05.01.2013 Aufrufe

Impressionen von zwei Gehörlosenweihnachtsfeiern in der ... - Sonos

Impressionen von zwei Gehörlosenweihnachtsfeiern in der ... - Sonos

Impressionen von zwei Gehörlosenweihnachtsfeiern in der ... - Sonos

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

103. Jahrgang<br />

Nr. 12 Dezember 2009<br />

4<br />

7<br />

14<br />

20<br />

26<br />

37<br />

Schweiz. Verband für Gehörlosenund<br />

Hörgeschädigten-Organisationen<br />

Association Suisse pour organisations<br />

de sourds et malentendants<br />

Associazione Svizzera per organizzazioni<br />

a favore delle persone audiolese<br />

Wun<strong>der</strong>schöne Glaskunstwerke <strong>der</strong><br />

hoch talentierten gehörlosen<br />

G<strong>in</strong>a-Mar<strong>in</strong>a Schmid<br />

4. CI-Forum<br />

Interdiszipl<strong>in</strong>ärer Rückblick <strong>in</strong> die Vergangenheit<br />

SVEHK-Elterntagung <strong>in</strong> Magliaso<br />

Stammzellentherapie bei Innenohrbee<strong>in</strong>trächtigung<br />

Filmpremière ‘Verbotene Sprache’<br />

E<strong>in</strong>drückliche Lebensgechichte <strong>von</strong> Rolf Lanicca<br />

‘Beim Gebärden ertappt’<br />

Aufwühlende Berichte über e<strong>in</strong>schneidende<br />

Diskrim<strong>in</strong>ierungen<br />

Zwei <strong>Gehörlosenweihnachtsfeiern</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Ostschweiz<br />

Stimmungsvolle E<strong>in</strong>drücke


Seite des<br />

Präsidenten<br />

Liebe Leser<strong>in</strong>nen und Leser<br />

Nun s<strong>in</strong>d auch die Tage mit Laubbäumen <strong>in</strong><br />

wun<strong>der</strong>schönen Herbstfarben längst<br />

vorbei. Wir haben uns an düstere, kurze<br />

Tage gewöhnen müssen. Die Berufstätigen<br />

verlassen ihr Haus <strong>in</strong> <strong>der</strong> Dunkelheit und<br />

kehren zurück, wenn die Nacht sich bereits<br />

wie<strong>der</strong> ausgebreitet hat. Wir klammern uns<br />

an die Hoffnung und Zuversicht, dass diese<br />

Jahreszeit nur kurze Zeit währt und die Tage<br />

schon bald wie<strong>der</strong> länger und heller<br />

werden.<br />

Mit dieser E<strong>in</strong>leitung möchte ich ke<strong>in</strong>esfalls<br />

schwarz malen. Nicht alles ist düster. So<br />

eröffnete uns <strong>der</strong> Ausgang <strong>der</strong> Volksabstimmung<br />

vom vergangenen September<br />

wie<strong>der</strong> positivere Perspektiven für verschiedene<br />

unserer Projekte. Auch die<br />

Absicht und <strong>der</strong> Wunsch des SGB-FSS,<br />

ihren Kongress im Jahre 2011 geme<strong>in</strong>sam<br />

mit sonos und dem Schweizerischen Elternvere<strong>in</strong><br />

vorzubereiten und durchzuführen,<br />

gehören für mich dazu. E<strong>in</strong>e erste Sitzung<br />

hat schon stattgefunden.<br />

Auch die Absicht <strong>der</strong> Firma Phonak <strong>in</strong> Stäfa,<br />

die <strong>zwei</strong>tgrösste CI-Herstellerfirma<br />

Advanced Bionics käuflich zu erwerben,<br />

kann positiv gewertet werden. Der Wirtschaftsstandort<br />

Schweiz wird gestärkt und<br />

das bis zum heutigen Zeitpunkt erarbeitete<br />

Know-how <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iken, Schulen, audiopädagogischen<br />

Dienste und CI-Centren<br />

gew<strong>in</strong>nt an Bedeutung.<br />

Und noch etwas lässt Hoffnung aufkeimen.<br />

An <strong>der</strong> Elterntagung des SVEHK <strong>in</strong> Magliaso<br />

vom vergangenen Oktober stiess e<strong>in</strong><br />

Referat auf ganz beson<strong>der</strong>es Interesse. Dr.<br />

med. Gianni Soldati <strong>von</strong> <strong>der</strong> Swiss Stem<br />

Cells Bank <strong>in</strong> Lugano sprach über die<br />

Zukunft <strong>der</strong> Stammzellen und die sich<br />

daraus ergebenden Perspektiven für das<br />

Gehör. Auch für den Laien e<strong>in</strong>igermassen<br />

verständlich führte <strong>der</strong> Referent aus, woher<br />

Stammzellen gewonnen werden und was<br />

heute und <strong>in</strong> naher Zukunft damit erreicht<br />

werden könnte. Er weckte Zuversicht, dass<br />

auch Nervenzellen rekonstruiert werden<br />

können und verkürzte den möglichen Zeithorizont<br />

für erste kl<strong>in</strong>ische Versuche im<br />

menschlichen Innenohr auf 5 Jahre. Heisst<br />

das nun, dass all die technischen Neuerungen<br />

im Bereich <strong>der</strong> Hörhilfen schon bald<br />

nicht mehr benötigt werden, steht uns<br />

schon bald die nächste grundlegende<br />

Umwälzung bevor im Bereich <strong>der</strong> Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung?<br />

Ich habe e<strong>in</strong>leitend ausgeführt, die Tage<br />

werden mit Sicherheit wie<strong>der</strong> länger und<br />

heller. So kann auch <strong>der</strong> Vortrag <strong>von</strong> Dr.<br />

Soldati als Lichtblick gewertet werden,<br />

selbst wenn bezüglich E<strong>in</strong>satzmöglichkeit<br />

und Zeithorizont noch e<strong>in</strong>e gewisse<br />

Skepsis angebracht se<strong>in</strong> könnte.<br />

In diesem S<strong>in</strong>n wünsche ich allen Leser<strong>in</strong>nen<br />

und Lesern e<strong>in</strong>e Licht durchflutete<br />

und bes<strong>in</strong>nliche Adventszeit verbunden mit<br />

dem Wunsch auf viele Hoffnungsschimmer<br />

im neuen Jahr.<br />

Euer Bruno Schlegel<br />

Präsident sonos


Editorial<br />

Liebe Leser<strong>in</strong>nen und liebe Leser<br />

E<strong>in</strong> ganz beson<strong>der</strong>es Jahr neigt sich dem<br />

Ende zu. Angst und Pessimismus verdüsterten<br />

<strong>in</strong> den ersten Monaten das globale<br />

wirtschaftliche Leben. Hiobsbotschaften<br />

<strong>von</strong> unternehmensbedrohlichen Auftragse<strong>in</strong>brüchen,<br />

