenlebensnaheProblemedaraufgeprüft<br />
werden, ob sie bildend wirken und E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> das Curriculum f<strong>in</strong>den. „Wenn Er<br />
kenntnisseundAussagenüberRealitätdiesenichtabbilden,son<strong>der</strong>ndieRealitäterst<br />
<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erjeweilsbeson<strong>der</strong>enPerspektivehervorbr<strong>in</strong>gen,wennWirklichkeitalsopr<strong>in</strong>zi<br />
piellvieldimensionalzufassenist,dannmüssenauchdiekonkretenRealitätsfel<strong>der</strong>,<br />
aufdievorzubereitendasGeschäft<strong>der</strong>Schuleist,<strong>in</strong>ihrerMehrperspektivitätrekon<br />
struiert und erschlossen werden“ (ebd., S.190). Für das <strong>St</strong>udium <strong>der</strong> Betriebswirt<br />
schaftslehrebedeutetdies,dieProblemedesIndividuums,dieProbleme<strong>der</strong>Organi<br />
sationunddieProbleme<strong>der</strong>Gesellschafth<strong>in</strong>sichtlichihrerBedeutung<strong>in</strong>nerhalb<strong>der</strong><br />
ScientificCommunity,aberauchihrerBedeutungfürdasWohlvonIndividuum,Orga
133<br />
nisationundGesellschaftzubeurteilen.DieProblemewerdenvordemH<strong>in</strong>tergrund<br />
desErwerbsvonfachlichenKompetenzenundvordemH<strong>in</strong>tergrundvonüberfachli<br />
chenKompetenzenbewertetwerden.InAnlehnungandasModell 21 sowiedas<strong>in</strong>Ka<br />
pitel 6.4 ausgeführte Bildungsverständnis lässt sich e<strong>in</strong> grobes <strong>St</strong>rukturgitter kon<br />
struieren(vgl.Abb.2).<br />
<br />
Formale<br />
Kriterien<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Materiale<br />
Kriterien Entwicklunge<strong>in</strong>erselbst<br />
bestimmtenIndividualität<br />
Eigenverantwortlicher<br />
UmgangmitOptionen<br />
SozialverantwortlicherUm<br />
gangmitOptionen<br />
ZukunftsverantwortlicherUm<br />
gangmitOptionen<br />
IdentitätdesIndividuums <br />
Identität<strong>der</strong>Organisation <br />
Identität<strong>der</strong>Gesellschaft <br />
<strong>St</strong>rategien<strong>der</strong>Organisation <br />
Organisationsstrukturen <br />
Kulture<strong>in</strong>erOrganisation <br />
Entwicklungsmodi <br />
Transformationskräfte <br />
<br />
<br />
Abb.2:Didaktisches<strong>St</strong>rukturgitter(EigeneDarstellung)<br />
UmgangmitWissen<br />
UmgangmitEmotionen<br />
WissenschaftlichesDenken<br />
undHandeln<br />
Der Wert von didaktischen <strong>St</strong>rukturgittern liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ermöglichung von Diskussio<br />
nen,imZwangzurOffenlegungvonVoraussetzungen,AnnahmenundWerten.Didak<br />
tische <strong>St</strong>rukturgitter ermöglichen das Transparentmachen von Interessen, die von<br />
denverschiedenenAnspruchsgruppenane<strong>in</strong>Curriculumgestelltwerden.„Indessen<br />
muss die <strong>in</strong> je<strong>der</strong> <strong>in</strong>haltlichen Option zwangsläufig enthaltene Interessensbegünsti<br />
gung nicht nur angezeigt, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> diskursiven Verständigung geöffnet werden.<br />
Darumist<strong>der</strong><strong>St</strong>rukturgitteransatzpartizipationsorientiert:nichtalle<strong>in</strong>,umkonkrete<br />
ProblemlösungenalsHilfeundBeratung<strong>der</strong>heuteanstehendenPraxiszuleisten[…]<br />
son<strong>der</strong>n <strong>St</strong>rukturgitter s<strong>in</strong>d als Instrumente angelegt, über die die Beteiligten ihre<br />
InteressenamVerän<strong>der</strong>ungsprozessartikulierenundihreKompetenzalsVotume<strong>in</strong>
134<br />
br<strong>in</strong>genkönnen“(ebd.,S.208).Letztlichistauch<strong>der</strong><strong>St</strong>rukturgitterAnsatze<strong>in</strong>eForm<br />
<strong>der</strong>Verfahrenslegitimation.Erschreibtvor,dassdieInhaltevordemEntscheiddurch<br />
e<strong>in</strong>Kriterienrastergeordnetundbewertetwerden.IndiesesRasterkönnenBildungs<br />
vorstellungen,dieErgebnissevon(Lebens)Situationsanalyseno<strong>der</strong>wissenschaftliche<br />
Erkenntnissefliessen.„<strong>St</strong>rukturgitters<strong>in</strong>dKriteriensätze,ke<strong>in</strong>efertigenCurriculao<strong>der</strong><br />
InstrumentezuihrertechnischenHerstellung“(Blankertz,1975,S.207).Abersieun<br />
terstützendieGenerierungvon<strong>St</strong>rategien,weilsieGedankenvisualisierenundUn<br />
ausgesprochenesauszusprechenhelfen.<br />
<strong>St</strong>rukturgitter setzen wissenschaftstheoretische Reflexionen voraus. Das Ausfüllen<br />
des<strong>St</strong>rukturgitterssetztvoraus,dasssichdieCurriculumentwicklerdarüberverstän<br />
digthaben,wasWissenschaftistundwieundwarumundfürwen<strong>in</strong>ihremFachEr<br />
kenntnissegewonnenwerden.WeraufwissenschaftlicheErkenntnissedesManage<br />
mentszurückgreifenwill,umKriterienane<strong>in</strong>Betriebswirtschaftsstudiumherzuleiten<br />
o<strong>der</strong>ume<strong>in</strong>CurriculummitInhaltenzufüllen,musssichzuerstmit<strong>der</strong>Frageausei<br />
nan<strong>der</strong>setzen,was<strong>Management</strong>ist.Ermussausweisen,welchenS<strong>in</strong>nundZwecker<br />
unserenOrganisationenzuschreibtundwelchesdieMöglichkeitenundGrenzendes<br />
<strong>Management</strong>s<strong>in</strong>ihnenist.<br />
<br />
6.4. AusweisdesBildungsverständnisses<br />
Wieangedeutet,müssenfürdieErarbeitungundKommunikatione<strong>in</strong>esBildungsver<br />
ständnisses die vorgestellten Legitimationsquellen mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung ge<br />
brachtwerden.DieLegitimationsquellenstehenstellvertretendfürdiemenschlichen<br />
Zeitebenen(vgl.Klafki,1970).DieÜberw<strong>in</strong>dungihrerGegensätzemissl<strong>in</strong>gtdurchad<br />
ditiveAne<strong>in</strong>an<strong>der</strong>reihung.„Zweifelloshülfeesunsgarnichts,wennwirdasimS<strong>in</strong>ne<br />
e<strong>in</strong>erSummierung<strong>der</strong>dreiAufsätzeversuchenwollten,etwanachdemhäufiganzu<br />
treffenden Schema: Nicht nur die Vergangenheit verdient <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erziehung Berück<br />
sichtigung, son<strong>der</strong>n auch die Gegenwart und die Zukunft. Die Aufgabe heisst viel<br />
mehr, die <strong>in</strong>neren Beziehungen <strong>der</strong> sche<strong>in</strong>bar radikal gegensätzlichen Motivationen<br />
aufzudecken und die <strong>in</strong> den drei Grundtypen getrennten pädagogischen Motive im<br />
S<strong>in</strong>nedialektischenDenkens<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erneuengedanklichenE<strong>in</strong>heit‚aufzuheben‘“(ebd.,<br />
S.20).DieBewältigungdieserAufgabegel<strong>in</strong>gtdadurch,dassdiedreiZeitebenenalle<br />
ihre Berechtigungzugesprochen erhalten. Man nutzt die Vorzüge <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnenDi<br />
mensionenundfügtsiezue<strong>in</strong>emneuenAnsatzzusammen.„Injedem<strong>der</strong>dreiGrund
135<br />
ansätze erkannten wir e<strong>in</strong> wahres, gültiges pädagogisches Motiv, das nicht e<strong>in</strong>fach<br />
wie<strong>der</strong> aufgegeben werden darf, nachdem es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte des pädagogischen<br />
Denkense<strong>in</strong>malzumBewusstse<strong>in</strong>gekommenist.AberdieIsolierungundVerabsolu<br />
tierung<strong>der</strong>e<strong>in</strong>seitigan<strong>der</strong>Vergangenheit,e<strong>in</strong>seitigan<strong>der</strong>Gegenwarto<strong>der</strong>e<strong>in</strong>seitig<br />
an<strong>der</strong>ZukunftausgerichtetenpädagogischenTheorienundPraktikenzeitigtedoch<br />
so gefährliche Konsequenzen, dass aus erzieherischer Verantwortung heraus jedes<br />
malProtesterhobenwerdenmusste.Sosche<strong>in</strong>tesmirdieAufgabezuse<strong>in</strong>,diewah<br />
renMomente<strong>in</strong>jedem<strong>der</strong>dreiAnsätzefestzuhaltenundzue<strong>in</strong>erneuenE<strong>in</strong>heitzu<br />
sammenzudenken“(ebd.,S.20).<br />
DieRegelndesZusammenführensgeltenauchfürdieformalenundmaterialenBil<br />
dungstheorien. Die Ansätze können nicht lose vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> behandelt werden. Die<br />
Inhaltes<strong>in</strong>daufsichentwickelndeSubjekteangewiesen.DiesichentwickelndenSub<br />
jektes<strong>in</strong>daufInhalteangewiesen(vgl.Ebert,1986).Ebert(ebd.),<strong>der</strong>zumWerkvon<br />
Klafki promovierte, konstatiert e<strong>in</strong>e Erstarrung <strong>der</strong> beiden Ansätze. „Emanzipatori<br />
sche Erziehung hätte ihre Normen und Werte durch die Erfor<strong>der</strong>nisse historischer<br />
Realität im H<strong>in</strong>blick auf die natürlichen und sozialen Lebensbed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Men<br />
schenzufundieren.DiesenWegversperrtsiesichmethodischselbst,<strong>in</strong>demsieden<br />
MassstabhistorischerObjektivitätausblendet.Damitaberwirde<strong>in</strong>empädagogischen<br />
Subjektivismus und politischen Voluntarismus <strong>der</strong> Weg bereitet, die oft <strong>in</strong> blosser<br />
Kritiko<strong>der</strong><strong>der</strong>Illusionenden,‚Inseln<strong>der</strong>Freiheit‘schaffenzukönnen.DieQualifika<br />
tionsforschungh<strong>in</strong>gegenmüsstesichdazuverstehen,diepädagogischeWirklichkeit<br />
umfassen<strong>der</strong>zubegreifen,alsesdienurempirischenInstrumenteihrerAnalyseges<br />
tatten. Gegenstand <strong>der</strong> Pädagogik und Bildung im umfassenden S<strong>in</strong>n ist immer die<br />
beson<strong>der</strong>eWechselwirkungvonObjektundSubjekt,vonGesellschaftundIndividuum,<br />
vonGeschichteundwerden<strong>der</strong>Persönlichkeit“(ebd.,S.9).<br />
Damit ist die Gegenüberstellung von Inhalt und Subjekt theoretisch überwunden.<br />
Klafki(1964)zeigt,dassformaleundmaterialeBildungstheoriendiezweiSeiten<strong>der</strong><br />
gleichenMedailles<strong>in</strong>d.„BildungnennenwirjenesPhänomen,andemwir–imeige<br />
nenErlebeno<strong>der</strong>imVerstehenan<strong>der</strong>erMenschen–unmittelbar<strong>der</strong>E<strong>in</strong>heite<strong>in</strong>essub<br />
jektiven(formalen)unde<strong>in</strong>esobjektiven(materialen)Moments<strong>in</strong>newerden.DerVer<br />
such,dieerlebteE<strong>in</strong>heit<strong>der</strong>Bildungsprachlichauszudrücken,kannnurmitHilfever<br />
schränken<strong>der</strong>Formulierungengel<strong>in</strong>gen:BildungistErschlossense<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erd<strong>in</strong>glichen<br />
und geistigen Wirklichkeit für e<strong>in</strong>en Menschen (objektiver Aspekt), aber das heisst<br />
zugleich: Erschlossense<strong>in</strong> dieses Menschen für diese se<strong>in</strong>e Wirklichkeit (subjektiver
136<br />
Aspekt)“ (ebd., S.297). Für die Vere<strong>in</strong>igung <strong>der</strong> objektiven und subjektiven Aspekte<br />
vonBildungführtKlafkidenBegriff<strong>der</strong>KategorialenBildunge<strong>in</strong>.„KategorialeBildung<br />
bezeichnetnachKlafki<strong>in</strong>TheorieundPraxisdenProzessunddieResultate<strong>in</strong>dividuel<br />
lerFähigkeitsentwicklungalsdialektischeVermittlungobjektivmaterialerundsubjek<br />
tivformalerBestimmungendeskonkretenBildungsgeschehens“(Ebert,1986,S.12).<br />
KategorialeBildungzeichnetsichdadurchaus,dassdasObjektiveunddasSubjektive<br />
durchdieAneignung<strong>der</strong>objektivenWeltdurchdase<strong>in</strong>zigartigeSubjekt<strong>in</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
überfliessen. Das Subjekt entwickelt sich im „Medium <strong>der</strong> objektivallgeme<strong>in</strong>en In<br />
haltlichkeit“(vgl.Kron,2004,S.85).„DiesedoppelseitigeErschliessunggeschiehtals<br />
Sichtbarwerdenvon‚allgeme<strong>in</strong>en‘Inhaltenauf<strong>der</strong>objektivenSeiteundalsAufgehen<br />
‚allgeme<strong>in</strong>er‘ E<strong>in</strong>sichten, Erlebnisse, Erfahrungen auf <strong>der</strong> Seite des Subjekts. An<strong>der</strong>s<br />
formuliert:DasSichtbarwerdenvon‚allgeme<strong>in</strong>en‘Inhaltenauf<strong>der</strong>Seite<strong>der</strong>‚Welt‘ist<br />
nichts an<strong>der</strong>es als das Gew<strong>in</strong>nen von ‚Kategorien‘ auf <strong>der</strong> Seite des Subjekts. Je<strong>der</strong><br />
erkannteo<strong>der</strong>erlebteSachverhaltauf<strong>der</strong>objektivenSeitelöstnichte<strong>in</strong>esubjektive,<br />
‚formale‘Kraftauso<strong>der</strong>istÜbungsmaterialsolchersubjektivenKräfte,son<strong>der</strong>nerist<br />
selbst ‚Kraft‘ (<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em übertragenen S<strong>in</strong>ne), <strong>in</strong>sofern – und nur <strong>in</strong>sofern – er e<strong>in</strong><br />
<strong>St</strong>ückWelterschliesstundverfügbarmacht.Diesogenannten‚Kräfte‘,‚Funktionen‘,<br />
‚Anlagen‘desIndividuumss<strong>in</strong>dnur<strong>in</strong>soferngebildet,alssiedurche<strong>in</strong>ewesentliche,<br />
erschliessendeInhaltlichkeitgeformts<strong>in</strong>d;dieseInhaltlichkeitan<strong>der</strong>erseitsgehörtnur<br />
<strong>in</strong>soferndemGebildetenwahrhaftzu,alssievonihrem‚Wesen‘herverstandenund<br />
e<strong>in</strong>geordnetundzurKategoriese<strong>in</strong>esgeistigenLebensgewordenist.Bildungistalso<br />
‚kategorialeBildung‘<strong>in</strong>demDoppels<strong>in</strong>ne,dasssichdemMenschense<strong>in</strong>eWirklichkeit<br />
kategorialerschlossenhatunddassebendamiterselbstdank<strong>der</strong>selbstvollzogenen<br />
kategorialen E<strong>in</strong>sichten, Erfahrungen, Erlebnisse für diese Wirklichkeit erschlossen<br />
wordenist“(Klafki,1964,S.298).<br />
Gerade<strong>in</strong>Zeiten,<strong>in</strong>denen<strong>der</strong>OptionenzerfallandauerndzuneuenAusgangssituati<br />
onen führt, vermag e<strong>in</strong> Bildungsverständnis Sicherheit zu stiften. Die traditionellen<br />
For<strong>der</strong>ungendesPersönlichkeitspr<strong>in</strong>zips,dieIndividualität<strong>der</strong>Lernendenzuför<strong>der</strong>n,<br />
erreichene<strong>in</strong>eneueDimension.Esgehtnichtmehrnurdarum,dieZögl<strong>in</strong>gezuMün<br />
digkeit,Kritikfähigkeit,Entscheidungsfähigkeit,KreativitätundProblemlösungsfähig<br />
keitzuerziehen(vgl.Reetz,1984)unddamitmitWaffenfürdenKampfgegenherr<br />
schendeKlassenauszustatten(vgl.Ebert,1986;Rolff,1988;Zabeck,1984).DemIndi<br />
viduumsolldurchBildungdieArbeitanse<strong>in</strong>erIdentitätermöglichtwerden.DemIn<br />
dividuumsolle<strong>in</strong>eallgeme<strong>in</strong>eBildungermöglichtwerden,diedasZurechtkommen<strong>in</strong>
137<br />
<strong>der</strong> <strong>Multioptionsgesellschaft</strong> gestattet. Die Allgeme<strong>in</strong>bildung setzt sich nach Klafki<br />
(1996)aus<strong>der</strong>FähigkeitzurSelbstbestimmung,aus<strong>der</strong>FähigkeitzurMitbestimmung<br />
und<strong>der</strong>FähigkeitzurSolidaritätzusammen(vgl.S.52).BildunghatdamitbeiKlafki<br />
sowohle<strong>in</strong>Element,dassichamWohldesIndividuumsausrichtet,alsauche<strong>in</strong>Ele<br />
ment, das sich am Wohl <strong>der</strong> Gesellschaft ausrichtet. Bildung soll dazu dienen, das<br />
WohlvonIndividuumundGesellschaftzuoptimieren.<br />
Euler (1994) reduziert die Fähigkeiten zur Selbstbestimmung, Mitbestimmung und<br />
Solidarität <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er sozio<strong>in</strong>formationstechnischen Bildung auf zwei Verantwortlich<br />
keiten.„DasIndividuumsollzielorientierte,<strong>in</strong>formationstechnischunterstützte,öko<br />
nomischeInformationsaufgabeneigenundsozialverantwortlichbewältigenkönnen“<br />
(ebd., S.259). Eigenverantwortlichkeit wird von Euler (ebd.) dah<strong>in</strong>gehend präzisiert,<br />
als dass das Individuum ke<strong>in</strong> passiver Informationsempfänger, son<strong>der</strong>n „e<strong>in</strong> aktiv,<br />
schöpferischtätigesSubjektist“(ebd.,S.259).DaseigenverantwortlicheIndividuum<br />
nützt die Freiheiten <strong>der</strong> Gesellschaft mündig, „d.h. unter Anwendung des eigenen<br />
Verstandes,ohneLeitunge<strong>in</strong>esan<strong>der</strong>en“(ebd.,S.259).Esbefreitsichvon„Abhängig<br />
keiten und Zwängen und ersetzt diese durch e<strong>in</strong>e positive Situationsbestimmung“<br />
(ebd.,S.260).EszeichnetsichdurchdieFähigkeitzurSelbstreflexionaus.„Diesimpli<br />
ziert die Fähigkeit, sich selbst im aktuellen Handeln erfahren und die handlungslei<br />
tendenWerteundNormenbestimmenzukönnen“(ebd.,S.260).Eulerpräzisiertauch<br />
dieSozialverantwortlichkeit.„SozialverantwortlichkeitschliesstdieFähigkeite<strong>in</strong>,ak<br />
tivzugunstensolcherMenschene<strong>in</strong>zutreten,dienichteigenverantwortlichhandeln<br />
können.Sozialverantwortlichkeitbezeichnete<strong>in</strong>eregulativeIdee,dieüberdieNächs<br />
tenethikbish<strong>in</strong>zue<strong>in</strong>erVerantwortungfürsolcheMenschenreicht,die<strong>in</strong>dieWillkür<br />
von Machstrukturen geraten s<strong>in</strong>d und dort ihrer Freiheit beraubt werden“ (ebd.,<br />
S.260).SozialverantwortlichkeitumfasstdieFähigkeiten,„Konsequenzendeseigenen<br />
HandelnsimH<strong>in</strong>blickaufdieBegrenzung<strong>der</strong>Freiheitenan<strong>der</strong>erzuerkennen“(ebd.,<br />
S.260), „das eigene Handeln an universellen Grundsätzen ausrichten zu können“<br />
(ebd.,S.260)und„dieToleranzgegenüberan<strong>der</strong>enKonstruktionenvonWirklichkeit,<br />
auchwenndiesewe<strong>der</strong>sachlichgeteiltwerdenkönnennocherstrebenswerterschei<br />
nen“(ebd.,S.261).<br />
Euler formuliert se<strong>in</strong> Bildungsverständnis unabhängig von <strong>der</strong> Multioptionsgesell<br />
schaft.DurchdasZusammenführendesBildungsverständnissesvonEulermit<strong>der</strong>Ge<br />
sellschaftsdiagnosevonGrosswirddasGedankengutme<strong>in</strong>erbeidenDoktorvätermit<br />
e<strong>in</strong>an<strong>der</strong>verknüpft.SelbstundSozialverantwortlichkeitkönnenohnegrosseUmwe
138<br />
ge<strong>in</strong>e<strong>in</strong>enZusammenhangmitdensichmultiplizierendenOptionengebrachtwer<br />
den.Selbstverantwortlichkeitistdann<strong>der</strong>selbstverantwortlicheUmgang,Sozialver<br />
antwortung<strong>der</strong>sozialverantwortlicheUmgangmitOptionen.WasgenaudieserUm<br />
gangbedeutet,kannbeiEuler(ebd.)anentsprechen<strong>der</strong><strong>St</strong>ellenachgelesenwerden.<br />
WiebeiEuler(ebd.)werdendieVerantwortlichkeitenandasbestehendeWertkon<br />
zeptvonDahrendorf(1979)angebunden.Lebenschancens<strong>in</strong>dGelegenheitenfür<strong>in</strong><br />
dividuellesHandeln,diesichausdemWechselspielvonOptionenundLigaturener<br />
geben (ebd., S.55). Möglichkeiten ohne B<strong>in</strong>dungsmöglichkeiten machen allerd<strong>in</strong>gs<br />
wenigS<strong>in</strong>n.DieMenschens<strong>in</strong>d<strong>in</strong>e<strong>in</strong>ermultioptionalenWeltunglücklichohneB<strong>in</strong><br />
dungen,dieihnenSicherheitofferieren.DahrendorfsprichtvonLigaturen.„Ligaturen<br />
stiftenBezügeunddamitFundamentedesHandelns.[…]Ligaturens<strong>in</strong>dZugehörigkei<br />
ten;mankönntesieauchB<strong>in</strong>dungennennen.[…]Vom<strong>St</strong>andpunktdese<strong>in</strong>zelnenstel<br />
len sich Ligaturen als Bezüge dar. Sie geben dem Ort, den er <strong>in</strong>nehat, Bedeutung.<br />
Überhaupt kennzeichnen Ligaturen das Element des S<strong>in</strong>ns und <strong>der</strong> Verankerung,<br />
währendOptionendasZielunddenHorizontdesHandelnsbetonen“(ebd.,S.51).<br />
Lebenbedeutetwieweiterobengesehen,siche<strong>in</strong>en<strong>in</strong>dividuellenWegdurchdie<strong>in</strong><br />
denMaslowpyramidenund<strong>St</strong>ockwerken<strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>angesammel<br />
tenOptionenzubahnen.BildungheisstimRahmendieser<strong>St</strong>udie,denLernendenAr<br />
beitanihrerIdentitätzuermöglichen.DieIdentitätsarbeitschliesst,wieweiteroben<br />
gesehen,dieAufgaben<strong>der</strong>ExplorationunddesCommitmentse<strong>in</strong>.Nurwersichex<br />
tensivmitdensichihmbietendenbzw.ebensichnichtbietendenChancenause<strong>in</strong>an<br />
<strong>der</strong>setztundsichbewusstundmitSicherheitzumGefundenenbekennt,istfähig,das<br />
<strong>St</strong>adium<strong>der</strong>Identitätsreifezuerlangen.Das<strong>St</strong>rebennachIdentitätschliesstdenEr<br />
werb von Sozialverantwortung e<strong>in</strong>. „Selbstverwirklichung f<strong>in</strong>det also e<strong>in</strong>e neue Be<br />
stimmung.Siekannnichtmehrdar<strong>in</strong>gesehenwerden,dass<strong>der</strong>Menschsichzuse<strong>in</strong>er<br />
höchsten <strong>in</strong>dividuellen Ausdrucksform bildet, son<strong>der</strong>n dar<strong>in</strong>, dass er sich selbst <strong>in</strong><br />
Szenesetzt,um<strong>in</strong>jeneBildungh<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zuf<strong>in</strong>den,aus<strong>der</strong>herausgesellschaftlicheund<br />
weltweiteVerantwortungentspr<strong>in</strong>genkann“(Kron,2004,S.86).Das<strong>St</strong>rebensoll<strong>in</strong><br />
den Erwerb von Zukunftsverantwortung e<strong>in</strong>gebunden se<strong>in</strong> (vgl. QuadbeckSeeger,<br />
1998).„WieimmerneueBildungsidealedef<strong>in</strong>iertwerden,siemüssenunterdemAs<br />
pekt<strong>der</strong>Verantwortlichkeitsichselbst,<strong>der</strong>Gesellschaftund<strong>der</strong>Zukunftgegenüber<br />
gewertetwerden“(ebd.,S.67).Bildungsollsichan<strong>der</strong>Zukunftausrichtenunde<strong>in</strong>e<br />
nachhaltige Entwicklung von Individuum und Gesellschaft garantieren. Das Indivi<br />
duumsolllernen,sichnachhaltigzuverhalten,sichalsosozuverhalten,dassdieheu
139<br />
tigenBedürfnissegedecktwerden,ohnedieMöglichkeitkünftigerGenerationenzu<br />
schmälern, ihre Bedürfnisse befriedigen zu können (vgl. BrundtlandBericht, 1987).<br />
Bildung bedeutet die Befähigung zu e<strong>in</strong>em eigen, sozial und zukunftsverantwortli<br />
chenUmgangmitdenOptionen,mitdenendie<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>dasIndivi<br />
duumkonfrontiert.
140<br />
7. ProblemorientiertesLernen<br />
7.1. UrsprüngedesproblemorientiertenLernens<br />
Kapitel7widmetsich<strong>der</strong>methodischenUmsetzung<strong>der</strong><strong>in</strong>denbisherigenKapiteln<br />
erarbeitetenBildung.AufgrunddesImplikationszusammenhangskönnenCurriculum<br />
und Methoden nicht getrennt vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> betrachtet werden (vgl. Frey, 1975,<br />
S.406). Das Curriculum muss auch aus <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Lehr und Lernprozesse<br />
weiterentwickeltwerden(vgl.Giel&Hiller,1970,S.739).DieseArbeitfolgtdenIdeen<br />
des problemorientierten Lernens und stellt <strong>in</strong> diesemKapitel <strong>der</strong>en Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
an die Betriebswirtschaftslehre vor. Durch das Aufzeigen <strong>der</strong> Ursprünge des prob<br />
lemorientiertenLernenswirddasVerständnisfürse<strong>in</strong>eFor<strong>der</strong>ungenerleichtert.<br />
Es ist <strong>der</strong> Konstruktivismus, <strong>der</strong> die erkenntnistheoretischen Grundlagen <strong>der</strong> prob<br />
lemorientiertenDidaktikklärt.UmsichdasLerneno<strong>der</strong>bessergesagtdiedamitver<br />
bundenen Lernprozesse konkreter vorzustellen, greifen die Konstruktivisten häufig<br />
aufdenEntwicklungspsychologenPiagetzurück(vgl.vonGlaserfeld,1997,S.98ff.).Im<br />
Zentrum<strong>der</strong>IdeenvonPiaget(1979)stehenzweiModi<strong>der</strong>VerarbeitungvonErfah<br />
rungen,dieAssimilationunddieAkkommodation.DasPorträtierendesmenschlichen<br />
LernprozessesdurchAssimilationundAkkommodationreichtabernichtaus,umdie<br />
Gesamtheit<strong>der</strong>didaktischenVariablendef<strong>in</strong>ierenzukönnen.AufbreiterFrontwird<br />
bezweifelt, dass <strong>der</strong> Konstruktivismus e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Didaktik zu formulieren ver<br />
mag(vgl.Euler&Hahn,2004;Terhart,1999;Diesbergen,1998).„Dersehraufwendi<br />
geArgumentationsh<strong>in</strong>tergrunddesdidaktischenKonstruktivismusliefertke<strong>in</strong>e<strong>in</strong>sich<br />
homogene neue Theorie <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Didaktik. Der Argumentationsh<strong>in</strong>tergrund<br />
istvielmehralse<strong>in</strong>eAgglomeration<strong>in</strong>sichheterogener,z.T.kompatibler,z.T.sichwi<br />
<strong>der</strong>sprechen<strong>der</strong>Versatzstückezubezeichnen“(Terhart,1999,S.644).DenVersatzstü<br />
ckenfehltausserdem<strong>der</strong>nötigeNeuheitsgehalt(vgl.Euler&Hahn,2004,S.521).Als<br />
Versatzstücke,diezurHeterogenitätdeskonstruktivistischenLernensführen,gehö<br />
ren<strong>der</strong>radikaleKonstruktivismus,dieNeurobiologiedesErkennens,dieSystemtheo<br />
rie, aktuelle kognitionspsychologische Lernkonzeptionen, die Kybernetik und die<br />
Kommunikationswissenschaft(vgl.ebd.;Terhart,1999).„AmEndeistdannnichtnur<br />
nichtmehrklar,wasKonstruktivismus<strong>in</strong>se<strong>in</strong>enverschiedenenSpielarteneigentlich<br />
ist.Darüberh<strong>in</strong>ausbleibtunklar,wasaufdieserschwerzubestimmendenBasisdann<br />
konstruktivistischeDidaktiknochse<strong>in</strong>kann“(Terhart,1999,S.631).Durchdiesever<br />
schiedenenHerkünfteentstehte<strong>in</strong>esehrheterogeneTheorie.UnterdenZulieferern
141<br />
sprichtmane<strong>in</strong>ean<strong>der</strong>eSprache.ManargumentiertaufunterschiedlichenAbstrakti<br />
onsebenen. Man bezieht unterschiedliche Positionen im Gefüge zwischen Theorie<br />
undPraxis.DadurchwirddieTheorieunscharf,une<strong>in</strong>heitlichundunvollständig.<br />
Als Prozesstheorie liefert <strong>der</strong> Konstruktivismus jedoch H<strong>in</strong>weise auf die Frage, wie<br />
LernendeErkenntnissekonstruierenundwiemanihnenfolglichalsLehrendeHilfe<br />
stellungengebenkann.Lerneniste<strong>in</strong>Prozess,<strong>der</strong>se<strong>in</strong>enAnfangbeimlernendenIn<br />
dividuumnimmt.DasIndividuumlerntimKonstruktivismus,umse<strong>in</strong>eErfahrungswelt<br />
zuordnenunddavonausgehendProblemezubewältigen(vgl.vonGlaserfeld,1987,<br />
S.280).DasLösenvonProblemenbildetbeidenKonstruktivistennichtnurdenEnd<br />
punktdesLernens.VonGlaserfeld(1997)sprichtexplizitvonProblemen,diealsAus<br />
löservonLernprozessenfungieren.„Problemlösenistzweifellose<strong>in</strong>sehrleistungsfä<br />
higes erzieherisches Werkzeug. Ich glaube jedoch, dass se<strong>in</strong>e Leistungsfähigkeit er<br />
heblichgesteigertwerdenkann,wennesdem<strong>St</strong>udentenSpassmacht“(ebd.,S.293).<br />
DieLernendenerarbeitensichgemässvonGlaserfeld(ebd.)imModus<strong>der</strong>Zufrieden<br />
heit nachhaltige Konstruktionen. „Der Anreiz neue Probleme zu bewältigen, ent<br />
spr<strong>in</strong>gtmitgrosserWahrsche<strong>in</strong>lichkeit<strong>der</strong>lustvollenBefriedigung,diedurchdieer<br />
folgreichenLösungenvonProblemen<strong>in</strong><strong>der</strong>Vergangenheithervorgerufenwurde.Es<br />
istdieFasz<strong>in</strong>ation,e<strong>in</strong>eMöglichkeitzuerkennen,sieauszuarbeitenunde<strong>in</strong>Ergebnis<br />
zuerzielen,dasallenÜberprüfungenstandhält,diemanselbstdurchführenkann.[…]<br />
WennSchülerdurchihreeigenenInteressenbewegtwerden,e<strong>in</strong>ebestimmteSituati<br />
onzuuntersuchenundbegrifflichzuerfassen,dannwerdendiebegrifflichenVerän<br />
<strong>der</strong>ungen, die sie im Prozess <strong>der</strong> Reflexion vornehmen, wesentlich soli<strong>der</strong> se<strong>in</strong>, als<br />
wennsieihnenvone<strong>in</strong>emLehreraufgezwungenwerden“(ebd.S.291;S.302).<br />
NebendemKonstruktivismusgibtesan<strong>der</strong>eTheoriendesLernens,diealsVerwandte<br />
des problemorientierten Lernens bezeichnet werden. Dies gilt zum Beispiel für die<br />
handlungsorientierteDidaktik(vgl.Dörig,1997;Gudjons,2001).„Handlungsorientier<br />
teDidaktikstütztsich<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emzentralenAspektaufdiePrämisse,dassdasLernenauf<br />
die handlungskompetente, das heisst planende, durchführende und kontrollierende<br />
BewältigungvonPraxisproblemenvorbereitensoll.ZudemwirddieberuflicheHand<br />
lungskompetenz<strong>in</strong>diesemZusammenhangnichtaufdiekognitivsachlicheDimension<br />
e<strong>in</strong>esProblemsbegrenzt,son<strong>der</strong>neswerdengleichermassenBezügezurFör<strong>der</strong>ung<br />
vonSelbstundSozialkompetenzenalsüberfachlicheDimensionendesLernens<strong>in</strong>teg<br />
riert.AusdiesenFestlegungenergibtsichzwarnichtzwangsläufigdieMaxime,auch<br />
denLernprozessanhandvonPraxisproblemenzuorganisieren,dochbietetsich<strong>der</strong>
142<br />
Problembezugalse<strong>in</strong>everzahnendeKategoriezwischendemErwerbvonHandlungs<br />
kompetenzenimRahmenvonLebenssituationenund<strong>der</strong>AnwendungdieserKompe<br />
tenzenimRahmenvonPraxissituationenan“(Euler&Hahn,S.110f.).ImH<strong>in</strong>blickauf<br />
die Skizzierung des problemorientierten Lernens ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
handlungsorientierten Didaktik herausgearbeitete Zweck des Lernens von zentraler<br />
Bedeutung. „Aus pädagogischer Perspektive ist zudem die Ausrichtung an e<strong>in</strong>em<br />
Menschenbild hervorzuheben, das Lernen nicht als Folge e<strong>in</strong>er Aussensteuerung<br />
durchReizeversteht,son<strong>der</strong>nvone<strong>in</strong>erInnensteuerungdurche<strong>in</strong>selbstbestimmtes<br />
Subjektausgeht.IndiesemKontextbestehtdieAufgabe<strong>der</strong>Didaktikdar<strong>in</strong>,denMen<br />
schenaufdieBewältigungvonberuflichenAufgaben[…]vorzubereiten,wobeidiese<br />
Handlungenerstdannbewältigtwerdenkönnen,wennsie<strong>in</strong>allenPhasenkompetent<br />
ausgeführtwerdenkönnen“(ebd.,S.60).<br />
DiehandlungsorientierteDidaktikverlangtdieAusrichtungdesLernensaufdieE<strong>in</strong><br />
übung <strong>der</strong> Bewältigung von konkreten Situationen. Diese Situationen werden im<br />
problemorientiertenLernenalsProblemeverstanden.SiebildenAusgangspunktund<br />
vorläufigenAbschlussvonLernprozessen.„AmAnfangje<strong>der</strong>Handlungstehte<strong>in</strong>e‚Dis<br />
sonanz‘,d.h.e<strong>in</strong>eechteFragestellung,e<strong>in</strong>Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>klaffenvonaktuellerundge<br />
wünschterKompetenz,e<strong>in</strong>evomAktorselbstwahrgenommeneDiskrepanzzwischen<br />
e<strong>in</strong>emnichtbefriedigtenBedarfund<strong>der</strong>Vorstellunge<strong>in</strong>eserreichbarenZustand,<strong>in</strong><br />
demdieseDiskrepanzbeseitigtist“(Gudjons,2001,S.69).DemIndividuumstiftetdie<br />
Überw<strong>in</strong>dung<strong>der</strong>Diskrepanze<strong>in</strong>enpersönlichenNutzen.Lernengeschieht<strong>in</strong>e<strong>in</strong>em<br />
aktiven Modus, <strong>der</strong> die Subjektivierung <strong>der</strong> wahrgenommenen Dissonanz voraus<br />
setzt.„DerHandelndebestimmtselbst(und/o<strong>der</strong>mitan<strong>der</strong>en)überdasVorhaben,<br />
er ist an <strong>der</strong> Planung beteiligt, identifiziert sich mit dem S<strong>in</strong>n des Ganzen“ (ebd.,<br />
S.69).DerLehrerverzichtetdarauf,Wissenfürse<strong>in</strong>eLernendenzukonstruieren.Er<br />
konzentriertsichstattdessenaufdasOrganisieren<strong>der</strong>Lernprozesse.UmdieseForde<br />
rungen umsetzen zu können, rücken Problemlösungsprozesse (vgl. ebd., S.60; Ach<br />
tenhagen & John, 1992) und die Konstruktion von LernLehrUmgebungen <strong>in</strong> den<br />
Vor<strong>der</strong>grund(vgl.Kohler,2007;Kaiser&Hohmann,2006;Wosnitza,2004).<br />
E<strong>in</strong>ezweiteVerwandte<strong>der</strong>problemorientiertenDidaktikistdieexemplarischeLehre.<br />
DieexemplarischeLehremachtdeutlich,dassCurriculamitstellvertretendenInhalten<br />
arbeiten.DieFor<strong>der</strong>ungnache<strong>in</strong>erexemplarischenLehreresultiertaus<strong>der</strong>Vermeh<br />
rung <strong>der</strong>Inhalte, die von e<strong>in</strong>erGeneration an die nächsten weitergegeben werden<br />
könnten(vgl.Scheuerl,1958,S.VII;Wagensche<strong>in</strong>,1991,S.28).„AuszweiRichtungen
143<br />
kommtdieseGefahr:E<strong>in</strong>malvonaussen,vonwodasgeschichtlichgewordeneLehr<br />
gefügeüberhäuftwirdmitdenamorphenMengenaktuellerTagesanfor<strong>der</strong>ungen,die<br />
sichunter<strong>der</strong>Parole<strong>der</strong>‚Lebensnähe‘versammeln.Zuman<strong>der</strong>enzeigtdastraditio<br />
nelle Lehrgefüge aber auch von <strong>in</strong>nen heraus den Hang zur Wucherungen: Je<strong>der</strong><br />
Zweig möchte für sich – und sei es aufKosten<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en –recht breitausladend<br />
undkräftigse<strong>in</strong>“(ebd.,S.1).WasimUnterrichtbehandelt,imSelbststudiumaufgear<br />
beiteto<strong>der</strong><strong>in</strong>e<strong>in</strong>erDissertationverarbeitetwird,istdemnachimmernure<strong>in</strong>eAus<br />
wahl,e<strong>in</strong>e<strong>St</strong>ichprobedesmöglichenWissens.„DerBegriffdes‚Exemplarischen‘be<br />
zeichnetke<strong>in</strong>eSubstanzundke<strong>in</strong>emitSubstantiellemfürimmerverbundeneQuanti<br />
tät,son<strong>der</strong>neriste<strong>in</strong>eRelationsbegriff“(Scheuerl,1964,S.82).Wagensche<strong>in</strong>(1991)<br />
braucht für dieses Relationsverhältnis das Bild e<strong>in</strong>es Spiegels. „Das E<strong>in</strong>zelne, <strong>in</strong> das<br />
mansichhierversenkt,istnicht<strong>St</strong>ufe,esiste<strong>in</strong>SpiegeldesGanzen“(S.32).<br />
WasalsExempelherzuhaltenhat,ist<strong>in</strong>jedemFallneuzudef<strong>in</strong>ieren(vgl.Scheuerl,<br />
1958,S.VII).ImmergiltdieAbsicht,durchExempelbzw.durchParadigmen,Typen,<br />
Fälle,Muster,Modelle,Gleichnisseo<strong>der</strong>Analogien(vgl.ebd.,S.39ff.;vgl.Klafki,1963)<br />
diePerspektive<strong>der</strong>Lernendenmit<strong>der</strong>jenigen<strong>der</strong>Lehrendenzuvergleichen,objekti<br />
ve Tatsachen und subjektive Interessen zu vere<strong>in</strong>en, anhand von stellvertretenden<br />
Bespielene<strong>in</strong>egrössere<strong>St</strong>offfüllezuerschliessen.„DieexemplarischeLehreistdop<br />
pelseitig:AllesExemplarischeistzugleichexemplarischfürjemandenundfüretwas.<br />
Esschlägte<strong>in</strong>eBrücke.DieseBrückeistvonzweiSeitenausunterverschiedenemAs<br />
pektzubetrachten:Aus<strong>der</strong>Perspektivedesjee<strong>in</strong>maligen,personalenBildungsgangs<br />
undunterdemGesichtspunktdesjee<strong>in</strong>maligen,personalenBildungsgangsundunter<br />
demGesichtsw<strong>in</strong>kel<strong>der</strong>jeweiligenLehre,dieobjektiveGeltungbeansprucht“(ebd.,<br />
S.82).DurchdieExempelwerdenLernundLehrprozessmite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>verschränkt.Die<br />
LehrendenofferierenihrenLernendenExempel,die<strong>in</strong>haltlichstellvertretendfürdie<br />
zubewältigende<strong>St</strong>offfüllestehen,„e<strong>in</strong>umfassen<strong>der</strong>esEtwaswirddurche<strong>in</strong>heraus<br />
gehobenesBeispielrepräsentiert“(ebd.,S.82).GleichzeitigermöglichendieBeispiele<br />
e<strong>in</strong>eWeiterentwicklungim<strong>in</strong>dividuellenBildungsgang.„Fürdenje<strong>in</strong>dividuellenBil<br />
dungsgang<strong>der</strong>Personistexemplarischdas,was‚Epochemacht‘,was‚e<strong>in</strong>fürallemal‘<br />
e<strong>in</strong>neuesVerhalten,e<strong>in</strong>enneuenSach,Werto<strong>der</strong>Erlebnisbereicherschliesst.Sol<br />
chejee<strong>in</strong>maligen,unvertauschbarenSchrittekönnensichanGegenständeno<strong>der</strong>Er<br />
fahrungstatsachenvollziehen,diefürsichbetrachtetnichtsE<strong>in</strong>maligesundUnvers<br />
tauschbareszuhabenbrauchen.IhrexemplarischerWertistals<strong>St</strong>ellenwert<strong>in</strong>nerhalb<br />
desBildungsgangsbezogenaufdiejeweiligeBiographie“(ebd.,S.82).
144<br />
ExemplarischesLernensetztdasSichversenken<strong>in</strong>e<strong>in</strong>Themavoraus.DieLernenden<br />
sollendieInhalte<strong>in</strong>ihrerTiefeverstehenlernen.„ManfängtnichtbeidenGrundla<br />
genan;man‚steigtirgendwoe<strong>in</strong>‘undführtdiesichimmertiefere<strong>in</strong>bohrende,sich<br />
immer<strong>in</strong>nigermit<strong>der</strong>ThematikvertrautmachendeFrageundForschungshaltungbis<br />
zurKlärung<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emAllgeme<strong>in</strong>enundGrundlegendenfort.Manschreitetaufdiesem<br />
WegevonEntdeckungzuEntdeckung,d.h.manprovoziertdasSuchenun<strong>der</strong>leichtert<br />
das F<strong>in</strong>den: kurz man geht hier heuristisch vor“ (Derbolav, 1963, S.31). Auf diesen<br />
Entdeckungsreisenlöstmansichvon<strong>der</strong>drängelndenSirene,diedasLernen<strong>in</strong>45<br />
M<strong>in</strong>utenGefässezw<strong>in</strong>gt.„Andie<strong>St</strong>elle<strong>der</strong>‚Erledigungsmasch<strong>in</strong>eriedesUnterrichts‘,<br />
dessystematischenDurchlaufensundAbhandelnsdesganzenimLehrplanumrisse<br />
nenundsachlogischgeglie<strong>der</strong>ten<strong>St</strong>offgebietes,trittzunächstdieE<strong>in</strong>ladung,sichun<br />
beschwertimThematischene<strong>in</strong>zulassen,unddiesauflängereSicht“(ebd.,S.33).E<strong>in</strong>e<br />
solcheE<strong>in</strong>ladungmussnotgedrungenvonExempelnausgehen,diedurchsubjektive<br />
Relevanz (vgl. Euler & Hahn, 2004, S.111) brillieren und deshalb e<strong>in</strong>ladend auf die<br />
Lernendenwirken.Wagensche<strong>in</strong>(1991)schreibtzudiesemBrillieren:„DieBallungen,<br />
Plattformen, müssen auch auf <strong>der</strong> Subjektseite Ballungen <strong>der</strong> Aktivität des K<strong>in</strong>des<br />
se<strong>in</strong>.Siemüssene<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glichund<strong>in</strong>ständigse<strong>in</strong>,<strong>in</strong>dieSacheh<strong>in</strong>e<strong>in</strong>und<strong>in</strong>denSee<br />
lengrunddesLernendenh<strong>in</strong>e<strong>in</strong>“(S.34).DieTiefenbohrungeneignensich,umdieHer<br />
kunft, den Ursprung, die Geschichte e<strong>in</strong>es Problems zu ergründen. Die genetische<br />
MethodebetrachtetesalszentraleAufgabedesUnterrichts,dieEntstehung<strong>der</strong>D<strong>in</strong><br />
ge,<strong>der</strong>PhänomeneundGedanken<strong>in</strong>sZentrumvonLehrundLernprozessenzurü<br />
cken (vgl. Landwehr, 2003; Schüpbach, 2000, S.210; Derbolav 1972, S.38). Auf das<br />
<strong>St</strong>udium <strong>der</strong> Betriebswirtschaftslehre übertragen, bedeutet diesdie Notwendigkeit,<br />
anhand von Problemen immer auch wissenschaftliche Methoden zu vertiefen und<br />
e<strong>in</strong>zuübenbzw.erkenntnistheoretischePositionenunterscheidenundbeurteilenzu<br />
lernen.Esbedeutet,dieVorstellungen<strong>der</strong><strong>Management</strong>lehre<strong>der</strong>Vergangenheitzu<br />
entdeckenund<strong>in</strong>dieZukunftweiterzudenken.<br />
Dadurch,dasssiesiche<strong>in</strong>lassen,leistendieLernendenIdentitätsarbeit.„DerLernen<br />
desollausdieserBegegnungmit<strong>der</strong>wissenschaftlichdurchklärtenWelt[…],aus<strong>der</strong><br />
BegegnungmitdemGeist<strong>der</strong>Wissenschaftnamentlichselbermenschlichnichtunge<br />
för<strong>der</strong>tentlassenwerden“(Wagensche<strong>in</strong>,1972.,S.38).DiemenschlicheEntwicklung<br />
me<strong>in</strong>tdieEntwicklungundEntfaltung<strong>der</strong>Individualität<strong>der</strong>Lernenden.„DieSpiege<br />
lungmussnichtnurdasGanzedesFaches,–imgünstigenFalledasGanze<strong>der</strong>geisti<br />
genWelt–,siemussauchdasGanzedesLernenden[…]erhellen(Wagensche<strong>in</strong>,1991,
145<br />
S.34).Esgel<strong>in</strong>gtdadurch,dassdieLernendenundnichtdieLehrendendieFragenstel<br />
len.„DasThemamussalsozwaraufe<strong>in</strong>eSchlüsselposition<strong>in</strong>mittendesFachgefüges<br />
zielen,aberebennurzielen,nichtschondorte<strong>in</strong>setzen;esmussalsoauch<strong>in</strong>mitten<br />
des‚Lebens‘stehen.Immermussese<strong>in</strong>eFragese<strong>in</strong>,abere<strong>in</strong>eFragedesUnbefange<br />
nen,desLaien,desschonDenkenden,aber–relativzumZiel–nochnichtWissenden.<br />
Alsonichte<strong>in</strong>eFragedesLehrersandieApparatur,son<strong>der</strong>ne<strong>in</strong>eFragedesSchülers<br />
andieNatur“(ebd.,S.7f.).DieFragen<strong>der</strong>Schülergehorchenke<strong>in</strong>enLehrbüchernund<br />
ke<strong>in</strong>enwissenschaftlichenDiszipl<strong>in</strong>en.DieExempelverlangendurchihreOrientierung<br />
an<strong>der</strong>Wirklichkeite<strong>in</strong>eAuflösung<strong>der</strong>fachlichen<strong>St</strong>rukturenundDiszipl<strong>in</strong>en.„Dass<br />
schliesslichbeie<strong>in</strong>ersolchenbreiten<strong>St</strong>reuung<strong>der</strong>ThemenwahlauchdieFachgrenzen<br />
nicht immer geschlossen gehalten werden können, ja dass dabei im Gegenteil die<br />
Nachbarfächer(undnichtnursie)<strong>in</strong>Kooperationengezogenwerden,dieweitüber<br />
dasAusmass<strong>der</strong>üblichenKonzentrationspraxish<strong>in</strong>ausgeht,iste<strong>in</strong>weitererrevoluti<br />
onärerZugdiesesVorgehens.Mansiehtalso,wiegrundlegende<strong>in</strong>ernsthaftdurch<br />
dachtes und durchgeführtes exemplarisches Vorgehen am bestehenden Organisati<br />
onspr<strong>in</strong>zipdeshöherenSchulunterrichtsrütteln,umnichtzusagen,mitihmaufräu<br />
menwürde“(Derbolav,1972,S.33).<br />
DerletztehierporträtierteVerwandtedesproblemorientiertenLernensistdassitu<br />
ierteLernen(vgl.Holoch,2002;Greeno,1998).DieVertreterdessituiertenLernens<br />
heben die Spezifität <strong>der</strong> Situation hervor, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lernprozesse stattf<strong>in</strong>den. „The<br />
situativeperspectiveemphasizesaspectsofproblemspacesthatemerge<strong>in</strong>activity,<br />
the<strong>in</strong>teractiveconstructionofun<strong>der</strong>stand<strong>in</strong>g,andpeople’sengagement<strong>in</strong>activities,<br />
<strong>in</strong>clud<strong>in</strong>gtheircontributionstogroupfunctionsandtheirdevelopmentof<strong>in</strong>dividual<br />
identities“(Greeno,1998,S.14).DieQualität,dasErgebnis,<strong>der</strong>Inhalte<strong>in</strong>esLernpro<br />
zesseshängtvomKontextab.„DenndiezentraleGrundannahmealler,auch<strong>der</strong>zum<br />
TeilsehrunterschiedlichenModelledesSituiertenLernensist,dassKognitionennicht<br />
isoliertvomsozialeno<strong>der</strong>vomkulturellenKontext,<strong>in</strong>demMenschendenken,lernen,<br />
handeln,zubetrachtens<strong>in</strong>d.Sowohldas,wasMenschenwissen,lernenunddenken,<br />
alsauchdieFormen,wiesielernenunddamitkonkretpraktischundmentalumge<br />
hen, steht <strong>in</strong> unmittelbarer Wechselwirkung zu ihrer Umgebung“ (Holoch, 2002,<br />
S.31).Situationenliegennichte<strong>in</strong>fachvor,siewerdenvondenBeteiligtenaktiver<br />
schaffen.„Menschens<strong>in</strong>daus<strong>der</strong>SichtdesSituiertenLernensnichte<strong>in</strong>fach<strong>in</strong>Situa<br />
tionen,abhängigvondenBed<strong>in</strong>gungen,dieihnene<strong>in</strong>eSituationauferlegt(sowie<strong>der</strong>
146<br />
Inhalte<strong>in</strong>esGefässesdurchdessenFormgeprägt);son<strong>der</strong>nSituationenwerdenvon<br />
<strong>der</strong>UmgebungunddemIndividuumaktivundgeme<strong>in</strong>samgeschaffen“(ebd.,S.31).<br />
DassituierteLernenbesagtweiter,dasssichWert,S<strong>in</strong>nundZwecke<strong>in</strong>esbestimmten<br />
Wissensimmer<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emsozialenKontextergeben.Wissenbildetse<strong>in</strong>enWerterst<strong>in</strong><br />
<strong>der</strong>Interaktionmitan<strong>der</strong>enMenschenheraus.„Wissenbef<strong>in</strong>detsichnichtprimär<strong>in</strong><br />
denKöpfenvonMenschen,son<strong>der</strong>nesistimmer<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emsozialenKontextsituiert“<br />
(ebd.,S.65).DieAuslegungdessituiertenLernensgehtsoweit,dassalleLebenssitua<br />
tionen als LernSituationen konzipiert werden. Die Situiertheit des Lernens bezieht<br />
sich auf die Anwendungs und die Erwerbssituation. „In our view, learn<strong>in</strong>g is not<br />
merelysituated<strong>in</strong>practice–asifitweresome<strong>in</strong>dependentlyreifiableprocessthat<br />
just happened to be located somewhere; learn<strong>in</strong>g is an <strong>in</strong>tegral part of generative<br />
socialpractice<strong>in</strong>thelivedworld”(Lave&Wenger,1991,S.35).DerH<strong>in</strong>weisaufdie<br />
Omnipräsenz von Lernsituationen konkretisiert das situierte Lernen dah<strong>in</strong>gehend,<br />
dassLernen<strong>in</strong>e<strong>in</strong>ersozialenWelt,alsonichtunabhängigvomgesamtgesellschaftli<br />
chenKontextstattf<strong>in</strong>detundalledidaktischenProzesseauchaufe<strong>in</strong>ersozialenEbene<br />
designt werden müssen. Lehrende und Lernende bilden e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>schaft um die<br />
ausgewähltenProbleme(vgl.Gruberetal.,2000,S.143).IndieserGeme<strong>in</strong>schaftler<br />
nen die Lernenden nicht nur <strong>in</strong>haltlich, son<strong>der</strong>n auch methodisch vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Als<br />
Expert<strong>in</strong> kommt jedes e<strong>in</strong>zelne Mitglied e<strong>in</strong>er Lerngeme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong>frage. Auch die<br />
Lernenden können <strong>in</strong>haltliche und methodische Vorbil<strong>der</strong> se<strong>in</strong> (vgl. Holoch, 2002,<br />
S.66;vgl.Grzega,2003).<br />
Schliesslich kann den Theorien des situierten Lernens entnommen werden, dass <strong>in</strong><br />
Lernprozessen zum Aufbau von langfristig stabilen Handlungskompetenzen <strong>der</strong> be<br />
handelte<strong>St</strong>offausunterschiedlichenPerspektivenbetrachtetwerdensollte(vgl.Eu<br />
ler&Hahn,2004,S.383).Ansonstendroht<strong>der</strong>ErwerbvonträgemWissen.„,Träge‘<br />
istWissendann,wennesnichtflexibelaufverschiedeneProblemeübertragenwer<br />
denkann,es‚klebt‘dannsozusagenan<strong>der</strong>Lernsituationfest.Wissenbleibt‚träge‘,<br />
wennesadditivgespeichertwird,stattmitdemVorwissenmöglichstgutverbunden<br />
beziehungsweise vernetzt zu werden. Diese Vernetzung ist deshalb wichtig, weil <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>erAnwendungssituationnure<strong>in</strong>PunktimNetzwerkangesprochenwerdenmuss,<br />
umdasgesamteNetzzuaktivieren“(ebd.,S.383).DieLösungdesTransferproblems<br />
liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Dekontextualisierung des Wissens. „Soll das Wissen für neue Anwen<br />
dungssituationen nutzbar gemacht werden, so muss es von diesem ersten Kontext<br />
gelöst,dasheisstdekontexualisiertwerden.[…]DieLösungvomKontextsollimRah
147<br />
men<strong>der</strong>konstruktivistischenPositionabernichtsoerfolgen,dassdasabstraktePr<strong>in</strong><br />
zipnunwie<strong>der</strong>ohneSituationsbezuggespeichertwird.Dekontextualisierungbedeu<br />
tetvielmehr,dieabstrahierteProblemlösungmitmöglichstvielenunterschiedlichen<br />
Situationenzuverknüpfen“(ebd.,S.384).E<strong>in</strong>enflexiblenUmgangmitihrenKompe<br />
tenzenerwerbendieLernendendann,wennsiewährenddesErwerbs<strong>der</strong>Kompeten<br />
zenmultiplePerspektivenaufe<strong>in</strong>ebestimmteProblemstellunge<strong>in</strong>nehmen.„Dasselbe<br />
LerngebietistzuverschiedenenZeiten,<strong>in</strong>verän<strong>der</strong>tenKontexten,unterverän<strong>der</strong>ter<br />
ZielsetzungundausunterschiedlichenkonzeptuellenPerspektivenzubeleuchten.Die<br />
semitcrisscross<strong>in</strong>gtheknowledgedoma<strong>in</strong>umschriebene<strong>in</strong>struktionaleMassnahme<br />
för<strong>der</strong>tdieGenerierungmultiplerunddamitflexiblerWissensrepräsentationen,was<br />
e<strong>in</strong>ewichtigeVoraussetzungfürdasVerständniskomplexerProblemsituationenund<br />
denTransfervonWissenaufneueSituationendarstellt“(Gruberetal.,2000,S.144).<br />
7.2. DasproblemorientierteLernen<br />
Wer sich zum problemorientierten Lernenbekennt, <strong>der</strong> nimmtdie Orientierung an<br />
ProblemenzurLeitl<strong>in</strong>iefürdasgesamtedidaktischeHandelnan.„Imallgeme<strong>in</strong>enS<strong>in</strong><br />
ne bezeichnet es das Postulat, das studentische Lernen an subjektiv bedeutsamen<br />
Fragen,AufgabenundProblemstellungenauszurichten.EsstütztsichaufdiePrämis<br />
se,dassdas<strong>St</strong>udierenaufdiehandlungskompetente,dasheisstplanende,durchfüh<br />
rende und kontrollierende Bewältigung von Praxisproblemen vorbereiten soll. Die<br />
Handlungskompetenzwirddabe<strong>in</strong>ichtnuraufdiekognitivsachlicheDimensione<strong>in</strong>es<br />
Problems begrenzt, son<strong>der</strong>n es werden gleichermassen Bezüge zur För<strong>der</strong>ung von<br />
SelbstundSozialkompetenzenalsüberfachlicheDimensionendesLernens<strong>in</strong>tegriert“<br />
(Euler,2005,S.264).<br />
Das problemorientierte Lernen ist wie die konstruktivistische Pädagogik ke<strong>in</strong> voll<br />
ständigneuerWurf.SchonfrühermusstendiePädagogenihreLernendenmitspan<br />
nenden Fragen motivieren, beschäftigen, fesseln, prüfen und an die Grenzen ihrer<br />
Personführen.„LernenanhandauthentischerProblemespieltnatürlichbereits<strong>in</strong>äl<br />
terenKonzeptionen<strong>der</strong>Pädagogikbzw.<strong>der</strong>pädagogischenPsychologiee<strong>in</strong>ezentrale<br />
Rolle. Allerd<strong>in</strong>gs wurde dafür nicht immer <strong>der</strong> Begriff ‚problemorientiertes Lernen‘<br />
verwendet“(Gräsel,1997,S.16).DieForscherdesproblemorientiertenLernensstos<br />
senaufunterschiedlicheWurzeln.WährendsichEuler(2005)aufdiekonstruktivisti<br />
scheDidaktik,diehandlungsorientierteDidaktikunddassituierteLernenbezieht(vgl.
148<br />
auchEuler&Hahn2004),stütztsichGräsel(1997)nebendemsituiertenLernenauf<br />
dieFachdidaktik<strong>der</strong>Mediz<strong>in</strong>,dasentdeckendeLernen,dasfallorientierteLernen,die<br />
FallstudienmethodikundreformpädagogischeAnsätze(vgl.S.16ff.).BeiKohler(1998)<br />
f<strong>in</strong>det man H<strong>in</strong>weise auf den Pragmatismus. Etwas überraschend bezieht sich<br />
Soostmeyer(1978)<strong>in</strong><strong>der</strong>frühenPublikation„ProblemorientiertesLernenimSachun<br />
terricht“ auf die Wissenschaftsorientierung, allerd<strong>in</strong>gs orientiert sich se<strong>in</strong> problem<br />
zentriertesLernenstarkandenMethodendesProblemlösens.Dr<strong>in</strong>an(1997)erwähnt<br />
dasexperimentallearn<strong>in</strong>g,dasse<strong>in</strong>erMe<strong>in</strong>ungnachdieproblemorientierteVermitt<br />
lung von Lernzielen auf hohen Taxonomiestufen abdeckt. In dieser Arbeit wurde<br />
schliesslichversucht,dasproblemorientierteLernenmitdemKonstruktivismus,dem<br />
exemplarischenLernenund<strong>der</strong>kategorialenBildung<strong>in</strong>Verb<strong>in</strong>dungzubr<strong>in</strong>gen.Nicht<br />
ausgearbeitet wurde die Feststellung, dass Lernprozesse auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklungs<br />
psychologie(vgl.Erikson,2004;2005),<strong>der</strong>systemorientiertenErkenntnistheorie(vgl.<br />
Maturana & Varela, 1987) o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Motivationspsychologie (vgl. Rhe<strong>in</strong>berg, 2002)<br />
durchProblemeausgelöstwerden.DasproblemorientierteLernengibtesdemnach<br />
nicht.DaraufverweistDr<strong>in</strong>an(1997)<strong>in</strong>se<strong>in</strong>emmitdemTitel„ThelimitsofProblem<br />
based Learn<strong>in</strong>g“ überschriebenen Artikel deutlich. „The possible permutations and<br />
comb<strong>in</strong>ationsofdesignvariables<strong>in</strong>problembasedlearn<strong>in</strong>gareendless.Itisanamal<br />
gamofteach<strong>in</strong>gstrategies”(S.333f.).Hierliegt<strong>der</strong>zentraleE<strong>in</strong>wandgegendasprob<br />
lemorientierte Lernen: Es ist eher e<strong>in</strong>e Ansammlung von Ansätzen, denn e<strong>in</strong>e ge<br />
schlosseneTheorie,aus<strong>der</strong>diee<strong>in</strong>zelnenVariablendesdidaktischenHandelnsabge<br />
leitetwerdenkönnten.<br />
Gräsel(1997)zeigtanhanddesMediz<strong>in</strong>studiums,dassdasproblemorientierteLernen<br />
alsReaktionaufdidaktischeMissständeanPopularitätgewonnenhat.„Im<strong>St</strong>udium<br />
wirdzuvielWertaufisoliertesFaktenwissengelegt.Zusammenhangswissen,speziell<br />
fächerübergreifendesWissen,kommtdagegenzukurz.DasWissen,dasim<strong>St</strong>udium<br />
vermitteltwird,kanndeshalb<strong>in</strong><strong>der</strong>kl<strong>in</strong>ischenPraxisnichtgutangewendetwerden.<br />
Obwohl junge Ärzte e<strong>in</strong>e sehr lange Ausbildungszeit h<strong>in</strong>ter sich haben, zeigen sie<br />
Schwierigkeitenbei<strong>der</strong>Lösungkl<strong>in</strong>ischerProbleme.Problemlösungsstrategien–spe<br />
ziell<strong>St</strong>rategiendesdiagnostischenDenkens–werdenim<strong>St</strong>udiumnurweniggelehrt.<br />
DieFähigkeitunddieMotivationzulebenslangemLernenwerdenim<strong>St</strong>udiumnicht<br />
ausreichendgeför<strong>der</strong>t.DerextremschnelleWissenszuwachsimFachMediz<strong>in</strong>würde<br />
dies aber erfor<strong>der</strong>n, denn Ärzte sollten sich nach Ende ihre <strong>St</strong>udiums eigenständig<br />
über Neuentwicklungen <strong>in</strong>formieren“ (ebd., S.17). Die angesprochenen Mängel des
isoliertenFachwissens,<strong>der</strong>mangelhaftenPraxisorientierung,<strong>der</strong>fehlendenVorberei<br />
149<br />
tungaufdaslebenslangeLernenund<strong>der</strong>ständigeWissenszuwachss<strong>in</strong>dauch<strong>in</strong>ande<br />
ren <strong>St</strong>udienrichtungen anzutreffen. Sie betreffen gerade das <strong>Management</strong>studium,<br />
dastraditionellerweisewiedieMediz<strong>in</strong>e<strong>in</strong>eanwendungsorientierteWissenschaftist<br />
(vgl.Ulrich,2001b).<br />
DasproblemorientierteLernenistähnlichwiedie<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>e<strong>in</strong>holisti<br />
schesPr<strong>in</strong>zip.Eserklärtdiegrossenunddiekle<strong>in</strong>enFragen.Eskannsowohlfürmik<br />
rodidaktischeM<strong>in</strong>ientscheide,fürdieEntwicklunge<strong>in</strong>esE<strong>in</strong>stiegs<strong>in</strong>e<strong>in</strong>eLektion,für<br />
dieKonzeptione<strong>in</strong>eszweitägigenWorkshopsalsauchfürdieGestaltunge<strong>in</strong>es<strong>St</strong>u<br />
diengangs benutzt werden. Euler & Hahn (2004) machen aber darauf aufmerksam,<br />
dassdasproblemorientierteLernennichtane<strong>in</strong>ebestimmteMethodikgebundenist.<br />
DemimKlassenzimmerstehendenLehrerwirdbezüglichMethodenfreieHandgelas<br />
sen. „Problemstellungen können <strong>in</strong> unterschiedliche Lernumgebungen e<strong>in</strong>gebettet<br />
werden. Dabei ist hervorzuheben, dass die problemorientierte Didaktik nicht zw<strong>in</strong><br />
gend mit Formen e<strong>in</strong>es hochgradig selbstgesteuerten, entdeckenden Lernens ver<br />
bundenist.WesentlichistdieGrundlegunge<strong>in</strong>ersubjektivalsherausfor<strong>der</strong>ndwahr<br />
genommenProblemstellung,dieRaumzumNachdenkenundEntwickelnvonLösun<br />
genbietet.Auche<strong>in</strong>Vortrago<strong>der</strong>e<strong>in</strong>Lehrgesprächkönnenproblemorientiertausge<br />
richtetse<strong>in</strong>.Wesentlichistdabeijedoch,dass<strong>in</strong>VorträgennichtAntwortenzue<strong>in</strong>em<br />
ungenanntenProblemo<strong>der</strong><strong>in</strong>Lehrgesprächenke<strong>in</strong>eRatespieleveranstaltetwerden,<br />
son<strong>der</strong>n herausfor<strong>der</strong>nde Probleme zum Ausgangspunkt des Nachdenkens und <strong>der</strong><br />
Lösungserarbeitungwerden“(S.112f.).<br />
DiedenLernendenvorgesetztenProblemewerdennachverschiedenenKriteriendif<br />
ferenziert(Euler&Hahn,2004,S.347).Neben<strong>der</strong>DifferenzierungnachTaxonomies<br />
tufen (vgl. Bloom, 1973) können die Probleme „nach dem Umfang <strong>der</strong> gegebenen<br />
InformationenunddemGradanUnsicherheit,dendieProblemstellungbeidemLer<br />
nenden auslöst“ (Euler & Hahn, 2004., S.346), klassifiziert werden. Euler & Hahn<br />
(ebd.) unterscheiden, auf Dörner (1979) rekurrierend, zwischen Interpolationsprob<br />
lemen, Entdeckungs bzw. <strong>St</strong>rukturierungsproblemen und dialektischen Problemen<br />
(S.348ff.).Vonbeson<strong>der</strong>emInteresseersche<strong>in</strong>enimH<strong>in</strong>blickaufdieErarbeitungei<br />
nes Curriculums die dialektischen Probleme. „Dialektische Probleme s<strong>in</strong>d dadurch<br />
gekennzeichnet,dass<strong>der</strong>Zielzustandzunächstnochvageist.Darausergibtsich,dass<br />
nichtnurnachMittelngesuchtwird,son<strong>der</strong>nauchnachWegen,dasZielzupräzisie<br />
ren“(Euler&Hahn,2004,S.358).NachDörner(1979)fehlenzudemdieKriterienzur
150<br />
Beurteilung<strong>der</strong>Lösungen.AuchsiemüssenvondenLernendenentwickeltwerden.<br />
„Der wesentliche Unterschied des dialektischen Problemlösens zu allen an<strong>der</strong>en<br />
FormendesProblemlösensbestehtdar<strong>in</strong>,dassdieKriterienfürdieBeurteilungdes<br />
angestrebtenEndzustandesmitdiesemzusammenentstehen“(ebd.,S.102).ImAlltag<br />
<strong>der</strong>ManagerwirdessichnahezuimmerumdialektischeProblemehandeln.Nursel<br />
tens<strong>in</strong>dimAlltag<strong>der</strong>ManagerAusgangslage,Wege,ZieleunddieKriterien<strong>der</strong>Kont<br />
rolle bekannt. <strong>St</strong>udierende müssen, um gute Manager und <strong>Management</strong>wissen<br />
schaftlerzuwerden,währendihres<strong>St</strong>udiumslernen,mitdiesenoffenen,unsicheren<br />
Situationenumzugehen.<br />
Aufgabe<strong>der</strong>Lehrendenistesnichtnur,ihreLernendenmitProblemenzuprovozie<br />
ren.SiesollenmitihnenauchdasLösenvonProblementra<strong>in</strong>ieren.Dabeistehtdie<br />
Hilfe zur Selbsthilfe im Vor<strong>der</strong>grund (vgl. Euler & Hahn, 2004, S.359). Soostmeyer<br />
(1978)verweistdarauf,dassdasselbstständigeErarbeitenvonLösungenmehralsdas<br />
Abspulen von vorgegebenen Problemlösungsstrategien verlangt. Er unterscheidet<br />
zwischen e<strong>in</strong>em entdeckenden und e<strong>in</strong>em forschenden Lernen. „Unter dem Begriff<br />
des‚Entdeckens‘könnendiejenigenLernundDenkprozesseverstandenwerden,die<br />
nicht unbed<strong>in</strong>gt nach den Regeln methodologisch gesicherter Verfahren verlaufen<br />
undzurF<strong>in</strong>dungundLösungvonProblemenführen.[…]UnterdemBegriffdes‚For<br />
schens‘ können sowohl die heuristischen, explorativen und <strong>in</strong>tuitiven als auch die<br />
nach den Regeln methodologisch gesicherter Verfahren verlaufenden Lern und<br />
Denkprozesse verstanden werden“ (ebd., S.174).DasE<strong>in</strong>üben von Problemlösungs<br />
methoden geht <strong>in</strong> e<strong>in</strong> eigenständiges Problemerkennen über. „Die Schüler sollen<br />
durchdieBehandlungaltersadäquaterLern<strong>in</strong>halteunddiezunehmendeMethodisie<br />
rung<strong>der</strong>Lernprozesseerfahren,wieProblemegefundenundgelöstwerden“(ebd.,<br />
S.176). Die Lernenden sollen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Betriebswirtschaftsstudium mit Ergebnissen<br />
undProblemlösungsmethoden,aberauchmitdemGeistdesForschensbekanntge<br />
machtwerden.<br />
Die Gestalter von problemorientierten LernLehrUmgebungen achtenim S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong><br />
kategorialenBildungdarauf,dassdieausgewähltenProblemefachlicheundüberfach<br />
liche Kompetenzen för<strong>der</strong>n. Dieses Postulat muss selbstverständlich nicht <strong>in</strong> je<strong>der</strong><br />
Unterrichtse<strong>in</strong>heitundauchnicht<strong>in</strong>je<strong>der</strong>LernLehrSequenzerfülltwerden.„Analog<br />
istdasPostulatzubeurteilen,Problemstellungensollten‚mehrdimensional‘angelegt<br />
se<strong>in</strong>. Unabhängig davon, dass die meisten Probleme das Potenzial besitzen, neben<br />
SachauchSozialundSelbstlernkompetenzenzuaktivieren,hängtdieAktualisierung
151<br />
desPotenzialsdavonab,welcheLernzieleunterdengegebenenRahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
verfolgtwerdensollen.Sokannesdurchausbegründetse<strong>in</strong>,bestimmteLerne<strong>in</strong>hei<br />
tenaufdieFör<strong>der</strong>ungvonSachkompetenzenzubegrenzen,währendsichan<strong>der</strong>e<strong>in</strong><br />
beson<strong>der</strong>er Weise auf überfachliche Handlungskompetenzen konzentrieren. Dies<br />
sprichtnichtdagegen,mehrdimensionaleZielbezügezuverfolgen–eswirdjedoch<strong>in</strong><br />
Frage gestellt, dass e<strong>in</strong> konkreter Lernprozess im Rahmen <strong>der</strong> problemorientierten<br />
Didaktik immer alle Dimensionen zugleich anstreben sollte“ (Euler & Hahn, 2004,<br />
S.112). Anstatt das gesamte Spektrum an möglichen Kompetenzen zu för<strong>der</strong>n,<br />
sche<strong>in</strong>tess<strong>in</strong>nvoll,sichaufe<strong>in</strong>igewenigeKompetenzenzukonzentrierenunddiese<br />
dafürklarauszuweisenundgezieltzuför<strong>der</strong>n.Dazuistesnötig,dasse<strong>in</strong>eBildungs<strong>in</strong><br />
stitutiondenÜberblicküberihreCurriculabehältundausweisenkann,wannwelche<br />
Lernenden<strong>in</strong>welchenLernLehrUmgebungenmitwemwelcheüberfachlichenHand<br />
lungskompetenzenerwerbensollen.<br />
<br />
7.3. H<strong>in</strong>weiseaus<strong>der</strong>Bildungsgangdidaktik<br />
Unter den Begriffen „Bildungsgangdidaktik“ und „Bildungsgangforschung“ wird <strong>in</strong><br />
letzterZeite<strong>in</strong>eallgeme<strong>in</strong>eDidaktikdiskutiert,<strong>der</strong>dasErbe<strong>der</strong>traditionellenAnsät<br />
zezugetrautwird(vgl.Terhart,2005).DieBildungsgangdidaktikdenktBildungwe<strong>der</strong><br />
vom <strong>St</strong>off noch von den Lehrenden noch von <strong>der</strong> Vergangenheit noch von <strong>der</strong> Zu<br />
kunftaus.Siegehtdagegenvonden<strong>in</strong>dividuellenLernvoraussetzungenaus.ImZent<br />
rum<strong>der</strong>LernLehrUmgebungen,<strong>der</strong>pädagogischenunddidaktischenInterventionen<br />
und <strong>der</strong> Curriculumentwicklung steht <strong>der</strong> subjektive, <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuelle Bildungsgang.<br />
Dieserwird<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>wiegesehenproblematisch.DieBildungs<br />
gangdidaktikistdeshalbgeeignet,umdasproblemorientierteLernenals<strong>in</strong>dividuelles<br />
Lernenweiterzudenken.Dieskommt<strong>der</strong>hierunterstrichenenBedeutung<strong>der</strong>Identi<br />
tätsarbeitentgegen.<br />
Die Bildungsgangdidaktik ist ähnlich wie die problemorientierte Didaktik ke<strong>in</strong> völlig<br />
neuerWurf.SiegehtaufSchulversuche<strong>in</strong>densiebzigerundachtzigerJahrenzurück,<br />
dieunter<strong>der</strong>LeitungvonBlankertzvorgenommenwurden(vgl.Hericksetal.,2001,<br />
S.9). „Im Zentrum <strong>der</strong> Bildungsgangdidaktik steht <strong>der</strong> Anspruch, von den lernenden<br />
Subjektenauszugehen.Diessollgel<strong>in</strong>gen,<strong>in</strong>demdieBearbeitungvonEntwicklungs<br />
aufgabendurchdieHeranwachsenden<strong>in</strong>denMittelpunktgerücktundalsgeme<strong>in</strong>sa<br />
meAufgabebetrachtetwird.[…]DieFrage<strong>der</strong><strong>in</strong>haltlichenSchulbildungwirdnicht
152<br />
mehrvone<strong>in</strong>emfiktivenEndzustand<strong>der</strong>Gebildetheitbetrachtet,son<strong>der</strong>ngewisser<br />
massenprozessualisiert,aufdenEntwicklungsprozess<strong>der</strong>E<strong>in</strong>zelnenbezogen,<strong>der</strong>aber<br />
wie<strong>der</strong>um immer <strong>in</strong> Relation zu allgeme<strong>in</strong>en o<strong>der</strong> typischen Entwicklungsaufgaben<br />
betrachtet wird“ (FaulstichWieland, 2001, S.68; S.11). Die Bildungsgangtheoretiker<br />
verweisen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auf Havighurst (vgl. Trautmann, 2004a). Havighurst (1979)<br />
hatteähnlichwieErikson(2004,2005)dasÄlterwerdenalsFolgevonEntwicklungs<br />
aufgabenskizziert,waraberimGegensatzzuEriksoneherpädagogischdennpsycho<br />
logisch<strong>in</strong>teressiert.<br />
DieBildungsgangtheoriewillfürdenUnterschiedzwischendemobjektivenBildungs<br />
gang „als Summe <strong>der</strong> äusseren <strong>St</strong>ationen des Lebensweges“ und dem subjektiven<br />
Bildungsgang „als persönlichem Aneignungsschritt <strong>der</strong> Jugendlichen“ sensibilisieren<br />
(vgl.Trautmann,2004,S.7).DerpersönlicheAneignungsschrittf<strong>in</strong>detnurdannstatt,<br />
wenne<strong>in</strong>esubjektiveBedeutsamkeit<strong>der</strong>Inhaltee<strong>in</strong>tritt(vgl.ebd.,S.9).ImGegensatz<br />
zur problemorientierten Didaktik, die sich den Inhalten zuwendet, richtet die Bil<br />
dungsgangdidaktikdasAugenmerkaufdiemenschlichenEntwicklungsaufgaben.Die<br />
se unterschiedliche Prioritätensetzung bedeutet ke<strong>in</strong>eswegs, dass sich die beiden<br />
Theoriesträngenichtvere<strong>in</strong>barenliessen–imGegenteil.WieimFalle<strong>der</strong>problem<br />
orientierten Didaktik soll die Ausrichtung an Entwicklungszielen, an überfachlichen<br />
LernzielenunddieErarbeitunge<strong>in</strong>erselbstbestimmtenIndividualitätnichtdengan<br />
zen Rest <strong>der</strong> Lernzielpalette ausblenden. Auch die Bildungsgangdidaktik sucht den<br />
Ausgleich zwischen fachlichen und überfachlichen Lernzielen. „Entwicklungsziele<br />
werdenalsMotorjedessubjektivalss<strong>in</strong>nvollerlebtenLernensbeschrieben.Eswird<br />
davonausgegangen,dassJugendlicheimmerdann,wennihnendieMöglichkeitge<br />
gebenwird,an<strong>der</strong>BewältigungvonEntwicklungsaufgabenzuarbeiten,S<strong>in</strong>nentde<br />
ckenundmotiviertun<strong>der</strong>tragreichlernen.[…]DerneueGedanke<strong>der</strong>Bildungsgang<br />
theorieist,dassdieBearbeitungvonEntwicklungsaufgabenalsMotorgenutztwerden<br />
kann,umcurriculareInhalteerfolgreichvermittelnzukönnen“(Lechte&Trautmann,<br />
2004, S.80). Während das problemorientierte Lernen fachliche Probleme als Motor<br />
nutzt, s<strong>in</strong>d es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bildungsgangdidaktik überfachliche und <strong>in</strong>dividuelle Probleme,<br />
diealsMotore<strong>in</strong>erkategorialenBildungdienen.<br />
Verlangtwirdvon<strong>der</strong>Bildungsgangdidaktike<strong>in</strong><strong>in</strong>dividualisierterUnterricht,<strong>der</strong>zum<br />
e<strong>in</strong>enaufdieEntwicklungssituation<strong>der</strong>LernendenimS<strong>in</strong>ne<strong>der</strong>Entwicklungsaufga<br />
ben nach Erikson (2004; 2005) und eben Havighurst (1979) e<strong>in</strong>geht, zugleich aber<br />
immerauchdieIndividualität<strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelnenLernendenberücksichtigt.Eshandeltsich
153<br />
ume<strong>in</strong>edoppelteAnnäherungandasIndividuumundse<strong>in</strong>eLernprozesse.E<strong>in</strong>erseits<br />
soll<strong>der</strong>Unterrichtaltersgerechtgestaltet,an<strong>der</strong>erseitsden<strong>in</strong>dividuellenBedürfnis<br />
sen<strong>der</strong>Lernendenangepasstwerden.DieForschendens<strong>in</strong>dsiche<strong>in</strong>ig,dasssichdie<br />
Entwicklungsaufgaben zwischen gesellschaftlichen und <strong>in</strong>dividuellen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
bef<strong>in</strong>den.„DenverschiedenenExplikationendesKonzepts<strong>der</strong>Entwicklungsaufgaben<br />
istdieThematisierung<strong>der</strong>Wechselwirkungvon<strong>in</strong>dividuellerBedeutsamkeitundge<br />
sellschaftlichenAnfor<strong>der</strong>ungen<strong>in</strong>LernundEntwicklungsprozessenwährenddesge<br />
samtenLebens<strong>in</strong>se<strong>in</strong>enunterschiedlichenPhasengeme<strong>in</strong>.Unterschiedef<strong>in</strong>detman<br />
imSprachgebrauchund<strong>in</strong><strong>der</strong>Verortung<strong>der</strong>Entwicklungsaufgabezwischensubjekti<br />
verundobjektiver<strong>St</strong>ruktur“(Lechte&Trautmann,2004,S.76;vgl.Dreher&Dreher,<br />
1985,S.56).DieEntwicklungsaufgabenför<strong>der</strong>ndieIntegrationdesIndividuums<strong>in</strong>die<br />
Gesellschaft und br<strong>in</strong>gen materiale und formale Bildungsvorstellungen <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang.<br />
Geme<strong>in</strong>samistdenAnsätzenzudem,dassdasLebendurchdieEntwicklungsaufgaben<br />
zu e<strong>in</strong>em lebenslangen Lernprozess wird. Dazu beson<strong>der</strong>s prägnant Combe (2004):<br />
„AnstellevonfraglosgültigenMusternundModellengehörtdieKompetenz,dieei<br />
geneBiographiealsLernbiographiekonstruierenundrekonstruierenzukönnen,an<br />
gesichts <strong>der</strong> Enttraditionalisierung des gesellschaftlichen Lebens zum bedeutsamen<br />
Teil<strong>der</strong>LebensführungdesE<strong>in</strong>zelnen.DieAnfor<strong>der</strong>ungzurKonstruktion<strong>der</strong>eigenen<br />
BiographiealsLernbiographieheisst,diese<strong>in</strong>FormvonEntwicklungsaufgabenüber<br />
nehmen, <strong>in</strong>terpretieren, ausgestalten und immer wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> Distanz nehmen zu kön<br />
nen“(ebd.,S.48).<br />
Für die Konzipierung e<strong>in</strong>es <strong>St</strong>udiums rücken die Entwicklungsaufgaben <strong>der</strong> Adoles<br />
zenzunddesfrühenErwachsenenalters<strong>in</strong>sZentrum(vgl.Göppel,2005;Rossmann,<br />
2004; Liepmann & <strong>St</strong>iksrud, 1985). Diese Aufgaben wurden <strong>in</strong> Kapitel 3.4 mit den<br />
QuellenvonEriksonbeschrieben.EsseihierdeshalbnuraufHavighurst(1979)rekur<br />
riert. In se<strong>in</strong>er Phase <strong>der</strong> Adoleszenz stehen folgende Aufgaben im Vor<strong>der</strong>grund<br />
(S.43ff.):„Achiev<strong>in</strong>gnewandmorematurerelationswithagematesandbothsexes“,<br />
„achiev<strong>in</strong>gamascul<strong>in</strong>eorfem<strong>in</strong><strong>in</strong>esocialrole“,„accept<strong>in</strong>gone’sphysiqueandus<strong>in</strong>g<br />
the body effectively“, „achiev<strong>in</strong>g emotional <strong>in</strong>dependence of parents and other<br />
adults“,„prepar<strong>in</strong>gformarriageandfamilylife“,„prepar<strong>in</strong>gforaneconomiccareer“,<br />
„acquir<strong>in</strong>gasetofvaluesandanethicalsystemasaguidetobehaviour–develop<strong>in</strong>g<br />
anideologyunddesir<strong>in</strong>gandachiev<strong>in</strong>gsociallyresponsiblebehaviour“.Eriksonhatte<br />
dieseKonfliktemitdemSpannungsfeld<strong>der</strong>IdentitätundIdentitätsdiffusionzusam<br />
mengefasst.In<strong>der</strong>darauffolgendenPhasedesjungenErwachsenenaltersstabilisieren
154<br />
sichdiee<strong>in</strong>geschlagenenWege.DieszeigtsichbeiErikson<strong>in</strong><strong>der</strong>Krise,diesichaus<br />
demSpannungsfeldzwischenIntimitätundIsolationergibt.Havighurst(1979)listet<br />
dazu passend für das junge Erwachsenenalter folgende Entwicklungsaufgaben auf<br />
(S.83):„Select<strong>in</strong>gaMate“,„learn<strong>in</strong>gtolivewithamariagepartner“,„start<strong>in</strong>gafam<br />
ily“,„rear<strong>in</strong>gchildren“,„manag<strong>in</strong>gahome“,„gett<strong>in</strong>gstarted<strong>in</strong>anoccupation“,„tak<br />
<strong>in</strong>goncivicresponsibility“und„f<strong>in</strong>d<strong>in</strong>gacongenialsocialgroup“.<br />
E<strong>in</strong>näheresErkunden<strong>der</strong>Bef<strong>in</strong>dlichkeit<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendenerlaubtdasGenre<strong>der</strong>Ju<br />
gendstudien.In<strong>der</strong>Schweizwerdendieseregelmässig<strong>in</strong><strong>der</strong>Reihe<strong>der</strong>eidgenössi<br />
schenJugendundRekrutenbefragungenchxdurchgeführt.Relevanzwird<strong>in</strong>dieser<br />
Arbeitnurdenletztenzwei<strong>St</strong>udien(vgl.MeierDallachetal.,2003;BieriBuschor&<br />
Forrer, 2005) zugesprochen. Die an<strong>der</strong>en <strong>St</strong>udien ersche<strong>in</strong>en als Dokumentationen<br />
<strong>der</strong>frühenneunzigerJahrefürdieDokumentationdesIstzustandesbereitszuveral<br />
tet.Sies<strong>in</strong>dfürdieseArbeitzudemthematischun<strong>in</strong>teressant.Dafürbefassensichdie<br />
zweijüngsten<strong>St</strong>udienmitzweifürdenText<strong>in</strong>teressantenThemen,nämlichmit„dem<br />
Bild<strong>der</strong>SchweizimZeitalter<strong>der</strong>Globalisierung“(2003)undmit„denüberfachlichen<br />
KompetenzenjungerErwachseneramÜbergangzwischenSchuleundBeruf“(2005).<br />
Bekannts<strong>in</strong>dausserdemdie<strong>in</strong>DeutschlandvonShelldurchgeführtenJugendstudien<br />
(Hurrelmannetal.,2006;2002).SieliefernweitereH<strong>in</strong>weiseaufdieheutigeJugend.<br />
Die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz befragten Jugendlichen sche<strong>in</strong>en <strong>in</strong> verschiedener H<strong>in</strong>sicht zwi<br />
schentraditionellenundhypermo<strong>der</strong>nenSzenariengefangenzuse<strong>in</strong>.Daszwischen<br />
<strong>St</strong>uhlundBankFallenzeigtsichdeutlich<strong>in</strong><strong>der</strong>Haltung<strong>der</strong>BefragtenzurGlobalisie<br />
rung(vgl.MeierDallachetal.,2003,S.vi).TrotzAufrufzurWeltgeme<strong>in</strong>schafttauchen<br />
<strong>in</strong>mittendieserglobal24/7pulsierendenNetzwerkeimmerwie<strong>der</strong>Gelüsteauf,e<strong>in</strong>en<br />
eigenenWegweitwegvomMa<strong>in</strong>stream<strong>der</strong>Weltgesellschaftzugehen.Esgibtnicht<br />
wenige,diee<strong>in</strong>Son<strong>der</strong>fallSchweizbleibenwollen(vgl.Eberle&Imhof,2007).DieEu<br />
phorie,dieBegeisterungfürdieglobale,vernetzte,marktkonforme,grenzenloseGe<br />
me<strong>in</strong>schaft stösst auf Gegenwehr. „Die junge Generation nimmt die Kehrseite <strong>der</strong><br />
Globalisierungwahr.[…]DieGefährdung<strong>der</strong>VielfaltdurchnivellierendeTrends,die<br />
dasVieleähnlichmachen,istbei<strong>der</strong>jungenGeneratione<strong>in</strong>starkesFurchtbildgegen<br />
über<strong>der</strong>globalenEntwicklunggeworden.DieLast<strong>der</strong>unlösbarensche<strong>in</strong>endenProb<br />
leme,Kriege,Umweltkatastrophen,<strong>in</strong>ternationaleDrogenkartelle,VirenundF<strong>in</strong>anz<br />
skandaledunkelndieZuversichte<strong>in</strong>.DasVertrauen<strong>in</strong>dietraditionellenpolitischen<br />
Akteure,die<strong>St</strong>aatsregierungenundParteien,istgesunken.Neue<strong>in</strong>ternationaleAk<br />
teures<strong>in</strong>dangesichts<strong>der</strong>Problemezuwenigsichtbar,erfolgreichundwirksam.Weit
155<br />
entferntist<strong>in</strong>denAugen<strong>der</strong>20JährigendieVisiondesWeltstaats.[…]Manwendet<br />
sichdenhellerenZonen<strong>in</strong>dentieferenEtagen<strong>der</strong>Weltgesellschaftzu,demeigenen<br />
Land,<strong>der</strong>Regionundsichselbst,demprivatenRaum.IndieserReihenfolgewächst<br />
<strong>der</strong>Optionismus,handlungsfähigundMeisterdeseigenenLebenszubleiben.DieIn<br />
selvorteilewerdensichtbarundaufgewertet.GeradeweildasLandso<strong>in</strong>tensivan<strong>der</strong><br />
Globalisierung teil hat und sie erfahren lässt, wird die Kehrseite <strong>der</strong> Globalisierung<br />
scharfwahrgenommen.SchwerzuglaubenfürdieältereGenerationundfürIntellek<br />
tuelle,dieimDiskurs<strong>der</strong>Engegrossgewordens<strong>in</strong>d,aberdie20jährigenwünschen<br />
sichdenSon<strong>der</strong>fallzurück“(ebd.,S.vii).<br />
DieErwartungenundEntwürfe<strong>der</strong>Zukunftvariierenerheblich,jenachdem,welche<br />
Jugendlichenmanbefragt.Sies<strong>in</strong>d<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>eunterschiedlichpositivgefärbt(vgl.<br />
Fischeretal.,2000a).DerGraben<strong>der</strong>Zuversichtverläuftentlang<strong>der</strong>Bildungsstärke.<br />
„Die Spaltung <strong>der</strong> Jugend <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Gruppe von sozial besser Gestellten – die im Bil<br />
dungssystembessereChancenhaben,dorterfolgreicherabschneidenundsichdes<br />
wegengutePerspektivenfürdenweiterenberuflichenundprivatenLebenswegaus<br />
rechnen –und e<strong>in</strong>eGruppe, die<strong>in</strong> Gefahr steht, sozial abgehängt zu werden, lässt<br />
sich auch <strong>in</strong> <strong>der</strong>en europäischen Gesellschaften beobachten. Bei Jugendlichen spie<br />
geltsichhierdieSpaltung<strong>der</strong>Gesellschaft<strong>in</strong>ArmundReich,vorallemaber<strong>in</strong>Bil<br />
dungsnah und Bildungsfern wie<strong>der</strong>. Die Jugendlichen mit e<strong>in</strong>er relativ guten sozio<br />
ökonomischen <strong>St</strong>artposition und erfolgreichen Schulkarrieren dürfen zu Recht die<br />
Hoffnunghegen,trotzallerArbeitsmarktproblemeundanspruchsvollerenBerufswelt<br />
amEndedochnochihrenWegzumachen,dieschlechtpositioniertenJugendlichen<br />
habenaberrealistischerweisewenigerGrunddazu.Siespüren,dassihnenwichtige<br />
Voraussetzungenfehlen,um<strong>in</strong>dieHochleistungssektorendesErwerbsbereichese<strong>in</strong><br />
zutreten“(ebd.,S.41).<br />
Die neue Unübersichtlichkeit (vgl. Habermas, 1995), die Pluralität o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s ge<br />
sprochen <strong>der</strong> Reichtum an Möglichkeiten zeigt sich ganz konkret im Alltag <strong>der</strong> Ju<br />
gendlichen.GeradeimunendlichenAngebotanmöglichenFreizeitaktivitätenwir<strong>der</strong><br />
lebendig.„Jugendlicheverfügenheuteüberbeträchtlichef<strong>in</strong>anzielleMittel,diesie<strong>in</strong><br />
ihrer Freizeitgestaltung für Markenkleidung, Genussmittel und Hobbys ausgeben<br />
können. Der Kauf von Konsumgütern dient dabei nicht nur <strong>der</strong> Wunscherfüllung,<br />
son<strong>der</strong>n vor allem auch <strong>der</strong> sozialen Anerkennung und Selbstverwirklichung“<br />
(Langnessetal.,2006,S.77).ZwarnehmenTätigkeitenwieMusikhören,Fernsehen,<br />
sich mit Freunden treffen, im Internet surfen, Discos und Partys, Bücher lesen und
156<br />
Sport bei allen Jugendlichen die obersten Plätze <strong>in</strong> <strong>der</strong> Häufigkeitswertung e<strong>in</strong>. Je<br />
doch gewichten die Jugendlichen die Tätigkeiten je nach Bildungsh<strong>in</strong>tergrund und<br />
Wohlstandan<strong>der</strong>s.DieunterschiedlichenFreizeitaktivitätenzeigensich<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emun<br />
terschiedlichen gesundheitsschädlichen Verhalten (vgl. ebd., S.86ff.). Weitere zum<br />
Teil bildungsabhängige Diskrepanzen zwischen den Jugendlichen werden im politi<br />
schenInteresse(vgl.Schneekloth,2006),<strong>in</strong><strong>der</strong>Religiosität(vgl.Gensicke,2006)o<strong>der</strong><br />
im Wunsch nach Familie (Hurrelmann & Albert, 2006) sichtbar. Alle diese Bereiche<br />
s<strong>in</strong>dSchauplätze<strong>der</strong>fortgeschrittenen<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>.SiebildenEntschei<br />
dungsfel<strong>der</strong>,<strong>in</strong>denendieJugendlichenTeilidentitätenzuentwickelnhaben.Ess<strong>in</strong>d<br />
Identitätsfel<strong>der</strong>,<strong>in</strong>denendieGesellschaftmitdemÄlterwerdenzunehmende<strong>in</strong>ePo<br />
sitionierung erwartet. Es s<strong>in</strong>d Entwicklungsfel<strong>der</strong>, <strong>in</strong> denen sich die Identitäten zu<br />
unterscheidenbeg<strong>in</strong>nen.In<strong>der</strong>EntwicklungkanneszuKonfrontationenundIrritati<br />
onenimInnernundimZusammenleben<strong>der</strong>Jugendlichenkommen.ToleranzundOf<br />
fenheits<strong>in</strong>dke<strong>in</strong>eSelbstverständlichkeit.Diskrim<strong>in</strong>ierungenaufgrundvonf<strong>in</strong>anziellen<br />
Voraussetzungen,Hautfarben,Herkünften,geschlechtlicheno<strong>der</strong>sexuellenIdentitä<br />
tens<strong>in</strong>dauchheutee<strong>in</strong>Thema.<br />
Die <strong>St</strong>udien machen explizite Aussagen zum Bildungsbedarf <strong>der</strong> Jugendlichen. Die<br />
JugendlichenwerdenanhandihrerselbstgebildetenKompetenzprofile<strong>in</strong>fünfGrup<br />
pen e<strong>in</strong>geteilt. Es gibt Willensstarke, Realistische, Selbstkritische, Selbstregulierte,<br />
undesgibtdieRisikogruppe(ebd.,S.17).AuchwenndieunproblematischenFälle<strong>in</strong><br />
denHörsälen<strong>der</strong><strong>Universität</strong>en(RealistischeundSelbstregulierte)überdurchschnitt<br />
lichvertretens<strong>in</strong>d,kanntrotzdemnichtdavonausgegangenwerden,dassalle<strong>St</strong>udie<br />
rendenbeimÜbertritt<strong>in</strong>die<strong>Universität</strong>überdieverlangtenüberfachlichenKompe<br />
tenzen verfügen. E<strong>in</strong> Blick auf die detaillierten Auswertungen verrät, an welchen<br />
Kompetenzen<strong>in</strong>e<strong>in</strong>em<strong>St</strong>udiumbeson<strong>der</strong>sgearbeitetwerdensollte.„Die<strong>St</strong>ärken<strong>der</strong><br />
BefragtenliegenimSelbstbewusstse<strong>in</strong>,imGlaubenandieeigeneWirksamkeit,<strong>in</strong>ih<br />
rer Teamfähigkeit, ihrer Weiterbildungsbereitschaft und ihrem Verantwortungsbe<br />
wusstse<strong>in</strong>gegenüber Mitmenschen im Alltag. Als Schwächen erweisen sich ihre Fä<br />
higkeit,daseigeneLernenzumanagen,ihrpolitischesundökologischesWissenund<br />
InteressesowieihrekritischeE<strong>in</strong>stellunggegenüber<strong>der</strong>PartizipationvonMigrant<strong>in</strong><br />
nenundMigranten“(ebd.,S.140).AlsbedenklichmüssendieWerteimBereichdes<br />
Umweltbewusstse<strong>in</strong>s bezeichnet werden (vgl. ebd., S.131). Dies ist angesichts <strong>der</strong><br />
hier propagierten Aufgabe des Betriebswirtschaftsstudiums, für e<strong>in</strong> nachhaltiges<br />
DenkenundHandelnzusensibilisieren,e<strong>in</strong>Warnschuss.
157<br />
Aufschlussreich bezüglich <strong>der</strong> Kompetenzen <strong>der</strong> <strong>St</strong>udierenden ist weiter die <strong>St</strong>udie<br />
von Notter & Arnold (2006), die sich dem Übertritt von Schweizer Maturanden <strong>in</strong>s<br />
<strong>St</strong>udium widmet.Die<strong>St</strong>udie ermöglicht e<strong>in</strong>e Vertiefung <strong>der</strong>Erkenntnisse von Bieri<br />
Buschor&Forrer(2005).InteressantistdieTatsache,dassesimGegensatzzuden<br />
fachlichenKompetenzen bei <strong>der</strong>Selbstbewertung <strong>der</strong> überfachlichen Kompetenzen<br />
zu ke<strong>in</strong>er grossen <strong>St</strong>reuung zwischen den verschiedenen Teilkompetenzen kommt.<br />
Die überfachlichen Kompetenzen werden von allen Befragten ähnlich e<strong>in</strong>geschätzt.<br />
„Insgesamtambestenwerdendas‚Textverständnis(VerstehenundInterpretieren)‘,<br />
das‚selbständigeArbeiten‘,die‚KompetenzimsozialenUmgang‘,das‚selbständige<br />
Lernen‘und‚dieschriftlicheAusdrucksfähigkeit‘e<strong>in</strong>geschätzt.Amschlechtestenwer<br />
dendas‚AuftretenvorPublikum‘,das‚Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzenmitethischenFragen‘und<br />
die ‚Zeite<strong>in</strong>teilung‘ e<strong>in</strong>geschätzt“ (ebd., S.31). Bemerkenswert ist weiter die <strong>St</strong>ärke<br />
unddasSelbstvertrauen<strong>der</strong>weiblichenMaturand<strong>in</strong>nen.„NurdieUnterschiedebeim<br />
Problemlösen, mündlichen Ausdruck und beim Auftreten s<strong>in</strong>d nicht signifikant. Bei<br />
denübrigenüberfachlichenKompetenzenschätzensichdieFrauenimAllgeme<strong>in</strong>en<br />
bessere<strong>in</strong>,ausserbeimkritischenDenken,demUmgangmitBelastungenunddem<br />
Entwickeln von Ideen. Beson<strong>der</strong>s deutlich ist <strong>der</strong> Unterschied <strong>in</strong> den Kompetenzen<br />
‚selbständigesArbeiten‘,‚KompetenzenimsozialenUmgang‘,‚selbständigesLernen‘,<br />
‚VerantwortungfürdaseigeneLernenübernehmen‘und‚Zeite<strong>in</strong>teilung‘“(Notter&<br />
Arnold, 2004, S.34). Dies heisst nun nicht, dass die Frauen bei <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von<br />
überfachlichenKompetenzenvernachlässigtwerdensollen.ImGegenteilbedeutetes<br />
die<strong>St</strong>ärken<strong>der</strong>FrauenimS<strong>in</strong>nedessozialenLernensfürdiegesamteLerngeme<strong>in</strong><br />
schaft nutzbar zu machen. Es bedeutet das Selbstvertrauen <strong>der</strong> jungen Männer zu<br />
stärken.<br />
Die<strong>St</strong>udievonNotter&Arnold(ebd.)untersuchtweiterdieGewohnheiten<strong>der</strong>Ler<br />
nendenimUmgangmitverschiedenenLehrundLernmethoden.DieUntersuchung<br />
lässtUnterschiede,jae<strong>in</strong>ePolarisierungzwischendenProfilen<strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelnenMatura<br />
typenerkennen(vgl.ebd.,S.35).DieangehendenBetriebswirtes<strong>in</strong>ddemnachprimär<br />
mittraditionellenLernmethodenvertraut.SiezeichnensichdurchFrontalunterricht,<br />
durchdasVorgebenvonsicheren,vorgefertigtenErkenntnissenunddurchdasselbst<br />
ständigeAuswendiglernen<strong>der</strong>Inhalteaus(vgl.ebd.,S.69;S.74).Anvor<strong>der</strong>ster<strong>St</strong>elle<br />
<strong>der</strong> Kompetenzen, die für die Bewältigung des Wirtschaftsstudiums als notwendig<br />
erachtetwerden,stehenbeidenbefragtenDrittsemestrigen<strong>der</strong>Wirtschaftswissen<br />
schaften das selbstständigen Lernen,die Verantwortung für daseigene Lernen, die
158<br />
Zeite<strong>in</strong>teilungunddasselbstständigeArbeiten.ZentraleMethodenim<strong>St</strong>udiums<strong>in</strong>d<br />
Lehrbücher, Frontalunterricht, Übungen, Prüfungen und Informationsbeschaffung<br />
(ebd.,S.69).Aman<strong>der</strong>enEnde<strong>der</strong>SkalatrifftmanaufSozialkompetenzen,aufden<br />
mündlichenAusdruck,aufdasEntwickelnvonIdeen,aufdasAuftretenvorPublikum<br />
undbeidenMethodenauffächerübergreifendeArbeit,Projektarbeit,Blockunterricht<br />
undVorträge(ebd.,S.69).<br />
Auffallendist,dassdiee<strong>in</strong>gestufteWichtigkeitnichtmitdemEmpf<strong>in</strong>dene<strong>in</strong>esKom<br />
petenzdefizitse<strong>in</strong>hergeht.DiejenigenKompetenzen,diealswichtigerachtetwerden,<br />
s<strong>in</strong>d demnach auch überdurchschnittlich ausgeprägt. Die <strong>St</strong>udierenden wünschten<br />
sich,siekönntennochmehrKompetenzendesselbstständigenAufnehmensundVer<br />
arbeitensvorweisen,dieihrerMe<strong>in</strong>ungnachdenErfolg<strong>in</strong>denvonihnenangetroffe<br />
nenLernLehrUmgebungensichern.KompetenzenundMethoden,die<strong>in</strong>kooperati<br />
ven und offenen LernLehrUmgebungen nötig wären, werden dagegen als wenig<br />
wichtigerachtet.Siewerdenvonden<strong>Universität</strong>enoffenbarauchmehrheitlichnicht<br />
verlangt(ebd.,S.69).IhrewenigausgeprägtenFähigkeitenimUmgangmitkooperati<br />
venundoffenenLernLehrFormensche<strong>in</strong>endie<strong>St</strong>udierendenverkümmernzulassen.<br />
Fre<strong>in</strong>achdemMotto,„wasnichtgebrauchtwird,istnichtnötig“,spezialisierensich<br />
die <strong>St</strong>udierenden auf ichzentrierte und geschlossene Lernumgebungen. In diesen<br />
steht das selbstständige Aufnehmen und Verarbeiten von Wissen im Vor<strong>der</strong>grund.<br />
Diese Spezialisierungen werden vom Ma<strong>in</strong>stream e<strong>in</strong>er Diszipl<strong>in</strong> vorgegeben. Dass<br />
dieseSpezialisierungaberlangfristignichtwünschenswertist,wurdehiermite<strong>in</strong>em<br />
BekenntniszurkategorialenBildungklargemacht.<br />
Mit<strong>der</strong>Dokumentation<strong>der</strong>Entwicklungsaufgabenunddem<strong>St</strong>udium<strong>der</strong>Jugendstu<br />
dienisterste<strong>in</strong>kle<strong>in</strong>erSchritt<strong>in</strong>Richtung<strong>der</strong>IndividualisierungdesUnterrichtsge<br />
tan. Die Lehrenden thematisieren und berücksichtigen dadurch Entwicklungsaufga<br />
ben undsorgen. E<strong>in</strong> solcher Unterricht ist jedoch noch ke<strong>in</strong>esfalls <strong>in</strong>dividualisiert.<br />
Noch wird aus Ungleichem Gleiches gemacht. „Zu den Modalitäten des pädagogi<br />
schen Umgangs mit Verschiedenheit, die seit <strong>der</strong> Etablierung des öffentlichen Bil<br />
dungswesens<strong>in</strong>unseremVerständnisbeson<strong>der</strong>sgeläufiggewordens<strong>in</strong>d,gehörtes,<br />
Gleichheitenzukonstruieren“(Gogol<strong>in</strong>,2001,S.51).DieEntwicklungsaufgabenwer<br />
den als allgeme<strong>in</strong>e Entwicklungsaufgaben aufgefasst, die alle Jugendlichen treffen<br />
könnten.DerJugendlichewirdnochnichtalse<strong>in</strong>zigartigesIndividuummit<strong>in</strong>dividuel<br />
len Entwicklungsaufgaben wahrgenommen. Dazu gilt es sich von den altersspezifi<br />
schen Krisen und Entwicklungsaufgaben zu lösen und sich ihrer <strong>in</strong>dividuumsspezifi
schenAusprägungzuzuwenden.Genaudiessche<strong>in</strong>t<strong>in</strong><strong>der</strong>Son<strong>der</strong>pädagogikseitLan<br />
159<br />
gem<strong>der</strong>Fallzuse<strong>in</strong>(vgl.Grüntgens,2000).„Esgibt<strong>in</strong><strong>der</strong>(Son<strong>der</strong>)Schulpädagogik<br />
bzw.didaktikkaume<strong>in</strong>Buch,<strong>in</strong>demdieIndividualisierungresp.diehierzuverwand<br />
teno<strong>der</strong>bedeutungsgleichenAusdrückenichtzuf<strong>in</strong>dens<strong>in</strong>d.[…]Wennichdiesee<strong>in</strong><br />
zelnenAusführungen<strong>in</strong>ihrenganzunterschiedlichenAkzentuierungenundRichtun<br />
genzue<strong>in</strong>erallgeme<strong>in</strong>enAussagezusammenfasse,dannheisstdasErgebnisganze<strong>in</strong><br />
fach:E<strong>in</strong>Unterricht,<strong>der</strong>amSchülervorbeigeht,istnichtswert.DassogenannteIndi<br />
viduumwirddaherzue<strong>in</strong>em<strong>der</strong>zentralenPunkte,vondemausdieDidaktikdasLer<br />
nen<strong>der</strong>Schülerermöglichenwill.DerAusdruckIndividualisierungbedeutetdamit<strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>ererstenformalenAnnäherung:DerLehrermussversuchen,demIndividuumim<br />
UnterrichtaufvielfältigeArtundWeisegerechtzuwerden“(ebd.,S.62).<br />
DieLehrendenhabenesdurchdieIndividualisierungdesUnterrichtsmite<strong>in</strong>erFülle<br />
vonLernvoraussetzungenzutun.JedesIndividuumistaufdemWegzue<strong>in</strong>erselbst<br />
bestimmten Individualität. Becker (1994) macht dies unmissverständlich deutlich,<br />
wenn er zwischen sozialen, motivationalen, kulturellen, familialen, arbeitstechni<br />
schen,psychomotorischen,emotionalen,kognitivenundsprachlichenLernvorausset<br />
zungen unterscheidet. „Um schülerzentriert lehren zu können, muss <strong>der</strong> Lehrer<br />
zwangsläufig <strong>in</strong>dividualisieren. Gleichwohl setzt die Handlung des Individualisierens<br />
immerschone<strong>in</strong>Objektvoraus,andasdieunterschiedlichenLeistungsanfor<strong>der</strong>ungen<br />
desLehrersgerichtets<strong>in</strong>d.AberdiesesObjekt:dasIndividuummussichkennen,um<br />
<strong>in</strong>dividualisieren zu können“ (Grüntgens, 2000, S.71). Nun sche<strong>in</strong>t im Kontext <strong>der</strong><br />
HochschullehredasE<strong>in</strong>gehenaufdase<strong>in</strong>zelneIndividuumschwierigerdurchsetzbar<br />
als <strong>in</strong> <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>pädagogik o<strong>der</strong> <strong>in</strong> tiefer liegenden Ausbildungsstufen. Dort haben<br />
die Lehrenden die Möglichkeit, ihre Lernenden über Monate und Jahre h<strong>in</strong>weg im<br />
selbenkle<strong>in</strong>enKlassenverbundkennenzulernen.Dieserstermöglichtes,dieVoraus<br />
setzungenzuschaffen,um<strong>in</strong>dividuellaufdieLernendene<strong>in</strong>zugehen.ImKontext<strong>der</strong><br />
Hochschullehresche<strong>in</strong>tesdagegennötig,Bed<strong>in</strong>gungenstrukturellerArtundWeisezu<br />
schaffen,umdenLernendene<strong>in</strong><strong>in</strong>dividuellesLernenzuermöglichen.Essche<strong>in</strong>tnö<br />
tig,möglichstvieleWahlfreiheiten<strong>in</strong>sCurriculume<strong>in</strong>zubauenundobligatorischeKur<br />
sezurIdentitätsarbeitzuschaffen.
160<br />
7.4. Rolle<strong>der</strong>Lehrenden<br />
DasproblemorientierteLernenverlangte<strong>in</strong>eModifizierungdesLehrerverhaltens.Um<br />
dieseVerwandlungzuverstehen,istess<strong>in</strong>nvoll,aufdenKonstruktivismuszurückzu<br />
greifen.In<strong>der</strong>BewegungdesRückgriffsistfestzuhalten,dassesverschiedeneSpielar<br />
ten des Konstruktivismus und mit ihnen <strong>der</strong> problemorientierten Didaktik und des<br />
dazugehörigenLehrerverhaltensgibt(vgl.Dubs,1995;Diesbergen,1998).DieVarian<br />
tenunterscheidensich<strong>in</strong>ihrerRadikalität.Sieunterscheidensichdar<strong>in</strong>,obane<strong>in</strong>e<br />
objektiveRealitätgeglaubtwird,ob<strong>in</strong>nereProzessevorherrschenundwiestarkauf<br />
die Wirksamkeit <strong>der</strong> Interventionen von Lehrenden vertraut wird (vgl. Diesbergen,<br />
1998,S.66).Dubs(1995)unterscheidetzwischene<strong>in</strong>emendogenenunde<strong>in</strong>emexo<br />
genenKonstruktivismus.ZwischendiesenExtremvariantenliegt<strong>der</strong>dialektischeKon<br />
struktivismus.DiesistdieVariante,diehiervertretenwird.„DialektischeKonstrukti<br />
vistens<strong>in</strong>d<strong>der</strong>Überzeugung,dassausschliesslicheigenständigesLernenimS<strong>in</strong>nedes<br />
endogenen Konstruktivismus wenig lernwirksam ist. Sie befürworten e<strong>in</strong>en Unter<br />
richt,<strong>in</strong>welchemdieLehrkräfteanleitendeHilfebieten[…],aberaufdieVermittlung<br />
vonfertigen<strong>St</strong>rukturenund<strong>St</strong>rategiensowieaufModelllernenverzichten.DieseHil<br />
fenwerdennursoweitgegeben,alssievondenLernendenzumLernfortschrittbenö<br />
tigtwerden.IhrZielistes,dieLernendenimmerunabhängigerzumachen,wasumso<br />
bessergel<strong>in</strong>gt,jemehrsieLernstrategiendurchdieunterstützteAuse<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />
mitdenInhalten<strong>in</strong>ternalisiertundpersonalisierthaben:DieSchüler<strong>in</strong>nenundSchüler<br />
<strong>in</strong>ternalisierenWissenundKönnen,nichtaber<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erForm,wieesvonaussenvorge<br />
gebeno<strong>der</strong><strong>in</strong>struiertwurde,son<strong>der</strong>nwiesieesselbstverstehen“(ebd.,S.30).<br />
Der dialektische Konstruktivismus vertritt wie alle an<strong>der</strong>en Formen des Konstrukti<br />
vismusdiePosition,dassErkenntnissenichtvone<strong>in</strong>emHirn<strong>in</strong>san<strong>der</strong>egelehrtwer<br />
denkönnen(vgl.Dubs,1995,S.28).Erstehtfüre<strong>in</strong>enWechselvone<strong>in</strong>empassivenzu<br />
e<strong>in</strong>emaktivenLernere<strong>in</strong>.Erfor<strong>der</strong>te<strong>in</strong>enWechselvon<strong>der</strong>ErzeugungszurErmögli<br />
chungsdidaktik.„WährendErsteremehro<strong>der</strong>wenigerexplizitdavonausgehen,dass<br />
LehrenundLernenl<strong>in</strong>earaufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>bezogens<strong>in</strong>dundLehreauchweitgehend‚hal<br />
ten kann, was sie verspricht‘ (weshalb im Misserfolgsfalle auch die Lernenden den<br />
‚SchwarzenPeter‘haben),gehtdasermöglichungsdidaktischeDenkenvon<strong>der</strong>pr<strong>in</strong>zi<br />
piellenWirkungsoffenheitund‚NichtErzw<strong>in</strong>gbarkeit‘desLehrLernprozessesaus.Der<br />
Vermittlung und <strong>der</strong> <strong>St</strong>andardisierung <strong>der</strong> Erzeugungsdidaktik steht die Aneignung<br />
und die Vielfalt <strong>der</strong> Ermöglichungsdidaktik gegenüber“ (Arnold, 2007, S.36). Land
wehr(2003)beschreibtdenselbenWandelmitdenBegriffenKenntnisundErkennt<br />
161<br />
nisvermittlung. Der Unterricht soll nach Landwehr (ebd.) die Balance zwischen <strong>der</strong><br />
VermittlungvonobjektivenKenntnissenund<strong>der</strong>Ermöglichung<strong>der</strong>Konstruktionvon<br />
subjektivenErkenntnissenf<strong>in</strong>den.<br />
Zur zentralen Aufgabe <strong>der</strong> Lehrenden gehört die Konstruktion von LernLehr<br />
Umgebungen.VorallemdiehandlungsorientierteDidaktikunddassituierteLernen<br />
verweisenaufdieseNotwendigkeit.„ImRahmendieserArbeitsollunterLernumge<br />
bungganzallgeme<strong>in</strong>dasInsgesamtjenerFaktorenundE<strong>in</strong>flüsseverstandenwerden,<br />
die<strong>in</strong>tentionalbestimmtesundorganisiertesLernenbed<strong>in</strong>gen.DerBegriff<strong>der</strong>Lern<br />
umgebungbeziehtsichnichtaufetwasPhysikalisches,son<strong>der</strong>naufe<strong>in</strong>absichtsvolles<br />
ArrangementvonInhalten,Methoden,Medienu.a.m.“(Kohler,2007,S.23).DerBeg<br />
riff<strong>der</strong>LernumgebungwirdhieralsLernLehrUmgebungverwendet.Dadurchgel<strong>in</strong>gt<br />
es zu zeigen, dass <strong>in</strong> LernLehrUmgebungen Lern und Lehrprozesse zusammenfal<br />
len.LernLehrUmgebungensollensoausgestaltetse<strong>in</strong>,dasssiedenLernendendie<br />
aktiveKonstruktionvoneigenständigenErkenntnissenermöglichen.„Ess<strong>in</strong>d‚starke‘<br />
Lernumgebungensozugestalten,dasse<strong>in</strong>gehaltvollesLernenimobigenS<strong>in</strong>nermög<br />
lichtwird,welchesnichtnurzumehrWissen,son<strong>der</strong>nauchzuechtemVerstehenund<br />
Könnenführt.DiesestarkenLernumgebungenenthaltendasrelevanteWissen;<strong>in</strong>rea<br />
len Situationen wird <strong>der</strong>en Bedeutung und Funktionsweise aufgezeigt und es wird<br />
denLernendenermöglicht,DenkundLernstrategienangemessenzuerlernen“(Dö<br />
rig,1997,S.13).<br />
InkomplexenLernLehrUmgebungengibteske<strong>in</strong>l<strong>in</strong>earesVorgehen.„Handlungsori<br />
entierteLernfel<strong>der</strong>s<strong>in</strong>ddadurchcharakterisiert,dassLernprozessenichtvomPr<strong>in</strong>zip<br />
‚vomE<strong>in</strong>fachenzumKomplexen‘geprägts<strong>in</strong>d.Diesbedeutet,dassdasWissennicht<br />
zuerst <strong>in</strong> abstrakter, allgeme<strong>in</strong>er Form erarbeitet wird und anschliessend an ver<br />
schiedenenAufgabenundÜbungenangewendetwird,son<strong>der</strong>nesistvonAnfangan<br />
dieBedeutungdesWissensund<strong>der</strong>enAnwendungsbezüge<strong>in</strong>starkenLernumgebun<br />
gen (echte, authentische Lernsituationen) aufzuzeigen“ (ebd., S.14). Die LernLehr<br />
Umgebungen s<strong>in</strong>d weiter dadurch charakterisiert, dass sie verschiedene LernLehr<br />
Methoden vere<strong>in</strong>en, dass verschiedene Entwicklungsdimensionen und Taxono<br />
miestufen angesprochen werden, dass verschiedene Kommunikationsmöglichkeiten<br />
<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Lerngeme<strong>in</strong>schaft existieren und dass verschiedene Perspektiven auf<br />
diezentriertenProblemee<strong>in</strong>genommenwerden.„Dazubrauchtese<strong>in</strong>gutorganisier<br />
tes und den Lernenden bewusstes Fachwissen wie auch Denk und Lernstrategien
162<br />
sowieFähigkeitenzurPlanung,DurchführungundAuswertungdeseigenenLernens<br />
undDenkens(Metakognition)(ebd.,S.14).<br />
Dies gel<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> LernLehrUmgebungen, die durch Lernprozessdesign und Prüfungs<br />
leistungen e<strong>in</strong> ebensolches Lernen verlangen. Auf die Notwendigkeit von reichen<br />
LernumgebungenverweistimZusammenhangmitdemselbstgesteuertenLernenan<br />
<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>auchZellweger(2005).„DieUnterlagennehmenimSelbst<br />
studiume<strong>in</strong>ezentraleFunktione<strong>in</strong>,dennsiestellenüberweite<strong>St</strong>reckenfür<strong>St</strong>udieren<br />
dedene<strong>in</strong>zigenZugangzue<strong>in</strong>emFach<strong>in</strong>haltdar.Eskannnichtdarumgehen,wiebis<br />
here<strong>in</strong>vorlesungsbegleitendesSkriptzurVerfügungzustellen,vielmehrsollen‚rei<br />
che‘Lernumgebungengeschaffenwerden.DabeisollenjenachverfolgtemZielver<br />
schiedeneBestandteilekomb<strong>in</strong>iertwerdenundsoden<strong>St</strong>udierendene<strong>in</strong>espannende<br />
undabwechslungsreicheAuse<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungmitdemFach<strong>in</strong>haltermöglichen“(ebd.,<br />
S.1).GuteUnterlagenverfügen<strong>in</strong>denAugen<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendenüberfolgendeMerk<br />
male:Sieentsprechen<strong>in</strong>Inhalt,SpracheundUmfangihremNiveau,siestellenVer<br />
b<strong>in</strong>dungenzuan<strong>der</strong>enverbundenenVeranstaltungsteilenher,siehabene<strong>in</strong>eklaren<br />
rotenFaden,undsiebietenMöglichkeitenzurSelbstkontrolle(vgl.ebd.,S.2).Inprob<br />
lemorientierten Lernumgebungen soll trotz Aufruf zur subjektiven Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>set<br />
zung nicht auf <strong>St</strong>rukturen verzichtet werden. „<strong>St</strong>rukturorientierte Lernumgebungen<br />
ersche<strong>in</strong>en beispielsweise dann <strong>in</strong>diziert, wenn die Lernenden bereits über e<strong>in</strong> um<br />
fangreichesVorwissensowieüberreichepraktischeErfahrungenverfügenundgrosse<br />
<strong>St</strong>offmengenzubewältigenhabeno<strong>der</strong>wennsichLernendebeiger<strong>in</strong>gemo<strong>der</strong>nicht<br />
vorhandenemVorwissene<strong>in</strong>enerstensystematischenE<strong>in</strong>blick<strong>in</strong>kurzerZeitverschaf<br />
fenwollen“(Kohler,2007,S.25).<br />
DieLernLehrUmgebungenzeichnensichdurchdieMöglichkeitenzurIndividualisie<br />
rung von Lernzielen, Lernprozessen und Lernkontrollen aus. „Inhalte werden nicht<br />
e<strong>in</strong>fachangeeignet,weilsieüberzeugend,unvermeidbaro<strong>der</strong>garpersekompetenz<br />
stiftends<strong>in</strong>d.Siekönnene<strong>in</strong>eKompetenze<strong>in</strong>wirkungnurdannentfalten,wennsiege<br />
wissermassen‚e<strong>in</strong>verleibt‘werdenkönnen.Unddiesbedeutet,dassDidaktiksichsehr<br />
vielstärkeralsbishermitdenVorstruktureno<strong>der</strong>lernendenSubjekten,ihrerbiogra<br />
phischen Geprägtheit und autoreferentiellen Geschlossenheit ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen<br />
muss“ (Arnold, 2007, S.52). Die problemorientierte Didaktik gestaltet LernLehr<br />
Situationenso,dassdiesubjektivenInteressen<strong>der</strong>Lernendenangesprochenwerden.<br />
Dieseermöglichene<strong>in</strong>eüberfachlicheEntwicklung.Sies<strong>in</strong>dschliesslichsokonstruiert,<br />
dassdieLernendenanihrerIdentitätarbeiten.Diessetztvoraus,dassdieLehrenden
163<br />
wissen,mitwemsieeszutunhaben.Essche<strong>in</strong>twenigs<strong>in</strong>nvoll,e<strong>in</strong>universitäresCur<br />
riculumzuentwickeln,ohneaufdieSicht<strong>der</strong>Lernendene<strong>in</strong>zugehen.Dazureichtes<br />
nicht,die<strong>St</strong>udierendene<strong>in</strong>malpro<strong>St</strong>udienreformh<strong>in</strong>sichtlichihrerZufriedenheitund<br />
ihrerInteressenzubefragen.E<strong>in</strong>e<strong>Universität</strong>unddiee<strong>in</strong>zelnenDozierendensollten<br />
sichüberdieZufriedenheitunddieInteressenihrer<strong>St</strong>udierenden<strong>in</strong>formieren.Dazu<br />
brauchtesregelmässigeEvaluationenundtiefergehendeInterviews.Dazubrauchtes<br />
e<strong>in</strong>e LernLehrKultur, die auf e<strong>in</strong>e enge Zusammenarbeit zwischen Lernenden und<br />
Lehrendenbaut.<br />
DerKonstruktivismusverstehtLernLehrUmgebungenalsvonMenschengeschaffene<br />
Bed<strong>in</strong>gungen. „Die konstruktivistische Didaktik legt grossen Wert darauf, dass die<br />
Lernbed<strong>in</strong>gungenstärkervondendirektbetroffenenPersonenkreisen(wieSchüler,<br />
LehrerundEltern)undnichtblossvonExpertendef<strong>in</strong>iertundbestimmtwerden.In<br />
soweit s<strong>in</strong>d Lernbed<strong>in</strong>gungen aus konstruktivistischer Sicht ke<strong>in</strong>eswegs externe Be<br />
d<strong>in</strong>gungen,diealsunverän<strong>der</strong>baro<strong>der</strong>überwiegendvonaussenkommendanzuse<br />
hens<strong>in</strong>d“(Reich,2006,S.232).DieLehrendenoptimierendieLernbed<strong>in</strong>gungenund<br />
mitihnendieLerngeme<strong>in</strong>schaftalssozialenKontext.„Lernbed<strong>in</strong>gungens<strong>in</strong>dsoziale<br />
Konstruktionen,fürdiewiroftdiean<strong>der</strong>enverantwortlichmachen.Lage<strong>der</strong>Lernor<br />
te, Architektur, Ausstattung, Material und Hilfsmittel, aber auch ideelle <strong>St</strong>rukturen<br />
wieLehrpläne,<strong>St</strong>offFülle,Zeitdruck,diesundan<strong>der</strong>esmehrschaffendieLernbed<strong>in</strong><br />
gungen“(ebd.,S.232).InnerhalbdieserAufzählung,diedenKontext<strong>der</strong>Lernprozesse<br />
bildet und damit den Lernerfolg positiv bee<strong>in</strong>flussen soll, kennt Reich (ebd.) e<strong>in</strong>en<br />
klarenFavoriten.„DochwasvonalledemistdiewichtigsteLernbed<strong>in</strong>gung?Esistim<br />
mer<strong>der</strong>Lehrende!“(ebd.,S.232).DieBedeutungdesLehrerverhaltenswirdauch<strong>in</strong><br />
<strong>der</strong>aktuellenDiskussionersichtlich,wieLehrendeimKlassenzimmerihreMachte<strong>in</strong><br />
setzensollen(vgl.Bueb,2006;Brumlik,2007;Frey&König,2005).<br />
ProblemorientierteLernLehrUmgebungenverän<strong>der</strong>ndieRolle<strong>der</strong>Lehrenden.„Die<br />
klassischeRolledesvortragenden,kontrollierenden,besserwissendenDozentenwird<br />
mehrundmehrdurche<strong>in</strong>emo<strong>der</strong>ierendeRolleabgelöst,wasallerd<strong>in</strong>gske<strong>in</strong>eswegs<br />
fachlicheo<strong>der</strong>kommunikativeAbstrichebezogenaufdieLehrerrollebedeutet,son<br />
<strong>der</strong>n den Schwierigkeitsgrad sogar erheblich steigert. Lehrende müssen nunmehr<br />
m<strong>in</strong>destens<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erDoppelrolleagieren:E<strong>in</strong>erseitsalsmehrwissendeExperten,an<br />
<strong>der</strong>erseitsalslernorientierteMo<strong>der</strong>atoren<strong>der</strong>WissensundHandlungskonstruktion“<br />
(ebd.,S.205).Dass<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erhandlungsorientiertenDidaktikdasverän<strong>der</strong>teLernene<strong>in</strong><br />
verän<strong>der</strong>tesLehrennachsichzieht,unterstreichenEuler&Hahn(2004).„Dieerhöhte
164<br />
Bedeutunge<strong>in</strong>esaktiven,selbstgesteuertenLernenskorrespondiertmite<strong>in</strong>erverän<br />
<strong>der</strong>tenRolledesLehrenden.Se<strong>in</strong>eAufgabenalsInhaltvermittlertretenzurück,ent<br />
sprechendwechselterverstärkt<strong>in</strong>dieRollee<strong>in</strong>esMo<strong>der</strong>ators,KatalysatorsundBe<br />
gleiters<strong>der</strong>Lernprozessese<strong>in</strong>erSchüler“(S.61).Reich(2006)betontdabeibeson<strong>der</strong>s<br />
dieAufgabe<strong>der</strong>Mo<strong>der</strong>ation.„Mo<strong>der</strong>ationistke<strong>in</strong>ee<strong>in</strong>facheMethode<strong>der</strong>Wissens<br />
vermittlung.SieunterscheidetsichklarvonallenPräsentationsmethoden,die<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
Didaktik bisher zur Veranschaulichung von Intentionen und Inhalten zum E<strong>in</strong>satz<br />
kommen. Bei Mo<strong>der</strong>ation geht es vorrangig darum, geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong> Problem zu er<br />
kennen,Lösungsmöglichkeitenzuermittelnundaufzuschreiben,e<strong>in</strong>eLösungimTeam<br />
zu f<strong>in</strong>den, Interaktionen <strong>in</strong> Offenheit, mit Wertschätzung und <strong>in</strong> lösungsorientierter<br />
E<strong>in</strong>stellung zu bewältigen. Der Mo<strong>der</strong>ator ist hierbei e<strong>in</strong> wesentlicher Helfer. Lehr<br />
kräftealsMo<strong>der</strong>atorenhelfenbei<strong>der</strong>DurchführungvonWorkshops,beiLösungen<strong>in</strong><br />
Arbeitsgruppen, <strong>in</strong> Projektteams, bei den handlungsorientierten Methoden“ (ebd.,<br />
S.206).<br />
E<strong>in</strong>mo<strong>der</strong>ieren<strong>der</strong>,coachen<strong>der</strong>undFeedbackgeben<strong>der</strong>Hochschullehrerunterschei<br />
detsichvomtraditionellenBilddes<strong>in</strong>se<strong>in</strong>er<strong>St</strong>ubee<strong>in</strong>samforschendenundimAudi<br />
toriumMaximumse<strong>in</strong>ManuskriptvorlesendenProfessors.„DieRolledes(Hochschul<br />
)Lehrersverän<strong>der</strong>tsichradikal.Eristnichtmehr<strong>der</strong>dom<strong>in</strong>anteFaktorimLernsystem,<br />
son<strong>der</strong>nstelltse<strong>in</strong>Wissenundse<strong>in</strong>eErfahrungenstärker<strong>in</strong>denDienst<strong>der</strong>Gruppe.<br />
Daserhöhtse<strong>in</strong>esubversiveMacht,dennjenachse<strong>in</strong>erKompetenzfor<strong>der</strong>tihndie<br />
Gruppedochimmerwie<strong>der</strong>auf,ihrVerantwortungabzunehmenundEntscheidungen<br />
fürsiezutreffen,weileresschliesslichbesserweisso<strong>der</strong>wissenmüsste.Soferner<br />
diese Macht auf <strong>der</strong> Beziehungsseite jedoch thematisiert o<strong>der</strong> durch ‚Reflect<strong>in</strong>g<br />
teams‘offenbarwerdenlässt,arbeitendieGruppenundihreIndividueneigenständi<br />
gerundtrauensichmehrzu.Gerade<strong>in</strong>haltlichkompetenteLehrermüssensichzw<strong>in</strong><br />
gen,nichtfürsichimmerschlauerzuwerdenunddiesnarzisstischanihrenTeilneh<br />
mern abzuarbeiten, son<strong>der</strong>n gruppenorientiert zu handeln, um das Zutrauen und<br />
Selbstwertgefühl<strong>der</strong>Teilnehmerzustärken“(Reich,2002,S.274).Wie<strong>in</strong>jedeman<br />
<strong>der</strong>enSzenariovonWandelwerdensichauchdieLehrendennichtvonalle<strong>in</strong>everän<br />
<strong>der</strong>n. Die Betroffenen wollen wahrgenommen und unterstützt werden. Und neben<br />
denjenigen,diedenWandelproaktivbeschleunigen,wirdesauch<strong>in</strong>denHallen<strong>der</strong><br />
<strong>Universität</strong>Resistente,Warnende,Vorsichtige,Une<strong>in</strong>sichtige,Traditionalisten,sture<br />
BöckeunddemSystemEntgegenwirkendegeben.
165<br />
DieUnterstützung<strong>der</strong>LernprozesseleistetdiegesamteBildungs<strong>in</strong>stitution.Siesollte<br />
dieneueRolle<strong>der</strong>LernendenalsProblemstellungimCurriculumverankern,alsoden<br />
menschlichenLernprozessim<strong>St</strong>udiumzumThemamachen.Ausserdemsolltesieden<br />
<strong>St</strong>udierenden<strong>in</strong>dividuelleUnterstützungsangebote<strong>in</strong>FormvonCoach<strong>in</strong>gs,psycholo<br />
gischerHilfeundspezifischenLehrangebotenmachen.Mit<strong>der</strong>gesamtenBildungs<strong>in</strong><br />
stitutionistauchdiee<strong>in</strong>zelneLehrpersonangesprochen,diesichdemhiervorgestell<br />
tenVerständnisgemässalsCoachversteht,demallefachlichenundüberfachlichen<br />
Sorgenanvertrautwerdenkönnen.Mankannnichterwarten,dasssichdieRolle<strong>der</strong><br />
Lehrendenvonsichausän<strong>der</strong>t.EsistdieselbeSituationwie<strong>in</strong>allenan<strong>der</strong>enOrgani<br />
sationen.Wieallean<strong>der</strong>enMitarbeitendens<strong>in</strong>ddie<strong>St</strong>udierendenzurVerbesserung<br />
ihrerLeistungundfürdieArbeitanihrerIdentitätdaraufangewiesen,dassmanihre<br />
Leistungenregelmässigbeobachtetundbeurteilt.Sieerwarten,dassmanihnene<strong>in</strong>e<br />
persönliche und e<strong>in</strong>e fachliche Weiterentwicklung ermöglicht. In diesem Wandel<br />
SzenariosolltenauchDozierendedasRechthaben,ihreneuepädagogischeRolle<strong>in</strong><br />
aufsiezugeschnittenenKursenkennenzulernen.DieseWeiterbildungersche<strong>in</strong>t<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
Argumentation dieser Arbeit nicht freiwillig, son<strong>der</strong>n obligatorisch: LernLehr<br />
Umgebungen mit selbstgesteuerten, <strong>in</strong>dividualisierten Lernenden ohne <strong>in</strong>tensive<br />
Betreuung scheitern, weil sich die Lernenden hilflos und orientierungslos fühlen.<br />
SchliesslichsolltenauchdieLehrendene<strong>in</strong>eMöglichkeiterhalten,sichmiterfahrenen<br />
un<strong>der</strong>folgreichenDozierendenauszutauschenundvonihnenberatenzulassen.
166<br />
8. ManifestzumBetriebswirtschaftsstudium<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
<strong>Multioptionsgesellschaft</strong><br />
8.1. AufdemWegwoh<strong>in</strong>?<br />
DasletztetheoretischeKapitelpräsentierte<strong>in</strong>ManifestfürdasuniversitäreBetriebs<br />
wirtschaftstudium<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emKontext<strong>der</strong>reifen<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>.DerKatalog<br />
verstehtsichalsZusammenfassungallerReflexionen<strong>in</strong>denbisherigenKapiteln.<br />
Das Kritisieren und Weiterdenken <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> geniesst im Zuge <strong>der</strong> Bologna<br />
Reform und <strong>der</strong> angeblichen Krise <strong>der</strong> <strong>Universität</strong>en (<strong>St</strong>ölt<strong>in</strong>g & Schimank, 2001)<br />
Hochkonjunktur(vgl.dieSammelbändevonHügli,Küchenhoff&Müller,2007;Joas&<br />
Kippenberg,2007;Simonis&Walter,2006;Kimmich&Thumfart,2004).Dasgegen<br />
wärtigeKrisenbildistsounscharf,dassnichte<strong>in</strong>malklarist,obe<strong>in</strong>eSystemkrisee<strong>in</strong><br />
getroffenisto<strong>der</strong>obdieKrise„e<strong>in</strong>durchauszufälligesundunverbundeneszeitliches<br />
Zusammentreffenvielerkle<strong>in</strong>erProbleme“(Schimank&<strong>St</strong>ölt<strong>in</strong>g,2001,S.19)ist.<strong>St</strong>öl<br />
t<strong>in</strong>g(2001)behauptet<strong>in</strong>diesemZusammenhang,dassdieKrise<strong>der</strong><strong>Universität</strong>sys<br />
temimmanentist,dassese<strong>in</strong>e<strong>Universität</strong>ohneKrise,e<strong>in</strong>e<strong>Universität</strong>ohneSelbstkri<br />
tikgarnichtgebenkann.ÜberhauptistHochschulentwicklunge<strong>in</strong>komplexesProb<br />
lemundkannaufgrund<strong>der</strong>unzähligenVariablennurmissl<strong>in</strong>gen.DieHochschulma<br />
nagerdrohen<strong>in</strong><strong>der</strong>Komplexitätzuvers<strong>in</strong>keno<strong>der</strong>imGegenteildurchunangebrach<br />
teKomplexitätsreduktionenvonihrweggeschwemmtzuwerden.„Diejenigen,dienur<br />
isolierte E<strong>in</strong>zelprobleme angehen, handeln <strong>in</strong> Bezug auf die Problemstruktur unter<br />
komplex.Unddiejenigenschliesslich,diedenGrossenWurf<strong>in</strong>ihrenkonzeptionellen<br />
Blicknehmen,neigenmeistzurÜberkomplexität“(Pasternack&Kehm,2001,S.14).<br />
Diese Schrift orientiert sich eher am grossen Wurf als an <strong>der</strong> Korrektur von E<strong>in</strong>zel<br />
problemen, auch wenn sie vorerst nur e<strong>in</strong> Gedankenspiel ohne praktische Konse<br />
quenzenist.<br />
ManschreibtdasJahre1999,alsdieeuropäischenBildungsm<strong>in</strong>isterdieErklärungvon<br />
Bolognaunterzeichnen.DieErklärungverstehtsichalsReaktionaufdieWissensexp<br />
losion<strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>.DieBildungsm<strong>in</strong>isterträumenvone<strong>in</strong>emEuropa<br />
desWissens,dassichdurchdieKonzentrationaufdenProduktionsfaktorWissennach<br />
<strong>in</strong>nene<strong>in</strong>tundsichgleichzeitigim<strong>in</strong>ternationalenWettbewerbprofiliert(vgl.Erklä<br />
rungvonBologna,1999).DieErklärungvonBolognaunterstreichtundkonkretisiert<br />
die1988<strong>in</strong><strong>der</strong>MagnaCharta<strong>der</strong><strong>Universität</strong>enskizzierteRolle<strong>der</strong><strong>Universität</strong>.„Wir
167<br />
s<strong>in</strong>d<strong>der</strong>Me<strong>in</strong>ung,1.dassdieZukunft<strong>der</strong>MenschheitamEndediesesJahrtausends<br />
<strong>in</strong>hohemMassevon<strong>der</strong>kulturellen,wissenschaftlichenundtechnischenEntwicklung<br />
abhängt,diean<strong>Universität</strong>enalswahrenZentren<strong>der</strong>Kultur,WissenschaftundFor<br />
schungstattf<strong>in</strong>det;2.dassdieAufgabe<strong>der</strong><strong>Universität</strong>en,<strong>der</strong>jungenGenerationWis<br />
sen zu vermitteln, die gesamte Gesellschaft betrifft, <strong>der</strong>en kulturelle, soziale und<br />
wirtschaftliche Zukunft beson<strong>der</strong>e Bemühungen um ständige Weiterbildung erfor<br />
<strong>der</strong>t;3.dassdie<strong>Universität</strong>e<strong>in</strong>eBildungundAusbildungsicherstellenmuss,welche<br />
eskünftigenGenerationenermöglicht,zumErhaltdesumfassendenGleichgewichts<br />
<strong>der</strong>natürlichenUmgebungunddesLebensbeizutragen“(ebd.).Dieskannnach<strong>der</strong><br />
MagnaCharta(1988)nurdanngel<strong>in</strong>gen,wenndie<strong>Universität</strong>enautonomundunab<br />
hängigs<strong>in</strong>d,wennsiesichdurchdieE<strong>in</strong>heitvonForschungundLehresowiealsOrt<br />
<strong>der</strong>BegegnungzwischenLernendenundLehrendenauszeichnen.<br />
Die Erklärung von Bologna trägt den passenden Titel „Der Europäische Hochschul<br />
raum“.DieErklärungentspr<strong>in</strong>gtdemzunehmendenWettbewerbzwischendenHoch<br />
schulen,<strong>der</strong>auchalsWettbewerbzwischendenHochschulsystemen<strong>der</strong>verschiede<br />
nenKont<strong>in</strong>enteundKulturräumeverstandenwird.„Insbeson<strong>der</strong>emüssenwirunsmit<br />
dem Ziel <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerbsfähigkeit des europäi<br />
schen Hochschulsystems befassen. Die Vitalität und Effizienz je<strong>der</strong> Zivilisation lässt<br />
sichan<strong>der</strong>Attraktivitätmessen,dieihreKulturfüran<strong>der</strong>eLän<strong>der</strong>besitzt.Wirmüs<br />
sen sicherstellen, dass die europäischen Hochschulen ebenso attraktiv werden wie<br />
unsere aussergewöhnlichen kulturellen und wissenschaftlichen Traditionen“ (Erklä<br />
rungvonBologna,1999,S.3).UmdieseZielezuerreichen,habendieeuropäischen<br />
Bildungsm<strong>in</strong>ister1999e<strong>in</strong>enSechspunkteplanvere<strong>in</strong>bart.ZentraleFor<strong>der</strong>ungistdie<br />
E<strong>in</strong>führunge<strong>in</strong>esSystems,„dassichimwesentlichenaufzweiHauptzyklenstützt:ei<br />
nenZyklusbiszumerstenAbschluss(un<strong>der</strong>graduate)unde<strong>in</strong>enZyklusnachdemers<br />
tenAbschluss(graduate)“.WeitereFor<strong>der</strong>ungens<strong>in</strong>ddieE<strong>in</strong>führunge<strong>in</strong>esSystems<br />
leichtverständlicherundvergleichbarerAbschlüsse,dieFör<strong>der</strong>ung<strong>der</strong>Mobilitätund<br />
<strong>der</strong>europäischenZusammenarbeitbei<strong>der</strong>QualitätssicherungimH<strong>in</strong>blickaufdieEr<br />
arbeitungvergleichbarerKriterienundMethodensowiedie„För<strong>der</strong>ung<strong>der</strong>erfor<strong>der</strong><br />
lichen europäischen Dimensionen im Hochschulbereich, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> Bezug auf<br />
CurriculumEntwicklung, Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, Mobilitätprojekte<br />
und<strong>in</strong>tegrierte<strong>St</strong>udien,AusbildungsundForschungsprogramme“(vgl.ebd.,S.6).