Kurzarbeit und steigenden<br />

Arbeitslosenzahlen wollten nicht enden.<br />

Glücklicherweise gab es auch positive<br />

Ereignisse im Jahr 2009. Aus Sicht <strong>der</strong> Menschen<br />

mit Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen war sicher das JA<br />

zur befristeten Zusatzf<strong>in</strong>anzierung für die<br />

Invalidenversicherung e<strong>in</strong> solch positives<br />

und bedeutsames Ereignis.<br />

Im Jahr 2010 wird Gehörlosigkeit zum<br />

Thema auf höchster politischen Ebene.<br />

Im Jahr 2010 werden die Anliegen gehörloser<br />

und hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ter Menschen e<strong>in</strong>e<br />

bisher nie da gewesene Plattform erhalten.<br />

Mit <strong>der</strong> Wahl vom 23. November 2009 <strong>von</strong><br />

Pascale Bru<strong>der</strong>er <strong>in</strong>s höchste Amt, welches<br />

die Schweiz zu vergeben hat, nämlich zur<br />

Nationalratspräsident<strong>in</strong>, werden die Gehörlosen<br />

und Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten e<strong>in</strong> Jahr lang<br />

prom<strong>in</strong>ent vertreten se<strong>in</strong>.<br />

Mit Pascale Bru<strong>der</strong>er kann man fast alles<br />

besprechen, wie sie unlängst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Interview erklärte. Nur über e<strong>in</strong>es schweigt<br />

die 32-Jährige lieber: ihr Engagement für<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te - vor allem für Gehörlosen. Da<br />

wolle sie lieber Taten sprechen lassen,<br />

lässt die Sozialdemokrat<strong>in</strong> aus dem Kanton<br />

Aargau wissen. Nur wenige Stunden nach<br />

ihrer Wahl demonstriert sie, dass es ihr<br />

ernst ist mit ihrem Engagement. Bei <strong>der</strong><br />

offiziellen Feier zur ihrer Wahl als Nationalratspräsident<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> Baden wird e<strong>in</strong> Mo<strong>der</strong>ator<br />

<strong>in</strong> Gebärdensprache durchs Programm<br />

führen - <strong>der</strong> Sprecher, <strong>der</strong> die<br />

Gebärden für die Hörenden übersetzt, hält<br />

sich im H<strong>in</strong>tergrund.<br />

Auch bei offiziellen Empfängen im Präsidialjahr<br />

will Pascale Bru<strong>der</strong>er künftig<br />

jemanden neben sich wissen, <strong>der</strong> ihre<br />

Worte <strong>in</strong> Gebärdensprache wie<strong>der</strong>ergibt.<br />

Typisch für Pascale Bru<strong>der</strong>er: sie will<br />

gehört und verstanden werden. Sie will ihre<br />

Rolle perfekt wahrnehmen - auf <strong>der</strong> Bühne<br />

<strong>der</strong> Bundespolitik, aber auch draussen auf<br />

<strong>der</strong> Strasse. Als Nationalratspräsident<strong>in</strong><br />

möchte Pascale Bru<strong>der</strong>er „e<strong>in</strong>e Brücke<br />

schlagen zwischen Parlament und Bevölkerung“.<br />

Dass es ihr dabei ernst ist, zeigt ihre Bereitschaft<br />

mit <strong>der</strong> Bevölkerung direkt <strong>in</strong> Kontakt<br />

zu treten. E<strong>in</strong> Jahr lang wird sie jeden<br />

Sonntag e<strong>in</strong>e Frage aus <strong>der</strong> Leserschaft im<br />

„Sonntagsblick“ beantworten. Nach E<strong>in</strong>schätzung<br />

<strong>von</strong> Pascale Bru<strong>der</strong>er ist dies<br />

e<strong>in</strong>e geniale Möglichkeit, auf die Fragen<br />

und Interessen <strong>der</strong> Bevölkerung e<strong>in</strong>zugehen.<br />

Im Jahr 2010 besteht mit Pascale Bru<strong>der</strong>er<br />

die e<strong>in</strong>malige Chance auf brennende<br />

Anliegen und For<strong>der</strong>ungen <strong>von</strong> Gehörlosen<br />

und Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten aufmerksam zu<br />

machen und diese vor allem zur „Sprache“<br />

zu br<strong>in</strong>gen.<br />

Ich wünsche Ihnen liebe Leser<strong>in</strong>nen und<br />

Leser e<strong>in</strong>e friedvolle und bes<strong>in</strong>nliche<br />

Adventszeit.<br />

Roger Ruggli<br />

Master of Arts (M.A.)<br />

Redaktor<br />

Impressum<br />

Zeitschrift sonos<br />

Ersche<strong>in</strong>t monatlich<br />

Herausgeber<br />

sonos<br />

Schweizerischer Verband für Gehörlosen-<br />

und Hörgeschädigten-Organisationen<br />

Feldeggstrasse 69<br />

Postfach 1332<br />

8032 Zürich<br />

Telefon 044 421 40 10<br />

Fax 044 421 40 12<br />

E-Mail <strong>in</strong>fo@sonos-<strong>in</strong>fo.ch<br />

www.sonos-<strong>in</strong>fo.ch<br />

Redaktion<br />

Redaktion sonos<br />

Feldeggstrasse 69<br />

Postfach 1332<br />

8032 Zürich<br />

Telefon 044 421 40 10<br />

Fax 044 421 40 12<br />

E-Mail <strong>in</strong>fo@sonos-<strong>in</strong>fo.ch<br />

www.sonos-<strong>in</strong>fo.ch<br />

Inserate, Abonnentenverwaltung<br />

sonos<br />

Feldeggstrasse 69<br />

Postfach 1332<br />

8032 Zürich<br />

Telefon 044 421 40 10<br />

Fax 044 421 40 12<br />

E-Mail <strong>in</strong>fo@sonos-<strong>in</strong>fo.ch<br />

Druck und Spedition<br />

Bartel Druck AG<br />

Bahnhofstrasse 15<br />

8750 Glarus<br />

sonos verwendet bei Personen zur<br />

Vere<strong>in</strong>fachung abwechslungsweise die<br />

weibliche o<strong>der</strong> männliche Form,<br />

angesprochen s<strong>in</strong>d beide Geschlechter.<br />

Nachdruck nur mit Genehmigung <strong>der</strong><br />

Redaktion, unter H<strong>in</strong>weis auf die Quelle<br />

und mit Zustellung e<strong>in</strong>es Belegexemplars.<br />

Die veröffentlichten Artikel <strong>von</strong> Gastautoren<br />

geben nicht <strong>in</strong> jedem Fall die Auffassung des Herausgebers<br />

wie<strong>der</strong>.<br />

Die nächste Ausgabe ersche<strong>in</strong>t am<br />

1. Januar 2010<br />

Redaktionsschluss:<br />

15. Dezember 2009<br />

Titelseite:<br />

Kunstwerke aus Glas <strong>von</strong><br />

G<strong>in</strong>a-Mar<strong>in</strong>a Schmid<br />

3


Kunsthandwerk aus<br />

dem Schwarzwald<br />

Die gehörlose G<strong>in</strong>a-Mar<strong>in</strong>a Schmid ist<br />

Glaskünstler<strong>in</strong>. Sie hat soeben mit Bestnoten<br />

die Ausbildung als Glasmacher<strong>in</strong><br />

sehr erfolgreich abgeschlossen.<br />

Die sonos-Redaktion wollte mehr über den<br />

nicht alltäglichen Beruf e<strong>in</strong>es Glasmachers<br />

bzw. e<strong>in</strong>er Glasmacher<strong>in</strong> <strong>in</strong> Erfahrung<br />

br<strong>in</strong>gen und vor allem G<strong>in</strong>a Schmid etwas<br />

näher kennen lernen. G<strong>in</strong>a Schmid hat sich<br />

Anfangs November sofort bereit erklärt,<br />

Roger Ruggli <strong>von</strong> <strong>der</strong> sonos-Redaktion an<br />

ihrem Arbeitsplatz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Glaswerkstatt <strong>von</strong><br />