168<br />
Mit <strong>der</strong> Erklärung von Bologna löst sich die Krise <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> nicht <strong>in</strong> Luft auf.<br />
ZwarhatmansichauflangfristigeZielegee<strong>in</strong>igt,<strong>der</strong>Weg<strong>der</strong>Realisierungmussvon<br />
den betroffenen <strong>Universität</strong>en aber selber begangen werden. Trotz Magna Charta,<br />
trotz<strong>der</strong>ErklärungenvonBologna(1999)undSorbonne(1998)bleibtunklar,welche<br />
Rolledie<strong>Universität</strong><strong>in</strong><strong>der</strong>Gesellschaftzuspielenhat.In<strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong><br />
werdenS<strong>in</strong>n,ZweckunddieRolle<strong>der</strong><strong>Universität</strong>optional.Immerh<strong>in</strong>wird<strong>der</strong>Spiel<br />
raum durch die Wissenschaft, die Politik und die Wirtschaft e<strong>in</strong>geengt (vgl. Clark,<br />
1983;AvenirSuisse(2004).„Die<strong>St</strong>euerungundKoord<strong>in</strong>ationdesHochschulsystems<br />
werdenalse<strong>in</strong>eKomb<strong>in</strong>ationvondreiKräftendargestellt:erstens<strong>der</strong><strong>St</strong>aatmitse<strong>in</strong>en<br />
Gesetzen und Verordnungen, zweitens die akademische Geme<strong>in</strong>schaft und drittens<br />
<strong>der</strong>Bildungsmarkt.DiesedreiKräftebildendieEckene<strong>in</strong>esDreiecks,<strong>in</strong>dassiche<strong>in</strong><br />
Landmitse<strong>in</strong>e[n]Hochschulene<strong>in</strong>ordnenlässt“(AvenirSuisse,2004,S.1).DieKräfte<br />
stehenstellvertretendfürdieAnspruchsgruppene<strong>in</strong>er<strong>Universität</strong>,welchedieRolle<br />
<strong>der</strong><strong>Universität</strong>mitbestimmenwollen.Wiebeije<strong>der</strong>an<strong>der</strong>enOrganisationgiltesdas<br />
Gewicht <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Anspruchsgruppen abzuschätzen und bei <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition des<br />
OrganisationszweckssowiedendazupassendenLeistungenzuberücksichtigen.<br />
ImZuge<strong>der</strong>Ökonomisierung<strong>der</strong>GesellschaftmitihrerKostenundNutzenorientie<br />
rungstehtdie<strong>Universität</strong>e<strong>in</strong>emvergrössertenLegitimierungsdruckgegenüber.Poli<br />
tik,WirtschaftundGesellschaftgegenüberiste<strong>in</strong>Nutzenauszuweisen.„DieUniversi<br />
tät<strong>in</strong><strong>der</strong>heutigenFormwirdvonverschiedensterSeite<strong>in</strong>Fragegestellt.ImZeichen<br />
<strong>der</strong> Liberalisierung und Ökonomisierung wird sie zunehmend als Dienstleistungsbe<br />
trieb<strong>der</strong>Gesellschaftgesehen,<strong>der</strong>nachdenüblichenEffizienzkriterienzuoperieren<br />
hat.‚Wirkungsorientierung‘heisstdasneue<strong>St</strong>ichwort,messbareLeistungens<strong>in</strong>dge<br />
fragt“ (Hügli, 2007, S.180). Wie vorne gesehen, hängt <strong>der</strong> Nutzen, <strong>der</strong> den An<br />
spruchsgruppen geboten wird, vom Zweck e<strong>in</strong>er Organisation ab. „Die Frage nach<br />
demNutzene<strong>in</strong>er<strong>Universität</strong>istdarume<strong>in</strong>eFrage<strong>der</strong>ZweckeundFunktionen,diesie<br />
zuerfüllenhat,und<strong>der</strong>gesellschaftlichenundpolitischenErwünschtheitdieserZwe<br />
ckeundFunktionen“(ebd.,S.180).Damitwie<strong>der</strong>holtsichdas<strong>Management</strong>problem,<br />
dasalleOrganisationenlösenmüssen,umlangfristigerfolgreichzuse<strong>in</strong>.DieUniversi<br />
tät muss def<strong>in</strong>ieren,welchen Nutzen siewelchen Anspruchsgruppen warum stiften<br />
will.Dabeigiltesnichtnurdiegegenwärtigen,son<strong>der</strong>n<strong>in</strong>nochstärkeremMassedie<br />
zukünftigenErfolgspotenzialezuberücksichtigen.IndieserAuslegeordnunggiltes<strong>der</strong><br />
Gesellschaft e<strong>in</strong>en beson<strong>der</strong>en <strong>St</strong>ellenwert zuzuweisen. „Was die <strong>Universität</strong> se<strong>in</strong><br />
könnte,istaufsengsteverknüpftmitVorstellungendarüber,wiedieGesellschaftse<strong>in</strong>
169<br />
könnteundse<strong>in</strong>sollte“(ebd.,S.181).AlledieseFragenwerden<strong>in</strong>kondensierterForm<br />
durchdasBildungsverständnise<strong>in</strong>er<strong>Universität</strong>beantwortet.<br />
DieBerücksichtigung<strong>der</strong>Interessen<strong>der</strong>GesellschaftentsprichtdenFor<strong>der</strong>ungenvon<br />
Feyerabend(2003a).„Mangibtimallgeme<strong>in</strong>enzu,dasse<strong>in</strong>edemokratischeGesell<br />
schaftnichtdenInstitutionenüberlassenwerdendarf,diesieenthält;siemussdiese<br />
Institutionenüberwachenundkontrollieren.DieBürgerundGruppenvonBürgern,die<br />
dieKontrolleausüben,müssenständigdieErrungenschaftenunddieAuswirkungen<br />
<strong>der</strong>mächtigstenInstitutionenuntersuchen,beurteilenund,wennnötig,korrigieren.<br />
Zum Beispiel müssen sie die Wissenschaften überwachen und e<strong>in</strong>schreiten (Entzie<br />
hungvonGeld;BeschränkungdesE<strong>in</strong>flusses<strong>der</strong>WissenschaftenaufdieErziehung;<br />
Beschränkungo<strong>der</strong>völligeBeseitigung<strong>der</strong>‚akademischenFreiheit‘;undsoweiter),<br />
wennessichherausstellt,dasssienutzlosundvielleichtsogarschädlichs<strong>in</strong>d“(ebd.,<br />
S.9). In diesem Argumentationsgang steht die <strong>Universität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pflicht <strong>der</strong> Gesell<br />
schaft. Die <strong>Universität</strong> ist Teil <strong>der</strong> Gesellschaft und nicht umgekehrt. „Die Wissen<br />
schaftens<strong>in</strong>dnachdieserAnsichtProdukte,die<strong>der</strong>WissenschaftlerzumVerkaufan<br />
bietet,unddieBürgerentscheiden,ihrenTraditionengemäss,wasgekauftwirdund<br />
was man liegen lässt. Die Wissenschaften s<strong>in</strong>d nicht Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Rationalität,<br />
<strong>der</strong>Freiheit,sies<strong>in</strong>dnichtVoraussetzungen<strong>der</strong>Erziehung,sies<strong>in</strong>dWaren.DieWis<br />
senschaftlerselbstabers<strong>in</strong>dVerkäuferdieserWaren,sies<strong>in</strong>dnichtRichterüberwahr<br />
undfalsch.Sies<strong>in</strong>dhöchstensbezahlteDiener<strong>der</strong>Gesellschaft,siewerdenangestellt,<br />
umgewissebeschränkteAufgabenzulösen,undzwarunterAufsicht<strong>der</strong>Bürger,die<br />
alle<strong>in</strong>dieNatur<strong>der</strong>AufgabenunddieArtihrerAusführungüben“(ebd.,S.17f.).<br />
Die<strong>in</strong>terngenerierten<strong>St</strong>rategienerlangenAussenwirkung.Siehelfen<strong>der</strong><strong>Universität</strong><br />
<strong>in</strong>denrelevantenMärkten<strong>St</strong>ellungzubeziehen.Sporn&Aeberli(2004)machen<strong>in</strong><br />
ihrer<strong>St</strong>udiefürAvenirSuissedreiverschiedeneMärktefürHochschulenbzw.fürna<br />
tionale Hochschulsysteme, also die Gesamtheit <strong>der</strong> Hochschulen e<strong>in</strong>es Landes aus.<br />
DerWettbewerbhatsichimZuge<strong>der</strong>Globalisierungvonden<strong>St</strong>aatsgrenzengelöst.<br />
„Eswirdjedochersichtlich,dasssichkompetitiveHochschulsystemenichtnurnatio<br />
nal,son<strong>der</strong>naucheuropäischo<strong>der</strong>sogarglobalausrichtenmüssen“(S.109).Diedrei<br />
Märktes<strong>in</strong>ddieselben,dieauchSpoun(1998;vgl.auch1998a)identifiziert.Erunter<br />
scheidet zwischen e<strong>in</strong>er Welt, e<strong>in</strong>er Kulturraum und e<strong>in</strong>er Lokalgruppe. Gemäss<br />
Spoun (1998a) ist <strong>der</strong> Kreis <strong>der</strong> Weltklasse äusserst kle<strong>in</strong>. Im Bereich <strong>der</strong> Betriebs<br />
wirtschaftslehrewerdenweltweitnurzwölf<strong>Universität</strong>enzurSpitzengruppegezählt<br />
(vgl. ebd., S.583). „Die globalen Hochschulen haben Spitzenausbildungsgänge und
170<br />
Spitzenforschungaufhöchstem<strong>in</strong>ternationalemNiveauzumZiel.Dieserfor<strong>der</strong>te<strong>in</strong>e<br />
überdurchschnittliche Anzahl von Dozierenden und Forschenden sowie sehr gute<br />
qualifizierte<strong>St</strong>udierende.ExzellenteLehre,BetreuungundForschungsowiehervor<br />
ragende Weiterbildungsprogramme zeichnen diesen Hochschultypus aus. Viele <strong>St</strong>u<br />
dierende kommen aus dem Ausland. Die meisten Absolvent<strong>in</strong>nen und Absolventen<br />
schliessendas<strong>St</strong>udiummite<strong>in</strong>emMastero<strong>der</strong>e<strong>in</strong>emDoktoratab.DieUnterrichts<br />
spracheistEnglisch.Den<strong>St</strong>udierendenwerdenfürdas<strong>St</strong>udiumgeeigneteWahlmög<br />
lichkeitenangeboten“(Spoun,1998,S.110).<br />
AufdieglobaleHochschulefolgtdieeuropäischeHochschule.Sie„stehtimnationalen<br />
und<strong>in</strong>ternationalen,<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>eimeuropäischenWettbewerb.DasAngebotrich<br />
tetsichan<strong>St</strong>udierendeausdemInundAusland.Die<strong>St</strong>ärken<strong>der</strong>europäischenHoch<br />
schulenliegen<strong>in</strong><strong>der</strong>LehreundBetreuung,<strong>der</strong>praxisorientiertenWeiterbildungund<br />
<strong>der</strong> praxisorientierten Forschung. Die Ausbildungsgänge entsprechen vor allem den<br />
Bedürfnissen<strong>der</strong>Hochschulabsolventen/<strong>in</strong>nen,dienachdem<strong>St</strong>udienabschlusse<strong>in</strong>en<br />
Berufergreifenundnicht<strong>in</strong>dieakademischeLehreo<strong>der</strong>Forschunggehen.Etwagleich<br />
viele<strong>St</strong>udierendeschliessenihr<strong>St</strong>udiummite<strong>in</strong>emBachelorbeziehungsweisee<strong>in</strong>em<br />
Masterdiplom ab. Unterrichtssprachen s<strong>in</strong>d die Landessprachen sowie Englisch. […]<br />
DienationalenHochschulenschliesslichs<strong>in</strong>ddemnationalenWettbewerbausgesetzt.<br />
SiehabeneherregionalenCharakter.DieAusbildungsangeboterichtensich<strong>in</strong>erster<br />
L<strong>in</strong>iean<strong>in</strong><strong>der</strong>SchweizlebendePersonen.Eswerdenvorwiegend<strong>St</strong>udienrichtungen<br />
angeboten, die auf berufliche Tätigkeiten im Inland vorbereiten. Der Schwerpunkt<br />
liegtauf<strong>der</strong>Lehreund<strong>der</strong>Betreuungsowieauf<strong>der</strong>höherenWeiterbildung.DieFor<br />
schunghatdagegennure<strong>in</strong>enkle<strong>in</strong>eren<strong>St</strong>ellenwertundistpraxisorientiert.Dement<br />
sprechendwirddas<strong>St</strong>udiumandenmeistennationalenHochschulenmite<strong>in</strong>emBa<br />
chelorDiplomabgeschlossen.MasterDiplomekönnennurausnahmsweiseerworben<br />
werden.DerUnterrichterfolgt<strong>in</strong><strong>der</strong>Regel<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erLandessprache“(ebd.,S.110).<br />
Aufgrund des kompetitiven Umfelds ist jede e<strong>in</strong>zelne <strong>Universität</strong> gezwungen, ihre<br />
Aufgabe, ihre Kernkompetenzen, ihr Selbstverständnis zu reflektieren. Zwischen<br />
rechtlichen Handlungsgrenzen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten entfaltet sich<br />
e<strong>in</strong>Möglichkeitsraum,<strong>in</strong>demsiche<strong>in</strong>e<strong>Universität</strong>zuprofilierenundzupositionieren<br />
hat(vgl.Spoun,1998,S.41).DerWettbewerbfürbetriebswirtschaftliche<strong>St</strong>udiengän<br />
gewirddurchdieErwartungen<strong>der</strong><strong>St</strong>udierenden,virtuelle<strong>Universität</strong>en,Fachhoch<br />
schulen, an<strong>der</strong>e <strong>Universität</strong>en aus dem In und Ausland, an<strong>der</strong>e Fächer sowie In<br />
HouseAusbildungen <strong>der</strong> Unternehmen angeheizt (vgl. ebd., S.46). Es treten neue
WettbewerberaufdenMarkt,welchedieSelbstverständlichkeit<strong>der</strong><strong>Universität</strong>zu<br />
171<br />
sätzlich<strong>in</strong>fragestellen.ImZuge<strong>der</strong>Angleichung<strong>der</strong>verschiedenenAnbieterund<strong>der</strong><br />
zunehmendenUnübersichtlichkeitgew<strong>in</strong>ntdasProfil<strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelnenAusbildungsstätte<br />
anBedeutung.„JungeMenschenwerden<strong>in</strong>ZukunftihreAusbildungsstätteweniger<br />
nach<strong>der</strong>NäheihresWohnortesauswählen,son<strong>der</strong>nvielmehraufgrund<strong>der</strong><strong>St</strong>udien<br />
ganges und des Prestiges <strong>der</strong> Hochschule. Dadurch <strong>in</strong>tensiviert sich <strong>in</strong> Europa <strong>der</strong><br />
WettbewerbzwischendenHochschulen,esentstehtaberauche<strong>in</strong>neuerWettbewerb<br />
<strong>der</strong>Bildungs<strong>in</strong>stitutionenumdieklügstenKöpfe“(ebd.,S.7).MitdenbestenKöpfen<br />
s<strong>in</strong>dsowohldie<strong>St</strong>udierendenalsauchdiedozierendenundforschendenProfessoren<br />
geme<strong>in</strong>t(vgl.<strong>St</strong>e<strong>in</strong>er&Adams,2001).DerWettbewerb<strong>der</strong>Wissensmarktplätzegip<br />
felt<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erFlutvonRank<strong>in</strong>gs,welchedie<strong>Universität</strong>enzuObjektenmitsche<strong>in</strong>bar<br />
messbaren Leistungen degradieren (vgl. swissup, 2005; F<strong>in</strong>ancial Times, 2007; Die<br />
Zeit,2008).<br />
Die Positionierung verlangt das Auswählen von strategischen Geschäftsfel<strong>der</strong>n (vgl.<br />
Müller<strong>St</strong>ewens&Lechner,2003).ImFallee<strong>in</strong>er<strong>Universität</strong>könnendieGeschäftsbe<br />
reicheForschung,DienstleistungenfürdiePraxissowieAusundWeiterbildungun<br />
terschieden werden (vgl. Heilbron, 2005). Mit <strong>der</strong> Identifizierung dieser vier Ge<br />
schäftsfel<strong>der</strong>istesnichtgetan.Passendzur<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>reissenanallen<br />
Frontenpolareundsichwi<strong>der</strong>sprechendeSkalenauf,aufdenensiche<strong>in</strong>e<strong>Universität</strong><br />
zu positionieren hat. Müller (2007) stellt <strong>der</strong> Humboldt’schen <strong>Universität</strong> mit ihren<br />
Eckpfeilern <strong>der</strong> Lerngeme<strong>in</strong>schaft von Dozierenden und <strong>St</strong>udierenden, <strong>der</strong> E<strong>in</strong>heit<br />
von Forschung und Lehre, dem Bemühen um Erkenntnis und Wahrheit als Selbst<br />
zweckund<strong>der</strong>FreiheitvonForschungundLehre<strong>in</strong>verantwortlicherSelbststeuerung<br />
die <strong>Universität</strong> als Dienstleistungsorganisation gegenüber (vgl. ebd., S.9; vgl. Ash,<br />
1999).DieklassischeHumboldt<strong>Universität</strong>unddiezumanagendeDienstleistungsor<br />
ganisationmarkierenzweiExtreme,dienicht<strong>in</strong>Re<strong>in</strong>kulturauftreten.Vielmehrs<strong>in</strong>d<br />
sieMythen,welchedieDiskussionvere<strong>in</strong>fachen.NebendiesenzweimachtvollenMe<br />
taphernformiertsichdeshalbe<strong>in</strong>egrosseZahlvonkle<strong>in</strong>erenEntscheidungszwängen<br />
(vgl. ebd.). Es s<strong>in</strong>d dies die Spannungsfel<strong>der</strong> vom mündigen und vom funktionalen<br />
Menschen,dasjenigevon<strong>der</strong>Autonomieo<strong>der</strong><strong>der</strong>Abhängigkeitvonpolitischenund<br />
gesellschaftlichen Ansprüchen, dasjenige von <strong>der</strong> strategischen Flexibilität und <strong>der</strong><br />
strukturellenKont<strong>in</strong>uität,dasjenigevom<strong>St</strong>euerungsanspruchund<strong>der</strong>Emergenzund<br />
schliesslich dasjenige von <strong>der</strong> <strong>St</strong>andardisierung und <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zigartigkeit. Passend zu<br />
diesen Optionen bilden sich verschiedene Rollenprofile <strong>der</strong> Professor<strong>in</strong> heraus. Die
172<br />
RollenentstehendurchdenWandel<strong>der</strong><strong>Universität</strong>von<strong>der</strong>organisiertenAnarchie<br />
zurzumanagendenOrganisation(vgl.Kehm&Paternack,2001,S.207;Erhart,2004).<br />
E<strong>in</strong>Instrument,umdenZwecke<strong>in</strong>er<strong>Universität</strong>auszudrücken,istdasSchulprofil(vgl.<br />
Hansel,2001).Esumfasst„diefachlichenundüberfachlichenAngebote,dievon<strong>der</strong><br />
Schulebereitgestelltwerden.SpezielleBeachtungerhaltendabeidieBeson<strong>der</strong>heiten<br />
<strong>der</strong>Schule(z.B.spezielleDienstleistungenundUnterrichtsangebote)“(Ponsch,2001<br />
<strong>in</strong>Seitz&Capaul,2005,S.120).ImKontext<strong>der</strong>LehrekanndasSchulprofilaufdiean<br />
gebotene Bildung reduziert werden. Die <strong>Universität</strong> br<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> ihrem Bildungsver<br />
ständnis zum Ausdruck, welche Entfaltungsprozesse sie unterstützen und <strong>in</strong> Gang<br />
br<strong>in</strong>genwill.DasProfile<strong>in</strong>erBildungs<strong>in</strong>stitutionkommtnichtohnepädagogischeRe<br />
flexionaus.DasSchulprofiliste<strong>in</strong>pädagogischerImpuls(Wittenbruch,2001,S.254).<br />
„DieBeschäftigungmitihmistke<strong>in</strong>TherapieangebotfürfrustrierteLehrer,son<strong>der</strong>n<br />
solltealsAuffor<strong>der</strong>ungverstandenwerden,sichüberdiepädagogischeEigengestalt<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelschule im kollegialen Gespräch zu verständen und diese zu reflektieren“<br />
(ebd.,S.254).Diesverdeutlichtzweierlei.E<strong>in</strong>erseitsistdasSchulprofilzw<strong>in</strong>genddas<br />
Resultate<strong>in</strong>erpädagogischenReflexion.Universitäre<strong>St</strong>rategienimBereich<strong>der</strong>Lehre<br />
s<strong>in</strong>d zw<strong>in</strong>gend pädagogische <strong>St</strong>rategien. „Pädagogische Nachdenklichkeit ist die<br />
grundlegendeQualifikation,um<strong>der</strong>eigenenSchule‚Profil‘zugeben.Sieiste<strong>in</strong>e<strong>in</strong>tel<br />
lektuelleHaltung,dieimWechselspielvonpädagogischemDenkenundHandelner<br />
worben bzw. geübt wird; sie weiss um die Ergänzungs und Korrekturbedürftigkeit<br />
despädagogischenSelbstverständnissesun<strong>der</strong>kenntan,dasse<strong>in</strong>emdasGanze,also<br />
die ‚totale pädagogische Wahrheit‘ nie gegeben, wohl aber aufgegeben ist“ (ebd.,<br />
S.261).Diesunterstreichte<strong>in</strong>enzweitenPunkt.DasProfile<strong>in</strong>er<strong>Universität</strong>istimIde<br />
alfall das Ergebnis e<strong>in</strong>es pädagogischen Reflexionsprozesses, <strong>der</strong> immer auch als<br />
Lernprozess<strong>der</strong>gesamten<strong>Universität</strong>betrachtetwerdenkann.DasProfilstösstim<br />
S<strong>in</strong>nee<strong>in</strong>esFraktalsbiszumDenkenundHandeln<strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelnenMitarbeitendenvor.<br />
DasFraktalgipfelt<strong>in</strong><strong>der</strong>universitärenMarke.Sieiste<strong>in</strong>Kondensat<strong>der</strong>Identitätei<br />
ner<strong>Universität</strong>.SieschafftSicherheitundOrientierung.„SiemussdasRisikodes<strong>St</strong>a<br />
kehol<strong>der</strong>s verkle<strong>in</strong>ern, das aufgrund <strong>der</strong> vermehrten Erfahrungs und Vertrauensei<br />
genschaften<strong>der</strong><strong>Universität</strong>sleistungenbesteht;siemussdieDienstleistungen,denen<br />
physischeDifferenzierungsmerkmalefehlen,sokennzeichnen,dasssienichtleichtimi<br />
tierbars<strong>in</strong>d;undsiemussdie<strong>Universität</strong>undihreLeistungenimGeiste<strong>der</strong><strong>St</strong>akehol<br />
<strong>der</strong>psychologischdifferenzieren“(Gerhard,2004,S.132).DiedurchdieMarkekom<br />
munizierteIdentität<strong>der</strong><strong>Universität</strong>istwettbewerbsentscheidend.„Die<strong>Universität</strong>en
mitdembestenRuferhaltenauchdasmeisteGeld,weshalbsichdieklügstenAkade<br />
173<br />
mikerundehrgeizigsten<strong>St</strong>udenten<strong>in</strong>ihnenversammelnundneue<strong>St</strong>andards<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
Forschungsetzen.DieMarkemitdembestenRufgew<strong>in</strong>nt“(Oll<strong>in</strong>s,2004,S.216).Der<br />
besteRufistke<strong>in</strong>Zufallsprodukt.Erentspr<strong>in</strong>gt<strong>der</strong>ständigenÜberprüfung<strong>der</strong>eige<br />
nen<strong>St</strong>ärkenundSchwächen.Erentspr<strong>in</strong>gt<strong>der</strong>permanentenÜberprüfung<strong>der</strong>Um<br />
welt.Erentspr<strong>in</strong>gtdemständigenWillenzurVerbesserung.Erentspr<strong>in</strong>gt<strong>der</strong>perma<br />
nenten Arbeit am Curriculum. Er entspr<strong>in</strong>gt dauerhafter Identitätsarbeit, die durch<br />
geschicktes Market<strong>in</strong>g an die Anspruchsgruppen zurückgespielt wird. Er entspr<strong>in</strong>gt<br />
<strong>der</strong>Integration<strong>der</strong>Anspruchsgruppen<strong>in</strong>die<strong>St</strong>rategiegenierungunddieArbeitan<strong>der</strong><br />
universitärenIdentität.<br />
<br />
8.2. Konfiguration<strong>der</strong>Probleme<br />
Mit<strong>der</strong>Verankerung<strong>der</strong>Organisationen<strong>in</strong>ihrerUmweltist<strong>der</strong>Organisationszweck<br />
angesprochen.Organisationenhaben<strong>der</strong>Gesellschaftgegenübere<strong>in</strong>enZweckzuer<br />
füllen.DieseVerantwortungwurdemit<strong>der</strong>ZentrierungvongesellschaftlichenProb<br />
lemen<strong>in</strong><strong>der</strong>Mittedes<strong>Management</strong>modells 21 deutlichgemacht.Wenne<strong>in</strong>eUniversi<br />
tät die <strong>St</strong>rukturierung ihrer Lehre an diesem <strong>Management</strong>modell festmachen will,<br />
wenn von e<strong>in</strong>er <strong>Universität</strong> durch Forschung und Lehre gesellschaftliche Probleme<br />
reflektiertwerdensollen,dannmusse<strong>in</strong>CurriculumdazugehörigeFreiräumeschaf<br />
fen.DasCurriculummussdazudiefachlichenGrenzenüberw<strong>in</strong>den.<br />
Dah<strong>in</strong>terstehtdieFor<strong>der</strong>ung,<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärvorzugehen.Puff&Wild(2003)geben<br />
zu bedenken, dass <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Forschung e<strong>in</strong>e Selbstverständlichkeit darstellt.<br />
„DieFrageistalsounseresErachtensweniger,ob<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äresHandelne<strong>in</strong>wert<br />
vollesUnterfangenisto<strong>der</strong>nicht.DieFragelautetvielmehr,wies<strong>in</strong>nvollzwischenden<br />
Diszipl<strong>in</strong>enzuagierenist.DenAkzentaufdaswieundnichtdasobzusetzenersche<strong>in</strong>t<br />
um so wichtiger, als <strong>in</strong> den akademischen Kontroversen Interdiszipl<strong>in</strong>äres häufig <strong>in</strong><br />
dieNähedesModischengerücktwird,alskönneman<strong>der</strong>Interdiszipl<strong>in</strong>aritätentge<br />
hen“(ebd.,S.8).AufInterdiszipl<strong>in</strong>aritätkannnichtverzichtetwerden,weilsichdiezu<br />
untersuchenden Gegenstände, weil sich die zu lösenden Probleme nicht nach <strong>der</strong><br />
<strong>St</strong>rukturierung nach wissenschaftlichen Diszipl<strong>in</strong>en richten. „Wenn uns Probleme<br />
nichtdenGefallentun,sichselbstdiszipl<strong>in</strong>äro<strong>der</strong>garfachlichzudef<strong>in</strong>ieren,dannbe<br />
darfesebenbeson<strong>der</strong>erAnstrengungen,die<strong>in</strong><strong>der</strong>RegelausdenFächerno<strong>der</strong>aus<br />
den Diszipl<strong>in</strong>en herausführen. Mit an<strong>der</strong>en Worten: Ganz gleich, <strong>in</strong> welchem S<strong>in</strong>ne
174<br />
Interdiszipl<strong>in</strong>aritätverstandenwird,diealsInterdiszipl<strong>in</strong>arität,diegrösserediszipl<strong>in</strong>ä<br />
reOrientierungenwie<strong>der</strong>herstellt,o<strong>der</strong>alstatsächlicheErweiterungdesErkenntnis<br />
<strong>in</strong>teresses <strong>in</strong>nerhalb von Fächern und Diszipl<strong>in</strong>en und über Fächer und Diszipl<strong>in</strong>en<br />
h<strong>in</strong>weg,e<strong>in</strong>essollteklargewordense<strong>in</strong>:Interdiszipl<strong>in</strong>aritätgehtnichtzwischenden<br />
Fächerno<strong>der</strong>denDiszipl<strong>in</strong>enh<strong>in</strong>undhero<strong>der</strong>schwebt,demabsolutenGeistnahe,<br />
über den Fächern und den Diszipl<strong>in</strong>en. Sie hebt vielmehr fachliche und diszipl<strong>in</strong>äre<br />
Engführungen, wo diese <strong>der</strong> Problementwicklung und e<strong>in</strong>em entsprechenden For<br />
schungshandelnimWegestehen,wie<strong>der</strong>auf;sieist<strong>in</strong>WahrheitTransdiszipl<strong>in</strong>arität“<br />
(Mittelstrass,2003,S.9).<br />
Beispiele,<strong>in</strong>denendie<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äreForschungaufe<strong>in</strong>elängereTraditionzurück<br />
blickenkann,f<strong>in</strong>detmanimFem<strong>in</strong>ismus(vgl.Döll<strong>in</strong>getal.,2007),denGen<strong>der</strong><strong>St</strong>udies<br />
(vgl.Kahlertetal.,2005)o<strong>der</strong><strong>der</strong>Ökologie(vgl.DiGulio,2007).IndiesenQuellen<br />
f<strong>in</strong>densichH<strong>in</strong>weisefürdieGestaltungvonentsprechendenLernLehrUmgebungen.<br />
Es<strong>der</strong>s&Genschel(2007)betonen,dass<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äreThemengebieteambesten<br />
<strong>in</strong>sozialenLernformenbehandeltwerden.„GeradevordemH<strong>in</strong>tergrund<strong>der</strong>gegen<br />
wärtigenProzessevonPrivatisierungundIndividualisierungsowie<strong>der</strong>Transformation<br />
universitärerLehrundLernbed<strong>in</strong>gungenbrauchtesfürdieseFormenvonErkenntnis<br />
explizitsozialeLernformen,diemitden<strong>St</strong>udierendenjeweilsneuzuerprobens<strong>in</strong>d.<br />
Das‚Soziale‘dieserLernformenbestimmtsichdurchdieFör<strong>der</strong>ungvon(Selbst)Kritik,<br />
<strong>St</strong>reitundOffenheitebensowiedurchdiegezielteVerlangsamungdesLernens.Damit<br />
lässtsichmöglicherweisee<strong>in</strong>eFormvon‚Sozialität‘aneignen,die<strong>der</strong>durchgreifen<br />
den Individualisierung im Denken und Tun an<strong>der</strong>es entgegenstellt. Gerade die Ent<br />
wicklungvonsozialenLernformen,dieFör<strong>der</strong>ungvonWi<strong>der</strong>spenstigkeitundOffen<br />
heit<strong>in</strong>denLernprozessenverdeutlicht,dassdieses‚Programm‘nichtvondeneben<br />
falls<strong>in</strong>dividualisiertenundunterDruckstehendenLehrenden‚e<strong>in</strong>fachso‘zuleisten<br />
ist.Sicher,nachwievorexistierenimuniversitärenBereichweitausmehrFreiräume<br />
als<strong>in</strong>an<strong>der</strong>engesellschaftlichenBereichen.DochdieAufgabe,Freiräumezunutzen<br />
und auszuweiten, kann nicht e<strong>in</strong>fach den Lehrenden aufgebürdet werden“ (ebd.,<br />
S.39).<br />
Dies verdeutlicht die For<strong>der</strong>ung, für <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre und transdizipl<strong>in</strong>äre Fragestel<br />
lungeneigenständigeGefässezuschaffenundsienichtnur<strong>in</strong>bisherigenFachstruktu<br />
ren unterzubr<strong>in</strong>gen. Diese For<strong>der</strong>ung wie<strong>der</strong>um eröffnet die Möglichkeit, Transdis<br />
zipl<strong>in</strong>aritätsoweitzudenken,dassnichtnurdie<strong>St</strong>udierendene<strong>in</strong>ere<strong>in</strong>zelnenUni<br />
versität an diesen Programmen teilnehmen, son<strong>der</strong>n dass die Gefässe für an<strong>der</strong>e
175<br />
<strong>Universität</strong>enundFachhochschulen(mitan<strong>der</strong>enFakultäten)geöffnetwerden,dass<br />
dieGefässeMenschen<strong>in</strong>tegrieren,diemit<strong>Universität</strong>ensonstnichtszutunhaben,<br />
dassdieGefässePraktikere<strong>in</strong>laden,mitdenendieAbsolventen<strong>in</strong>ihremAlltagspäter<br />
e<strong>in</strong>malzusammenarbeitenwerden.Diesför<strong>der</strong>tdenAustauschzwischendenDiszip<br />
l<strong>in</strong>en,denRegionen,den<strong>Universität</strong>en,den<strong>St</strong>ändenundzwischendenIdealen.Dies<br />
för<strong>der</strong>timmerauchdieInfragestellungdeseigenenDenkens.„DieInfragestellung<strong>der</strong><br />
Selbstverständlichkeiten<strong>der</strong>symbolischenOrdnungundihrermachtvollenKonstrukti<br />
onenistmith<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zentralesZiel<strong>der</strong>universitärenLehreund<strong>der</strong>kritischtransdizipli<br />
närenReflexion“(ebd.,S.40).WissenschaftstheoretischerhältdieNotwendigkeitdes<br />
Austauschs zwischen den Diszipl<strong>in</strong>en durch das Zusammenwachsen <strong>der</strong> Diszipl<strong>in</strong>en<br />
zusätzlichanGewicht(vgl.Nowotny,1999).DasPlädoyerfürInterdiszipl<strong>in</strong>aritätund<br />
füre<strong>in</strong><strong>Management</strong>,dasalledreiSystemebenenberücksichtigt,sollnichtbedeuten,<br />
dass herkömmliche Diszipl<strong>in</strong>en wie das Market<strong>in</strong>g, das Controll<strong>in</strong>g o<strong>der</strong> das Perso<br />
nalwesenihreBedeutungverlieren.Verlangtwirde<strong>in</strong>eErgänzung<strong>der</strong>bisherigenZu<br />
gänge.<br />
Das fachliche <strong>St</strong>udium reicht nicht aus, um die <strong>St</strong>udierenden für das <strong>Management</strong><br />
vonIndividuen,Organisationen,Organisationsnetzwerken,Geme<strong>in</strong>schaftenundGe<br />
sellschaften vorzubereiten. Es reicht <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e nicht aus, um die <strong>St</strong>udierenden<br />
zumUmgangmitdenmultiplenOptionenunsererZeitzubefähigen.Esreichtnicht<br />
aus, um das Bildungsideal e<strong>in</strong>es eigen, sozial und zukunftsverantwortlichen Um<br />
gangsmitOptionenumzusetzen.Esreichtnichtaus,umden<strong>St</strong>udierendendieArbeit<br />
anihrerIdentitätzuermöglichen.Esreichtnichtaus,umdie<strong>St</strong>udierenden<strong>in</strong><strong>der</strong>Ent<br />
faltungihrerIndividualitätzuunterstützen.Esreichtnichtaus,umden<strong>St</strong>udierenden<br />
dieTechniken<strong>der</strong>Selbstreflexionbeizubr<strong>in</strong>gen.Dasfachliche<strong>St</strong>udiumsollvone<strong>in</strong>em<br />
<strong>St</strong>udiumbegleitetwerden,<strong>in</strong>demdie<strong>St</strong>udierendenihreüberfachlichenKompeten<br />
zenerweiternundanihrerIdentitätarbeiten.Dortwird<strong>der</strong>UmgangmitWissen,an<br />
<strong>der</strong>enMenschen,<strong>der</strong>eigenenPersonunddenSchlüsselproblemen<strong>der</strong>Gesellschaft<br />
e<strong>in</strong>geübt.Weil<strong>in</strong>diesenLehrveranstaltungenüberfachlicheKompetenzenentwickelt<br />
werdensollen,wirddiesernichtfachlicheTeildes<strong>St</strong>udiumsvonnunanEntwicklungs<br />
feldgenannt.Die<strong>St</strong>udierendenerhaltenhierdieMöglichkeit,ihrganzesWesen,mit<br />
allse<strong>in</strong>enTalenten,se<strong>in</strong>en<strong>St</strong>ärkenund<strong>St</strong>igmaszuentwickeln.<br />
Umüber<strong>Management</strong>wissenschaftlichnachdenkenzukönnen,istesnötig,<strong>der</strong>wis<br />
senschaftlichen Sensibilisierung während des <strong>St</strong>udiums <strong>der</strong> Betriebswirtschaftslehre<br />
beson<strong>der</strong>eBeachtungzuschenken.Anwendungsorientierte,praxisnaheWissenschaft
176<br />
istebenimmernochmehrWissenschaftalsPraxis.ZwarsollenspezifischeSem<strong>in</strong>are<br />
und<strong>der</strong>Zuschnitt<strong>der</strong>imUnterrichtzentriertenProblemegenaudiesePraxisorientie<br />
rung garantieren. Gleichzeitig sollte e<strong>in</strong>e <strong>Universität</strong> den wissenschaftlichen Nach<br />
wuchs und das Vererben des wissenschaftlichen Denkens und Handelns forcieren.<br />
DieseFor<strong>der</strong>ungerhältvordemH<strong>in</strong>tergrundvonmultioptionalenWissensquellen<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er Wissenschaft 2.0 zusätzliches Gewicht. Die <strong>St</strong>udierenden sollen lernen, wie<br />
Problemewissenschaftlichgelöstwerden.DabeigehtesnichtnurumdasKennenler<br />
nen traditioneller Methoden. Es geht auch darum, die Pluralisierung und Relativie<br />
rungdesWissenszudiskutieren.Esgehtauchdarum,<strong>in</strong><strong>der</strong>Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungmit<br />
Wissen, Erkenntnistheorien, Wissenschaftstheorien und wissenschaftlichen Metho<br />
dene<strong>in</strong>eeigenePosition,e<strong>in</strong>eneigenen<strong>St</strong>ilzuentwickeln.DieseFor<strong>der</strong>unggiltgera<br />
defürdieTopuniversitäten,diesich<strong>in</strong>ternationaldurchqualitativhochwertigeFor<br />
schungsleistungenauszeichnenwollen.Siegilt<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>edann,wenn<strong>der</strong>wissen<br />
schaftlicheNachwuchs,<strong>der</strong>nationalewissenschaftlicheNachwuchsgestärktundda<br />
mit Investitionen <strong>in</strong> den nationalen Nachwuchs und die eigene <strong>Universität</strong> getätigt<br />
werdensollen.<br />
DieWissenschaftsorientierungdientimZusammenspielmitdenUnterstützungsleis<br />
tungen<strong>der</strong>studentischenIdentitätsarbeitunddemBetrachtenallerdreiEbenendes<br />
<strong>Management</strong>s dazu, die <strong>Universität</strong> von den Fachhochschulen abzugrenzen. Über<br />
kurzo<strong>der</strong>langgreiftdiehäufig<strong>in</strong>sSpielgebrachteUnterscheidungzwischenTheorie<br />
undPraxiszukurz.„WasnunaberdieBetriebswirtschaftslehreangeht,sowürdedie<br />
Auffassung, an <strong>der</strong> Fachhochschule würde e<strong>in</strong>e Betriebswirtschaft praktischen Zu<br />
schnitts,an<strong>der</strong><strong>Universität</strong>h<strong>in</strong>gegene<strong>in</strong>etheoretischeArtbetrieben,zukurzgreifen.<br />
InhaltlichlässtsichdieBetriebswirtschaftslehrenicht<strong>in</strong>e<strong>in</strong>esolchepraktischerProb<br />
lemeunde<strong>in</strong>etheoretischeBetriebswirtschaftslehres<strong>in</strong>nvolltrennen“(Spoun,1998,<br />
S.23).Dazukommt,dassdieFachhochschulenbei<strong>der</strong>Behandlungvonfunktionsori<br />
entierten Problemen schon jetzt über potenzielle Wettbewerbsvorteile verfügen.<br />
„Faktisch liegen an e<strong>in</strong>igen Fachhochschulen durch kle<strong>in</strong>ere Gruppengrössen und<br />
strengereZulassungsbestimmungenbessereVoraussetzungenerfolgreicherLehrevor<br />
als an manchen <strong>Universität</strong>en.Die Selbstdarstellunge<strong>in</strong>iger Fachhochschulen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Öffentlichkeit und ihr Selbstverständnis zielen nicht unbeabsichtigt auf Ähnlichkeit<br />
und Gleichwertigkeit“ (ebd., S.23). Die <strong>Universität</strong> kann sich gegenüber den Fach<br />
hochschulendadurchabgrenzen,dassdasSystemOrganisationmöglichstausvielen<br />
Perspektiven<strong>in</strong>vielfältigenZusammenhängenbetrachtetwird.„JetztkommtdieFra
ge, was denn die Aufgabe <strong>der</strong> Fachhochschule ist. Manche machen regionale E<strong>in</strong><br />
177<br />
schränkungen, funktionale E<strong>in</strong>schränkungen o<strong>der</strong> E<strong>in</strong>schränkungen im H<strong>in</strong>blick auf<br />
Arbeitgebergeltend.Ichglaube,<strong>in</strong><strong>der</strong>ArtsolltedieLehreanFachhochschulenund<br />
Unisnichtgrundverschiedense<strong>in</strong>.Son<strong>der</strong>ndiewirdsichdar<strong>in</strong>unterscheiden,wieviel<br />
Anleitungnotwendigist,damitdieZieleerreichtwerdenkönnen.Unddawürdeich<br />
ebenerwarten,dassman<strong>in</strong><strong>der</strong>UnimitwenigerAnleitungweiterkommtunddamit<br />
e<strong>in</strong> breiteres Repertoire <strong>in</strong> <strong>der</strong>selben Zeit abdecken kann“ (Interview Sascha Spoun,<br />
13.November2007).<br />
AuchEuleristimInterview(12.Dezember2007)<strong>der</strong>Me<strong>in</strong>ung,dasssichdas<strong>St</strong>udium<br />
an Fachhochschule und <strong>Universität</strong> nicht grundsätzlich vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> unterscheiden<br />
sollte.„Ichdenke,dasse<strong>in</strong><strong>St</strong>udiumane<strong>in</strong>er<strong>Universität</strong>stärkeraufdivergenteAspek<br />
teabhebtund<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>edieEntwicklung<strong>der</strong>Persönlichkeitstärkeralse<strong>in</strong>eFach<br />
hochschule betont. Ich würde ke<strong>in</strong>en Unterschied im Grundsatz sehen. Ich denke<br />
aber, dass man gerade <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fachhochschule auf berufliche Verwendung schaut,<br />
dassmanwenigerdieToppositionenimBlickhat,son<strong>der</strong>neherdasMittelfeld.Daraus<br />
ergibtsich,dassdasKnowhowundwenigerdasKnowwhyimVor<strong>der</strong>grundsteht.Ich<br />
sehe ke<strong>in</strong>en Grundsatzunterschied, son<strong>der</strong>n die Akzente liegen etwas an<strong>der</strong>s. Man<br />
mussnatürlichauchsehen,dassdieZugangswegezudenbeidenHochschulformen<br />
unterschiedlichs<strong>in</strong>d,dasheisst,dieFachhochschuleführtprimärübere<strong>in</strong>eBerufsleh<br />
reunde<strong>in</strong>eBerufsmatura.DerZugangane<strong>in</strong>e<strong>Universität</strong>läuftübere<strong>in</strong>Gymnasium,<br />
e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Matura. Das heisst, hier s<strong>in</strong>d die Erfahrungen über ökonomisches<br />
Handeln <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht da. Das s<strong>in</strong>d an<strong>der</strong>e Erfahrungskontexte, die die Leute<br />
mitbr<strong>in</strong>gen.ManmusssicherlichunterschiedlicheLernvoraussetzungen,unterschied<br />
licheZugangswege,Bildungsbiografienberücksichtigen.Dashatdannwahrsche<strong>in</strong>lich<br />
eherdidaktischeKonsequenzen.“<br />
Eswirdhierdafürplädiert,dassdiediszipl<strong>in</strong>nahefachlicheAusbildungandieFach<br />
hochschulen gehört. Funktionsspezialisten im Rechnungswesen o<strong>der</strong> im Market<strong>in</strong>g<br />
brauchennichtane<strong>in</strong>er<strong>Universität</strong>ausgebildetzuwerden.„Denndie<strong>Universität</strong><strong>der</strong><br />
Zukunft wird vermutlich zerfallen: In e<strong>in</strong>e höhere Schule mit modularisierten, ge<br />
strafften<strong>St</strong>udienplänenauf<strong>der</strong>e<strong>in</strong>enSeite,<strong>in</strong><strong>der</strong>denbreitenMassenausreichend<br />
Metawissenvermitteltwird,umdenständigwachsendenAnfor<strong>der</strong>ungen<strong>der</strong>ausser<br />
akademischenArbeitsweltzutrotzen.Und<strong>in</strong>e<strong>in</strong>eelitäreSpitzenuniversitätauf<strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>enSeite,an<strong>der</strong>esnochvere<strong>in</strong>zelte–anachronistischanaloge–Oasen<strong>der</strong>Wis<br />
sensproduktiongibt“(Dries,2007).DieFor<strong>der</strong>ung,diszipl<strong>in</strong>äreAusbildungsgängevom
178<br />
Campuszuverdrängen,erhältdannzusätzlichesGewicht,wennman<strong>der</strong><strong>St</strong>immevon<br />
Jensensberger (2006) glaubt, welche die organisations<strong>in</strong>ternen <strong>Universität</strong>en, die<br />
corporateuniversities,alsbedrohlicheKonkurrenz<strong>der</strong>Institution<strong>Universität</strong>betrach<br />
tet. „E<strong>in</strong>zelne Unternehmen beg<strong>in</strong>nen, das arbeits<strong>in</strong>tegrierte Lernen mit akademi<br />
schenAbschlüssenauchimUnternehmene<strong>in</strong>zuführen,dar<strong>in</strong>e<strong>in</strong>Instrument<strong>der</strong>Or<br />
ganisationsentwicklungundFührungskonzeptionzuerkennen,währendsiediestaat<br />
liche Hochschulausbildung für immer weniger ‚zukunftsfähig‘ halten“ (ebd., S.27).<br />
Jedenfallssollenane<strong>in</strong>er<strong>Universität</strong>dieManagernichtnurausgebildetwerden.An<br />
e<strong>in</strong>er<strong>Universität</strong>sollendie<strong>St</strong>udierenden<strong>Management</strong>studieren.Ane<strong>in</strong>erUniversi<br />
tätsollendie<strong>St</strong>udierendenauchD<strong>in</strong>getun,dieausserihnenniemandeme<strong>in</strong>enNut<br />
zenstiften.E<strong>in</strong><strong>Universität</strong>sstudium<strong>der</strong>Betriebswirtschafslehredientnichtnurdazu,<br />
e<strong>in</strong>efachlicheDiszipl<strong>in</strong>genaukennenzulernen.Esdientauchdazu,dieHerausforde<br />
rungendesGestaltens,LenkensundEntwickelnse<strong>in</strong>er<strong>in</strong>grössereSystemee<strong>in</strong>gebun<br />
denenOrganisationzureflektieren.Ess<strong>in</strong>dSysteme,dieüberdasProfitundWachs<br />
tumsdenken h<strong>in</strong>ausgehen und ihre Verantwortung gegenüber Mensch,Gesellschaft<br />
undUmweltaktivwahrnehmen.<br />
Als weiteres Unterscheidungsmerkmal zwischen <strong>Universität</strong> und Fachhochschule<br />
dientdie<strong>in</strong>tensiveArbeitan<strong>der</strong>eigenenIdentität.FürdasFör<strong>der</strong>nvoneigen,sozial<br />
undzukunftsverantwortlichenPersönlichkeitengibtesdirekteund<strong>in</strong>direkteAnsätze.<br />
Indirekts<strong>in</strong>dsiedann,wenndieEntfaltung<strong>der</strong>PersönlichkeitalsautomatischeFolge<br />
<strong>der</strong>universitärenLehreerwartetwird.Direkts<strong>in</strong>dsiedann,wenndieEntfaltung<strong>der</strong><br />
PersönlichkeitdurchKurse,diesichexplizitmitdieserThematikause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen,<br />
geför<strong>der</strong>twird.Spoun(2007)setztsichfürdashierals<strong>in</strong>direkttaxiertesKonzept<strong>der</strong><br />
BildungdurchWissenschafte<strong>in</strong>,beidemsichdiePersönlichkeit<strong>der</strong>Lernendenauto<br />
matisch durch das wissenschaftliche Arbeiten entwickelt. „Das heisst Teilhabe am<br />
Erkenntnisprozess, eigenes Ausprobieren, forschendes Lernen, Fragestellungen ent<br />
wickeln,Materialdazusuchen,diesessystematischaufbereiten,analysieren,präsen<br />
tierenundimDiskurse<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen.DieserProzess<strong>der</strong>eigenständigenWissensgenerie<br />
rungist<strong>der</strong>,beidem<strong>St</strong>udierendeammeistenlernenkönnen.DassoGelernteschafft<br />
dieVoraussetzungendafür,auchsolcheProblemelösenzukönnen,diejenseitsdes<br />
eigenenfachlichenSpektrumsliegen.Esistgleichzeitige<strong>in</strong>Prozess<strong>der</strong>Selbstreflexi<br />
on:Waskannich?Waskannichmirerschliessen?Wasistme<strong>in</strong>Fortschritt?Genau<br />
dieser Prozess <strong>der</strong> ausgehaltenen Unsicherheit trägt wesentlich zur Persönlichkeits<br />
entwicklungbei.Wennsiedasdann<strong>in</strong>verschiedenenBereichentun,undnichtnur
179<br />
<strong>in</strong>nerhalbe<strong>in</strong>esFachgebietes,entstehte<strong>in</strong><strong>St</strong>udienumfeld,daspersönlicheEntwick<br />
lungbeför<strong>der</strong>nkann“(ebd.,S.3).DieEntwicklung<strong>der</strong>Persönlichkeitistdannbeson<br />
<strong>der</strong>s effektiv, wenn sich die <strong>St</strong>udierenden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em offenen, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sie verunsi<br />
cherndenTerra<strong>in</strong>aufhalten.DorttreffensieaufdieOptionen,dienachMarcia(1993;<br />
1993a;1967;1966)zurEntwicklungund<strong>St</strong>abilisierung<strong>der</strong>Identitätdienen.<br />
Spoun(2007)propagierte<strong>in</strong><strong>St</strong>udiumGenerale,umdas<strong>St</strong>udienzielPersönlichkeit(vgl.<br />
Spoun&Wun<strong>der</strong>lich,2005)zuerreichen.ErkonkretisiertZieleundInhaltee<strong>in</strong>essol<br />
chenProjektes:„DasersteZielistdieArtdesArbeitens<strong>in</strong>FormselbständigenLer<br />
nensundAusprobierensdurchTeilhabeamForschungsprozessaufunterschiedlichen<br />
Niveaus.DaszweiteThemaistdieBreite<strong>der</strong>Lehr,Lern,undUntersuchungsgegens<br />
tände,dieweitüberdaseigentlicheFachgebieth<strong>in</strong>ausragenundGebietebehandeln,<br />
diefernliegen,damitmanauchfachfremdeOrdnungsrahmenverstehenkann.Das<br />
dritteZielheisst:NichtE<strong>in</strong>zelkämpfertum,son<strong>der</strong>nTeamarbeit.DaswirddurchArbei<br />
tenangrossenProblemen,beidenenmanzw<strong>in</strong>genddaraufangewiesenist,siemit<br />
mehreren<strong>in</strong>Angriffzunehmen,e<strong>in</strong>gefor<strong>der</strong>t.WennmanaufdieseWeiseversucht,<br />
zu<strong>St</strong>udienbeg<strong>in</strong>ne<strong>in</strong>eentsprechendeHaltung<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendenentstehenzulassen<br />
undimFolgendendasFachstudiumweiterh<strong>in</strong>durche<strong>in</strong>Komplementärstudiumbe<br />
gleitet,dasgeradediean<strong>der</strong>ePerspektivezeigt,dannkannmanvielimH<strong>in</strong>blickauf<br />
das <strong>St</strong>udienziel Persönlichkeit erreichen“ (Spoun, 2007, S.4). Neben die For<strong>der</strong>ung,<br />
die <strong>St</strong>udierenden alle<strong>in</strong>e durch den Wissensdschungel zu schicken, tritt die Forde<br />
rung, den <strong>St</strong>udierenden e<strong>in</strong>e möglichst breite Spielweise anzubieten, <strong>in</strong> denen sie<br />
spielerischdieWeltunddamitsichselbstentdeckenkönnen.<br />
DieseFor<strong>der</strong>ungenentsprechen<strong>der</strong>BildungstheorievonHumboldt,<strong>der</strong>dieBeschäf<br />
tigungmitdemAllgeme<strong>in</strong>emzurBed<strong>in</strong>gung<strong>der</strong>EntfaltungdesIndividuellenmacht:<br />
„ImMittelpunktallerbeson<strong>der</strong>enArten<strong>der</strong>Thätigkeitnemlichsteht<strong>der</strong>Mensch,<strong>der</strong><br />
ohnealle,aufirgendetwasE<strong>in</strong>zelnesgerichteteAbsicht,nurdieKräftese<strong>in</strong>erNatur<br />
stärkenun<strong>der</strong>höhen,se<strong>in</strong>emWesenWerthundDauerverschaffenwill.Dajedochdie<br />
blosseKrafte<strong>in</strong>enGegenstandbraucht,andemsiesichüben,unddieblosseForm,<strong>der</strong><br />
re<strong>in</strong>eGedanke,e<strong>in</strong>en<strong>St</strong>off,<strong>in</strong>demsie,sichdar<strong>in</strong>ausprägend,fortdauernkönne,so<br />
bedarfauch<strong>der</strong>Mensche<strong>in</strong>erWeltaussersich.[…]Re<strong>in</strong>und<strong>in</strong>se<strong>in</strong>erEndabsichtbe<br />
trachtet,istse<strong>in</strong>Denkenimmernure<strong>in</strong>Versuchse<strong>in</strong>esGeistes,vorsichselbstver<br />
ständlich, se<strong>in</strong> Handeln e<strong>in</strong> Versuch se<strong>in</strong>es Willens, <strong>in</strong> sich frei und unabhängig zu<br />
werden,se<strong>in</strong>eganzeäussreGeschäftigkeitüberhauptabernure<strong>in</strong><strong>St</strong>reben,nicht<strong>in</strong><br />
sichmüssigzubleiben.Blossweilbeides,se<strong>in</strong>Denkenundse<strong>in</strong>Handelnnichtan<strong>der</strong>s,
180<br />
alsnurvermögee<strong>in</strong>esDritten,nurvermögedesVorstellensunddesBearbeitensvon<br />
etwasmöglichist,desseneigentlichunterscheidendesMerkmalesist,NichtMensch,<br />
d.i.Weltzuseyn,suchter,sovielWelt,alsmöglichzuergreifen,undsoeng,alsernur<br />
kann,mitsichzuverb<strong>in</strong>den“(vonHumboldt,zit.<strong>in</strong>Benner,2003,S.94f.).<br />
Um die Entwicklung <strong>der</strong> Persönlichkeit zusätzlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em direkten Modus zu för<br />
<strong>der</strong>n,wirbtdieseArbeitfürCurriculumBauste<strong>in</strong>e,diesichbewusst<strong>der</strong>Identitätsar<br />
beit<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendenverschreiben.IndiesenKursenlernendie<strong>St</strong>udierendenihrIn<br />
neresbesserkennen.SiewerdenmitdenfürsiealtersspezifischenEntwicklungsauf<br />
gabenkonfrontiert.Siedef<strong>in</strong>iereneigene<strong>St</strong>ärkenundSchwächen.Sieerkundenihre<br />
Rollen<strong>in</strong>unterschiedlichenTeams.SielernenihrDenkenundHandelnzureflektie<br />
ren.Bei<strong>der</strong>E<strong>in</strong>übung<strong>der</strong>SelbstreflexionkanndieVerantwortungdenKulturwissen<br />
schaften übertragen werden. „Kulturwissenschaftler versuchen zu lehren, dass man<br />
immerwissenmussundvorallemauch,dassmanimmerwissenkann,wasmantut.<br />
Manmussalsoimmer<strong>in</strong><strong>der</strong>Lagese<strong>in</strong>,auchvonaussenaufsichzuguckenundsich<br />
zufragen,wasmacheichjetzthiereigentlichgerade,wiefunktioniereichundwie<br />
geheichmitme<strong>in</strong>emGegenüberum?Dassmanalsonichte<strong>in</strong>fachse<strong>in</strong>erIdeologie<br />
o<strong>der</strong>se<strong>in</strong>emDogmafolgtunddassmanimmerauche<strong>in</strong>bisschenkritischeDistanzzu<br />
sichselbsthält.Unddasist,glaubeich,e<strong>in</strong>ganzspezifischesInstrumentarium,das<br />
man <strong>in</strong> den Kulturwissenschaften erwerben kann“ (Interview Ulrike Landfester, 3.<br />
September2007).InkulturwissenschaftlichenFächernkönnendie<strong>St</strong>udierendenFä<br />
higkeitenerwerbenundE<strong>in</strong>stellungenfestigen,welchedieThemenkomplexe„Ich<strong>in</strong><br />
<strong>der</strong>Welt“und„IchunddieAn<strong>der</strong>en“betreffen.Esgehtumdie„Fähigkeit,übersich<br />
nachzudenken,alsozuwissen,wasmantut.DieFähigkeit,Kulturzudiagnostizieren,<br />
alsozusehen,wieKulturfunktioniert.DieeigeneIdentitätalse<strong>in</strong>ehistorischgebun<br />
denezureflektieren,dasf<strong>in</strong>deichganzwichtig.Esgehtdarum,dassmanden<strong>St</strong>udie<br />
renden vermitteln kann, Leute ihr seid nicht zufällig das, was ihr seit. Das ist euch<br />
nichtgenetischangeboren.Son<strong>der</strong>nihrseides,dieaufgrundvonBildungserfahrun<br />
gen und kulturellen Erfahrungen e<strong>in</strong>e ganz bestimmte Identitätsform erzeugt. Und<br />
dieseIdentitätsformistebennichtvon<strong>der</strong>Naturvorgegeben,son<strong>der</strong>ndieiste<strong>in</strong>kul<br />
turellerEffekt.Dasistüberhauptnichtkritischgeme<strong>in</strong>t–imGegenteil.Aberumsich<br />
zu verstehen und um mit Arbeits und sonstigen Zusammenhängen, politischen Zu<br />
sammenhängenumzugehen,mussmandaswissen.Manmusswissen,wiemantickt.<br />
Genaudasversuchenwirunseren<strong>St</strong>udierendenbeizubr<strong>in</strong>gen.Ichdenke,dasistet<br />
wasganzWesentliches.Eskannauchüberhauptnichtsschaden,wennmannebenher
181<br />
e<strong>in</strong>eAhnungvonKunstundLiteraturerhält.Daslässtsichdannfastnichtvermeiden“<br />
(ebd.).<br />
ÜberhauptdienenKunstundLiteraturdazu,dieganzeBreite<strong>der</strong>Persönlichkeit<strong>der</strong><br />
Lernenden zu för<strong>der</strong>n. Dazu zählen auch Theater, Gastronomie, Film, Malerei o<strong>der</strong><br />
Tanz (vgl. Nissley, 2002). Die Entwicklung von künstlerischen Fähigkeiten passt zur<br />
E<strong>in</strong>schätzungvonWhite(1996),wonachessichbeim<strong>Management</strong>ume<strong>in</strong>ästheti<br />
schesPhänomenhandelt.„Manysources<strong>in</strong>managementtheoryrefertothe‚art‘of<br />
management.Thisusageofthetermmaybemetaphorical,butifthereisaliteraldi<br />
mension–adimensiondef<strong>in</strong>edbypurelyaestheticconsi<strong>der</strong>ations–thenitmaybe<br />
arguedthatifthereisanarttomanagement,andif<strong>in</strong>generalthepurposeofartisto<br />
createobjectsofbeauty,thenitwouldfollowthatwhateverismanagedwell,must<br />
be <strong>in</strong> some sense beautiful“ (S. 204). Unabhängig davon, ob man <strong>Management</strong> als<br />
Handwerk(vgl.Malik,2007)o<strong>der</strong>alsKunstversteht,solltemandenkünstlerischen<br />
Ausdruck des Menschen als Wissenskanal betrachten, <strong>der</strong> beim Gestalten, Lenken<br />
und Entwickeln von Individuen, Organisationen und Gesellschaft dienlich se<strong>in</strong> kann<br />
(vgl.Nissley,2002).Esiste<strong>in</strong>Wissenskanal,<strong>der</strong>dasIrrationale,dasEmotionale,das<br />
Ästhetische,dasUnterschwelligeundUnterbewussteumfasstundansTageslichtzu<br />
br<strong>in</strong>genvermag.Ess<strong>in</strong>dKanäle,diedenMenschenhelfen,sichvonihrenUnsicher<br />
heitenundMängelnzubefreien.Ess<strong>in</strong>dKanäle,die<strong>in</strong>sInneredesMenschenführen,<br />
dieunshelfen,unsereIndividualitätaufzuspüren.Ess<strong>in</strong>dKanäle,diewirnutzensoll<br />
ten,umIdentitätsarbeitzuleisten.Identitätsarbeitleistennichtnur<strong>St</strong>udierendeund<br />
Manager. Identitätsarbeit leisten auch Kunden, Mitarbeitende und Aktionäre. Des<br />
halbisteswichtig,dassdieangehendenManagerund<strong>Management</strong>theoretikerwis<br />
sen,wasdaabgeht,wennihreAnspruchsgruppenIdentitätsarbeitleisten.Siesollen<br />
durch diepersönliche Identitätsarbeit verstehen lernen, wie essich anfühlt, Identi<br />
tätsarbeitzuleisten.<br />
SollendieKompetenzennichtnurIchKompetenzenbleiben,müssendieLernenden<br />
dazubefähigtwerden,geme<strong>in</strong>sammitan<strong>der</strong>enMenschenWissensundEmotionsar<br />
beit zu leisten. Damit ist <strong>der</strong> Erwerb von Sozialkompetenzen angesprochen. Neben<br />
dem Wissen spielen Emotionen die Hauptrolle <strong>in</strong> den symbolischen Systemen <strong>der</strong><br />
<strong>Multioptionsgesellschaft</strong> (vgl. Weibler, 2004). <strong>St</strong>udierende sollen befähigt werden,<br />
ihre Emotionen wahrzunehmen, sie zu reflektieren und sie an<strong>der</strong>en Menschen ge<br />
genübermitzuteilen.Die<strong>St</strong>udierendensollendurchdas<strong>St</strong>udiumdazubefähigtwer<br />
den,typischeLeistungsundKonfliktsituationenimBerufslebenzubewältigen.Dabei
182<br />
wirdangenommen,dassdieimberuflichenKontexterworbenensozialenKompeten<br />
zenauchaufdenprivatenBereichübertragenwerdenkönnen.<br />
<br />
8.3. UmfassendeProblemorientierung<br />
DasKonzeptdesproblemorientiertenLernensvermagallehierangestelltenÜberle<br />
gungenzuvere<strong>in</strong>en.DieersteFrage,diezuklärenist,betrifftdieFunktiondesMana<br />
gements<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>.DieArbeitistvon<strong>der</strong>Def<strong>in</strong>itionUlrichsaus<br />
gegangen, wonach <strong>Management</strong> das Gestalten, Lenken und Entwickeln von sozio<br />
technischenSystemenist.WeilSystemewieMatrioschkasimmerzwischenkle<strong>in</strong>eren<br />
und grösseren Systemen e<strong>in</strong>geklemmt s<strong>in</strong>d, mit diesen zusammengewachsen und<br />
dadurchdasWohle<strong>in</strong>esSystemsimmerauchvomWohl<strong>der</strong>mitihmverbundenen<br />
Systemeabhängt,reichtesnichtaus,<strong>Management</strong>nuraufdiee<strong>in</strong>zelneOrganisation<br />
zubeziehen.<strong>Management</strong>nimmtauchaufdasIndividuum,dieOrganisation,Organi<br />
sationsnetzwerke, Geme<strong>in</strong>schaften und Gesellschaften Bezug. Gomez hat im Inter<br />
view darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass durch <strong>Management</strong> Public Value zu schaffen ist.<br />
SchliesslichumschreibtMalikdieEntstehungvonPublicValuealsTransformationvon<br />
Wissen<strong>in</strong>Nutzen.ImS<strong>in</strong>ne<strong>der</strong>SystemtheorietrittdieArbeitfüre<strong>in</strong><strong>Management</strong><br />
verständnise<strong>in</strong>,dasAbstandvon<strong>der</strong>vollständigenKontrolle<strong>der</strong>Organisationnimmt.<br />
<strong>Management</strong>schafftstattdessendieBed<strong>in</strong>gungenzurSelbstorganisation.ImKonzept<br />
<strong>der</strong>SelbstorganisationistdieIdentität<strong>der</strong>wichtigsteOrdner.SiebeschreibtdenS<strong>in</strong>n<br />
und den Zweck e<strong>in</strong>es Systems. Sie ist gewissermassen <strong>der</strong> Kern, um den sich alles<br />
dreht.ErformiertsichdurchdieWechselwirkungzwischenSystemundUmwelt,zwi<br />
schen <strong>der</strong> Organisation und ihren Anspruchsgruppen. Geme<strong>in</strong>sam konstruieren sie<br />
BedürfnisseunddiedazugehörigeWertschöpfung.<strong>Management</strong>istdeshalbHerstel<br />
lungvonWirklichkeit.<strong>Management</strong>gestaltet,lenktundentwickeltdurchdasgeme<strong>in</strong><br />
same Konstruieren <strong>der</strong> Wirklichkeit mit ihren Anspruchsgruppen die Identität e<strong>in</strong>es<br />
Systems zwecks Transformation von Wissen und Emotionen <strong>in</strong> Public Value. Diese<br />
Überlegungenwurdenim<strong>Management</strong>modell 21 zusammengefasstundvisualisiert.<br />
VordemH<strong>in</strong>tergrunddiesesModellskönnendiee<strong>in</strong>zelnenBauste<strong>in</strong>edesCurriculums<br />
bestimmtwerden. Um e<strong>in</strong>umfassendes Verständnisfür das Gestalten, Lenkenund<br />
Entwickeln<strong>der</strong>Organisationzuerhalten,müssennebendem<strong>Management</strong><strong>der</strong>Orga<br />
nisation auch das <strong>Management</strong> von Individuum, Organisationsnetzwerk, Geme<strong>in</strong><br />
schaftundGesellschaftTeildesCurriculumswerden.NursowirdesdemManager
183<br />
möglich,diegegenseitigenAbhängigkeiten<strong>der</strong>Systemezuerkennen.Diee<strong>in</strong>zelnen<br />
Bauste<strong>in</strong>e,ausdenensichdasallgeme<strong>in</strong>eCurriculum<strong>der</strong><strong>Management</strong>lehrezusam<br />
mensetzt, sollen sich zu Beg<strong>in</strong>n des <strong>St</strong>udiums bewusst nicht an den betrieblichen<br />
Funktionenorientieren.Dieswürdedazuführen,dassdie<strong>St</strong>udierendenihrenBlick<br />
w<strong>in</strong>kelvorzeitigverengenwürden.DieBauste<strong>in</strong>esollensichandenProblemenaus<br />
richten,diedas<strong>Management</strong>allerOrganisationenzubewältigenhat.DieseBauste<strong>in</strong>e<br />
berücksichtigendieZusammenhängezwischendenSystemenMensch,Organisation<br />
undGesellschaft.ImIdealfallbildendieBauste<strong>in</strong>edieElementee<strong>in</strong>es<strong>Management</strong><br />
modellsab,dasüberdiegesamtebetrieblicheAllgeme<strong>in</strong>bildungdieFunktion<strong>der</strong>In<br />
tegrationübernimmt.<br />
Erst nachdem die Lernenden die allgeme<strong>in</strong>en Charakteristika <strong>der</strong> Organisationssys<br />
temekennengelernthaben,sollteihnenauf<strong>der</strong>MasterstufedieVertiefung<strong>in</strong>e<strong>in</strong>em<br />
vonihnengewähltenBereichermöglichtwerden.UmdiefunktionsorientierteMana<br />
gementlehre<strong>in</strong>dasCurriculume<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den,erfolgtdieSpezialisierungauf<strong>der</strong>Mas<br />
terstufe<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erbetrieblichenFunktion.Würdediesystemorientierte<strong>Management</strong><br />
lehrekonsequentumgesetzt,dannwäreauchdieSpezialisierungauf<strong>der</strong>Masterstufe<br />
e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre.Siewürdesichanrealenundnichtankünstlichkonstruierten<br />
Problemenorientieren.Die<strong>St</strong>udierendenstudierten<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emMasterprogramm,das<br />
sichaufe<strong>in</strong>gesellschaftlichesProblem,wiedieAlterung<strong>der</strong>Gesellschaft,dieKnapp<br />
heit<strong>der</strong>Ressourceno<strong>der</strong>dasGesundheitssystembezieht.Soo<strong>der</strong>so,umdemKon<br />
textdes<strong>Management</strong>sgenügendBedeutungzuschenken,solltensichdie<strong>St</strong>udieren<br />
den<strong>in</strong>tensivmitdenUmwelten<strong>der</strong>Systemebeschäftigen.Dabeiistess<strong>in</strong>nvoll,die<br />
Umwelt<strong>in</strong>verschiedeneProblemfel<strong>der</strong>aufzuteilen,die<strong>in</strong>dazugehörigenLernLehr<br />
Umgebungen zentriert werden. Die Umwelt von Mensch, Organisation und Gesell<br />
schaftbildete<strong>in</strong>eFüllevonmöglichenProblemstellungen.Siebee<strong>in</strong>flusstdieIdenti<br />
tätsarbeitallerSystemebenenSiebietetdieGelegenheit,dieProblemeausverschie<br />
denenPerspektivenzubetrachten.DiesePerspektivenkönnenbeliebigmite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
komb<strong>in</strong>iertwerden.Nebendiszipl<strong>in</strong>äreZugängetreten<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre.<br />
UmalsManagerundvorallemalsMensch<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>bestehen<br />
zukönnen,reichte<strong>in</strong>efachlicheBildungnichtaus.Ine<strong>in</strong>ersymbolischenÖkonomie,<br />
diesichumdenAustauschvonWissenundEmotionen,letztlichumdiegegenseitige<br />
Unterstützung<strong>der</strong>Identitätsarbeitdreht,müssen<strong>St</strong>udierendedenUmgangmitdie<br />
senRessourcene<strong>in</strong>übenundreflektieren.DieArbeitfor<strong>der</strong>tdeshalbe<strong>in</strong>imCurricu<br />
lumfestverankertesEntwicklungsfeld,<strong>in</strong>demdiefachlicheAusbildung<strong>in</strong><strong>der</strong>Form
184<br />
vonIdentitätsarbeitüberfachlichwird.DieLernendenmüssenlernenzulernen.Sie<br />
sollen sich auf theoretischer und persönlicher Ebene mit ihrem Lernprozess ausei<br />
nan<strong>der</strong>setzen.Siesollensich<strong>in</strong>Diskussionenüben,wasWissenundWissenschaft<strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Multioptionsgesellschaft</strong> ist. Die Lernenden sollen kommunizieren können. Die<br />
LernendensollenTrägervonstabilenundselbstbestimmtenIdentitätense<strong>in</strong>,umden<br />
vonihnenzumanagendenSystemenUnterstützungbei<strong>der</strong>enIdentitätsarbeitliefern<br />
zu können. Die Arbeit an <strong>der</strong> Identität und die damit verbundene För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
selbstbestimmten Individualität gel<strong>in</strong>gen dadurch, dass die menschlichen Entwick<br />
lungsaufgabenzumobligatorischenCurriculum<strong>der</strong>Betriebswirtschaftslehrewerden.<br />
Die<strong>St</strong>udierendensetzensichmitdenEntwicklungsaufgabenause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>,denenalle<br />
JugendlichenaufihremWeg<strong>in</strong>sErwachsenenlebenbegegnen.DurchdieThematisie<br />
rung<strong>der</strong>menschlichenIdentitätgel<strong>in</strong>gtesgleichzeitig,dieIdentitätsarbeitje<strong>der</strong>e<strong>in</strong><br />
zelnen <strong>St</strong>udent<strong>in</strong> anzuregen. Die <strong>St</strong>udierenden werden aufgefor<strong>der</strong>t, sich mit ihren<br />
Eigenarten,mitihren<strong>St</strong>ärkenundSchwächen,mitihrenMöglichkeitenundGrenzen,<br />
mitihrerUnverwechselbarkeitundihren<strong>St</strong>igmataause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zusetzen.Siewerden<br />
angeregt,ihrevielseitigenPotenzialezuerkunden,zubergenundauszuschöpfen.Sie<br />
sollennichtnurfachlichundkommunikativ,son<strong>der</strong>nauchkünstlerischgefor<strong>der</strong>tund<br />
geför<strong>der</strong>twerden.<br />
NichtnurdasCurriculum,nichtnurdieInhaltesollensichanProblemenorientieren,<br />
son<strong>der</strong>n ebenso die zur Konstruktion von LernLehrUmgebungen verwendeten<br />
Lernmaterialien. Sie orientieren sich an den zentrierten Problemen, die im Idealfall<br />
von den Lernenden mitbestimmt werden. Zu den Lernmaterialen gehören alle on<br />
undoffl<strong>in</strong>ezurVerfügunggestelltenMaterialen,diedieLernprozesse<strong>der</strong><strong>St</strong>udieren<br />
den unterstützen. Sie för<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> selbstgesteuertes Lernen, das den <strong>St</strong>udierenden<br />
e<strong>in</strong>eaktiveRollezuweist.Sieför<strong>der</strong>ne<strong>in</strong>kooperativesLernen,dasdie<strong>St</strong>udierenden<br />
darauf vorbereitet, <strong>in</strong> ihren Organisationen <strong>in</strong> Gruppen zu arbeiten. LernLehr<br />
Formen, die den <strong>St</strong>udierenden e<strong>in</strong>e aktive Rolle zuweisen, machen es möglich, im<br />
GleichschrittfachlicheundüberfachlicheKompetenzenzuför<strong>der</strong>n.DasFör<strong>der</strong>n<strong>der</strong><br />
fachlichen Kompetenzen wird durch problemorientierte Lernumgebungen mit dem<br />
Erwerb von überfachlichen Kompetenzen verknüpft. Diese mehrdimensionale Ent<br />
wicklung wird dadurch unterstützt, dass die Probleme nicht nur fachliche Aspekte<br />
thematisierenunddieBearbeitungvonProblemen<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emUmfeldstattf<strong>in</strong>det,das<br />
von den Lernenden das E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen ihrer Individualität, die Arbeit an ihrer Identität
185<br />
voraussetzt. Die mehrdimensionalen Zugänge wirken ausserdem dem Erwerb von<br />
trägemWissenentgegen.<br />
AuchdieamEndedesLernprozessesstattf<strong>in</strong>dendeLernerfolgsprüfungwird<strong>der</strong>Prob<br />
lemorientierung unterworfen. Die Lernerfolgsprüfung orientiert sich nicht mehr an<br />
e<strong>in</strong>ere<strong>in</strong>maligenLeistungskontrolleamEndedesSemesters.Siemachtdengesamten<br />
LernprozesszumThema.AlssolchemisstsiedieLeistung<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendenzuver<br />
schiedenenZeitpunkten.Bewertetwerdenauch<strong>in</strong>dividuelleLernerfolgewährenddes<br />
Semesters. Dies gel<strong>in</strong>gt durch die Beurteilung und die Bewertung von Lernprozess<br />
produkten. Dies s<strong>in</strong>d die Produkte, die beim Lernen <strong>der</strong> <strong>St</strong>udierenden anfallen. Sie<br />
fallenan,wenn<strong>St</strong>udierendeihreGedankenbei<strong>der</strong>KonfrontationmitneuenProble<br />
men,bei<strong>der</strong>Problemanalyse,beimEntwickelnvonLösungenoffenlegen.Siefallen<br />
beimReflektierenihrerLernprozessean.Diesbedeutetnicht,dassamEndenichtei<br />
ne standardisierte, das heisst für alle <strong>St</strong>udierenden identische Lernerfolgsprüfung<br />
durchgeführtwerdenkönnte.Esheisst,denBemühungen<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendenwährend<br />
desSemestersmehrBedeutungzuschenken.Esbedeutet,nichtnurdasZiel,son<strong>der</strong>n<br />
auch den Weg zu beurteilen und zum Gegenstand von Feedbackprozessen zu ma<br />
chen. Es bedeutet, <strong>der</strong> Individualität <strong>der</strong> Lernenden, die zur Problemanalyse und<br />
bewältigungnötigist,mehrBeachtungzuschenken.<br />
DiePrüfungsleistungen<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendens<strong>in</strong>de<strong>in</strong>wichtigerHebel,umLernkulturen<br />
zuverän<strong>der</strong>n(vgl.W<strong>in</strong>ter,2004,Futter,2007).„Leistungsnachweisezeigensichim<br />
mer wie<strong>der</strong> als wirkungsmächtige didaktische <strong>St</strong>euerungsmechanismen. Sie bestim<br />
men entscheidend darüber, was <strong>St</strong>udierende lernen und wie sie es lernen“ (S.5).<br />
Wenn die pädagogische Positionierung e<strong>in</strong>er <strong>Universität</strong> konsequent durchgedacht<br />
unddurchgeführtwird,dannmüssendieLernerfolgsprüfungendemdef<strong>in</strong>iertenBil<br />
dungsverständnisfolgen.In<strong>der</strong>modularisiertenLehredesBolognaSystemswerden<br />
auchdieLeistungsnachweisemodularisiertunddamitstärkerandieLernprozesse<strong>der</strong><br />
<strong>St</strong>udierenden angelehnt. „Mit studienbegleitenden Leistungsnachweisen ist die Ab<br />
sicht verbunden, mit e<strong>in</strong>er ausgeglichenen Lernbelastung e<strong>in</strong>e höhere Lerneffizienz<br />
zu erreichen. Diese Überlegung kann auch <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Moduls dazu angestellt<br />
werden:‚MitgestaffeltenLeistungsnachweisen‘sollendie<strong>St</strong>udierendenvonBeg<strong>in</strong>n<br />
des Moduls an dazu angehalten werden, konsequent mitzuarbeiten und zu lernen.<br />
Viele kle<strong>in</strong>e Leistungsnachweise, statt wenige grosse Fachprüfungen am Ende <strong>der</strong><br />
Moduleabzulegen,bedeutetfürviele<strong>St</strong>udierendeauche<strong>in</strong>ehöhereLernmotivation<br />
durch häufigere <strong>St</strong>andortbestimmungen bezüglich <strong>der</strong> eigenen Lernleistungen. Das
186<br />
heisst nun nicht, dicht gestreute ‚unmotivierte‘ Leistungsnachweise durchzuführen,<br />
son<strong>der</strong>nthematischeE<strong>in</strong>heitenzuplanen,diemitentsprechendvariablenNachwei<br />
senabgeschlossenwerdenundsichandenzuvermittelndenKompetenzschwerpunk<br />
tenorientieren.Daswie<strong>der</strong>umbedeutet,dassbereitsbei<strong>der</strong>Curriculumentwicklung<br />
dieKonzeption<strong>der</strong>Leistungsnachweisemitgedachtwerdensollte“(ebd.,S.16).<br />
ZurÜberprüfung<strong>der</strong>LeistungengibtesfürdieLehrendene<strong>in</strong>eFüllevonmöglichen<br />
Formaten. Neben den traditionellen Formen des Leistungsnachweises wie schriftli<br />
chen und mündlichen Prüfungen, Präsentationen und schriftlichen Arbeiten stehen<br />
ungenutztelernprozessorientiertePrüfungsformenwieLernjournale,Forumsbeiträge<br />
<strong>in</strong> virtuellen Diskussionsformen, wissenschaftspraktische Tätigkeiten o<strong>der</strong> als Leis<br />
tungsnachweiskonzipierteGruppenpuzzleszurVerfügung(ebd.,S.21ff.;vgl.Kozakie<br />
wicz&Cachel<strong>in</strong>,2005).Dabeibietetessichan,denLeistungsnachweiszweizuteilen.<br />
WährenddesSemestersarbeitendie<strong>St</strong>udierendenimS<strong>in</strong>ne<strong>der</strong>Bildungsgangdidak<br />
tikan<strong>in</strong>dividuellausgewähltenLernprozessproduktenundLeistungsnachweisen.Am<br />
Ende des Semesters werden die <strong>St</strong>udierenden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zweiten Leistungsnachweis<br />
alleaufdieselbeArtundWeisegeprüft.DieLernplattformdientdazu,Lernprozess<br />
produktezusammelnundallenzugänglichzumachen(vgl.Cachel<strong>in</strong>,2005).DerLern<br />
prozess wird damit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er neuen Dimension offengelegt. Die Lehrenden erhalten<br />
Anregungen für ihre nächsten Interventionen, und die Beurteilung <strong>der</strong> Leistungen<br />
kannaufneueInformationsquellenzurückgreifen.<br />
Die Lehrenden stehen vor <strong>der</strong> Aufgabe, ihre Rolle den verän<strong>der</strong>ten Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
e<strong>in</strong>erumfassendenProblemorientierunganzupassen.Sies<strong>in</strong>daufgefor<strong>der</strong>t,sichvon<br />
<strong>der</strong> Rolle <strong>der</strong> Wissensvermittler zu lösen. <strong>St</strong>attdessen sollen sie problemorientierte<br />
LernLehrUmgebungen designen. Neben dem Design <strong>der</strong> materiellen und immate<br />
riellen Komponenten <strong>der</strong> LernLehrUmgebung steht die Betreuung und Weiterent<br />
wicklung<strong>der</strong>LernendenimVor<strong>der</strong>grund.DieLernendenwollenbei<strong>der</strong>Auswahl<strong>der</strong><br />
Lernziele, <strong>der</strong> Bewältigung <strong>der</strong> gewählten Problemstellungen, <strong>der</strong> Vorbereitung <strong>der</strong><br />
Lernerfolgsprüfung,<strong>der</strong>ReflexionihresLernprozessesunterstütztwerden.Siewollen<br />
geme<strong>in</strong>sam mit an<strong>der</strong>en Lernenden und ihren Lehrenden an ihrer fachlichen und<br />
überfachlichenEntwicklungarbeiten.Siewollenzuselbstbestimmtenund<strong>in</strong>dividuel<br />
lenMenschenwerden.DieLehrendens<strong>in</strong>daufgefor<strong>der</strong>t,ihreaktuelleForschung<strong>in</strong><br />
die LernLehrUmgebungen e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen und dort geme<strong>in</strong>sam mit den Lernenden<br />
undan<strong>der</strong>enLehrendenzustabilisierenundweiterzuentwickeln.Geme<strong>in</strong>sambildet
mane<strong>in</strong>eGeme<strong>in</strong>schaft,diesichalslernende<strong>Universität</strong><strong>in</strong>e<strong>in</strong>erlernendenGesell<br />
schaftversteht.<br />
<br />
8.4. Manifestzum<strong>St</strong>udium<strong>der</strong>Betriebswirtschaftslehre<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
<strong>Multioptionsgesellschaft</strong><br />
187<br />
Bevor die Erkenntnisse auf das praktische Beispiel <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> anwendet<br />
werden,seiendieErkenntnissedesvergangenenKapitelszusammengefasst.Weildie<br />
KapiteldieserArbeitaufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>aufbauen,weilalsoe<strong>in</strong>neuesKapitelimmeraufdie<br />
Erkenntnisse<strong>der</strong>bisherigenKapitelzurückgreift,werdenandieser<strong>St</strong>elledieErkennt<br />
nissedesgesamtentheoretischenTeilszusammengefasst.Diesgeschieht<strong>in</strong><strong>der</strong>Form<br />
e<strong>in</strong>esKriterienkataloges.ErgibtdiehierentwickeltenVorstellungenandieuniversitä<br />
re<strong>Management</strong>ausbildungwie<strong>der</strong>.Dabeihandeltessichnichtume<strong>in</strong>eZusammen<br />
stellung von objektiven Kriterien, <strong>der</strong>en Umsetzung gemessen werden könnte. Es<br />
handeltsichumdiestichwortartigeSchil<strong>der</strong>unge<strong>in</strong>espersönlichenIdealzustandes.Es<br />
handeltsichume<strong>in</strong>Manifest,ume<strong>in</strong>epersönlicheVorliebenumfassendeGrundsatz<br />
erklärung. Es ist e<strong>in</strong> Manifest, mit dem man sich e<strong>in</strong>verstanden erklären kann, das<br />
manaberauchablehnenkann.Esiste<strong>in</strong>Manifest,dasWerteundVorstellungen<strong>der</strong><br />
Zukunftenthält.Esiste<strong>in</strong>Manifest,daszuDiskussionenanregensoll.<br />
<br />
KriterienzurProfilbildung<br />
a. Die <strong>Universität</strong> respektiert die Magna Charta <strong>der</strong> <strong>Universität</strong>en. Sie bemüht<br />
sich darum, unabhängig und autonom zu se<strong>in</strong>. Sie macht sich <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
nichtvom<strong>St</strong>aato<strong>der</strong><strong>der</strong>Wirtschaftabhängig.SierichtetsichnachdemPr<strong>in</strong>zip<br />
<strong>der</strong>E<strong>in</strong>heitvonForschungundLehre.SiepflegtihrDase<strong>in</strong>alsBegegnungsstät<br />
te zwischen Lernenden und Lehrenden. Sie garantiert die Freiheit <strong>der</strong> For<br />
schung.Siefolgt<strong>der</strong>ErklärungvonBolognaundetablierte<strong>in</strong>zweistufiges<strong>St</strong>u<br />
diensystem.Sieleistete<strong>in</strong>enBeitragzurEntwicklungdesEuropasdesWissens.<br />
b. Die<strong>Universität</strong>,diedasBetriebswirtschaftsstudiumbeherbergt,iste<strong>in</strong>gebun<br />
den<strong>in</strong>e<strong>in</strong>en<strong>in</strong>ternationalenWettbewerbumknappeRessourcen.DerKonkur<br />
renzkampfkannaufdenWettbewerbumdieklügstenKöpfereduziertwerden.<br />
Die<strong>Universität</strong>wähltzwischene<strong>in</strong>emregionalen,e<strong>in</strong>emeuropäischenundei<br />
nem<strong>in</strong>ternationalenWettbewerb,<strong>in</strong>demsiesichpositionierenwill.Dazuer
188<br />
arbeitetsichdie<strong>Universität</strong>e<strong>in</strong>Profil,dasdenE<strong>in</strong>satz<strong>der</strong>Ressourcensteuert.<br />
DasProfilleitetdieWege<strong>in</strong>dieZukunft.DasProfilsetztGrenzennachaussen<br />
undwirktdamite<strong>in</strong>endnach<strong>in</strong>nen.<br />
c. Unter den Lehrenden e<strong>in</strong>er Bildungs<strong>in</strong>stitution ist Konsens nötig, um als Bil<br />
<br />
dungs<strong>in</strong>stitution zu <strong>in</strong>nerer <strong>St</strong>ärke zu f<strong>in</strong>den. Als wissenschaftliche Geme<strong>in</strong><br />
schaft sollte es gel<strong>in</strong>gen, e<strong>in</strong>en Konsens über das Wissenschaftsverständnis,<br />
das <strong>Management</strong>verständnis und das Idealbild <strong>der</strong> zu produzierenden Absol<br />
ventenherzustellen.DiesedreiVerständnisseentsprechendenhiervorgestell<br />
ten Positionierungsdimensionen e<strong>in</strong>es Betriebswirtschafsstudiums. Sie mi<br />
schensichzue<strong>in</strong>emBildungsverständnis,zurIdentität<strong>der</strong>betriebswirtschaftli<br />
chenFakultät.Die<strong>in</strong>nereE<strong>in</strong>igkeitistdieGrundlageäusserer<strong>St</strong>ärke.Die<strong>in</strong>ne<br />
reE<strong>in</strong>igkeitistdieGrundlagefürdiekonsequenteUmsetzungdesMarkenver<br />
sprechensimMoment<strong>der</strong>Wahrheit.<br />
KriterienzumBildungsidealimengerenS<strong>in</strong>ne<br />
d. Die<strong>Universität</strong>gestaltet,lenktundentwickeltihreLehrevordemH<strong>in</strong>tergrund<br />
des vorherrschenden Idealbildes <strong>der</strong> Persönlichkeit <strong>der</strong> Lernenden. Als Bil<br />
dungsidealwirdhier<strong>der</strong>eigen,sozialundzukunftsverantwortlicheUmgang<br />
mitOptionenverstanden.DashiervertreteneBildungsidealverlangtdieuni<br />
versitäreUnterstützung<strong>der</strong>IdentitätsarbeitimS<strong>in</strong>ne<strong>der</strong>Herausbildunge<strong>in</strong>er<br />
selbstbestimmtenIndividualität.Eswirddavonausgegangen,dasssichIdenti<br />
tät und Individualität nicht von alle<strong>in</strong>e ausbilden, son<strong>der</strong>n dass dazu spezifi<br />
scheKursangebotenötigs<strong>in</strong>d.<br />
e. UmdieIndividualität<strong>der</strong>Lernendenzuför<strong>der</strong>n,bietete<strong>in</strong>e<strong>Universität</strong>ihren<br />
LernendendieMöglichkeitan,ihreLernzielemitzunehmen<strong>der</strong><strong>St</strong>udiendauer<br />
immerselbstständigerzuwählen.DieLehresollwannimmermöglich<strong>in</strong>dividu<br />
alisiert werden. Dies setzt e<strong>in</strong> möglichst breites Kursangebot voraus, ferner<br />
den Willen, die Lernerfolgsprüfungen den <strong>in</strong>dividualisierten LernLehr<br />
Umgebungenanzupassen.<br />
f. DieIdentitätsarbeitkanndadurchgeför<strong>der</strong>twerden,dassEntwicklungsaufga<br />
benunddiemenschlicheIdentitätsarbeitzue<strong>in</strong>emexplizitenBauste<strong>in</strong>imCur<br />
riculum gemacht werden. Hier sollen die Lernenden mit den theoretischen<br />
H<strong>in</strong>tergründendesErwachsenundIchwerdensvertrautwerden.DieLernen
189<br />
densollenIdentitätsarbeitleistenundgleichzeitiglernen,dieIchjagd<strong>in</strong>Gren<br />
zenzuhalten.Siesollenlernen,AbstandvonsichzunehmenundihreIdenti<br />
tätsarbeitzureflektieren.<br />
g. SelbstbestimmteIndividuens<strong>in</strong>dimstande,sichästhetischausdrücken.Sief<strong>in</strong><br />
dendadurchzusichselber.DieReflexion<strong>der</strong>Identitätlöstsichvon<strong>der</strong>Schrift<br />
lichkeit.DieLernendenwerdenjenachVorliebenund<strong>St</strong>ärken<strong>in</strong>ihremsportli<br />
chen,dramatischen,bildnerischen,musikalischeno<strong>der</strong>literarischenAusdruck<br />
geför<strong>der</strong>t.DieästhetischenAusdrucksformens<strong>in</strong>d<strong>der</strong>Entfaltung<strong>der</strong>künstle<br />
rischenTalentedienlich,dieimIndividuumschlummern.<br />
h. Neben <strong>der</strong> Identitätsarbeit werden weitere überfachliche Handlungskompe<br />
tenzenalsför<strong>der</strong>ungsnötigerachtet.EshandeltsichumdenUmgangmitWis<br />
sen, mit den eigenen Emotionen, mit an<strong>der</strong>en Menschen und mit Schlüssel<br />
problemenunsererZeit.DasLernendesUmgangsmitWissenerfor<strong>der</strong>t,dass<br />
die Lernenden ihren Lernprozess theoretisch und praktisch kennenlernen.<br />
Durch kooperative Lernumgebungen und die Reflexion <strong>der</strong> entsprechenden<br />
Lernaufträgeübendie<strong>St</strong>udierendendenUmgangmitan<strong>der</strong>enMenschenund<br />
dendamitverbundenenUmgangmitdeneigenenEmotionen.<br />
i. FachlicheundüberfachlicheBildungbildenzusammene<strong>in</strong>Ganzes.Erstdurch<br />
ihrZusammenspielgel<strong>in</strong>gte<strong>in</strong>eAnnäherungandashierpropagierteBildungs<br />
verständnis. Die Vere<strong>in</strong>igung gel<strong>in</strong>gt durch das Zentrieren von Problemen <strong>in</strong><br />
LernLehrUmgebungen. Probleme enthalten immer das Potenzial, fachliche<br />
undüberfachlicheLernzielezuverfolgen.DiezentriertenProblemesollenmit<br />
zunehmen<strong>der</strong><strong>St</strong>udiendauervondenLernendenselberkonstruiertwerden.<br />
Kriterienzum<strong>Management</strong>verständnis<br />
j. Der fachliche Teil des <strong>Management</strong>studiums hat gemäss den Vorstellungen<br />
dieserArbeitdieReflexiondesGestaltens,LenkensundEntwickelnsvonSys<br />
temenzumZiel.WeilSystemenichtvondenmitihnenverbundenengrösseren<br />
undkle<strong>in</strong>erenSystemengetrenntwerdenkönnen,müssensich<strong>Management</strong><br />
wissenschaftler mit Individuen, Organisationen, Organisationsnetzwerken,<br />
Geme<strong>in</strong>schaften, Gesellschaften und den jeweiligen Abhängigkeiten und<br />
Wechselwirkungenause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen.
190<br />
k. Weil die Organisation <strong>in</strong> Organisationsnetzwerke und Gesellschaften e<strong>in</strong>ge<br />
bundenistunddasWohl<strong>der</strong>OrganisationvongrösserenSystemenabhängig<br />
ist,müssenmakroorientierteFragestellungendenWeg<strong>in</strong>dasCurriculumf<strong>in</strong><br />
den.DasVerhältniszwischenOrganisationundGesellschaftsolldurchdieBe<br />
handlungvongesellschaftlichenProblementhematisiertwerden.Dazumüssen<br />
sichdie<strong>St</strong>udierendenmit<strong>der</strong>Umwelte<strong>in</strong>erOrganisationause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen.<br />
l. Wie <strong>der</strong> Makroperspektive ist <strong>der</strong> Mikroperspektive Beachtung zu schenken.<br />
<strong>Management</strong>f<strong>in</strong>detimmerdurch,mitundfürMenschenstatt.Managerund<br />
<strong>Management</strong>theoretikersollensichmitdemIndividuum<strong>in</strong>denverschiedenen<br />
Anspruchsgruppenrollenause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen.SiesollendurcheigeneErfahrun<br />
genverstehenlernen,wasesheisst,anse<strong>in</strong>erIdentitätzuarbeiten.<br />
m. Esempfiehltsich,dasBetriebswirtschafsstudium<strong>in</strong>e<strong>in</strong>enallgeme<strong>in</strong>enund<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>enspeziellenTeilzuglie<strong>der</strong>n.Imallgeme<strong>in</strong>enTeillernendie<strong>St</strong>udierenden<br />
dasGesamtsystemOrganisationmitse<strong>in</strong>enUmweltenkennen.Sielernen,wie<br />
das mit se<strong>in</strong>er Umwelt verwachsene System zu gestalten, zu lenken und zu<br />
entwickeln ist. Der allgeme<strong>in</strong>e Teil verpflichtet sich e<strong>in</strong>er systemorientierten<br />
<strong>Management</strong>lehre.<br />
n. UmdieOrganisationalsGesamtsystemkennenzulernen,sche<strong>in</strong>tesnötig,die<br />
<strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen Fächern behandelten Problemstellungen möglichst abstrakt<br />
zuzuschneiden. Dies zw<strong>in</strong>gt die Dozierenden zusammenzuarbeiten, um den<br />
Lernenden e<strong>in</strong>e ganzheitliche, <strong>in</strong>tegrierte, systemische <strong>Management</strong>ausbil<br />
dungzuermöglichen.Hilfreichzur<strong>St</strong>rukturierungdesCurriculumsiste<strong>in</strong>Ma<br />
nagementmodell,dasdiezentralenFragendes<strong>Management</strong>svonOrganisati<br />
onen<strong>in</strong>sichvere<strong>in</strong>igt.<br />
o. DieKernfächerdesallgeme<strong>in</strong>enTeilssolltensowohlInsideoutalsauchOutsi<br />
de<strong>in</strong>Perspektiven berücksichtigen. Manager müssen Ressourcen <strong>in</strong> Nutzen<br />
transformieren.ImS<strong>in</strong>ne<strong>der</strong>Integration<strong>der</strong>ErkenntnisseundimS<strong>in</strong>nee<strong>in</strong>er<br />
<strong>in</strong>tegrativen <strong>Management</strong>lehre ist es s<strong>in</strong>nvoll, zu Beg<strong>in</strong>n und am Ende <strong>der</strong><br />
Ausbildung Kernfächer zu wählen, die dasGanze <strong>in</strong>sVisier nehmen. Konkret<br />
s<strong>in</strong>ddabei<strong>der</strong>Unterricht<strong>in</strong><strong>St</strong>rategieundF<strong>in</strong>anzmanagementgeme<strong>in</strong>t.<br />
p. Ine<strong>in</strong>emzweitenvertiefendenTeildes<strong>St</strong>udiumskönnensichdie<strong>St</strong>udierenden<br />
<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erbestimmtenPerspektivedes<strong>Management</strong>svertiefen.DieserTeilkann<br />
funktionsorientiertgestaltetwerden,womitdiebeidenpolarenAuffassungen,
191<br />
wie <strong>Management</strong> gelehrt werden soll, zu e<strong>in</strong>em Ganzen zusammengefügt<br />
werdenkönnen.SelbstverständlichkönntedieSpezialisierungauchsystemori<br />
entiert gelehrt werden, falls man sich voll und ganz zur systemorientierten<br />
<strong>Management</strong>lehrebekennenmöchte,fallsmansichdurchdieSystemorientie<br />
rungimWettbewerbpositionierenwollte.<br />
q. Innerhalb<strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelnenFächerverfolgendieLehrendendenAnsatz<strong>der</strong>Prob<br />
lemorientierung. Die Lehrenden stellen Probleme <strong>in</strong> das Zentrum ihrer Lern<br />
LehrUmgebungen, die von problemorientierten Lernmaterialen umgeben<br />
werden.DieLernendenwerdenzue<strong>in</strong>emaktivenLernenaufgefor<strong>der</strong>t,<strong>in</strong>dem<br />
dasE<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen<strong>der</strong>Individualität<strong>in</strong>denLernprozessenunddiedazupassende<br />
Lernerfolgsprüfungnichtnurmöglich,son<strong>der</strong>nnötigist.<br />
<br />
KriterienzumWissenschaftsverständnis<br />
r. Zur <strong>Multioptionsgesellschaft</strong> passend, wird e<strong>in</strong> Wissenschaftsverständnis ge<br />
for<strong>der</strong>t, das die Gleichwertigkeit verschiedener Ansätze hervorhebt. Die Ent<br />
scheidung,welcheWissenschaftalsgutbefundenwird,hängtdavonab,wel<br />
chesProblemwiefürwenbearbeitetwerdensoll.Siehängtvon<strong>der</strong>Individua<br />
lität<strong>der</strong><strong>in</strong>dividualisiertenForschendenab.SiehängtvondenMerkmalen<strong>der</strong><br />
Problemstellung ab. Zu diesem Wissenschaftsverständnis gehört es, die Ler<br />
nendenimkritischenDenkenzuunterrichten.<br />
s. ImS<strong>in</strong>ne<strong>der</strong><strong>St</strong>ärkung<strong>der</strong>Wissenschaftsorientierung,diesichauchaufgrund<br />
<strong>der</strong>AbgrenzungzudenFachhochschulenaufdrängt,istesnötig,imCurriculum<br />
PlatzfürdieAuse<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungmitWissen,Wissenschaftstheorien,wissen<br />
schaftlichem Denken und Handeln sowie wissenschaftlichen Methoden zu<br />
schaffen.DieLernendensollendieFragebeantwortenlernen,wasfürsieWis<br />
senschaftist und mit welchenMethodensie persönlich Wissenschaft betrei<br />
benwollen.<br />
<br />
DiebisherigenReflexionendientenallesamtdazu,dieArbeitamFallbeispielUniversi<br />
tät <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> vorzubereiten. Das Verwertungsziel <strong>der</strong> Arbeit war immer e<strong>in</strong> prakti<br />
sches.DasManifestwurdedazuentwickelt,umdenIstzustandanhande<strong>in</strong>esRasters<br />
gezielter untersuchen zu können. Im nun folgenden Kapitel wird <strong>der</strong> Raster ange
192<br />
wandtund<strong>der</strong>heutigeZustand<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>durchdas<strong>St</strong>udiumvonPa<br />
pierenunddurchdasFührenvonInterviewsdokumentiert.Davonausgehend,wer<br />
den<strong>in</strong>Kapitel10HandlungsempfehlungenfürdieZukunft<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong><br />
generiert.
9. DasBeispiel<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>:Zustandsbeschreibung<br />
9.1. DieNeukonzeption<strong>der</strong>LehreimJahre2001<br />
193<br />
Mit Kapitel 9 beg<strong>in</strong>nt die praktische Arbeit. Die gewonnenen Erkenntnisse werden<br />
nunaufdasBeispiel<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>angewandt.Ause<strong>in</strong>ermanagementtheore<br />
tischenSichtgehtesdarum,die<strong>in</strong>dieserArbeitpräsentierte<strong>Management</strong>vorstellung<br />
mitdemaktuellenCurriculum<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>zuvergleichen.Ause<strong>in</strong>erpä<br />
dagogischenSichtgehtesdarum,aufzuzeigen,wiedasproblemorientierteLernenauf<br />
die Herausfor<strong>der</strong>ungen des <strong>St</strong>udierens <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Multioptionsgesellschaft</strong> antworten<br />
kann.Ause<strong>in</strong>ermarket<strong>in</strong>gtheoretischenSichtgehtesdarum,Leistungskonfiguration<br />
undKommunikation<strong>der</strong>LehrezuuntersuchenundanschliessendausSicht<strong>der</strong>Orga<br />
nisationsentwicklungVorschlägefürihreOptimierungzuerarbeiten.DieseArgumen<br />
tationssträngeführenzusammenzurPerspektive<strong>der</strong>Hochschulentwicklung.<br />
Methodisch gesehen entspricht das Vorgehen e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>zelfallstudie (vgl. Y<strong>in</strong>, 2004;<br />
<strong>St</strong>ake,1995;Travers,2001).„Thecasestudyisanempirical<strong>in</strong>quirythat<strong>in</strong>vestigatesa<br />
contemporaryphenomenonwith<strong>in</strong>itsreallifecontext,especiallywhenthebounda<br />
riesbetweenphenomenonandcontextarenotclearlyevident.[…]Thecasestudy<br />
<strong>in</strong>quiry copes with the technically dist<strong>in</strong>ctive situation <strong>in</strong> which there will be many<br />
more variables of <strong>in</strong>terest than data po<strong>in</strong>ts, and as one result relies on multiple<br />
sourcesofevidence,whichdataneed<strong>in</strong>gtoconverge<strong>in</strong>atriangulat<strong>in</strong>gfashion,and<br />
asaotherresultbenefitsfromthepriordevelopmentoftheoreticalpropositionsto<br />
guidedatacollectionandanalysis”(Y<strong>in</strong>,2004,S.13f.).NichtalleForscherteilendas<br />
VerständnisdeshäufigzitiertenY<strong>in</strong>.Insbeson<strong>der</strong>eiststreitig,obdieErarbeitunge<strong>in</strong>er<br />
Fallstudie theoriegeleitet stattf<strong>in</strong>den soll (vgl. Borchardt & Göthlich, 2006, S.38). In<br />
dieserArbeiterfolgtdieBearbeitungdeshalbtheoriegeleitet,weildieFallstudiedazu<br />
dient,dietheoretischenErkenntnissefürdieArbeitane<strong>in</strong>empraktischenProblemzu<br />
nutzen.DieempirischenDatenwerdennichtgewonnen,umneueTheorienherzulei<br />
ten,son<strong>der</strong>numdasFallbeispiel<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>zuillustrieren.<br />
DieFallstudieliefertimVerbundmitdenAusführungenimtheoretischenTeil<strong>der</strong>Ar<br />
beitAnstössezurWeiterentwicklung<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>.ImVor<strong>der</strong>grundste<br />
hen strategische Impulse, wobei <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e das Curriculum und die universitäre<br />
Identität geme<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>d. Dazu wird <strong>der</strong> Istzustand kritisch beleuchtet und e<strong>in</strong> mögli<br />
ches Sollszenario entworfen. Zur Durchdr<strong>in</strong>gung des Falls wurden e<strong>in</strong>erseits Doku<br />
mentestudiert(vgl.Wolff,2005),an<strong>der</strong>erseitszehnExperten<strong>in</strong>terviewsgeführt.„Im
194<br />
Unterschiedzuan<strong>der</strong>enVariantendesqualitativenInterviewsstehtimExperten<strong>in</strong>ter<br />
viewnicht<strong>der</strong>zuBefragendeimVor<strong>der</strong>grunddesErkenntnis<strong>in</strong>teresses,son<strong>der</strong>nse<strong>in</strong>e<br />
ErfahrungenundInterpretationenimH<strong>in</strong>blickaufdasForschungsthema“(Borchardt<br />
& Göthlich, 2006, S.38). Die Auswahl <strong>der</strong> Experten entspricht e<strong>in</strong>er strategischen<br />
Auswahl.Ziel<strong>der</strong>Auswahlwares,mitdenInterviewsdieVerantwortlichen<strong>der</strong>Neu<br />
konzeption<strong>der</strong>LehreausdemJahre2001<strong>in</strong>dieGenerierungvonstrategischenIm<br />
pulsene<strong>in</strong>zubeziehen.Ziel<strong>der</strong>Auswahlwares,mitdenInterviewsdieVertreter<strong>der</strong><br />
systemorientierten <strong>Management</strong>lehre abzuholen. Dadurch sollte es gel<strong>in</strong>gen, e<strong>in</strong>en<br />
Entwurf<strong>der</strong>Zukunft<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>zugenerieren,<strong>der</strong>sowohldenAnlie<br />
gen <strong>der</strong> Vertreter <strong>der</strong> systemorientierten als auch den Anliegen <strong>der</strong> Vertreter <strong>der</strong><br />
funktionsorientiertenBetriebswirtschaftslehregerechtwird.<br />
DieArbeitverzichtet<strong>in</strong><strong>der</strong>DiagnoseaufvergleichendeFälleundkonzentriertsichauf<br />
dasFallbeispiel<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>.„DieE<strong>in</strong>zelfallstudieweistParallelenzumE<strong>in</strong>zel<br />
fallexperimentaufundkonzentriertsichzumeistaufkritische,extreme,e<strong>in</strong>zigartige,<br />
repräsentative,typischeo<strong>der</strong>bishernichtzugänglicheFälle,o<strong>der</strong>solche,dieüberei<br />
nenlängerenZeitraumbeobachtetwerden“(Borchardt&Göthlich,2006,S.41).Die<br />
<strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> habe ich ausgewählt, weil sie mir durch das Absolvieren des<br />
Bachelor, Master und Doktorandenstudiums bestens vertraut ist. Man könnte sa<br />
gen,dassichwährendvielerJahreteilnehmendbeobachtethabe(vgl.Lü<strong>der</strong>s,2005).<br />
Me<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>blicke wurden dadurch vertieft, dass ich während e<strong>in</strong>es Jahres Teil e<strong>in</strong>es<br />
ForschungsteamsdesInstitutsfürWirtschaftspädagogikwar,dasdieLehre<strong>der</strong>Uni<br />
versität<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>untersuchthat(vgl.<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,2007j).DasBeispielUni<br />
versität<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>eignetsichausserdem,weilaufdasW<strong>in</strong>tersemester2001/02durch<br />
e<strong>in</strong>e konsequente Neukonzeption <strong>der</strong> Lehre (NKL) im Rahmen <strong>der</strong> BolognaReform<br />
<strong>der</strong>Versuchunternommenwurde,das<strong>St</strong>udiumandieHerausfor<strong>der</strong>ungen<strong>der</strong>fort<br />
geschrittenen <strong>Multioptionsgesellschaft</strong> anzupassen. Me<strong>in</strong> Doktorvater Dieter Euler<br />
hatte<strong>in</strong>diesemTransformationsprozessals„DelegierterdesRektorsfürdieEntwick<br />
lung und Implementierung e<strong>in</strong>es mediengestützten Selbststudiums“ e<strong>in</strong>e zentrale<br />
Rolle <strong>in</strong>ne. Erst im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> wurde mir bewusst, dass die betriebswirtschaftliche<br />
Abteilung<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>auchdeshalbe<strong>in</strong>hervorragendgeeigneterFallist,<br />
weilhierdieunterschiedlichenVorstellungen,wiemanBetriebswirtschaftunterrich<br />
tenkönnte,zurzeitaufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>prallen.Esistgewissermassene<strong>in</strong>Glaubenskriegim<br />
Gang.
195<br />
DieAnpassung <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> an die Herausfor<strong>der</strong>ung unsererZeit glich<br />
zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> <strong>der</strong> Market<strong>in</strong>grhetorik e<strong>in</strong>em radikalen Kurswechsel. Der Kurswechsel<br />
<strong>der</strong>HSG,<strong>der</strong>HochschulefürWirtschafts,RechtsundSozialwissenschaften,wurde<br />
vonzwei<strong>der</strong>damalsfe<strong>der</strong>führendenReformernganzimS<strong>in</strong>ne<strong>der</strong>vorliegendenAr<br />
beitmitverän<strong>der</strong>tenUmweltbed<strong>in</strong>gungenbegründet.„Die<strong>Universität</strong>siehtsichvor<br />
grosseHerausfor<strong>der</strong>ungengestellt.ÖkonomischeVerän<strong>der</strong>ungen,ökologischeWand<br />
lungsprozesse, grundlegende technologische Neuerungen von Kommunikation und<br />
Medien, gesellschaftliche und kulturelle Neuorientierungen, Internationalisierung<br />
undGlobalisierungenverlangenvonunsundvorallemdennachwachsendenGenera<br />
tionen e<strong>in</strong> neues Mass und e<strong>in</strong>e neue Qualität an Leistung und Verantwortung“<br />
(Spoun&Wun<strong>der</strong>lich,2005,S.20).Dieverän<strong>der</strong>tenUmweltbed<strong>in</strong>gungenwerden<strong>in</strong><br />
dieserArbeitalsErgebnis<strong>der</strong><strong>in</strong>tensiviertenKräfte<strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>ge<br />
deutet.Sieführenzue<strong>in</strong>erpermanentenVerän<strong>der</strong>ung<strong>der</strong>organisationalenUmwelt,<br />
zue<strong>in</strong>erErhöhung<strong>der</strong>Komplexität<strong>der</strong>menschlichenSysteme<strong>in</strong>nerundausserhalb<br />
<strong>der</strong> organisationalen Grenzen, zu e<strong>in</strong>er verstärkten Vernetzung <strong>der</strong> Anspruchsgrup<br />
pen,zurÖffnung<strong>der</strong>organisationalenGrenzen,zue<strong>in</strong>er<strong>in</strong>tensiviertenIdentitätsar<br />
beitdesIndividuums,zue<strong>in</strong>erVerän<strong>der</strong>ungdessen,waswirunter<strong>Management</strong>ver<br />
stehen. Diese Verän<strong>der</strong>ungen wurden im <strong>Management</strong>modell 21 zusammengefasst<br />
undvisualisiert.<br />
Sieführenzue<strong>in</strong>erverän<strong>der</strong>tenFunktiondes<strong>Management</strong>sundse<strong>in</strong>erManagerund<br />
dadurchzue<strong>in</strong>erNeudef<strong>in</strong>ition<strong>der</strong>Kompetenzen,diee<strong>in</strong>e<strong>Universität</strong>ihren<strong>St</strong>udie<br />
renden<strong>in</strong>e<strong>in</strong>em<strong>St</strong>udium<strong>der</strong>Betriebswirtschaftslehrevermittelnsoll.„JeneNeukon<br />
zeption <strong>der</strong> Lehre ist die Antwort <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> auf ökonomische und ökologische<br />
Wandlungsprozesse, auf grundlegende technologische Neuorientierungen, die von<br />
unsundvorallemvondennachwachsendenGenerationene<strong>in</strong>neuesMassunde<strong>in</strong>e<br />
neue Qualität an Kreativität, Flexibilität, Innovationsvermögen, Leistungs und Ver<br />
antwortungsbereitschaft verlangen. Diese Herausfor<strong>der</strong>ungen beanspruchen nicht<br />
nur wissenschaftlich hervorragend ausgebildete, fachlich qualifizierte, professionell<br />
handelndeundzulebenslangemLernenbereiteundbefähigteSpezialisten.Dennmit<br />
re<strong>in</strong>em Spezialistentum s<strong>in</strong>d nachhaltige Lösungen für komplexe Probleme nicht zu<br />
erreichen.VorallemganzheitlichundumfassendgebildetePersönlichkeiten,fähigzu<br />
differenziertemDenkenundreflektiertenHandeln,diewillensund<strong>in</strong><strong>der</strong>Lages<strong>in</strong>d,<br />
schwierigeEntscheidungenzutreffenundhoheVerantwortungzuübernehmen,s<strong>in</strong>d<br />
gefragt.BenötigtwerdenuniversellqualifizierteMenschen,die<strong>in</strong><strong>der</strong>Lages<strong>in</strong>d,bei
196<br />
ihrenLösungsstrategienauchdiemoralischenundsozialenKonsequenzen,dieökolo<br />
gischenundtechnischenFolgen,dieethischenAspektemite<strong>in</strong>zubeziehen.SolcheIn<br />
dividuen,diedazuwillensundfähigs<strong>in</strong>d,auszubildenundzubilden,hatsichdieNeu<br />
konzeptionLehreauf<strong>der</strong>Basis<strong>der</strong>seitjehererfolgreichen<strong>St</strong>udiengänge<strong>der</strong>Univer<br />
sität<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>zumZielgesetzt.Wer<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>Universität</strong>nichtaufdieausserordentli<br />
chenLeistungen<strong>in</strong>Persönlichkeitsbildungund<strong>St</strong>udiumachtetunddieseför<strong>der</strong>t,muss<br />
sich mit Mittelmässigem zufrieden geben. Und angesichts e<strong>in</strong>es härter werdenden<br />
Wettbewerbs um Marktstellungen und Arbeitsplätze können nur Persönlichkeits<br />
merkmale,WissensvorsprungundweiterBildungshorizont,mitdenenmansichvon<br />
Konkurrentenabhebenkann,PositionenundPostensichernsowiedauerhafteÜber<br />
legenheit erreichen“ (Spoun & Wun<strong>der</strong>lich, 2005a, S.130f.). Das Ganze gipfelt im<br />
Motto <strong>der</strong> NKL, „Wir for<strong>der</strong>n und för<strong>der</strong>n Persönlichkeiten“ (vgl. Gomez & Spoun,<br />
2000). Es ist dieser Satz, <strong>der</strong> das Markenversprechen <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> auf<br />
denPunktbr<strong>in</strong>gensoll(vgl.InterbrandZ<strong>in</strong>tzmeyer&Lux,2000).<br />
Solche markanten Versprechen s<strong>in</strong>d für e<strong>in</strong>e <strong>Universität</strong> heute dr<strong>in</strong>gend nötig, <strong>der</strong><br />
zwischendenverschiedenentertiärenBildungs<strong>in</strong>stitutionenundForschungsanstalten<br />
entfachteWettbewerbübtDruckaufdiee<strong>in</strong>zelnenInstitutionenaus.Wiebeiallen<br />
an<strong>der</strong>en Systemen gilt es <strong>St</strong>rategien zu entwickeln, Positionierungen zu erarbeiten<br />
und Markenbotschaften zu kommunizieren. Die <strong>Universität</strong> wird zu e<strong>in</strong>er zu mana<br />
gendenOrganisation.DerProfilierungsdruck(vgl.Euler,2005,S.257)führtzurNot<br />
wendigkeit <strong>der</strong> Konzentration auf die Kernkompetenzen. Die <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong><br />
wollte deshalb im Zuge <strong>der</strong> NKL ihre <strong>St</strong>ärken im strategischen Geschäftsfeld Lehre<br />
ausbauen.„DasUmfeld<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>verän<strong>der</strong>tsich.DieseEntwicklung<br />
wird<strong>in</strong>dennächstenJahrennochanDynamikgew<strong>in</strong>nen.[…]Deshalbiste<strong>in</strong>eÜber<br />
prüfungneuerGestaltungsmöglichkeiten<strong>der</strong>Lehrenotwendig.DieLehrestehtdabei<br />
nichtnuraufgrunddieserdrängendenFaktorenimZentrum,son<strong>der</strong>nauchweilsie<br />
dasPotentialfürsichtbareundwirkungsvolleVerän<strong>der</strong>ungenbesitztunddamitden<br />
gutenRuf<strong>der</strong>HSGsofestigenkann,dasssichdurchsieneueChancenfürdiean<strong>der</strong>en<br />
Aufgaben<strong>der</strong>HSGentwickelnkönnen.VonihrendreiwichtigstenTätigkeitsgebieten,<br />
Forschung,Lehre,Weiterbildung,ist<strong>der</strong>Ruf<strong>der</strong>HSG<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>edurchdieLehre<br />
geprägt.Anstrengungen<strong>in</strong><strong>der</strong>Lehre,dengutenRufweiterauszubauenbzw.denal<br />
ten Abstand zur Konkurrenz wie<strong>der</strong> herzustellen, stehen deshalb unter dem Motto<br />
‚<strong>St</strong>ärkenstärken‘.Damitsetzenwirfürdieeigene<strong>Universität</strong>dieIdee<strong>der</strong>komparati<br />
venVorteileund<strong>der</strong>Kernkompetenzenum.DieLehrebesitztalsAushängeschild<strong>der</strong>
197<br />
HSGdiegrössteBreitenwirkungundträgtzuihrerReputationammeistenbei.Dies<br />
soll nicht heissen, dass <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Tätigkeitsfel<strong>der</strong>n ke<strong>in</strong>e Verbesserung bestünde,<br />
son<strong>der</strong>nbedeutetlediglich,dassausdiesenGründenjetztdieLehreimVor<strong>der</strong>grund<br />
steht“(Spoun&Mohr,2000,S.11).DieLehresollalsTrojanischesPferddienen,um<strong>in</strong><br />
dieGeschäftsfel<strong>der</strong>e<strong>in</strong>zudr<strong>in</strong>gen,diesichentlang<strong>der</strong>lebenslangenAusundWeiter<br />
bildungbeziehungsweiseentlang<strong>der</strong>Forschungbef<strong>in</strong>den.<br />
Als Wegweiser des Trojanischen Pferdes dient heute das <strong>in</strong> <strong>der</strong> „Vision 2010 und<br />
Leitbild <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>“ umrissene Profil. Diese Dokumente s<strong>in</strong>d Weiter<br />
entwicklungen<strong>der</strong>Vision2005(vgl.Gomez,2000).„VisionundLeitbild<strong>der</strong><strong>Universität</strong><br />
<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>bietene<strong>in</strong>ennormativenRahmenfürdenWeg<strong>in</strong>dieZukunft.SiegebenOri<br />
entierungshilfen für das Handeln <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> und ihrer Angehörigen und bieten<br />
<strong>der</strong>enAnspruchsgruppene<strong>in</strong>everstärkteIdentifikation.VisionundLeitbildwollenzur<br />
Konzentration<strong>der</strong>KräfteaufgelebteWerteundgesetzteZieleanleiten.Sieverlangen<br />
nachKonkretisierung,VertiefungundUmsetzung.WirwollendeshalbSchwachstellen<br />
aufspüren und sie mit konkreten Massnahmen beseitigen. Mit <strong>der</strong> Verabschiedung<br />
vonVisionundLeitbildverpflichtenwiruns,siemitLebenzuerfüllen“(S.3).DieVisi<br />
on 2005 sollte e<strong>in</strong>en „normativen Weg auf dem Weg <strong>in</strong> die Zukunft bieten“ (ebd.,<br />
S.6).DieZielewarenehrgeizig.„Wirsollenalse<strong>in</strong>e<strong>der</strong>führendenWirtschaftsuniversi<br />
tätenEuropas<strong>in</strong>WissenschaftundPraxis<strong>in</strong>ternationalanerkanntse<strong>in</strong>.Unsverb<strong>in</strong>det<br />
die<strong>in</strong>tegrativeSichtvonWirtschafts,RechtsundSozialwissenschaften“(ebd.,S.6).<br />
DieVisionwurdefünfJahredanachkonkretisiertundüberarbeitet.DurchdieErrei<br />
chungvonZielenentstehenneueHorizonte.In<strong>der</strong>Vision2010heisstes:„Wirs<strong>in</strong>d<br />
e<strong>in</strong>e<strong>der</strong>führendenWirtschaftsuniversitätenEuropas,anerkanntfürunsereLehreauf<br />
allen <strong>St</strong>ufen des lebenslangen Lernens und für unsere Forschung <strong>in</strong> ausgewählten<br />
GebietengrossergesellschaftlicherRelevanz.WirwerdenfürunseruniversitäresUm<br />
feldgeschätzt,<strong>in</strong>demsichMenschenihrenFähigkeitenentsprechendzuverantwor<br />
tungsbewusstenPersonenentwickeln.Die<strong>in</strong>tegrativeSichtvonWirtschafts,Rechts,<br />
Sozial und Kulturwissenschaften prägt dabei unser Profil“ (<strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>,<br />
2007,S.4).DieVisionbeschreibt,wiedieangestrebtenZieleerreichtwerdensollen.<br />
„ZudiesemZweckestärkenwirLehreundLernen,dieaufdieEntwicklungvontheo<br />
rieverbundenen Praktikern und Praktiker<strong>in</strong>nen und praxisgebundenen Theoretikern<br />
undTheoretiker<strong>in</strong>nenabzielen.ZudiesemZweckstärkenwirdiegrundlagenorientier<br />
teForschungundnutzensystematischSynergienmit<strong>der</strong>traditionellstarkenpraxis<br />
orientierten Forschung. Zu diesem Zweck stärken wir die Internationalität <strong>der</strong> HSG
198<br />
un<strong>der</strong>schliessendiedadurchgewonnenenVerb<strong>in</strong>dungendemKantonund<strong>der</strong>Regi<br />
on.ZudiesemZweckstärkenwirdeneigenständigenBetrag<strong>der</strong>HSGzurSchaffung<br />
e<strong>in</strong>es profilierten und qualitativ hochstehenden Hochschul und Forschungsraums<br />
Schweiz. Zu diesem Zweck stärken wir die Beziehungen zwischen den Alumni, den<br />
ehemaligenDozierendenund<strong>der</strong>HSGundführensielebenslangzusammen“(ebd.,<br />
S.5).<br />
DasLeitbildpräzisiertdie<strong>in</strong><strong>der</strong>VisiongemachtenAussagen.„Wirwollen<strong>St</strong>udierende<br />
gew<strong>in</strong>nen,dieihreBegabungenundihreLeistungsfähigkeitnichtnurfürihrenpersön<br />
lichenErfolg,son<strong>der</strong>nauchgesellschaftlichverantwortungsvolle<strong>in</strong>setzen.Wirbieten<br />
<strong>in</strong>ternationalanerkannte<strong>St</strong>udiengängeundWeiterbildungenfürlebenslangesLernen<br />
an. Damit för<strong>der</strong>n wir auch die beständige Verb<strong>in</strong>dung zwischen <strong>St</strong>udierenden und<br />
HSG“(S.7).DaslebenslangeLernennimmt<strong>in</strong><strong>der</strong>Vision2010e<strong>in</strong>ezentrale<strong>St</strong>ellung<br />
e<strong>in</strong>.Die<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>willwährend<strong>der</strong>ganzenLebensdauere<strong>in</strong>eserwachse<br />
nen Menschen passende Bildungsangebote schaffen. Die Dienstleistung Lehre soll<br />
währenddesgesamtenLebenszyklusdesMenschenerbrachtwerden(vgl.Belz&Bie<br />
ger,2004,S.242ff.;Fueglistaller&Halter,2006).Die<strong>St</strong>rukturierungdesAngebotser<br />
folgt gemäss den Entwicklungsaufgaben, die sich entlang dem Lebenslauf ergeben.<br />
Die Bereitschaft für e<strong>in</strong> lebenslanges Lernen muss dabei bereits im Grundstudium<br />
geschaffenwerden.„NebendemAusbaue<strong>in</strong>esexzellentenWeiterbildungsangebots<br />
gehtesdarum,Absolvent<strong>in</strong>nenundAbsolventen<strong>der</strong>HSGlangfristigandieHSGzu<br />
b<strong>in</strong>den.DerGrundstockdafürkannabernichterstnach,son<strong>der</strong>nmussbereitswäh<br />
rendihres<strong>St</strong>udiumsgelegtwerden.Nebene<strong>in</strong>errückblickendalsexzellenterachteten<br />
akademischen Ausbildungmüssen siedenHSGCampus als wertvollen Platz <strong>der</strong> Be<br />
gegnung,desNetzwerkensund<strong>der</strong>persönlichenEntwicklung<strong>in</strong>Er<strong>in</strong>nerungbehalten.<br />
DerAusbauvonPraktikamöglichkeiten,<strong>der</strong>SchnittstellenzumArbeitsmarkt,des<strong>in</strong><br />
ternationalenAustauschsund<strong>der</strong>Elitewie<strong>der</strong><strong>in</strong>dividuellenFör<strong>der</strong>ungbietetdafür<br />
exzellente Möglichkeiten“ (<strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 2007a). Die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Selbst<br />
kompetenzen im Grundstudium hat den market<strong>in</strong>gtechnischen Grund, zukünftige<br />
Bedürfnisse<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendenzuweckenunddieAbsolventendurchihreBedürfnisse<br />
andie<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>zub<strong>in</strong>den.Manversucht–ganzdemArgumentations<br />
gangdieseArbeitgetreu–gegenseitigeAbhängigkeitenzuschaffen.<br />
FürihrePositionierungunterscheidetdie<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>vierdiskrim<strong>in</strong>ierende<br />
Faktoren(vgl.Spoun&Mohr,2000,S.47):
- „DerGrad<strong>der</strong>Wissenschaftlichkeit.Dieserkannhocho<strong>der</strong>tiefse<strong>in</strong>.Durchdie<br />
senFaktorlassensich<strong>Universität</strong>enundFachhochschulensowiee<strong>in</strong>zelne<br />
Lehrangebote(Sem<strong>in</strong>are,Kurse,Weiterbildungetc.)unterscheiden.Auch<strong>in</strong><br />
nerhalb<strong>der</strong>Gruppe<strong>der</strong><strong>Universität</strong>enlassensichverschiedeneQualitätener<br />
kennen.<br />
199<br />
- DieProzessedesLehrbetriebs.Diesekönnenaufdie<strong>St</strong>udierendeno<strong>der</strong>aufdie<br />
Dozierendenausgerichtetse<strong>in</strong>.DieWahrnehmung<strong>der</strong><strong>Universität</strong>unddie<br />
Schnelligkeitdes<strong>St</strong>udiumswerdenwesentlichdurchsiebestimmt.<br />
- DieAusrichtung<strong>der</strong>Lehre.DiesekannsichausschliesslichandenDiszipl<strong>in</strong>en<br />
orientierenundaufdieAusbildungvonFachkompetenzausgerichtetse<strong>in</strong>o<strong>der</strong><br />
sichstärkeranProblemenorientierenunddieBildungverschiedenerKompe<br />
tenzenzumZielhaben.EntsprechendentwickeltsichdasQualifikationsprofil<br />
<strong>der</strong>AbsolventenunddamitihreChancen<strong>in</strong>WirtschaftundGesellschaft.<br />
- DieInternationalität.Die<strong>St</strong>rukturendesAusbildungsplans,dieArtdesUnter<br />
richts,dieInhalteunddieZusammensetzung<strong>der</strong>Mitglie<strong>der</strong><strong>der</strong><strong>Universität</strong><br />
könnenregional,nationalo<strong>der</strong><strong>in</strong>ternationalse<strong>in</strong>“(ebd.,S.47,Hervorhebun<br />
genimOrig<strong>in</strong>al).<br />
KlammertmandieInternationalitätaus,sostösstmanbeiSpoun&Mohr(ebd.)auf<br />
dieselben Faktoren, die hier als Elemente e<strong>in</strong>es Bildungsverständnisses bezeichnet<br />
wurden. Geme<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>d das Wissenschaftsverständnis, das <strong>Management</strong>verständnis<br />
unddieVorstellungenüberdiePersönlichkeit<strong>der</strong>Lernenden.<br />
ImebenzitiertenPapierwirdneben<strong>der</strong>Beschreibung<strong>der</strong>Positionierungsdimensio<br />
nen auch aktive Positionierungsarbeit betrieben. „Die Neupositionierung <strong>der</strong> Lehre<br />
an<strong>der</strong>HSGmussaufm<strong>in</strong>destensvierFragene<strong>in</strong>eAntwortgeben:Wos<strong>in</strong>dwir?Wo<br />
könnenwirse<strong>in</strong>?Wosollenwirse<strong>in</strong>?Wiekommenwirdorth<strong>in</strong>?Antwortendarauf<br />
bilden die Grundlagen für die Aufbaustrukturen (Lehr<strong>in</strong>halte und Fächerangebote)<br />
unddieAblaufstrukturen(DauerundEtappen)sowiedieGestaltung<strong>der</strong>Lehreund<br />
vonSymbolen,Formen,E<strong>in</strong>stellungen,InteressenunddentäglichenLehrbetriebtra<br />
gen“(ebd.,S.47).Ziel<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>wares,mit<strong>der</strong>Neukonzeption<strong>der</strong><br />
Lehre<strong>in</strong>ternationalerundwissenschaftlicherzuwerden(vgl.ebd.,S.47).Zielwares,<br />
das<strong>St</strong>udiumvermehrtanProblemenstattDiszipl<strong>in</strong>enauszurichten(vgl.ebd.,S.47).<br />
SchliesslichwünschtemansichumfassendgebildetePersönlichkeiten.„DieAusrich<br />
tung<strong>der</strong>Lehre<strong>der</strong>HSGzieltaufe<strong>in</strong>emehrdimensionaleEntwicklung<strong>der</strong><strong>St</strong>udieren<br />
denab.HSGAbsolventensollensichnichtnurdurchFachkompetenzenauszeichnen,
200<br />
son<strong>der</strong>ngenausodurchpraktischeHandlungskompetenzenunde<strong>in</strong>evertiefteFähig<br />
keitzurReflexion.DerErwerbsolcherFähigkeiten<strong>in</strong><strong>der</strong>Ausbildungunterscheidetsie<br />
von Absolventen an<strong>der</strong>er <strong>Universität</strong>en. Sie s<strong>in</strong>d nicht nur als Fachspezialisten e<strong>in</strong><br />
setzbar,son<strong>der</strong>nbesseralsdiesevorbereitet,verschiedenePositionenundAufgaben<br />
zuübernehmen.WirwollendieGrundlagelegenfürdieÜbernahmevonVerantwor<br />
tung <strong>in</strong> Unternehmen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rechtspflege, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wissenschaftund <strong>in</strong> öffentlichen<br />
Institutionen“(ebd.,S.49).Das<strong>St</strong>udiumsolltestärkeranden<strong>St</strong>udierendenalsanden<br />
Dozierenden ausgerichtet werden (vgl. ebd., S.47). Man bekannte sich zum Pr<strong>in</strong>zip<br />
<strong>St</strong>udentsfirst(ebd.,S.49).„[Es]beschreibt,wiedieHSGimVerhältniszu<strong>St</strong>udieren<br />
denalsLernendeundalsAbsolventengestaltetwerdensoll.Die<strong>St</strong>udierendenstehen<br />
alszukünftigeAbsolventenimMittelpunkt<strong>der</strong>Lehre.[…]DieArchitekturunddiePro<br />
zesse<strong>der</strong>Lehremüssendie<strong>St</strong>udierendenunterstützen,e<strong>in</strong><strong>St</strong>udiumohneH<strong>in</strong><strong>der</strong>nis<br />
se ermöglichen und sehr guten <strong>St</strong>udierenden erlauben, sich durch zusätzliche Leis<br />
tungenauszuzeichnen“(ebd.,S.49).Die<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>warbestrebt,diegröss<br />
tenSprünge<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erstärker<strong>in</strong>tegriertenAusbildungund<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>in</strong>ternationalerenPo<br />
sitionierungzuunternehmen(vgl.ebd.,S.50ff.).<br />
Abb.3:Positionierungsdimensionen<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>(Spoun&Mohr,2000)
201<br />
WieaberwirddiePositionierungsarbeitrückblickendvone<strong>in</strong>em<strong>der</strong>fe<strong>der</strong>führenden<br />
<strong>St</strong>rategenbeurteilt?Hattemandamals–wie<strong>in</strong>dieserArbeitsuggeriert–e<strong>in</strong>dieUni<br />
versität<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>positionierendesBildungsverständnisvorAugen?„DasBildungsver<br />
ständnis <strong>der</strong> HSG war über Jahrzehnte e<strong>in</strong>es, das sich unter dem <strong>St</strong>ichwort Praxis<br />
orientierungzusammenfassenliess,wobe<strong>in</strong>iegenaugeklärtwar,wasunterPraxis<br />
orientierungverstandenwerdensollte.DurchUlrichunddiesystemorientierteBWL<br />
kame<strong>in</strong>zweiterArbeitsstrangdazu.HansUlrichhatjaauchgrossenNie<strong>der</strong>schlagim<br />
Curriculumgefunden,zumBeispiel<strong>in</strong>dem,wasfrüherKulturfachhiess.DasCurricu<br />
lumwi<strong>der</strong>spiegelte<strong>in</strong>Verständnis,dassese<strong>in</strong>Lebenjenseits<strong>der</strong>BWLgibtunddass<br />
man das als e<strong>in</strong>en Teil des HSGBildungsverständnisses ansehen sollte. Wir haben<br />
diesesgrundlegendeThema1999<strong>in</strong>Angriffgenommenundversuchtendas<strong>in</strong>diesem<br />
PapierzurNeukonzeption<strong>der</strong>Lehreauf200Seitendarzustellen[vgl.Spoun&Mohr,<br />
2000].Wirhabenjenseits<strong>der</strong>erkanntenTraditionenzusätzliche<strong>in</strong>sehrvielstärker<br />
humanistisches Bildungsverständnis akzentuiert. Wir haben erläutert, warum das<br />
wichtigistundwiemandaskonkretmitVeranstaltungenimKontextstudiumnament<br />
lichaberauchmite<strong>in</strong>igendidaktischenIdeenumsetzenkönnte.Ichglaube,dass<strong>in</strong>d<br />
diezweiEntwicklungsachsen,diewirgewählthaben.UnddaserweistsichimNachhi<br />
ne<strong>in</strong> auchalsrichtig.Durch dengeschützten Raum Kontextstudium habenwir e<strong>in</strong>e<br />
LebensundLernweltschaffenkönnen.Unde<strong>in</strong>eLebenswelt,dasistgenaudas,was<br />
Lehrewertvollwerdenlässt.InsofernhabeichdenE<strong>in</strong>druck,dassdieHSGheute<strong>in</strong><br />
<strong>der</strong>Umsetzungrelativweitist.DieAkkreditierungenzeigendiesimVergleichmitvie<br />
lenan<strong>der</strong>enHochschulen.MandarfimÜbrigennichtvergessen,dassjetztachtJahre<br />
seit<strong>der</strong>Grundkonzeptionvergangens<strong>in</strong>d.DaswarimSommer99,undjetzt haben<br />
wirHerbst07.Indes,dienächstenSchrittes<strong>in</strong>dnichtme<strong>in</strong>Thema,dasbetrifftande<br />
re“(InterviewSaschaSpoun,13.November2007).Ichpersönlichglaube,dassesan<br />
<strong>der</strong>Zeitist,dienächstenSchrittesoschnellwiemöglichzugehen.Esistan<strong>der</strong>Zeit,<br />
dieLebenswelt,diehierEntwicklungsfeldgetauftwurde,weiterauszubauen.Nurso<br />
sche<strong>in</strong>tesmirmöglich,dieWettbewerbsvorteile<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>zusichern<br />
undauszubauen.<br />
VondenAnhängern<strong>der</strong>systemorientierten<strong>Management</strong>lehrewirdrückblickendmit<br />
ErnüchterungaufdieNeukonzeption<strong>der</strong>Lehregeblickt.DasBildungsverständnishat<br />
sich<strong>in</strong>Bezugaufdas<strong>in</strong>tegrierendeMomentnicht<strong>in</strong>diegewünschteRichtungentwi<br />
ckelt.ManverharrtimAuswendiglernen.„Wirwollteneigentlich,dassdie<strong>St</strong>udieren<br />
dene<strong>in</strong>bisschenwenigerauswendiglernensollen.Aberdashabenwirmit<strong>der</strong><strong>St</strong>u
202<br />
dienreformwahrsche<strong>in</strong>lichebenauchnichtsoganzerreicht.Ichme<strong>in</strong>e,<strong>in</strong>denDiszip<br />
l<strong>in</strong>en F<strong>in</strong>anz & Rechnungswesen, Market<strong>in</strong>g, und so weiter, da kommen sie relativ<br />
weit mitAuswendiglernen.Aber wenn sie Muster erkennen müssen, dann kommen<br />
sienichtweitmitAuswendiglernen.DannmüssensiewirklichneueAnsätzebezüglich<br />
Problemstellungen o<strong>der</strong> Issues entwickeln“ (Interview Peter Gomez, 3. Dezember<br />
2007).Zudemkonnte<strong>der</strong>Wechselvon<strong>der</strong>OrientierunganDiszipl<strong>in</strong>enzu<strong>der</strong>Orien<br />
tierunganProblemennichtvollzogenwerden.GomezbeurteiltdieEntwicklung<strong>der</strong><br />
letztenJahrealsgegenläufigzureigentlichgeplantenRichtung.„IchhabeimMoment<br />
e<strong>in</strong>bisschenAngst,dassmanwie<strong>der</strong><strong>in</strong>dieVorzeiten,<strong>in</strong>dieVorUlrichZeitenzurück<br />
fällt,mit<strong>der</strong>ArtundWeise,wieunserWissenschaftsverständnisist.[…]Dasmerkt<br />
man<strong>in</strong>allenDiskussionen,diewirmite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>haben.Undmanmerktesauch<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
ArtundWeise,wieaggressivvonbeidenSeitengesagtwird:‚Wirhabendierichtige<br />
Lehre,wirhabendieHeilslehre.‘Wasirgendwieauche<strong>in</strong>bisschenabhandengekom<br />
men ist, ist die gegenseitigeToleranz, dass mansagt, was die an<strong>der</strong>en machen,ist<br />
auchokay.Esgibtnichtdiee<strong>in</strong>eWahrheit.VarelahatdasamBeispielerklärt,obman<br />
e<strong>in</strong>Unternehmenmite<strong>in</strong>emInput/Outputo<strong>der</strong>mite<strong>in</strong>emModell<strong>der</strong>organisatio<br />
nalenGeschlossenheitabbildet.Esistnichtdase<strong>in</strong>eo<strong>der</strong>dasan<strong>der</strong>erichtig.Son<strong>der</strong>n<br />
ess<strong>in</strong>dverschiedeneAnsätze,dieWeltzusehen.Hier<strong>in</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>hatergesagt,it’sa<br />
questionofclearepistemlogicalaccout<strong>in</strong>g.Manmusssagen,jetztbildeichdieWelt<br />
soab,mite<strong>in</strong>emInputOutputModell,unddannkriegeichfolgendeResultate.Und<br />
wenn ich die Welt abbilde mit e<strong>in</strong>em Modell <strong>der</strong> organisationalen Geschlossenheit,<br />
dannkriegeichan<strong>der</strong>eResultate.Aberesist,weiliche<strong>in</strong>enunterschiedlichenAnsatz<br />
genommenhabe.UndwennsienachdemheutevorherrschendenParadigmaandie<br />
seWeltherangehen,reduktionistischpositivistisch,dannkriegensiee<strong>in</strong>ebestimmte<br />
Art von Resultaten. Wenn sie den an<strong>der</strong>en Approach nehmen, den würde ich den<br />
ganzheitlichkonstruktivistischen Ansatz taufen, dann kriegen sie an<strong>der</strong>e Resultate.<br />
Siemüssennichtsagen,dase<strong>in</strong>eo<strong>der</strong>dasan<strong>der</strong>eistfalsch.Esistvielleichtnützlich<br />
fürdiee<strong>in</strong>en,unddannistesnützlicherfürdiean<strong>der</strong>en.Aberwichtigist,dassman<br />
sichimmerüberdiegrundlegendenAnnahmenverständigt,dassmandieoffenlegt“<br />
(ebd.).DieAusführungenverweisenaufdieNotwendigkeit,dieSpannungenzwischen<br />
denverschiedenenAnsätzen,wieBetriebswirtschafslehrebetriebenundgelehrtwer<br />
densoll,auszuhalten.SieverweisenaufdieNotwendigkeit,die<strong>St</strong>udierenden<strong>in</strong>die<br />
H<strong>in</strong>tergründe <strong>der</strong> wissenschaftlichen Heilslehren e<strong>in</strong>zuführen. Dozierende und <strong>St</strong>u<br />
dierendesolltenerklärenkönnen,weshalbsiewelchemGlaubenfolgen.
203<br />
Auch<strong>in</strong>an<strong>der</strong>enInterviewszeigtesichdieTatsache,dassesunterdenProfessoren<br />
<strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> ke<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Bildungsverständnis gibt. Dieses wäre<br />
nötig,umalsOrganisationdenAnspruchsgruppengegenübergeschlossenaufzutre<br />
tenunde<strong>in</strong>ekohärenteWertschöpfunganzubieten.Manglaubtanunterschiedliche<br />
Heilslehren.MankämpftumdieBedeutungse<strong>in</strong>erDiszipl<strong>in</strong>.Manbetrachtettenden<br />
ziell se<strong>in</strong>en persönlichen Beitrag zur Bildung des <strong>St</strong>udenten anstelle se<strong>in</strong>er ganzen<br />
Bildung. Der nötigen und richtigen Differenzierung <strong>der</strong> Ansichten stehen aus Sicht<br />
dieserArbeitzuwenigIntegrationsbemühungenimS<strong>in</strong>nee<strong>in</strong>ergeme<strong>in</strong>samenIdenti<br />
tätgegenüber.Damitentstehth<strong>in</strong>ter<strong>der</strong>Umsetzung<strong>der</strong>angestrebtenPositionierung<br />
e<strong>in</strong> Fragezeichen. Für die Anspruchsgruppen werden Une<strong>in</strong>igkeit, e<strong>in</strong>e bruchhafte,<br />
e<strong>in</strong>efragmentierteIdentitätsichtundspürbar.„Dasistrichtig,aberauchtypischfür<br />
den Wissenschaftsbetrieb, <strong>der</strong> sich durch den Wettstreit <strong>der</strong> Positionen entfaltet“<br />
(InterviewSaschaSpoun,13.November2007).DerAlltagdesWissenschaftsbetriebs<br />
und <strong>der</strong> Wettstreit <strong>der</strong> Positionen wirken <strong>der</strong> Kohärenz entgegen. Wird aber ke<strong>in</strong><br />
Konsenshergestellt,wirddieQualität<strong>der</strong>Lehregeschwächt.„Völligklar.Aberichwill<br />
jetztnichtfürUniformismusplädieren,weilernichtzue<strong>in</strong>er<strong>Universität</strong>passt.Aber<br />
ichwillfüre<strong>in</strong>enKonsensüberdieGrundausrichtung,e<strong>in</strong>Wissenüberdas,wasdie<br />
Kollegentun,e<strong>in</strong>eWertschätzungdafürusw.plädieren.DiesenKonsensherzustellen,<br />
istsehraufwendig.Abererhilftfür<strong>in</strong>haltlichesArbeiten“(ebd.).<br />
MitdieserSicht<strong>in</strong>dasInnerewurdene<strong>in</strong>igespätereGedankenvorweggenommen.<br />
An<strong>der</strong>Oberflächesche<strong>in</strong>tdieWeltnämlich<strong>in</strong>Ordnung.Dafürsorgtunteran<strong>der</strong>em<br />
e<strong>in</strong>umfassendesQualitätsmanagement.DieseskommtdenFor<strong>der</strong>ungenvonAvenir<br />
Suisse(2004)entgegen.„E<strong>in</strong>Hochschulsystem,dasvorwiegenddurchWettbewerbs<br />
undMarktmechanismengesteuertwird,erhältmehrRückmeldungenüberse<strong>in</strong>eWir<br />
kungsweise (Rank<strong>in</strong>gs, Renommee, Zulauf, Zitations<strong>in</strong>dexe usw.)“ (S.11; vgl. auch<br />
Sporn & Aeberli, 2004). Die <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> will durch das Qualitätsmanage<br />
mentdieprofessionelleSelbstverwaltung,an<strong>der</strong>sausgedrücktdie<strong>in</strong>ternenWettbe<br />
werbskräfte, stärken. „Die Qualitätsentwicklung an <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> dient<br />
e<strong>in</strong>ersystematischen<strong>St</strong>ärkung<strong>der</strong>professionellenSelbstverantwortungfürdieQuali<br />
tätvonLehre,ForschungundDienstleistungensowie<strong>der</strong>engezielteWeiterentwick<br />
lung,setztaufallenHandlungsebenen<strong>der</strong>HSGanundreichtvomE<strong>in</strong>zelnen(Profes<br />
sor/<strong>in</strong>,Dozierenden,Mitarbeiter/<strong>in</strong>)überdieAbteilungsvorständeundBereichsleiter,<br />
die Programmverantwortlichen (Bachelor, Master, Doktorat, Weiterbildung) bis zur<br />
<strong>Universität</strong>sleitung und bedient sich hierfür systematischer und transparenter Ver
204<br />
fahren,welcheaufe<strong>in</strong>emMixvonSelbstundFremdevaluationbasieren,umhieraus<br />
Verbesserungsmechanismen abzuleiten und umzusetzen“ (<strong>Universität</strong> <strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,<br />
2007c).DerFokus<strong>der</strong><strong>St</strong>ellefürQualitätsentwicklungliegt<strong>in</strong><strong>der</strong>Lehre.Diesistange<br />
sichts <strong>der</strong> Kernkompetenzen <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> ke<strong>in</strong>e Überraschung. „Das<br />
Schwergewicht<strong>der</strong>TätigkeitenliegtimBereich<strong>der</strong>Lehre.WichtigeInstrumente<strong>der</strong><br />
Qualitätsentwicklungs<strong>in</strong>dsystematischeLehrveranstaltungsundPrüfungsevaluatio<br />
nen, Fokusgruppen, Befragungen von Absolventen, Arbeitgebern und Alumni, aber<br />
auchexterneAkkreditierungenundRank<strong>in</strong>gs“(ebd.).<br />
Evaluationen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Instrument <strong>der</strong> lernenden Organisation und tragen dazu bei,<br />
die Qualität <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> zu kommunizieren. Auch externe Anspruchs<br />
gruppensollenamErfolgteilhabenundFortschritteregistrieren.Die<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<br />
<strong>Gallen</strong>istsowohlbeiEQUIS(TheEuropeanQualityImprovementSystem,vgl.EQUIS,<br />
2007)alsauchbeiAACSB(TheAssociationtoAdvanceCollegiateSchoolsofBus<strong>in</strong>ess,<br />
vgl.AACSB,2007)akkreditiert.DieseAkkreditierungenbestätigendieLeistungen<strong>der</strong><br />
<strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> für Aussenstehende. Sie dienen <strong>der</strong> Generierung von Feed<br />
backs,diekont<strong>in</strong>uierlicheVerbesserungsprozesse<strong>in</strong>itiieren.Siefungierenschliesslich<br />
alsMarktsignal.ManglaubtdurchdieSignaledie<strong>in</strong>ternationaleWirkungzustärken.<br />
„InternationaleAkkreditierungenerweisensich<strong>in</strong>zunehmendemMassealse<strong>in</strong>eVor<br />
aussetzungfürKooperationenmithochrangigen<strong>in</strong>ternationalenPartner<strong>in</strong>stitutionen<br />
<strong>in</strong> Bereichen wie Austauschprogramme, Doppelabschlüsse und Rekrutierung hoch<br />
qualifizierterWissenschaftlerundProfessoren“(<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,2007c.).Nach<br />
InnenziehtdiesdieNotwendigkeitmitsich,sichnichtnuraufdemPapier,son<strong>der</strong>n<br />
auchimAlltagalslernendeOrganisationzuverstehen.„DieDozierendenund<strong>St</strong>udie<br />
rendenwirkenaktivundaufallen<strong>St</strong>ufen<strong>der</strong>Qualitätsentwicklungmit“(ebd.).<br />
Qualitätzeigtsich<strong>in</strong>gutenRank<strong>in</strong>gs.Die<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>istsichbewusst,dass<br />
Rank<strong>in</strong>gsimWettbewerb<strong>der</strong>Hochschulene<strong>in</strong>eimmergrössereRollespielen.Siere<br />
duzieren den Wettbewerb auf Kennzahlen und schaffen Entscheidungssicherheit.<br />
„Rank<strong>in</strong>gsvermittelnwichtige,entscheidungsrelevanteInformationenan<strong>St</strong>udierende,<br />
ProfessorenundNachwuchswissenschaftler,anFührungsgremienundAufsichtsorga<br />
nevon<strong>Universität</strong>en,aberauchandieBildungspolitikunddieallgeme<strong>in</strong>eÖffentlich<br />
keit. Sie stellen dadurch Transparenz her <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ausgesprochen <strong>in</strong>transparenten,<br />
aberpolitischzentralenundkostspieligenBereichmo<strong>der</strong>nerGesellschaften.Siever<br />
schaffendenMedien,diezumeistnichtnuralsMedium,son<strong>der</strong>nzugleichauchals<br />
Veranstalter<strong>der</strong>undEntschei<strong>der</strong>überdieRank<strong>in</strong>gsund<strong>der</strong>en(mehro<strong>der</strong>weniger
205<br />
s<strong>in</strong>nvollen) Kriterien auftreten, viel öffentliche Aufmerksamkeit und steigern ihren<br />
wirtschaftlichenErfolg.Undsieliefernden<strong>Universität</strong>enselbere<strong>in</strong><strong>in</strong>teressantesPro<br />
filierungs<strong>in</strong>strumentaufnationalerEbenesowiee<strong>in</strong>kaumersetzbaresInstrumentzum<br />
Aufbau<strong>in</strong>ternationalerReputation“(<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,2007o).<br />
DieUnendlichkeit<strong>der</strong>Rank<strong>in</strong>gsmachte<strong>in</strong>ebewussteKonzentrationaufe<strong>in</strong>igeweni<br />
ge Rank<strong>in</strong>gs nötig. „Aufgrund <strong>der</strong> Vielzahl ganz unterschiedlicher Rank<strong>in</strong>gs, <strong>der</strong>en<br />
Qualität, Passung auf und Bedeutung für die <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, aber auch auf<br />
grunddesz.T.beträchtlichenErhebungsaufwandesiste<strong>in</strong>eAuswahlundKonzentrati<br />
onaufbestimmteRank<strong>in</strong>gsunvermeidlich“(ebd.).Die<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>hatsich<br />
fürdasCHERank<strong>in</strong>gimBereich<strong>der</strong>ErstausbildungundfürdasF<strong>in</strong>ancialTimesRan<br />
k<strong>in</strong>gimBereich<strong>der</strong>Weiterbildungentschieden.DieEntscheidegehenmite<strong>in</strong>erge<br />
sundenSkepsise<strong>in</strong>her.„Damitwirde<strong>in</strong>ePräzision<strong>der</strong>Messungund<strong>der</strong>Rangunter<br />
schiede suggeriert, die angesichts <strong>der</strong> fundamentalen Unterschiede zwischen den<br />
Anbieternund<strong>der</strong>VielfaltanQualitätskriteriennichtunproblematischist“(ebd.).An<br />
<strong>der</strong>eGefahren<strong>der</strong>Rank<strong>in</strong>gsbestehendort,„wo<strong>der</strong>enErgebnisseweitüberdenje<br />
weiligen Gültigkeitsbereich h<strong>in</strong>aus verallgeme<strong>in</strong>ert werden […], wo sie den An<br />
spruchsgruppene<strong>in</strong>efalscheundgefährlicheE<strong>in</strong>deutigkeitbzw.Handlungssicherheit<br />
vorgaukeln(z.B.durche<strong>in</strong>dimensionaleRanglisten)undu.U.weitreichendeEntschei<br />
deaufwenigtragfähigenGrundlagengetroffenwerden,wodiewirtschaftlichenEi<br />
gen<strong>in</strong>teressen <strong>der</strong> Medien erfor<strong>der</strong>liche Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Rank<strong>in</strong>gmethodik ver<br />
h<strong>in</strong><strong>der</strong>n(z.B.dieAbkehrvonRanglistenund<strong>der</strong>Übergangzue<strong>in</strong>emRat<strong>in</strong>g,beidem<br />
nurdieZugehörigkeitenzuQualitätsgruppenausgewiesenwird),wodieGefahrbe<br />
steht,dass das Verfolgen <strong>der</strong>Rank<strong>in</strong>gkriterien wichtiger wird als das Verfolgen <strong>der</strong><br />
selbst gesetzten Qualitätsziele <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> und ihrer eigenständigen <strong>St</strong>rategie“<br />
(ebd.).<br />
ProblematischandenRank<strong>in</strong>gsistschliesslich,dasssienichtfähigs<strong>in</strong>d,h<strong>in</strong>terdieKu<br />
lissen<strong>der</strong>universitärenWertschöpfungzublicken.Eshandeltsichumoberflächliche<br />
Momentaufnahmen.Esistwiebei<strong>der</strong>Bilanz:DieLiquiditätsagtnochnichtsüberden<br />
tatsächlichen Erfolg aus. „E<strong>in</strong>e positive Liquiditätslage [kann] <strong>in</strong>sofern irreführend<br />
se<strong>in</strong>,alssiedarüberh<strong>in</strong>wegtäuschenkann,dassdieGrundlagefür<strong>der</strong>enzukünftige<br />
Entwicklung, nämlich <strong>der</strong> betriebswirtschaftliche Erfolg, sich zu verschlechtern be<br />
g<strong>in</strong>nto<strong>der</strong>schonnegativgewordenist,denne<strong>in</strong>epositiveLiquiditätslagekanngleich<br />
zeitigmite<strong>in</strong>erschlechtenErtragslageauftreten“(Malik,2007,S.188).DieOrientie<br />
rungankurzfristigenKennzahlensoll<strong>der</strong>langfristigenOrientierunganneuenErfolgs
206<br />
potenzialenweichen.„DiesesVerständnismussaberaufe<strong>in</strong>emganzbestimmtenGe<br />
danken aufbauen, nämlich dem lösungsunabhängig formulierten Kundenproblem“<br />
(ebd.,S.193).DaslösungsunabhängigeKundenproblemwurdemitdemBildungsver<br />
ständnislängstdef<strong>in</strong>iert.ImFallee<strong>in</strong>esBetriebswirtschafsstudiumswirddaslösung<br />
sunabhängigeKundenproblemdurchdasWissenschafts,<strong>Management</strong>undPersön<br />
lichkeitsverständnis konkretisiert. Es durchdr<strong>in</strong>gt die Leistungen (Curriculum), die<br />
Leistungserstellungsprozesse (Methoden) und die dazugehörige Kommunikation ei<br />
ner<strong>Universität</strong>.E<strong>in</strong>Rank<strong>in</strong>gkanndieseZusammenhängenichtaufdecken.Esrichtet<br />
denBlick<strong>in</strong>dieVergangenheitundnicht<strong>in</strong>dieZukunft.<br />
Die<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>verweigertsichdeswegendenRank<strong>in</strong>gsnicht.Siegibtim<br />
Gegenteilklare Zielebekannt. „1. Allgeme<strong>in</strong>: Ausbauund Verankerung <strong>der</strong> HSG als<br />
anerkannte Bus<strong>in</strong>ess School auf europäischer Ebenemit nachweisbaren <strong>St</strong>ärken im<br />
Bereich<strong>der</strong>Erstausbildung,<strong>der</strong><strong>Management</strong>weiterbildungund<strong>der</strong>praxisrelevanten<br />
Forschung.Spezifisch:E<strong>in</strong>PlatzunterdenTop10<strong>in</strong>EuropagemässdenF<strong>in</strong>ancialTi<br />
mesRank<strong>in</strong>gsundbesteBus<strong>in</strong>essSchoolausdemdeutschsprachigenRaum.2.Allge<br />
me<strong>in</strong>:Sicherung<strong>der</strong>Spitzenstellung<strong>der</strong>HSGalsführendeWirtschaftsuniversitätim<br />
deutschsprachigen Raum bzgl. Anerkennung und Reputation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erstausbildung,<br />
<strong>der</strong> <strong>Management</strong>weiterbildung und <strong>der</strong> praxisrelevanten Forschung. Spezifisch: E<strong>in</strong><br />
PlatzunterdenTop3imdeutschsprachigenRaumgemässdenRank<strong>in</strong>gsvonCHEso<br />
wie an<strong>der</strong>en Rank<strong>in</strong>gs dieses Raums“ (ebd.). Gegenwärtig steht die <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>.<br />
<strong>Gallen</strong>aufRang25<strong>der</strong>europäischenBus<strong>in</strong>essSchools(F<strong>in</strong>ancialTimes,2007).Sieist<br />
aber die bestplatzierte Bus<strong>in</strong>ess School im deutschsprachigen Raum. Auch im zum<br />
CHEgehörigenswissupRank<strong>in</strong>gnimmtdie<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>dieSpitzenposition<br />
e<strong>in</strong>.SieliegtimGesamturteil<strong>der</strong><strong>St</strong>udierenden,bei<strong>der</strong>LehrreputationbeidenPro<br />
fessorenundbeidenvergebenenDrittmittelnanerster<strong>St</strong>elle.DerPraxisbezugwird<br />
mit Rang 2 belohnt. E<strong>in</strong>zig beim Betreuungsverhältnis muss sich die <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>.<br />
<strong>Gallen</strong>mite<strong>in</strong>emviertenPlatzzufriedengeben.Die<strong>St</strong>udierendenbeurteilendieEr<br />
reichbarkeit,dieBeratungunddieHilfestellung<strong>der</strong>Lehrendenalsungenügend(vgl.<br />
swissup,2005).<br />
<br />
9.2. <strong>St</strong>rukturelles<br />
Die <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> hat die Neukonzeption <strong>der</strong> Lehre genutzt, um auf konse<br />
quenteArtundWeisedaszweistufigeBolognaSysteme<strong>in</strong>zuführen.DasCurriculum
207<br />
wurde als „<strong>in</strong>ternational kompatibles <strong>St</strong>udienmodell“ konzipiert (vgl. Spoun, 2003,<br />
S.1).ManfolgtdamitdemAufrufzureuropäischenE<strong>in</strong>igungund<strong>der</strong><strong>St</strong>.GallerTradi<br />
tion,diebeidezwischene<strong>in</strong>emGrundstudiumunde<strong>in</strong>emweiterführenden<strong>St</strong>udium<br />
unterscheiden(vgl.Ulrich,2001,S.425;ErklärungvonBologna,1999).Die<strong>St</strong>rukturie<br />
rungdesCurriculumsgibtAufschlussüberdasBildungsverständnise<strong>in</strong>er<strong>Universität</strong>.<br />
Jenachdem,wiedasFachstudiumstrukturiertwird,wirddadurche<strong>in</strong>an<strong>der</strong>esMana<br />
gementverständnisdeutlich.<br />
DieZweiteilungwurdee<strong>in</strong>stgenutzt,umdiewahlweisevertiefteAusbildungvonei<br />
nerallgeme<strong>in</strong>enUnternehmenslehreabzuheben(vgl.Ulrich,2001,S.428).In<strong>der</strong>all<br />
geme<strong>in</strong>en Unternehmenslehre wurden die <strong>St</strong>udierenden zu Ulrichs Zeiten auf <strong>der</strong><br />
Grundstufe <strong>in</strong>Funktionsbereichs undMethodenlehren unterrichtet. Neben<strong>der</strong> all<br />
geme<strong>in</strong>enUnternehmenslehreg<strong>in</strong>gesumdieLeistungserstellungundverwertung,<br />
umBeschaffungsundVerwaltungsaufgaben,umdieUnternehmensorganisationund<br />
umdasRechnungswesen(vgl.ebd.,S.430).DieVorlesungenwurdendurchdazugehö<br />
rige, aber zeitlich verschobene Übungen ergänzt. Auf <strong>der</strong> Lizentiatsstufe folgte e<strong>in</strong><br />
Curriculumbauste<strong>in</strong>,<strong>der</strong>sich<strong>der</strong>Gesamtführungslehre<strong>der</strong>Unternehmungunddamit<br />
e<strong>in</strong>er<strong>in</strong>tegriertenBetriebswirtschaftslehrewidmete.DieUnternehmensführungwur<br />
de<strong>in</strong>Allgeme<strong>in</strong>eTheorieundMethodik,PlanungundKontrolledesUnternehmens<br />
geschehens,Führung<strong>der</strong>Mitarbeiter,LeistungsorganisationundUnternehmenspoli<br />
tikgeglie<strong>der</strong>t.DieVorlesungenwurdenwie<strong>der</strong>umdurchÜbungenergänzt,<strong>in</strong>denen<br />
praktische Probleme gelöst beziehungsweise Problemlösungen e<strong>in</strong>studiert wurden<br />
(vgl.ebd.,S.430).Auf<strong>der</strong>LizentiatsstufespezialisiertensichdieLernenden<strong>in</strong>e<strong>in</strong>em<br />
von elf Bereichen, die entlang <strong>der</strong> Funktions und Methodenbereiche, <strong>der</strong> Wirt<br />
schaftszweige und <strong>der</strong> Branchen gebildet wurden. Die starke Modularisierung des<br />
<strong>St</strong>udiums,diemitentsprechendvielenPrüfungsleistungene<strong>in</strong>hergeht,führtezurbe<br />
wusst<strong>in</strong>KaufgenommenenVerschulungdes<strong>St</strong>udiums„DieHochschule<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>hat<br />
seitjeher–wiedieeidgenössischeTechnischeHochschule<strong>in</strong>Zürich–aufklare,ver<br />
b<strong>in</strong>dliche<strong>St</strong>udienpläneunde<strong>in</strong>enstraffenUnterrichtsbetriebgrossenWertgelegt.In<br />
fehlendeno<strong>der</strong>unpräzisen<strong>St</strong>udienundVorlesungsplänen,aberauch<strong>in</strong><strong>der</strong>völligen<br />
Freiheit<strong>der</strong><strong>St</strong>udentenbiszurSchlussprüfungerblicktdieHochschuleke<strong>in</strong>enAusdruck<br />
e<strong>in</strong>er erstrebenswerten akademischen Freiheit, son<strong>der</strong>n den Keim zu <strong>der</strong>en Miss<br />
brauchundschliesslichUntergang“(ebd.,S.424).<br />
ImZugedesWettbewerbs<strong>der</strong>Hochschulenwurde<strong>in</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>zwecksSelektion<strong>der</strong><br />
<strong>St</strong>udierendenundzumAusgleich<strong>der</strong>Lernvoraussetzungene<strong>in</strong>edritte<strong>St</strong>ufegeschaf
208<br />
fen.„DieAssessment<strong>St</strong>ufeführt<strong>in</strong>diewissenschaftlichenFächer,dieAnfor<strong>der</strong>ungen<br />
und Zielsetzungen <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> e<strong>in</strong> und wählt zielgerichtet die für das<br />
weitere <strong>St</strong>udium Geeigneten am Ende des ersten <strong>St</strong>udienjahres aus. Zugleich sollen<br />
die<strong>St</strong>udierendenauchbefähigtwerden,imS<strong>in</strong>nevonSelbstselektionzubeurteilen,<br />
obdieAnfor<strong>der</strong>ungenundZiele<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>ihreneigenenInteressen<br />
entsprechen.WeilAssessmentgleichzeitig<strong>der</strong>akademischenBildungund<strong>der</strong>fachli<br />
chenAusbildungzudienenhat,istimersten<strong>St</strong>udienjahrdasZieldieVermittlungvon<br />
fachlichemGrundwissensowie<strong>der</strong>ErwerbelementarerwissenschaftlicherQualifika<br />
tionen.DadurchwirddieAssessment<strong>St</strong>ufealsuniversitäreE<strong>in</strong>gangsstufee<strong>in</strong><strong>in</strong>tegra<br />
lerBestandteil<strong>der</strong>universitärenAusbildung<strong>in</strong>sgesamt.ImAssessmentJahrwerden<br />
stufengerecht fachliche Inhalte vermittelt, wissenschaftliche Perspektiven eröffnet<br />
undpersönlicheKompetenzenerworben,dieaufdenweiteren<strong>St</strong>ufenvorausgesetzt<br />
werden. Deshalb kommt <strong>der</strong> Assessment<strong>St</strong>ufe nicht ausschliesslich Selektion zu,<br />
son<strong>der</strong>nvorallemauchdieVorbereitungaufBachelorundMaster<strong>St</strong>ufe“(Universi<br />
tät<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,2007b).<br />
Trotz se<strong>in</strong>es Vorbereitungscharakters steht das Assessment mit se<strong>in</strong>en umfangrei<br />
chen Prüfungen stellvertretend für das Pr<strong>in</strong>zip des Wettbewerbs. In <strong>der</strong> Theorie<br />
rechnetmandemAssessmentCenterdieErkundung<strong>der</strong>Kompetenzen,<strong>der</strong>Persön<br />
lichkeitund<strong>der</strong>Potenziale<strong>der</strong>TeilnehmendenunddamitdieSelektion<strong>der</strong>Bestenzu<br />
(vgl.Paschenetal.,2005).„E<strong>in</strong>AssessmentCenteriste<strong>in</strong>Beurteilungsverfahren,<strong>in</strong><br />
demdurchdieBeobachtungen<strong>der</strong>LeistungenunddesVerhaltens<strong>der</strong>Teilnehmer<strong>in</strong><br />
Simulationen, Rollenspielen, Tests und Fallstudien Rückschlüsse auf Kompetenzen,<br />
PersönlichkeitseigenschaftenundPotenzialegezogenwerden“(ebd.,S.16).DieLer<br />
nendenwerdenoffizielldazuaufgefor<strong>der</strong>t,sichalsunternehmerische<strong>St</strong>udierendezu<br />
verhalten,umdieersteHürdezupassieren.„Indiesemersten<strong>St</strong>udienjahrsolle<strong>in</strong>e<br />
sorgfältige wissenschaftliche Grundlegung erfolgen und die <strong>St</strong>udierenden sollen an<br />
dieAnfor<strong>der</strong>ungenherangeführtwerden,ihr<strong>St</strong>udium<strong>in</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>zu‚unternehmen‘,<br />
d.h.selbständigundeigenverantwortlichwieUnternehmenmitallenKonsequenzen<br />
zuplanenunddurchzuführen.DiesezeitlicheBegrenzung<strong>der</strong>Grundstufeaufe<strong>in</strong>Jahr<br />
hatdenVorteil,dass<strong>St</strong>udierendeund<strong>Universität</strong>relativraschundaufe<strong>in</strong>erbreiten,<br />
überprüfbaren und transparenten Basis feststellen können, ob sie zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> pas<br />
sen“(Gomez&Spoun,2002,S.7).SchautmansichdieDurchfallquoten<strong>der</strong>letzten<br />
Jahre an, so bewegen sich diese zwischen 35 und 45% (vgl. <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>,<br />
2007b).IndiesenZahlens<strong>in</strong>ddie<strong>St</strong>udierendenausdemAuslandnichtenthalten,die
209<br />
vor <strong>der</strong> Assessmentstufe e<strong>in</strong>e Zulassungsprüfung bestehen müssen.Momentan ist<br />
<strong>der</strong>Anteil<strong>der</strong>Auslän<strong>der</strong>an<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>gesetzlichauf25%beschränkt<br />
(vgl.<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,2007i).zulassungtest.de(2008)schreibtfürdasJahr2008:<br />
„Nur195<strong>der</strong>743nichtschweizerischenBewerberzumAssessmentjahrwurdenange<br />
nommen.DieDurchfallquotebeträgtaktuell74%!“<br />
DasÜberprüfen<strong>der</strong>PassungführtzurAuswahl<strong>der</strong>Besten.DasErfor<strong>der</strong>nis<strong>der</strong>freien<br />
Selektion <strong>der</strong> <strong>St</strong>udierenden zur <strong>St</strong>eigerung <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong> Schweizer Hochschulen<br />
unterstreichenSporn&Aeberli(2004)<strong>in</strong>ihrer<strong>St</strong>udiefürAvenirSuisse.„E<strong>in</strong>zentraler<br />
ParameterfürdieQualitätvonHochschulenistdieLeistungsfähigkeit<strong>der</strong><strong>St</strong>udieren<br />
den.DieHochschulensolltendeshalbnichtnurdieHöhe<strong>der</strong><strong>St</strong>udiengebührenselber<br />
festlegen,son<strong>der</strong>nauchihre<strong>St</strong>udierendenselberauswählendürfen.[…]OhneSelekti<br />
on <strong>der</strong> <strong>St</strong>udierenden vor <strong>St</strong>udienbeg<strong>in</strong>n o<strong>der</strong> m<strong>in</strong>destens <strong>in</strong> <strong>der</strong> Anfangsphase des<br />
<strong>St</strong>udiums ist die Ausgestaltung e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternational kompetitiven trivalenten Hoch<br />
schulsystemskaumdenkbar.DieslässtsichamBeispiel<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>il<br />
lustrieren.DieQualitätdes<strong>St</strong>udiumsistdortunteran<strong>der</strong>emdeshalbsohoch,weildie<br />
ausländischen<strong>St</strong>udierendene<strong>in</strong>eselektiveZulassungsprüfungablegenmüssen.E<strong>in</strong>e<br />
weitereSelektionshürdefüralleliegtdannimBestehen<strong>der</strong>Prüfungnachdemersten<br />
<strong>St</strong>udienjahr, das bezeichnen<strong>der</strong>weise Assessment<strong>St</strong>ufe genannt wird. Ohne Aus<br />
wahlverfahren<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendensowohlauf<strong>St</strong>ufeBacheloralsdannauchwie<strong>der</strong>auf<br />
<strong>St</strong>ufeMaster<strong>St</strong>udiumdrohtdieGefahre<strong>in</strong>erNivellierung<strong>der</strong>Hochschulennachun<br />
ten–unddamite<strong>in</strong>esExodus<strong>der</strong>klügstenKöpfeanan<strong>der</strong>erenommierteHochschu<br />
lenimAusland“(ebd.,S.112).<br />
WerdieersteHürdepassiert,wechseltvon<strong>der</strong>AssessmentstufeaufdieBachelorstu<br />
fe.Aufdieser<strong>St</strong>ufekönnendie<strong>St</strong>udierendenzwischenfünfMajorsauswählen(Uni<br />
versität<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,2007e).DieFallstudiekonzentriertsichaufdieBetriebswirtschafts<br />
lehre.„HauptzieldesMajors<strong>in</strong>Betriebswirtschaftslehreistes,die<strong>St</strong>udierendenmit<br />
e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>ternational anerkannten, praxisorientierten wirtschaftswissenschaftlichen<br />
Grundausbildungauszustatten.ErwilldabeidasVerständnisfürdasgesellschaftliche,<br />
politische,ökologischeundethischeUmfelddesWirtschaftensför<strong>der</strong>n,e<strong>in</strong>Grundver<br />
ständnis für <strong>in</strong>ternationale Wirtschaftszusammenhänge entwickeln und gezielt die<br />
<strong>in</strong>terkulturellen Kommunikationskompetenzen ausbilden. Zudem wird die Fähigkeit<br />
zum Umgang mit den Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> digitalen Ökonomie und zum E<strong>in</strong>satz<br />
vonelektronischenMediengeschult.ZusätzlichwerdendieFähigkeitzumPraxistrans<br />
ferwissenschaftlicherErkenntnissesowieKenntnissevonGrundlagenundVorausset
210<br />
zungenunternehmerischenDenkensvermitteltunddieKommunikationsundTeam<br />
fähigkeit <strong>in</strong> <strong>Management</strong>bereichen geför<strong>der</strong>t. Die <strong>St</strong>udierenden sollen wirtschaftli<br />
ches Verantwortungsbewusstse<strong>in</strong> entwickeln“ (<strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 2007p; vgl.<br />
2007e).DerBachelor<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>hebtsichdadurchvon<strong>der</strong>Konkurrenz<br />
ab,dassdieüberfachlichenKompetenzenunddieEntwicklung<strong>der</strong>PersönlichkeitTeil<br />
desCurriculumss<strong>in</strong>d.„DerBachelorofArts<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>unterscheidet<br />
sichdeutlichvondenstärkerberufspraktischenundberufsqualifizierendenFachhoch<br />
schulabschlüssen. Er orientiert sich e<strong>in</strong>erseits an <strong>der</strong> Tradition des Humboldtschen<br />
Bildungsidealsund<strong>der</strong>Ideee<strong>in</strong>er‚culturegénérale‘französischer‚GrandÉcoles‘,an<br />
<strong>der</strong>seits ebenso an <strong>der</strong> angelsächsischen Idee <strong>der</strong> Persönlichkeitsbildung, die zur<br />
Ausbildung künftiger Führungskräfte beitragen will“ (<strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 2007p,<br />
S.2).<br />
Die <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> will ihren Bachelor als eigenständigen akademischen Ab<br />
schluss verkaufen. Indiesem Unterfangenstösst man vorerstauf Wi<strong>der</strong>stand. „Der<br />
Grunddafüristnachme<strong>in</strong>erMe<strong>in</strong>ungnichtdiefehlendeNachfrageaufdemArbeits<br />
markt. Ich glaube, manche hat ganz e<strong>in</strong>fach <strong>der</strong> Mut verlassen. Die Bachelor<br />
Absolventen trauen wohl ihrem Abschluss noch nicht das zu, was <strong>in</strong> ihm steckt“<br />
(Mohr, 2005, S.29). Die Mutlosigkeit lässt sich mit Zahlenmaterial belegen. Gegen<br />
wärtig wollen nur gerade 2% nach dem Bachelor für immer <strong>in</strong> die Privatwirtschaft<br />
wechseln.Dagegengeben48%<strong>der</strong>befragtenBachelors<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>an,<br />
direktweiterstudierenzuwollen(vgl.Dyllick,2007).DerTiteldesBachelorssche<strong>in</strong>t<br />
auf dem Arbeitsmarkt noch nicht im gewünschten Masse anerkannt zu se<strong>in</strong>. Mohr<br />
(2005)gibtdaranden<strong>Universität</strong>enSchuld,diedenBachelornichtalseigenständigen<br />
Abschluss positionieren. „Mirkommt das vor, wie wenn <strong>der</strong>Markenvorstand e<strong>in</strong>es<br />
Automobilkonzernsbei<strong>der</strong>Präsentatione<strong>in</strong>esneuenTypssagt:DerMarktwirdent<br />
scheiden,obdasAutoErfolghat.Sogehtdase<strong>in</strong>fachnicht.“(ebd.,S.29).DieUniver<br />
sität<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>willdeshalbauseigenerKraftdie<strong>St</strong>immungfürdie<strong>in</strong>denBerufsmarkt<br />
e<strong>in</strong>tretenden Bachelors verbessern. „Wir haben uns für die BolognaReform ent<br />
schieden. Jetzt müssen wir alles unternehmen, damit <strong>der</strong> Bachelor als vollwertiger<br />
akademischerTitelanerkanntwird“(ebd.,S.29).
Information,Mediaand<br />
Technology<strong>Management</strong><br />
Market<strong>in</strong>g,Servicesand<br />
Communication<strong>Management</strong><br />
Account<strong>in</strong>gandF<strong>in</strong>ance<br />
Bachelorstufe<br />
Assessmentstufe<br />
Bank<strong>in</strong>gandF<strong>in</strong>ance<br />
<strong>St</strong>rategyandInternational<br />
<strong>Management</strong><br />
Abb.4:Curriculum<strong>der</strong>Betriebswirtschafslehre(eigeneDarstellung)<br />
<br />
Nach <strong>der</strong> Bachelorstufe treten die <strong>St</strong>udierenden <strong>in</strong> die Masterstufe über. „Die Pro<br />
211<br />
gramme verleihen ihren Absolvent<strong>in</strong>nen und Absolventen e<strong>in</strong> klares akademisches<br />
Profil für e<strong>in</strong>e anspruchsvolle Tätigkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis o<strong>der</strong> Wissenschaft“ (ebd., S.2).<br />
Die<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>(2007d)positioniertihreMasteralsAusbildungmittheore<br />
tischerundpraktischerSpezialisierung.„Ziel<strong>der</strong>Master<strong>St</strong>ufeistdietheoretischund<br />
praktisch vertiefte wissenschaftliche Beschäftigung <strong>in</strong> Fachprogrammen mit ausge<br />
wähltenThemenbereichen.IndemSieforschendlernen,beschäftigenSiesich<strong>in</strong>tensiv<br />
mitanspruchsvollenFachfragenausWissenschaftundPraxis.Siearbeiteneigenstän<br />
dig und erwerben e<strong>in</strong> klares, akademisches Profil. Intensive Betreuung <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en<br />
Gruppenerlaubte<strong>in</strong>eunmittelbareZusammenarbeitmitDozierendenundmachtdie<br />
Qualität dieser MasterProgramme aus“ (ebd.). Die <strong>St</strong>udierenden <strong>der</strong> Betriebswirt<br />
schaftslehrekönnenausfünfMasterauswählen.ZurAuswahlstehendieMaster<strong>in</strong><br />
„Information,MediaandTechnology<strong>Management</strong>“,„Market<strong>in</strong>g,ServicesandCom<br />
munication<strong>Management</strong>“,„Account<strong>in</strong>gandF<strong>in</strong>ance“,„Bank<strong>in</strong>gandF<strong>in</strong>ance“sowie<br />
dasenglischsprachigeProgramm„<strong>St</strong>rategyandInternational<strong>Management</strong>“(vgl.Uni<br />
versität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 2007d). Die Master entsprechen <strong>der</strong> Fokussierung <strong>der</strong> betriebs<br />
wirtschaftlichenForschung<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,diesichan<strong>St</strong>rategyandInter<br />
national<strong>Management</strong>,Bank<strong>in</strong>gandF<strong>in</strong>ance,Account<strong>in</strong>gandF<strong>in</strong>ance,Market<strong>in</strong>gSer<br />
viceandCommunication<strong>Management</strong>,InformationMediaandTechnologyManage<br />
mentundHumanResourcesandEducational<strong>Management</strong>orientiert(vgl.<strong>Universität</strong><br />
<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,2007n).<br />
DieMasterfolgenalle<strong>der</strong>funktionalenGlie<strong>der</strong>ung<strong>der</strong>organisationalenWertschöp<br />
fung.Manglie<strong>der</strong>tnachBerufsfel<strong>der</strong>nunddenbestehenden<strong>St</strong>rukturen<strong>in</strong><strong>der</strong>Scien
212<br />
tific Community. Thomas Bieger, Prorektor <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> (Interview, 5.<br />
September2007),hältdie<strong>St</strong>rukturierung<strong>der</strong>Masterfürzeitgemäss.„Daszeigtsich<br />
nichtzuletztdaran,dassdiemeistenBus<strong>in</strong>essSchoolse<strong>in</strong>eähnliche<strong>St</strong>rukturierung<br />
gewählthaben.“BiegerhältÄn<strong>der</strong>ungen<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>St</strong>rukturierung<strong>der</strong>Masterfürgefähr<br />
lich.„AuchhierwarneichvorzuvielInnovation.DerKundemussdenÜberblickbe<br />
halten.UndwirsprechenjaheuteimZusammenhangmit<strong>der</strong>Überfütterung<strong>der</strong>mul<br />
tioptionalen Bedürfnisse durch noch multioptionalere Leistungssysteme von e<strong>in</strong>er<br />
eigentlichenCustomerconfusion.ImGestell<strong>in</strong><strong>der</strong>Migrosistnichtmehrklar,welches<br />
jetztwirklich<strong>der</strong>besteCurryist,weilmansoverschiedeneZugängehat.Esgibtdie<br />
DimensionBio,dieDimensionGrösse,dieDimensionCurryart–unddasschafftdann<br />
ke<strong>in</strong>eerhöhteTransparenz.DieVielfaltverwirrtdenKunden.Erwirdsichdannerst<br />
rechtdemzuwenden,mitdemerdiemeisteErfahrunghat.Deshalbwarneich<strong>in</strong>ei<br />
nem Bereich, wo noch grössere Intransparenz herrscht, wo noch mehr Leute wenig<br />
Konsumerfahrung haben, vor zu grossen Experimenten im Bereich <strong>der</strong> Sortiments<br />
strukturierung“(ebd.).Folgtman<strong>der</strong>Funktionsorientierung<strong>der</strong>Betriebswirtschafts<br />
lehre,gibtessicherlichke<strong>in</strong>enGrund,an<strong>der</strong><strong>St</strong>rukturierungdesSortimentsetwaszu<br />
än<strong>der</strong>n.EswürdesichimGegenteilempfehlen,dasSortimentnochstärkeranden<br />
ausgewählten betriebswirtschaftlichen Funktionen anzulehnen. Das heisst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
mo<strong>der</strong>aten Form, dass die Kernfächer stärker an e<strong>in</strong>er organisationalen Funktion<br />
ausgerichtetwerdensollten.Dasheisst<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erradikalenForm,dassalleCurriculum<br />
bauste<strong>in</strong>e, die nichts mit <strong>der</strong> organisationalen Funktion zu tun haben, gestrichen<br />
werdensollten.Funktionsorientiertgedacht,schadendieFächer,diedenKontext<strong>der</strong><br />
organisationalenTätigkeitbeleuchten,<strong>der</strong>angestrebtenSpezialisierung.<br />
Angesichts des hier vertretenen <strong>Management</strong>verständnisses ist das Spektrum <strong>der</strong><br />
angebotenen Masterlehrgänge als eng zu bezeichnen. Die F<strong>in</strong>anzdienstleistungs<strong>in</strong><br />
dustrienimmtmitzweieigenenProgrammenunde<strong>in</strong>emgeme<strong>in</strong>sammit<strong>der</strong>Volks<br />
wirtschaftslehreangebotenenProgramme<strong>in</strong>ensehrgrossen<strong>St</strong>ellenwert<strong>in</strong><strong>der</strong>Profi<br />
lierung<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>e<strong>in</strong>.DieseGewichtungmagaufgrund<strong>der</strong>Beliebtheit<br />
<strong>der</strong>F<strong>in</strong>anzdienstleistungs<strong>in</strong>stitutebeidenAbsolvierenden<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong><br />
(vgl.Klaffke,2007)unddurchdieüberdieJahreh<strong>in</strong>weggewachsenenKernkompe<br />
tenzen<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>gerechtfertigtersche<strong>in</strong>en.Allerd<strong>in</strong>gswirkendiege<br />
wähltenMasterwenigorig<strong>in</strong>ellundfüre<strong>in</strong>eauffälligePositionierungim<strong>in</strong>ternationa<br />
lenMarktungeeignet.Die<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>besetztke<strong>in</strong>eNischen,diee<strong>in</strong>enAus<br />
flugnach<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>zw<strong>in</strong>gen<strong>der</strong>sche<strong>in</strong>enlassen.Diefunktionale<strong>St</strong>rukturierungver
mag auch deshalb nicht zu überzeugen, weil sowohl <strong>der</strong> systemorientierten Mana<br />
213<br />
gementlehrealsauchdemvon<strong>der</strong><strong>St</strong>rategie<strong>der</strong>betriebswirtschaftlichenAbteilung<br />
betontenHumanResourcesundEducational<strong>Management</strong>ke<strong>in</strong>eigenerMasterzuge<br />
standen wird (vgl. <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 2007n). Das Ignorieren des <strong>Management</strong>s<br />
<strong>der</strong>wichtigstenRessourcewestlicherOrganisationenersche<strong>in</strong>tvordemH<strong>in</strong>tergrund<br />
<strong>der</strong>Argumentation<strong>in</strong>frühenKapitelndieserArbeitmehralsfragwürdig.DieUniversi<br />
tät<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>schwächtausserdemihre(ehemaligenKern)Kompetenzenimsystem<br />
orientierten <strong>Management</strong>. Sie ignoriert zeitgemässe Querschnittsaufgaben, die sich<br />
nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zelne Funktion e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>n lassen, wie das organisationale Lernen<br />
o<strong>der</strong>dasnachhaltigenWirtschaften.GanzzuschweigenvonQuerschnittsaufgaben,<br />
diesichüberdieGrenzen<strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelnenOrganisationaufkle<strong>in</strong>ereSystemewiedas<br />
Individuum o<strong>der</strong> grössere Systeme wie die Gesellschaft erstrecken. Die Verengung<br />
könnte dazu führen, dass die systemorientierte Perspektive mehr und mehr vom<br />
Campusverdrängtwird.DamitwürdenTraditionenundKnowhowverlorengehen.<br />
DieVerengungkönnteweiterdazuführen,dass<strong>St</strong>udierende,diesichwe<strong>der</strong>fürFi<br />
nanzen noch für <strong>in</strong>formationstechnologische Fragestellungen <strong>in</strong>teressieren und auf<br />
Deutschstudierenwollen–unddiesesRechtmussmanihnenme<strong>in</strong>erMe<strong>in</strong>ungtrotz<br />
o<strong>der</strong>geradewegen<strong>der</strong>Globalisierungzugestehen–,sichzwangsweisefürdenMas<br />
ter für Market<strong>in</strong>g, Kommunikations und Dienstleistungsmanagement (MSC) ent<br />
scheiden.<br />
Folgt man <strong>der</strong> systemorientierten Betriebswirtschaftslehre, müsste die funktions<br />
orientierte<strong>St</strong>rukturierung<strong>der</strong>Masterlehrgängeirgendwannzugunstenvon<strong>in</strong>terdis<br />
zipl<strong>in</strong>ären, <strong>in</strong>tegrierenden Profilen aufgebrochen werden. Diese Lehrgänge würden<br />
dieSystemeMensch,OrganisationundGesellschaftgleichzeitigbehandelnund,wie<br />
im <strong>Management</strong>modell 21 dargestellt, gesellschaftliche Probleme als Ausgangspunkt<br />
<strong>der</strong>Reflexionwählen.<strong>St</strong>udierendekönntensichdannim<strong>Management</strong>desGesund<br />
heitssystems, im <strong>Management</strong> des Klimawandels o<strong>der</strong> im <strong>Management</strong> <strong>der</strong> Identi<br />
tätsarbeit spezialisieren. Aber offenbar ist die Zeit noch nicht soweit, bzw. schlägt<br />
daswissenschaftstheoretischePendelzurzeit<strong>in</strong>dieRichtung<strong>der</strong>Funktionsorientie<br />
rungundmitihr<strong>in</strong>dieRichtung<strong>der</strong>Spezialisierungund<strong>in</strong>dieRichtungvonmessba<br />
ren Erkenntnissen. Aus Sicht des ganzheitlichen <strong>Management</strong>s geht für die <strong>St</strong>udie<br />
rendendurchdie<strong>St</strong>rukturierung<strong>der</strong>Masteranhand<strong>der</strong>organisationalenFunktionen<br />
<strong>der</strong> Überblick und die Sensibilität für Zusammenhänge verloren. Die <strong>St</strong>udierenden<br />
werden zu Spezialisten, nicht aber zu Managern im hier def<strong>in</strong>ierten S<strong>in</strong>ne. „Wenn
214<br />
jemand im Rahmen se<strong>in</strong>er Ausbildung Fächer wie Market<strong>in</strong>g, F<strong>in</strong>anzwesen, Rech<br />
nungswesen,Produktion,Personalwesenund<strong>der</strong>gleichenstudierthat,soisterhof<br />
fentliche<strong>in</strong>guterFachexperte.Eristdeswegenabernochlangeke<strong>in</strong>Manager.Be<br />
triebswirtschaftsabsolventen s<strong>in</strong>d, im Gegensatz zur üblichen Me<strong>in</strong>ung, <strong>in</strong> Manage<br />
ment kaum o<strong>der</strong> nur oberflächlich ausgebildet. Aufgrund dieser Verwechslung von<br />
betriebswirtschaftlichenFachaufgabenund<strong>Management</strong>aufgabenme<strong>in</strong>tmanfälsch<br />
licherweise, dass gerade Betriebswirtschaftsabsolventen auch gute o<strong>der</strong> jedenfalls<br />
ausgebildeteManagerse<strong>in</strong>müssten.<strong>Management</strong>hatan<strong>der</strong>eAufgaben:nämlich:für<br />
Zielesorgen,organisieren,entscheiden,kontrollieren,Menschenentwickelnundför<br />
<strong>der</strong>n[…]<strong>Management</strong>iste<strong>in</strong>emultidimensionaleFunktion.Sielässtsichnichtredu<br />
zierenaufe<strong>in</strong>zelneo<strong>der</strong>vieleFacetten<strong>der</strong>zumanagendenOrganisation,weildiese<br />
als Folge dessen <strong>in</strong>stabil würde und im fortgeschrittenen <strong>St</strong>adium ausser Kontrolle<br />
geriete. Am Ende stünde <strong>der</strong> Kollaps. Richtig verstandenes <strong>Management</strong> geht über<br />
dieFunktionsbereiche<strong>der</strong>Organisationh<strong>in</strong>aus.Eskanndeshalbnichtohneschädliche<br />
NebenwirkungenalsblosseAggregationvonF<strong>in</strong>anzen,Market<strong>in</strong>g,Rechnungswesen,<br />
Personalund<strong>der</strong>gleichenangesehenwerden“(Malik,2007,S.30,S.45).<br />
NuntretendiesystemundfunktionsorientiertenProfilezurzeitnicht<strong>in</strong>ihrerRe<strong>in</strong><br />
form auf. Zwar folgen die Master <strong>der</strong> Funktionsorientierung und ermöglichen da<br />
durchdieVertiefung<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emkle<strong>in</strong>enGebietunde<strong>in</strong>eSpezialisierungdesWissens.<br />
Jedoch wird die Orientierung durch <strong>in</strong>tegrierende Fächer im Fachstudium auf <strong>der</strong><br />
Masterstufe vermischt. Umgekehrt wird auf <strong>der</strong> Bachelorstufe die Systemorientie<br />
rungnichtkonsequentdurchgezogen.IndiesystemorientiertenPflichtfächerwerden<br />
immerwie<strong>der</strong>funktionsorientierteCurriculumbauste<strong>in</strong>ee<strong>in</strong>geflochten.Ausserdemist<br />
dieAnlehnungam<strong>St</strong>.Galler<strong>Management</strong>modellausbaubar.Bei<strong>der</strong>Beibehaltung<strong>der</strong><br />
gegenwärtigenKompromisslösungs<strong>in</strong>dVorbehalteangesagt.Zume<strong>in</strong>enwirddasPo<br />
tenzialnichtgenutzt,welchesdasNebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong>vonfunktionsorientierterundsys<br />
temorientierter<strong>Management</strong>lehrebietenwürde.AnstattdenvollenNutzen<strong>der</strong>bei<br />
denZugängezurealisieren,werdendieZugängemite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>vermischt.DieseVermi<br />
schungschwächt<strong>in</strong>sgesamtdasCurriculum<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,weilnichtklar<br />
ist, <strong>in</strong> welchem Verhältnis die beiden Ansätze stehen sollen. E<strong>in</strong>e gezielte Handha<br />
bungwürdedazuführen,dassdiekomparativenVorteile<strong>der</strong>beidenZugängebesser<br />
genutzt werdenkönnten. E<strong>in</strong>e gezielte Handhabung würde die Kommunikation des<br />
Curriculums beziehungsweise die Kommunikation des dah<strong>in</strong>terliegenden Bildungs<br />
verständnisseserheblicherleichtern.