Dirk Bürkl<strong>in</strong> <strong>in</strong> Herrischried, e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en<br />

Dorf rund 20 Kilometer <strong>von</strong> <strong>der</strong> deutschschweizerischen<br />

Grenzstadt Bad Säck<strong>in</strong>gen<br />

entfernt, für e<strong>in</strong> Interview zu empfangen.<br />

G<strong>in</strong>a-Mar<strong>in</strong>a Schmid und ihre<br />

Liebe zu Glas und Formen<br />

sonos: Sie s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e hochtalentierte Glaskünstler<strong>in</strong>.<br />

Wie und wann haben Sie ihr<br />

grosses kreatives Potential entdeckt?<br />

G<strong>in</strong>a-Mar<strong>in</strong>a: Zusammen mit me<strong>in</strong>er<br />

Mutter besuchte ich vor 5 Jahren <strong>in</strong> Wittnau<br />

e<strong>in</strong>e Ausstellung <strong>von</strong> Dirk Bürkl<strong>in</strong>. Die<br />

Werke des deutschen Glaskünstlers aus<br />

Herrischried fasz<strong>in</strong>ierten mich vom ersten<br />

Augenblick an. An dieser Ausstellung<br />

spürte ich, dass ich die Ausbildung als<br />

Glasmacher<strong>in</strong> absolvieren bzw. diesen<br />

Beruf erlernen möchte. Me<strong>in</strong> Wunsch<br />

erfüllte sich und Dirk Bürkl<strong>in</strong> wurde me<strong>in</strong><br />

zukünftiger Lehrmeister.<br />

sonos: Haben Sie schon als K<strong>in</strong>d mit Glas<br />

bearbeitet bzw. gestalterische Werke<br />

gemacht?<br />

G<strong>in</strong>a-Mar<strong>in</strong>a: Ne<strong>in</strong>, überhaupt nicht. Als<br />

K<strong>in</strong>d habe ich - wie es die meisten Mädchen<br />

machen - am liebsten mit Puppen gespielt.<br />

sonos: Während Ihrer Ausbildung als Glasbläser<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Werkstätte im Schwarzwald<br />

besuchen Sie die Berufsschule für<br />

Hörgeschädigte <strong>in</strong> Zürich-Oerlikon. Wie ist<br />

Ihre Ausbildung verlaufen, was waren die<br />

Hochs und was die Tiefs?<br />

G<strong>in</strong>a-Mar<strong>in</strong>a Schmid an ihrem Arbeitsplatz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Glaswerkstatt <strong>von</strong> Dirk Bürkl<strong>in</strong>, ihrem Lehrmeister und<br />

heutigen Arbeitgeber <strong>in</strong> Herrischried im Schwarzwald.<br />

G<strong>in</strong>a-Mar<strong>in</strong>a: Die grösste Schwierigkeit<br />

war, die Invalidenversicherung (IV) da<strong>von</strong><br />

zu überzeugen, dass ich die Ausbildung als<br />

Glasmacher<strong>in</strong> <strong>in</strong> Deutschland machen<br />

konnte. Der Beruf des Glasmachers kann <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Schweiz nicht mehr erlernt werden. Der<br />

Rektor <strong>der</strong> Berufsschule für Hörgeschädigte<br />

(BSFH), Toni Kleeb, und me<strong>in</strong> zukünftiger<br />

Lehrmeister Dirk Bürkl<strong>in</strong> haben dafür<br />

gekämpft, dass die IV e<strong>in</strong>willigte und ich<br />

endlich me<strong>in</strong>en ersehnten Lehrvertrag<br />

bekam.<br />

Während <strong>der</strong> gesamten Ausbildung sowohl<br />

im Lehrbetrieb wie auch an <strong>der</strong> Berufsschule<br />

für Hörgeschädigte (BSFH) hatte ich<br />

eigentlich ke<strong>in</strong>e nennenswerten Probleme.<br />

Ich hatte e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>e schöne Lehrzeit und<br />

vor allem e<strong>in</strong>en wun<strong>der</strong>baren Lehrmeister.<br />

Im Juli dieses Jahres habe ich me<strong>in</strong>e Ausbildung<br />

als Landesbeste mit 96 <strong>von</strong> möglichen<br />

100 Punkten sehr erfolgreich abgeschlossen.<br />

Darüber b<strong>in</strong> ich sehr glücklich<br />

und natürlich mega stolz.<br />

Dirk Bürkl<strong>in</strong> ist stolz auf G<strong>in</strong>a-Mar<strong>in</strong>a Schmid, welche die Ausbildung Glasmacher<strong>in</strong> als Landesbeste mit <strong>der</strong><br />

hohen Punktzahl <strong>von</strong> 96 bei e<strong>in</strong>em Punktemaximum <strong>von</strong> 100 äusserst erfolgreich abgeschlossen hat.


sonos: Sie s<strong>in</strong>d gehörlos geboren und<br />

haben e<strong>in</strong> Cochlea-Implant (CI). S<strong>in</strong>d Sie <strong>in</strong><br />

speziellen Schulen unterrichtet worden<br />

bzw. wie ist Ihre Schulzeit verlaufen und<br />

was haben Sie da<strong>von</strong> positiv <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung<br />

und was ist schwierig gewesen?<br />

G<strong>in</strong>a-Mar<strong>in</strong>a: Ich er<strong>in</strong>nere mich noch sehr<br />

gut daran, dass me<strong>in</strong>e Schulzeit an <strong>der</strong><br />

Gehörlosen- und Sprachheilschule <strong>in</strong><br />

Riehen (GSR) für mich e<strong>in</strong> eigentlicher Albtraum<br />

war. Damals habe ich gesprochene<br />

Worte sehr schlecht verstanden, und ich<br />

konnte auch nur ganz schlecht sprechen.<br />

Für mich war es e<strong>in</strong>fach nicht gut, mit<br />

hörenden K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong> gleichen Klasse<br />

zusammen zu se<strong>in</strong>. In dieser Zeit wurde ich<br />

oft <strong>von</strong> den hörenden Mitschüler<strong>in</strong>nen und<br />

Mitschülern geschlagen o<strong>der</strong> angespuckt.<br />

Ich wurde damals richtiggehend gemobbt.<br />

Für mich war es e<strong>in</strong>e schreckliche Zeit.<br />

Die schönste Schulzeit erlebte ich im Landenhof.<br />

Dort habe ich nebst vielem<br />

an<strong>der</strong>en vor allem sprechen gelernt. Diese<br />

Zeit war für mich sehr wichtig und prägend.<br />

Ich habe dafür gekämpft, dass ich gut sprechen<br />

kann. Denn ich will selbstständig und<br />

selbstbestimmt leben.<br />

s o n o s: Sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er fünfköpfigen<br />