9.3. För<strong>der</strong>ung<strong>der</strong>fachlichenundüberfachlichenKompetenzen<br />
A. För<strong>der</strong>ungfachlicherKompetenzen<br />
215<br />
Bei<strong>der</strong>Betrachtung<strong>der</strong>KernfächerdesBetriebswirtschaftsstudiumsan<strong>der</strong>Universi<br />
tät<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>stelltsichdieFrage,<strong>in</strong>wiefern<strong>der</strong>Zuschnitt<strong>der</strong>Fächer<strong>der</strong>hiergefor<br />
<strong>der</strong>tenProblemorientierungfolgt.Auf<strong>der</strong>Makroebenewürdesichdas<strong>St</strong>.GallerMa<br />
nagementmodellanbieten,umdasFachstudium<strong>der</strong>Betriebswirtschaftslehreauf<strong>der</strong><br />
AssessmentundBachelorstufezustrukturieren.DasModellregtdieSuchevonProb<br />
lemenan,diebeimGestalten,LenkenundEntwickelne<strong>in</strong>erOrganisationberücksich<br />
tigtwerdenmüssen.<br />
Dieser Zusammenhang zwischen Curriculum und <strong>Management</strong>modell wird von den<br />
befragtenProfessorennichterkannt.DyllickbeurteiltdenZusammenhangimZeitver<br />
laufsogaralsabnehmend.„Wahrsche<strong>in</strong>lich,wenniche<strong>in</strong>eallgeme<strong>in</strong>eTheseaufstel<br />
lenmüsste,habenwiruns<strong>in</strong>denletztenJahrenundmit<strong>der</strong>letzten<strong>St</strong>udienreformim<br />
Rahmen<strong>der</strong>NKLeherwegbewegtvone<strong>in</strong>emsolchenspezifischen<strong>St</strong>.GallerManage<br />
mentmodell.Alsichnochstudierthabe,hatHansUllrichversucht,das<strong>St</strong>udiumsehr<br />
vielgenaueraufse<strong>in</strong>Modellauszurichten.DieLehrewareigentlichdirektausse<strong>in</strong>em<br />
Modellkonzipiert.Sohabeichan<strong>der</strong>HSGnochBWLstudiert.Ichb<strong>in</strong>jae<strong>in</strong>Hausge<br />
wächsundhabeverschiedenePhasendes<strong>St</strong>.Galler<strong>Management</strong>modellspersönlich<br />
miterlebt und teilweise auch mitgestaltet. Ich denke, die letzte <strong>St</strong>udienreform hat<br />
eher e<strong>in</strong>e Art Anpassung an den <strong>in</strong>ternationalen Kontext, an den <strong>in</strong>ternationalen<br />
<strong>St</strong>andard gebraucht und uns von dieser Modellvorstellung weggebracht“ (Interview<br />
ThomasDyllick,28.August2007).WennDyllickvom<strong>in</strong>ternationalen<strong>St</strong>andardspricht,<br />
dannistdamitdieOrientierunganbetrieblichenFunktionen,dieOrientierunganwis<br />
senschaftlichenDiszipl<strong>in</strong>engeme<strong>in</strong>t.Siekontrastiertmit<strong>der</strong>systemorientiertenMa<br />
nagementlehre,diesichan<strong>der</strong>mitihrerUmweltverwachsenenOrganisationorien<br />
tiert.<br />
AuchRüegg<strong>St</strong>ürmerkenntgegenwärtigzwischenCurriculumundModellke<strong>in</strong>enZu<br />
sammenhang. Er benutzt den Begriff <strong>der</strong> Baustelle, um das heutige Verhältnis zwi<br />
schen<strong>Management</strong>modellundCurriculumzuumschreiben:„Alsodasseheichganz<br />
klaralse<strong>in</strong>eBaustellean.AndieEntwicklung<strong>der</strong>Bachelorstufemagichmichlei<strong>der</strong><br />
nicht mehr so genau er<strong>in</strong>nern. Aber <strong>der</strong> heutige Zustand sche<strong>in</strong>t mir e<strong>in</strong>e grössere<br />
Baustellezuse<strong>in</strong>“(InterviewJohannesRüegg<strong>St</strong>ürm,15.August2007).Rüegg<strong>St</strong>ürm<br />
lässt im Interview durchschimmern, dass er zwar an <strong>der</strong> Entwicklung des heutigen
216<br />
<strong>Management</strong>modells beteiligt war, mit dem gewachsenen Zustand <strong>der</strong> Lehre aber<br />
nicht zufrieden ist. <strong>Management</strong>modell und Curriculum bilden ke<strong>in</strong> Ganzes. „Was<br />
nicht gelungen ist, aber ich habe mich da e<strong>in</strong>fach nie als Evangelisten verstanden,<br />
dassdasneueModellgewissermassenwirklichzue<strong>in</strong>erorientierendenDenkstruktur<br />
gewordenist,wiedasfrüher<strong>der</strong>Fallwar.Aberdiesistzume<strong>in</strong>ene<strong>in</strong>eFragepersönli<br />
cherPräferenzenundAutonomiebedürfnisse<strong>der</strong>Dozierendenundzuman<strong>der</strong>ene<strong>in</strong>e<br />
Frage,<strong>in</strong>wieweite<strong>in</strong>e<strong>Universität</strong>e<strong>in</strong>emsolchenBezugsrahmengezielte<strong>in</strong>engewis<br />
senidentitätsstiftendenKeimzuerkennenmöchte.Konkretweissichnicht,wieviele<br />
KollegensichetwasernsthaftermitdemModellause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gesetzthaben.Auchmit<br />
<strong>der</strong>Frage,wasfürDenkstrukturen,wasüberhaupteigentlichallesh<strong>in</strong>terdemModell<br />
steckt. Das heutige Curriculum <strong>der</strong> Betriebswirtschaftslehre beruht nicht auf e<strong>in</strong>em<br />
durchgängigenKonzept–we<strong>der</strong>vondenInhaltenherbetrachtetnochvomdidakti<br />
schenAufbauher,wennmanz.B.dasZusammenspielvonAssessmentstufeundBa<br />
chelorstufebetrachtet.WennSiedasBachelorstudiumanschauen,dannhabenSieim<br />
3.SemesterMarket<strong>in</strong>gundMethoden,im4.SemesterF<strong>in</strong>anzierungundIKTMana<br />
gement,im5.SemesterF<strong>in</strong>anzierungsowieOrganisierenundFührenunddannim6.<br />
Semesternoch<strong>St</strong>rategie.AlsodakannichbeimbestenWillenke<strong>in</strong>eVerb<strong>in</strong>dungzum<br />
Modellmehrherstellen“(ebd.).<br />
AufdieunterschiedlicheEntstehungsgeschichtevonModellundCurriculumverweist<br />
auchEuler.„IchglaubeModellund<strong>St</strong>udienarchitekturs<strong>in</strong>dparallelentstanden.Und<br />
das Modell war sicherlich nicht die Blaupause für das betriebswirtschaftliche <strong>St</strong>u<br />
dium.EsgabjadamalsdenSatz,dassje<strong>der</strong>e<strong>in</strong>enneuenHafenf<strong>in</strong>denmuss<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
neuen<strong>St</strong>udienarchitektur.InsofernwardasModello<strong>der</strong>auchdas<strong>Management</strong>lehr<br />
buchsicherlichnichtdieGestaltungsgrundlagefürdasBWL<strong>St</strong>udium,son<strong>der</strong>ndasist<br />
unabhängigvone<strong>in</strong>an<strong>der</strong>entstanden.GleichwohlhatnatürlichnichtnurdasModell,<br />
son<strong>der</strong>nauchdasBuch[Dubsetal.,2004]versucht,diegesamteBWLAbteilungum<br />
fassendmite<strong>in</strong>zubeziehen,wasjamitganzwenigenAbstrichenauchgelungenist.Es<br />
haben alle sich beteiligt an diesem Buch, was, denke ich, <strong>in</strong>ternational gesprochen,<br />
wirklichsehrsehre<strong>in</strong>maligist.Ichkenneke<strong>in</strong>ebetriebswirtschaftlicheFakultät,dieso<br />
etwasaufdieBe<strong>in</strong>egebrachthätte“(InterviewDieterEuler,20.August2007).<br />
EulererkenntzwarPotenziale,um<strong>Management</strong>modellund<strong>St</strong>rukturdesCurriculums<br />
näherane<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zubr<strong>in</strong>gen,verweistaberauchaufdieChancen<strong>der</strong>Nichtpassung.<br />
„Ich habe den E<strong>in</strong>druck, dass sicherlich noch nicht <strong>der</strong> Punkt erreicht ist, wo dieses<br />
ModelldieLehrewirklichstrukturiert<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emumfassendenundabschliessendenS<strong>in</strong>
217<br />
ne. Es wäre me<strong>in</strong>es Erachtens auch nicht notwendig, dass je<strong>der</strong> nur dieses Modell<br />
verwendet.Abers<strong>in</strong>nvollwäre,dassje<strong>der</strong>se<strong>in</strong>ePerspektive,aufsagenwirmalMar<br />
ket<strong>in</strong>g,aufFühren,aufOrganisierenimmerverankerto<strong>der</strong>verb<strong>in</strong>detmitdemMo<br />
dell.IchhalteesausLehrgesichtspunktenimmerfürs<strong>in</strong>nvoll,dassmanden <strong>St</strong>udie<br />
renden mehrere Theorien, mehrere Modelle zeigt, vermittelt. Um ihnen deutlich zu<br />
machen,dassModelleebenKonstruktionenvonWirklichkeitens<strong>in</strong>d,die<strong>in</strong>gewissem<br />
S<strong>in</strong>ne beliebig s<strong>in</strong>d, die immer von e<strong>in</strong>er Zielsetzung im H<strong>in</strong>blick auf Viabilität o<strong>der</strong><br />
Zweckmässigkeitzubeurteilens<strong>in</strong>d.AberModelles<strong>in</strong>dnieperseguto<strong>der</strong>schlecht.<br />
Insoferns<strong>in</strong>dmultipleZugängezudiesenRealitätendurchauss<strong>in</strong>nvoll“(ebd.).Euler<br />
betont,dasse<strong>in</strong>evollständigeÜbere<strong>in</strong>stimmungnurdurche<strong>in</strong>eTopdownOr<strong>der</strong>her<br />
zustellenwäre.„DasistdieFrage,wiemandieE<strong>in</strong>führungvonInnovationenbetrach<br />
tet.Ichwürdeesfüre<strong>in</strong>eIllusionhalten,dassmansozusagenTopdowne<strong>in</strong>Modell<br />
vorgibtunddassmandanne<strong>in</strong>fachsagt,jetztsetzte<strong>in</strong>eFakultätdaskomplettum.<br />
Dasmusszusammenwachsen.Ichglaube,manmussjedenE<strong>in</strong>zelnendavonüberzeu<br />
gen,dassesauchVorteilehat,sichsozusagenaufetwasGeme<strong>in</strong>sameszue<strong>in</strong>igenund<br />
Geme<strong>in</strong>sameszuverfolgen.GleichzeitigmussmanjedemE<strong>in</strong>zelnenauchdieMöglich<br />
keit geben, darüber h<strong>in</strong>aus weiteres und an<strong>der</strong>es zu machen. Also <strong>in</strong>sofern stört es<br />
michnicht.Ichhalteesimmernochfüre<strong>in</strong>enlaufendenProzess,sozusagendieVer<br />
ständigungsbasisüberdasGeme<strong>in</strong>same<strong>in</strong><strong>der</strong>Vielfalt<strong>in</strong><strong>der</strong>BWAherauszuarbeiten<br />
undzuf<strong>in</strong>den.Daswirdwahrsche<strong>in</strong>lichnieperfektgel<strong>in</strong>gen,abermanwirdvielleicht<br />
noche<strong>in</strong>engutenSchrittweiterkommen“(ebd.).<br />
WennmanüberdiePassungvonModellundCurriculumspricht,dannkommtman<br />
nichtdarumherum,aufdenGegensatzzwischensystem undfunktionsorientierter<br />
Betriebswirtschaftslehrezurückzukommen.PeterGomezbestätigtdenwährend<strong>der</strong><br />
InterviewsaufgetauchtenVerdacht,dass<strong>in</strong>denletztenJahrendiefunktionsorientier<br />
teBetriebswirtschaftslehreanGewichtgewonnenhat.„Früherwaresso,dasssich<br />
dieBWLsoverstandenhat,dasswennichjede<strong>Management</strong>funktion,alsoMarket<strong>in</strong>g,<br />
Personalwesen,Produktion,Rechnungswesen,gutaufstelleundgutbeherrsche,ich<br />
auche<strong>in</strong>guterManagerb<strong>in</strong>.Mitan<strong>der</strong>enWorten:<strong>Management</strong>istnichtsan<strong>der</strong>esals<br />
die Summe dieser Funktionen. Aber heute weiss man, und zwar nicht nur aus <strong>der</strong><br />
Praxis,son<strong>der</strong>nauchaus<strong>der</strong>Theorieheraus,dass<strong>Management</strong>etwasganzan<strong>der</strong>es<br />
ist als die Summe <strong>der</strong> Funktionen. Ich will es bildlich sagen: <strong>Management</strong> ist ke<strong>in</strong>e<br />
Perlenkettemite<strong>in</strong>erAne<strong>in</strong>an<strong>der</strong>reihung<strong>der</strong>Funktionen.Esiste<strong>in</strong>Collier,beidem<br />
das Ganzemehr ist als die Summe <strong>der</strong> Teile. E<strong>in</strong>e gute Führungskraft, diehat e<strong>in</strong>e
218<br />
Vielzahl von Funktionen, die letztlich weit über das h<strong>in</strong>ausgehen. Man muss Leute<br />
motivieren,manmussmitihnenzusammenZiele,dieauch<strong>der</strong>Gesellschaftdienen,<br />
verfolgen. Man muss letztlich auch kontrollieren. Man muss den Leuten Feedback<br />
gebenundalldieseD<strong>in</strong>ge.Daslässtsiche<strong>in</strong>fachnichtabbilden<strong>in</strong>Begriffen<strong>der</strong>Funk<br />
tionslehre.Dasgehtnicht.UnddasistgenaudasProblem.Heute,dasistvielleicht<br />
e<strong>in</strong>ewichtigeAussage:Heuteistesdochso,dasswir<strong>in</strong><strong>der</strong>BWLdieTendenzhaben,<br />
dass sie extrem reduktionistisch und positivistisch ist. Reduktionistisch, <strong>in</strong>dem man<br />
sagt,<strong>Management</strong>istjanichtsan<strong>der</strong>esals…,unddannreduziertmanesaufdas,was<br />
mane<strong>in</strong>igermassenerfassenkann.Dasistnichtsan<strong>der</strong>esalsMarket<strong>in</strong>go<strong>der</strong>nichts<br />
an<strong>der</strong>esals<strong>St</strong>rategieo<strong>der</strong>wasauchimmer.Daszweiteist,dassmansagt,esgibtda<br />
draussensoetwas,dase<strong>in</strong>enUnternehmenskontextdarstellt.Undwennichdasnur<br />
sorgfältig genug und mit dem richtigen wissenschaftlichen Ansatz erfassen kann,<br />
dann kann ich beschreiben und erkennen, was das ist. Aber <strong>Management</strong> ist eben<br />
KonstruierenvonWirklichkeit.Esistnichtirgendetwas,dasdadraussenist,dasman<br />
reduzierenkannaufD<strong>in</strong>ge,diemanmitirgendwelchenMethodenerfassenkann.Das<br />
istdasganzEntscheidende.“(InterviewPeterGomez,3.Dezember2007).<br />
WieBieger,Rüegg<strong>St</strong>ürmundDyllicksiehtauchGomezdenUrsprung<strong>der</strong><strong>St</strong>ärkung<br />
<strong>der</strong>funktionsorientiertenBetriebswirtschafslehre<strong>in</strong><strong>der</strong>Ausdifferenzierungund<strong>der</strong><br />
Spezialisierung<strong>der</strong>Wissenschaft.„Ja,dasistebengenaudasWissenschaftsverständ<br />
nis,dasichebenerklärthabe.VerstehenSie,wennSiewirklichdasGefühlhaben,Sie<br />
müssene<strong>in</strong>fachnurmitdementsprechendentheoretischemH<strong>in</strong>terbauundempiri<br />
scher Forschung an e<strong>in</strong>e Sache rangehen und Sie würden da das Wesen <strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge<br />
herauskristallisierenkönnen,dannistalldas,was<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärist,wasSchnittstel<br />
lenanbetrifft,wasbereichsübergreifendist,dasmachenSieehweg.Dakommensie<br />
garnichtran.Dasistallesvielzufuzzy.Deshalbreduziertman<strong>Management</strong>aufsol<br />
cheProblemstellungen,diemitdieserMethodik,diewirhaben,mitdiesemApparat<br />
erfassbars<strong>in</strong>d.Alsoichsagdamanchmalsogar,amethod<strong>in</strong>searchofdata,anstatt<br />
umgekehrt.DasistdasProblem,daswirhierhaben.EsistdasProblem<strong>der</strong>reduktio<br />
nistischenundpositivistischenSicht,dieheutevonvielenvertretenund<strong>in</strong>denJour<br />
nalsgefor<strong>der</strong>twird.WennsieheuteetwastollesInterdiszipl<strong>in</strong>äreso<strong>der</strong>Integriertes<br />
machen, dann können Sie nirgends publizieren. Sie können <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Buch darüber<br />
schreiben,aberdaszähltheutejaehnichtsmehr.Dasistvonmirausgesehene<strong>in</strong>e<br />
Entwicklung,dieziemlichfatalist.Unddamüssenwirauche<strong>in</strong>bisschenGegensteuer<br />
geben.Natürlichbrauchtesdasauch.Ichglaube,dass<strong>in</strong>ddieBauste<strong>in</strong>ee<strong>in</strong>estiefe
219<br />
ren Verständnisses, was <strong>Management</strong> ist. Aber es ist eben nicht, wenn man diese<br />
Bauste<strong>in</strong>ezusammensetzt,paff...plötzlich<strong>Management</strong>“(ebd.).<br />
Unabhängigdavon,obmansichzursystemo<strong>der</strong>zurfunktionsorientiertenBetriebs<br />
wirtschaftslehre bekennt, erkennt man den Baustellencharakter <strong>der</strong> Betriebswirt<br />
schaftslehreauch<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erEvaluation<strong>der</strong>LehrevonDyllickausdemJahre2003.Dort<br />
schneidendieKernfächer<strong>der</strong>Betriebswirtschaftslehre,überdasgesamteLehrange<br />
bot<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>h<strong>in</strong>weggesehen,amschlechtestenab.Sowohl<strong>der</strong>per<br />
sönliche<strong>in</strong>geschätzteLernerfolgalsauchdieZufriedenheitunterscheidensichdeut<br />
lichvondenKernfächern<strong>der</strong>rechtswissenschaftlichenAbteilung,denWahlveranstal<br />
tungen<strong>der</strong>betriebswirtschaftlichenAbteilungo<strong>der</strong>auchvomgesamtenKontextstu<br />
dium.„BetrachtetmandieErgebnisse<strong>der</strong>betriebswirtschaftlichenAbteilung(BWA),<br />
soisthierzunächstaufdieguteBeurteilung<strong>der</strong>Wahlfächerh<strong>in</strong>zuweisen.E<strong>in</strong>Mittel<br />
wert von 2.2 bzgl. des Lernerfolgs ist e<strong>in</strong> ausgesprochen erfreuliches Ergebnis. Die<br />
Angebotegefallenoffensichtlichnichtnur,son<strong>der</strong>nwerdenauchalslehrreichemp<br />
funden. Gleichzeitig fällt hier aber auch die deutlich schlechtere Beurteilung des<br />
Lernerfolgs<strong>der</strong>Pflichtfächer(3.3)auf.Esiste<strong>in</strong>bekanntesPhänomen,dassvonden<br />
<strong>St</strong>udierendenfreiwählbareLehrveranstaltungenbesserbeurteiltwerdenalsPflicht<br />
veranstaltungen.DazukommtimvorliegendenFallaberauchdieTatsache,dasses<br />
naturgemässe<strong>in</strong>edeutlichgrössereHerausfor<strong>der</strong>ungdarstellt,e<strong>in</strong>ekomplexe6Cre<br />
ditssowieVorlesungen,ÜbungenundSelbststudiumumfassendeLehrveranstaltung<br />
für450<strong>St</strong>udierendeerfolgreichzugestaltenalse<strong>in</strong>e4CreditsumfassendeLehrveran<br />
staltung für 50–100 <strong>St</strong>udierende. Insofern ist dieser Unterschied nachvollziehbar,<br />
gleichwohl kann die Beurteilung <strong>der</strong> BWLPflichtfächer nicht wirklich befriedigen“<br />
(Dyllick, 2003, S.2). Die tiefen Werte resultieren me<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nicht primär auf<br />
grund<strong>der</strong>Leistungen<strong>der</strong>Dozierenden,son<strong>der</strong>naufgrund<strong>der</strong>ungünstigenZuschnitte<br />
<strong>der</strong>Kernfächer.Essche<strong>in</strong>t,alsdasssichdieGefangenheitzwischensystemorientier<br />
ter und funktionsorientierter Betriebswirtschafslehre und die ungeklärte Identitäts<br />
frageletztlichdurche<strong>in</strong>wenigkonsistentesCurriculumauchaufdenLernerfolgund<br />
dieZufriedenheit<strong>der</strong>Lernendenauswirkenwürden.DieserZusammenhangkannhier<br />
allerd<strong>in</strong>gsnichtnäherbelegtwerden.<br />
Wird ke<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Basis im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es geteilten Bildungsverständnisses ge<br />
schaffen,entstehte<strong>in</strong>Curriculum,dasdieSynergien,dasbekannteMehrdesGanzen<br />
nichtnutzenkann.BlicktmanaufdieBachelor<strong>St</strong>ufe,dannsetztsichdasCurriculum<br />
ausFächernzusammen,die<strong>in</strong>ihremZusammenspielnichtwirkliche<strong>in</strong>Ganzesgeben.
220<br />
Das <strong>St</strong>udium beg<strong>in</strong>nt im ersten Semester mit den Fächern Market<strong>in</strong>g und For<br />
schungsmethodik.DerKursForschungsmethodikkommtdamitgeme<strong>in</strong>sammitdem<br />
KursFormenundMethodendesLernensunddeswissenschaftlichenArbeitens<strong>der</strong><strong>in</strong><br />
Kapitel 10 aufgestellten For<strong>der</strong>ung entgegen, den Umgang mit Wissen <strong>in</strong> isolierten<br />
Kursen zu vermitteln. Die fachliche Ausbildung wird im zweiten Semester mit den<br />
Kursen „Informations, Medien und Technologiemanagement“ und „Wirtschafts<br />
recht“,imdrittenSemestermitdenKursen„Organisieren&Führen“und„F<strong>in</strong>anzie<br />
rung“fortgesetzt.Schliesslichf<strong>in</strong>detdieAusbildungmitdenModulen„<strong>St</strong>rategisches<br />
<strong>Management</strong>“, „<strong>St</strong>euerrecht“ und dem „Integrationssem<strong>in</strong>ar“ im vierten Semester<br />
ihren Abschluss. Zwar kann positiv angemerkt werden, dass durch die volks und<br />
rechtswissenschaftlichenKursedieUmwelt<strong>der</strong>Organisationberücksichtigtwird.Je<br />
dochhandeltessichbeidiesenKursenumfachspezifischeZugänge.Sies<strong>in</strong>ddiszipli<br />
närundnichtwiehiergewünscht<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärangelegt.Sierepräsentierennicht<br />
die organisationale Umwelt. Sie repräsentieren wissenschaftliche Diszipl<strong>in</strong>en. Diese<br />
KursemögendemClaim<strong>der</strong>HSGentsprechen,e<strong>in</strong>eHochschulefürWirtschafts,So<br />
zialundRechtswissenschaftenzuse<strong>in</strong>,wobeidieSozialwissenschaften<strong>in</strong>denKern<br />
fächernstrenggenommenfehlen.Sieentsprechenabernichtdemhiervertretenen<br />
Anspruch,e<strong>in</strong><strong>St</strong>udium<strong>der</strong><strong>Management</strong>lehreanzubieten,dasdieReflexiondesGes<br />
taltens,LenkensundEntwickelns<strong>der</strong>materiellen,ökonomischenundsozialenEbene<br />
<strong>der</strong>Organisationerlaubt.<br />
Fazit: Das <strong>St</strong>. Galler <strong>Management</strong>modell kann <strong>in</strong> Zeiten, <strong>in</strong> denen alle Dozierenden<br />
<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>ihreeigenePerspektiveaufdasManagenvonOrganisatio<br />
nenhaben,<strong>in</strong>Zeiten,<strong>in</strong>denendie<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>dieE<strong>in</strong>heit<strong>der</strong>Wissen<br />
schaftler durch die Pluralität von Me<strong>in</strong>ungen und Wissen ersetzt, nur <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>ste<br />
geme<strong>in</strong>sameNenner<strong>der</strong>PerspektivenallerBeteiligtense<strong>in</strong>.Eskannnichtmehr,aber<br />
ebenauchnichtwenigerse<strong>in</strong>.IchpersönlichhalteesimS<strong>in</strong>ne<strong>der</strong>hierpropagierten<br />
<strong>Management</strong>lehre für nötig, die allgeme<strong>in</strong>e betriebswirtschaftliche Ausbildung an<br />
e<strong>in</strong>emModellfestzub<strong>in</strong>den.Nursokannsichergestelltwerden,dasssowohlDozie<br />
rendealsauch<strong>St</strong>udierendedazuaufgefor<strong>der</strong>twerden,dieErkenntnisse<strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelnen<br />
wissenschaftlichenPerspektivenimmer<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emGesamtzusammenhangzubetrach<br />
ten.Dasaberbedeutet,dassdiesergeme<strong>in</strong>sameNennerimS<strong>in</strong>ne<strong>der</strong>Identität<strong>der</strong><br />
<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>laufenddiskutiertwerdenmuss.Esgiltdas<strong>Management</strong>,Per<br />
sönlichkeitsundWissenschaftsverständnish<strong>in</strong>terdem<strong>St</strong>.Galler<strong>Management</strong>,h<strong>in</strong>ter<br />
demCurriculum<strong>der</strong>Betriebswirtschaftslehre,h<strong>in</strong>ter<strong>der</strong>Marke<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>
221<br />
zuklären.WennhiervonIdentitätgesprochenwird,dannbedeutetdiesnicht,sich<br />
fürdiee<strong>in</strong>eo<strong>der</strong>an<strong>der</strong>eSeiteentscheidenzumüssen.Esbedeutetnicht,dassesnur<br />
nochdiesystemorientierteo<strong>der</strong>diefunktionsorientierteBetriebswirtschafslehrege<br />
ben soll. E<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Identität kann durchaus mehrere Ansichten vere<strong>in</strong>igen.<br />
Auch beim Menschen hat die Identität die Funktion, die verschiedenen Rollen und<br />
PerspektivenaufdasSelbstzuvere<strong>in</strong>enundzusammenzufügen.Esgiltdieverschie<br />
denenKräftee<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den,dasVerhältnis<strong>der</strong>verschiedenenPerspektivenundKräfte<br />
zu klären und das Bildungsverständnis <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Curriculum überzuführen. Ansonsten<br />
drohtdieIdentitätskonfusion.AnsonstendrohendiebeidenKräfte,diesichzu<strong>in</strong>ten<br />
siveren sche<strong>in</strong>en, mit vollem Tempo aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zuprallen. „Man sollte eigentlich,<br />
anstattdassmanmitdemF<strong>in</strong>geraufdiean<strong>der</strong>enzeigtunddieruntertut,sichfragen,<br />
wasmanvone<strong>in</strong>an<strong>der</strong>lernenkann,unddaranglauben,dassmanzusammenbesser<br />
wird“(PeterGomez,Interview3.Dezember2007).<br />
<br />
B. För<strong>der</strong>ungüberfachlicherKompetenzen<br />
Gleichzeitig zur <strong>St</strong>rukturierung nach <strong>St</strong>ufen existiert e<strong>in</strong>e Dreiteilung des <strong>St</strong>udiums<br />
nach<strong>der</strong>ArtundWeisedes<strong>St</strong>udierenso<strong>der</strong>an<strong>der</strong>sgesagtnachdenzuför<strong>der</strong>nden<br />
Kompetenzen. „Der Innovationsgehalt <strong>der</strong> neu konzipierten Lehre und ihre hoch<br />
schul wie wissenschaftspolitische Bedeutung liegen weniger <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung von<br />
BachelorundMaster(diesichals<strong>St</strong>andardabschlüsseauch<strong>in</strong>Kont<strong>in</strong>entaleuropa<strong>in</strong><br />
den nächsten Jahren durchsetzen werden) als vielmehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> Neuglie<strong>der</strong>ung des<br />
<strong>St</strong>udiums <strong>in</strong> verschiedene Bereiche, ‚Säulen‘ genannt. Die Säulen s<strong>in</strong>d jeweils durch<br />
diespezifischeArt<strong>der</strong>Organisationsowiedurchdie<strong>in</strong>haltlichenAnfor<strong>der</strong>ungenund<br />
Zielsetzungen des <strong>St</strong>udierens def<strong>in</strong>iert. Damit wird angesichts wachsen<strong>der</strong> und sich<br />
nochsteigen<strong>der</strong>AnsprücheangeistigeFlexibilitätund(<strong>in</strong>ter)kulturelleQualifikation<br />
desE<strong>in</strong>zelnene<strong>in</strong>Bildungskonzeptverwirklicht,dassichnicht<strong>in</strong>Fachausbildunger<br />
schöpft.Vorlesungen,ÜbungenundSem<strong>in</strong>are–<strong>in</strong><strong>der</strong>Neukonzeption<strong>der</strong>Lehredas<br />
Kontaktstudium–dürfennurnochsolcheInhalteumfassen,dienichtimSelbststudi<br />
umbesser,d.h.effizienter,rascher,wenigerumständlich,mit<strong>in</strong>dividuellenzeitlichen<br />
Prioritätenusw.,gelerntwerdenkönnen.Deshalbs<strong>in</strong>djenetraditionellenLehrformen<br />
nurvorgesehen,wennsieangesichtskomplexerundkomplizierterInhaltedurchdie<br />
Vermittlung e<strong>in</strong>es Dozierenden e<strong>in</strong>en tatsächlichen ‚Mehrwert‘ für das Verständnis<br />
o<strong>der</strong>auchfürdieZeitersparnisbedeuten.E<strong>in</strong>DritteldieserKontaktveranstaltungen
222<br />
kann<strong>in</strong>dividuellgewähltwerden.Dasists<strong>in</strong>nvoll,weilangesichts<strong>der</strong>Füllekanonisier<br />
ten Fachwissens nicht mehr alle Inhalte und Gegenstände e<strong>in</strong>es Faches abgedeckt<br />
werden müssen, son<strong>der</strong>n auch durch exemplarisches Lernen erworben werden kön<br />
nen“(Gomez&Spoun,2002,S.9f.).SelbstverständlichdienendieAuswahlmöglichkei<br />
tenauch<strong>der</strong>Individualisierung<strong>der</strong>Bildungsgänge.<br />
<br />
Abb.5:<strong>St</strong>udienstruktur<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>(<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,2007i)<br />
Neben<strong>der</strong>SäuleKontaktstudiumstehtdasSelbststudium.„DasSelbststudiumstellt<br />
mite<strong>in</strong>emUmfangvon25%des<strong>St</strong>udiumse<strong>in</strong>ezentraleSäule<strong>in</strong><strong>der</strong>neuen<strong>St</strong>udienar<br />
chitekturdar.Die<strong>St</strong>udierendenverbr<strong>in</strong>genimVergleichzuraltenLehrewenigerZeit<br />
<strong>in</strong>VorlesungenundÜbungen,dafürs<strong>in</strong>dsiehäufigermit<strong>der</strong>selbstgesteuertenErar<br />
beitungundVertiefungvon<strong>St</strong>udien<strong>in</strong>haltenbeschäftigt.Verglichenmit<strong>der</strong>bisherigen<br />
<strong>St</strong>udienpraxis,nichtnur<strong>in</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>stelltdiese<strong>in</strong>emarkanteVerän<strong>der</strong>ungim<strong>St</strong>u<br />
diensystemdar.Siebricht<strong>in</strong>gewisserWeisemitdenGewohnheiten–sowohl<strong>der</strong><strong>St</strong>u<br />
dierenden als auch <strong>der</strong> Dozierenden“ (Nüesch et al., 2005, S.3). Das Selbststudium<br />
brichtdeshalbmitdenGewohnheiten,weilhierdievomproblemorientiertenLernen<br />
gefor<strong>der</strong>tenRollene<strong>in</strong>genommenwerden.WährendimKontaktstudiumdieLehren<br />
dennochimmerdom<strong>in</strong>ierendauftretenunddiezulernendenInhalteaktivvortragen,<br />
än<strong>der</strong>tsichdieseRollenverteilungimSelbststudium.HiersollensichdieLernenden<strong>in</strong><br />
denvondenLehrendendesigntenLernumgebungenselberzurechtf<strong>in</strong>den.Siesollen<br />
Lernziele wählen und den Weg zur Lernerfolgsprüfung selbstständig gestalten. Sie<br />
sollenihreLernprozessereflektierenunddadurchoptimieren.DieLehrendenwidmen<br />
sich<strong>der</strong>Mo<strong>der</strong>ation,<strong>der</strong>Beobachtung,<strong>der</strong>BeurteilungunddemCoach<strong>in</strong>g.
223<br />
Die Fe<strong>der</strong>führung des Selbststudiums liegt beim Institut für Wirtschaftspädagogik.<br />
Man präsentiert folgende Vision: „Das Selbststudium ist e<strong>in</strong> zentrales Element des<br />
FachstudiumsundverfolgtnebenanspruchsvollenfachlichenZielenauchüberfachli<br />
cheZiele.ÜberfachlicheZieles<strong>in</strong>ddieFör<strong>der</strong>ungvonSelbstlern,TeamundMedien<br />
kompetenzen.Das<strong>St</strong>udiumiste<strong>in</strong>eFormdesLehrensundLernens,dasdie<strong>St</strong>udie<br />
renden weitgehend selbständig <strong>in</strong> Gruppen o<strong>der</strong> alle<strong>in</strong>e planen, durchführen und<br />
kontrollieren. Sie werden dabei durch die Lehrenden unterstützt“ (ebd., S.4). Die<br />
überfachlichenKompetenzenwurdenvonDiesneretal.(2006)durche<strong>in</strong>enKompe<br />
tenzkatalogkonkretisiert.Ererhebtke<strong>in</strong>enAnspruchaufVollständigkeit.„DerKom<br />
petenzkatalog stellt ke<strong>in</strong>e abschliessende Aufzählung überfachlicher Kompetenzen,<br />
son<strong>der</strong>ne<strong>in</strong>epragmatischeFormulierungvonFör<strong>der</strong>ungsschwerpunktendar.“Fürdie<br />
SelbstlernkompetenzenwerdendieKompetenzzurpositivenGestaltung<strong>der</strong>Lernsi<br />
tuation,dieKompetenzenzuraktivenErarbeitungvonWissenunddieKompetenzen<br />
zurAufarbeitungundVermittlungvonWissen<strong>in</strong>denVor<strong>der</strong>grundgestellt.ImBereich<br />
<strong>der</strong> Teamkompetenzen wird von Planungsmassnahmen vor <strong>der</strong> Teamarbeit, dem<br />
Verhaltenwährend<strong>der</strong>Teamarbeitund<strong>der</strong>Reflexionauf<strong>der</strong>InhaltsundProzess<br />
ebene während und nach <strong>der</strong> Teamarbeit gesprochen. Schliesslich werden bei den<br />
Medienkompetenzen medientechnische Kompetenzen, <strong>der</strong> situationsgerechte E<strong>in</strong><br />
satz <strong>der</strong> Medien, die Kompetenz im Umgang mit Information und schliesslich die<br />
Kommunikationskompetenzaufgezählt(vgl.ebd.,S.4).DieüberfachlichenKompeten<br />
zenstellenimSelbststudiumsowohlZielalsauchMitteldar.„IndiesemS<strong>in</strong>newird<br />
dasSelbststudiumsowohlalse<strong>in</strong>Mittelalsauche<strong>in</strong>Zieldes<strong>St</strong>udiumsverstanden.Es<br />
dientalsMittelzurkompetentenAuse<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungmitdenfachlichen<strong>St</strong>udien<strong>in</strong><br />
halten, zugleich ist <strong>der</strong> schrittweise Aufbau von Kompetenzen zum kooperativen<br />
SelbstlernenmitneuenMedienauche<strong>in</strong>Zieldes<strong>St</strong>udiums.Kurz:NebendemErwerb<br />
vonFachwissensollendie<strong>St</strong>udierendenauchlernen,wiedasLernenkompetentor<br />
ganisiertundgestaltetwerdenkann.Undwiekönntemanbesserlernen,alsesbe<br />
reitsim<strong>St</strong>udiumselberzupraktizieren.IndiesemS<strong>in</strong>nesollim<strong>St</strong>udiumnichtnurfür<br />
dasLeben,son<strong>der</strong>nauchimLebengelerntwerden“(Euler,2003,S.53;vgl.Lang&Pät<br />
zold,2006).<br />
DieseVisionbeschreibtdasSelbststudium,siebegründetsieabernicht.Siegibtke<strong>in</strong>e<br />
Antwort,waruman<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>wiegelerntwerdensoll.Siekonkreti<br />
siertdieangestrebteBildungnicht.Siegibtke<strong>in</strong>enAufschlussüberdas<strong>Management</strong><br />
und Wissenschaftsverständnis sowie über die Vorstellungen <strong>der</strong> Persönlichkeit <strong>der</strong>
224<br />
Lernenden. Die Vernachlässigung <strong>der</strong> Begründung mag e<strong>in</strong> Grund dafür se<strong>in</strong>, dass<br />
<strong>St</strong>udierende und Dozierende das Selbststudium <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er didaktischpädagogischen<br />
Funktion(noch)nichtvollständigverstehen.„Den<strong>St</strong>udierendenfehltoffensichtliche<strong>in</strong><br />
pädagogischesH<strong>in</strong>tergrundwissen.Diesesistnotwendig,umzuverstehen,warumdas<br />
SelbststudiumüberfachlicheLernzieleverfolgenwillundweshalbsiee<strong>in</strong>espezifische<br />
didaktischeVorstellungnachsichziehen“(Euleretal.,2004,S.9).Kritischzuerwäh<br />
nenistweiter,dasses<strong>der</strong>Kompetenzkatalogvernachlässigt,aufan<strong>der</strong><strong>Universität</strong><br />
bestehende Klassifikationen von überfachlichen Kompetenzen e<strong>in</strong>zugehen (vgl.<br />
Metzger, 2001; Spoun & Domnik, 2004). Es wird damit freiwillig darauf verzichtet,<br />
universitätsweit e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Verständnis <strong>der</strong> überfachlichen Kompetenzen zu<br />
schaffen.DieswäreimS<strong>in</strong>ne<strong>der</strong>Arbeitane<strong>in</strong>ergeme<strong>in</strong>samenIdentitätwünschens<br />
wert. Der Katalog vermeidet es auf das Motto <strong>der</strong> NKL e<strong>in</strong>zugehen. Die För<strong>der</strong>ung<br />
undFor<strong>der</strong>ungvonPersönlichkeiten,<strong>der</strong>gesamteBereich<strong>der</strong>Identitätsarbeitwird<br />
ignoriert.ManverpasstdieChancezudef<strong>in</strong>ieren,wasfürPersönlichkeitendieUni<br />
versität<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>för<strong>der</strong>nbzw.for<strong>der</strong>nwillundwiemandieseAufgabeanzugehen<br />
gedenkt.<br />
Im Jahre 2005 fand durch KarlWilbers (2005, 2005a) e<strong>in</strong>e Bestandesaufnahme <strong>der</strong><br />
För<strong>der</strong>ung<strong>der</strong>überfachlichenKompetenzenan<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>statt.Ob<br />
wohl explizit darauf h<strong>in</strong>gewiesen wird, dass die Bestandesaufnahme aufgrund <strong>der</strong><br />
gewählten Methodik, <strong>der</strong> unvollständigen Rückmeldung und <strong>der</strong> Beschränkung auf<br />
diePflichtfächerunterbed<strong>in</strong>gterAussagekraftleidet(Wilbers,2005,S.9),werdenhier<br />
trotzdeme<strong>in</strong>igeErkenntnissewie<strong>der</strong>gegeben.AusSichtdesbetriebswirtschaftlichen<br />
LehrgangsbestehtzunächstGrundzurFreude.„Trotz<strong>der</strong>knappenDatenlageistes<br />
auffällig,dass dieDozierenden <strong>in</strong> den Veranstaltungen imMajor BWL e<strong>in</strong>edeutlich<br />
höhereFör<strong>der</strong>ungüberfachlicherKompetenzenwahrnehmenals<strong>in</strong>an<strong>der</strong>enMajors.<br />
Dies mag mit den grösseren Modulen (häufig 6 ECTSKurse) zusammenhängen, die<br />
vermehrtan<strong>der</strong>eZusammenarbeitsundPrüfungsformenerlauben.HäufigeTeamar<br />
beit sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong> Charakteristikum <strong>der</strong> betriebswirtschaftlichen Programme zu se<strong>in</strong>.<br />
[…] Trotz <strong>der</strong> lückenhaften Datenlage vor allem auf <strong>der</strong> Bachelorstufe entsteht <strong>der</strong><br />
E<strong>in</strong>druck,dassauf<strong>der</strong>MasterstufevondenDozierenden<strong>in</strong>höheremMassee<strong>in</strong>eFör<br />
<strong>der</strong>ungüberfachlicherKompetenzenerfolgt.ImBereich<strong>der</strong>Selbstlernkompetenzen<br />
verschiebtsichdasSchwergewichtvonWissen<strong>in</strong>RichtungAufarbeitungundVermit<br />
telnvonWissen.Auf<strong>der</strong>Masterstufeist<strong>der</strong>hoheAnteilvonTeamarbeit<strong>in</strong>denmeis<br />
tenProgrammenauffällig.MitunterstelltsichbeiBetrachtung<strong>der</strong>DatendieFrage,ob
nicht e<strong>in</strong>eDiskussion nötig wäre, welchenUmfangund <strong>St</strong>ellenwert Teamarbeit e<strong>in</strong><br />
225<br />
nehmen soll und was alternative ökonomische und wirksame LehrLernformen se<strong>in</strong><br />
könnten“(Wilbers,2005,S.6).Aus<strong>der</strong>PerspektivedieserArbeitbietetessichan,die<br />
offenbarüberproportionaleFör<strong>der</strong>ungvonTeamkompetenzendurchdieFör<strong>der</strong>ung<br />
deswissenschaftlichenDenkenundHandelns,<strong>der</strong>SelbstreflexionunddieUnterstüt<br />
zung<strong>der</strong>Identitätsarbeitzuersetzen.DieFör<strong>der</strong>ungdieserKompetenzenerhöhtal<br />
lerd<strong>in</strong>gsdenAufwand<strong>der</strong>Dozierenden.E<strong>in</strong>eGruppenarbeitistschnellbestellt.Die<br />
KonstruktionvonkomplexenLernLehrUmgebungen,<strong>in</strong>denendieLernendenfachli<br />
che Inhalte verarbeiten und sich gleichzeitig persönlich entfalten, ist dagegen an<br />
spruchsvoll.JeanspruchsvollerdiedidaktischenSett<strong>in</strong>gsse<strong>in</strong>sollen,destomehrE<strong>in</strong><br />
sichtmüssendieDozierenden<strong>in</strong>dietheoretischenH<strong>in</strong>tergründe<strong>der</strong>Sett<strong>in</strong>gshaben.<br />
DieBestandesaufnahmebrachtee<strong>in</strong>eVerunsicherung<strong>der</strong>DozierendenbezüglichS<strong>in</strong>n<br />
undZweckdesSelbststudiumsansTageslicht(vgl.ebd.,S.7).Offenbarsche<strong>in</strong>enaus<br />
ihrerSichtwe<strong>der</strong>diepädagogischennochdiedidaktischenZielegeklärt.DieDozie<br />
renden sehnen sich nach Best Practices, die herausstreichen, welche Formen des<br />
Selbststudiums sich als Erfolg versprechend herausgestellt haben. Sie s<strong>in</strong>d auf <strong>der</strong><br />
SuchenachErfahrungswerten,diezeigen,wasden<strong>St</strong>udierendenzugemutetwerden<br />
kann(vgl.ebd.,S.7).ImInternetf<strong>in</strong>denDozierendeundVerantwortlichemittlerweile<br />
e<strong>in</strong>eSeite,diegenauzudiesenFragenAuskunftgibt(<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,2007j).<br />
Allerd<strong>in</strong>gs fehlt auch hier e<strong>in</strong>e bildungstheoretische Begründung, weshalb es das<br />
Selbststudium an <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> gibt. Der <strong>in</strong>teressierte Dozent trifft auf<br />
e<strong>in</strong>ezukurzgreifendeFormulierung:„Die<strong>St</strong>udierendensollenaktivVerantwortung<br />
fürdeneigenenLernprozessübernehmenunddamitbesseraufdieBerufspraxisdes<br />
lebenslangenLernensvorbereitetwerden“(<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,2007j).„DieZeiten,<br />
<strong>in</strong>denenmansovielBenz<strong>in</strong>tankenkonnte,dass<strong>der</strong>Wagene<strong>in</strong>Lebenlangfuhr,gab<br />
esnochnie.ÄhnlichverhältessichmitdemLernen:DieZeitendesachsogutge<br />
me<strong>in</strong>ten‚DulernstfürsLeben!‘–imS<strong>in</strong>ne<strong>der</strong>lebenslangenGarantiedesGelernten–<br />
sche<strong>in</strong>enendgültigvorbei“(Nüeschetal.,2005).Damits<strong>in</strong>dzweiHerausfor<strong>der</strong>ungen<br />
verbunden:E<strong>in</strong>erseitsistesschwerabsehbar,welchefachlichenKompetenzen<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
Zukunftgefragtse<strong>in</strong>werden.An<strong>der</strong>seitssteht<strong>der</strong>Mensche<strong>in</strong>er„Informationsüber<br />
flutung“(ebd.)gegenüber.„Wasbedeutetdiesfüre<strong>in</strong><strong>Universität</strong>sstudium?Esreicht<br />
nichtmehr,aufVorratzulernen.Manmussdazulernen,wennsichdieBed<strong>in</strong>gungen<br />
verän<strong>der</strong>thaben,undmanmusspr<strong>in</strong>zipielllernen,sich<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erWelt<strong>der</strong>Informati<br />
onsüberflutungzurechtzuf<strong>in</strong>denundausInformationene<strong>in</strong>problembezogenesWis
226<br />
senzumachen.DieNotwendigkeite<strong>in</strong>esfortdauerndenWissenserwerbsimRahmen<br />
e<strong>in</strong>es‚LebensbegleitendenLernens‘for<strong>der</strong>tdieKompetenzzumkont<strong>in</strong>uierlichenLer<br />
nen<strong>in</strong>Eigenverantwortungund<strong>in</strong>Kooperationmitan<strong>der</strong>en“(Nüeschetal.,2005).<br />
DieebenzitierteVisionweistzwaraus,weshalbausSicht<strong>der</strong>Berufsbewältigungim<br />
SelbststudiumSelbstlernkompetenzengeför<strong>der</strong>twerden.Sievernachlässigtesaber,<br />
diese<strong>in</strong>e<strong>in</strong>umfassendesBildungsverständnise<strong>in</strong>zubetten.Eswerdenke<strong>in</strong>eAngaben<br />
zumBilddesMenschen,zumBilddesWissenschaftlerso<strong>der</strong>zumBilddesManagers<br />
gemacht, welche die Leistungserstellung <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> lenken sollten.<br />
WenndieErhebungzumSelbststudiumzeigt,dassdieZieledesSelbststudiumsklarer<br />
deklariertwerdensollen,wenn„niemandweiss,weshalbwiresüberhaupttun“(Wil<br />
bers,2005,S.7),dannistdiese<strong>in</strong>ZeichenfürVerunsicherung.Sieäussertsichauch<br />
dar<strong>in</strong>, dass den Befragten <strong>der</strong> Zusammenhang zwischen fachlichen und überfachli<br />
chenKompetenzennichtklarist(ebd.,S.8).Siezeigtsich<strong>in</strong><strong>der</strong>For<strong>der</strong>ung,vorlauter<br />
xyz Kompetenzen die Inhalte nicht zu vergessen (ebd., S.8). Dabei propagiert das<br />
problemorientierteLernengeradedasVerknüpfenvonfachlichenundüberfachlichen<br />
Inhalten,dasVerb<strong>in</strong>denvonsachlicherundpersönlicherWeiterentwicklung.<br />
Die Abwesenheit <strong>der</strong> Begründung <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von überfachlichen Kompetenzen<br />
wirdauchauf<strong>der</strong>Seite<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendensichtbar.DieSicht<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendenaufdas<br />
Selbststudium wurde <strong>in</strong> zwei <strong>St</strong>udien ausführlich dokumentiert (Euler et al., 2004;<br />
ZellwegerMoser&Meier,2007).Vorabsei<strong>der</strong>E<strong>in</strong>bezug<strong>der</strong><strong>St</strong>udierenden<strong>in</strong>dieWei<br />
terentwicklung des Selbststudiums als vorbildlich herausgestrichen. Ausserdem<br />
sche<strong>in</strong>tdieWeiterentwicklungdesSelbststudiumsaufe<strong>in</strong>emsolidenFundamentzu<br />
stehen. Die Verantwortlichen verweisen auf die generelle Akzeptanz des Selbststu<br />
diums.Die<strong>St</strong>udierendenzeigensichfürdieFör<strong>der</strong>ungvonüberfachlichenKompeten<br />
zendurchausoffen.Sokönnensich73%<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendene<strong>in</strong>everstärkeFör<strong>der</strong>ung<br />
desPräsentierensundMo<strong>der</strong>ierens,66%desProjektmanagements,62%desVerfas<br />
sensschriftlicherArbeiten,56%desRecherchierensvorstellen(vgl.ZellwegerMoser<br />
&Meier,2007,S.18).„EserstaunendiegenerellhohenWerte<strong>der</strong>Zustimmung,da<br />
sichdas<strong>St</strong>udiuman<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>dadurchauszeichnet,dasssolcheThe<br />
men explizit im Curriculum verankert s<strong>in</strong>d […]. An<strong>der</strong>seits kommen hier wohl auch<br />
spezifischeProblemlagen<strong>der</strong>AssessmentstufezumAusdruck(Zeitmanagement,Kon<br />
flikte<strong>in</strong><strong>der</strong>Teamarbeit)“(ebd.,S.18).Ausbeiden<strong>St</strong>udienistdeutlichgeworden,dass<br />
die För<strong>der</strong>ung von überfachlichen Kompetenzen im Selbststudium ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache<br />
Aufgabeist.In<strong>der</strong>ersten<strong>St</strong>udiewirdfestgehalten,dassdieVisiondesSelbststudiums
eidenLernendennichtangekommenist.„DieGrundideewirdvonden<strong>St</strong>udieren<br />
227<br />
den mit <strong>der</strong> Befreiung von Raum und Zeit bzw. <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Selbstdiszipl<strong>in</strong><br />
gleichgesetzt.DieBefragtenerkennenwe<strong>der</strong>dieFör<strong>der</strong>ung<strong>der</strong>Metakognitionnoch<br />
desselbstständigen,kooperierendeno<strong>der</strong>desmediengestütztenLernensalsZieledes<br />
Selbststudiums. In vielen <strong>St</strong>atements kommt zum Ausdruck, dass die <strong>St</strong>udierenden<br />
ebengeradedieGrundideedesSelbststudiumsnichtkennenundmachendafüreben<br />
falls Mängel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kommunikation verantwortlich. Dies führt auch dazu, dass den<br />
Befragtenteilweisenichtklarist,warumdasSelbststudiumalseigenständigeSäuleim<br />
Konzept<strong>der</strong>HSGbesteht“(Euleretal.,2004,S.8).<br />
In<strong>der</strong>zweitenquantitativorientierten<strong>St</strong>udiewirdzwarvon75%<strong>der</strong>Befragtenange<br />
geben,dassihnenklarsei,warumesan<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>e<strong>in</strong>Selbststudium<br />
gibtundwasimSelbststudiumzutunsei(vgl.ZellwegerMoser&Meier,2007).Die<br />
<strong>St</strong>udievermeidetesaber,h<strong>in</strong>terdieseQuotezublicken.Sievermeidetesabzuklären,<br />
warumdie<strong>St</strong>udierendenme<strong>in</strong>en,dassese<strong>in</strong>Selbststudiuman<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.Gal<br />
len gibt. Sie vermeidet es abzuklären, was die <strong>St</strong>udierenden me<strong>in</strong>en, dass sie im<br />
Selbststudiumzutunhaben.Sobleibtunklar,obdiepädagogischebzw.bildungsthe<br />
oretischeBegründung<strong>in</strong>denKöpfen<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendentatsächlichangekommenist.<br />
DieunzureichendeKommunikation<strong>der</strong>IdeedesSelbststudiumswirddarandeutlich,<br />
dass68%<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendendieZielsetzung<strong>der</strong>För<strong>der</strong>ungvon„überfachlichenKom<br />
petenzen (<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Team & Medienkompetenzen)“ im Selbststudium nicht er<br />
kennen (vgl. ebd., S.14). Die quantitativen Ergebnisse unterstreichen das Fazit <strong>der</strong><br />
qualitativangelegtenersten<strong>St</strong>udie.„ÜberfachlicheLernzielewerdenvondenbefrag<br />
ten<strong>St</strong>udierendennichterkannt“(Euleretal.,2004,S.I).DieVerantwortlichengeben<br />
sichnachallenBemühungenratlos,wiedieIdee<strong>in</strong>denKöpfen<strong>der</strong>Beteiligtenveran<br />
kertwerdenkönnte.„Althoughthereisarelativelysolidconsentregard<strong>in</strong>gtheover<br />
arch<strong>in</strong>gvisionoftheguided<strong>in</strong>dependentstudies,bothfacultyandstudentshavediffi<br />
culties <strong>in</strong> un<strong>der</strong>stand<strong>in</strong>g what the concepts mean <strong>in</strong> practise. Over years of stable<br />
evaluationresultsfromstudentsurveysshowarelativelyhighconsentwiththevision<br />
butamostcriticalattitudetowardalmostanyk<strong>in</strong>dofefforttoimplementthecon<br />
cept“(ZellwegerMoser&Euler,2007).<br />
Die För<strong>der</strong>ung von überfachlichen Lernzielen wird von den befragten <strong>St</strong>udierenden<br />
(ganz gemäss Vision) auf das selbstständige Lernen reduziert. „Die Def<strong>in</strong>ition des<br />
Selbststudiums<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendenlässtsichverallgeme<strong>in</strong>erndaufdieFormel‚Selbst<br />
studium=selberundalle<strong>in</strong>evorgegebenesMaterialbearbeiten‘br<strong>in</strong>gen“(ebd.,S.7).
228<br />
Gruppenarbeiten werden folglich nach dem Kriterium <strong>der</strong> Effizienz statt nach dem<br />
Kriterium des Lernerfolgs gestaltet. „Weiterh<strong>in</strong> wird vor allem aus den Gesprächen<br />
mitdenAssistierendendeutlich,dassdie<strong>St</strong>udierendenihreGruppenarbeitnichtkoo<br />
perativ, son<strong>der</strong>n weitgehend koord<strong>in</strong>ativ erledigen. Gestellte Gruppenarbeiten wer<br />
denzunächstnachMöglichkeiten<strong>der</strong>Arbeitsteilunganalysiert,diesewirdorganisiert,<br />
die E<strong>in</strong>zelbeiträge zusammengetragen und anschliessend das Ergebnis mehr o<strong>der</strong><br />
weniger<strong>in</strong>tensivgeglättet.DieArt<strong>der</strong>gestelltenAufgabenan<strong>der</strong><strong>Universität</strong>sche<strong>in</strong>t<br />
diese koord<strong>in</strong>ative Vorgehensweise ke<strong>in</strong>eswegs zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Es wird jedoch als<br />
wichtig erachtet, die <strong>St</strong>udierenden e<strong>in</strong>er Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit unterschiedlichen<br />
Formen kooperativen Lernens auszusetzen (schliesslich kann auch koord<strong>in</strong>ative<br />
Teamarbeiteffizientundzielführendse<strong>in</strong>),damitsiee<strong>in</strong>geeignetesMethodenreper<br />
toireentwickeln,dassie<strong>der</strong>SituationundAufgabeentsprechendflexibelanpassen“<br />
(ebd.,S.17).Undauch2007wirddasSelbststudiumalsTra<strong>in</strong><strong>in</strong>gdesSelbstmanage<br />
mentswahrgenommen.„Esdom<strong>in</strong>ieren<strong>in</strong>denAntwortenAspektewieselberLernen,<br />
zuHausearbeitenundSelbstverantwortung“(ZellwegerMoser&Meier,2007).<br />
In<strong>der</strong>KommunikationzwischenDozierendenund<strong>St</strong>udierendenmussdieGrundlage<br />
geschaffenwerden,damitsich<strong>in</strong><strong>der</strong>Lerngeme<strong>in</strong>schaftvon<strong>St</strong>udierendenundDozie<br />
rendene<strong>in</strong>geme<strong>in</strong>samgeteiltesBildungsverständnisentwickelnkann.WenndieIdee<br />
des Selbststudiums von den Verantwortlichen <strong>der</strong> Betriebswirtschaftslehre an <strong>der</strong><br />
KickoffVeranstaltung auf die Erwartung e<strong>in</strong>es selbstständigen und unternehmeri<br />
schenVorgehensreduziertwird(vgl.<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,2007p),dannweistdies<br />
daraufh<strong>in</strong>,dassdienötigeSensibilität,umdasSelbststudiumzuverstehen,auf<strong>der</strong><br />
Seite<strong>der</strong>DozierendennochnichtimgewünschtenMassevorhandenist.Diesverun<br />
möglichtes,die<strong>St</strong>udierendenmite<strong>in</strong>erIdeeanzustecken.Diesistvorallemdannkri<br />
tischzubeurteilen,wenndie<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>dasSelbststudiumalsPositionie<br />
rungsmerkmal e<strong>in</strong>setzen will. Zellweger Moser & Meier (2007) schliessen richtig:<br />
„Hier[besteht]vordemH<strong>in</strong>tergrunddesoffiziellformuliertenLeitbildese<strong>in</strong>deutlicher<br />
Handlungsbedarf“ (S.13). Werden überfachliche Lernziele nicht bewusst, also päda<br />
gogischstrategischför<strong>der</strong>t,sowirdihnenvondenDozierendenke<strong>in</strong>eBedeutungge<br />
schenkt.Siewerden<strong>in</strong>Lernerfolgsprüfungennichtgeprüftundfolglichvonden<strong>St</strong>u<br />
dierendenauchnichterkannt.Diesführtauf<strong>der</strong>Seite<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendenzuVerunsi<br />
cherung, weil Vision und Realität ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>klaffen. Diese Problematik erkennen<br />
auchdieVerantwortlichen.„Onemajorfactorforanytypeofteach<strong>in</strong>gandlearn<strong>in</strong>g<br />
<strong>in</strong>novation is the correspond<strong>in</strong>g assessment system. Why div<strong>in</strong>g <strong>in</strong>to the scientific
229<br />
depthofanewsubjectwhenultimatelytheexam<strong>in</strong>ationfavoursthesimplerepetition<br />
offacts<strong>in</strong>steadofmoredemand<strong>in</strong>gcognitiveprocesses?“(ZellwegerMoser&Euler,<br />
2007,S.3).<br />
Die an<strong>der</strong>e grosse Innovation, die aber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em engen Zusammenhang mit dem<br />
Selbststudiumsteht,istdieumfassendeEtablierungvonELearn<strong>in</strong>gan<strong>der</strong><strong>Universität</strong><br />
<strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>. „ELearn<strong>in</strong>g ist an <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> nicht Selbstzweck, son<strong>der</strong>n<br />
steht im Dienst des Selbststudiums bzw. – <strong>in</strong> an<strong>der</strong>er Leseweise – des Bologna<br />
Prozesses.ELearn<strong>in</strong>gwirdsowohlzumErreichenanspruchsvollerfachlicherZielset<br />
zungenalsauchzumErreichen<strong>der</strong>überfachlichenZielsetzungene<strong>in</strong>gesetztundhat<br />
klar<strong>in</strong>strumentalenCharakterfürdasSelbststudium.GrundlegendistdabeidasPos<br />
tulat,dass<strong>der</strong>E<strong>in</strong>satzjeweilsspezifischeMehrwerterealisierenkann“(Euler&Wil<br />
bers,2005,S.247).ELearn<strong>in</strong>gkanndannzumKatalysatore<strong>in</strong>erKulturdesselbstor<br />
ganisiertenLernensimTeamwerden,wenndieLernLehrUmgebungensokonzipiert<br />
werden,dassdiePotenziale<strong>der</strong>elektronischenMediengenutztwerden(vgl.Euler,<br />
2002,S.5),wennELearn<strong>in</strong>ge<strong>in</strong>enMehrwertgegenübertraditionellenMedienreali<br />
siert.DiePotenzialeliegennachEuler(ebd.;vgl.2003)<strong>in</strong><strong>der</strong>anschaulichenPräsenta<br />
tionvonLern<strong>in</strong>haltendurchdieIntegrationvonFilm,<strong>St</strong>andbild,Animation,Tonund<br />
Text<strong>in</strong>e<strong>in</strong>eme<strong>in</strong>zigenMedium.Sieliegen<strong>in</strong>neuenFormen<strong>der</strong>aktivenAuse<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
setzung,<strong>in</strong><strong>der</strong>raumundzeitunabhängigenBereitstellungvonLern<strong>in</strong>haltenund<strong>in</strong><br />
<strong>der</strong>zeitnahenBereitstellungvonLern<strong>in</strong>haltend.h.<strong>der</strong>höherenAktualität<strong>der</strong>bereit<br />
gestelltenLern<strong>in</strong>halte.<br />
Die Potenziale können nur genutzt werden, wenn die Medien <strong>in</strong> didaktisch durch<br />
dachte LernLehrUmgebungen e<strong>in</strong>gebettet werden. Dann können sich ELearn<strong>in</strong>g<br />
unddieLernkulturimGleichschrittentwickeln.IndiesenLernumgebungenzeichnen<br />
sich die <strong>St</strong>udierenden durch e<strong>in</strong>en hohen Grad an Eigenverantwortung aus. Sie er<br />
werbengleichzeitigmitdenfachlichenauchLernundSozialkompetenzen(vgl.Euler,<br />
2002, S.5). „Leitgedanke ist e<strong>in</strong>e <strong>Universität</strong>, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die Lehrenden und Lernenden<br />
nichtnurantechnischeSystemeangebunden(‚connectivity‘),son<strong>der</strong>nauchpersön<br />
liche<strong>in</strong>gebundenundmite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>verbunden(‚community‘)s<strong>in</strong>d.E<strong>in</strong>esolche‚com<br />
munity‘konstituiertsichimuniversitärenRahmendurchgeme<strong>in</strong>schaftlichesLernen,<br />
regenWissenstransferundErfahrungsaustauschsowiegegenseitigeUnterstützung<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em<strong>in</strong>formellenBezugsrahmen“(ebd.,S.7).DieImplementationvonELearn<strong>in</strong>gist<br />
geeignet, um Lernprozesse auf organisationaler Ebene auszulösen. „Die Integration<br />
desSelbstlernensmitneuenMedien<strong>in</strong>e<strong>in</strong>ebestehende<strong>St</strong>udienorganisationerfor
230<br />
<strong>der</strong>t Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> technischer, didaktischer sowie organisatorischkultureller<br />
H<strong>in</strong>sicht.Verän<strong>der</strong>ungens<strong>in</strong>ddabeike<strong>in</strong>Ereignis,son<strong>der</strong>ne<strong>in</strong>Prozess“(Euler,2003,<br />
S.59).<br />
ZentralesElementdesELearn<strong>in</strong>gan<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>istdieLernplattform<br />
studynet(vgl.<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,2007l).NochvorwenigenJahrenwardieLern<br />
plattforme<strong>in</strong>ungernegesehenesElement<strong>der</strong>LernLehrUmgebung.Sieware<strong>in</strong>not<br />
wendigesÜbel.„DerNutzen<strong>der</strong>LernplattformfürdasSelbststudiumwirdvorallem<br />
<strong>in</strong><strong>der</strong>zentralenOrganisationundAufbereitungvonLernmaterialiengesehen.E<strong>in</strong>ige<br />
<strong>St</strong>udierendeweisenaufdieMöglichkeit<strong>der</strong>Lernkontrolleh<strong>in</strong>.Eswirdklar,dassdie<br />
Lernplattform von e<strong>in</strong>em beträchtlichen Teil <strong>der</strong> <strong>St</strong>udierenden nicht stark wahrge<br />
nommenwirdbzw.ke<strong>in</strong>ezentraleBedeutunge<strong>in</strong>nimmt.Dennochsche<strong>in</strong>endieBefrag<br />
ten <strong>der</strong> grundsätzlichen Idee des studynet positiv gegenüberstehen“ (Euler et al.,<br />
2004,S.24).Mittlerweilestehendie<strong>St</strong>udierenden<strong>der</strong>LernplattformdurchdasBehe<br />
ben <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>krankheiten nicht nur positiver gegenüber, die Lernplattform ist zu<br />
e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>tegralen Bestandteil <strong>der</strong> LernLehrUmgebung geworden. Sie ersche<strong>in</strong>t als<br />
selbstverständliches Element, als stabile <strong>St</strong>ütze <strong>der</strong> universitären LernLehr<br />
Umgebung.TrotzdembetonendieVerantwortlichen,dassnochnichtallePotenziale<br />
ausgeschöpfts<strong>in</strong>d.„DieLernplattformwirdaber<strong>in</strong>ihremPotentialimmernochnicht<br />
ausgeschöpft.Sieiste<strong>in</strong>eOrganisationso<strong>der</strong>e<strong>in</strong>eDatenundteilweiseauchKom<br />
munikationsplattform, über die viele Materialien unterschiedlichster Art gesteuert<br />
werden. Allerd<strong>in</strong>gs gibt es vieleAnwendungsformen,die nicht genutzt werden und<br />
diemansicherlichsukzessive<strong>in</strong>weiterenSchritten<strong>der</strong>Verän<strong>der</strong>ungauchstärker<strong>in</strong><br />
denLehralltagbr<strong>in</strong>gensollte.Abersieistmittlerweileetwas,daszumfestenInventar<br />
dieser<strong>Universität</strong>gehört,sowiedieBibliotheko<strong>der</strong>an<strong>der</strong>eInstitutionen<strong>in</strong>nerhalb<br />
<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>“(DieterEuler,Interview,11.April2005).<br />
Potenzialebestehen ebenso <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong>Unterstützung im Selbststudi<br />
um.ZurUnterstützunggehörennichtnurdieTools<strong>der</strong>Lernplattform,dazugehören<br />
auchdiepersönlicheBetreuungdurchDozierendeundTutorensowiedieonundoff<br />
l<strong>in</strong>ezurVerfügunggestelltenLernmaterialien(vgl.Euleretal.,2004).Vonden<strong>St</strong>udie<br />
renden wird kritisiert, dass sie nicht angemessen an die Herausfor<strong>der</strong>ungen des<br />
Selbststudiumsherangeführtwerden.„DieVorbereitungaufdasSelbststudiumwird<br />
als defizitär erlebt. Der rasante E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> das Selbststudium bereitet gerade auch<br />
<strong>St</strong>udierenden mit nichtdeutscher Muttersprache Probleme“ (ebd., S.1). Dies mag<br />
auchdamitzusammenhängen,dass<strong>der</strong>eigeneLernprozesszuwenigreflektiertwird.
„DaseigeneLernenwirdkaumzumThema“(ebd.,S.1).ZwarexistiertimerstenSe<br />
mesterdieVeranstaltung„FormenundMethodendesLernensunddeswissenschaft<br />
231<br />
lichenArbeitens“,diedasLernenunddaswissenschaftlicheDenkenundHandelnzum<br />
Themamachen.„DieLehrveranstaltungsolle<strong>in</strong>enE<strong>in</strong>stieg<strong>in</strong>unde<strong>in</strong>eÜbersichtüber<br />
FormenundMethodendeswissenschaftlichenArbeitensundLernensbieten.Sieent<br />
wickelne<strong>in</strong>eersteKompetenz,wissenschaftlicheTextezulesen,e<strong>in</strong>zuordnen,zuver<br />
stehenundzuschreiben.Dabeiwirdbeson<strong>der</strong>esGewichtaufdenUmgangmitInfor<br />
mationsquellen, das Argumentieren und die grundlegenden Konzepte <strong>der</strong> Wissen<br />
schaftstheorie gelegt. Sie praktizieren e<strong>in</strong> für das HSG<strong>St</strong>udium geeignetes Arbeits<br />
undLernverhalten“(<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,2007l).AberoffenbarkommendieseInhal<br />
tebeidenLernendennichtwirklichan.Die<strong>St</strong>udierendenfühlensichbeimErwerbvon<br />
überfachlichenKompetenzenalle<strong>in</strong>gelassen.<br />
AndieserTatsachekonnteauchdieE<strong>in</strong>führung<strong>der</strong>elektronischenPlattformstudy<br />
cube(<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,2007k)nichtsän<strong>der</strong>n.studycubewirbtmitdemClaim,<br />
dass die <strong>St</strong>udierenden durch optimales <strong>St</strong>udieren mehr Zeit für an<strong>der</strong>es gew<strong>in</strong>nen.<br />
Ungewolltwirdhier<strong>der</strong>AufrufzurEffizienzwie<strong>der</strong>holt.DieIdeevonstudycube,die<br />
<strong>St</strong>udierendenzurMetakognitionanzuregen,istunabhängigdavonalssehrpositivzu<br />
beurteilen. „studycube ist e<strong>in</strong>e an <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> entwickelte <strong>in</strong>teraktive<br />
Webseite,dieIhnene<strong>in</strong>evielfältigeAuse<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungmit<strong>der</strong>ThematikdesLernens<br />
undwissenschaftlichenArbeitensermöglicht.Dazubietet<strong>der</strong>studycubeIhnen<strong>in</strong>divi<br />
duelleZugängezuIhremLernundArbeitsverhaltenundunterstütztSiebei<strong>der</strong>Opti<br />
mierungIhres<strong>St</strong>udienverhaltens“(ebd.).studycubewillden<strong>St</strong>udierendenhelfen,ihr<br />
Lernen zu reflektieren. Dadurch sollen Lernprozesse auf <strong>der</strong> Metaebene ausgelöst<br />
werden. Aber auch studycube hat Probleme. Sie liegen beispielsweise <strong>in</strong> <strong>der</strong> man<br />
gelndenAbstimmungdesWord<strong>in</strong>gsund<strong>der</strong>dah<strong>in</strong>terliegendenKonzepte(vgl.Metz<br />
ger,2001;Spoun&Domnik,2004),<strong>der</strong>VeranstaltungLWAundstudycube.Weitere<br />
Probleme von studycube liegen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er losen Verankerung mit Präsenzveranstal<br />
tungen,imungeklärtenNutzen<strong>der</strong>Filmsequenzeno<strong>der</strong><strong>in</strong><strong>der</strong>bescheidenenMithilfe<br />
von<strong>St</strong>udierendenundDozierendenan<strong>der</strong>Weiterentwicklung.<br />
In<strong>der</strong>erstenSelbststudium<strong>St</strong>udief<strong>in</strong>detmane<strong>in</strong>igeH<strong>in</strong>weiseaufdieKriterien<strong>der</strong><br />
<strong>St</strong>udierenden zur Beurteilung ihrer Lernmaterialien. „Gut strukturierte Unterlagen<br />
wirkensichpositivausaufdieMotivation,sichmitdemInhaltbeschäftigenzuwollen.<br />
Esmusse<strong>in</strong>roterFadenerkennbarse<strong>in</strong>.DieUnterlagensollendiezentralenWissens<br />
strukturenvermitteln.Daraufsoll<strong>in</strong>denPräsenzveranstaltungenaufgebautwerden.
232<br />
LeserfreundlichundzielgruppenorientiertverfassteTextes<strong>in</strong>dvorallemauf<strong>der</strong>As<br />
sessment<strong>St</strong>ufewichtig.DiebenötigtenMaterialiensollenvollständigundrechtzeitig<br />
zu Beg<strong>in</strong>n des Semesters <strong>in</strong> Papierform ausgehändigt werden. Das Ausdrucken von<br />
vieleno<strong>der</strong>langenTexten,dieviastudynetverteiltwerden,wirdals<strong>in</strong>effizientbe<br />
trachtet.Zudemwurdedaraufh<strong>in</strong>gewiesen,dass<strong>in</strong>allenÜbungso<strong>der</strong>Selbststudi<br />
umsgruppendiegleichenMaterialienzurVerfügunggestelltwerdensollten.Aufdie<br />
seWeisesolle<strong>in</strong>JägerundSammlerverhaltenunddiedadurchentstehendenAuf<br />
wände und Ungleichheiten vermieden werden. Möglichkeiten zur Selbstkontrolle,<br />
z.B.<strong>in</strong>FormvonKontrollfragenundLösungenwerdenalswertvollbetrachtet“(ebd.,<br />
S.21).DieseKriteriensche<strong>in</strong>enheutenochnichtvollständigumgesetzt.Die<strong>St</strong>udieim<br />
Jahre 2007 hat zutage gebracht, „dass die für Veranstaltungen im AssessmentJahr<br />
aufwendigerstelltenelektronischenMaterialienals(eher)wenigattraktivbefunden<br />
werden“ (Zellweger Moser & Meier, 2007, S.14). 69% <strong>der</strong> befragten <strong>St</strong>udierenden<br />
empf<strong>in</strong>dendieonl<strong>in</strong>ezurVerfügunggestelltenMaterialienalsunattraktiv(vgl.ebd.,<br />
S.15).Neben<strong>der</strong>Qualität<strong>der</strong>UnterlagenistihreVerb<strong>in</strong>dungzudenLernzielenvon<br />
beson<strong>der</strong>erBedeutung.DieAutoren<strong>der</strong>zweitenSelbststudium<strong>St</strong>udiefor<strong>der</strong>n,dass<br />
dieMaterialien„besseraufdasSelbststudiumzugeschnittenwerdensollten“(ebd.,<br />
S.14).<br />
Bei<strong>der</strong>drittenunddieIdentitätsarbeitammeistenunterstützendenInnovationhan<br />
deltessichumdasKontextstudium.Esgleichtdem<strong>in</strong>dieserArbeitgefor<strong>der</strong>tenEnt<br />
wicklungsfeld.Hierwird<strong>der</strong>Leitsatz<strong>der</strong>Neukonzeption<strong>der</strong>Lehre,„Wirfor<strong>der</strong>nund<br />
för<strong>der</strong>nPersönlichkeiten“(vgl.Gomez&Spoun,2000),lebendigundcurriculumtech<br />
nischamoffensivstenumgesetzt.Eswird<strong>der</strong>TatsacheRechnunggetragen,dasse<strong>in</strong>e<br />
<strong>Universität</strong> die Entwicklung <strong>der</strong> Persönlichkeit aktiv unterstützen soll und dass das<br />
Verstehen<strong>der</strong>organisationalenUmweltfürdas<strong>Management</strong><strong>der</strong>Organisationenvon<br />
zentralerBedeutungist.„DasKontextstudiumstelltdasFachstudium<strong>in</strong>gesellschaftli<br />
che,historische,philosophischeundästhetischeZusammenhänge.Sowirde<strong>in</strong>egeziel<br />
teundreflektierteAnwendungdesFachwissenserstmöglich.Insgesamtvermitteln<br />
LehrundLernangebotedesKontextstudiumsZugängezuhistorischenEntwicklungen<br />
undFragen,zurIdeenwelt<strong>der</strong>Philosophie,desRechts,<strong>der</strong>Religionen,zuAspekten<br />
desIndividuumsundse<strong>in</strong>esVerhältnisseszuGesellschaft,zuInstitutionenwie<strong>St</strong>aat,<br />
Wirtschaft,Politik,aberauchzusozialen‚Codes‘wieModeundLebensstile,zuLitera<br />
turundTheater,KunstundMusik,FilmundneuenMedien–unddamit<strong>in</strong>sgesamtzur<br />
Kultur als Lebenswelt und Werteordnung. Das Kontextstudium führt anhand dieser
Bereichealse<strong>in</strong>‚studium<strong>in</strong>tegrale‘auf<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äreWeise<strong>in</strong>‚dasHaus<strong>der</strong>Wis<br />
233<br />
senschaften‘e<strong>in</strong>undmachtdie<strong>St</strong>udierendenmitGrundlagenundZusammenhängen<br />
vonDenkundVerstehensweisen,Erkenntnis<strong>in</strong>teressen,Wirklichkeitskonstitutionen<br />
undelementarenFachfragenverschiedenerGeistes,SozialundKulturwissenschaf<br />
tenvertraut“(<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,2007i).<br />
InnerhalbdesKontextstudiumswerdendreiBereicheunterschieden.DasKontextstu<br />
diumumfasstVeranstaltungenzurkulturellenKompetenz,zurReflexionskompetenz<br />
undzurHandlungskompetenz.„ZumErstenwerdenalledie<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>Ab<br />
schliessenden zwei Fremdsprachen nachweisen müssen – wie bereits bis Ende <strong>der</strong><br />
siebzigerJahregefor<strong>der</strong>t.ZumZweitens<strong>in</strong>dvomerstenSemesterbiszudenMaster<br />
abschlüssen Wahlpflichtfächer aus den Geistes und Sozialwissenschaften obligato<br />
risch.ZumDrittenwerdenHandlungskompetenzensystematischtra<strong>in</strong>iertundgeför<br />
<strong>der</strong>t.ZudiesengehörennichtnurMethodenwissenschaftlichenArbeitens,son<strong>der</strong>n<br />
auch so praktische Themen wie juristische Plädoyers, Teamentwicklung o<strong>der</strong> Pro<br />
jektmanagementimRahmenstudentischerInitiativen“(Gomez&Spoun,2000;S.25).<br />
DasKontextstudiumvermitteltden<strong>St</strong>udierendendieFähigkeiten,umsichspäterals<br />
Manager <strong>in</strong> <strong>der</strong> Komplexität des mo<strong>der</strong>nen Lebens zurechtzuf<strong>in</strong>den, um später als<br />
e<strong>in</strong>zigartigesIndividuumse<strong>in</strong>enPlatz<strong>in</strong><strong>der</strong>Gesellschaftzuf<strong>in</strong>den,umandengesell<br />
schaftlichenDiskursenaktivteilnehmenzukönnen.„Durch‚ReflexionundTra<strong>in</strong><strong>in</strong>g‘<br />
sollendie<strong>St</strong>udierendenbesseralsbisheraufdielaufendkomplexerwerdendenAn<br />
for<strong>der</strong>ungen spätererBerufstätigkeit und Alltagswelt vorbereitet werden. Sie sollen<br />
gleichsamalsDenkendeundHandelndefitfürjeneZukunftgemachtwerden,<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
sie Leistung zeigen und Verantwortung übernehmen wollen. Re<strong>in</strong>e Fachkenntnisse<br />
reichendazulängstnichtmehraus,undsiewürdensich<strong>in</strong><strong>der</strong>Lebenspraxisalsun<br />
tauglich erweisen, wenn es den Absolventen an den erfor<strong>der</strong>lichen Fähigkeiten zu<br />
überlegtem und überlegenem Verhalten <strong>in</strong> komplexen Systemen wie Unternehmun<br />
geno<strong>der</strong>öffentlichenVerwaltungenfehlte“(Gomez&Spoun,2002,S.11f.).<br />
<br />
9.4. Die<strong>St</strong>udierenden<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong><br />
Bevordie<strong>St</strong>udierenden<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>nähercharakterisiertwerden,soll<br />
e<strong>in</strong>Blickaufdie<strong>St</strong>udierenden<strong>der</strong>BetriebswirtschaftanallenSchweizer<strong>Universität</strong>en<br />
geworfenwerden.
234<br />
Aus volkswirtschaftlicher Sicht s<strong>in</strong>d die Beweggründe für e<strong>in</strong> <strong>St</strong>udium von grossem<br />
Interesse.„FürdieGesellschaftunddieWirtschaftistesvongrosserBedeutung,für<br />
welches <strong>St</strong>udienfach sich Jugendliche entscheiden, wenn sie e<strong>in</strong> Hochschulstudium<br />
ergreifen.IhrEntscheidwirktsichdaraufaus,<strong>in</strong>welchemUmfangwelcheWissensbe<br />
ständeandieneueGenerationübertragenwerdenundobdieQualifikation<strong>der</strong>nach<br />
rückendenGenerationsichmitdenBedürfnissen<strong>der</strong>Gesellschaftund<strong>der</strong>Wirtschaft<br />
deckt.EsistdeshalbvonInteresse,denUrsachenundGründennachzugehen,diedie<br />
seEntscheidungbestimmen“(Ramseier,2006,S.41).Der(Vor)Entscheidfüre<strong>in</strong>be<br />
stimmtes<strong>St</strong>udienfachfälltoffenbarzue<strong>in</strong>emfrühenZeitpunktimLeben<strong>der</strong><strong>St</strong>udie<br />
renden.DieWahldesSchwerpunktfachesimGymnasiumerfolgtbeifast<strong>der</strong>Hälfte<br />
<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendenalsVorbereitungfürdasspätere<strong>St</strong>udium(vgl.ebd.,S.41).DerEnt<br />
scheid wird von verschiedenen Faktoren bee<strong>in</strong>flusst, die hier nicht ausführlich be<br />
handeltwerdenkönnen.„DerWahlprozesshängtvonzahlreichenFaktorenab,etwa<br />
von bisherigen Lernerfahrungen <strong>in</strong> verschiedenen Fächern, von familiären Traditio<br />
nen undvongeschlechtstypischgeprägtenVorstellungenübereigenesKönnenund<br />
überAnfor<strong>der</strong>ungen<strong>der</strong><strong>St</strong>udienrichtungenund<strong>der</strong>Berufe“(ebd.,S.41).<br />
Der Entscheid für e<strong>in</strong> <strong>St</strong>udium erfolgt im H<strong>in</strong>blick auf spätere Berufsmöglichkeiten<br />
(vgl.Egl<strong>in</strong>Chappuis,2006).„DerGrossteil<strong>der</strong>Maturand<strong>in</strong>nenundMaturandenbe<br />
tont,dassesprimärdarumgeht,mitdem,wasmangernetut,‚GeldzumLeben‘zu<br />
verdienen. Gefragt s<strong>in</strong>d klare Berufsprofile (gewünscht s<strong>in</strong>d, wann immer möglich,<br />
unterschiedlicheBerufeundBerufsfel<strong>der</strong>)sowiee<strong>in</strong>Angebotanoffenen<strong>St</strong>ellen;die<br />
E<strong>in</strong>schätzung,‚woh<strong>in</strong>‘e<strong>in</strong><strong>St</strong>udiumführt,sowiedieE<strong>in</strong>schätzungdesentsprechenden<br />
Arbeitsmarktess<strong>in</strong>ddemnachzentral.Dabeibekundet<strong>der</strong>Grossteil<strong>der</strong>angehenden<br />
<strong>St</strong>udierendendurchausauchmaterielleAnsprüche;esgehtnichtblossumSicherheit<br />
o<strong>der</strong>darum,e<strong>in</strong>eFamilieernährenzukönnen,auchBesitztümerwiee<strong>in</strong>eigenesHaus<br />
o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Auto werden angestrebt. Gleichzeit s<strong>in</strong>d Geld und Karriere zwardurchaus<br />
e<strong>in</strong>möglichesZiel,dieseswirdjedochweitausseltenergenanntund<strong>in</strong><strong>der</strong>Regelun<br />
ter Betonung an<strong>der</strong>er Faktoren abgeschwächt o<strong>der</strong> aber entsprechend vorsichtig<br />
formuliert“ (ebd., S.64). Diese E<strong>in</strong>schränkungen müssen im Falle <strong>der</strong> <strong>St</strong>udierenden<br />
<strong>der</strong> Betriebswirtschaftslehre relativiert werden. Bei ihnen spielt das Interesse am<br />
FachvonallenabgefragtenFächerndieger<strong>in</strong>gste,dieVerdienstmöglichkeitendage<br />
gendiegrössteRolle(vgl.Ramseier,2006,S.43).<br />
Esistanzunehmen,dasssichdieseOrientierungimFalle<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong><strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>erverstärktenAusprägungzeigt.Mankanndavonausgehen,dass<strong>der</strong>Ruf<strong>der</strong>Uni
versität<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>als<strong>der</strong>Ka<strong>der</strong>schmiedeimdeutschsprachigenRaum,e<strong>in</strong>eentspre<br />
235<br />
chendeKlientelnachsichzieht.„Wennese<strong>in</strong>eInstitutiongibt,aufdiedasSchlagwort<br />
‚Ka<strong>der</strong>schmiede‘ zutrifft, dann ist es die Ostschweizer Hochschule. Experten gehen<br />
davonaus,dassetwadieHälfte<strong>der</strong>500grösstenSchweizerUnternehmenvonehe<br />
maligenHSGlerngeführtwerden“(Klaffke,2006,S.68).DieZuversicht<strong>der</strong><strong>St</strong>udieren<br />
denkommtnichtvonungefähr.Spoun(2005)hatermittelt,dass<strong>der</strong>Entscheidfürdie<br />
<strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> vor allem aufgrund <strong>der</strong> guten Berufsaussichten (von 71% <strong>der</strong><br />
Befragtenals‚sehrwichtig‘bezeichnet)unddesallgeme<strong>in</strong>gutenRufs(5%)fällt.Dyl<br />
lick&Torgler(2007)habenihrerseitsnachgewiesen,dass40%<strong>der</strong>Führungskräfte<strong>in</strong><br />
den100grösstenSchweizerUnternehmen(62%<strong>der</strong>grösstenF<strong>in</strong>anzdienstleistungs<br />
unternehmen) Wirtschaftswissenschaften studiert haben (S.81). Ausserdem „s<strong>in</strong>d<br />
mehralsdieHälfte<strong>der</strong>wirtschaftswissenschaftlichenAbschlüsse<strong>der</strong>Führungskräfte<br />
an <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> erworben worden. Mit e<strong>in</strong>em Anteil von 52% liegt die<br />
HSGdamitdeutlichan<strong>der</strong>Spitze“(ebd.,S.86).DamitwirdimJahre2007je<strong>der</strong>fünfte<br />
SchweizerKonzernundjedesdritteSchweizerF<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>stitutvone<strong>in</strong>emAbsolventen<br />
<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>präsidiert.Manmussdavonausgehen,dasssichdie<strong>St</strong>udie<br />
renden<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,relativbetrachtet,durche<strong>in</strong>eüberdurchschnittliche<br />
AusrichtunganErfolg,GeldundKarriereauszeichnen.DieAuswertungenvonDyllick<br />
(2007)lassenz.T.aufe<strong>in</strong>esolcheOrientierungschliessen.Diewährenddes<strong>St</strong>udiums<br />
Berufstätigenarbeitenzu31%<strong>in</strong>denBereichenF<strong>in</strong>anzundVersicherungs<strong>in</strong>dustrie,<br />
zu22%<strong>in</strong><strong>der</strong>Beratung(vgl.ebd.,S.38).DieOrientierunganmateriellemReichtum<br />
zeigtsichauch<strong>in</strong><strong>der</strong>Beliebtheit<strong>der</strong>Arbeitgeberbeischweizerischen<strong>St</strong>udierenden<br />
<strong>der</strong>Wirtschaftswissenschaften.Ess<strong>in</strong>d2007diegrossenF<strong>in</strong>anzdienstleister,welche<br />
dieSpitze<strong>der</strong>Ranglistezieren.AufPlatz1stehtdieUBS,gefolgtvon<strong>der</strong>CreditSuisse<br />
aufRang3,PricewaterhouseCoopersaufRang4undErnst&YoungaufRang8(vgl.<br />
Klaffke,2007).<br />
ZurKlärung<strong>der</strong>Erwartungen<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendenbietetsichdieBetrachtung<strong>der</strong>von<br />
<strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> durchgeführten Befragungen an. Die befragten Master<br />
Absolventen erwarten fachlich gute Dozierende, <strong>in</strong>tellektuelle Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
unde<strong>in</strong>schnellesundeffizientes<strong>St</strong>udium.Relativwenigerwichtigstufensiee<strong>in</strong>ehar<br />
teundanspruchsvolleAusbildung,persönlicheEntwicklungsmöglichkeiten,<strong>in</strong>ternati<br />
onale Erfahrungen und die Forschungsorientierung des <strong>St</strong>udiums e<strong>in</strong> (vgl. Dyllick,<br />
2007,S.20).Herausragendbeidenbefragten<strong>St</strong>udierendenist<strong>der</strong>WunschnachBe<br />
rufsundPraxisorientierungdes<strong>St</strong>udiums,beziehungsweise<strong>der</strong>Wunschnache<strong>in</strong>er
236<br />
ausgeprägtenfachlichenAusbildung(vgl.Spoun,2005).DiesmagmitdemvonEgl<strong>in</strong><br />
Chappuis (2006) dokumentierten Wunsch nach <strong>der</strong> beruflichen Verwertbarkeit des<br />
<strong>St</strong>udiumszusammenhängen.DerWunschnache<strong>in</strong>emschnellenundeffizienten<strong>St</strong>u<br />
dium,<strong>der</strong>Wunschnache<strong>in</strong>emstarkpraxisorientierten<strong>St</strong>udiumwi<strong>der</strong>spricht<strong>der</strong>Idee<br />
<strong>der</strong> <strong>Universität</strong>, die für den Erwerb von wissenschaftlichem Denken und Handeln<br />
steht. Er wi<strong>der</strong>spricht <strong>der</strong> angestrebten Positionierung <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>.<br />
„Währendmane<strong>in</strong>erseits<strong>in</strong>jedemFallmehralsnure<strong>in</strong>enAbschlusserwerbenwill,<br />
s<strong>in</strong>dan<strong>der</strong>seitsdieErwartungenandas<strong>St</strong>udiumallesan<strong>der</strong>ealsvonForschungund<br />
Wissenschaften, den typischen Charakteristika e<strong>in</strong>es <strong>Universität</strong>sstudiums geprägt.<br />
Forschungsorientierungistnurfür0.3%<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendenamwichtigstenunddiewis<br />
senschaftlicheKompetenzfür3%,<strong>in</strong>desdieBerufsundPraxisorientierungsowiedie<br />
fachlicheKompetenzfürje31%sowiedieBerufsvorbereitungfür24%“(Spoun,2005,<br />
S.6).<br />
Dassoskizzierte<strong>St</strong>udiumgleichte<strong>in</strong>erfachlichenSchnellbleiche.„DieseErwartungen<br />
sollenoffensichtlichmöglichst‚schmerzfrei‘erfülltunddieKompetenzensollenmit<br />
möglichstger<strong>in</strong>genAnstrengungenerworbenwerdenkönnen,dennvölligunwichtig<br />
o<strong>der</strong>wenigwichtigs<strong>in</strong>ddieForschungsorientierungfür60%,dieEntwicklung<strong>der</strong>Per<br />
sönlichkeitfür47%,e<strong>in</strong>emöglichstharteundanspruchsvolleAusbildungfür38%und<br />
dieNutzungneuerLehrformenim<strong>St</strong>udiumfür37%<strong>der</strong><strong>St</strong>udierenden,währendbei<br />
spielsweisedieBerufsvorbereitungnurfür4%wenigo<strong>der</strong>völligunwichtigist.Ange<br />
sichts<strong>der</strong>grundlegenden Bildungsaufgabe<strong>der</strong> <strong>Universität</strong>, die auchund gerade die<br />
CharakterbildungdurchWissenschaftbedeutet,wirddieGrösse<strong>der</strong>zuschliessenden<br />
LückezwischenstudentischenErwartungenunduniversitärerRealitätbeivielen<strong>St</strong>u<br />
dierendendeutlich“(ebd.,S.6).DieseErwartungenwerdendannerfülltundbestätigt,<br />
wenn<strong>der</strong>wissenschaftlichenErziehungund<strong>der</strong>IdentitätsarbeitimCurriculumke<strong>in</strong>e<br />
BeachtunggeschenktundwennandenPrüfungentatsächlichnurWissenabgefragt<br />
wird.<br />
Das<strong>St</strong>udieren,dase<strong>in</strong>sameSuchennachFragenundAntwortennimmtim<strong>St</strong>udium<br />
<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>dannauche<strong>in</strong>enger<strong>in</strong>gen<strong>St</strong>ellenwerte<strong>in</strong>.Manlerntalle<strong>in</strong>e<br />
und man lernt auswendig. Im Vor<strong>der</strong>grund steht das Bewältigen <strong>der</strong> Prüfung. „Die<br />
wichtigstenundprägendenErfahrungenim<strong>St</strong>udiums<strong>in</strong>ddiePrüfungen.Hiersehen<br />
sichdie<strong>St</strong>udierendenamstärkstenpersönlichgefor<strong>der</strong>t,wasse<strong>in</strong>eErfahrungsspuren<br />
h<strong>in</strong>terlässt“(Dyllick,2005,S.9).Wenndie<strong>St</strong>udierendennachdenzentralenErfahrun<br />
gen<strong>in</strong>ihremMasterstudiumbefragtwerden,dannstehen„selbständigesArbeiten,
237<br />
Selbstdiszipl<strong>in</strong>,AufgabenbewältigenundanHerausfor<strong>der</strong>ungenwachsen“anerster<br />
<strong>St</strong>elle(Dyllick,2007,S.18).Danachfolgen„Kollegialität,Network<strong>in</strong>g,KontaktezuPro<br />
fessorenund<strong>St</strong>udierenden“(ebd.,S.18)und„Teamarbeit,TeamfähigkeitundGrup<br />
penerfahrung“(ebd.,S.18).Interessanterweisedom<strong>in</strong>iertimRückblickdiepersönli<br />
cheEntwicklung.Diesestelltaber,wieebengehört,für47%<strong>der</strong><strong>St</strong>udienanfängerke<strong>in</strong><br />
wichtigesZieldar.EsstelltsichdieFrage,obdieheuteundauch<strong>in</strong>dieserArbeitpro<br />
pagierte För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> überfachlichen Kompetenzen und die Entwicklung e<strong>in</strong>er<br />
selbstbestimmtenIndividualitätnichtD<strong>in</strong>ges<strong>in</strong>d,dieschonfrüher<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emUniversi<br />
tätsstudium angestrebt wurden. Es stelltsich die Frage, ob diese Erlebnisse für die<br />
<strong>St</strong>udierendenselbstverständlichzue<strong>in</strong>em<strong>St</strong>udiumdazugehören.<br />
Auch wenn die Master nach den erworbenen Kompetenzen befragt werden, zeigt<br />
sich e<strong>in</strong>e hohe Bedeutung des Erwerbs gewisser überfachlicher Kompetenzen. Die<br />
befragten<strong>St</strong>udierendenzeigensichmitdenBeiträgendes<strong>St</strong>udiumszurEntwicklung<br />
<strong>der</strong>„FähigkeitzumselbständigenArbeiten“,<strong>der</strong>„wissenschaftlichenKompetenz“und<br />
<strong>der</strong> „Fähigkeit zur Teamarbeit“ sehr zufrieden (vgl. ebd., S.19). Zufrieden s<strong>in</strong>d die<br />
<strong>St</strong>udierendenauchmitihrerfachlichenAusbildung(vgl.ebd.,S.19).Dagegenwerden,<br />
relativ gesehen, die Beiträge <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> zur Weiterentwicklung <strong>der</strong> „Fähigkeit,<br />
Verantwortungfüran<strong>der</strong>ezuübernehmen“,zuden„Fremdsprachenkenntnissen“,zu<br />
„Führungsfähigkeiten“ und zur „Fähigkeit zum Umgang mit Menschen aus an<strong>der</strong>en<br />
Kulturen“ als ger<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>gestuft (vgl. ebd., S.19). Diese Fesstellungen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Wie<br />
<strong>der</strong>holung<strong>der</strong>Ergebnisseaus<strong>der</strong>Befragung<strong>der</strong>Gymnasiasten<strong>in</strong>Kapitel8undsoll<br />
tenimH<strong>in</strong>blickaufdiegesellschaftlicheVerantwortung<strong>der</strong><strong>Universität</strong>undihrerAb<br />
solventen kritisch stimmen. Es sche<strong>in</strong>t, als würde das hier propagierte Ziel des zu<br />
kunftsorientiertenUmgangsmitOptionenan<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>nichtwirklich<br />
erreicht werden. Dyllick (2005) fasst zusammen: „Während somit zur Ausbildung<br />
zentralerSachundPersönlichkeitskompetenzengrosseBeiträgegeleistetwerden,ist<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>edieschlechteBeurteilung<strong>der</strong>FähigkeitzurAnwendungdesGelernten<br />
für e<strong>in</strong>en berufsbezogenen Abschluss wie den Bachelor und e<strong>in</strong>e praxisorientierte<br />
Institution wie die HSG e<strong>in</strong> beunruhigendes Zeichen. […] Aber auch die Ausbildung<br />
<strong>in</strong>terkultureller Kompetenzen sche<strong>in</strong>t stark verbesserungsbedürftig zu se<strong>in</strong>, wie aus<br />
denschlechtenNotenfürdieFör<strong>der</strong>ung<strong>der</strong>FremdsprachenkenntnisseunddenUm<br />
gangmitMenschenan<strong>der</strong>erKulturendeutlichwird“(ebd.,S.10).<br />
Wenn das alltägliche <strong>St</strong>udierverhalten genauer betrachtet wird, fällt auf, dass das<br />
selbstständigeLesenvonTexten,dievondenDozierendenangegebenundabgege
238<br />
benwerden,bei<strong>der</strong>Erarbeitung<strong>der</strong>Inhaltee<strong>in</strong>edom<strong>in</strong>ierendeRollee<strong>in</strong>nimmt(vgl.<br />
Dyllick,2007,S.14;Dyllick,2005;Euleretal.,2004).Abgeschlagenfolgenaufdenwei<br />
terenPlätzen<strong>der</strong>BesuchvonVorlesungen,dasErarbeiten<strong>der</strong>Inhaltemittelseigener<br />
Zusammenfassungen, <strong>der</strong> Besuch von Übungen und Tutoraten, das Erarbeiten <strong>der</strong><br />
Inhalte mittels frem<strong>der</strong> Zusammenfassungen und schliesslich die Mitarbeit <strong>in</strong> Lern<br />
gruppen(vgl.Dyllick,2007,S.14).<strong>St</strong>udierenistbeidenbefragten<strong>St</strong>udierendene<strong>in</strong>e<br />
Angelegenheit,diemanalle<strong>in</strong>e<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>St</strong>udierstubeerledigt.<strong>St</strong>udiereniste<strong>in</strong>eAnge<br />
legenheit,diebeie<strong>in</strong>erMehrzahl<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendenvonaussengelenktundbestimmt<br />
wird.Manorientiertsichan<strong>der</strong>Prüfungundnichtanse<strong>in</strong>enInteressen.<strong>St</strong>udierenist<br />
e<strong>in</strong>eTätigkeit,diee<strong>in</strong>emAuswendiglernenvonFaktenentspricht.Eswäreallerd<strong>in</strong>gs<br />
voreilig,aufgrund<strong>der</strong>bishergemachtenAussagenaufe<strong>in</strong>ehomogeneLernkultur<strong>der</strong><br />
<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>zuschliessen,<strong>in</strong><strong>der</strong>extr<strong>in</strong>sischmotivierte,geldundkarriere<br />
geile<strong>St</strong>udenten<strong>in</strong>möglichstkurzerZeitmöglichstvielprüfungsrelevantesWissen<strong>in</strong><br />
sichstopfen.Dasmassunds<strong>in</strong>nloseAufsaugenvonWissenistgewissdiee<strong>in</strong>eSeite<br />
<strong>der</strong>Lernkultur<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>.Eswirdvondenextr<strong>in</strong>sischenMotivations<br />
lagen<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendenundvomPrüfungsverhalten<strong>der</strong>Dozierendenprovoziert.Es<br />
istdas<strong>St</strong>udieren,dasdienegativenImagekomponenten<strong>der</strong>HSGprägtundgeprägt<br />
hat.Esiste<strong>in</strong><strong>St</strong>udieren,welchesdasZielundnichtdenWeg<strong>in</strong>denFokusnimmt.Die<br />
Zielorientierungmussdabe<strong>in</strong>ichtnurnegativgedeutetwerden.Sieenthältauchdie<br />
ElementeEffizienz,Ehrgeiz,BewegungsdrangundBegeisterung.Die<strong>St</strong>udierenden<strong>der</strong><br />
<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>kennenihreZieleun<strong>der</strong>reichensie.„Wennmanesjetztplatt<br />
sagenwürde,denkeichschon,dasssich<strong>der</strong><strong>St</strong>udenthier<strong>in</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>durche<strong>in</strong>ege<br />
wisse Zielstrebigkeit auszeichnet. Er schätzt e<strong>in</strong>e gewisse <strong>St</strong>rukturiertheit des <strong>St</strong>u<br />
diums.ErsuchtLeitplanken.EristfrohumklareAngaben,waszutunist“(Interview<br />
FranziskaZellwegerMoser,3.Oktober2007).<br />
Besorgt über Lernkultur äusserte sich vor e<strong>in</strong>iger ZeitSaschaSpoun. „Wirhaben <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong>Gesamttendenz<strong>in</strong><strong>der</strong>LernkulturProbleme,diemirSorgenmachen.Wirarbeiten<br />
längerschonandieserSorge,habenabernochnichtdieLösung.Ichglaube,dasswir<br />
vone<strong>in</strong>er<strong>in</strong>teressengetriebenen,fairen,aufTeilungunterKommilitonenausgerichte<br />
ten kont<strong>in</strong>uierlichen Lernkultur weit entfernt s<strong>in</strong>d. Ich glaube, die an verschiedenen<br />
<strong>St</strong>ellenzubeobachtendeLernkulturisteigentlichmitdasenttäuschendsteErgebnis<br />
<strong>der</strong> gesamten Reformumbauten“ (Interview Sascha Spoun, 13. April 2005). Dieter<br />
EulerbegründetdiezubeobachtendeLernkulturmitdenan<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong><br />
weit verbreiteten didaktischen Konzeptionen, die e<strong>in</strong> ebensolches Lernen för<strong>der</strong>n.
239<br />
„IchhaltedieHerangehensweise<strong>in</strong>diesem<strong>St</strong>udiumfürzutraditionell,fürzusehrauf<br />
traditionelle LehrLernKulturen ausgerichtet. Lernen ist zu sehr auf e<strong>in</strong> prüfungs<br />
orientiertes Vorratslernen aus. Neuerd<strong>in</strong>gs gibt es ja diesen Begriff des Bulimieler<br />
nens.ManüberfrisstsichanInhalten,umsiedanachwie<strong>der</strong>auszuspucken.Dashat<br />
sich<strong>in</strong>denletztenJahrensicherlichetwasverän<strong>der</strong>t.Undichf<strong>in</strong>dedasauchpositiv.<br />
AberdasangesprocheneLernenistimmernochsehrstarkausgeprägt.In<strong>der</strong>BWList<br />
esglaubeichstärkerausgeprägtalsetwa<strong>in</strong>denLehrangeboten<strong>der</strong>KWAo<strong>der</strong>ande<br />
renBereichen.Dashalteichimmernochfüre<strong>in</strong>Defizit.DaszweiteMankoist,dass<br />
icheigentlichnursehrpunktuelle<strong>in</strong>eWissenschaftsorientierung<strong>in</strong><strong>der</strong>Lehreerken<br />
ne.Wennman<strong>in</strong>e<strong>in</strong>erLehrveranstaltungD<strong>in</strong>gebr<strong>in</strong>gt,dienichtunmittelbarPraxis<br />
verwertbarkeit signalisieren, dann werden sie von den <strong>St</strong>udierenden schnell <strong>in</strong>frage<br />
gestellt.Jetztkannmansagen,dasss<strong>in</strong>ddieKunden,diebestimmen,wasgebracht<br />
wird.Aberichf<strong>in</strong>de,esiste<strong>in</strong>eFrage<strong>der</strong>Profilbildunge<strong>in</strong>er<strong>Universität</strong>,dassman<br />
dieseWissenschaftsseiteprofiliertundausprägt,unddasistfürmichhierdochten<br />
denziellnochsehrschwachausgeprägt.DieBWL,diejaimmeretwasanfälligfürre<br />
zeptologischeAussagen,fürvielleichtnichtimmerstrengwissenschaftlichabgestütz<br />
teAussagenist,tutsichhiervielleichtnochschwereralse<strong>in</strong>eVWL,dievielstärker<br />
modelltheoretischarbeitet,o<strong>der</strong>ebenauchalsdiesozialwissenschaftlichenKernfä<br />
cher,alsdieSoziologen,Politologen,diedavonihrerdiszipl<strong>in</strong>ärenTraditionherviel<br />
stärkere<strong>in</strong>ewissenschaftlicheAusrichtunghaben“(InterviewDieterEuler,20.August<br />
2007).<br />
Das Problem <strong>der</strong> <strong>St</strong>offhuberei erwähnt auch Spoun. „Wir haben e<strong>in</strong> Problem <strong>der</strong><br />
<strong>St</strong>uffhuberei. Und zwar ist das e<strong>in</strong> beidseitiges. Das ist e<strong>in</strong>es auf Dozierendenseite<br />
genausowieauf<strong>St</strong>udierendenseite,unddamitgeht<strong>der</strong>BlickfürsWesentlicheverlo<br />
ren.Damitgehte<strong>in</strong>enatürlicheAnwendungdessen,wasmanerworbenhat,verloren.<br />
Unddamithabenwirke<strong>in</strong>elangsamsichaufbauendeundwachsendeWissenskurve,<br />
son<strong>der</strong>nwirhabenerratischeHöhenvorirgendwelchenPrüfungen.Genauwiediese<br />
angestiegens<strong>in</strong>d,fallensieanschliessendwie<strong>der</strong>ab.Dasheisst,nache<strong>in</strong>erlängeren<br />
Zeitistfürmichzuwenigübrig.Unddasiste<strong>in</strong>echtesProblem“(InterviewSascha<br />
Spoun,13.April2005).SpounortetdasProblem<strong>der</strong><strong>St</strong>uffhuberei<strong>in</strong>e<strong>in</strong>ermangelhaf<br />
tenKommunikationdesBildungsverständnisses.„AlsodasProblemist,dassdieBil<br />
dungsideezuwenigbekanntist,zuwenigstarkimVor<strong>der</strong>grundstehtundstattdessen<br />
dasAbsolvierenvonKursenunddasErwerbenvonCredits,diedannnichte<strong>in</strong>malan<br />
absolutenZielengemessenwerden,son<strong>der</strong>nanrelativen–achichweissdoch,durch
240<br />
dieunddieKursekommeichmitsoundsowenigAufwanddurch.Undwenndann<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>emKurs<strong>der</strong>Aufwanddochetwasgrösserist,dannistdasGeschreigross,obwohl<br />
wirunseigentlichvonabsoluten<strong>St</strong>andardsnochweitwegbewegen.Unddasistdann<br />
ke<strong>in</strong>lernför<strong>der</strong>lichesKlima“(ebd.).DieseAusführungenverleihen<strong>der</strong>For<strong>der</strong>ungnach<br />
<strong>der</strong> <strong>St</strong>ärkung <strong>der</strong> universitären Identität, nach e<strong>in</strong>er Kommunikationsoffensive und<br />
nache<strong>in</strong>erpädagogischdidaktischenSensibilisierungzusätzlichenAufw<strong>in</strong>d.DieAus<br />
führungenstärkendieAbsicht,dasCurriculum<strong>der</strong>Betriebswirtschaftslehremitper<br />
sönlichkeitsbildendenund<strong>in</strong>dieWissenschafte<strong>in</strong>führendenBauste<strong>in</strong>enzuergänzen.<br />
TrotzdeszumTeilweniglernför<strong>der</strong>ndenKlimaskönnenbe<strong>in</strong>ähererBetrachtungzwei<br />
Typen von <strong>St</strong>udierenden unterschieden werden. Sie zeichnen sich durch e<strong>in</strong> unter<br />
schiedliches <strong>St</strong>udierverhalten aus. Re<strong>in</strong> quantitativ markiert die für das <strong>St</strong>udieren<br />
aufgewendeteZeitdieDifferenz.„Die<strong>St</strong>udierenden,dienurwenigZeitfürdenBe<br />
such <strong>der</strong> Lehrveranstaltungen aufwenden, wenden auch nur wenig Zeit für eigen<br />
ständiges <strong>St</strong>udieren auf, und diejenigen, die viel Zeit für Lehrveranstaltungen auf<br />
wenden,wendenauchammeistenZeitfüreigenständiges<strong>St</strong>udierenauf.Esbesteht<br />
somitauchke<strong>in</strong>eSubstitutionsbeziehungzwischen<strong>der</strong>IntensitätdesLehrveranstal<br />
tungsbesuchesund<strong>der</strong>deseigenständigen<strong>St</strong>udierens,son<strong>der</strong>ne<strong>in</strong>egleichgerichtete<br />
Beziehung.OffenbargibtesunterdenBachelorszweisehrunterschiedlicheTypenvon<br />
<strong>St</strong>udierenden, Intensivstudierende und Extensivstudierende“ (Dyllick, 2005, S.5). Die<br />
Zuteilungzue<strong>in</strong>em<strong>der</strong>beidenTypenkorreliertnichtmit<strong>der</strong>Leistungsstärke<strong>der</strong><strong>St</strong>u<br />
dierenden. „Unter den Extensivstudierenden f<strong>in</strong>den sich <strong>St</strong>udierende mit e<strong>in</strong>em<br />
schlechten Maturaschnitt, jedoch deutlich mehr <strong>St</strong>udierende mit e<strong>in</strong>em sehr guten<br />
Abiturschnitt.InteressanterweisespielenaberUnterschiedeimNotenschnittamEn<br />
de<strong>der</strong>Assessmentstufeo<strong>der</strong><strong>der</strong>BachelorstufefürdieseFrageke<strong>in</strong>eRolle.Mitande<br />
renWorten:Obman<strong>in</strong>tensivo<strong>der</strong>extensivstudiert,spiegeltsichoffenbarnicht<strong>in</strong>den<br />
Noten,diemanerzielt“(ebd.,S.5).Esistzuvermuten,dassdiefürdas<strong>St</strong>udiumauf<br />
gewendete Zeit nicht aufgrund e<strong>in</strong>er tieferen Leistungsstärke, son<strong>der</strong>n durch das<br />
Ausschöpfenvon<strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sischenMotivationsquellenzustandekommt.„Intr<strong>in</strong>sischmo<br />
tivierts<strong>in</strong>dnursolcheAktivitäten,diealle<strong>in</strong>umdesTätigkeitsvollzugswegenausge<br />
führtwerden“(Rhe<strong>in</strong>berg,2002,S.152).<br />
MankönntedasLernen<strong>der</strong>extr<strong>in</strong>sischmotivierten<strong>St</strong>udierendenalsmaterialorien<br />
tierteso<strong>der</strong>bl<strong>in</strong>desLernenbezeichnen.EsorientiertsichamAbschluss,an<strong>der</strong>durch<br />
das<strong>St</strong>udiumgeneriertenmaterialenBildung,amerworbenenfachlichenWissen.Man<br />
marschiertdurchdieLernLehrUmgebungen,ohnenachl<strong>in</strong>kso<strong>der</strong>rechtszuschau
en,ohnesich<strong>in</strong>denInhaltenzuverlieren.Manorientiertsichan<strong>der</strong>Prüfung,amAb<br />
241<br />
schluss,an<strong>der</strong>goldigglänzendenZukunft.Dasformalorientierteo<strong>der</strong>offeneLernen<br />
dagegen betrachtet die behandelten Inhalte als Möglichkeit zur formalen Bildung.<br />
Manvertieftsich<strong>in</strong>denangebotenenInhalten,lässtsichaufUmwegee<strong>in</strong>,lässtsich<br />
<strong>in</strong>nichtvorgeschriebeneQuellendriftenundgewichtetdenWeg,dasLernenebenso<br />
wiedasZiel, diePrüfung.Eswärezuklären,<strong>in</strong>wieferndiesezwei<strong>St</strong>udiertypenmit<br />
zweiverschiedenennormativenTypen<strong>in</strong>Verb<strong>in</strong>dunggebrachtwerdenkönnen.Gibt<br />
ese<strong>in</strong>eGruppevon<strong>St</strong>udierenden,dievielZeitfürdas<strong>St</strong>udiumaufwendetunddas<br />
<strong>St</strong>udiumgleichzeitigals<strong>in</strong>tellektuelleHerausfor<strong>der</strong>ungundnichtnuralsKarrierehilfe<br />
betrachtet,dieeherdasWohl<strong>der</strong>GesellschaftalsdaseigeneWohlmaximierenwill?<br />
Soo<strong>der</strong>sogibtese<strong>in</strong>zutreffen<strong>der</strong>esBildalsdasBild<strong>der</strong>Zweiteilung.Die<strong>St</strong>udieren<br />
den<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>zeichnensichnach<strong>der</strong>Me<strong>in</strong>ung<strong>der</strong>befragtenExperten<br />
durchHeterogenitätaus.„Ichb<strong>in</strong>imMomentdabei,imRahmene<strong>in</strong>esForschungs<br />
projektesInterviewszuführenzuZeitmanagementstrategienundzumeigenenLern<br />
verhalten.Undichstelleeigentlichschonfest,dassesdentypischen<strong>St</strong>udentennicht<br />
unbed<strong>in</strong>gtgibt.Icherlebedie<strong>St</strong>udierenden<strong>in</strong>ihremVerhalten,<strong>in</strong>ihrenErwartungen<br />
als wirklich sehr sehr vielfältig“ (Interview Franziska Zellweger Moser, 3. Oktober<br />
2007).DiesbestätigtauchDieterEuler:„Ja,icherlebedieLernkulturalssehrhetero<br />
gen.Esgibtsicherlich<strong>St</strong>udierende,welchedieFormdeseigenaktivenundselbstver<br />
antwortlichenLernenssowohlwünschenalsauchschonhochgradigbewältigenkön<br />
nen. Aber es gibt natürlich auch den Teil <strong>der</strong> <strong>St</strong>udierenden, <strong>der</strong> sehr stark noch<br />
fremdgesteuert lernt, <strong>der</strong> prüfungspensenorientiert lernt, <strong>der</strong> grosse Sicherheit<br />
braucht im Lernprozess, also sich nicht mal auch durch unsicheres Terra<strong>in</strong> bewegt,<br />
undwennermaldase<strong>in</strong>eo<strong>der</strong>an<strong>der</strong>estudierthat,nichtimmergleichwissenmuss,<br />
wasjetztdieMusterlösungist.Undichhabedurchme<strong>in</strong>eErfahrungen,me<strong>in</strong>eLehr<br />
veranstaltungendenE<strong>in</strong>druck,dass<strong>der</strong>zweiteTypus,dassdaszweiteExtremhier<strong>in</strong><br />
<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>nochetwasstärkerrepräsentiertist.AlsoesgibtbeideExtreme,undesist<br />
vondaherauchschwierig,beidengleichzeitiggerechtzuwerden.Aber<strong>der</strong>zweiteTy<br />
pus ist sicherlich <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong>, wahrsche<strong>in</strong>lich auch aus Vorgängerschulen heraus<br />
motiviert,möglicherweisenochdieMehrheitbildet“(InterviewDieterEuler,11.April<br />
2005).<br />
Die Prägung durch Vorschulen streicht auch Spoun heraus. „Jetzt ist die Frage, die<br />
sichstellt,liegtdasdennanuns?Unddageheichdavonaus,dass<strong>der</strong>grossegesamt<br />
gesellschaftlicheTrend,<strong>der</strong>ausdenVorgängerschulenkommt,vielgrösseristals<strong>der</strong>
242<br />
kle<strong>in</strong>eE<strong>in</strong>fluss,denwirhaben.DasProblem<strong>der</strong>Lernkulturistjabereitsnachwenigen<br />
Wochen sichtbar. Da ist <strong>der</strong> HSGE<strong>in</strong>fluss so ger<strong>in</strong>g, dass offensichtlich an<strong>der</strong>e Ele<br />
mentevorliegenmüssen.Ichkanndasauchnochan<strong>der</strong>sbegründen:Ichunterrichte<br />
janichtnurhier<strong>in</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,son<strong>der</strong>nauchnochanan<strong>der</strong>en<strong>Universität</strong>en.Dorts<strong>in</strong>d<br />
dieZuständenochvielbedenklicheralshier.[…]Und<strong>in</strong>soferngesehen,s<strong>in</strong>dwir<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
Lernkulturbesseralsan<strong>der</strong>norts,aberlangelangenichtdort,wowirse<strong>in</strong>müsstenfür<br />
e<strong>in</strong>ewirklichnachhaltigeBildung“(InterviewSaschaSpoun,13.April2005).Wiede<br />
rumgiltesaufdieIdentität<strong>der</strong><strong>Universität</strong>zuverweisen,dieeswahrsche<strong>in</strong>lichaus<br />
macht,dasse<strong>in</strong>gewisserTypusvon<strong>St</strong>udierendenunde<strong>in</strong>gewisserTypusvonDozie<br />
rendenangelocktwird.<br />
Beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit gilt es <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> didaktischen Designs den Lerner<br />
folgsprüfungen zu schenken. Sie steuern massgeblich das Verhalten <strong>der</strong> <strong>St</strong>udieren<br />
den.„DieeigeneÜberzeugung,wie‚guter‘Unterrichtzugestaltenist–dieeigenen<br />
LehrLernkonzeption–,prägtdengesamtenProzess<strong>der</strong>ModulundLektionsplanung,<br />
alsoauchdieKonzeptiondesLeistungsnachweises“(Futter,2007,S.9).Lernziele,me<br />
thodischesVorgehenundLernerfolgsprüfungbilden,wievornegesehen,e<strong>in</strong>eTrias,<strong>in</strong><br />
unsererSprachedieLernLehrUmgebung.IndieserTriaskanneszuBrüchenkom<br />
men.Sieentstehendeshalb,weildieDozierendenwenigmitdidaktischenFragestel<br />
lungen vertraut s<strong>in</strong>d, weil sie ke<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>samen LernLehrVerständnis folgen,<br />
weilihrepädagogischenModellenichtausdifferenzierts<strong>in</strong>d.SiefolgenihrerIntuition,<br />
ohne diese mit didaktischen Vokabeln begründen zu können. „Ich glaube, dadurch<br />
dass Dozierende eigentlich Laienpädagogen s<strong>in</strong>d, haben sie wenig Wortschatz und<br />
wenige Konzepte, um differenziert über Lehre nachzudenken. Trotzdem ist es ers<br />
taunlich,welchementalenModelledieDozierendenüberdieLehreentwickeln.Ich<br />
f<strong>in</strong>deesextremfasz<strong>in</strong>ierend,sichmitDozierenden,mitProfessorenüberdieLehrezu<br />
unterhalten, weil je<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e so e<strong>in</strong>zigartige Herangehensweise, weil je<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e sehr<br />
reflektierteHerangehensweisepflegt.AberdieseModelleerlebeichnichtalssehrfle<br />
xibel.Undichführedasschonauchdaraufzurück,dasse<strong>in</strong>Wortschatzfehlt,umsol<br />
cheD<strong>in</strong>gedifferenziertauszulegen.UnddaglaubeichschonandenWertvonpäda<br />
gogischerAusbildung,umsichstetigh<strong>in</strong>terfragenzukönnen,umInnovationauchkri<br />
tisch prüfen zu können, um stabile Konzepte herauszubilden“ (Interview Franziska<br />
ZellwegerMoser,3.Oktober2007).<br />
Erneut wird die Bedeutung e<strong>in</strong>es geme<strong>in</strong>sam geteilten Bildungsverständnisses klar.<br />
Das Bildungsverständnis wirkt sich auf die <strong>St</strong>rukturierung des Curriculums, auf die
243<br />
Formulierung von Lernzielen, auf die e<strong>in</strong>gesetzten Lernmethoden, Lernmaterialien<br />
undLernerfolgsprüfungenaus.DieDozierendensche<strong>in</strong>enaussubjektiverDistanzzu<br />
wenigsensibilisiert,umdasdurchdieNKLangestrebte–wennauchnichtvonallen<br />
verstandene und <strong>in</strong>ternalisierte – Bildungsverständnis vollumfänglich umzusetzen.<br />
Ihnen fehlt es an Konzepten und e<strong>in</strong>er pädagogischdidaktischen Sprache, um das<br />
eigene pädagogischdidaktische Denken und Handeln zu reflektieren. Um aber die<br />
Positionierung e<strong>in</strong>er <strong>Universität</strong> verwirklichen zu können, müssen die Dozierenden<br />
entsprechendgeschultwerden.Dasheisstnunnicht,dassallegenaudasselbeVer<br />
ständnisvonguterLehreentwickelnsollen.AberdieDozierendensollenwissen,was<br />
sietun.Siesollenübere<strong>in</strong>pädagogischesH<strong>in</strong>tergrundwissenverfügen,umihrpäda<br />
gogisches Denken und Verhalten reflektieren zu können und pädagogisch selbst<br />
bewusster und selbstsicherer zu werden, um mit ihrem pädagogischdidaktischen<br />
DenkenundHandelne<strong>in</strong>emBildungsverständnisfolgenzukönnen.Siesollendieses<br />
Bildungsverständnisgeme<strong>in</strong>samentwickeln,umsichmitdenLeitl<strong>in</strong>ienidentifizieren<br />
zukönnen.
244<br />
10. DasBeispiel<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>:DerkonkreteWeg<strong>in</strong>dieZukunft<br />
10.1. DieReform<strong>der</strong>Reform<br />
G<strong>in</strong>gesbisherdarum,denIstzustandzudokumentieren,zuanalysierenundzube<br />
werten,wirdnundasAugenmerkaufdieZukunft<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>gerichtet.<br />
Die e<strong>in</strong>genommene Perspektive entspricht <strong>der</strong>jenigen des Unternehmensberaters,<br />
<strong>der</strong>aufzeigt,wiedasGrundstudium<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>optimiertwerdenkönn<br />
te.Diesimpliziert,dassdieAussagenehernormativdennwissenschaftlichimklassi<br />
schenS<strong>in</strong>nes<strong>in</strong>d.<br />
Die Beratung schliesst die Konfiguration des Wertschöpfung (vgl. Belz & Bieger,<br />
2004),dieArbeitan<strong>der</strong>universitärenIdentitätsowie<strong>in</strong>terneundexterneKommuni<br />
kationsaufgabene<strong>in</strong>.DieEmpfehlungen<strong>in</strong>diesemKapitels<strong>in</strong>d<strong>der</strong>Subjektivitätnoch<br />
mehrausgesetztalsdievorangegangeneBeschreibungdesIstzustandes.Eswirdhier<br />
e<strong>in</strong>möglicherWeg<strong>in</strong>dieZukunftgedacht.ImGegensatzzurDiagnosewerden<strong>in</strong>die<br />
sem Kapitel auch an<strong>der</strong>e <strong>Universität</strong>en betrachtet. Die Wahl von organisationalen<br />
<strong>St</strong>rategienf<strong>in</strong>detschliesslichstets<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emkompetitivenUmfeldstatt.Dieherange<br />
zogenenFälledienenzurVisualisierungvonLösungsansätzen<strong>der</strong>Probleme,mitde<br />
nensichauchdie<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>konfrontiertsieht.AlsVergleichsfälledienen<br />
dievon<strong>der</strong>„F<strong>in</strong>ancialTimes“ermitteltenbestenBus<strong>in</strong>essSchoolsbzw.GeneralMa<br />
nagementMasterEuropas(vgl.F<strong>in</strong>ancialTimes,2007,2007a).Zusätzlichwurden<strong>der</strong><br />
Master des Malik <strong>Management</strong> Zentrums, die <strong>Universität</strong>en Bern, Mannheim und<br />
LüneburgsowiedieFachhochschuleBernberücksichtigt.<strong>St</strong>renggenommenstelltdas<br />
begonnene erste Teilkapitel des letzten Kapitels e<strong>in</strong>e Vertiefung <strong>der</strong> Diagnose des<br />
Zustandesdar.Esersche<strong>in</strong>tnötig,umdenWeg<strong>in</strong>dieZukunftdenbestehendenVer<br />
hältnissenanpassenzukönnen.<br />
DiebisherigenAusführungensolltendeutlichgemachthaben,dassdie<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<br />
<strong>Gallen</strong>mitihrem<strong>St</strong>udium<strong>der</strong>Betriebswirtschaftbereitsgutdasteht.Auchwenndas<br />
Lob<strong>in</strong>diesenSeitenzuspärlichausgefallense<strong>in</strong>sollte,soistdieQualität<strong>der</strong>Lehre<br />
unbestritten.DieErfolge<strong>der</strong>letztenJahre,diean<strong>der</strong>Oberflächealsständigverbes<br />
serte Rank<strong>in</strong>gpositionen o<strong>der</strong> im Gew<strong>in</strong>n des MedidaPrix (vgl. MedidaPrix, 2008)<br />
sichtbarwerden,s<strong>in</strong>dke<strong>in</strong>eZufälle.AberimRahmene<strong>in</strong>erDissertationbietetessich<br />
an,dasSchwergewichtaufdieKritikzulegen.Dieseermöglichtes,neben<strong>der</strong>Analyse<br />
vonProblemenauchkonkreteLösungenzuerarbeiten.An<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong><br />
bestehen wie an allen an<strong>der</strong>en <strong>Universität</strong>en Optimierungspotenziale. Die perfekte
<strong>Universität</strong>gibtesnicht.Die<strong>Universität</strong>iste<strong>in</strong>Prozess,e<strong>in</strong>fortlaufendesOrganisie<br />
245<br />
ren, e<strong>in</strong>e lernende Organisation (vgl. Probst, 1998). Die umfassenden Reformen zu<br />
Beg<strong>in</strong>ndes21.Jahrhun<strong>der</strong>tsmit<strong>der</strong>ÜberarbeitungdesLogos,des<strong>St</strong>.GallerMana<br />
gementmodellsund<strong>der</strong>Lehremünden<strong>in</strong>e<strong>in</strong>eReform<strong>der</strong>Reform.„Wirredenjahier<br />
anvielen<strong>St</strong>ellenvon<strong>der</strong>Reform<strong>der</strong>Reform.Dasheisst,manerkenntzunehmendOp<br />
timierungs, Verbesserungspunkte undbedürfnisse, und daran müssen wir jetzt ar<br />
beiten“(InterviewDieterEuler,20.August2007).<br />
ParallelzudiesenReformenistdie<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>ume<strong>in</strong>everstärkteInterna<br />
tionalisierungbemüht.Auf<strong>der</strong>Homepagegibtmansichselbstbewusstun<strong>der</strong>weckt<br />
denE<strong>in</strong>druck,schonbaldzur<strong>in</strong>ternationalenSpitzengruppezugehören.„Zusammen<br />
mit thematischen Schwerpunkten […] wollen wir uns fokussiert <strong>in</strong>ternationalisieren<br />
unddieHSGzue<strong>in</strong>embegehrten<strong>St</strong>udienort,WissenschaftsplatzundNetzwerkknoten<br />
im H<strong>in</strong>blick auf wichtige Zielregionen undkulturen <strong>der</strong> Weltwirtschaft entwickeln.<br />
Gleichzeitiggehtesaberauchdarum,das<strong>in</strong>ternationaleNetzwerkwomöglichund<br />
s<strong>in</strong>nvollfürdieRegionzuerschliessen,um<strong>der</strong>enweitereUnterstützungzuerlangen;<br />
nicht obwohl, son<strong>der</strong>n weil wir uns <strong>in</strong>ternationalisieren“ (<strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>,<br />
2007f.). Aber ist <strong>der</strong> Spagat zwischen den Bedürfnissen <strong>der</strong> Region und denen <strong>der</strong><br />
globalenMarkwirtschaftnichtdochzugross?IstdieUnterrichtssprache<strong>in</strong><strong>der</strong>Spit<br />
zengruppe<strong>der</strong><strong>Universität</strong>ennichtausschliesslichEnglisch?ZeichnensichdieUniver<br />
sitäten <strong>der</strong> Spitzengruppe nicht durch die Ausbildung von Forschenden statt durch<br />
dieAusbildungvonPraktikernaus?Waresnichtimmerdie<strong>St</strong>ärke<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<br />
<strong>Gallen</strong>, e<strong>in</strong>e hervorragende <strong>St</strong>ätte <strong>der</strong> Ausbildung von Praktikern zu se<strong>in</strong>? Warum<br />
konzentriertmansichnichtaufdieeigeneKulturraumgruppe,anstattsichdurchdie<br />
OrientierungamWeltmarktvielleichtzuübernehmen?Wasüberhaupts<strong>in</strong>ddieVor<br />
teile<strong>der</strong>OrientierungamglobalenWettbewerb?Undwiewillmansichselbstbegeh<br />
renswertmachen?ÄhnlicheFragenstelltesichanlässlich<strong>der</strong>Nie<strong>der</strong>schriftse<strong>in</strong>erDis<br />
sertation und des 100JahrJubiläums <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> auch Sascha Spoun<br />
(1998a).„WostehtdieHSG<strong>in</strong>Bezugaufdiean<strong>der</strong>enschweizerischenundeuropäi<br />
schen<strong>Universität</strong>en?WiewerdendieKernprozesse<strong>der</strong>Qualität,<strong>der</strong>Innovation,<strong>der</strong><br />
AuswahlundFör<strong>der</strong>ung<strong>der</strong><strong>Universität</strong>sangehörigen,<strong>der</strong>BeziehungzuInteressens<br />
gruppenund<strong>der</strong>Integrationpraktiziert?BesitztdieHSGdienotwendigen<strong>St</strong>ärken,um<br />
sichimWettbewerbnachangelsächsischen<strong>St</strong>rukturenzubehaupteno<strong>der</strong>liegendie<br />
Gründe ihrer Erfolgsposition nicht vielmehr <strong>in</strong> ihrer lokalen Vernetzung?“ (ebd.,<br />
S.584).
246<br />
Problematisch<strong>in</strong>diesemZusammenhangersche<strong>in</strong>t,dassimRahmen<strong>der</strong>EQUISRe<br />
AkkreditierungBreiteundGeschw<strong>in</strong>digkeit<strong>der</strong>Internationalisierung<strong>der</strong><strong>Universität</strong><br />
<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>bemängeltwerden(vgl.Dyllick,2004).E<strong>in</strong>eregionale<strong>St</strong>ärkeistnichtauto<br />
matisch e<strong>in</strong>e globale Erfolgsposition. Was global ankommt, wird regional vielleicht<br />
verschmäht.WassichregionalgrosserBedeutungerfreut,istaufdemglobalenPar<br />
kettvielleichte<strong>in</strong>eMarg<strong>in</strong>alie.DerWeg<strong>der</strong>globalenScientificCommunityistnicht<br />
zw<strong>in</strong>gend<strong>der</strong>gleicheWeg,dendiehiesigenProfessorengehenwollen.Trotzdemist<br />
esoffensichtlich,dassdie<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>an<strong>der</strong>globalenDiskussionteilhaben<br />
will.Ihre<strong>St</strong>rategenglauben,dassdieserWegnurdurchdasAushaltenvonSpannun<br />
gen gel<strong>in</strong>gen wird. „Aufgrund dieser Umfeldentwicklung kann sich die BWA [be<br />
triebswirtschaftliche Abteilung] <strong>der</strong> HSG mit ihren spezifischen Voraussetzungen<br />
nichte<strong>in</strong>fachentscheidenzwischenden<strong>St</strong>rategien<strong>in</strong>ternationalforschungsorientier<br />
tergegenüberregionalerMassenausbildungsuniversität.SiemussimGegenteildurch<br />
e<strong>in</strong>e geschickte Portfoliopolitik versuchen, diese ‚Welten‘ zu komb<strong>in</strong>ieren und durch<br />
<strong>in</strong>tegrierte Geschäftsmodelle sich gegenseitig verstärken zu lassen. Die HSG kann<br />
auchregionalnurdanne<strong>in</strong>eSpitzenuniversitätse<strong>in</strong>,wennsiee<strong>in</strong>estarke<strong>in</strong>ternationa<br />
leAusstrahlungaufweist,weilDozierende,die<strong>St</strong>udierendenunddiePartner<strong>in</strong>Praxis<br />
(<strong>in</strong>ternationaleKonzernspitzen)undScientificCommunityebenfallszunehmend<strong>in</strong>ter<br />
nationalisiertwerden“(<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,2007n).ImS<strong>in</strong>ne<strong>der</strong>Problemorientie<br />
rungkönntemanfolgernundzusammenfassen,dasssichdie<strong>Universität</strong>durchThe<br />
menundProblemlösungenimglobalenundregionalenMarktpositionierenmuss.Es<br />
gilt<strong>in</strong>denentsprechendenKreisenaufsichaufmerksamzumachen.DieshatKonse<br />
quenzenfürdieForschungunddiehierbehandelteLehre.Die<strong>in</strong><strong>der</strong>Forschungbe<br />
setztenThemensollten<strong>in</strong>Masterlehrgängetransformiertwerden,diesichandensel<br />
benThemenwiediejeweiligeForschungorientieren.<br />
Die Profilbildung führt im Market<strong>in</strong>g gemäss <strong>der</strong> InsideoutPerspektive über die<br />
Kernkompetenzen und gemäss <strong>der</strong> Outside<strong>in</strong>Perspektive über die Bedürfnisse <strong>der</strong><br />
Kunden.FürdieGenerierunge<strong>in</strong>ervorteilhaften<strong>St</strong>ellunggiltesdiePerspektivevon<br />
<strong>Universität</strong>undUmwelt<strong>in</strong>E<strong>in</strong>klangzubr<strong>in</strong>gen.MitdenBedürfnissenundEigenarten<br />
<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendensowie<strong>der</strong>UmwelthatsichdieseArbeitmittlerweilegenügendaus<br />
e<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gesetzt.Wasfüre<strong>in</strong>umfassendesBildnochfehlt,istdieInnensicht.Siekann<br />
hier allerd<strong>in</strong>gs nur stiefmütterlich behandelt werden. Für Bernhardt (2006), <strong>der</strong> an<br />
<strong>der</strong>Neupositionierung<strong>der</strong>Marke<strong>Universität</strong>beteiligtwar,stelltedieseFrageke<strong>in</strong>e<br />
Schwierigkeitdar.„ImFall<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>wurdeschnelldeutlich:Unsere
KernkompetenzistdieLehre,unserMarkenzeichendieInterdiszipl<strong>in</strong>aritätundGanz<br />
247<br />
heitlichkeit <strong>der</strong> Ausbildung sowie e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Breite des Lehrangebots“ (ebd.,<br />
S.3).H<strong>in</strong>weiseaufdas<strong>St</strong>ärkenSchwächenProfilf<strong>in</strong>densichauch<strong>in</strong><strong>der</strong>imRahmen<br />
<strong>der</strong>EQUISReAkkreditierungdurchgeführtenAnalyse(vgl.Dyllick,2004).DieUniver<br />
sität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> verfügt demnach über e<strong>in</strong>e sehr klare <strong>St</strong>rategie. Sie hat e<strong>in</strong>e starke<br />
Kultur, mit ausgeprägter E<strong>in</strong>satzbereitschaft, Offenheit, Verän<strong>der</strong>ungsbereitschaft<br />
sowie Kunden und Dienstleistungsorientierung. Sie gew<strong>in</strong>nt leistungsfähige <strong>St</strong>udie<br />
rende<strong>in</strong><strong>der</strong>ErstundWeiterbildung.UndsiehatjüngstdieFähigkeitdemonstriert,<br />
dieLehrezuerneuernund<strong>in</strong>novativeLehrmethodene<strong>in</strong>zuführen.<br />
Nach den Kernkompetenzen <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> gefragt, antwortet Euler im<br />
Interview:„E<strong>in</strong>eKernkompetenzistsicherlich,dassmanesversteht,zwischene<strong>in</strong>er<br />
sehr handlungsorientierten, trotzdem theoriegeleiteten und auch wissenschaftlich<br />
fundierten Fachausbildung e<strong>in</strong>e Balance zu f<strong>in</strong>den zu diesen fachübergreifenden<br />
Themen. Es geht nicht nur darum, Fachspezialisten auszubilden, son<strong>der</strong>n man will<br />
auch diese fachübergreifende Perspektive för<strong>der</strong>n, was sich dann nicht e<strong>in</strong>fach <strong>in</strong><br />
Postulaten, son<strong>der</strong>n auch <strong>in</strong> ganz konkreten curricularen Verankerungen zeigt. Die<br />
Reflexionskompetenzo<strong>der</strong>überhauptdasKontextstudium,dasSelbststudiumzeigen<br />
ja,dassmanhiernichtnure<strong>in</strong>abstraktesPostulat,son<strong>der</strong>ne<strong>in</strong>esehrkonkreteUm<br />
setzungvorAugenhat.Esgibt<strong>in</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>diesesehrguteunmittelbareVerb<strong>in</strong>dung<br />
zwischene<strong>in</strong>emsehrdirektenfachlichenKernund<strong>der</strong><strong>Universität</strong>,das<strong>St</strong>.GallerMa<br />
nagementmodell als Beispiel, und eben doch <strong>der</strong> Fähigkeit und auch dem Bewuss<br />
tse<strong>in</strong>,dassmanüberdiesesfachlichh<strong>in</strong>aussichauchmitgesellschaftlichen,mitüber<br />
fachlichen D<strong>in</strong>gen beschäftigt. Das würde ich für e<strong>in</strong>e Wirtschaftsfakultät o<strong>der</strong> für<br />
e<strong>in</strong>e Wirtschaftsuniversität als sehr kennzeichnend sehen“ (Interview Dieter Euler,<br />
11.April2005).<br />
GrossenAnteilamErfolg<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>habendiee<strong>in</strong>zelnenInstitute„Die<br />
HSGKulturistmassgeblichgeprägtdurchihrerund30InstituteundForschungsstel<br />
len.DiesesKonzeptunterscheidetsievonan<strong>der</strong>n<strong>Universität</strong>en.WenndieHSGdafür<br />
bekanntist,dassihreAusbildung,ForschungundWeiterbildungpraxisnahist,sohat<br />
dasvielmitdemInstitutskonzeptzutun.DieInstitutetragenauchmassgeblichdazu<br />
bei,dassdieHSGmitAbstanddengrösstenSelbstf<strong>in</strong>anzierungsradaller<strong>Universität</strong>en<br />
<strong>in</strong><strong>der</strong>Schweizhat(über50Prozent).Als<strong>in</strong>tegrierteTeiles<strong>in</strong>dsief<strong>in</strong>anziell,konzepti<br />
onellundvorallemauchpersonellmit<strong>der</strong>HSGverknüpft.DieverantwortlichenLei<br />
ters<strong>in</strong>dHSGProfessor<strong>in</strong>nenundProfessoren.Siefunktionierenaberalsweitgehend
248<br />
autonomeundunternehmerischgeführteE<strong>in</strong>heiten.Sies<strong>in</strong>d<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<strong>in</strong>denBe<br />
reichenForschung,WeiterbildungundDienstleistungtätig.SieberatenUnternehmen<br />
undstaatliche<strong>St</strong>ellenimInundAusland.DieHSGInstituteleistene<strong>in</strong>engrossenTeil<br />
<strong>der</strong> Nachwuchsarbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschung, bilden InstitutsmitarbeiterInnen an <strong>der</strong><br />
SchnittstellezwischenWissenschaftundPraxisausundgenerierenaufdieseWeise<br />
e<strong>in</strong>enbedeutendenFlussvonSp<strong>in</strong>offUnternehmen,welcheaus<strong>der</strong>HSGherausent<br />
stehen. Sie unterstützen mit Institutspersonal die Lehre“ (<strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>,<br />
2007h).DieInstitutewerdenauchvonEQUISalstragende<strong>St</strong>ärke<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<br />
<strong>Gallen</strong>ausgewiesen(vgl.Dyllick,2004).Sieverb<strong>in</strong>dendie<strong>Universität</strong>mit<strong>der</strong>Praxis.<br />
SieschaffenExpertiseimBereich<strong>der</strong>anwendungsorientiertenForschungund<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
Verknüpfung von akademischen und praktischen Anfor<strong>der</strong>ungen an die Lehre. Sie<br />
leisten e<strong>in</strong>en wichtigen F<strong>in</strong>anzierungsbeitrag an die <strong>Universität</strong>. Sie entwickeln den<br />
Unternehmensgeist bei den Dozierenden. Und sie bilden e<strong>in</strong>e nicht zu unterschät<br />
zendeMotivationsquelle<strong>der</strong>Dozierenden(vgl.ebd.).<br />
WissenschaftstheoretischvongrosserBedeutungs<strong>in</strong>ddieVerän<strong>der</strong>ungen<strong>in</strong><strong>der</strong>Or<br />
ganisation<strong>der</strong>Forschung<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>.IndenletztenJahrenwurdenkei<br />
neneuenInstitutegegründet,son<strong>der</strong>nForschungszentren,sogenannteHSGCenters.<br />
SiefolgendemAufrufzurdiszipl<strong>in</strong>enübergreifendenForschung.Siefolgen<strong>der</strong>vorge<br />
schlagenenBesetzungvonThemen.„BeidenHSGCentershandeltessichumKoope<br />
rationen von Instituten und Forschungsstellen <strong>der</strong> HSG. Ziel ist es, an bestimmten,<br />
wichtigenThemen<strong>in</strong>stitutsübergreifendzusammenzuarbeiten.HSGCenterss<strong>in</strong>dvir<br />
tuelleZentren,dienichtzuverwechselns<strong>in</strong>dmit<strong>in</strong>stituts<strong>in</strong>ternenKompetenzzentren.<br />
DieneuenZentren–esgibtsieseit2006–habenauchSchaufensterfunktion:Siezei<br />
gennachaussenklardieKompetenzen,KapazitätenundAktivitätenihrerMitglie<strong>der</strong>“<br />
(<strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 2007g). Zu den seit 2006 gegründeten Zentren gehören das<br />
CenterforAviationCompetence,dasCenterforFamilyBus<strong>in</strong>esso<strong>der</strong>dasCenterfor<br />
SocialEnterprise.DieseZentrenlösensichvondenDiszipl<strong>in</strong>en,ohnedieseverdrän<br />
genzuwollen.Manf<strong>in</strong>detzusammen,umgeme<strong>in</strong>samProblemezulösenundum<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>embestimmtenGebietse<strong>in</strong>eKompetenzenauszubauen.<br />
WennmanüberForschungs<strong>in</strong>novationenan<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>spricht,istdie<br />
ForschungsplattformAlexandria(<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,2007m)erwähnenswert.Auf<br />
Alexandria werden alle Publikationen und Forschungsprojekte <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong><strong>in</strong>e<strong>in</strong>emvirtuellenVerzeichnisgesammeltundfürdieÖffent<br />
lichkeitnutzbargemacht.DieForschungwirddadurchsichtbarunde<strong>in</strong>facherzugäng
249<br />
lich.ImSeptember2008s<strong>in</strong>düber17500Publikationenregistriert,wobeiüber2750<br />
imVolltextzugänglichs<strong>in</strong>d.Alexandriaentfaltet<strong>in</strong>terndieWirkunge<strong>in</strong>esInstruments<br />
desWissensmanagements.DiesesbündeltdieForschungsergebnisseundsichertden<br />
Bestand des Wissens. Durch das Transparentmachen <strong>der</strong> vorhandenen Forschungs<br />
projekte un<strong>der</strong>gebnisse wird das Weiterforschen erleichtert, die Kommunikation<br />
unterdenForschendenverbessertund<strong>der</strong>Wissensbestandpotenziellerweitert.Im<br />
S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> lernenden Organisation wäre es deshalb wünschenswert, wenn sich <strong>der</strong><br />
relativeAnteilvonvollumfänglichzugänglichenPublikationenlaufen<strong>der</strong>höhenwür<br />
de.Eswäreausserdemwünschenswert,wenn,wievonAlexandriagefor<strong>der</strong>t,diePro<br />
duktionimOpenAccessgeför<strong>der</strong>twürde.<br />
ImZuge <strong>der</strong>Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungmitdenMöglichkeitenundGrenzendesManage<br />
ments<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>sche<strong>in</strong>teszw<strong>in</strong>gend,aufe<strong>in</strong>eweitere<strong>St</strong>ärke<br />
<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>h<strong>in</strong>zuweisen.Sieiste<strong>in</strong>er<strong>der</strong>Orte,an<strong>der</strong>dassystemorien<br />
tierte<strong>Management</strong>entwickeltundvertieftwurde.Die<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>verdankt<br />
ihrenRufnichtzuletztSystemtheoretikernwieHansUlrich,WalterKrieg,Fredmund<br />
Malik,ThomasDyllick,KnutBleicher,PeterGomez,MarkusSchwan<strong>in</strong>gerundJohan<br />
nes Rüegg<strong>St</strong>ürm, die alle e<strong>in</strong>en wesentlichen Beitrag zur (Weiter)Entwicklung <strong>der</strong><br />
systemorientierten<strong>Management</strong>lehregeleistethaben.DieseTraditionwirdausmei<br />
nerOptikheuteprimäramInstitutfürBetriebswirtschaft(IfB,2008a),amMalikMa<br />
nagement Zentrum (MZSG, 2008) und am Center for Social Enterprise (cse, 2008)<br />
weitergeführt.DieseTraditiongilteszupflegenund<strong>in</strong>curriculareBauste<strong>in</strong>ezuüber<br />
setzen.ZudiesemwertvollenSchatzist<strong>in</strong>denletztenJahrene<strong>in</strong>ebemerkenswerte<br />
funktionsorientierte Forschung herangereift, die <strong>in</strong>ternationale Erfolge feiern kann.<br />
Mankönnteesnunals<strong>St</strong>ärke<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>bezeichnen,dasses<strong>in</strong>den<br />
letztenJahrengelungenist,dieSpannungenzwischendiesenzweiextremenAnsich<br />
ten,was<strong>Management</strong>istundwieesane<strong>in</strong>er<strong>Universität</strong>zuunterrichtenist,auszu<br />
halten.<br />
Diese<strong>St</strong>ärkese<strong>in</strong>ichtohnedieBemerkungnie<strong>der</strong>geschrieben,dassdie<strong>St</strong>ärkeauch<br />
e<strong>in</strong>eSchwächeist.BeidenDozierendenfehltesane<strong>in</strong>emgeme<strong>in</strong>samgeteiltenBil<br />
dungsverständnis. Darunter leidet die Positionierung. Das Curriculum wird verwäs<br />
sert,dieAnspruchsgruppenwerdenverunsichert.Esistnichtklar,fürwelchesMana<br />
gementverständnis,fürwelchesWissenschaftsverständnis,fürwelchesMenschenbild<br />
die<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>stehensoll.DasungeklärteBildungsverständniswirktsich<br />
hemmendaufdieOrganisationsentwicklungaus.Esverh<strong>in</strong><strong>der</strong>t,dassalleamselben
250<br />
<strong>St</strong>rickziehen.DieKräfteverteilensichaufdiee<strong>in</strong>zelnenForscherundkönnensich<strong>in</strong><br />
ihrer Gesamtheit nicht positiv auf die Weiterentwicklung <strong>der</strong> Lehre und damit das<br />
Wohl <strong>der</strong> Gesamtorganisation auswirken. Die <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> droht zu e<strong>in</strong>er<br />
ScharvonE<strong>in</strong>zelkämpfernzuwerden,diedasproduktivePotenzialdeskreativenMit<br />
e<strong>in</strong>an<strong>der</strong>s nicht zu nutzen vermögen. Die EQUISBeurteilungen, die sich wie gesagt<br />
auf die Oberflächen <strong>der</strong> Wertschöpfung beziehen, kritisieren neben <strong>der</strong> schleppen<br />
denInternationalisierungauchdiemangelndeKohärenzundKlarheitdesProgramm<br />
portfolios<strong>in</strong><strong>der</strong>ErstundWeiterbildung.Esgiltalszubreit,zuwenigfokussiert,zu<br />
wenigreflektiertundzuwenigaufdie<strong>St</strong>ärken<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>zugeschnit<br />
ten (vgl. Dyllick, 2004). Dies ist die äusserlich sichtbare Konsequenz <strong>der</strong> unter <strong>der</strong><br />
OberflächeungeklärtenIdentitätsfrage.<br />
Zusammenfassendlässtsichsagen,dassdie<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>im<strong>in</strong>ternationalen<br />
Wettbewerb mitspielen will und dabei die Kompetenzen, die sie an den Instituten<br />
und<strong>in</strong><strong>der</strong>LehredesGrundstudiumserarbeitethat,<strong>in</strong>an<strong>der</strong>eGeschäftsfel<strong>der</strong>tragen<br />
will.ImS<strong>in</strong>ne<strong>der</strong>Kohärenz<strong>der</strong>Markegiltes<strong>in</strong>allenGeschäftsfel<strong>der</strong>naufdieorgani<br />
sationaleIdentitätzurückzugreifen.Forschung,Ausbildung,WeiterbildungundBera<br />
tungwerdendadurchzue<strong>in</strong>emGanzen.Diesistheutzutagenurdannmöglich,wenn<br />
mansichals<strong>Universität</strong>aufwenigeKernproblemefokussiertundsich<strong>in</strong>diesene<strong>in</strong>e<br />
<strong>in</strong>ternationaleThemenführerschafterarbeitet.DieseHerausfor<strong>der</strong>ungenzubewälti<br />
gen, erfor<strong>der</strong>t Geduld und Hartnäckigkeit. Dies weiss auch Bernhardt (2006): „Wir<br />
s<strong>in</strong>dnochmeilenweitvone<strong>in</strong>em<strong>in</strong>ternationalenMarket<strong>in</strong>gentfernt.DerMarkenauf<br />
bauunddieProfilierungs<strong>in</strong>dAbläufe,diebereitsimlokalenBildungswettbewerbbe<br />
g<strong>in</strong>nenund<strong>der</strong>enErfolgmassgeblichdavonabhängt,obdieKonturen<strong>der</strong><strong>Universität</strong><br />
klarerkennbars<strong>in</strong>d.DerAufbaue<strong>in</strong>er<strong>in</strong>ternationalenMarkeistdarüberh<strong>in</strong>ause<strong>in</strong>e<br />
langfristigeAngelegenheit,diesichnurschwerbee<strong>in</strong>flussenlässt.Bevore<strong>in</strong><strong>in</strong>terna<br />
tionalesMarket<strong>in</strong>g<strong>in</strong>Angriffgenommenwird,müssenzunächstdieVoraussetzungen<br />
füre<strong>in</strong>enMarkenaufbaugeschaffenwerden“(ebd.,6).<br />
<br />
10.2. Konfiguration<br />
UmfürdieAnspruchsgruppenWertzuschöpfen,giltesimS<strong>in</strong>nedesCustomerVa<br />
lues die Market<strong>in</strong>gaufgaben Konfiguration, Kommunikation, Kompetenz, Kooperati<br />
on, Kommerzialisierung und Kontrolle zubewältigen (vgl. Belz& Bieger,2004).Auf<br />
dennächstenSeitenerfolgte<strong>in</strong>eKonzentrationaufdieKonfigurationunddieKom
251<br />
merzialisierung,weildiesenAufgabenimFalle<strong>der</strong>Lehre<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>die<br />
grössteWirkungzugesprochenwird.Mitan<strong>der</strong>enWortengehtesumdieKonzeption<br />
unddieVermarktung<strong>der</strong>Wertschöpfung.DieseAufgabenhängenbeiimmateriellen<br />
Dienstleistungenengzusammen.EsgiltdieLeistungen<strong>der</strong><strong>Universität</strong>materiellund<br />
immateriell<strong>in</strong>denKöpfen<strong>der</strong>Anspruchsgruppenzuverankern.<br />
<br />
A. Geschäftsfel<strong>der</strong><br />
Nimmt man das F<strong>in</strong>ancial Times Rank<strong>in</strong>g (2007) <strong>der</strong> besten europäischen Bus<strong>in</strong>ess<br />
SchoolsalsGrundlage,fälltauf,dassdieführenden<strong>Universität</strong>enihrenRufdurchdrei<br />
Geschäftsfel<strong>der</strong>erarbeiten.Neben<strong>der</strong>Ausbildung(Master<strong>in</strong><strong>Management</strong>)s<strong>in</strong>ddie<br />
Weiterbildung (Full Time MBA und Executive MBA) und die Forschung zu nennen.<br />
Zwischen diesen Geschäftsfel<strong>der</strong>n entstehen Wechselwirkungen, wird doch häufig<br />
aufdieselbenProfessoren,dieselbenThemenunddieselbeInfrastrukturzurückgegrif<br />
fen.<br />
DieWechselwirkungen lassen sich durche<strong>in</strong>e simpleBetrachtung <strong>der</strong>„F<strong>in</strong>ancial Ti<br />
mes“Auswertung bestätigen. Essche<strong>in</strong>te<strong>in</strong>e relativ hohe Korrelationzwischen <strong>der</strong><br />
generellenPlacierungund<strong>der</strong>Bewertung<strong>der</strong>jeweiligenMBAProgrammeo<strong>der</strong>des<br />
jeweiligen <strong>Management</strong>Masters zu bestehen. Es fällt auf, dass nahezu alle <strong>in</strong> den<br />
erstenfünfzehnRängenplaciertenSchulensowohle<strong>in</strong>Fulltimealsauche<strong>in</strong>Executive<br />
MBAanbieten.DagegenbietetnurgutdieHälftedieserSchulene<strong>in</strong>en<strong>Management</strong><br />
abschluss<strong>in</strong>nerhalbdesGrundstudiumsan.Allerd<strong>in</strong>gss<strong>in</strong>ddieangebotenenMaster<br />
alle<strong>in</strong>denerstenzehnRängen<strong>in</strong><strong>der</strong>Liste<strong>der</strong>bestenMasterplaciert.Diesbedeutet,<br />
dassdiejenigenSchulen,<strong>der</strong>enWeiterbildungsabschlüssegutbeurteiltwerden,auch<br />
überdieKompetenzenverfügen,umguteAbschlüsseimGrundstudiumanzubieten.<br />
Esbedeutetweiter,dassdieMaster<strong>in</strong>nerhalbdesGrundstudiumsfürdieBewertung<br />
<strong>der</strong> Bus<strong>in</strong>ess Schoolse<strong>in</strong>e untergeordneteRollespielen.Dies zeigt sich auch <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Tatsache,dassdieBachelorAusbildungüberhauptke<strong>in</strong>eErwähnungimRank<strong>in</strong>gf<strong>in</strong><br />
det.ÄhnlichesgiltfürdieForschung:Siewirdstiefmütterlichundmitoberflächlichen<br />
Merkmalenbeurteilt(vgl.F<strong>in</strong>ancialTimes,2007a).Sos<strong>in</strong>ddieKriterien„International<br />
MobilityRank“,„InternationalCourseExperienceRank“,„Languages“primärIndika<br />
torenfürdieInternationalitäte<strong>in</strong>erSchule.Etwasbessergeeignetersche<strong>in</strong>tdasletzte<br />
Kriterium,dasdierelativeAnzahl<strong>der</strong>Doktorandenmisst.Kritischseiangefügt,dass<br />
<strong>der</strong>Vergleich<strong>der</strong>Mastereigentlichh<strong>in</strong>kt,da<strong>in</strong>denmeistenFällennichtklarist,was
252<br />
unter <strong>Management</strong> zu verstehen ist o<strong>der</strong> welches Bildungsverständnis h<strong>in</strong>ter den<br />
Programmensteckto<strong>der</strong>,nochan<strong>der</strong>sformuliert,welcheKompetenzendieLernen<br />
denerwerbensollen.Diesführtdazu,dassUngleicheswieGleichesbehandeltwird,<br />
dass,bildlichgesprochen,BirnenmitÄpfelnverglichenwerden.<br />
Esistoffensichtlich,dassdiebesten<strong>Universität</strong>endarumbemühts<strong>in</strong>d,<strong>in</strong>allenGe<br />
schäftsfel<strong>der</strong>npräsentzuse<strong>in</strong>.Dieseerstreckensichwiebereitserwähntentlang<strong>der</strong><br />
LebensundKarriereverläufe<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendenund<strong>der</strong>Absolventen.Dabeiersche<strong>in</strong>t<br />
esgleichgültig,welchesGeschäftsfeldalsAusgangspunkt<strong>der</strong>Kompetenzerweiterung<br />
o<strong>der</strong>desMarkentransfersdient.VonzentralerBedeutungistdagegendieKonsistenz<br />
imAngebotund<strong>in</strong><strong>der</strong>Markenführung.BeideslässtsichletztlichaufdasBildungsver<br />
ständnis zurückführen. In diesem zeigt sich, zu welchem <strong>Management</strong>, Wissen<br />
schaftsundPersönlichkeitsverständnissiche<strong>in</strong>e<strong>Universität</strong>bekennt.DasBildungs<br />
verständnisgiltesauchdannzuberücksichtigen,wenndieMarke<strong>in</strong>dieVirtualität<br />
überführtwird.ImZuge<strong>der</strong>ständiggesteigertenBedeutungvonVirtualität,Vernet<br />
zungundGlobalisierunggew<strong>in</strong>nenvirtuelle<strong>St</strong>udiengängeanBedeutung.Von<strong>der</strong>von<br />
„F<strong>in</strong>ancial Times“ identifizierten Spitzenschulen ist die IE Bus<strong>in</strong>ess School aus Spa<br />
nien,diee<strong>in</strong>zigeSchule,diesolcheProgrammeofferiert.ImAngebotstehenvirtuelle<br />
Master <strong>in</strong> „Digital Advertis<strong>in</strong>g and Communication“, „Biotechnology <strong>Management</strong>“<br />
und „Sports <strong>Management</strong>“, ausserdem Executive Master <strong>in</strong> „Global Supply Cha<strong>in</strong>s“<br />
und„DirrecióndeEmpresasTurísticas“(vgl.IE,2008).<br />
Die<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>istheutebereits<strong>in</strong>allendreiGeschäftsfel<strong>der</strong>n<strong>der</strong>Ausund<br />
Weiterbildungtätig.SortimentstechnischfehlteslediglichanvirtuellenProgrammen<br />
sowieane<strong>in</strong>emMaster<strong>in</strong>nerhalbdesGrundstudiums,<strong>der</strong>sichdemGeneralMana<br />
gementwidmet.Market<strong>in</strong>gtechnischistesbegrüssenswert,dassaufdemzentralen<br />
Portal<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>(2008)diedreiBereicheAusbildung,Weiterbildung<br />
undForschungsofortklarerkennbars<strong>in</strong>d.Diese<strong>St</strong>rukturierungistimGegensatzzu<br />
vielen an<strong>der</strong>en betrachteten <strong>Universität</strong>en sehr übersichtlich gestaltet. Auch <strong>in</strong>ner<br />
halb<strong>der</strong>WeiterbildungzeichnetsichdasSortiment<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>durch<br />
klare<strong>St</strong>rukturenundÜbersichtlichkeitaus(vgl.<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,2008a).<br />
<br />
B. <strong>Management</strong>verständnis<br />
Zur Konfiguration <strong>der</strong> Leistung gehört die Arbeit an <strong>der</strong> organisationalen Identität.<br />
DurchdieLeistungen<strong>der</strong>OrganisationwirdsiekonkretundfürdieAnspruchsgrup
pensichtundspürbar.SiebildetdeshalbauchdieGrundlage<strong>der</strong><strong>in</strong>ternenundexter<br />
nenMarkenführung.<br />
253<br />
In <strong>der</strong> Sichtung <strong>der</strong> Papiere und <strong>in</strong> den Gesprächen mit ausgewählten Professoren<br />
wurdedeutlich,dassdieIdentität<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong><strong>in</strong>mehrererH<strong>in</strong>sichtnicht<br />
vollständiggeklärtist.Rüegg<strong>St</strong>ürmbr<strong>in</strong>gtimInterviewdenMutaufundsprichtvon<br />
e<strong>in</strong>em akuten Identitätsproblem <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>. „Wir haben an <strong>der</strong> HSG<br />
zurzeite<strong>in</strong>Identitätsproblem“(InterviewJohannesRüegg<strong>St</strong>ürm,15.August2007).Er<br />
bezieht die Identitätskrise vor allem auf das <strong>Management</strong>verständnis. „Die<br />
,Dividende‘des<strong>in</strong>tegrativenAnsatzesvonHansUlrichistabgelaufen.Jetztisterseit<br />
zwanzig Jahren emeritiert. Wenn ich <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>e Unternehmung gehe und frage,<br />
wofürdenndieHSG<strong>in</strong><strong>der</strong>enAugensteht,dannantwortetmanmir,janatürlich,das,<br />
was ihr macht, ist ganzheitlich, <strong>in</strong>tegriert, praxisorientiert, das s<strong>in</strong>d die <strong>St</strong>ichworte.<br />
AberistdasnochRealität?Istnicht<strong>Management</strong><strong>in</strong><strong>der</strong>Zwischenzeitzue<strong>in</strong>ereige<br />
nartiguntergeordnetenDiszipl<strong>in</strong>geworden,alsimpliziterAppendixvielerFachgebie<br />
te?FürUlrichwarese<strong>in</strong>Kernanliegen,<strong>Management</strong>alseigenständigegrundlegende<br />
‚MetaDiszipl<strong>in</strong>‘zukonzeptualisieren,diesichmitgrundlegendenFragendesGestal<br />
tens, Lenkens und Entwickelns von Unternehmungen beschäftigt, die <strong>in</strong> Kontexten<br />
vonUngewissheit,UndurchschaubarkeitundUnübersichtlichkeitnurhöchstbegrenzt<br />
steuerbar s<strong>in</strong>d. Also <strong>Management</strong> verstanden als e<strong>in</strong>e hoch paradoxe Aufgabe von<br />
Führungskräften:dasUnsteuerbarezum<strong>in</strong>destpartiellunterKontrollezuhalten.Sol<br />
che fundamentalen Problemstellungen und Perspektiven s<strong>in</strong>d heute e<strong>in</strong>fach nicht<br />
mehre<strong>in</strong>ernsthafterGegenstandunsererForschungo<strong>der</strong>garLehre–unddamitblei<br />
benBegriffewie‚ganzheitlich‘o<strong>der</strong>‚<strong>in</strong>tegriert‘eigenartigblutleereLabelse<strong>in</strong>erlängst<br />
vergangenenErfolgsgeschichte<strong>der</strong>HSG“(ebd.).<br />
Rüegg<strong>St</strong>ürmistsichrückblickendnichtsicher,obesgutwar,dieIdentitätsfragebei<br />
<strong>der</strong>Neukonzeption<strong>der</strong>Lehrezuunterdrücken.„DieseDebattehabenwir<strong>in</strong>me<strong>in</strong>er<br />
Er<strong>in</strong>nerungnichtgeführt,alswirdieNKLentwickelthaben.VielleichtzuRecht,viel<br />
leichtwaresextremklug,esnichtzutun.WeilwennichdieseKisteöffne,dannfliegt<br />
mirnatürlichallesumdieOhren.Auf<strong>der</strong>an<strong>der</strong>enSeiteglaubeichselber,istese<strong>in</strong>e<br />
Debatte,diemanimGrundgenommenschonführenmüsste.AlsoimS<strong>in</strong>nevon‚was<br />
istunserKerngeschäft?‘“(ebd.).DasIgnorieren<strong>der</strong>füre<strong>in</strong>eOrganisationzentralen<br />
Identitätsfragekannsichrächen.DieAbwesenheitdesBekenntnisseszudengewähl<br />
tenOptionenschwächte<strong>in</strong>eOrganisationgenausowiee<strong>in</strong>enMenschen.DieIdenti<br />
tätskonfusion schwächt e<strong>in</strong>e <strong>Universität</strong> nicht nur nach <strong>in</strong>nen (vgl. auch Zellweger
254<br />
Moser&Euler,2007).EssolltendeshalbAnstrengungenunternommenwerden,um<br />
als Geme<strong>in</strong>schaft Identitätsarbeit zu leisten. Das Profil wird wässrig und unscharf,<br />
wennmannichtweiss,wermanistundwenmandarstellenwill.DieUnschärfewirkt<br />
sichaufdie<strong>St</strong>rategieunddamitaufdieAuswahlvon<strong>St</strong>udierenden,Forschendenund<br />
Forschungsprojektenaus.DieUnschärfewirktsichaufdasCurriculumauf,dashierals<br />
BauplandesKerngeschäftsLehrebehandeltwird.<br />
DieIdentitätskonfusionwird<strong>in</strong>desvonan<strong>der</strong>enBefragtenrelativiertundalsproduk<br />
tiverKonfliktherdgedeutet.<strong>St</strong>attvonKrisenwirdvonSpannungengesprochen.<strong>St</strong>att<br />
VerunsicherungistAufbruchspürbar.„Ichdenke,esgibte<strong>in</strong>enBruchzwischendem<br />
systemorientiertenAnsatz<strong>der</strong><strong>St</strong>.GallerBetriebswirtschaftslehreo<strong>der</strong><strong>Management</strong><br />
lehre,wiesieHansUlrichfe<strong>der</strong>führendentwickelthatundse<strong>in</strong>eJüngerdannvertre<br />
tenhaben,und<strong>der</strong><strong>Management</strong>lehreo<strong>der</strong>BWL,wiesieheutebetriebenwird.Dasist<br />
richtig. Und da gibt es jetzt viele mögliche Interpretationen, warum das so ist und<br />
warumdasheutevielleichtauchnichtmehrmöglichist.Weilwirzugrosso<strong>der</strong>,was<br />
weissich,zupluralistischgewordens<strong>in</strong>d.Undobdasschone<strong>in</strong>eIdentitätskrisedar<br />
stellt,würdeichbezweifeln.Esiste<strong>in</strong>paradigmatischerBruch,ja,dasistes.Aberich<br />
denke,dassheute<strong>in</strong>nerhalb<strong>der</strong>betriebswirtschaftlichenAbteilungnurnochwenige<br />
LeutediesenaltenZeitene<strong>in</strong>eTränenachwe<strong>in</strong>en,weildasdiewenigstennocherlebt<br />
habenundmansichheuteeigentlich<strong>in</strong>dieseran<strong>der</strong>enFormzuHausefühltundauch<br />
ganzwohlfühlt,denkeich“(InterviewThomasDyllick,28.August2007).<br />
Zurzeitfolgensowohldie<strong>St</strong>ruktur<strong>der</strong>betriebswirtschaftlichenFächerdesBachelors<br />
alsauchdie<strong>St</strong>ruktur<strong>der</strong>Masterprogramme<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>trotzRelativie<br />
rungendurchdenSystemansatztendenzielldenSpielregeln<strong>der</strong><strong>in</strong>ternationalenBusi<br />
nessSchools.„Ichme<strong>in</strong>e,wirwerdenkompatibelmitBus<strong>in</strong>essSchoolsim<strong>in</strong>ternatio<br />
nalenRaum.Dah<strong>in</strong>terstehtnatürlich,dassdieInternationalisierunge<strong>in</strong>eMegastra<br />
tegieist,diewirsehr<strong>in</strong>tensivverfolgen,diewir<strong>in</strong>denletztenJahrensehr<strong>in</strong>tensiv<br />
verfolgthabenunddiewir<strong>in</strong>dennächstenJahren<strong>in</strong>tensivweiterverfolgenwollen.<br />
Hieriste<strong>in</strong>egewisseKompatibilitätmitan<strong>der</strong>enBus<strong>in</strong>essSchools,mitdenenwirim<br />
Austauschstehen,wounsere<strong>St</strong>udierendenh<strong>in</strong>gehen,wounsereDozierendenh<strong>in</strong>ge<br />
hen,imM<strong>in</strong>imumsehrhilfreich,realistischerweisewahrsche<strong>in</strong>lichsogarnötig,damit<br />
mansichgegenseitigversteht,damitmandieAnerkennungsfragenlösenkann.Weil<br />
sonstwirddasallesunendlichschwierig,wennmanallenimmeralleserläuternmuss“<br />
(InterviewThomasDyllick,28.August2007).