Familie aufgewachsen. S<strong>in</strong>d Ihre Geschwister<br />

auch gehörlos o<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d Sie als e<strong>in</strong>zige<br />

<strong>in</strong> Ihrer Familie gehörlos? Wie ist Ihre K<strong>in</strong>dheit<br />

verlaufen? Gab es da viele E<strong>in</strong>schränkungen<br />

für Sie wegen Ihrer Hörbee<strong>in</strong>trächtigung<br />

o<strong>der</strong> haben Sie das nicht so erlebt?<br />

E<strong>in</strong>e neue Praktikant<strong>in</strong> am auf 1250 Grad heissen Ofen.<br />

G<strong>in</strong>a-Mar<strong>in</strong>a Schmid beim Glasblasen.<br />

G<strong>in</strong>a-Mar<strong>in</strong>a: In me<strong>in</strong>er Familie b<strong>in</strong> ich<br />

nicht die e<strong>in</strong>zige Gehörlose. Me<strong>in</strong>e Eltern<br />

und me<strong>in</strong> ältester Bru<strong>der</strong> Marco s<strong>in</strong>d<br />

hörend. Aber me<strong>in</strong> jüngster Bru<strong>der</strong> Dario ist<br />

wie ich gehörlos geboren worden. Bis<br />

heute kennen we<strong>der</strong> ich noch me<strong>in</strong> Bru<strong>der</strong><br />

die genauen Ursachen unserer Gehörlosigkeit.<br />

Die Gehörlosigkeit wurde bei mir sehr spät<br />

def<strong>in</strong>itiv festgestellt. Me<strong>in</strong> Vater musste <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Folge sehr lange bei <strong>der</strong> Invalidenversicherung<br />

(IV) dafür kämpfen, dass durch sie<br />

die Cochlea-Implant-Versorgung bezahlt<br />

wurde. Es war e<strong>in</strong>e ganz schlimme Zeit für<br />

me<strong>in</strong>e Eltern.<br />

Me<strong>in</strong> Bru<strong>der</strong> Dario und ich wurden im gleichen<br />

Jahr auf dem rechten Ohr mit e<strong>in</strong>em<br />

Cochlea-Implant versorgt. Ich war damals 6<br />

Jahre und me<strong>in</strong> Bru<strong>der</strong> Dario 5 Jahre alt.<br />

sonos: Kommunizieren Sie heute häufig <strong>in</strong><br />

Gebärdensprache?<br />

G<strong>in</strong>a-Mar<strong>in</strong>a: In me<strong>in</strong>er Freizeit gebärde ich<br />

mit me<strong>in</strong>en Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen und<br />

vor allem mit me<strong>in</strong>em Bru<strong>der</strong> Dario. Bei <strong>der</strong><br />

Arbeit kommuniziere ich praktisch ausschliesslich<br />

lautssprachlich.<br />

Mit me<strong>in</strong>en Eltern kommuniziere ich nur <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Lautsprache. Für mich ist es okay, dass<br />

sie die Gebärdensprache nicht können.<br />

sonos: Was erleben Sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gebärdensprache<br />

an<strong>der</strong>s als <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lautsprache?<br />

G<strong>in</strong>a-Mar<strong>in</strong>a: Für mich ist die Gebärdensprache<br />

die natürliche Sprache, und sie ist<br />

für mich e<strong>in</strong>facher als die Lautsprache.<br />

Schön wäre es aber, wenn ich me<strong>in</strong>e eigene<br />

Stimme hören könnte.<br />

sonos: Haben Sie schon viele Ihrer Glaskunstwerke<br />

verkaufen können?<br />

G<strong>in</strong>a-Mar<strong>in</strong>a: Ja, ich verkaufe sehr gut. So<br />

zu Beispiel Briefbeschwerer o<strong>der</strong> kle<strong>in</strong>e<br />

glitzernde Sachen wie Sterne, Vögel, Fische<br />

und vieles mehr.<br />

s o n o s: Haben Sie auch Ausstellungen<br />

gemacht <strong>in</strong> Deutschland und / o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Schweiz?<br />

5


Fertige Kunstwerke aus Glas <strong>von</strong> G<strong>in</strong>a-Mar<strong>in</strong>a Schmid.<br />

G<strong>in</strong>a-Mar<strong>in</strong>a: Ja, zum Beispiel am Weihnachtsmarkt<br />

<strong>in</strong> Frick o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Glassausstellung<br />

<strong>in</strong> Wittnau und natürlich im Lehrbetrieb<br />

selber. Ich habe schon sehr viel<br />

ausgestellt und glücklicherweise auch verkaufen<br />

können.<br />

sonos: Was tun Sie <strong>in</strong> Ihrer Freizeit als Ausgleich<br />

<strong>in</strong> Bezug auf Ihre kreative Tätigkeit<br />

bzw. wie tanken Sie auf und kommen zu<br />

neuer Energie?<br />

G<strong>in</strong>a-Mar<strong>in</strong>a: Ich gehe sehr gerne <strong>in</strong>s K<strong>in</strong>o<br />

und b<strong>in</strong> ständig unterwegs mit me<strong>in</strong>en<br />

Freund<strong>in</strong>nen und Freunden. Ich liebe es mit<br />

dem Zug <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz herumzureisen.<br />

s o n o s: Was wünschen Sie sich für Ihre<br />

Zukunft - beruflich und privat?<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

G<strong>in</strong>a-Mar<strong>in</strong>a: Ja, ich habe e<strong>in</strong>en Traum.<br />

E<strong>in</strong>es Tages möchte ich me<strong>in</strong>e eigene Glaswerkstatt<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz haben. Dafür<br />

spare ich. Denn me<strong>in</strong> Beruf gefällt mir, und<br />

er macht mich sehr glücklich.<br />

Auf <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen Rückfahrt <strong>von</strong> Herrschried<br />

nach Bad Säck<strong>in</strong>gen erzählt G<strong>in</strong>a-<br />

Mar<strong>in</strong>a Schmid, dass sie nach Abschluss<br />

<strong>der</strong> Lehre glücklicherweise <strong>von</strong> Dirk Bürkl<strong>in</strong><br />

als Mitarbeiter<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Teilzeitpensum<br />

angestellt worden sei. Mühsam sei aber,<br />

dass sie ke<strong>in</strong>e Arbeitslosentaggel<strong>der</strong><br />

beziehen könne, weil das Geschäft ihres<br />

Arbeitgebers nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz sei.<br />

Seit fünf Jahren pendelt G<strong>in</strong>a-Mar<strong>in</strong>a<br />

Schmid zwischen ihrem Wohnort Hornussen<br />

und ihrem Arbeitsort Herrischried:<br />

„Ich habe locker e<strong>in</strong>en 12-Stundentag. Vor<br />

allem die kurvenreiche Fahrt mit dem Bus<br />

<strong>von</strong> Bad Säck<strong>in</strong>gen nach Herrischried kann<br />

sich bei schlechten Sicht- und/o<strong>der</strong><br />

Strassen-Verhältnissen ganz schön <strong>in</strong> die<br />

Länge ziehen. Seit fünf Jahren werde ich<br />

wegen den schlechten ÖV-Verb<strong>in</strong>dungen<br />

<strong>von</strong> me<strong>in</strong>em Vater <strong>in</strong> Bad Säck<strong>in</strong>gen abgeholt.<br />