255<br />
Rüegg<strong>St</strong>ürm gibt zu bedenken, dass die Orientierung an funktionalen <strong>St</strong>rukturen<br />
zwarwissenschaftstheoretischundpolitischerklärbarist,jedochmitdemVerlustdes<br />
<strong>in</strong>tegrativenMomentse<strong>in</strong>hergeht.„Das<strong>in</strong>tegrativeMomentistimUnterschiedzum<br />
Zustandvor30Jahreno<strong>der</strong>40Jahren,woHansUlrichdasentwickelthat,wie<strong>der</strong>ganz<br />
klar<strong>in</strong>e<strong>in</strong>eSubrollegerutscht.Daslässtsichdamitlegitimierenun<strong>der</strong>klären,dasses<br />
im<strong>in</strong>ternationalenFeldimGrundegenommenüberraschen<strong>der</strong>weiseke<strong>in</strong>eCommunity<br />
gibt, die sich sozusagen um diese Integrative kümmert. Vielmehr hat sich auch die<br />
<strong>Management</strong>wissenschaftalsInstitutionausdifferenziert,undesgibt<strong>in</strong><strong>der</strong>Academy<br />
of <strong>Management</strong> die verschiedenen Divisionen, und daran orientiert man sich. Man<br />
teiltdieWeltauf,alsobesLea<strong>der</strong>shipProbleme,alsobes<strong>St</strong>rategyProblemeundich<br />
weiss nicht was für Probleme gäbe. Ob solche diszipl<strong>in</strong>ären Engführungen hilfreich<br />
s<strong>in</strong>d,würdeichpersönlichstark<strong>in</strong>fragestellen.WiretikettierenProblemenachDiszip<br />
l<strong>in</strong>en.AberdieProblemelaufenjanichtherum,nachdemMotto,ichb<strong>in</strong>e<strong>in</strong><strong>St</strong>rate<br />
gieproblem,ichb<strong>in</strong>e<strong>in</strong>Führungsproblem,ichb<strong>in</strong>e<strong>in</strong>Organisationsproblem.Dasgibt<br />
esnicht.Son<strong>der</strong>nwirkonstruierenundlebendiszipl<strong>in</strong>äreGrenzen.Damitmöchteich<br />
nichtsagen,dasseske<strong>in</strong>eSpezialistengebensoll.Dasistwie<strong>in</strong><strong>der</strong>Mediz<strong>in</strong>,wosich<br />
immerdeutlicherdieFragestellt:Werist<strong>in</strong><strong>der</strong>Lage,dasSpezialwissenvon45Sub<br />
diszipl<strong>in</strong>enpatientenzentriertzu<strong>in</strong>tegrieren?Brauchtesdazunichte<strong>in</strong>eDiszipl<strong>in</strong>,e<strong>in</strong>e<br />
Art,MetaDiszipl<strong>in</strong>‘?Derspr<strong>in</strong>gendePunkt<strong>in</strong><strong>der</strong>ganzenGeschichteistalso,wosich<br />
dieSachepolarisiert,dieFrage,ob<strong>Management</strong>etwasEigenständigesisto<strong>der</strong>nicht.<br />
UndichwürdehierzusammenmitHansUlrichganzklarden<strong>St</strong>andpunktvertreten,<br />
dass <strong>Management</strong> e<strong>in</strong>e eigenständige Geschichte ist, gewissermassen etwas, das<br />
quergeht,wasgenaudiesesIntegrativeeigentlichzumZweckhat.Warumsageich<br />
das so? Weil es aus me<strong>in</strong>er Sicht <strong>Management</strong> nur dort gibt, wo es arbeitsteilige<br />
Wertschöpfunggibt.DerKerndes<strong>Management</strong>sistdieArbeitsteiligkeit.UnddieAr<br />
beitsteiligkeit hängt immer mit dem Thema Ausdifferenzierung und Integration zu<br />
sammen.Im<strong>Management</strong>gehteswirklichumdieGestaltung–wobeidase<strong>in</strong>ganz<br />
gefährlichesWortist,weiles<strong>in</strong>dieRichtung<strong>der</strong>Masch<strong>in</strong>enmetaphergeht–,umdie<br />
GestaltungundKultivierungarbeitsteiligerWertschöpfungsund<strong>Management</strong>prozes<br />
se“(InterviewJohannesRüegg<strong>St</strong>ürm,15.August2007).<br />
GanzklarimS<strong>in</strong>ne<strong>der</strong>For<strong>der</strong>ungen<strong>der</strong>SystemtheoretikerRüegg<strong>St</strong>ürm,Ulrich,Ma<br />
lik und Gomez positioniert sich <strong>der</strong> Malik MZSG Master of <strong>Management</strong>. „General<br />
<strong>Management</strong>istdiewichtigsteFähigkeit<strong>in</strong><strong>der</strong>komplexenWeltdes21.Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />
Esist<strong>der</strong>SchlüsselzumErfolgfüralleOrganisationenundfürallePersonen.General
256<br />
<strong>Management</strong>–beson<strong>der</strong>sfürdiekomplexenSysteme<strong>der</strong>heutigenGesellschaften–<br />
ist <strong>in</strong>haltlich etwas radikal an<strong>der</strong>es als Bus<strong>in</strong>ess Adm<strong>in</strong>istration. Master of Bus<strong>in</strong>ess<br />
Adm<strong>in</strong>istrationhatmitFachgebietenzutun.ImGegensatzdazuhatMasterofMana<br />
gementmitFunktionierenzutun.ZweckundInhalts<strong>in</strong>dvölligverschieden.[…]Unser<br />
ProgrammfürdenMasterof<strong>Management</strong>ist<strong>der</strong>WegzumGeneralisten<strong>in</strong><strong>der</strong>Wis<br />
sensgesellschaft,<strong>der</strong>mitKomplexitätmehralsnurumgehenkann,<strong>der</strong>diesemeistert<br />
undnutzt.Komplexitätnutzen–fürdieChancen<strong>der</strong>Komplexitätundfürimmerbes<br />
seres Funktionieren komplexer Systeme – ist das Lernziel unseres Programmes“<br />
(MZSG, 2008, S.1). Die Themenbereiche des Programms lauten „Basis und Kontext<br />
vonrichtigemundgutem<strong>Management</strong>“,„DasGeneral<strong>Management</strong>System“,„Un<br />
ternehmensSimulation“,„DasUmfeld<strong>der</strong>TopGesamtFührung“,„Wirksamkeitund<br />
Professionalität <strong>der</strong> Führungskraft“, „SystemMethodik des Problemlösens und <strong>der</strong><br />
Chancennutzung“,„NutzungvonKomplexität–DieGesetzmässigkeitendesFunktio<br />
nierens: Systemik, Kybernetik, Bionik“, „Funktionsbereiche für jede Organisation“,<br />
„<strong>Management</strong>vonNeuem“,„Produktivität&Kostenmanagement,Prozessmanage<br />
ment“, „Projektmanagement“, „Lea<strong>der</strong>ship: Was selbst über bestes <strong>Management</strong><br />
h<strong>in</strong>ausgeht“,„Mentale&psychologischeMethoden<strong>der</strong>FührungundSelbstführung“,<br />
„Verhandlungsführung“und„Arbeiten/Lernen–MethodenzumLernen/Methoden<br />
fürdasVerfassen<strong>der</strong>Projektarbeit“(vgl.ebd.).BemerkenswertandiesenBauste<strong>in</strong>en<br />
s<strong>in</strong>d die Mischung von fachlichen und überfachlichen Elementen und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
<strong>der</strong>vollständigeVerzichtaufdie<strong>St</strong>rukturierungnachFunktionen.Sietreten<strong>in</strong>e<strong>in</strong>em<br />
e<strong>in</strong>zigen Modul auf. Unter den Funktionsbereichen e<strong>in</strong>er Organisation werden<br />
„MarktleistungsEntwicklung“, „MarktleistungsErstellung“, „Marktleistungs<br />
Verwertung“ und „Unternehmens und <strong>Management</strong>Controll<strong>in</strong>g“ aufgeführt. Der<br />
Malik <strong>Management</strong> Master vermeidet es, sich als General <strong>Management</strong> Master zu<br />
verkaufen und das Curriculum trotzdem nach den herkömmlichen Diszipl<strong>in</strong>en zu<br />
strukturieren. Man wi<strong>der</strong>spricht damit <strong>der</strong> Logik <strong>der</strong> Bus<strong>in</strong>ess Schools und gew<strong>in</strong>nt<br />
durchdenAlle<strong>in</strong>gangdieMöglichkeitzurklarenPositionierung.<br />
ImGegensatzzuan<strong>der</strong>en<strong>Universität</strong>enverzichtetdie<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,wiebe<br />
reits erwähnt, darauf, neben dem für die Weiterbildung gedachten MBA e<strong>in</strong>en<br />
deutschsprachigen Master <strong>in</strong> General <strong>Management</strong> anzubieten. Immerh<strong>in</strong> existiert<br />
dasenglischsprachigeProgramm„Master<strong>in</strong><strong>St</strong>rategyandInternational<strong>Management</strong>“<br />
(vgl.<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,2008b).DieVisiondesProgrammsistklarunddeutlich:<br />
„TheUniversityof<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>’sMaster’sProgram<strong>in</strong><strong>St</strong>rategyandInternationalMan
257<br />
agement(SIM)aspirestobeoneofthelead<strong>in</strong>gprovi<strong>der</strong>softopnotcheducation<strong>in</strong><br />
general management, generat<strong>in</strong>g exceptional value for its students, employers and<br />
society at large“ (ebd.). Das Curriculum zielt auf die eben verlangte General<br />
<strong>Management</strong>Ausbildung.„Ourmissionistoprovideourstudentswiththenecessary<br />
knowledge<strong>in</strong>thefieldofgeneralmanagementforasuccessfulcareerasrespected<br />
and responsible managers, bus<strong>in</strong>ess consultants and entrepreneurs, among others.<br />
We aim to act <strong>in</strong>dependently of all <strong>in</strong>terests and aspire to high ethical values. We<br />
wanttoenableourstudentstocopewithcomplexmanagerialchallengesbasedona<br />
deepstrategicun<strong>der</strong>stand<strong>in</strong>g,toth<strong>in</strong>kandact<strong>in</strong>ternational,totakeonan<strong>in</strong>tegrative<br />
and<strong>in</strong>terdiscipl<strong>in</strong>aryperspectivefordeal<strong>in</strong>gwithgeneralmanagementissues,toex<br />
plorearesearchquestionwithacademicrigorandmanagerialrelevanceandto<strong>in</strong><br />
itiateandfollowthroughbus<strong>in</strong>essprojectsguidedbyhighestprofessionalstandards“<br />
(ebd.). Das Programm folgt aber ke<strong>in</strong>er General<strong>Management</strong>Perspektive, wie sie<br />
sich die systemtheoretische <strong>Management</strong>lehre wünschen würde. Das Curriculum<br />
folgtzwarProblemstellungen,diesichvondene<strong>in</strong>zelnenDiszipl<strong>in</strong>enlösen.Esfehlen<br />
jedochBauste<strong>in</strong>e,diesich<strong>der</strong>Diszipl<strong>in</strong><strong>Management</strong>und<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärenFragestel<br />
lungenwidmen.<br />
<br />
Sem Core<strong>St</strong>udies Contextual<br />
<strong>St</strong>udies<br />
3 Integratives,e.g.:<br />
2 F<strong>in</strong>anceBasedValue<strong>Management</strong><br />
F<strong>in</strong>ancial<strong>Management</strong><br />
Research<strong>in</strong>General<strong>Management</strong><br />
ResearchSem<strong>in</strong>ar<br />
1 <strong>St</strong>arter:TopicoftheYear<br />
<strong>St</strong>rategic<strong>Management</strong><br />
International<strong>Management</strong><br />
Market<strong>in</strong>gandConsumerBehavior<br />
HumanResources<strong>Management</strong><br />
OrganizationalBehaviorandChange<br />
Mergers&Acquisitions<br />
<strong>St</strong>rategicChange<br />
<strong>St</strong>rategy,Knowledge&Technology<br />
CorporateGovernance<br />
Process<br />
ProfessionalServiceFirms<br />
CorporateBrand<strong>Management</strong><br />
Entrepreneurship<br />
<strong>St</strong>rategicLea<strong>der</strong>ship<strong>in</strong>Transformation<br />
30ECTS 8ECTS 4<br />
ECTS<br />
<br />
<br />
IndependentWork<br />
IndependentElectives<br />
12<br />
ECTS<br />
Abb.6:CurriculumMaster<strong>St</strong>rategyandInternational<strong>Management</strong><br />
<br />
Master’sThesis<br />
18<br />
ECTS<br />
Lea<strong>der</strong>shipSkills<br />
6<br />
ECTS<br />
CriticalTh<strong>in</strong>k<strong>in</strong>gandCulturalAwareness<br />
12<br />
ECTS
258<br />
DasCurriculumdesSIMMasterzeigttrotzdemauf,<strong>in</strong>welcheRichtungdasCurricu<br />
lum e<strong>in</strong>es Masters gehen könnte, <strong>der</strong> sich explizit <strong>der</strong> systemorientierten Manage<br />
mentlehreverschreibt.DerVergleich<strong>der</strong>angebotenenMaster<strong>der</strong>von<strong>der</strong>„F<strong>in</strong>ancial<br />
Times“ambestenbeurteiltenSchulenzeigt,dasske<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zigerMastersich<strong>der</strong>Sys<br />
temtheorie verschreibt. Dies stellt e<strong>in</strong>e Marktlücke dar, welche die <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>.<br />
<strong>Gallen</strong><strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>eaufgrundihrerGeschichteunddendamitverbundenenKompe<br />
tenzen nutzen sollte. Der Erfolg wird quasi auf dem Silbertablett serviert. Generell<br />
solltedie<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>alsGeme<strong>in</strong>schaftvonLehrendendaseigeneManage<br />
mentverständnis reflektieren und dieses als Positionierungsmerkmal verwenden.<br />
E<strong>in</strong>mal entwickelt kann das <strong>Management</strong>verständnis als Verb<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Geschäfts<br />
fel<strong>der</strong>Forschung–AusbildungundWeiterbildunggenutztwerden.Diesvere<strong>in</strong>facht<br />
die Kommunikation mit den Anspruchsgruppen und die Positionierung <strong>in</strong> den unü<br />
bersichtlichenundengumstrittenenMärkten.<br />
<br />
C. Rolledes<strong>Management</strong>modells<br />
UmdiePerspektiven<strong>der</strong>verschiedenenDiszipl<strong>in</strong>enzuvere<strong>in</strong>en,umdieWechselwir<br />
kungenzwischenverschiedenenE<strong>in</strong>zelproblemenzuvisualisieren,umdasCurriculum<br />
s<strong>in</strong>nvollkonzipierenundkommunizierenzukönnen,hatdieseArbeitfürdieVerwen<br />
dung e<strong>in</strong>es <strong>Management</strong>modells plädiert. Dieses fasst das <strong>Management</strong>verständnis<br />
e<strong>in</strong>erBildungs<strong>in</strong>stitutionzusammen.Esistdeshalbwichtig,dasssichmöglichstviele<br />
Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Fakultät an <strong>der</strong> Erarbeitung, Weiterentwicklung und lern<br />
lehrtheoretischenUmsetzungbeteiligen.<br />
DiemitdemÜberarbeitendesLogosund<strong>der</strong>NKLzusammenfallendeÜberarbeitung<br />
des <strong>St</strong>. Galler <strong>Management</strong>modells hat nach Dieter Euler bisher noch nicht die ge<br />
wünschte<strong>in</strong>tegrierendeKraftentfacht.„Alsoichwürdezustimmen,dassesnochkei<br />
nesehrstarkegeme<strong>in</strong>sameo<strong>der</strong>e<strong>in</strong>egelebtegeme<strong>in</strong>sameBasisgibt.DasModellund<br />
dasBuchs<strong>in</strong>dda,undallehabenmitgeschrieben.AberesistfürvieleetwasÄusserli<br />
chesundnichtetwas,mitdemsiearbeitenundmitdemsiesichidentifizieren“(Inter<br />
viewDieterEuler,20.August2007).Ganz<strong>der</strong><strong>Multioptionsgesellschaft</strong>getreu,deutet<br />
EulerdiePluralität<strong>der</strong>AnsätzeundDenkweisenalsChance.„EshatzweiSeiten.Die<br />
Frageist,waskannmanüberhauptimH<strong>in</strong>blickaufGeme<strong>in</strong>samkeiterwarten.Wenn<br />
Identitätbedeutet,dass35BWLKollegensichalleaufe<strong>in</strong>egeme<strong>in</strong>sameBasisstüt<br />
zen,dannwürdediesbedeuten,dassmansehrvielZeitverwendenmuss,umdiese
259<br />
Basiszuentwickeln.Diekannmannichtaufbr<strong>in</strong>gen.Unddaswürdebedeuten,dass<br />
manVerständigungsprozesse<strong>in</strong>Gangbr<strong>in</strong>genmuss,diedannamEndevielleichte<strong>in</strong>e<br />
grössereAnzahlvonKollegenaufe<strong>in</strong>egeme<strong>in</strong>sameBasisverpflichtetbzw.selbstver<br />
pflichtet,daswärewichtig.Abermanwirdauchhierniekomplettse<strong>in</strong>“(ebd.).Das<br />
Problemakzentuiertsich,wennmandievonEulerundBiegererwähnteErneuerung<br />
<strong>der</strong>Professorenschaftberücksichtigt.„Die<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>hat<strong>in</strong><strong>der</strong>Betriebs<br />
wirtschaftslehre<strong>in</strong>denletztenfünfJahrenfastdieHälfte<strong>der</strong>Professor<strong>in</strong>nenundPro<br />
fessoren ausgewechselt. Es gab natürliche und karrierebed<strong>in</strong>gte Abgänge. Und das<br />
heisstnatürlich,esmüssteauchwie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>Effortgemachtwerden,diesesModell<strong>in</strong><br />
den Köpfen <strong>der</strong> heuteBetroffenen zu verankern“ (InterviewThomas Bieger, 5. Sep<br />
tember 2007). Das Fazit sei Euler überlassen, <strong>der</strong> die geme<strong>in</strong>same Basis für porös,<br />
e<strong>in</strong>e vollständige Deckungsgleichheit aber nicht für notwendig und nicht realistisch<br />
hält.„Alsoichwürdeihmzustimmen,dassdiegeme<strong>in</strong>sameBasiso<strong>der</strong>dieIdentifikati<br />
onmitdieserBasisnochsehrporösist.Aberichwürdenichtvone<strong>in</strong>erIdentitätskrise<br />
o<strong>der</strong>vonIdentitätsproblemensprechen,weilichvielleichtauchdiedah<strong>in</strong>terliegende<br />
Erwartungshaltung, dass es e<strong>in</strong>e Identität <strong>der</strong> Betriebswirte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em umfassenden<br />
S<strong>in</strong>negibt,fürsehrzweifelhafthalte“(InterviewDieterEuler,20.August2007).<br />
DasMalik<strong>Management</strong>Zentrumlegtse<strong>in</strong>emMasterdasMalik<strong>Management</strong>System<br />
zugrunde.Diesesiste<strong>in</strong>eWeiterentwicklungundVertiefungdes<strong>St</strong>.GallerManage<br />
mentmodells. Es wird gegenwärtig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Buchreihe ausführlich beschrieben (vgl.<br />
Malik,2008;2007a).„FührungimRahmenvonOrganisationenundInstitutionenist<br />
e<strong>in</strong>arbeitsteiligerProzess.Dazubedarfese<strong>in</strong>erkonzeptionellenGrundlageunde<strong>in</strong>es<br />
Rahmens,<strong>in</strong>nerhalbwelchensichFührungstätigkeitundFührungsprozessevollziehen.<br />
In<strong>der</strong>FachsprachehabensichdafürdieAusdrücke‚<strong>Management</strong>Modell‘o<strong>der</strong>‚Ma<br />
nagementKonzept‘e<strong>in</strong>gebürgert.DasMalik<strong>Management</strong>System®iste<strong>in</strong><strong>in</strong>tegrier<br />
tes, offenes, vernetztes, dynamisches System, aus kybernetischen Grundlagen ent<br />
standen,dasfürdieLebenssituationdesMenschen<strong>in</strong><strong>der</strong>hybridenSystemweltdes<br />
Komplexitätszeitalterskonzipiertist.Esumfasst<strong>in</strong>se<strong>in</strong>enModellenmitihrenRegel<br />
werken, Methoden und Instrumenten generelles und zeitlos gültiges Manage<br />
mentWissen.DieModuledesMalik<strong>Management</strong>Systems®s<strong>in</strong>daufhöchsteEffekti<br />
vität,EffizienzundLebensfähigkeitausgerichtet,basierendaufden<strong>in</strong>Systemenwir<br />
kenden Kräften <strong>in</strong>formationsbed<strong>in</strong>gter Zusammenhänge. Sie können daher unlimi<br />
tiertkomb<strong>in</strong>iert,konfiguriertunde<strong>in</strong>gesetztwerden.Esist,jenachKonfigurationund<br />
Komb<strong>in</strong>ation, sowohl e<strong>in</strong> <strong>Management</strong>System für ganze Organisationen und ihre
260<br />
Subsysteme,alsauchfürdasSelbstmanagement<strong>der</strong>E<strong>in</strong>zelperson,jeweilsmitihrer<br />
E<strong>in</strong>bettung <strong>in</strong> ihre Umwelt. Das Ergebnis s<strong>in</strong>d verlässliche Bed<strong>in</strong>gungen, mit denen<br />
KomplexitätohneUmundIrrwegegemeistertundEntwicklungenbesservorhersag<br />
barwerden.Beson<strong>der</strong>eVertiefungerfährtzudemdas<strong>St</strong>.Galler<strong>Management</strong>Modell,<br />
das von Fachleuten als das gegenwärtig beste und durchdachteste Manage<br />
mentKonzeptbezeichnetwird.E<strong>in</strong>enspeziellenSchwerpunktbildendieUmsetzung<br />
undpraktischeE<strong>in</strong>führunge<strong>in</strong>es<strong>Management</strong>Konzeptes<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emUnternehmenso<br />
wie die dafür erfor<strong>der</strong>lichen Methoden. Von beson<strong>der</strong>er Bedeutung ist,dass durch<br />
dieBefassungmitundOrientierungam<strong>St</strong>.GallerModelldieTeilnehmendenzue<strong>in</strong>er<br />
ganzheitlichen und <strong>in</strong>tegrierten Sichtweise geführt werden und damit e<strong>in</strong>en ersten<br />
SchrittvomSpezialistenzumGeneralistenmachen“(MZSG,2008a).<br />
E<strong>in</strong>en ähnlichen Weg begeht <strong>der</strong> Master <strong>in</strong> Bus<strong>in</strong>ess Adm<strong>in</strong>istration <strong>der</strong> Fachhoch<br />
schuleBern(vgl.FachhochschuleBern,2008).HierwerdendieModuledesGeneral<br />
<strong>Management</strong>s nach dem „<strong>Management</strong> Competence Cycle“ geordnet. Dieser setzt<br />
sichausdenBauste<strong>in</strong>en„Situationsanalyse“,„Lösungsvarianten“,„Entscheidungsf<strong>in</strong><br />
dung“und„Projektmanagement“zusammen.AuchdiefürdenMasterausgewiesene<br />
Spezialisierung<strong>der</strong>Organisationsentwicklungfolgte<strong>in</strong>emModell.DieModulefolgen<br />
denEntwicklungsphasen„AufbauundWachstum“,„ReifeundSättigung“sowie„Kri<br />
seundTurnaround“.DasCurriculumistnichtaufgrund<strong>der</strong>verwendetenModelleals<br />
<strong>in</strong>novativzubezeichnen.Obdiegewählten–prozessorientierten–Modelles<strong>in</strong>nvoll<br />
s<strong>in</strong>d, um e<strong>in</strong>e General<strong>Management</strong>Ausbildung zu strukturieren, sei dah<strong>in</strong>gestellt.<br />
DasCurriculumistvielmehrdeshalbals<strong>in</strong>novativzubezeichnen,weildieModulekei<br />
nenDiszipl<strong>in</strong>enfolgenundweildieModelle,welchedieLehrestrukturieren,deutlich<br />
erkennbar s<strong>in</strong>d. Die Verb<strong>in</strong>dung von <strong>Management</strong>modell und Curriculum lässt den<br />
rotenFadenzwischendene<strong>in</strong>zelnenBauste<strong>in</strong>endeutlichererkennen.Dadurchwird<br />
dieKommunikationmitdenAnspruchsgruppenerleichtert.Dieseerkennennichtnur<br />
denAufbaudes<strong>St</strong>udiums,son<strong>der</strong>nauchdieh<strong>in</strong>terdenModellenliegendenVorstel<br />
lungenvon<strong>Management</strong>.<br />
Die<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>bef<strong>in</strong>detsich<strong>in</strong><strong>der</strong>äusserstkomfortablenLage,übere<strong>in</strong><br />
<strong>Management</strong>modellzuverfügen,dassich<strong>in</strong><strong>der</strong>Theorie,<strong>in</strong><strong>der</strong>Praxisundauch<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
AusundWeiterbildunggrosserBeliebtheiterfreut.Das<strong>St</strong>.Galler<strong>Management</strong>mo<br />
delleignetsichbestens,umdasCurriculumfüre<strong>in</strong>eallgeme<strong>in</strong>e<strong>Management</strong>lehrezu<br />
strukturieren, die das Gestalten, Lenken und Entwickeln von Systemen reflektieren<br />
will.Eswählte<strong>in</strong>engeeignetenGrad<strong>der</strong>AbstraktionundfasstdieOrganisationals
e<strong>in</strong>mitihrerUmweltverwobenesSystemauf.DurchdieBauste<strong>in</strong>edesModellskön<br />
nen die verschiedenen betriebswirtschaftlichen Erkenntnisse im Gesamtzusammen<br />
hange<strong>in</strong>geordnetwerden.FürdieErweiterungdesErkenntnisbereichs<strong>der</strong>Betriebs<br />
261<br />
wirtschaftslehrewurdehiere<strong>in</strong><strong>Management</strong>modell 21 skizziert.Wesentlichistnicht,<br />
dassdiesesneueModellzurAnwendunggelangt.Vielwichtigerist,dassdieUniversi<br />
tät<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>vonihremModellprofitiert.Dieswürdebedeuten,dassgegenüberden<br />
Anspruchsgruppen<strong>der</strong>Zusammenhangzwischen<strong>Management</strong>modellunddemCurri<br />
culumerklärtwird.Weitergedachtmüsstedas<strong>Management</strong>modellGrundlagese<strong>in</strong>,<br />
umdieallgeme<strong>in</strong>ebetriebswirtschaftlicheAusbildungzustrukturieren.IndiesemKa<br />
pitelwirde<strong>in</strong>Vorschlaggemacht,wie<strong>Management</strong>modellundCurriculumverknüpft<br />
werdenkönnten.Allerd<strong>in</strong>gsbeziehtsichdieseVerknüpfungaufdashierentwickelte<br />
<strong>Management</strong>modell 21 .<br />
<br />
D. ArbeitangesellschaftlichenProblemen<br />
Umneben<strong>der</strong>SystemebeneOrganisationauchdieSystemebeneGesellschaftunddie<br />
Wechselwirkungen zwischen den Ebenen reflektieren zu können, hat diese Arbeit<br />
Curriculumbauste<strong>in</strong>e gefor<strong>der</strong>t, die sich explizit mit gesellschaftlichen Problemen<br />
ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen.EsstelltsichausserdemdieFrage,obesnichtMastergebensoll<br />
te,diesichexplizitsolchenProblemenwidmen.<br />
DyllickerkenntdieGefahr,durchdieOrientierunganbetriebswirtschaftlichenFunk<br />
tionen die MakroPerspektive zu vernachlässigen „Natürlich haben es die System<br />
perspektive und die Prozessperspektive schwieriger <strong>in</strong> diesem Kontext. Es werden<br />
heutetypischerweiseProzesse<strong>in</strong>kle<strong>in</strong>erenBereichenangeschautundnichtmehrdie<br />
seGesamtprozesse.UndesgibtnurwenigeübergreifendeLehrveranstaltungen,wo<br />
danndieseübergreifendenProzessvorstellungenbehandeltwerden“(InterviewTho<br />
mas Dyllick, 28. August 2007). Die Behandlung von managementtheoretischen Fra<br />
gestellungenwirdstattdessenjenachWunsch<strong>der</strong>Dozierenden<strong>in</strong>denVeranstaltun<br />
gen <strong>der</strong> Mikroebene untergebracht. „Ja, die Makroebene wird zu Beg<strong>in</strong>n des <strong>St</strong>u<br />
diumsbehandeltun<strong>der</strong>wähnt.AbersiewirddannalseigenesThemaeigentlichnur<br />
nochamRandebehandelt,dasistrichtig.Ichme<strong>in</strong>esiewirdspätersituativberück<br />
sichtigt.Wasweissich,wenndieITLeutedasThemaubiquitouscomput<strong>in</strong>gdurchge<br />
hen,wenndannüberallkle<strong>in</strong>eComputerundChipsdr<strong>in</strong>s<strong>in</strong>d,dannlandetmanauto<br />
matisch <strong>in</strong> gesellschaftlichen Diskussionen und Fragestellungen. Je<strong>der</strong> kommt ir
262<br />
gendwo,wennerse<strong>in</strong>eThemengenaubetrachtet,immerauch<strong>in</strong>dieseKontextbezie<br />
hungenre<strong>in</strong>.AuchdieF<strong>in</strong>anzleutekönnennatürlichnichtdaranvorbeischauen,dass<br />
f<strong>in</strong>anzielleEntscheide,Salärierungo<strong>der</strong>wasauchimmer,<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emextremsensiblen<br />
gesellschaftlichen Umfeld stattf<strong>in</strong>den und dass diese Fragestellungen nicht re<strong>in</strong> fi<br />
nanzwissenschaftlich <strong>in</strong>terpretiert werden. Es kommt je<strong>der</strong> an se<strong>in</strong>e Grenzen und<br />
muss deshalb diese Interaktion se<strong>in</strong>es speziellen Untersuchungsfeldes o<strong>der</strong> Erfah<br />
rungsfeldes im Austausch und im Kontext mit gesellschaftlichen Anschlüssen auch<br />
behandelnundthematisieren.Vielleichtistdasauchs<strong>in</strong>nvoll,ichweissnicht,wieviel<br />
<strong>der</strong>Makropapstbr<strong>in</strong>gt,<strong>der</strong>danne<strong>in</strong>fachnurdiesegesellschaftlichenundübergeord<br />
netenAspektebehandelt.Denneigentlichmussesjahierpermanentdrumgehen,die<br />
Probleme auf verschiedenen Ebenen verb<strong>in</strong>den zu können, also herausarbeiten zu<br />
können,wiesichgesellschaftlicheE<strong>in</strong>flüsseaufunternehmerischeEntscheideauswir<br />
ken“(ebd.).<br />
DieIntegration<strong>der</strong>makrotheoretischenFragen<strong>in</strong>dieMikroperspektiveverlagertdie<br />
Verantwortung für die Behandlung <strong>der</strong> Makroperspektive <strong>in</strong> die Hände <strong>der</strong> <strong>St</strong>udie<br />
rendenbzw.<strong>der</strong>sieerziehendenProfessoren.DiemakrotheoretischenFragestellun<br />
gentauchen<strong>in</strong>je<strong>der</strong>Diszipl<strong>in</strong>aufundkönntendortzumThemagemachtwerden.„Es<br />
machtdurchausS<strong>in</strong>n,dieseMakroBeziehungenaufe<strong>in</strong>erfunktionalenEbenezube<br />
handelnundzudiskutieren.Danngibtesheuteebene<strong>in</strong>Ökomarket<strong>in</strong>g,e<strong>in</strong>Nachhal<br />
tigkeitsmarket<strong>in</strong>g,e<strong>in</strong>Ökocontroll<strong>in</strong>go<strong>der</strong>e<strong>in</strong>Nachhaltigkeitscontroll<strong>in</strong>g.Dasistauch<br />
s<strong>in</strong>nvollundwertvoll.DieübergreifendenFragestelllungen,diedasUnternehmenals<br />
GanzesbetreffenunddievielleichtauchgrössereTeile<strong>der</strong>Umweltdann<strong>in</strong>denBlick<br />
fassen,dasistdannhalte<strong>in</strong>etypischeFragestellung,dieimRahmen<strong>der</strong><strong>St</strong>rategieleh<br />
rebehandeltwird.DortistdanndieFrage,obsichdie<strong>St</strong>rategieprofessorenaufe<strong>in</strong>e<br />
re<strong>in</strong>marktlicheSichtweise,dasheisstaufdieKundenundLieferanteno<strong>der</strong>aberalle<br />
Anspruchsgruppenkonzentrieren.EsistdieFrage,wiesensibelsies<strong>in</strong>do<strong>der</strong>wiegut<br />
sieesverstehen,auchan<strong>der</strong>eUmwelteno<strong>der</strong>Anspruchsgruppenmite<strong>in</strong>zubeziehen.<br />
Dasistdannehere<strong>in</strong>eFrage<strong>der</strong>Offenheit<strong>der</strong>Perspektive,<strong>der</strong>Schulung<strong>der</strong>Leute,<br />
dieunternehmensweiteZusammenhängebehandeln“(ebd.).Damitaberisteigentlich<br />
gesagt,dassdieSchulung<strong>der</strong>Leuteebendoche<strong>in</strong>ezentraleRollespielt.Gehtdie<strong>in</strong><br />
tegrativePerspektive<strong>in</strong><strong>der</strong>Schulung<strong>der</strong>Managerverloren,dannspieltsieauchJah<br />
respäterimAlltag<strong>der</strong>Managere<strong>in</strong>eger<strong>in</strong>geRolle.Gehtdie<strong>in</strong>tegrativePerspektive<br />
im<strong>St</strong>udium<strong>der</strong><strong>Management</strong>theoretikerverloren,dannspieltsieauchJahrespäter<strong>in</strong><br />
<strong>der</strong>LehreundForschung<strong>der</strong><strong>Management</strong>theoretikere<strong>in</strong>eger<strong>in</strong>geRolle.
263<br />
ZuerwähnenistdieMöglichkeit,e<strong>in</strong>eneigenständigenMasterfüre<strong>in</strong>e„Nachhaltige<br />
Entwicklung“e<strong>in</strong>zuführen.VondieserMöglichkeitmachtbeispielweisedieHECParis<br />
Gebrauch (vgl. HEC, 2008). Les „entreprises ont donc beso<strong>in</strong> de collaborateurs et<br />
prioritairementdemanagersformésauxenjeux,impactsetfonctionnementdudéve<br />
loppementdurable,capablesd’<strong>in</strong>tégrerdansleursanalyses:Lesconséquencessurles<br />
sociétésetlesorganisationsdesévolutionsclimatiques,énergétiques,démographi<br />
ques,économiquesmajeuresquivonttoucherlaplanètedanslesannéesàvenir;les<br />
enjeuxdudéveloppementdurable,auxniveauxmondial,national,local,a<strong>in</strong>siqueles<br />
enjeuxpourlesentreprises;lesmodalitésdemiseenœuvredepolitiquesdedéve<br />
loppementdurable;lesmodalitésd’undialoguedequalitéavecles,stakehol<strong>der</strong>s‘et<br />
notamment les ONG et les conséquences des actions de l’entreprise visàvis du<br />
mondeextérieurlesconséquencesdeleurspropresactionsetcomportement“(HEC,<br />
2008a). Diese Notwendigkeiten erkennt auch die Leuphana <strong>Universität</strong> Lüneburg<br />
(2008).„NachhaltigeEntwicklunggiltalse<strong>in</strong>e<strong>der</strong>zentralengesellschaftlichenHeraus<br />
for<strong>der</strong>ungenweltweit.Diesistweitgehendunstrittig.Zugleichistabernachwievor<br />
unklar,wienachhaltigeEntwicklungspfadee<strong>in</strong>geschlagenwerdenkönnen.DieseFra<br />
geistauche<strong>in</strong>eHerausfor<strong>der</strong>ungfürdieForschungundLehrean<strong>Universität</strong>en.Der<br />
Masterstudiengang Susta<strong>in</strong>ability Sciences zielt auf e<strong>in</strong>e wissenschaftliche Grundle<br />
gungundVertiefung<strong>der</strong>akademischenBildungimBereichNachhaltigkeitsforschung<br />
aufMasterniveau.Insbeson<strong>der</strong>esoller<strong>St</strong>udierende<strong>in</strong>dieLageversetzen,aufdem<br />
Gebieteigenständigzuforschenundzupromovieren.DerMajorSusta<strong>in</strong>abilityScien<br />
cesistentsprechendforschungsorientiert<strong>in</strong>e<strong>in</strong>em<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärenKontext“(ebd.).<br />
InLüneburghatmanerkannt,dassfürdieLösunggesellschaftlicherProblemedieDis<br />
zipl<strong>in</strong>en mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> komb<strong>in</strong>iert werden müssen. „E<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>es Merkmal <strong>der</strong><br />
Nachhaltigkeitswissenschaftenan<strong>der</strong>Leuphana<strong>Universität</strong>LüneburgistdieGleich<br />
gewichtung von Nachhaltigkeitssozialwissenschaften und Nachhaltigkeitsnaturwis<br />
senschaften.Diesf<strong>in</strong>detmananan<strong>der</strong>en<strong>Universität</strong>ensonicht,hatabere<strong>in</strong>enguten<br />
Grund:An<strong>der</strong>Leuphana<strong>Universität</strong>Lüneburgwerdenzume<strong>in</strong>endiemateriellenPro<br />
zesse<strong>in</strong>denBlickgenommen,diezuUmweltundNachhaltigkeitsproblemenführen<br />
(o<strong>der</strong>dasResultatentsprechen<strong>der</strong>Schädigungens<strong>in</strong>d).Zuman<strong>der</strong>ens<strong>in</strong>d<strong>in</strong>mo<strong>der</strong><br />
nen Gesellschaften die materiellen Prozesse eng mit immateriellen Prozessen ver<br />
zahnt:Zielsetzungen,Planungen,Prüfungen,Kontrollenusw.DieseMetaArbeitun<br />
terschiedlichergesellschaftlicherAkteuremussalsostetsimZusammenhangmitden<br />
Prozessenauf<strong>der</strong>materiellenEbene(<strong>in</strong>verschiedenenPerspektiven:Physik,Chemie,
264<br />
Ökologie,Technik)betrachtetwerden.DerMajorSusta<strong>in</strong>abilitySciencessetztgenau<br />
beidiesenÜberlegungenan.Sozialwissenschaftliche(Kommunikation,<strong>Management</strong>,<br />
Planung,Recht,Partizipation,…)undnaturwissenschaftlicheInhalte(Ökologie,Um<br />
weltchemie, Energie, …) stehen gleichberechtigt nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> und werden <strong>in</strong>teg<br />
riertbehandelt“(ebd.).<br />
An<strong>der</strong>Leuphana<strong>Universität</strong>Lüneburg(2008d)wirddieSensibilitätfürgesellschaftli<br />
cheProblemebereitsimerstenSemesterzumThema.Dortabsolvierenalle<strong>St</strong>udie<br />
rendene<strong>in</strong>Modul,dasdieVerantwortungvonWissenschaftlernanspricht.„DasMo<br />
dul,Verantwortung<strong>in</strong><strong>der</strong>Gesellschaft‘unddasdamitverbundeneKonferenzstudium<br />
geben Ihnen die Möglichkeit, sich vertieft mit e<strong>in</strong>em übergreifenden Thema ausei<br />
nan<strong>der</strong>zusetzen. Das geschieht unabhängig von Ihrer späteren fachlichen Orientie<br />
rung.ImModulbeschäftigenSiesichmitgrundlegendenFragen<strong>der</strong>wissenschaftli<br />
chen Verantwortung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft. Dazu nutzen Sie Konzepte für nachhaltige<br />
EntwicklungausverschiedenenGebieten.E<strong>in</strong>eVorlesungsreiheliefertdieE<strong>in</strong>führung<br />
<strong>in</strong> den Themenkomplex ‚Wissenschaft trägt Verantwortung‘. In Projektsem<strong>in</strong>aren<br />
entwickelnSiedaraufh<strong>in</strong>geme<strong>in</strong>sammitIhren<strong>St</strong>udienkolleg<strong>in</strong>nenundkollegenei<br />
genständigeForschungsthesenundanalysierendiesemit<strong>in</strong>terundtransdiszipl<strong>in</strong>ären<br />
Ansätzen.E<strong>in</strong>eKonferenzwochegibtIhnendenRahmenfürdieabschliessendePrä<br />
sentation <strong>der</strong> erarbeiteten Ergebnisse“ (ebd.). Etwas Ähnliches – <strong>in</strong> kompakterer<br />
Form – kennt das MBA des IMD (2008). Dort diskutieren die Teilnehmenden e<strong>in</strong>e<br />
Woche lang über die Verantwortung <strong>der</strong> Organisation gegenüber ihren Anspruchs<br />
gruppenund<strong>der</strong>GesellschaftalsGanzes.„Bus<strong>in</strong>esslea<strong>der</strong>shiprequiresmanag<strong>in</strong>g<strong>in</strong>a<br />
multistakehol<strong>der</strong> context. The roles of employees, customers, the government,<br />
NGOs,thef<strong>in</strong>ancialcommunityandthemediaarebecom<strong>in</strong>g<strong>in</strong>creas<strong>in</strong>glyimportant<strong>in</strong><br />
bus<strong>in</strong>ess.Thissegmentwillpreparefuturelea<strong>der</strong>stoworkwiththeseconstituencies.<br />
Themodule<strong>in</strong>cludesan<strong>in</strong>tegratedethicsweekwhereparticipantswilldiscussethical<br />
traditionsbasedonreligion,country<strong>in</strong>stitutionsandpersonalvaluesandwillrelate<br />
thesetorealbus<strong>in</strong>esscases.Theobjectiveoftheweekistodevelopacommonsetof<br />
bus<strong>in</strong>essethicsstandardsthatissharedacrossthegroup“(ebd.,S.9).Etwasallgemei<br />
nergehtdieESADE(2008)vor,die<strong>in</strong>ihremBachelorfürBus<strong>in</strong>essAdm<strong>in</strong>istrationdie<br />
Kurse „Sociology I & II“ als Pflichtveranstaltungen für alle <strong>St</strong>udierenden kennt. E<strong>in</strong><br />
ähnlichesVorgehenkenntdie<strong>Universität</strong>Mannheim(2008),diedasFachUnterneh<br />
mensethikfüralle<strong>St</strong>udierenden<strong>der</strong>Bachelorstufevorschreibt.
265<br />
An<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>solldieArbeitangesellschaftlichenProblemene<strong>in</strong>erseits<br />
durch die bestehenden Curriculumbauste<strong>in</strong>e im Kontextstudium erreicht werden.<br />
ManverlässtsichdadurchaufdieInitiativeunddasVerantwortungsbewusstse<strong>in</strong>von<br />
<strong>St</strong>udierendenundDozierenden.An<strong>der</strong>seitsgiltesimCurriculumPlatzzumachenfür<br />
Fächer,<strong>in</strong>denenbewusstgesellschaftlicheProblemethematisiertwerden.Diesesoll<br />
tensichübermehrereSemesterziehenunddieSystemebenenMensch,Organisation<br />
undGesellschaftberücksichtigen.Die<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>könntesich<strong>in</strong><strong>der</strong>Lehre<br />
dadurch profilieren, dass gesellschaftliche Probleme nicht nur diskutiert, son<strong>der</strong>n<br />
durch die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Realität lebendig werden. Die <strong>St</strong>udierenden<br />
würdensichdannmitProblemenause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen,diedasSorgenbarometero<strong>der</strong><br />
die Wirtschafts und Gesellschaftslage vorgeben. Als aktuelle Beispiele im Sommer<br />
2008könnendieglobaleF<strong>in</strong>anzkrise,dieÜberfischung<strong>der</strong>Meere,dieVerteuerung<br />
<strong>der</strong> Nahrungsmittel, die Umweltprobleme <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a, das Personalmanagement <strong>in</strong><br />
staatlichenBetriebenwie<strong>der</strong>Armeebehandeltwerden.E<strong>in</strong>dynamischesCurriculum<br />
erlaubtesjedesJahr,neueProbleme<strong>in</strong>sZentrumzurücken.LangfristigwäredieE<strong>in</strong><br />
führunge<strong>in</strong>esMastersfürnachhaltigeEntwicklungunddie<strong>St</strong>rukturierung<strong>der</strong>Master<br />
anhandvongesellschaftlichenProblemendenkbar.<br />
<br />
E. Wissenschaftsverständnis<br />
Jenseits<strong>der</strong>DiskussionenumWissenschaft1.0und2.0gibtese<strong>in</strong>etraditionelleUn<br />
terscheidung,die<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>momentanIdentitätsarbeitabr<strong>in</strong>gt.Esist<br />
die Frage <strong>der</strong> Anwendungsorientierung (vgl. Ulrich, 2001a; Maurer, 2004). Ulrich<br />
(2001a) def<strong>in</strong>iert die anwendungsorientierten Wissenschaften, <strong>in</strong>dem er sie den<br />
Grundlagenwissenschaften gegenüberstellt. Demnach entstehen die Probleme <strong>der</strong><br />
anwendungsorientierten Wissenschaften <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis. Sie kennen ke<strong>in</strong>e wissen<br />
schaftlichenDiszipl<strong>in</strong>en.BeimForschungszieldesEntwerfensmöglicherWirklichkei<br />
ten s<strong>in</strong>d normative, wertende Aussagen unvermeidlich. Das Forschungsregulativ<br />
heisstnichtWahrheit,son<strong>der</strong>nNützlichkeit.DieForschungsresultatewerdendanach<br />
bewertet,obsiepraktischeProblemlösungskraftbesitzen.<br />
DazuProrektorDyllick:„Wirhabenan<strong>der</strong>eIdentitätsprobleme.SiebetreffenzumBei<br />
spiel den Konflikt zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung. Das<br />
iste<strong>in</strong>Thema,dasuns<strong>in</strong>tensivbeschäftigt.Esiste<strong>in</strong>strategischesProblemunde<strong>in</strong>e
266<br />
FragedesSelbstverständnisses.Undesistetwas,dasvieleRessourcenb<strong>in</strong>det,etwas<br />
dasunsstarkbeschäftigtundetwasdasnochlangenichtausgestandenist.“(Inter<br />
viewThomasDyllick,28.August2007).ThomasBiegerformuliertdieungeklärteWis<br />
senschaftsidentität als Konflikt zwischen Allgeme<strong>in</strong>praktikern und Spezialisten. „Bei<br />
<strong>der</strong>BWLgibtesjaimmerdieFrage,obsiee<strong>in</strong>eWissenschafto<strong>der</strong>nichtsan<strong>der</strong>esals<br />
CommonSenseist.Wirspüren,dasssichimZusammenhangmit<strong>der</strong>Globalisierung<br />
<strong>der</strong>wissenschaftlichenGeme<strong>in</strong>schaftendieBWLe<strong>in</strong>emerhöhtenwissenschaftlichen<br />
Legitimierungsdruckausgesetztglaubt.Dasführtdanndazu,dassmanvonUniversi<br />
tätenunde<strong>in</strong>zelnenProfessorenausgrosseInvestitionenmacht,umdassogenannte<br />
Wissenschaftlichezuför<strong>der</strong>n.Dasheisst,manbemühtsichume<strong>in</strong>engrossenmetho<br />
dischenApparatundnimmte<strong>in</strong>enhohenZeitaufwandfürdieOrientierung<strong>in</strong>soge<br />
nanntenScientificCommunities<strong>in</strong>Kauf.Umgekehrt,wennmansichanschaut,woher<br />
eigentlichdieBWLkommt,dannwäre<strong>der</strong>Fallklar,dennmanmüsstesagen,dassdie<br />
BWLnichtsan<strong>der</strong>esistalse<strong>in</strong>eQuasimediz<strong>in</strong>.Wirs<strong>in</strong>dAllgeme<strong>in</strong>praktikerbisSpezia<br />
listen,diesichmitrealenPhänomenen<strong>in</strong>Unternehmenbefassenmüssen.Daseheich<br />
diesesSpannungsfeld.ManhatnichtmehrdenMut,sichzubekennen,dassmane<strong>in</strong><br />
fache<strong>in</strong>Klempnermite<strong>in</strong>emrelativbreitenHandwerkskastenist.Gleichzeitighatdie<br />
Praxis dann Mühe mit dem, was <strong>in</strong> abgehobener, methodisch zu aufwendiger For<br />
schunggemachtwird.DasschafftdieProbleme.AberdieseProblemesiehtman<strong>in</strong><br />
allen anwendungsorientierten Diszipl<strong>in</strong>en, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong>, die ich be<br />
reits als Metapher verwendet habe. Auch dort gibt es Identitätsprobleme, die sich<br />
entlang<strong>der</strong>L<strong>in</strong>ieWissenschaftversusPraxisundSpezialisierungversusAllgeme<strong>in</strong>ver<br />
antwortungfürdenPatientenabzeichnen“(InterviewThomasBieger,5.September<br />
2007).<br />
Mit<strong>der</strong>Mediz<strong>in</strong>istdieFrageaufgeworfen,welchesMassanPraxisorientierungdas<br />
Betriebswirtschaftsstudiumverfolgensoll.Gehtesdarum,e<strong>in</strong>epraktischeo<strong>der</strong>e<strong>in</strong>e<br />
theoretische Ausbildung anzubieten? Werden Manager o<strong>der</strong> <strong>Management</strong>theoreti<br />
ker ausgebildet? Entspricht die Unterscheidung zwischen Allgeme<strong>in</strong>praktikern und<br />
SpezialistennichtauchdemKonfliktzwischensystemorientierterundfunktionsorien<br />
tierterBetriebswirtschaftslehre?Undwoliegtnunschonwie<strong>der</strong>dieGrenzezwischen<br />
e<strong>in</strong>emBetriebswirtschaftsstudiumane<strong>in</strong>erFachhochschuleundjenemane<strong>in</strong>erUni<br />
versität?Wie<strong>der</strong>tauchtdieFrageauf,werdiePatienten<strong>der</strong>Betriebswirtschafslehre<br />
s<strong>in</strong>d.Damitisterneutdas<strong>Management</strong>verständnis,<strong>der</strong>Zweck<strong>der</strong><strong>Management</strong>wis<br />
senschaftangesprochen.FührtnichtdieKonzentrationaufdenPatientenOrganisati
267<br />
on o<strong>der</strong> den mult<strong>in</strong>ationalen Konzern zu all den Folgeproblemen, mit denen die<br />
Menschheitheutezukämpfenhaben?Istesnichtan<strong>der</strong>Zeit,dieGesellschaftaufdas<br />
KrankenbettzulegenundsichalsBetriebswirtschaftslehreumProblemewieArmut,<br />
Klimawandelo<strong>der</strong>dieungleicheVerteilungvonArbeit,E<strong>in</strong>kommenundVermögenzu<br />
kümmern?O<strong>der</strong>istesimZeitalterdesIndividualismustatsächlichan<strong>der</strong>Zeit,dieRe<br />
gelung<strong>der</strong>gesellschaftlichenProblemevollständig<strong>in</strong>dieHändedesIndividuumszu<br />
legen?Jenachdem,obsichdie<strong>Universität</strong>alsAusbildungsstättevonPraktikerno<strong>der</strong><br />
Spezialistenversteht,jenachdem,obsichdie<strong>Universität</strong>alsHeilungsanstaltfürOr<br />
ganisationeno<strong>der</strong>ganzeGesellschaftenversteht,hatdiesmassiveAuswirkungenauf<br />
dieAusgestaltungdesCurriculums.Esbee<strong>in</strong>flusst<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>ediePerspektive,die<br />
Auswahl<strong>der</strong>Systeme,diee<strong>in</strong>Manager<strong>in</strong>se<strong>in</strong>erAusbildungkennenlernensoll.Geht<br />
esnurumdasSystemOrganisation?O<strong>der</strong>gehtesvielmehrumdieOrganisationund<br />
ihreUmwelten?GehtesumdieOrganisationo<strong>der</strong>dieGesellschaft?Wassoll<strong>der</strong>Ma<br />
nager optimieren o<strong>der</strong> maximieren? Nach welchen Pr<strong>in</strong>zipien ist unsere Wirtschaft,<br />
unsere Gesellschaft organisiert?Dies alles s<strong>in</strong>d Fragen, die nur durch dieArbeit an<br />
<strong>der</strong>universitärenIdentitätbeantwortetwerdenkönnen.DieAntwortwirktsichauf<br />
die Gewichtung von überfachlichen Kompetenzen im Rahmen <strong>der</strong> Ausbildung zum<br />
ManagerundzumForschervonmanagementtheoretischenProblemenaus.DieAnt<br />
wortwirktsichaufdieFrageaus,welchePersönlichkeitenvon<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.Gal<br />
lengefor<strong>der</strong>tundgeför<strong>der</strong>twerdensollen.WillsiepassgenaueMasch<strong>in</strong>enrä<strong>der</strong>o<strong>der</strong><br />
unbequeme Querdenker fabrizieren? <strong>St</strong>eht Konformität o<strong>der</strong> Individualität im Vor<br />
<strong>der</strong>grund?DieAntwortwirktsichschliesslichauchaufdieForschung<strong>der</strong><strong>Universität</strong><br />
<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>aus.WelchenAnspruchsgruppenwillmanbeson<strong>der</strong>shelfen?WelcherVa<br />
luesolldurchForschungundLehrean<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>erhöhtwerden:<strong>der</strong><br />
jenige<strong>der</strong>Sharehol<strong>der</strong>,<strong>der</strong>jenige<strong>der</strong>Kunden,<strong>der</strong>jenige<strong>der</strong>Schweiz,<strong>der</strong>jenige<strong>der</strong><br />
globalenGesellschaft?<br />
Der Malik <strong>Management</strong> Master weist im Gegensatz zu den meisten an<strong>der</strong>en Prog<br />
rammense<strong>in</strong>wissenschaftstheoretischesFundamentexplizitaus.Diesesunterschei<br />
detsichdurchdasBekenntniszurSystemtheorievondenan<strong>der</strong>enuntersuchtenMas<br />
ternundMBAs.„BeiallerVerschiedenheitvonWirtschaftsunternehmenundan<strong>der</strong>en<br />
Organisationen <strong>der</strong> Gesellschaft ist ihnen geme<strong>in</strong>sam, dass sie komplexe, dynami<br />
sche,nichtl<strong>in</strong>eare,vernetzteSystemes<strong>in</strong>d–e<strong>in</strong>gebettet<strong>in</strong>ökologische,sozialeund<br />
wirtschaftliche Umfel<strong>der</strong>, die wie<strong>der</strong>um e<strong>in</strong> Netz von komplexen Systemen bilden.<br />
DiesekomplexenSystemes<strong>in</strong>dmitdemnormalenAlltagsverstandnichtdurchschau
268<br />
barundberechenbar.SiehabenihreeigenenGesetzmässigkeiten,Eigenschaftenund<br />
Verhaltensmuster.UnterdiesenkomplexenundhyperkomplexenBed<strong>in</strong>gungenunse<br />
rerneuenEpochemuss<strong>Management</strong>mehrdennjedennötigenRückhaltgeben–für<br />
das, was passiert, und das, was passieren soll. Dafür muss man die Ergebnisse <strong>der</strong><br />
Komplexitätswissenschaften kennen: Die Systemik ist die Wissenschaft von den<br />
Ganzheiten. Die Kybernetik ist die Wissenschaft vom Funktionieren, vom Selbst<br />
<strong>St</strong>euern,SelbstRegulierenundSelbstOrganisieren<strong>in</strong>komplexenSystemen.DieBio<br />
nikistdieWissenschaftvomLernenvon<strong>der</strong>NaturunddemNutzenfürdieGesell<br />
schaft.VerlässlicheHilfef<strong>in</strong>denwirdort,wosichgeme<strong>in</strong>sameGesetzmässigkeiten<strong>in</strong><br />
biologischenundvonMenschengeschaffenenSystemenzeigen“(MZSG,2008,S.8).<br />
InteressantistdieVorgehensweisee<strong>in</strong>igerTopuniversitäten,diee<strong>in</strong>enMaster<strong>in</strong>Ma<br />
nagementunde<strong>in</strong>enMaster<strong>in</strong><strong>Management</strong>Wissenschaftanbieten.Dadurchgel<strong>in</strong>gt<br />
es,dieProgrammebesseraufdieAnsprüche<strong>der</strong>Zielgruppenabzustimmen.Sounter<br />
scheidetdieRotterdamSchoolof<strong>Management</strong>(2008)zwischene<strong>in</strong>emMaster<strong>in</strong>Bu<br />
s<strong>in</strong>essAdm<strong>in</strong>istration,e<strong>in</strong>emMaster<strong>in</strong>International<strong>Management</strong>,e<strong>in</strong>emMaster<strong>in</strong><br />
General<strong>Management</strong>unde<strong>in</strong>emMaster<strong>in</strong>Philosophy<strong>in</strong>Bus<strong>in</strong>essResearch.Dassel<br />
beVorgehenwähltdieLondonSchoolofEconomicsandPoliticalScience(LSE),wobei<br />
hier bereits auf <strong>der</strong> Bachelorstufe zwischen e<strong>in</strong>em Bachelor <strong>in</strong> <strong>Management</strong> (LSE,<br />
2008)unde<strong>in</strong>emBachelor<strong>in</strong><strong>Management</strong>Science(LSE;2008a)unterschiedenwird.<br />
DieCurriculaunterscheidensichan<strong>der</strong>LSEdadurch,dassimBachelorfürManage<br />
mentScienceimspezialisierendenzweitenunddrittenJahrdie<strong>St</strong>udierenden<strong>in</strong>For<br />
schungsmethodologieundmethodikunterwiesenwerden(vgl.ebd.).InbeidenFäl<br />
lenstehenden<strong>St</strong>udierendennebendenKernfächerne<strong>in</strong>eVielzahlvonWahlfächern<br />
<strong>in</strong> den Bereichen „<strong>Management</strong> Science“, „Account<strong>in</strong>g and F<strong>in</strong>ance“, „Economics“<br />
und„<strong>Management</strong>“und„Law“zurVerfügung“(vgl.ebd.).Diewissenschaftlich<strong>in</strong>ter<br />
pretierten Bachelor und Masterprogramme zielen darauf ab, den eigenen For<br />
schungsnachwuchs zu stärken. „The Master of Philosophy <strong>in</strong> Bus<strong>in</strong>ess Research is<br />
specifically designed for academically talented and motivated students who would<br />
liketocomb<strong>in</strong>eeducation<strong>in</strong>aspecialisationareaoftheirchoicewiththechallenges<br />
ofun<strong>der</strong>tak<strong>in</strong>gresearch<strong>in</strong>thatfield.TheoverallfocusoftheMPhil<strong>in</strong>Bus<strong>in</strong>essRe<br />
searchisonthedevelopmentofacademiccompetenciesandskillswith<strong>in</strong>aspecific<br />
fieldofmanagement.Themaximumadmissionof30studentsayearfacilitatesboth<br />
customisation of the program and a strong <strong>in</strong>dividual supervision, thus enabl<strong>in</strong>g a<br />
dist<strong>in</strong>ctivepersonalapproachforthisResearchMasterProgramme.[…]Thefocuson
269<br />
researchmethodsandtechniquesmakesthisresearchmasterprogrammeaperfect<br />
preparationforasuccessfulsubsequentPhDstudy<strong>in</strong>managementorbus<strong>in</strong>essata<br />
top<strong>in</strong>ternationalbus<strong>in</strong>essschoolorfunctions<strong>in</strong>staffdepartmentsoflargecompa<br />
nies,consultancyfirmsand<strong>in</strong>stitutesforappliedresearch“(vgl.RotterdamSchoolof<br />
<strong>Management</strong>,2008a).<br />
Fürdie<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>wirde<strong>in</strong>Wegvorgeschlagen,<strong>der</strong>dieReflexiondeseige<br />
nenWissenschaftsverständnissessowohlbeidenDozierendenalsauchbeiden<strong>St</strong>u<br />
dierendenför<strong>der</strong>t. Für dieDozierenden zieht dies die Notwendigkeit nachsich, ge<br />
me<strong>in</strong>sam als Institution e<strong>in</strong>en M<strong>in</strong>imalkonsens zu f<strong>in</strong>den, <strong>der</strong> Aufschluss über das<br />
vorherrschende Wissenschaftsverständnis gibt. Dieser kann <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kommunikation<br />
mitdenAnspruchsgruppene<strong>in</strong>gesetztwerden.FürdieSensibilisierung<strong>der</strong><strong>St</strong>udieren<br />
den soll die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit Wissen und Wissenschaft vom ersten bis zum<br />
letztenSemesterBestandteildesCurriculumsse<strong>in</strong>.FürdieE<strong>in</strong>führunge<strong>in</strong>esspeziel<br />
lenMasterszwecksErforschungvon<strong>Management</strong>ersche<strong>in</strong>tdie<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong><br />
zukle<strong>in</strong>.Ausserdementsprichtes<strong>der</strong>PhilosophiedesproblemorientiertenLernens,<br />
fachlichemitüberfachlichenKompetenzenzuverknüpfen,dasheisst,dieErforschung<br />
von<strong>Management</strong>imkonkretenFallzuerlernen.<br />
<br />
F. Curriculum<br />
DieArbeitnimmtihreBeratungstätigkeiternstundwille<strong>in</strong>Curriculumpräsentieren,<br />
dasdenAusführungenimtheoretischenTeildieserArbeitgerechtwird.Dabeiwird<br />
auf den bestehenden Istzustand Rücksicht genommen. Es wird angestrebt, die Ab<br />
grenzungzwischene<strong>in</strong>erallgeme<strong>in</strong>enunde<strong>in</strong>erspezialisierendenbetriebswirtschaft<br />
lichenAusbildungsowiediePassungzwischen<strong>Management</strong>modellundCurriculumzu<br />
erhöhen.Eswirdangestrebt,dieAuse<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungmitWissenundWissenschaft,<br />
die aktive Unterstützung <strong>der</strong> Identitätsarbeit und die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> künstlerischen<br />
Talente<strong>der</strong> <strong>St</strong>udierenden zu forcieren.Das Curriculum glie<strong>der</strong>tsich wie verlangt <strong>in</strong><br />
dieBereichefachlicheAusbildungundEntwicklungsfeld.Diesermöglichtdieverlang<br />
te Verankerung des <strong>Management</strong>s im Kontext sowie die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> überfachli<br />
chenKompetenzen<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendenunddieaktiveUnterstützungihrerIdentitätsar<br />
beit.DiegrösstefachlicheVerän<strong>der</strong>ungf<strong>in</strong>detdurchdieNeuausrichtung<strong>der</strong>Bache
270<br />
lorstufestatt.Eswirdvorgeschlagen,dasCurriculumauf<strong>der</strong>Bachelorstufesystem<br />
orientiert,auf<strong>der</strong>Masterstufekonsequentfunktionsorientiertzugestalten.<br />
MasterA<br />
Fach 1<br />
Fach 2<br />
Fach3<br />
Fach4<br />
Fach5<br />
Fach6<br />
FunktionsorientierterZugang<br />
MasterB<br />
MasterC<br />
MasterD<br />
MasterE<br />
SystemorientierterZugang<br />
<br />
Master F<br />
Entwicklungsfeld<br />
Abb.7:ModifiziertesCurriculum(EigeneDarstellung)<br />
<br />
Konkretheisstdies,dasssichdiegesamteBachelorstufe<strong>der</strong>systemorientiertenMa<br />
nagementlehre verschreibt.Sowohl das fachlicheCurriculumals auch die e<strong>in</strong>zelnen<br />
FächerfolgendemParadigma<strong>der</strong>Systemorientierung.DieOptikdieserFächerliegt<strong>in</strong><br />
<strong>der</strong>HilfezurSelbsthilfe<strong>der</strong>SystemeIndividuum,OrganisationundGesellschaft.Dies<br />
entsprichtdenPrämissendes<strong>Management</strong>modells 21 .DieOptikschlägtsichimCurri<br />
culumdurchdie<strong>in</strong>tensiveAuse<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendenmit<strong>der</strong>Identitäts<br />
arbeit von Mensch, Organisation und Gesellschaft nie<strong>der</strong> (vgl. Abb. 9). Ausserdem<br />
weistdasCurriculumauf<strong>der</strong>Bachelorundauf<strong>der</strong>MasterstufeimCurriculumsektor<br />
„Wissen und Identität“ zweisemestrige Bauste<strong>in</strong>e aus, welche die Arbeit an gesell<br />
schaftlichenProblemenvorsehen.Inden„Interdiszipl<strong>in</strong>ärenProblemenI&II“setzen<br />
sich<strong>St</strong>udierendeausverschiedenenMajorsundMasternmitProblemenause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>,<br />
welche die Systeme Mensch, Organisation und Gesellschaft gleichermassen betref<br />
fen.DieBauste<strong>in</strong>eför<strong>der</strong>nsonichtnurdassystemorientierte,son<strong>der</strong>nauchdasge<br />
sellschaftsorientierte,nachhaltigeund<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äreDenken.DerSystemorientie<br />
rungkönntezusätzlichRechnunggetragenwerden,<strong>in</strong>demnebendenfunktionsorien<br />
tiertenMasterne<strong>in</strong>systemorientierterMasterangebotenwürde.DieSystemorientie
271<br />
rungf<strong>in</strong>detsichschliesslichauchauf<strong>der</strong>Assessmentstufe,<strong>in</strong><strong>der</strong>alleLehrveranstal<br />
tungen zum Verstehen des <strong>St</strong>. Galler <strong>Management</strong>modells sowie <strong>der</strong> Aufarbeitung<br />
<strong>der</strong>Vergangenheit<strong>der</strong><strong>Management</strong>lehreaufgewendetwerden.<br />
Die Funktionsorientierung wird dadurch berücksichtigt, dass die <strong>St</strong>rukturierung <strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>zelnenMasterlehrgängedenorganisationalenFunktionenfolgt.Die<strong>St</strong>udierenden<br />
sollensich<strong>in</strong>e<strong>in</strong>ervonihnenausgewähltenPerspektivedes<strong>Management</strong>svertiefen.<br />
Sie sollen mit den Klassikern und den neusten Forschungsergebnissen <strong>der</strong> Diszipl<strong>in</strong><br />
vertrautwerden.SiesollenmitdenMöglichkeitenbekanntgemachtwerden,wie<strong>in</strong><br />
<strong>der</strong>vonihnengewähltenDiszipl<strong>in</strong>Forschungbetriebenwerdenkann.Siesollenselbst<br />
erste Erfahrungen <strong>in</strong><strong>der</strong> Forschung sammeln. Sie sollen sich e<strong>in</strong> wissenschaftliches<br />
o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> praktisches Profil mit den dazugehörigen Werten, Wissenschaftstheorien<br />
undMethodenerarbeiten.Durchdiespäte,aberkonsequenteSpezialisierunggel<strong>in</strong>gt<br />
esüberdasgesamte<strong>St</strong>udiumh<strong>in</strong>weg,beideZugängeabzudeckenundmite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zu<br />
vere<strong>in</strong>en. Durch den skizzierten Aufbau gel<strong>in</strong>gt es, e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>es Betriebswirt<br />
schaftsverständnis <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuelle Spezialisierung überzuführen. Die <strong>St</strong>udieren<br />
denhabensichdurchihr<strong>St</strong>udiumsowohlmitdemIntegrierenalsauchmitdemAus<br />
differenzierenbeschäftigt,siehabendasGanzeunde<strong>in</strong>enTeildavonkennengelernt.<br />
Sie kennen die grossen und die kle<strong>in</strong>en Maximierungsprobleme, die beim Manage<br />
ment<strong>der</strong>SystemeIndividuum,Organisation,OrganisationsnetzwerkundGesellschaft<br />
auftauchenkönnen.<br />
DasbestehendeAngebot<strong>der</strong>Masterwurdeweiterobenschone<strong>in</strong>malkritisiert(vgl.<br />
Kapitel9.2).Die<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>übernimmtdiefunktionale<strong>St</strong>rukturierung<strong>der</strong><br />
Diszipl<strong>in</strong>Betriebswirtschaft.Damitvermeidetsiees,NischenundThemenzubeset<br />
zenundsichdurchaussergewöhnlicheMasterimMarktzupositionierenundzuprofi<br />
lieren.Diesersche<strong>in</strong>tgeradedannwichtig,wenn,wieweiterobenverlangt,dieGe<br />
schäftsfel<strong>der</strong> Forschung, Ausbildung, Weiterbildung und Beratung zusammenwach<br />
sensollen.Manreistnichte<strong>in</strong>fachsonach<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,umdortzweiJahrezustudieren.<br />
Deshalb müssen Angebote geschaffen werden, die e<strong>in</strong>en zweijährigen Aufenthalt<br />
rechtfertigen.RichtetmandenBlickaufdieeuropäischenTopuniversitäten,nutzen<br />
dieseausgefalleneMasterzurProfilierung.Sobietetdieim„F<strong>in</strong>ancialTimes“führen<br />
deHECParis(2008b)nebendemMaster<strong>in</strong>nachhaltigerEntwicklungauchMaster<strong>in</strong><br />
„Largeprojectsmanagment“,„supplycha<strong>in</strong>management“,„digitalbus<strong>in</strong>essstrategy“<br />
o<strong>der</strong> „<strong>in</strong>ternational risks management“ an. An<strong>der</strong>e erwähnenswerte Master s<strong>in</strong>d<br />
„Telecom & Digital Bus<strong>in</strong>ess“, „Sports <strong>Management</strong>“ und „Biotechnology Manage
272<br />
ment“,„DirrecióndeEmpresasTurísticas“und„DigitalAdvertis<strong>in</strong>gandCommunica<br />
tion“<strong>der</strong>IEBus<strong>in</strong>essSchool(2008)o<strong>der</strong>„CorporateCommunication“,„<strong>Management</strong><br />
Consult<strong>in</strong>g“, „Maritime Economics & Logistics“ und „Hospitality <strong>Management</strong>“ <strong>der</strong><br />
RotterdamSchoolof<strong>Management</strong>(2008).ImFalle<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>bietetes<br />
sich an, die bestehenden Forschungsgeme<strong>in</strong>schaften, die im Rahmen <strong>der</strong> Center <strong>in</strong><br />
denletztenJahrenaufgebautwurden,<strong>in</strong>Masterprogrammeumzuwandeln.Sokönn<br />
ten Master <strong>in</strong> „Aviation <strong>Management</strong>“, „Social Enterprises“ o<strong>der</strong> „Family Bus<strong>in</strong>ess“<br />
ohnegrosseAnlaufschwierigkeitenumgesetztwerden.DieForschungkönntedirekt<br />
<strong>in</strong>dieAusbildungtransformiertwerden.<br />
Wiedie<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>bietetauchdieLeuphana<strong>Universität</strong>Lüneburgihren<br />
<strong>St</strong>udierenden e<strong>in</strong> Entwicklungsfeld an. „Das Komplementärstudium ergänzt und er<br />
weitert die <strong>in</strong>haltlich fokussierten Masterstudiengänge um e<strong>in</strong>e wissenschafts und<br />
praxisreflexivePerspektive.ImKomplementärstudium<strong>der</strong>GraduateSchoolkommen<br />
<strong>St</strong>udierende unterschiedlicher Masterprogramme zusammen, um <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong><br />
samenwechselseitigenLernprozesse<strong>in</strong>kritischesBewusstse<strong>in</strong>fürdiewissenschaftli<br />
chen und praktischen Kontexte ihrer eigenen Fachrichtung auszubilden. Durch den<br />
<strong>in</strong>terundtransdiszipl<strong>in</strong>ärenDiskurswerdendienormativen,theoretischenundme<br />
thodologischenGrundannahmen<strong>der</strong>eigenenZugängezurWissensproduktionausge<br />
leuchtetundh<strong>in</strong>terfragt.Siewerdenzue<strong>in</strong>an<strong>der</strong><strong>in</strong>Beziehunggesetzt,vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
abgegrenzt,gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong>geschärftundmite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>vermittelt.FachlichePerspek<br />
tivwechselundDifferenzerfahrungenwerdensozue<strong>in</strong>em<strong>in</strong>tegralenBestandteildes<br />
Wissenserwerbs<strong>in</strong><strong>der</strong>GraduateSchool–ganzimS<strong>in</strong>nedesfächerüberspannenden<br />
Ansatzes <strong>der</strong> Leuphana <strong>Universität</strong> Lüneburg. FachspezifischeTheorienund Metho<br />
denkritische<strong>in</strong>ordnenundsystematischbewerten,<strong>in</strong>terundtransdiszipl<strong>in</strong>äreMe<br />
thoden anwenden, e<strong>in</strong> wissenschafts und praxiskritisches Bewusstse<strong>in</strong> entwickeln,<br />
gesellschaftliche Fragestellungen begreifen und reflektieren – all diese Fähigkeiten<br />
werdenimKomplementärstudiumsystematischgeför<strong>der</strong>t.DieModuledesKomple<br />
mentärstudiumsbietenRaumzurThematisierung,ReflexionundDiskussiongrundle<br />
gen<strong>der</strong> wissenschaftstheoretischer, methodologischer und ethischer Fragen“<br />
(Leuphana,2008b).DieBauste<strong>in</strong>edesKomplementärstudiumsheissenbeiallen<strong>St</strong>u<br />
dierenden Wissenschaftstheorie, fachübergreifende Methoden und Wissenschafts<br />
ethik.Diessicherte<strong>in</strong>ewissenschaftstheoretischeEntwicklung,dieauchan<strong>der</strong>Uni<br />
versität<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>forciertwerdensollteunddurche<strong>in</strong>enspeziellenCurriculumsektor<br />
imhierpräsentiertenVorschlagberücksichtigtwird.DasKomplementärstudiumver
meidetesaberwiedasKontextstudiuman<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>,den<strong>St</strong>udieren<br />
273<br />
dene<strong>in</strong>ebreitePaletteanEntwicklungsmöglichkeitenanzubieten.DerAnteilvon15<br />
CreditsamTotalvon90Creditsersche<strong>in</strong>tausserdemrelativger<strong>in</strong>g.Interessantist<strong>in</strong><br />
diesem Zusammenhang <strong>der</strong> Ansatz <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> Bern, die Bachelorstufe als ver<br />
schiedene Varianten <strong>der</strong> Gewichtung von Hauptfach, Nebenfach und Nebenfach II<br />
anzubieten(vgl.<strong>Universität</strong>Bern,2008).Die<strong>St</strong>udierendenkönnensoause<strong>in</strong>ergros<br />
senAnzahlvonFächernauswählen,diesieimRahmene<strong>in</strong>esNebenfachsgezieltver<br />
tiefen. Allerd<strong>in</strong>gs wird durch die Konzentration auf e<strong>in</strong> o<strong>der</strong> zwei Nebenfächer die<br />
Vielfalt<strong>der</strong>Diszipl<strong>in</strong>ene<strong>in</strong>geschränkt.<br />
Master<br />
forum<br />
(20CP)<br />
Forschungs<br />
projekt<br />
MasterThesis(25CP)<br />
Major(50CP)<br />
Komplementär<br />
studium<br />
(15CP)<br />
Abb.8:Curriculum<strong>der</strong>LeuphanaMaster(vgl.Leuphana,2008a)<br />
<br />
InnovativundvorbildlichimS<strong>in</strong>ne<strong>der</strong>Argumentation<strong>in</strong>Kapitel8istdielangfristige<br />
Begleitung<strong>der</strong>Masterarbeitan<strong>der</strong><strong>Universität</strong>LeuphanaLüneburg(2008a).DieVor<br />
bereitungbeg<strong>in</strong>ntimerstenSemesterdesMasters.„ZieldiesesBauste<strong>in</strong>simLeupha<br />
na Master ist die Vorbereitung und Begleitung <strong>der</strong> MasterThesis. In <strong>der</strong> Leuphana<br />
Graduate School wird den <strong>St</strong>udierenden von Anfang an die Gelegenheit gegeben,<br />
selbständig zu forschen: Sie können sich mit ihrer eigenen Forschungsperspektive<br />
ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen, das eigene Projekt voranbr<strong>in</strong>gen und theoretisch erworbenes<br />
Wissen<strong>in</strong>e<strong>in</strong>enkonkretenZusammenhangstellen.SokanndieAbschlussarbeitsorg<br />
fältiggeplantunddurchgeführtwerden“(ebd.).DieLeuphana<strong>Universität</strong>Lüneburg<br />
för<strong>der</strong>tdamitergänzendzumKomplementärstudiumdiepraktischeForschungskom<br />
petenz ihrer <strong>St</strong>udierenden. Die <strong>St</strong>udierenden erhalten die Begleitung und Beratung<br />
e<strong>in</strong>esCoachs, die siesich <strong>in</strong> offenen und selbstgesteuerten LernLehrUmgebungen<br />
wünschen.
274<br />
Das<strong>in</strong>Abbildung10dargestellteCurriculumkonkretisiertdasverlangteEntwicklungs<br />
feld.Eshatsichvollundganz<strong>der</strong>Identitätsarbeit<strong>der</strong>Individuenverschrieben.Hier<br />
sollendieLernendenzuselbstbestimmtenIndividualistenmite<strong>in</strong>erstabilenIdentität<br />
heranreifen.An<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>existiertmitdemKontextstudiumbereits<br />
heutee<strong>in</strong>Entwicklungsfeld.ImGegensatzzuheutewirdimabgebildetenCurriculum<br />
<strong>der</strong> relative Anteil des Entwicklungsfeldes erhöht. Die bisherigen <strong>St</strong>ärken werden<br />
durchdieNeuausrichtungzusätzlichgestärkt.Dieserlaubtesdenhiervorgetragenen<br />
For<strong>der</strong>ungen Rechnung zu tragen, die e<strong>in</strong>e Unterstützung <strong>der</strong> Identitätsarbeit, e<strong>in</strong>e<br />
pädagogische Sensibilisierung, e<strong>in</strong>e För<strong>der</strong>ung des wissenschaftlichen Denken und<br />
Handelns, e<strong>in</strong>e verstärkte Beachtung des organisationalen Kontextes und e<strong>in</strong>e ver<br />
tiefteBehandlungvongesellschaftlichenProblemenverlangen.DasEntwicklungsfeld<br />
unterscheidet sich zusätzlich durch den Bauste<strong>in</strong> „Künstlerische Entwicklung“ vom<br />
heutigen Zustand. Dort sollen die <strong>St</strong>udierenden <strong>in</strong> prüfungslosen Kursen an ihrem<br />
künstlerischenAusdruckfeilen,seiesdurchLiteratur,Kochkurse,Bildhauerei,Theater<br />
o<strong>der</strong>Malerei.