Dafür b<strong>in</strong> ich ihm sehr dankbar.“<br />

Roger Ruggli bedankt sich bei G<strong>in</strong>a-Mar<strong>in</strong>a<br />

Schmid für das herzliche sowie offene<br />

Gespräch und wünscht ihr, dass sie bald<br />

genug Geld haben wird, um dann ihre<br />

eigene Glaswerkstatt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz<br />

eröffnen zu können.<br />

E<strong>in</strong> Besuch <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Glaswerkstatt lohnt<br />

sich bestimmt. Dirk<br />

Bürkl<strong>in</strong> und G<strong>in</strong>a-<br />

Mar<strong>in</strong>a Schmid<br />

freuen sich Ihnen<br />

die Glaskunstwerke<br />

persönlich zeigen<br />

zu können.


St. Gallen - Zentrum des<br />

Gehörlosen- und Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenwesens<br />

Die Cochlea-Implant Interessengeme<strong>in</strong>schaft<br />

Schweiz (CI IG Schweiz) organisierte<br />

am Samstag, 14. November 2009<br />

das vierte CI-Forum <strong>in</strong> St. Gallen im<br />

Rahmen e<strong>in</strong>er eigentlichen Jubiläumsveranstaltung.<br />

Die Sprachheilschule St.<br />

Gallen feiert im Jahr 2009 ihr 150-jähriges<br />

Bestehen. Vor 15 Jahren wurde das CI-Centrum<br />

St. Gallen gegründet und vor 5 Jahren<br />

die CI IG Schweiz.<br />

Wie bereits <strong>in</strong> den Vorjahren kann Hans-<br />

Jörg Stu<strong>der</strong>, Präsident CI-IG Schweiz, weit<br />

über 150 Personen aus <strong>der</strong> ganzen Schweiz<br />

sowie sogar e<strong>in</strong>ige aus Deutschland und<br />

Italien willkommen heissen.<br />

In se<strong>in</strong>er Begrüssung er<strong>in</strong>nert sich Hans-<br />

Jörg Stu<strong>der</strong>, selbst Träger e<strong>in</strong>es Cochlea-<br />

Implants, an die schwierigen Anfänge des<br />

CI <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz: „Das CI wurde <strong>von</strong> verschiedenen<br />

Seiten her verteufelt und<br />

bekämpft. Dies lei<strong>der</strong> zum Teil auch heute<br />

noch. Ich er<strong>in</strong>nere mich noch gut an die<br />

Konsensus-Konferenz vom 18. März 1993<br />

am Universitäts-Spital <strong>in</strong> Zürich, als<br />

während <strong>der</strong> Konferenz vor dem Spital e<strong>in</strong>e<br />

Gruppe Gehörloser mit Sprechchören und<br />

Transparenten gegen das CI demonstrierten.<br />

Heute nach 16 Jahren b<strong>in</strong> ich<br />

umso glücklicher, dass sich dieser Wi<strong>der</strong>stand<br />

grösstenteils gelegt hat. Sicher hat<br />

dies auch mit dem Fortschritt <strong>von</strong> Mediz<strong>in</strong>,<br />

Technik und Pädagogik sowie <strong>der</strong> guten<br />

Informationsarbeit zu tun. Die CI IG<br />

Schweiz wurde am 12. November 2004 <strong>in</strong><br />

Aarau offiziell gegründet. Die Zielvorgaben<br />

und Erwartungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den letzten fünf<br />

Jahren erreicht worden. Ich denke, die CI IG<br />

Schweiz ist heute aus dem Gehörlosenund<br />

Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenwesen nicht mehr wegzudenken.<br />

Dies beweist auch die Tatsache,<br />

dass unser Forum jeweils so gut besucht<br />

wird. E<strong>in</strong> wichtiger Auftrag <strong>der</strong> CI IG<br />

Schweiz ist es, über das Cochlea-Implant<br />

zu <strong>in</strong>formieren. Wer kann dies besser als<br />

die Betroffenen selbst! Dank des Cochlea-<br />

Implants gibt es heute kaum mehr Ertaubte<br />

und auch vielen gehörlos geborenen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

kann geholfen werden. Die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

werden heute frühzeitig mit e<strong>in</strong>em CI versorgt.<br />

Lei<strong>der</strong> besteht aber im Zusammenhang<br />

mit dem CI nach wie vor e<strong>in</strong> grosses<br />

Informationsbedürfnis.“<br />

Hans-Jörg Stu<strong>der</strong><br />

betont mit Nachdruck,<br />

dass es die CI IG<br />

Schweiz als Drehscheibe<br />

für Informationen<br />

rund um das<br />

Cochlea-Implant<br />

brauche. „So freue ich<br />

mich, dass heute<br />

wie<strong>der</strong> alle CI-Herstellerfirmen,<br />

Vertreter <strong>von</strong><br />

CI-Kl<strong>in</strong>iken und natürlich<br />

die CI-TrägerInnen<br />

sowie Eltern <strong>von</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />

die mit e<strong>in</strong>em<br />

Cochlea-Implant versorgt<br />

s<strong>in</strong>d und weitere<br />

am CI <strong>in</strong>teressierten<br />

Personen nach St.<br />

Gallen gekommen<br />

s<strong>in</strong>d“, schliesst er<br />

se<strong>in</strong>en Tour d’horizon.<br />

Zeitreise <strong>in</strong> die Vergangenheit<br />

rund um das Gehörlosen- und<br />

Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenwesens<br />

Die CI IG Schweiz-Verantwortlichen haben<br />

e<strong>in</strong> ganz spezielles Jubiläumsveranstaltungsprogramm<br />

zusammengestellt - nämlich<br />

e<strong>in</strong>e Zeitreise <strong>in</strong> die mediz<strong>in</strong>ische, technische<br />

und pädagogische Vergangenheit.<br />

In Fach-Referaten erfahren die Tagungsteilnehmenden,<br />

welche enormen Fortschritte<br />

im Gehörlosen- und Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenwesen<br />

gemacht wurden.<br />

Von <strong>der</strong> Taubstummenanstalt zum<br />

CI-Centrum<br />

Bruno Schlegel, Direktor <strong>der</strong> Sprachheilschule<br />

St. Gallen, <strong>in</strong>formiert wie sich die<br />

heutige Institution <strong>in</strong> ihrer 150-jährigen<br />

Geschichte <strong>von</strong> <strong>der</strong> Taubstummenanstalt<br />

zum Cochlea-Implant-Center bzw. zur heutigen<br />

Sprachheilschule gewandelt hat.<br />

Als eigentlichen Meilenste<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Institutionsgeschichte<br />

bezeichnet er die im Jahr<br />

1983 vollzogene Unbenennung <strong>von</strong> <strong>der</strong><br />

Taubstummenanstalt <strong>in</strong> die heutige<br />

Dank dem Cochlea-Implant kann Hans-Jörg Stu<strong>der</strong> wie<strong>der</strong> hören. Aus se<strong>in</strong>er<br />