ECTS 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30<br />
<br />
KONTEXTV KONTEXTVI<br />
WAHLPFLICHTIII<br />
PFLICHTV PFLICHTIV<br />
<br />
<br />
<br />
INTERDISZIPLINÄRE<br />
PROBLEMEII<br />
<br />
KÜNSTLERISCHE<br />
ENTWICKLUNG<br />
PFLICHTIII PFLICHTIV<br />
WAHLPFLICHTII<br />
KONTEXTIII KONTEXTIV<br />
MASTERARBEIT<br />
<br />
<br />
<br />
METHODOLOGIEN<br />
PFLICHTI PFLICHTII<br />
WAHLFPFLICHTI<br />
UNDMETHODENII<br />
KONTEXTI KONTEXTII<br />
<br />
(WISSENSCHAFT/PRAXIS) <br />
<br />
<br />
MASTERSTUFE<br />
<br />
KONTEXTVIII<br />
[IDENTITÄTSARBEIT]<br />
KONTEXTVII<br />
INTEGRATIONSSEMINAR<br />
WAHLPFLICHTIV<br />
NACHHALTIGKEIT<br />
WORKLIFEBALANCE<br />
EVOLUTIONDERORGANISATIONEN<br />
NACHHALTIGKEIT <br />
KULTUREN<br />
DASINDIVIDUUMINDENANSPRUCHS<br />
GRUPPENROLLEN,RECHT<br />
LICHEUNDKULTURELLEREGELUNGEN <br />
FINANZMANAGEMENT<br />
FINANCE,MIKROÖKONOMIE,CONTROLLING,<br />
RECHNUNGSLEGUNG<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
KONTEXTV KONTEXTVI<br />
WAHLPFLICHTIII<br />
DIELERNENDEORGANISATION<br />
HRM&WISSEN&TECHNOLOGIEN<br />
ENTWICKLUNGSMODI<br />
KÜNSTLERISCHE<br />
ENTWICKLUNG<br />
BACHELORARBEIT <br />
<br />
INTERDISZIPLINÄRE<br />
PROBLEMEI<br />
AUSTAUSCHBEZIEHUNGENUNDINTERAK<br />
TIONSTHEMEN<br />
MARKETING&KOMMUNIKATION<br />
STRUKTUREN&PROZESSE<br />
PROZESSMANAGEMENT,ORGANISATIONS<br />
KONTEXTIII KONTEXTVI<br />
WAHLPFLICHTII<br />
THEORIE,ORGANISATIONSNETZWERKE<br />
MAKROÖKONOMIE<br />
BACHELORSTUFE<br />
<br />
<br />
<br />
KONTEXTI KONTEXTII<br />
IDENTITÄTDES<br />
NDIVIDUUMS<br />
WAHLPFLICHTI<br />
IDENTITÄTDERGESELLSCHAFT<br />
ORGANISATION&UMWELT<br />
DIAGNOSENUNDZUKUNFTSSZENARIEN <br />
IDENITÄTDERORGANISATION<br />
STRATEGIE,WERTSCHÖPFUNG,POSITIONIE<br />
RUNG<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
REFLEXIONS<br />
KOMPETENZI<br />
METHODOLOGIEN<br />
UNDMETHODENI<br />
MATHEMATIK/<br />
RECHT<br />
BWLII<br />
DASST.GALLERMANAGE<br />
MENTMODELL<br />
KÜNSTLERISCHE<br />
ENTWICKLUNG<br />
VWLII RECHTII<br />
SPRACHE<br />
HAUSARBEIT<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
BWLI<br />
WISSENSGESELLSCHAFT<br />
EINFÜHRUNGINDAS<br />
MATHEMATIK/<br />
REFLEXIONS<br />
DEFINITION&URSPRÜNGE<br />
VWL RECHT<br />
WISSENSEXPLOSION<br />
SPRACHE<br />
WISSENSCHAFTLICHE<br />
RECHT<br />
KOMPETENZII<br />
(MANAGEMENTGESCHICHTE)<br />
<br />
WIEDERMENSCHLERNT <br />
ARBEITEN <br />
<br />
WISSENUND<br />
KERNFÄCHER<br />
WAHLBEREICH<br />
KONTEXTSTUDIUM<br />
ARBEITEN<br />
<br />
IDENTITÄT <br />
<br />
ASSESSMENT<br />
ÄSTHETISCHE<br />
ENTWICKLUNG<br />
FACHSTUDIUM ENTWICKLUNGSFELD<br />
<br />
Abb.9:Curriculum(EigeneDarstellung)
276<br />
<br />
10.3. Kommunikation<br />
A. IdentitätalsKoord<strong>in</strong>ationsmechanismus<br />
DasCurriculumistdieMaterialisierungdesane<strong>in</strong>er<strong>Universität</strong>vorherrschendenBil<br />
dungsverständnisses.Esist<strong>der</strong>Bauplan,<strong>der</strong>vorgibt,wiedasProduktAbsolventher<br />
zustellenist.AlssolchesgibtesgrobeVorgaben,ohnedieletztenDetailszuregeln.<br />
DieVorgabenkönnenvondene<strong>in</strong>zelnenProfessorennachihrenVorliebenund<strong>St</strong>är<br />
kenumgesetztwerden.Esentsteht<strong>der</strong>ausführlichbehandelteMoment<strong>der</strong>Wahr<br />
heit,<strong>in</strong>demdasMarkenversprechenRealitätwird,die<strong>St</strong>udierendendurchdenVer<br />
gleich ihrer Erwartungen mit dem gebotenen Nutzen über ihre Zufriedenheit ent<br />
scheidenund<strong>St</strong>udierendeundDozierendegleichzeitiganihrerIdentitätarbeiten.Die<br />
lockereRegelung<strong>der</strong>UmsetzungdesMarkenversprechensiste<strong>in</strong>erseitse<strong>in</strong>eChance,<br />
weildieDozierendendadurchihreEigene<strong>in</strong>heitene<strong>in</strong>br<strong>in</strong>genundausleben.DieHe<br />
terogenität <strong>der</strong> Zugänge wird auf die <strong>St</strong>udierenden übertragen. Sie erkennen, dass<br />
dieWeltunddieMenschen<strong>in</strong>ihnenalsMöglichkeitenexistieren.<br />
FürdasProduktdesignbirgtdiePluralität<strong>der</strong>VerständnisseGefahren.DerSpielraum<br />
<strong>der</strong>Dozierendenkanndazuführen,dassdieuniversitäreIdentitätverwässertwird.Es<br />
istdannnichtmehrklar,fürwelcheWertschöpfunge<strong>in</strong>ebestimmteFakultäte<strong>in</strong>steht.<br />
ZurErhöhung<strong>der</strong>KohärenzwurdedieIdentitätalswirksamerKoord<strong>in</strong>ationsmecha<br />
nismus<strong>der</strong>Selbstorganisatione<strong>in</strong>geführt.Wirdsiegeme<strong>in</strong>samerarbeitet,wirdsiezur<br />
OrientierungdesVerhaltens<strong>der</strong>Mitarbeitenden.DasVermittelne<strong>in</strong>esBildungsver<br />
ständnissessetztdasCommitmentunddasdazugehörigeVerhalten<strong>der</strong>Dozierenden<br />
voraus.Esistnötig,dieIdentität<strong>in</strong>denKöpfenundHerzen<strong>der</strong>Dozierendenzuver<br />
ankern.Diesgel<strong>in</strong>gtambesten<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emBottomupProzess.IstdieIdentitäte<strong>in</strong>mal<br />
erarbeitet, stiftet sie für die beteiligten Anspruchsgruppen, seien es <strong>St</strong>udierende,<br />
neueProfessoren,den<strong>St</strong>aato<strong>der</strong>privatwirtschaftlicheUnternehmenSicherheitund<br />
Orientierung.DieAnspruchsgruppenwissen,fürwelcheWertschöpfungdieUniversi<br />
täte<strong>in</strong>steht.Dadurchfälltesihnenleichter,sichlangfristigane<strong>in</strong>ebestimmeUniver<br />
sität zu b<strong>in</strong>den. Der <strong>Universität</strong> ihrerseits gel<strong>in</strong>gt es durch e<strong>in</strong>e starke Identität ihr<br />
<strong>St</strong>akehol<strong>der</strong>kapitalzuerhöhen(vgl.Schmid,2004).<br />
Die Dozenten e<strong>in</strong>er <strong>Universität</strong> werden auch als „Geme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Beschäftigten“<br />
bezeichnet (vgl. vanMaanen & Barley, 1984; Merkens, 2006).DerTerm<strong>in</strong>us macht<br />
daraufaufmerksam,dassdieOrganisationdannstarkist,wennsiealsGeme<strong>in</strong>schaft<br />
agiert. Zur Geme<strong>in</strong>schaftsbildung dient die organisationale Identitätsarbeit. Es wird
277<br />
<br />
hierbehauptet,dassdieIdentitäte<strong>in</strong>er<strong>Universität</strong>stellvertretendfüre<strong>in</strong>Bildungs<br />
verständnissteht.EsmusswievonMalik(2008)gefor<strong>der</strong>taufdiefolgendenFragen<br />
Antwortgeben:„Wasist<strong>der</strong>Bedarf.O<strong>der</strong>:Wofürbezahltuns<strong>der</strong>Kunde?Wass<strong>in</strong>d<br />
unsere <strong>St</strong>ärken? O<strong>der</strong>: Was können wir besser als an<strong>der</strong>e und wo s<strong>in</strong>d wir daher<br />
überlegen?WoherkommtunsereÜberzeugung?O<strong>der</strong>:WoherkommtunsereKraft,<br />
jeneKraft,diewirdannbrauchen,wenndieMotivationerschöpftist?“(ebd.,S.165).<br />
DasBildungsverständnissetztsichdenAusführungendieserArbeitgemässausden<br />
Vorstellungen über das Idealbild <strong>der</strong> Persönlichkeit, dem Wissenschaftsverständnis<br />
und<strong>der</strong>Identitäte<strong>in</strong>esspezifischenFachszusammen.DiesedreiElementeentspre<br />
chen den curricularen Legitimationsquellen. Als solche werden die Idealvorstellung<br />
über die Persönlichkeit <strong>der</strong> Lernenden, die Bewältigung von Lebenssituationen und<br />
wissenschaftlicheErkenntnissegenannt(vgl.Euler&Hahn,2004;Reetz,1984;Frey,<br />
1975).Amallgeme<strong>in</strong>stenargumentiertdasPersönlichkeitspr<strong>in</strong>zip.„DieBestimmung<br />
von Lernzielen und<strong>in</strong>halten nach dem Persönlichkeits beziehungsweise Bildungs<br />
pr<strong>in</strong>zipgehtvone<strong>in</strong>emBekenntniszugesetztenGrundwertenaus,ausdenenheraus<br />
zielgruppenundsituationsspezifischkonkreteNormenbegründetwerden“(Euler&<br />
Hahn,2004.S.123).<strong>St</strong>renggenommenvermagdasPersönlichkeitspr<strong>in</strong>zipaufsichal<br />
le<strong>in</strong>egestelltnochke<strong>in</strong>eBildungzuumschreiben.EskannalsNegativdef<strong>in</strong>itionnur<br />
bestimmteBildungsvorstellungenausschliessen(vgl.Blankertz,1991,S.24).Dasfor<br />
male Bildungsverständnis muss im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> kategorialen Bildung durch materiale<br />
Vorstellungenergänztwerden(vgl.Klafki,1996;1976).<br />
Dazu dient <strong>der</strong> zweite Teil <strong>der</strong> universitären Identität. Er schreibt vor, auf welche<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungendie<strong>St</strong>udierendendurchdasvonihnengewählte<strong>St</strong>udiumvorbe<br />
reitetwerdensollen.„DasSituationspr<strong>in</strong>zipnimmte<strong>in</strong>eBestimmungundBegründung<br />
vonLernzielenund<strong>in</strong>haltenüberdieAnalysevontypischenLebenssituationenvor,<br />
auf<strong>der</strong>enBewältigung<strong>der</strong>Lernendevorbereitetwerdensoll“(ebd.,S.122f.).DieLe<br />
benssituationen werden von <strong>der</strong> Identität e<strong>in</strong>er bestimmten Diszipl<strong>in</strong> vorgegeben.<br />
AusihrlassensichdieHerausfor<strong>der</strong>ungen<strong>der</strong>Absolventenherleiten.ImFallee<strong>in</strong>es<br />
Betriebswirtschaftsstudiumsistesdas<strong>Management</strong>verständnis,dasvorgibt,mitwel<br />
chenAufgabene<strong>in</strong>Manager<strong>in</strong>se<strong>in</strong>emAlltagkonfrontiertwird.DiezweiteQuelleist<br />
engmitdemWissenschaftsverständnis,demdrittenundletztenTeil<strong>der</strong>universitären<br />
Identitätverbunden.ErgibtAuskunftdarüber,welcheErkenntnissevone<strong>in</strong>erUniver<br />
sitätwarum<strong>in</strong>welcherFormgewonnenundgelehrtwerdensollen.DiedreiTeiledes
278<br />
<br />
Bildungsverständnisses e<strong>in</strong>er <strong>Universität</strong> können nicht unabhängig vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> be<br />
trachtetwerden.Siestehen,wie<strong>in</strong>Kapitel6ausgeführt,<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emengenVerhältnis.<br />
<br />
S<strong>in</strong>nundZweck<br />
<strong>der</strong>Diszipl<strong>in</strong><br />
Wissenschafts<br />
verständnis<br />
Idealbild<strong>der</strong><br />
Persönlichkeit<strong>der</strong><br />
Absolventen<br />
InterneAnspruchsgruppen<br />
ExterneAnspruchsgruppen<br />
Abb.10:Identität<strong>der</strong><strong>Universität</strong>(EigeneDarstellung)<br />
<br />
Die universitäre Identität entsteht <strong>in</strong> wechselwirkenden Prozessen <strong>der</strong> Anspruchs<br />
gruppen. Innerhalb dieser Geme<strong>in</strong>schaft nehmen die <strong>in</strong>ternen Anspruchsgruppen,<br />
also die <strong>St</strong>udierenden, die Dozierenden und die übrigen Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Universität</strong><br />
e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e <strong>St</strong>ellung e<strong>in</strong>. Die Dozierenden prägen durch ihren Unterricht das<br />
DenkenundHandeln<strong>der</strong><strong>St</strong>udierenden.SietragendieAufgabe,durchihreLehredie<br />
fachliche und die persönliche Entwicklung <strong>der</strong> <strong>St</strong>udierenden im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Identität<br />
ihrer<strong>Universität</strong>zuunterstützen.Die<strong>St</strong>udierendenwie<strong>der</strong>umtragenalsMultiplikato<br />
ren das Bildungsverständnis <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>in</strong> die Gesellschaft. Die externen An<br />
spruchsgruppenbestimmendieIdentitäte<strong>in</strong>er<strong>Universität</strong>massgeblichmit.DasBil<br />
dungsverständnis e<strong>in</strong>er <strong>Universität</strong> ist nicht selbstreferenziell. Es muss sich auf die<br />
Ansprüche<strong>der</strong>Gesellschaftundihrer<strong>in</strong>stitutionellenVertreterbeziehen.
279<br />
<br />
B. BehavioralBrand<strong>in</strong>g<br />
Das Wissen darüber, wie sich e<strong>in</strong>e universitäre Identität zusammensetzen könnte,<br />
nützt<strong>in</strong><strong>der</strong>konkretenUmsetzungwenig.EsgiltdieIdentitätdurchdieDozierenden<br />
zumLebenzuerwecken.Auch<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>Universität</strong>s<strong>in</strong>ddurchdaskonkreteVerhalten<br />
<strong>der</strong>DozierendenRückschlüsseaufdieMarkemöglich.Diesgilt<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>efürdie<br />
Interaktionenzwischen<strong>St</strong>udierendenundDozierendenunddieGestaltung<strong>der</strong>Lern<br />
LehrUmgebungen,<strong>in</strong>denendieseInteraktionenstattf<strong>in</strong>den.<br />
DieUmsetzunge<strong>in</strong>esMarkenversprechensistdreistufig.„ErstensmüssendieMitar<br />
beiterwissen,wofürdieMarkestehtundwiesieselbstzur<strong>St</strong>ärkung<strong>der</strong>Markebei<br />
tragenkönnen.ZweitensmüssendieMitarbeitere<strong>in</strong>CommitmentzurMarkeaufwei<br />
senunddiemarkenkonformenVerhaltensweisenauchausübenwollen.Drittensmüs<br />
sensieüberdienötigenFähigkeitenverfügen,umdasMarkenversprechene<strong>in</strong>lösenzu<br />
können“(Wentzeletal.,2008,S.95).DasZusammenspielvonWissen,Commitment<br />
und Fähigkeiten, das von Wentzel et al. (ebd.) als Behavioral Brand<strong>in</strong>g Funnel be<br />
schriebenwird,kennendiePädagogenunterdemBegriff<strong>der</strong>Handlungskompetenz<br />
schonlange(vgl.Euler&Hahn,2004).DortwirddasVerhaltene<strong>in</strong>esMenschenals<br />
ZusammenspielvonWissen,FertigkeitenundE<strong>in</strong>stellungenbeschrieben(S.131).E<strong>in</strong><br />
Markenversprechen umzusetzen, bedeutet deshalb fertig gedacht, die Mitarbeiten<br />
den zu sensibilisierenund weiterzubilden. Die Umsetzung des Markenversprechens<br />
entpuppt sich als Anleitung <strong>der</strong> Personalentwicklung (vgl. Brexendorf et al., 2008;<br />
Morhartetal.,2008).<br />
Die <strong>Universität</strong> sieht sich wie alle an<strong>der</strong>en mitgliedschaftlichen Organisationen mit<br />
demWunsch<strong>der</strong>Mitglie<strong>der</strong>nachAutonomiekonfrontiert.Die<strong>Universität</strong>wirddann<br />
auchalsorganisierteAnarchie(vgl.Pellert&Welan,1995;Cohenetal.,1972)o<strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>enachdempolitischenModellfunktionierendeOrganisationbezeichnet.„Daspo<br />
litischeModellsche<strong>in</strong>tdieRealitätakademischerOrganisationenbeson<strong>der</strong>sgutwi<br />
<strong>der</strong>zuspiegeln, da sie den Zwill<strong>in</strong>gscharakter von Organisation und Geme<strong>in</strong>de, von<br />
Kollegium und Hierarchie repräsentieren. Interessen und Loyalitäten s<strong>in</strong>d fragmen<br />
tiert, Wertkonflikte e<strong>in</strong> Normalzustand und meistens s<strong>in</strong>d es nur e<strong>in</strong> paar politisch<br />
Engagierte,diesichfüre<strong>in</strong>ebestimmteZeitfürbestimmteThemene<strong>in</strong>setzen“(Pel<br />
lert,1995,S.94).DieseCharakteristikaführenzuspezifischenBed<strong>in</strong>gungen<strong>der</strong>Orga<br />
nisationsentwicklung<strong>der</strong><strong>Universität</strong>.Mangehtdavonaus,dassessichbei<strong>der</strong>Uni<br />
versitätume<strong>in</strong>ebeson<strong>der</strong>sschwierigzumanagendeOrganisationmitstarkenWi<strong>der</strong>
280<br />
<br />
standskräftenhandelt.„Aufgrund<strong>der</strong>ger<strong>in</strong>genAusprägunganoperativenKoord<strong>in</strong>a<br />
tionsmechanismen, <strong>der</strong> dezentralen Machtbasis, <strong>der</strong> vielfältigen Organisationsziele<br />
und<strong>der</strong>kollektivenEntscheidungsprozesses<strong>in</strong>ddieErfolgschancenvonkurzfristigen<br />
tiefgreifenden Gestaltungsansätzen für Verän<strong>der</strong>ungsprozesse an Hochschulen als<br />
ger<strong>in</strong>ge<strong>in</strong>zuschätzen.Gestaltungsansätzes<strong>in</strong>dlangfristiganzulegenund[haben]be<br />
son<strong>der</strong>sdieVerän<strong>der</strong>ungenvonNormenimRahmensoziokulturellerLernprozessezu<br />
berücksichtigen“(ebd.,S.87).Schönwald(2007)identifiziertdeshalbvordemH<strong>in</strong>ter<br />
grund <strong>der</strong> Hochschulentwicklung mögliche Gestaltungsfel<strong>der</strong> des Change Manage<br />
ments.„Change<strong>Management</strong>hatzumZiel,dieE<strong>in</strong>stellungenundVerhaltensweisen<br />
<strong>der</strong>Organisationsmitglie<strong>der</strong>zuverän<strong>der</strong>n.Change<strong>Management</strong>umfasstsowohldie<br />
strategischePlanungalsauchdieoperativeGestaltungvonVerän<strong>der</strong>ungsprozessen.<br />
Change<strong>Management</strong>erfor<strong>der</strong>te<strong>in</strong>esituativangemesseneAusgestaltung<strong>in</strong>Bezugauf<br />
diespezifischenVerän<strong>der</strong>ungsformenundziele.Dahers<strong>in</strong>dDiagnosenundInterven<br />
tionenzentraleAufgaben<strong>in</strong><strong>der</strong>operativenGestaltungdesVerän<strong>der</strong>ungsprozesses.<br />
Bei<strong>der</strong>AuswahlundAusgestaltung<strong>der</strong>Interventionens<strong>in</strong>dkulturelleundpolitische<br />
Faktoren,welchedieWirkungvonInterventionenbee<strong>in</strong>flussen,zuberücksichtigen“<br />
(ebd.,S.59).<br />
Aufgrund<strong>der</strong>Spezifika<strong>der</strong>Institution<strong>Universität</strong>empfiehltessich,dasBildungsver<br />
ständnis–dieGrundlagedesBehavioralBrand<strong>in</strong>gs–vondenMitglie<strong>der</strong>n<strong>in</strong>e<strong>in</strong>em<br />
BottomupProzesszuentwickeln(vgl.Merkens,2006,S.183ff.).Wiebei<strong>der</strong>mensch<br />
lichen Identitätsarbeit gilt es die Optionen zu sichten und die passenden Optionen<br />
auszuwählen. Konkrete Wege zur Erarbeitung und Umsetzung e<strong>in</strong>er universitären<br />
Identitätkönnenhiernurskizziertwerden.DieInteressiertenseienandieLiteratur<br />
<strong>der</strong> <strong>St</strong>rategieformierung verwiesen (vgl. Fun<strong>der</strong>, 2007; Herstatt & Verworn, 2003;<br />
Deiss, 2002; Jäger, 2008). Die geme<strong>in</strong>same <strong>St</strong>rategieformierung dient <strong>der</strong> <strong>St</strong>ärkung<br />
<strong>der</strong>Kohärenz<strong>der</strong><strong>Universität</strong>.„E<strong>in</strong>eImplikationkollektiver<strong>St</strong>rategieformierungkann<br />
dar<strong>in</strong>gesehenwerden,dasszwischen<strong>der</strong>Anpassunge<strong>in</strong>zelnerHandlungenane<strong>in</strong>an<br />
<strong>der</strong>unde<strong>in</strong>erUnangepasstheitdesGesamtensorgfältigjustiertwerdenmuss.Esgeht<br />
darum,e<strong>in</strong>e‚strategischeKohärenz‘,e<strong>in</strong>eKonsistenzstrategischerHandlungenüber<br />
GeschäftsundFunktionsbereicheherzustellen“(Fun<strong>der</strong>,2007,S.49).Beson<strong>der</strong>sher<br />
vorgehoben sei die Notwendigkeit <strong>der</strong> Aktivierung von Reflexionspotenzialen. „Die<br />
Aktivierung von Reflexionspotenzialen zielt auf e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>terfragen von (Selbst<br />
)Verständnissenab,anhand<strong>der</strong>ensichdieRelevanzundAngemessenheitvonHand<br />
lungsmöglichkeitenbeurteilt.GrundüberzeugungenalsPrämissendesUnternehmens
281<br />
<br />
und se<strong>in</strong>er Wertschöpfung […] sollen angezweifelt und e<strong>in</strong> kritisches ‚SichSelbst<br />
Verstehen‘ausgelöstwerden.Vergewisserungsprozesse,obHandlungsmöglichkeiten<br />
‚angemessen‘s<strong>in</strong>d,d.h.alstatsächlichgangbarerundErfolgversprechen<strong>der</strong>Weggel<br />
ten, sollen verän<strong>der</strong>t vollzogen werden. Der verän<strong>der</strong>te Vollzug von Vergewisse<br />
rungsprozessen kann zweierlei implizieren: Erstens, dass bestehende (Selbst<br />
)Verständnisseh<strong>in</strong>terfragtund<strong>in</strong>Zweifelgezogenwerden.Zweitens,dasse<strong>in</strong>eÄnde<br />
rung stattf<strong>in</strong>det, welche (Selbst)Verständnisse wie E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> Vergewisserungspro<br />
zesse f<strong>in</strong>den“ (Fun<strong>der</strong>, 2007, S.207). Ausgehend von gemischt zusammengestellten<br />
Identitätsteams,die<strong>in</strong>Organisationsaufstellungen(vgl.Pacher,2006)o<strong>der</strong>Lernräu<br />
men(vgl.BrunnmayrGrüneis,2006)ersteIdeenzurIdentität<strong>der</strong><strong>Universität</strong>entwi<br />
ckeln, sollte das Erarbeitete zunehmend verdichtet werden. Dies gel<strong>in</strong>gt dadurch,<br />
dassmitzunehmen<strong>der</strong>ProzessdauerdieBreiteunddieAnzahl<strong>der</strong><strong>in</strong>volviertenPer<br />
sonenreduziertwird.DerProzesskönntemitVertreternganzunterschiedlicherAn<br />
spruchsgruppenbeg<strong>in</strong>nen(<strong>St</strong>udierende,Politiker,Dozierende,Verwaltungsmitarbei<br />
tende,Organisationsvertreter,Theologen)und<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emKernteamvonwenigenPro<br />
fessorenenden.In<strong>der</strong>Umsetzung<strong>der</strong>Identitätbilden<strong>St</strong>udierendeundDozierende<br />
die zentralen Adressaten. Später gilt es die Identität durch Kommunikationsmass<br />
nahmennachaussenzutragen.<br />
ZurUmsetzung<strong>der</strong>Identitäts<strong>in</strong>ddie<strong>St</strong>udierendenzue<strong>in</strong>emTeil<strong>der</strong>Feedbackschlau<br />
fene<strong>in</strong>er<strong>Universität</strong>zumachen.Diesgel<strong>in</strong>gtdurchihrenE<strong>in</strong>bezugbei<strong>der</strong>Entwick<br />
lung<strong>der</strong>universitärenIdentitäto<strong>der</strong>bei<strong>der</strong>EvaluationvonLehrveranstaltungenund<br />
desGesamtcurriculums.Esempfiehltsichzusätzlichdurche<strong>in</strong>eaggressiveundzeit<br />
gemässe MultiKanalKommunikationsstrategie, Wissen und Emotionen <strong>der</strong> <strong>St</strong>udie<br />
rendenanzusprechenunddadurchdasBildungsverständnis<strong>in</strong>denKöpfenundHer<br />
zen<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendenzuverankern.DurchWerbungfürdasBildungsverständniswird<br />
Sensibilität für die Identität e<strong>in</strong>er <strong>Universität</strong> geschaffen. Dies gilt <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für<br />
<strong>St</strong>udien<strong>in</strong>teressierte und <strong>St</strong>udienanfänger. Die Sensibilisierung könnte dadurch ge<br />
schehen,dass<strong>in</strong>verschiedenenelektronischenHäfen<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>das<br />
Bildungsverständnis durch e<strong>in</strong> Video verbreitet wird. In diesem würden die für das<br />
Bildungsverständnis verantwortlichen Personen sowie (ehemalige) <strong>St</strong>udierende das<br />
Bildungsverständnis erklären und begründen. Es gälte die Vielfalt <strong>der</strong> die Identität<br />
erarbeitendenPersonenwie<strong>der</strong>zugeben.DasBildungsverständnissollteauch<strong>in</strong>den<br />
Massenmedienplaciertwerden.DiessteigertdieBekanntheit<strong>der</strong>(verän<strong>der</strong>ten)Mar<br />
kenidentität und sichert die Positionierung, die Besetzung von Themenfel<strong>der</strong>n bei
282<br />
<br />
e<strong>in</strong>embreitenPublikum.UnterstützendwürdedievorgeschlagenepädagogischeSen<br />
sibilisierung<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendenwirken.EsgiltmöglichstfrühimCurriculume<strong>in</strong>enKurs<br />
zu verankern, <strong>der</strong> sich Wissen, Bildung und Wissenschaft widmet. Fehlt dieses bil<br />
dungstheoretische H<strong>in</strong>tergrundwissen, werden die <strong>St</strong>udierenden nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage<br />
se<strong>in</strong>, gewisse auf die universitäre Identität zugeschnittene didaktische Konzepte zu<br />
verstehen und <strong>in</strong> ihrem Alltag zu leben (vgl. Euler et al., 2004; Zellweger Moser &<br />
Meier,2007).<br />
AuchdieDozierendensollenverstehen.Neben<strong>in</strong>formellenGesprächen,diedasange<br />
sprocheneKernteamführensollte,müssenDokumentationenbereitgestelltwerden,<br />
diesichexplizitandieDozierendenwenden.ZurVerbreitungundErklärungdesBil<br />
dungsverständnissessolltenAusundWeiterbildungenangebotenwerden.DenLeh<br />
rendensolltenPlattformenzumAustauschgebotenwerden.Siesolltenzurgegensei<br />
tigen kollegialen Hospitation motiviert werden (vgl. <strong>Universität</strong> Zürich, 2007). Der<br />
pädagogischen Ausbildung <strong>der</strong> Dozierenden ist generell mehr Beachtung zu schen<br />
ken.Siewirdimmermehrzue<strong>in</strong>emWettbewerbsvorteil(bzw.nachteil)undgeniesst<br />
<strong>in</strong>denAugen<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendenhoheBedeutungbei<strong>der</strong>BeurteilungihrerZufrieden<br />
heit(vgl.Dyllick,2007;2007a;2005).DieGrundlagenfürdiepädagogische<strong>St</strong>ärkung<br />
desLehrkörperss<strong>in</strong>dimGrundstudium,spätestensaberimDoktorandenstudiumzu<br />
legen.Vone<strong>in</strong>er<strong>Universität</strong>könnenAnreizegeschaffenwerden,diediejenigenPro<br />
fessorenbelohnen,welchedieIdentität<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>in</strong>beson<strong>der</strong>sstarkemMasse<br />
<strong>in</strong>nerundausserhalb<strong>der</strong><strong>Universität</strong>bekanntmachen.<br />
Esbleibtzusagen,dasssichdieDozierendenniemalsvollständigzue<strong>in</strong>emBildungs<br />
verständnisbekennenwerden.Sieerwarten,dasssiesich<strong>in</strong>e<strong>in</strong>er<strong>Universität</strong>nach<br />
ihreneigenenMassstäbenverhaltendürfen.Umsowichtigeristes,sieaktiv<strong>in</strong>den<br />
Prozess<strong>der</strong>Identitätsüberprüfungundentwicklungzu<strong>in</strong>tegrieren.DieDozierenden<br />
sollenke<strong>in</strong>eIdentitätübergestülpterhalten.Siesollensie<strong>in</strong>Forme<strong>in</strong>esM<strong>in</strong>imalkon<br />
sensesgeme<strong>in</strong>samentwickeln.<br />
<br />
D. Markenführung<br />
<strong>Universität</strong>enagieren<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emErklärungswettbewerb.„DieLeistungsundKunden<br />
systemes<strong>in</strong>dhäufigkomplexundsies<strong>in</strong>ddurchdiedifferenzierteZusammenarbeit<br />
mitKundenundihreverän<strong>der</strong>tenAnsprücheimZeitablaufauchsehrdynamischund<br />
vielfältig. Entsprechend anspruchsvoll s<strong>in</strong>d Kommunikation und Lösungen im Erklä
283<br />
<br />
rungswettbewerb“(Belz&Bieger,2004,S.129).IndenWissensflutendesErklärungs<br />
wettbewerbsgiltesfürdieAnspruchsgruppenKlarheitzuschaffen.Esgiltdieorgani<br />
sationaleIdentitätunddiedazugehörigenLeistungenzuerklärenundnachaussenzu<br />
tragen. Es gilt die eigene Wirklichkeit zur Wirklichkeit <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en zu machen.<br />
„Kommunikationist<strong>der</strong>ZugangdesMenschenzurWirklichkeit,erhatke<strong>in</strong>enande<br />
ren,obalsMitarbeiter,Kunde,Intermediär,Kapitalgebero<strong>der</strong><strong>in</strong>e<strong>in</strong>eran<strong>der</strong>enRolle.<br />
Kommunikation spielt deshalb im Modell des Customer Value e<strong>in</strong>e prägende und<br />
übergeordneteRolle.E<strong>in</strong>eungenügendeKommunikationisthäufigdiewichtigsteUr<br />
sachefürMisserfolgemitdenAnsätzen<strong>der</strong>erweitertenKundenvorteile.Beson<strong>der</strong>s<br />
für<strong>in</strong>novativeLeistungsundKundensystemeistesmeiste<strong>in</strong>eVoraussetzung,dass<br />
die beteiligten Mitarbeiter und auch sämtliche Partner im Markt anspruchsvolle<br />
Lernprozessedurchlaufen.LernenberuhtaufKommunikation“(ebd.,S.256).Kommu<br />
nikationschafftdieGrundlage,dasseszuorganisationalenLernprozessenkommt.Die<br />
AnspruchsgruppenwerdendurchKommunikationaufgefor<strong>der</strong>t,an<strong>der</strong>organisationa<br />
len Identitätsarbeit teilzunehmen Diese Arbeit können sie <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e durch die<br />
BeteiligunganFeedbackprozessenvollziehen.DieAnspruchsgruppensollenaktiviert<br />
werdenundmit<strong>der</strong><strong>Universität</strong>verschmelzen.<br />
Leistungskonfiguration und Leistungskommunikation bilden im Idealfall e<strong>in</strong> Ganzes.<br />
Das physische Produkt I muss <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sprache von Schmid & Lyczek (2006) durch<br />
Kommunikation <strong>in</strong> e<strong>in</strong> psychisches Produkt II <strong>in</strong> den Köpfen und Herzen <strong>der</strong> An<br />
spruchsgruppentransformiertwerden.„DieHerstellunge<strong>in</strong>esProduktesalsErzeugnis<br />
und Output e<strong>in</strong>es Produktionsprozesses ist die notwendige, aber nicht die h<strong>in</strong>rei<br />
chendeBed<strong>in</strong>gungfürWertschöpfung.SiemussdurchdieWahrnehmungdesKunden<br />
ergänztwerden.VoraussetzendfürWertschöpfungist,dasse<strong>in</strong>Kunde<strong>der</strong>Existenz<br />
e<strong>in</strong>esProduktesAufmerksamkeitschenktsowiese<strong>in</strong>Wissenundse<strong>in</strong>Vertrauen,dass<br />
e<strong>in</strong>bestimmtesProduktse<strong>in</strong>eBedürfnissebefriedigt.DerKundemusse<strong>in</strong>geeignetes<br />
<strong>in</strong>neresBilddesProdukteshaben,dasihmdasvermittelt“(ebd.,S.49).Belz&Bieger<br />
(2004)weisendaraufh<strong>in</strong>,dassdieKommunikationseignunge<strong>in</strong>esProduktesbereits<br />
beiihrerKonfigurationberücksichtigtwerdenmuss.„E<strong>in</strong>egeeigneteKonfigurationist<br />
dieGrundlagefürdieBotschaft,diesichdirektanKundeo<strong>der</strong>überIntermediärean<br />
sierichtet.Esgilt,denAufbaudesLeistungsundKundensystemsdirektzuerklären<br />
undesbereitskommunikationsfähigzustrukturieren.Kommunikationistgleichzeitig<br />
e<strong>in</strong>Leistungsbereich,dieInteraktionenselbsts<strong>in</strong>de<strong>in</strong>TeildesMehrwertsfürKunden.<br />
SokannesfürdenKundenwichtigse<strong>in</strong>,dassersichmit<strong>der</strong>Erlebniswelte<strong>in</strong>erMarke
284<br />
<br />
identifizierenkannundauchLeistungenfürBeratungundIndividualisierungs<strong>in</strong>doft<br />
für ihn entscheidend“ (ebd., S.256f.). Für e<strong>in</strong>e <strong>Universität</strong> heisst dies, ihre Lehre<br />
kommunikationstauglichzustrukturierenundnach<strong>der</strong>ErregungvonAufmerksamkeit<br />
durchWissenundEmotionenkundengerechtzuerklären.<br />
In ihrerkondensiertesten Form wird die Identität <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> zurMarke. Durch<br />
Markenführungsollteesgel<strong>in</strong>gen,die<strong>in</strong>ternerarbeiteIdentität<strong>in</strong>kompakterForm<br />
nachaussenzutragen.DieMarkesolltezumB<strong>in</strong>deglied,zumsymbolischenAusdruck<br />
desZusammenhaltenszwischen<strong>der</strong>OrganisationundihrenAnspruchsgruppenwer<br />
den.„IndemMass,<strong>in</strong>demsichUnternehmen<strong>in</strong>globaleKoalitionenmitfliessenden<br />
<strong>Management</strong>strukturen,Grenzen,AllianzenundGeschäftsaktivitätenwandeln,wer<br />
den Marken zu immer wichtigeren spirituellen und emotionalen B<strong>in</strong>deglie<strong>der</strong>n, die<br />
<strong>in</strong>ternfürZusammenhaltsorgenundexternalsImagerepräsentatorenfungieren.S<strong>in</strong>n<br />
und Zweck e<strong>in</strong>er Organisation wird durch Marken verkörpert. Daher s<strong>in</strong>d Marken<br />
nicht nur für Kunden wichtig, son<strong>der</strong>n auch für Mitarbeiter, Geschäftspartner und<br />
Investoren.Inmittenall<strong>der</strong>turbulentenVerän<strong>der</strong>ungenundundurchsichtigenTrans<br />
aktionenwirddasImagee<strong>in</strong>erMarkealsSymbolfürdasUnternehmenundse<strong>in</strong>eGe<br />
schäftstätigkeitzue<strong>in</strong>emzentralenPunkt.Nebenihrernach<strong>in</strong>nengerichtetenstabili<br />
sierendenWirkungstehtdieMarkenachaussenh<strong>in</strong>fürBeständigkeit,Klarheitund<br />
Kohärenz“ (Oll<strong>in</strong>s, 2004, S.105). Um Kohärenz nach aussen zu tragen, ist sie zuerst<br />
<strong>in</strong>wendig herzustellen. „<strong>Universität</strong>en könnten trotz o<strong>der</strong> aufgrund <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen<br />
Bed<strong>in</strong>gungen – Mittelknappheit und ungewisse Zukunft – aktiver werden, um e<strong>in</strong>e<br />
Markeaufzubauen.Dazumüssensiesichaberselbstklarwerden,wasihreMissionist<br />
und wie sie sich darstellen wollen. Interne Probleme bestehen häufig entwe<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />
denunterschiedlichenAuffassungenüberdieZielebeiverschiedenen<strong>in</strong>ternenBetei<br />
ligten o<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong>en falschen Wahrnehmung, die meist aufgrund mangeln<strong>der</strong> o<strong>der</strong><br />
ungenauerKommunikationentsteht“(Gerhard,2004,S.251).DieexterneKommuni<br />
katione<strong>in</strong>erIdentitätbeg<strong>in</strong>ntmit<strong>in</strong>ternerKommunikation.<br />
Z<strong>in</strong>tzmeyer&Lux(1999)streichenhervor,dass<strong>der</strong>gesellschaftlicheWandelfürdie<br />
Markenführunge<strong>in</strong>er<strong>Universität</strong>nichtohneFolgenbleibt.Der<strong>Universität</strong>bleibtkei<br />
ne an<strong>der</strong>e Wahl, als mit den Mitteln des Market<strong>in</strong>gs zu spielen. Durch die neuen<br />
Wettbewerbsteilnehmer, durch die Öffentlichkeit und die Politik entsteht externer<br />
Druck. Die erhöhte Komplexität <strong>der</strong> <strong>Multioptionsgesellschaft</strong> führt dazu, dass die<br />
Transparenz<strong>der</strong>Leistungenleidet.IndieserundurchsichtigenAnhäufungvonOptio<br />
nenkanndenBeratern<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>gemässdieIdentifizierung<strong>der</strong>An
285<br />
<br />
spruchsgruppenmit<strong>der</strong>universitärenMarkefürKlarheitsorgen(vgl.ebd.,S.91).Die<br />
Marke<strong>der</strong><strong>Universität</strong>istwiebeiallenan<strong>der</strong>enOrganisationene<strong>in</strong>ekompakteVersi<br />
on <strong>der</strong> Identität (vgl. BekmeierFeuerhahn & Eichenlaub, 2004). Die Brand Identity<br />
verschärftdieAbgrenzunggegenüber<strong>der</strong>Konkurrenz.SieschafftTransparenzdurch<br />
klarerkennbareLeistungsundOrganisationsstrukturen.SieschöpftdieMitarbeiter<br />
potenziale durch zielorientierte Weiterentwicklung aus. Schliesslich för<strong>der</strong>t sie die<br />
B<strong>in</strong>dung<strong>der</strong>AnspruchsgruppendurchErlebnisketten.<strong>Universität</strong>en,die<strong>in</strong><strong>der</strong>Multi<br />
optionsgesellschaft auf die Hilfe des Market<strong>in</strong>gs verzichten, drohen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Flut <strong>der</strong><br />
Möglichkeiten unterzugehen. Sie werden im Kampf um die besten Köpfe und die<br />
knappenRessourcenschlichtnichtbeachtet.<br />
BekmeierFeuerhahn&Eichenlaub(2004)for<strong>der</strong>tenfürdieNeugestaltungdesLogos<br />
<strong>der</strong> <strong>Universität</strong> Lüneburg e<strong>in</strong>en Fit zwischen Logo und Identität. „H<strong>in</strong>weise, welche<br />
Inhalte das Logo transportierensoll, dieim S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong>Identitätsvermittlungeffektiv<br />
s<strong>in</strong>d,lieferte<strong>in</strong>eBetrachtung<strong>der</strong><strong>Universität</strong>,die<strong>der</strong>FragenachihrerIdentitätnach<br />
geht.ImerstenSchrittgiltes,denIdentitätsfitzubestimmen,alsodieübere<strong>in</strong>stim<br />
menden Merkmale zwischen def<strong>in</strong>iertem Selbstbild und dem subjektiven, von den<br />
AnspruchsgruppenwahrgenommenenFremdbild.Dazuisteserfor<strong>der</strong>lich,dieidenti<br />
tätsstiftenden Merkmale des extern wahrgenommenen <strong>Universität</strong>simages (Fremd<br />
bild)mit<strong>der</strong>universitäts<strong>in</strong>terndef<strong>in</strong>ierten<strong>Universität</strong>sidentität(Selbstbild)abzuglei<br />
chen.Füre<strong>in</strong>ee<strong>in</strong>deutigeundeffizienteLogogestaltung,bei<strong>der</strong>e<strong>in</strong>eTransformation<br />
<strong>der</strong>identitätsorientiertenInhalte<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emstilistischenCodestattgefundenhat,sollte<br />
e<strong>in</strong>e Konzentration auf wenige, im Idealfall e<strong>in</strong>zelne beson<strong>der</strong>s positionierungsrele<br />
vante Eigenschaften erfolgen. Die Auswahl dieser optimalen <strong>in</strong>haltlichen Dimensio<br />
nenwirdimzweitenSchritt<strong>der</strong>Analysevorgenommen,<strong>in</strong>demdieInhalteermittelt<br />
werden, welche die <strong>Universität</strong> Lüneburg speziell identifizieren und zudem aus <strong>der</strong><br />
Sicht<strong>der</strong>Bezugsgruppenfürdie<strong>Universität</strong>beson<strong>der</strong>sbedeutsams<strong>in</strong>d“(ebd.,S.28).
286<br />
<br />
Abb.11:WahrnehmungsWichtigkeitsmatrixalsGestaltungsgrundlage<br />
(vgl.BekmeierFeuerhahn&Eichenlaub,2004)<br />
<br />
AlsInstrumenthatdie<strong>Universität</strong>Lüneburge<strong>in</strong>eWahrnehmungsWichtigkeitsanalyse<br />
e<strong>in</strong>gesetzt.Abb.11zeigtdieResultate<strong>in</strong>Forme<strong>in</strong>erMatrix.DieAnalysedienteals<br />
Grundlage <strong>der</strong> Neuentwicklung <strong>der</strong> Bildmarke <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> Lüneburg. „Die Bild<br />
marke<strong>der</strong>Leuphana<strong>Universität</strong>Lüneburgfor<strong>der</strong>tdazuauf,genauh<strong>in</strong>zuschauen,zu<br />
prüfenundsichse<strong>in</strong>erWahrnehmungzuvergewissern.WerdieWeltverän<strong>der</strong>nwill,<br />
musszuerstversuchen,siebesserzuverstehen.DazuwerdenkomplexeZusammen<br />
hänge – etwa das Sonnensystem – häufig im Modell vere<strong>in</strong>facht. O<strong>der</strong> umgekehrt:<br />
Sche<strong>in</strong>bar e<strong>in</strong>fache D<strong>in</strong>ge – etwa Salz – werden detailliert untersucht und erst da<br />
durch <strong>in</strong> ihrer Komplexität verständlich. Das Ergebnis: Erst wenn die Welt von ver<br />
schiedenenPerspektivenausbetrachtetwird,wachsenErkenntnisundVerständnis.<br />
AbersehenSieselbst.WasentdeckenSie?DerKnotenpunktimZentrumdesSechs<br />
ecksbetontdieGeme<strong>in</strong>schaft,diedie<strong>Universität</strong>von<strong>in</strong>nenstärktundnachaussen<br />
mitihremUmfeldverb<strong>in</strong>det.DurchNetzwerke<strong>der</strong>Kommunikation,<strong>der</strong>Partnerschaft<br />
unddesAustauschesistdieLeuphanaTeil<strong>der</strong>Gesellschaft.IhreMitglie<strong>der</strong>s<strong>in</strong>dbe<br />
reit,e<strong>in</strong>enBeitragfürdieGestaltung<strong>der</strong>GegenwartzuleistenundVerantwortungfür
287<br />
<br />
die Zukunft zu übernehmen. Und sie lebt vom Zusammenhalt e<strong>in</strong>er universitären<br />
Geme<strong>in</strong>schaft aus Lernenden und Lehrenden“ (Leuphana <strong>Universität</strong> Lüneburg,<br />
2008c).<br />
<br />
<br />
Abb.12:Logo<strong>der</strong>Leuphana<strong>Universität</strong>Lüneburg(vgl.Leuphana,2008c)<br />
<br />
InihrerBestandesanalysezumoptischenAuftritt<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>schreiben<br />
Z<strong>in</strong>tzmeyer & Lux (ebd.), dass sich die (optische) Identität durch Heterogenität,<br />
IntransparenzundZurückhaltungauszeichnet.„DieInkonsistenz<strong>in</strong><strong>der</strong>visuellenEr<br />
sche<strong>in</strong>ungstehtimWi<strong>der</strong>spruchzumAnspruchaufQualitätundGanzheitlichkeitund<br />
schmälertden professionellenE<strong>in</strong>druck.Dadurch,dass<strong>der</strong>Wettbewerbse<strong>in</strong>eMar<br />
kenwelt teilweise ebenso unprofessionell managt, bietet sich grosses Differenzie<br />
rungspotential“ (vgl. ebd., S.55). „Die Intransparenz sowohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> Namensgebung<br />
von<strong>Universität</strong>undInstitutenalsauchimAngeboterschwertdenZugangzudenLeis<br />
tungen<strong>der</strong><strong>Universität</strong>.DieNamensverwirrungaufobersterEbenemussalsstarkes<br />
Signalmangeln<strong>der</strong>Orientierungverstandenwerden.[…]Zurückhaltung<strong>in</strong><strong>der</strong>Kom<br />
munikationaufverschiedenenEbenenhilftwenigbei<strong>der</strong>Orientierung<strong>in</strong>nerhalb<strong>der</strong><br />
<strong>Universität</strong>undlässtnichtaufe<strong>in</strong>ausgeprägtesSelbstbewusstse<strong>in</strong>schliessen“(ebd.,<br />
S.65; S.81). Die Präsentation wird geschlossen mit H<strong>in</strong>weisen auf <strong>in</strong>tern ungeklärte<br />
Fragen(vgl.ebd.,S.82ff.).AlsAussenstehen<strong>der</strong>wirddenAutorengemässnichtklar,<br />
überwelchesSelbstverständnisdie<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>verfügt.Esbleibtunklar,für<br />
welcheKernkompetenzenundWertedie<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>steht.DieseBemer<br />
kungenverweisendarauf,dassesauchfüran<strong>der</strong>eBeraterH<strong>in</strong>weisedafürgibt,dass<br />
sichdie<strong>in</strong>nerenUnklarheiten<strong>in</strong>äusserlichenUnklarheitenzeigen.Undobwohldiese<br />
AnalyseachtJahrealtist,glaubeich,dasssichdieProblemezwarentschärfthaben,<br />
imCharakteraberähnlichgebliebens<strong>in</strong>d.
288<br />
<br />
Abb.13:Bildmarke<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>(vgl.Interbrand,2000)<br />
<br />
IndemdievisuelleIdentität<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>erarbeitendenPapiertrifftman<br />
aufe<strong>in</strong>eausformulierteVersiondesSelbstverständnisses(vgl.Interbrand,2000).Die<br />
Arbeitan<strong>der</strong>Markesolltehelfen,dieangesprochenenIdentitätsproblemezuüber<br />
w<strong>in</strong>den.„Wirglauben,dassdieWeltimmermehrMenschenbraucht,dievieldimen<br />
sionale Situationen autonom, schnell, proaktiv und sicher bewältigen können, die<br />
auchunter<strong>St</strong>ressmutig,abernichtdraufgängerischdenÜberblickbehaltenunddie<br />
sowohlHöhenflügealsauchharteLandungenmeistern.Wirverstehenunsdeshalbals<br />
<strong>St</strong>artbahn,auf<strong>der</strong>wirunseren<strong>St</strong>udierendenundForschendendieMittel,dieTechni<br />
ken,dieAnleitungenunddenFreiraumzurVerfügungstellen,um(imübertragenen<br />
S<strong>in</strong>n)selbstfliegenzulernen“(ebd.,S.20).IndieserVisionwerdenvierThemenfel<strong>der</strong><br />
angesprochen: „1. Fliegen, neue Horizonte suchen, Überblick behalten, beweglich<br />
se<strong>in</strong>;2.NeueDimensionenerleben,Dankräumenutzen,deneigenenRaumdef<strong>in</strong>ie<br />
ren,Grenzensprengen,Möglichkeitenausloten;3.Entfalten,sichselbstentdecken,<br />
heraustreten, erwachsen werden, reifen, Fähigkeiten entwickeln; 4. Den eigenen<br />
Weg f<strong>in</strong>den, Selbstverantwortung übernehmen, Risiken abwägen, Reflektieren, sich<br />
konfrontieren,selbstkritischse<strong>in</strong>“(ebd.,S.21).DieneueBildmarkesolltedieseThe<br />
menfel<strong>der</strong>verknüpfenunddieAnspruchsgruppenzumDialogmit<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<br />
<strong>Gallen</strong> anregen. „Die Wortbildmarke soll alle mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verb<strong>in</strong>den, zur Ause<strong>in</strong>an<br />
<strong>der</strong>setzunganregen,stimulieren,vieldeutigse<strong>in</strong>,dreidimensional,komplex,prozess<br />
haft,sichausserhalbdesErwartetenundÜblichenbewegen,emotionalerse<strong>in</strong>,formal<br />
organisch, rund, weich, stark se<strong>in</strong> und dadurch ruhig polarisieren, nicht ‚gefällig‘,<br />
seichtse<strong>in</strong>“(ebd.,S.26).DieAnspruchsgruppensolltenmitdemneuenSignetdieEi<br />
genschaftendynamisch,human,selbstbewusst,eigenständigundvieldeutigassoziie<br />
ren(vgl.ebd.,S.32).<br />
OffenbarkönnenaberRissezwischen<strong>der</strong>durchdieNKLundInterbrandangestrebten<br />
Identität und dem wahrgenommenen Image <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> festgestellt<br />
werden.DieMarke<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>beziehungsweisedieMarkeHSGsteht<strong>in</strong><strong>der</strong>
289<br />
<br />
ÖffentlichkeittrotzRebrand<strong>in</strong>gimJahre2000,dasdieInnovations,Reflexionsund<br />
Integrationsorientierung<strong>der</strong>Lehrestärkenwollte(vgl.InterbrandZ<strong>in</strong>tzmeyer&Lux,<br />
2000), vor allem für e<strong>in</strong>e zielgerichtete und kompetente Ausbildung (vgl. Dyllick &<br />
Weis,2005).Die<strong>in</strong><strong>der</strong>Neupositionierungangestrebte<strong>St</strong>ärkung<strong>der</strong>Orientierungan<br />
gesellschaftlichen Problemen statt organisationalen Funktionen ist im Markt noch<br />
nichtangekommen.Die<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>wirdalsKa<strong>der</strong>schmiede,alsGeldund<br />
Königsmacher<strong>in</strong>,nichtaberalsProblemlöser<strong>in</strong>wahrgenommen.Sievermagihrefach<br />
liche<strong>St</strong>ärkenichtsozukommunizieren,dasssichdieÖffentlichkeitvonihrumsorgt<br />
fühlt. „Die HSG ersche<strong>in</strong>t als ausserordentlich selbstbewusst, zugleich aber auch als<br />
wenig <strong>in</strong>tegrierend. Sie wird als sehr leistungsfähig und erfolgreich angesehen und<br />
kenntauchke<strong>in</strong>eScheudieszuzeigen,aberihreEhrlichkeitundUnabhängigkeitwer<br />
den<strong>in</strong>Fragegestellt.Eswirdoffensichtlichbezweifelt,obdieHSGihreLeistungsfähig<br />
keit auch mit <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Verantwortung zum Wohle <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft e<strong>in</strong><br />
setzt. Po<strong>in</strong>tiert ausgedrückt: Man traut <strong>der</strong> HSG zwar vieles zu, aber man traut ihr<br />
nicht!“(ebd.,S.21).Beson<strong>der</strong>skritischist<strong>in</strong>diesemZusammenhangund<strong>in</strong><strong>der</strong>Argu<br />
mentationdieserArbeithervorzuheben,dassdie<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>fürdieEigen<br />
schaften ehrlich, unabhängig und <strong>in</strong>tegrierend sehr tiefe Zustimmung erhält (vgl.<br />
S.17). Dies aber s<strong>in</strong>d Eigenschaften, die e<strong>in</strong>e <strong>Universität</strong> im klassischen S<strong>in</strong>ne(vgl.<br />
Kopetz,2002)–undimÜbrigenauchgemäss<strong>der</strong>BolognaErklärung–auszeichnen.<br />
DerWandel<strong>der</strong>ausbildungsorientiertenKa<strong>der</strong>schmiedeHSGzur<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.Gal<br />
len,diesichals<strong>in</strong>ternationaleForschungsstätteverstehtunde<strong>in</strong>esystemorientierte<br />
undhumanistischeBildunganbietet(vgl.Spoun&Mohr,2000),istoffensichtlichnoch<br />
nichtgelungen.DassdieserWechselZeitbraucht,istklar.DassaberdasFesthaltenan<br />
<strong>der</strong>MarkeHSG,diefehlende<strong>in</strong>nereFestigkeit,dieungeklärtenIdentitätsfragenund<br />
diedamitwi<strong>der</strong>sprüchlicheKommunikationdiesemZielebennichtgeradeför<strong>der</strong>lich<br />
s<strong>in</strong>d,istauchklar.<br />
<br />
10.4. ZusammenfassendeHandlungsempfehlungen<br />
DieselbstformulierteAufgabenstellungdieserArbeitlautete,e<strong>in</strong>Curriculum<strong>der</strong>Be<br />
triebswirtschaftslehre zu erarbeiten, das zu den Herausfor<strong>der</strong>ungen des Manage<br />
ments <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Multioptionsgesellschaft</strong> passt. Dabei sollte nicht bei null begonnen<br />
werden,son<strong>der</strong>naufdemIstzustand<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>aufgebautwerden.Die<br />
Weiterentwicklunge<strong>in</strong>esCurriculumsbeg<strong>in</strong>ntniebe<strong>in</strong>ull.„Curriculumentwicklungist
290<br />
<br />
e<strong>in</strong>Problemlösungsprozess,<strong>der</strong>von<strong>der</strong>Analysebestehen<strong>der</strong>zurKonstruktionneuer<br />
Curriculafortschreitet.Dabeihandeltessich<strong>in</strong><strong>der</strong>Regelnichtume<strong>in</strong>evölligeNeu<br />
konstruktion.DerCurriculumkonstrukteurstehtvordemProblem,dendurchkritische<br />
AnalysealsunbefriedigendausgewiesenenZustanddesCurriculumsdurchVerände<br />
rungenundNeuentwürfe<strong>in</strong>e<strong>in</strong>enwünschenswertenZustandzuüberführen.Wasda<br />
beianZielenundInhaltenals‚wünschenswert‘ermitteltundausgewähltwird,bedarf<br />
<strong>der</strong> begründeten Rechtfertigung (Legitimation)“ (Reetz, 1984, S.75). Die Rechtferti<br />
gungerfolgteüberdieGesamtheit<strong>der</strong>hierversammeltenSeiten.DasGeschriebene<br />
stellte<strong>in</strong>enVersuchdar,dasCurriculum<strong>in</strong>duktivüberdasKonzept<strong>der</strong>Multioptions<br />
gesellschaftundihreAuswirkungenaufdas<strong>Management</strong>unddas<strong>St</strong>udierenherzulei<br />
ten.<br />
DieCurriculumarbeithörtmit<strong>der</strong>EntwicklungdesCurriculumsnichtauf.Ume<strong>in</strong>Cur<br />
riculumumzusetzen,brauchtesIdentitätsarbeit.DieAnspruchsgruppene<strong>in</strong>erUniver<br />
sitätsollensichaufe<strong>in</strong>Idealbild<strong>der</strong>Persönlichkeit,e<strong>in</strong>Wissenschaftsverständnisund<br />
e<strong>in</strong>Verständnis<strong>der</strong>gelehrtenDiszipl<strong>in</strong>verständigen.Erstdanngel<strong>in</strong>gtes,dieLehre<br />
konsequentundkonsistentumzusetzen.Erstdanngel<strong>in</strong>gtes,dasProfilglaubwürdig<br />
nachaussenzutragen.Erstdanns<strong>in</strong>ddieVoraussetzungengeschaffen,umalsLehr<br />
körpergeme<strong>in</strong>same<strong>in</strong>neuesCurriculumhervorzubr<strong>in</strong>gen.<br />
DieRechtfertigungentsprichte<strong>in</strong>ersubjektivenArgumentationundbeanspruchtals<br />
solcheke<strong>in</strong>eGültigkeitfüran<strong>der</strong>eMitglie<strong>der</strong><strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>undschongar<br />
ke<strong>in</strong>e Allgeme<strong>in</strong>gültigkeit. Hier aber genoss ich die Narrenfreiheit e<strong>in</strong>es aussenste<br />
henden Beraters. Ich durfte e<strong>in</strong> Curriculum entwerfen, ohne vorher <strong>in</strong>stitutionelle<br />
Identitätsarbeitzuleisten,ohneaufan<strong>der</strong>eMe<strong>in</strong>ungenRücksichtnehmenzumüssen,<br />
ohne D<strong>in</strong>ge auf ihre Realisierbarkeit zu h<strong>in</strong>terfragen. Trotzdem hat sich die Arbeit<br />
bemüht,diepräsentiertenIdeenaufdieMe<strong>in</strong>ungenan<strong>der</strong>erunddiebisherigenEr<br />
folge <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> zu beziehen. Die Arbeit hat sich bemüht, verschie<br />
densteAspekte<strong>der</strong>Hochschulentwicklungzuberücksichtigen.Trotzdemkannjedes<br />
Bemühennichtverh<strong>in</strong><strong>der</strong>n,dassdieseDokumentatione<strong>in</strong>esubjektiveist.Ichwares,<br />
<strong>der</strong> die Dokumente aufgrund me<strong>in</strong>er Interessen, Erfahrungen und Werte gesichtet<br />
hat. Ich war es, <strong>der</strong>das Manifest zum Betriebswirtschaftsstudium <strong>in</strong> <strong>der</strong>Multiopti<br />
onsgesellschaftnie<strong>der</strong>geschriebenhat.Ichwares,<strong>der</strong>dieInterviewsgeführthat.Ich<br />
wares,<strong>der</strong>dieAntworten<strong>der</strong>Befragten<strong>in</strong>Forme<strong>in</strong>esneuenTexteszusammenge<br />
fügthat.
291<br />
<br />
DieseSubjektivierungsollnunnochweitergetriebenwerden.DasletzteTeilkapitel<br />
dieserArbeitdientdazu,e<strong>in</strong>Bild<strong>der</strong>Zukunft<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>zumalen.Die<br />
sesBildsollalsVorschlagverstandenwerden,wiesichdie<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>wei<br />
terentwickelnkönnte.DerEntwurfistdanngelungen,wennernachvollziehbarund<br />
überzeugenddargestelltwird.Eristdanngelungen,wennerReflexionsprozesseaus<br />
löst.Eristdanngelungen,wennerIdeenaufwirft,dietatsächlichumgesetztwerden<br />
könnten.DieIdeenwurdenlängstvorgetragen.Esgehthierdeshalbdarum,diege<br />
sammeltenIdeen<strong>in</strong>kondensierterFormwie<strong>der</strong>zugeben.<br />
<br />
<br />
a. Die <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> folgt e<strong>in</strong>er umfassenden Problemorientierung, die<br />
aufgrund des Implikationszusammenhangs die Inhalte und die e<strong>in</strong>gesetzten<br />
Methoden durchdr<strong>in</strong>gt. Die Problemorientierung kann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>St</strong>udium <strong>in</strong><br />
haltlichdannvollumfänglichrealisiertwerden,wennProblemeverschiedener<br />
Komplexitätsstufen im Curriculum verankert werden. Im Falle des Manage<br />
ments gel<strong>in</strong>gt die Variation <strong>der</strong> Komplexität dadurch, dass alle drei System<br />
ebenen(Individuum,Organisation,Gesellschaft)TeildesCurriculumss<strong>in</strong>d.Die<br />
Komplexität<strong>der</strong>behandeltenProblemekannvondenDozierendendurchdas<br />
AusblendenundIntegrierenvonAbhängigkeitenzwischendenSystemenregu<br />
liertwerden.<br />
b. Fürdie<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>führtdieszurNotwendigkeit<strong>der</strong>E<strong>in</strong>führungvon<br />
Curriculumbauste<strong>in</strong>en,<strong>in</strong>denenexplizitgesellschaftlicheProblemebehandelt<br />
werden.Dortwirddaraufverzichtet,dieKomplexität<strong>der</strong>Wirklichkeit,dieAb<br />
hängigkeiten zwischen den Systemen Individuum, Organisation, Organisati<br />
onsnetzwerkundGesellschaftzureduzieren.IndiesenBauste<strong>in</strong>en,dieauf<strong>der</strong><br />
Bachelor und <strong>der</strong> Masterstufe verankert werden sollen, überschneiden sich<br />
dasbisherigeKontaktundKontextstudium.Diesbedeutet,dass<strong>in</strong>denKursen<br />
fachliche und überfachliche Problemstellungen behandelt werden sollen. In<br />
<strong>der</strong> Umsetzung bedeutet dies, Dozierende aus dem Fach und dem Kontext<br />
studium, Dozierende aus verschiedenen Diszipl<strong>in</strong>en zusammenzuführen. Die<br />
KursesolltenzweiSemesterumfassenun<strong>der</strong>stamEnde<strong>der</strong>Periodebewertet
292<br />
<br />
werden. Dies ermöglicht es, den negativen Folgen <strong>der</strong> Modularisierung <strong>der</strong><br />
Lehreentgegenzuwirken,diee<strong>in</strong>selbstgesteuertes,eigenverantwortlichesund<br />
tiefgründiges<strong>St</strong>udiumbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>n(vgl.BLK;2002).<br />
c. NebendiesenneuenCurriculumbauste<strong>in</strong>en,<strong>in</strong>denenexplizitgesellschaftliche<br />
Problemstellungen behandelt werden, wird dafür propagiert, <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es<br />
CurriculumsektorsRaumzuschaffen,umgezielteranüberfachlichenKompe<br />
tenzen arbeiten zu können. Dies räumt den überfachlichen Kompetenzen ei<br />
nenprom<strong>in</strong>enterenPlatze<strong>in</strong>,<strong>der</strong>nichtzuletztzurPositionierung<strong>der</strong>Universi<br />
tät<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>e<strong>in</strong>gesetztwerdenkann.IndiesemCurriculumsektorsollenauf<br />
allen <strong>St</strong>ufen des <strong>St</strong>udiums neben den gerade angesprochenen gesellschaftli<br />
chenSchlüsselproblemenauchdieIdentitätundIndividualität<strong>der</strong>Lernenden,<br />
dieSelbstreflexionsowiedaswissenschaftlicheDenkenundArbeiten<strong>der</strong>Ler<br />
nendengeför<strong>der</strong>twerden.DieseBemühungendrängensichnichtnuraufgrund<br />
<strong>der</strong> soziologischen Diagnose des Ichjagdzustandes <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Menschen,<br />
son<strong>der</strong>n auch durch die Bildungsgangdidaktik auf. Problemorientierte Lern<br />
LehrUmgebungenzentrieren<strong>in</strong>dividuellgewählteProblemstellungenunddie<br />
damitverbundenen<strong>in</strong>dividuellenLernprozesse.Siemachen<strong>in</strong>dividuelleInte<br />
ressenzuAuslösernvonLernprozessen.SolcheBauste<strong>in</strong>esche<strong>in</strong>ennötig,um<br />
neben den fachlichen Bauste<strong>in</strong>en, die <strong>der</strong> Markt zw<strong>in</strong>gend vorschreibt, über<br />
etwasIndividuelleszuverfügen,diedasCurriculumvondenan<strong>der</strong>enMarkt<br />
teilnehmerndifferenziert.<br />
d. Umden<strong>St</strong>udierendendieEntfaltungihrerTalentezuermöglichen,plädiereich<br />
füre<strong>in</strong>enCurriculumbauste<strong>in</strong>,<strong>der</strong>sich<strong>der</strong>künstlerischästhetischenEntfaltung<br />
<strong>der</strong>Lernendenwidmet.IndiesenKursensollensichdieLernendenjenachTa<br />
lenten und Bedürfnissen malerisch, schauspielerisch, musikalisch o<strong>der</strong> litera<br />
risch weiterentwickeln, ohne dabei e<strong>in</strong>em Leistungsdruck ausgesetzt zu se<strong>in</strong>.<br />
Die Lernenden lernen sich so nicht nur besser kennen, sie stärken auch ihre<br />
FähigkeitzurSelbstreflexion.Siegew<strong>in</strong>nenneueMöglichkeitendesSelbstaus<br />
drucks. Sie erhalten Anregungen zur Verbesserung ihrer WorkLifeBalance.
293<br />
<br />
<br />
UmdasCurriculumnichtzuüberlastenunddie<strong>St</strong>udierendennichtzustarkzu<br />
bevormunden,sche<strong>in</strong>tesangebracht,dieseMassnahmezudosieren.E<strong>in</strong>Kurs<br />
alle2bis3SemesterdürftezurErreichung<strong>der</strong>Zielegenügen.<br />
e. Umgleichzeitigdem<strong>in</strong>tegrativenunddemspezialisierendenMomentdesMa<br />
nagementsgerechtwerdenzukönnen,wirdvorgeschlagen,dasCurriculumauf<br />
<strong>der</strong>Assessmentund<strong>der</strong>Bachelorstufe<strong>in</strong>tegrativerzugestalten.Diesgel<strong>in</strong>gt<br />
dadurch,dassdas<strong>St</strong>.Galler<strong>Management</strong>modell(wie<strong>der</strong>)stärkeralsMittelzur<br />
<strong>St</strong>rukturierung des Curriculums herangezogen wird.Durch die<strong>St</strong>rukturierung<br />
anhand des hier erarbeiteten <strong>Management</strong>modells werden die drei System<br />
ebenenzugleichberechtigtenBestandteilen.Gelehrtundgelerntwerdensoll<br />
nicht nur das Managen von Organisationen, son<strong>der</strong>n auch das <strong>Management</strong><br />
von Individuum, Organisationsnetzwerken, Geme<strong>in</strong>schaften und Gesellschaf<br />
ten. Es sei noch e<strong>in</strong>mal betont, dass diese Gleichberechtigung <strong>der</strong> Systeme<br />
deshalb legitim sche<strong>in</strong>t, weil die Systemebenen vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abhängig s<strong>in</strong>d.<br />
Deshalb s<strong>in</strong>d auch die Folgewirkungen <strong>der</strong> Optimierung <strong>der</strong> Organisationen<br />
nurdann<strong>in</strong>denGriffzukriegen,wenndieOrganisationalsTeile<strong>in</strong>esgrösseren<br />
SystemsundalsAnsammlungvonkle<strong>in</strong>erenSystemenbetrachtetwird.<br />
f. Das Curriculum <strong>der</strong> Bachelorstufe widmet sich <strong>der</strong> Unterstützung <strong>der</strong> Selbst<br />
gestaltung, Selbstlenkung und Selbstentwicklung <strong>der</strong> Systeme. Entsprechend<br />
spieltauchdieIdentitätvonMensch,OrganisationundGesellschafte<strong>in</strong>ebe<br />
deutendeRolle.DazuistesimFalledesSystemsOrganisationnötig,dieOrga<br />
nisationnichtnur<strong>in</strong>ihremInnernkennenzulernen.DerorganisationalenUm<br />
welt, ihrem Umfeld, dem Kontext <strong>der</strong> organisationalen Tätigkeit wird e<strong>in</strong>e<br />
ebensostarkeBedeutungzugemessen.In<strong>der</strong>Systemorientierunggehtesdar<br />
um, möglichst viele Perspektiven gleichzeitig zu beachten. Um dieser Forde<br />
rung gerecht werden zu können, müssen die didaktischen Zuschnitte <strong>der</strong><br />
Pflichtfächerangepasstwerden.Volkswirtschaftlicheundrechtswissenschaftli<br />
cheZugängewerdenzugunstenvonPerspektivengestrichen,diesichnichtauf
294<br />
<br />
e<strong>in</strong>eDiszipl<strong>in</strong>versteifen.ImEntwicklungsfeldstehtden<strong>St</strong>udierendenüberdies<br />
e<strong>in</strong>breitesAngebotan<strong>in</strong>dividuellenVertiefungsperspektivenzurVerfügung.<br />
g. DiestärkereOrientierungam<strong>in</strong>tegrativenMomentauf<strong>der</strong>Assessment und<br />
<strong>der</strong> Bachelorstufe ermöglicht es, <strong>in</strong> den Pflicht und Wahlpflichtfächern <strong>der</strong><br />
Masterstufe stärker funktionsorientiert zu arbeiten. Weil durch das vorge<br />
schlageneCurriculumimEntwicklungsfeldsowohldemorganisationalenKon<br />
text, <strong>der</strong> Identitätsarbeit als auch <strong>der</strong> Unterweisung <strong>in</strong> das wissenschaftliche<br />
DenkenundHandelnRechnunggetragenwird,dürfensichdieCurriculumbau<br />
ste<strong>in</strong>e des Fachstudiums auf <strong>der</strong> Masterstufe explizit <strong>der</strong> Spezialisierung <strong>der</strong><br />
<strong>St</strong>udierenden widmen. Sie sollen sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em von ihnen gewählten Aspekt<br />
des <strong>Management</strong>s <strong>der</strong> Systeme Individuum, Organisation, Organisationsnetz<br />
werko<strong>der</strong>Gesellschaftvertiefen.Siesollensiche<strong>in</strong>praktischeso<strong>der</strong>e<strong>in</strong>wis<br />
senschaftlichesProfilerarbeitenunddiedafürnötigenInstrumenteundMe<br />
thodenerarbeiten,e<strong>in</strong>übenundreflektieren.SiesollenihreErkenntnisseent<br />
sprechendihrer Individualität und den aktuellen Forschungsergebnissen aus<br />
differenzieren. Es wird empfohlen, auch Masterlehrgänge anzubieten, die<br />
durchdieBesetzungvonThemen<strong>in</strong>ternationalattraktivwirken.<br />
h. Dassystemorientierte<strong>Management</strong>unddieBehandlungdesorganisationalen<br />
Kontexts dienen dazu, das universitäre <strong>St</strong>udium <strong>der</strong> Betriebswirtschaftslehre<br />
vondemjenigenane<strong>in</strong>erFachhochschuleabzugrenzen.Dasuniversitäre<strong>St</strong>udi<br />
um<strong>der</strong>BetriebswirtschafslehreistbreitangelegtundwillallemöglichenFra<br />
genbehandeln,dieimZusammenhangmitdemGestalten,LenkenundEntwi<br />
ckelne<strong>in</strong>esSystemsauftauchenkönnen.Das<strong>St</strong>udiuman<strong>der</strong>Fachhochschule<br />
richtetsichdagegenane<strong>in</strong>zelnenorganisationalenFunktionenaus.DerZugang<br />
ane<strong>in</strong>er<strong>Universität</strong>istdabeiexplizite<strong>in</strong>wissenschaftlicher,<strong>der</strong>jenigeane<strong>in</strong>er<br />
Fachhochschulee<strong>in</strong>explizitpraktischer.Fürdie<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>führtdies<br />
zur Notwendigkeit, die wissenschaftliche Perspektive zusätzlich zu stärken.<br />
Dies gel<strong>in</strong>gt durch die E<strong>in</strong>führung entsprechen<strong>der</strong> Curriculumbauste<strong>in</strong>e und<br />
durchdieModifikation<strong>der</strong>LernLehrUmgebungen<strong>in</strong>klusivedendazugehöri
295<br />
<br />
<br />
gen Lernerfolgsprüfungen. Die <strong>in</strong> den LernLehrUmgebungen zentrierten<br />
Probleme sollen verstärkt aus e<strong>in</strong>er wissenschaftstheoretischen Perspektive<br />
betrachtet werden. Die wissenschaftstheoretische und auch wissenschafts<br />
praktische Reflexion sollte dann auch Teil <strong>der</strong> Lernerfolgsprüfungen <strong>in</strong> nicht<br />
explizit<strong>der</strong>För<strong>der</strong>ungdeswissenschaftlichenDenkenundHandelnsverschrie<br />
benenKursense<strong>in</strong>.<br />
i. Um die Problemorientierung im Curriculum zu verankern, reichen die vorge<br />
schlagenen Bauste<strong>in</strong>e noch nicht aus. Denn das didaktische (<strong>in</strong>haltliche) Zu<br />
schneiden<strong>der</strong>Problemeistdase<strong>in</strong>e,ihremethodischeUmsetzungdasan<strong>der</strong>e.<br />
„DieProblemorientierungkannimZuschnitt<strong>der</strong>FragestellungundimZuschnitt<br />
<strong>der</strong>Implementationliegen“(InterviewDieterEuler,20.August2007).Damitist<br />
dieB<strong>in</strong>nenstruktur<strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelnenLehrveranstaltungenangesprochen.Obwohl<br />
<strong>der</strong> Mikrodidaktik ke<strong>in</strong>e grosse Beachtung geschenkt wurde, so wurde doch<br />
aufdieNotwendigkeit<strong>der</strong>Individualisierung<strong>der</strong>Lehre,diegestiegeneBedeu<br />
tungvonLernprozessproduktenunddieChancen<strong>der</strong>verän<strong>der</strong>tenLernerfolgs<br />
prüfungenh<strong>in</strong>gewiesen.SchliesslichobliegtdieVerantwortung,wasihmHör<br />
saal geschieht, <strong>der</strong> Professor<strong>in</strong>. Deren Handeln und Denken kann nur dann<br />
verän<strong>der</strong>twerden,wenn <strong>der</strong> menschlicheLernprozess im <strong>St</strong>udium stärker <strong>in</strong><br />
denVor<strong>der</strong>grundgerücktwirdunddasLernenundLehrenauchspäter<strong>in</strong>Dis<br />
sertationsundHabilitationsprozessene<strong>in</strong>eRollespielt.<br />
j. UmdieProblemorientierungimB<strong>in</strong>nenbereichumzusetzen,benötigtesstarke<br />
Programmverantwortliche,dienichtnurdenÜberblicküberdiefachliche,son<br />
<strong>der</strong>nauchüberdieüberfachlicheAusbildung<strong>der</strong><strong>St</strong>udierendenhaben.Dieser<br />
ÜberblickumfasstdiestrategischePlanung,DokumentationundKontrolledes<br />
Curriculums.DieInhalte<strong>der</strong>zue<strong>in</strong>emProgrammdazugehörigenVeranstaltun<br />
gensolltensichnichtüberschneiden.Siesolltenane<strong>in</strong>an<strong>der</strong>anschliessenund<br />
Synergiennutzen.GeradeimBereich<strong>der</strong>För<strong>der</strong>ung<strong>der</strong>überfachlichenKom<br />
petenzenkommt<strong>der</strong>Koord<strong>in</strong>ationüberdieGesamtdauere<strong>in</strong>es<strong>St</strong>udienganges<br />
zunehmende<strong>in</strong>eentscheidendeBedeutungzu.Bisanh<strong>in</strong>wirdihreFör<strong>der</strong>ung
296<br />
<br />
tendenziell als nette Beilage wahrgenommen. In Zukunft gilt es diejenigen<br />
überfachlichen Kompetenzen zu för<strong>der</strong>n und zu prüfen, die vor dem H<strong>in</strong>ter<br />
grund <strong>der</strong> möglichen Berufsfel<strong>der</strong> <strong>in</strong> Verwaltung, Wirtschaft, NonProfit<br />
OrganisationenundWissenschaftbeson<strong>der</strong>eBedeutungerlangen.Dazukom<br />
men diejenigen Kompetenzen, die nötig s<strong>in</strong>d, um das hier vorgestellte Bil<br />
dungsidealdeseigen,sozialundzukunftsverantwortlichenUmgangsmitOp<br />
tionen realisieren zu können. Um diese <strong>St</strong>rategien implementieren und kon<br />
trollieren zu können, braucht es didaktisch sensibilisierte Programmverant<br />
wortliche.EsbrauchtEvaluationen,diezusätzlichzumBeobachten<strong>der</strong>Ober<br />
fläche<strong>in</strong><strong>der</strong>Tiefegraben.<br />
k. Essche<strong>in</strong>tnötig,dasssichdie<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>Zeitnimmt,umanihrer<br />
Identität zu arbeiten. Man muss sich Klarheit darüber verschaffen, welchen<br />
Anspruchsgruppen man wie nachkommen will, welche <strong>St</strong>udierende man an<br />
ziehenwill,welches<strong>der</strong>relevanteWettbewerbist,welchesBildungsverständ<br />
nis das Betriebswirtschaftsstudium an <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> auszeichnen<br />
soll. Dies heisst als Geme<strong>in</strong>schaft das <strong>Management</strong>, Wissenschafts und Bil<br />
dungsverständnis zu reflektieren. Man muss im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Positionierung e<strong>in</strong><br />
Bekenntnis darüber ablegen, welcheThemenfel<strong>der</strong> man belegen möchte, ob<br />
man Spezialisten o<strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>praktiker ausbilden, ob man Ausbildungs<br />
o<strong>der</strong>Forschungsstättese<strong>in</strong>willundwiediePoledurchLehreundForschung<br />
vere<strong>in</strong>t werdensollen. Es gilt e<strong>in</strong>en m<strong>in</strong>imalen Konsens darüberzu schaffen,<br />
welche <strong>St</strong>udierende man wie ausbilden und welche Rolle man <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesell<br />
schaftspielenwill.<br />
l. Die Identitätsarbeit schliesst die geme<strong>in</strong>same Arbeit am <strong>St</strong>. Galler Manage<br />
mentmodell und dessen erkenntnistheoretischen H<strong>in</strong>tergründen e<strong>in</strong>. Dies ist<br />
nötig,umdas<strong>Management</strong>verständniszuklärenundimS<strong>in</strong>nedesModellszu<br />
kommunizieren.DieIdentitätsarbeitschliesstdiegeme<strong>in</strong>sameArbeitane<strong>in</strong>em<br />
Curriculum e<strong>in</strong>, das Ausfluss <strong>der</strong> Identität <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> ist. Die<br />
IdentitätdesBetriebswirtschaftsstudiumssetztsichdenAusführungendieser
297<br />
<br />
<br />
<br />
Arbeit gemäss aus dem Menschenbild, dem Wissenschafts und eben dem<br />
<strong>Management</strong>verständniszusammen.DieuniversitäreIdentitätsarbeitmündet<br />
nach<strong>der</strong>BottomupPhase<strong>in</strong>e<strong>in</strong>BehavioralBrand<strong>in</strong>gProgramm<strong>der</strong>Mitglie<br />
<strong>der</strong><strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>.DortlernendieLehrendenihreLehresozuges<br />
talten, dass sie <strong>der</strong> Identität <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> entspricht. Dazu s<strong>in</strong>d<br />
SensibilisierungendurchMarket<strong>in</strong>gundWeiterbildungsveranstaltungennötig.<br />
DieDozierendensollendasBildungsverständniskennen,verstehenundleben.<br />
m. Erst nachdem die Identität <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> im Innern gefestigt ist, kann die<br />
nach aussen gerichtete Kommunikationsoffensive begonnen werden. Durch<br />
dene<strong>in</strong>gesetztenMarket<strong>in</strong>gmixgiltesdieAnspruchsgruppenvon<strong>der</strong>erarbei<br />
teten Identität zu überzeugen. Die mit den Anspruchsgruppen begonnene<br />
IdentitätsarbeitsolldurchwechselseitigeKommunikationfortgesetztwerden.<br />
EsgiltdieAnspruchsgruppenmitdemBildungsverständnis<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<br />
<strong>Gallen</strong>bekanntzumachenunddiesesimDialogmitihnenweiterzuentwickeln.<br />
DieMarket<strong>in</strong>g<strong>in</strong>strumentes<strong>in</strong>dsoe<strong>in</strong>zusetzen,dassdiejenigen<strong>St</strong>udentenund<br />
Forscherangesprochenwerden,diespätere<strong>in</strong>maldieWeiterentwicklung<strong>der</strong><br />
<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>besorgensollen.<br />
n. UmdasSystem<strong>Universität</strong>erforschenundentwickelnzukönnen,sche<strong>in</strong>tes<br />
fürdie<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>vorteilhaft,e<strong>in</strong>Zentrumzugründen,dassichmit<br />
<strong>der</strong>Weiterentwicklung<strong>der</strong><strong>Universität</strong>ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzt.DasZentrumfürler<br />
nende<strong>Universität</strong>enkönntediebestehendenRessourcennutzen,dieamInsti<br />
tutfürWirtschaftspädagogik,<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>St</strong>ellefürQualitätsentwicklung,imBereich<br />
fürMarket<strong>in</strong>gundKommunikationsowie<strong>in</strong>denForschungsprojektenfürBe<br />
havioralBrand<strong>in</strong>gamInstitutfürMarket<strong>in</strong>gundHandelbereitsheuteexistie<br />
ren.ZieldesZentrumswäreneben<strong>der</strong>EvaluationundEntwicklung<strong>der</strong>eige<br />
nenIdentitätdieEtablierunge<strong>in</strong>eseuropaweitbekanntenZentrumszumWei<br />
terdenkenundWeiterentwickelndesSystems<strong>Universität</strong>.
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Interviewverzeichnis<br />
<br />
Bieger,Thomas(5.September2007).Prof.Dr.ThomasBiegeristProrektor<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong><br />
unddabeizuständigfürdieInternationaleWettbewerbsfähigkeitundlokaleVerankerung.Erist<br />
geschäftsführen<strong>der</strong> Direktor des Institutes für öffentliche Dienstleistungen und Tourismus <strong>der</strong><br />
<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>.<br />
Dyllick, Th. (28. August 2007). Prof. Dr. Thomas Dyllick ist Prorektor <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong> und<br />
dabei zuständig für die Lehre und die Qualitätsentwicklung. Er ist geschäftsführen<strong>der</strong> Direktor<br />
desInstitutsfürWirtschaftundÖkologiean<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong><br />
Euler, D. (11. April 2005; 20. August 2007). Prof. Dr. Dieter Euler ist Dekan <strong>der</strong><br />
betriebswirtschaftlichen Abteilung <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>. Er ist Direktor des Instituts für<br />
Wirtschaftspädagogik und Delegierter des Rektors für die Entwicklung und Implementierung<br />
e<strong>in</strong>esmediengestütztenSelbststudiumsimRahmen<strong>der</strong>BolognaReform.<br />
Gomez,P.(3.Dezember2007).Prof.Dr.PeterGomezistehemaligerRektor<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong><br />
(19992005).EristDirektordesInstitutsfürBetriebswirtschaft(IfB)<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>und<br />
Dean<strong>der</strong>ExecutiveSchoolof<strong>Management</strong>,TechnologyandLaw<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>.Peter<br />
Gomez ist Präsident des Verwaltungsrates <strong>der</strong> SWX Swiss Exchange Group und <strong>der</strong> Eurex<br />
Zürich/Frankfurt.<br />
Gross, P. (17. Juli 2007). Prof. Dr. Peter Gross ist emeritierter Ord<strong>in</strong>arius für Soziologie an <strong>der</strong><br />
<strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>. Se<strong>in</strong>e Interessen liegen im Bereich Kultur und Religionssoziologie,<br />
Mo<strong>der</strong>nisierungstheorie und <strong>Management</strong>. Peter Gross ist Autor <strong>der</strong> Bücher<br />
<strong>Multioptionsgesellschaft</strong>(1994),IchJagd(1999)undJenseits<strong>der</strong>Erlösung.DieWie<strong>der</strong>kehr<strong>der</strong><br />
ReligionunddieZukunftdesChristentums.<br />
Landfester, U. (3. September 2007). Prof. Dr. Ulrike Landfester ist Vorstand <strong>der</strong><br />
kulturwissenschaftlichenAbteilung<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>.SieistOrd<strong>in</strong>ariafürdeutscheSpra<br />
cheundLiteratur.<br />
Rüegg<strong>St</strong>ürm, J. (15. August 2007). Prof. Dr. Johannes Rüegg<strong>St</strong>ürm ist Direktor am Institut für<br />
Betriebswirtschaft (IfB). Johannes Rüegg<strong>St</strong>ürm ist Professor für Organisational Behavior und<br />
FachverantwortlicherBWLauf<strong>der</strong>Assessment<strong>St</strong>ufe.Eristverantwortlichfürdasneue<strong>St</strong>.Galler<br />
<strong>Management</strong>modell.<br />
Spoun, S. (13. April 2005;13. November 2007) Prof. Dr. Sascha Spoun ist Präsident <strong>der</strong> Leuphana<br />
<strong>Universität</strong> Lüneburg und Gastprofessor für <strong>Universität</strong>smanagement an <strong>der</strong> <strong>Universität</strong><br />
<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>.Von1999bis2006warerProjektleiter<strong>der</strong>Neukonzeption<strong>der</strong>Lehre<strong>der</strong><strong>Universität</strong><br />
<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>undDelegierterdesRektorsfür<strong>Universität</strong>sentwicklung.<br />
Tomczak,T.(22.Oktober2007).Prof.Dr.TorstenTomczakistDirektordesInstitutsfürMarket<strong>in</strong>gund<br />
Handelan<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>.DortisterfürdasKompetenzzentrum<strong>St</strong>rategicMarket<strong>in</strong>g<br />
undBrand<strong>Management</strong>verantwortlich.<br />
Zellweger Moser,F.(3.Oktober2007).Dr.FranziskaZellweger MoseristNachwuchsdozent<strong>in</strong>für<br />
<strong>Universität</strong>sentwicklung an <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>. Sie forscht am Institut für<br />
Wirtschaftspädagogik<strong>in</strong>denBereichen<strong>Universität</strong>sentwicklung,SelbststudiumundeLearn<strong>in</strong>g.
LebenslaufJoëlLucCachel<strong>in</strong><br />
Geborenam12.11.1981<strong>in</strong>Bern<br />
<br />
<br />
Bildungsgang<br />
20072008 Ausarbeitung<strong>der</strong>Dissertation<br />
20062007 Doktorandenstudium,<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong><br />
20042006 Master<strong>in</strong>Market<strong>in</strong>g,DienstleistungsundKommunikationsmanagement,<br />
<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong><br />
20012004 Bachelor<strong>der</strong>Betriebswirtschaftslehre,<strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong><br />
19962001 MaturaTypusE,GymnasiumKirchenfeld,Bern<br />
19941996 Untergymnasium,Manuelschule,Bern<br />
19921994 Sekundarschule,Manuelschule,Bern<br />
19881992<br />
<br />
Primarschule,Pavillon,Bern<br />
<br />
<br />
PraktischeErfahrungen<br />
Seit2008 ProjektleiteramInstitutfürVersicherungswirtschaft<strong>der</strong><strong>Universität</strong><strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong><br />
Seit2004 FreelanceralsBeraterfürBildungs<strong>in</strong>stitutionen<br />
Seit2004 Mitarbeiterbeioswaldhumanresources,<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong><br />
20042005 KompetenzteamzurWeiterentwicklungdesSelbststudiumsan<strong>der</strong><strong>Universität</strong><br />
<strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>