Sicht ist das CI ist für Spätertaubte und für gehörlos geborene K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong><br />

wahrer Segen.<br />

Sprachheilschule St. Gallen - Son<strong>der</strong>schule<br />

mit Internat für hör- und sprachbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche auf dem Rosenberg.<br />

Seit Jahren g<strong>in</strong>gen die Zahlen <strong>der</strong><br />

betreuten und beschulten hörrestigen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> kont<strong>in</strong>uierlich zurück. Die Gründe<br />

dafür lagen <strong>in</strong> rückläufigen Geburtenzahlen,<br />

verbesserter präventiver mediz<strong>in</strong>ischer<br />

Betreuung und Abklärungen sowie<br />

<strong>der</strong> Früherfassung. Aber auch dank des<br />

audiopädagogischen Beratungsdienstes<br />

sowie <strong>der</strong> verbesserten professionellen<br />

Frühberatung und zu guter Letzt wegen <strong>der</strong><br />

neuen leistungsfähigen Hörgeräte und <strong>der</strong><br />

Möglichkeit, die K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>em Cochlea-<br />

Implant versorgen zu lassen. Der Integrationsgedanke<br />

war allgegenwärtig. Parallel<br />

zu den s<strong>in</strong>kenden Zahlen <strong>von</strong> den zu<br />

betreuenden gehörlosen und hörbee<strong>in</strong>trächtigten<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n stieg die Zahl <strong>der</strong><br />

Sprachheilschüler<strong>in</strong>nen und -schüler.<br />

Bruno Schlegel betont: „Das Ziel war und<br />

bleibt, wir wollen Brücken schlagen. Weg<br />

<strong>von</strong> <strong>der</strong> Taubstummenanstalt, h<strong>in</strong> zur<br />

Sprachheilschule. Von <strong>der</strong> Gehörlosenschule,<br />

h<strong>in</strong> zur Schule mit För<strong>der</strong>schwerpunkt<br />

Hören und <strong>von</strong> <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>schule<br />

zum Kompetenzzentrum für Hörgeräte und<br />

Cochlea-Implant. Wir vollzogen den Wandel<br />

<strong>von</strong> <strong>der</strong> Gehörlosenschule, vom stationären<br />

7<br />

CI-IG Schweiz


Bruno Schlegel <strong>der</strong> Direktor <strong>der</strong> Sprachheilschule macht <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>em Referat deutlich, dass es e<strong>in</strong>er positiven E<strong>in</strong>stellung zur<br />

Integration bedarf und hör- und sprachbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te K<strong>in</strong><strong>der</strong> aktiv<br />

geför<strong>der</strong>t und unterstützt werden müssen.<br />

Vor allem die <strong>in</strong>formativen Fotografien verdeutlichen im Referat<br />

<strong>von</strong> Daniel Abels, CI-Audiologe aus Basel, welchen Quantensprung<br />

es brauchte, um die Hightech-Hörgeräte bis h<strong>in</strong> zum<br />

Cochlea-Implant <strong>von</strong> heute zu produzieren.<br />

Prof. Dr. med. Probst geht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Referat auf die enormen<br />

technischen und mediz<strong>in</strong>ischen Fortschritte e<strong>in</strong> und beschreibt<br />

den Weg <strong>von</strong> <strong>der</strong> re<strong>in</strong> lebensrettenden Chirurgie h<strong>in</strong> zur restaurierenden<br />

Chirurgie.<br />

zum ambulanten Angebot, zum<br />

audio-pädagogischen Dienst und<br />

h<strong>in</strong> zum CI-Centrum.“<br />

„Die Geschichte <strong>der</strong> Sprachheilschule<br />

St. Gallen zeigt nicht nur<br />

auf“, schliesst Bruno Schlegel<br />

se<strong>in</strong> Referat, „wie positiv die E<strong>in</strong>stellung<br />

zur Integration ist, son<strong>der</strong>n<br />

auch, dass hör- und sprachbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> aktiv <strong>in</strong> diese<br />

Richtung unterstützt und geför<strong>der</strong>t<br />

werden.“<br />

Vom Hörrohr zum Cochlea-<br />

Implant<br />

Daniel Abels, CI-Audiologe,<br />

befasst sich mit dem Hörrohr, wie<br />

es zu Zeiten Ludwig van Beethovens<br />

verwendet wurde. Dieses<br />

Instrument konnte eigentlich erst<br />

nach dem Ende des <strong>zwei</strong>ten Weltkrieges<br />

durch die heutigen technischen<br />

elektronischen M<strong>in</strong>iaturwun<strong>der</strong>werke<br />

ersetzt werden. Die<br />

Ausführungen <strong>von</strong> Daniel Abels<br />

veranschaulichen e<strong>in</strong>drücklich,<br />

welch langen und beschwerlichen<br />

Weg es galt vom Hörrohr bis<br />

zum Cochlea-Impant zurückzulegen.<br />

Daniel Abels erklärt: „Die Revolution<br />

<strong>der</strong> elektronischen Hörhilfen<br />

begann eigentlich mit <strong>der</strong> Erf<strong>in</strong>dung<br />

bzw. Patentierung des<br />

ersten Hörgerätepatents 1892<br />

<strong>von</strong> A.E. Miltimore bzw. dem<br />

Telefon <strong>von</strong> Alexan<strong>der</strong> Graham<br />

Bell. Im Jahr 1910 kamen Hörgeräte<br />

mit Kohlemikrophon auf<br />

den Markt und im Jahr 1921 die<br />

ersten Geräte mit Vakuumröhren.<br />

Ab dem Jahr 1952 wurden die<br />

Röhren <strong>von</strong> Hörgeräten mit Transistoren<br />

abgelöst. Im Jahr 1957<br />

wurde weltweit <strong>der</strong> erste Patient<br />

mit e<strong>in</strong>em Cochlea-Implant versorgt.<br />

In <strong>der</strong> Schweiz wurde zum<br />

ersten Mal am Universitätsspital<br />

Zürich im Jahr 1977 jemand mit<br />

e<strong>in</strong>em CI versorgt. In den kommenden<br />

Jahren erfolgte e<strong>in</strong>e stetige<br />

Verbesserung bzw. M<strong>in</strong>iaturisierung<br />

des gesamten CI-Implantatechnik<br />

und vor allem die<br />

Sprachprozessoren wurden<br />

enorm leistungsfähiger.“<br />

Vom Hammer und Meissel zur<br />

Mikrochirurgie<br />

Prof. Dr. med. Rudolf Probst, Direktor <strong>der</strong><br />

ORL-Kl<strong>in</strong>ik am Universitätsspital Zürich,<br />

erwähnt, dass e<strong>in</strong>e Mittelohrentzündung<br />

noch vor wenigen Jahrzehnten tödlich verlaufen<br />

konnte. Mit verschiedenen Meisseln<br />

und Hammer habe man bereits vor 200<br />

Jahren versucht, den Warzenfortsatz zu<br />

öffnen (Mastoidektomie), um das vereiterte<br />

Knochenmaterial zu entfernen. Die<br />

heute übliche Anästhesie bei e<strong>in</strong>em solchen<br />

operativen E<strong>in</strong>griff sei damals durch<br />

starke Männerhände ersetzt worden. Diese<br />

hatten die Aufgabe, den Kopf <strong>der</strong> Patienten<br />

ruhig zu halten. E<strong>in</strong> weiteres Problem<br />

bestand früher bei <strong>der</strong> Operation im fehlenden<br />

Licht und <strong>der</strong> mangelnden Vergrösserung.<br />

Prof. Probst: „Mit <strong>der</strong> <strong>von</strong> Hans Littmann<br />

<strong>von</strong> <strong>der</strong> Firma Zeiss im Jahr 1953 abgeschlossenen<br />

Entwicklung e<strong>in</strong>es neuartigen<br />

und leistungsfähigen Operationsmikroskops<br />

wurde <strong>der</strong> Grundste<strong>in</strong> für die<br />

mo<strong>der</strong>ne Mikrochirurgie gelegt. Heute ist<br />

es Standard, dass <strong>der</strong> operative E<strong>in</strong>griff<br />

unter e<strong>in</strong>em be<strong>in</strong>ahe frei schwebenden<br />

Mikroskop, welches das Operationsfeld mit<br />

e<strong>in</strong>er starken Lichtquelle optimal ausleuchtet<br />

und stufenlos vergrössert, vorgenommen<br />

wird. Die gefährlich anmutenden<br />

und angste<strong>in</strong>flössenden Meissel <strong>von</strong><br />

damals s<strong>in</strong>d heute durch präzise Hochleistungsbohrer<br />

ersetzt. Mikrochirurgie <strong>in</strong><br />

Perfektion! In <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Mediz<strong>in</strong> <strong>von</strong><br />

heute fand dank <strong>der</strong> enormen technischen<br />

Entwicklungen und <strong>der</strong> chirurgischen handwerklichen<br />

Kompetenzen e<strong>in</strong> Wandel <strong>von</strong><br />

<strong>der</strong> re<strong>in</strong> lebensrettenden Chirurgie h<strong>in</strong> zur<br />

restaurierenden Chirurgie statt.“<br />

Von <strong>der</strong> Gehörlosen- zur Hörpädagogik“<br />

Alle diese mediz<strong>in</strong>ischen und technischen<br />

Fortschritte führten zu grundlegenden<br />

Än<strong>der</strong>ungen im Unterricht für gehörlose<br />

bzw. hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Ernst Bastian,<br />

ehemaliger Leiter <strong>der</strong> Gehörlosenabteilung<br />

an <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>schule <strong>in</strong> Hohenra<strong>in</strong>, nimmt<br />

Bezug auf wichtige Meilenste<strong>in</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Geschichte <strong>der</strong> Gehörlosenpädagogik. Aus<br />

se<strong>in</strong>en Ausführungen geht unter an<strong>der</strong>em<br />

hervor, dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nachkriegszeit <strong>in</strong> den<br />

Taubstummen<strong>in</strong>stitutionen <strong>von</strong> den gehörlosen<br />

o<strong>der</strong> hörgeschädigten Zögl<strong>in</strong>gen<br />

Zucht und Ordnung gefor<strong>der</strong>t und alles <strong>der</strong><br />

lautsprachlichen För<strong>der</strong>ung untergeordnet


wurde. Von e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>tegrativen o<strong>der</strong> ganzheitlichen<br />

Schulsystem war man meilenweit<br />

entfernt.<br />

Ernst Bastian: „Für me<strong>in</strong>e Generation wage<br />

ich zu sagen: Es hat <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>von</strong> uns mitgestalteten<br />

Zeit e<strong>in</strong>e sehr grosse Verän<strong>der</strong>ung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> gesamten Hörgeschädigtenbildung<br />

stattgefunden, wie es sie wohl vorher kaum<br />

gegeben hat. Es gibt me<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach<br />

ke<strong>in</strong>e seriöse Antwort auf das „Quo vadis“<br />

<strong>der</strong> Hörgeschädigtenpädagogik. In me<strong>in</strong>em<br />

Praktikum 1966 antwortete mir <strong>der</strong> damalige<br />

Schulleiter auf me<strong>in</strong>e Frage nach <strong>der</strong><br />

apparativen Versorgung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>: „Sie<br />

dürfen nicht vergessen, dass s<strong>in</strong>d vorwiegend<br />

Viberationsk<strong>in</strong><strong>der</strong>“ (Zitat). Nach<br />

me<strong>in</strong>em offiziellen Ausscheiden auf dem<br />

aktiven Schuldienst im Jahr 2004 s<strong>in</strong>d aus<br />

den damaligen ‘Viberationsk<strong>in</strong><strong>der</strong>n’ hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> geworden, die mit Hilfe <strong>der</strong><br />

mo<strong>der</strong>nen Technik <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage s<strong>in</strong>d, die<br />

Regelschule zu besuchen. Besuchten über<br />

viele Jahre an me<strong>in</strong>er Schule <strong>in</strong> Hohenra<strong>in</strong><br />

gegen 120 hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

Jugendliche die Schule, so s<strong>in</strong>d es heute<br />

noch 28. Ähnliche Tendenzen bzw. Schülerzahlen<br />

s<strong>in</strong>d auch an den an<strong>der</strong>en Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenschulen<br />

zu beobachten.“<br />

Ernst Bastian er<strong>in</strong>nert sich, wie <strong>der</strong> Unterricht<br />

früher gestaltet wurde: „Als junge<br />

Taubstummenlehrer glaubten wir damals,<br />

dass absolut richtige Rezept zu haben, wie<br />

taubstummen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n das Sprechen, die<br />

Sprache beigebracht werden musste. Der<br />

Unterricht war klar geglie<strong>der</strong>t. Es wurde auf<br />

die E<strong>in</strong>haltung <strong>von</strong> Verhaltensregeln<br />

geachtet, die auch ausserhalb des Schulzimmers<br />

angemahnt wurden. Lebenspraktische<br />

Übungen, wie z.B. im Dorfladen e<strong>in</strong>kaufen,<br />

die Aufgabe e<strong>in</strong>es Paketes bei <strong>der</strong><br />

Post o<strong>der</strong> auch die Mitfeier bei e<strong>in</strong>er Beerdigung<br />

wurden <strong>in</strong> Schrift und Sprache festgehalten.<br />

Um die Aufmerksamkeit <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> den Randstunden zu<br />

gew<strong>in</strong>nen, wurde relativ häufig mit den<br />

Füssen auf den Boden gestampft. Bei Holzböden<br />

beson<strong>der</strong>s wirksam!“<br />

Zum Schluss se<strong>in</strong>er aufschlussreichen Darlegungen<br />

<strong>der</strong> hörpädagogischen Gegebenheiten<br />

und Umstände <strong>in</strong> den vergangen 100<br />

Jahren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz me<strong>in</strong>t Ernst Bastian:<br />

„Die Hörgeschädigtenpädagogik ist e<strong>in</strong>er<br />

permanenten Wandlung unterworfen. E<strong>in</strong>e<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung bleibt aber immer<br />

bestehen. Wir müssen die Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten<br />

auf ihre künftige Doppelrolle vorbereiten.<br />

Als Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ter unter Hörenden zu<br />

leben. Wir leben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er hochkomplexen<br />

Massengesellschaft, <strong>der</strong>en Zusammen-<br />

hänge immer schwieriger zu<br />

durchschauen s<strong>in</strong>d. Die Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenpädagogik<br />

muss immer<br />

zum Ziel haben, den hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten<br />

Schüler und Jugendlichen<br />

zu befähigen, se<strong>in</strong>e zukünftige<br />

Lebenssituation selbstständig zu<br />

bewältigen. Beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong><br />

Berufsschule für Hörgeschädigte<br />

(BSFH) kommt hier e<strong>in</strong>e Schlüsselrolle<br />

zu. Sie hat nach me<strong>in</strong>er<br />

Überzeugung die beste Möglichkeit,<br />

junge hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te Erwachsene<br />

anzusprechen und zu<br />

motivieren, aktiv das ‘Doppelleben’<br />

anzugehen.“<br />

Das Gedächtnis <strong>der</strong> Gehörlosenpädagogik<br />

Die zeitgeschichtliche Reise wird<br />

dann fortgesetzt <strong>von</strong> Dr. Bodo<br />

Bertram, Gehörlosenpädagoge<br />

aus Berl<strong>in</strong>. Er stellt die Spezialbibliothek<br />

des Hör- und Sprachbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenwesen<br />

<strong>der</strong> Sächsischen<br />

Landesschule für Hörgeschädigte<br />

<strong>in</strong> Leipzig vor. Diese Institution<br />

ist lei<strong>der</strong> während des<br />

<strong>zwei</strong>ten Weltkrieges praktisch<br />

vollständig zerstört worden. Nur<br />

weil die ca. 350 wichtigsten und<br />

wertvollsten Bücher vor den<br />

Bombenangriffen <strong>in</strong> Sicherheit<br />

gebracht worden s<strong>in</strong>d und dank<br />

vieler Doublettenspenden<br />

konnte die Bibliothek <strong>in</strong> den<br />

Nachkriegsjahren wie<strong>der</strong> aufgebaut<br />

werden. Aus den <strong>in</strong>teressanten<br />

Darlegungen des begnadeten<br />

deutschen Gehörlosenpädagogen<br />

wird bald e<strong>in</strong>mal<br />

klar, welch immense Bedeutung<br />

e<strong>in</strong>er Fachbibliothek <strong>in</strong> Bezug<br />

auf das kollektive Gedächtnis<br />

zukommt.<br />

Vom Hören und Nichthören<br />

Der Schriftsteller und Verleger<br />

sowie Empfänger <strong>von</strong> zahlreichen<br />

Literaturpreisen, Beat<br />

Brechbühl, schliesst mit dem<br />

letzten Referat den Bogen und<br />

setzt den würdigen und nachdenklich<br />

stimmenden Schlusspunkt<br />

am 4. CI-Forum St. Gallen.<br />

In se<strong>in</strong>er literarischen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

zum Thema „Vom<br />

Ernst Bastian arbeitete bis zu se<strong>in</strong>er Pensionierung im Jahr 2004<br />

38 Jahre lang <strong>in</strong> verschiedenen Positionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hörgeschädigtenpädagogik.<br />

Dr. Bodo Bertram weiss um die Bedeutung <strong>der</strong> historischen Aufarbeitung.<br />

Deshalb ist es wichtig, dass es die Spezialbibliothek<br />

des Hör- und Sprachbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenwesen <strong>in</strong> Leipzig gibt.<br />

Beat Brechbühl gibt dem Hören und dem Nichthören mit se<strong>in</strong>er<br />

sprachlichen Gewandtheit und den Wortspielereien ganz neue<br />

Dimensionen.<br />

9


Hören und Nichthören“ entlockt Brechbühl<br />

den Forums-Besuchenden so manches<br />

Schmunzeln. E<strong>in</strong> begnaden<strong>der</strong> Schriftsteller<br />

gibt dem Wort „hören“ ganz verschiedene<br />

Facetten und Bedeutungen.<br />

Auszüge <strong>der</strong> Lesung <strong>von</strong> Beat<br />

Brechbühl zum Thema: „Hören<br />

und Nichthören“<br />

Teil I.: Hören mit den Ohren, Töne,<br />

Sprache<br />

Jeden Morgen, wenn ich aufstehe, ist um<br />

mich erst mal Leere, Stille, Durst nach<br />

Wasser, die Geräusche <strong>von</strong> mir selber:<br />

Atmen, Hüsteln vielleicht, Husten. Von<br />

draußen höre ich nichts. Verkehrsgeräusche,<br />

Vogelgezwitscher, Geräusche <strong>von</strong><br />

Nachbarn gibt es, aber ich nehme sie akustisch<br />

noch nicht wahr.<br />

Also: Sofort das Radio an <strong>in</strong> Küche und<br />

Badezimmer. „Machst du bitte Lärm“, sage<br />

ich zu mir. Später, wenn ich den „Lärm“<br />

nicht schon angeworfen habe, sagt dies<br />

me<strong>in</strong>e Frau zu sich und zu mir.<br />

Lärm machen hat <strong>in</strong> diesem Fall nichts mit<br />

Diskrim<strong>in</strong>ierung <strong>von</strong> Radio-Machern, -SprecherInnen<br />

und Musikern zu tun. Es ist: Aus<br />

dem Schlaf, aus den Träumen heraus<br />

langsames o<strong>der</strong> auch brüskes Ankommen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> akustischen Welt.<br />

Nach und nach höre ich zu, was die Botschaften<br />

aus dem Radio sagen: Neues <strong>von</strong><br />

Gestern, Neues <strong>von</strong> <strong>der</strong> vergangenen<br />

Nacht, Neues Altes, millionenmal Gehörtes,<br />

noch nie Gehörtes, Musik, Lie<strong>der</strong> mit<br />

Texten, die ich verstehen könnte, wenn ich<br />

wollte, Texte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Sprache, die ich nicht<br />

verstehe, o<strong>der</strong> auch Texte, „die zum Sprechen<br />

zu blöd s<strong>in</strong>d, darum müssen sie<br />

gesungen werden“ - das ergab früher die<br />

sogenannten Schlager.<br />

Was soll denn dieser „Lärm“?<br />

Es gibt ganz wenige Gebiete, <strong>in</strong> o<strong>der</strong> mit<br />

denen ich <strong>zwei</strong> Sachen mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> tun<br />

kann: Morgentoilette eben, Klositzen &<br />

„Lärm“ hören, alle<strong>in</strong> Essen & Zeitunglesen,<br />

Autofahren & „Lärm“ hören, Laufen &<br />

Denken - dann hat es sich schon fast.<br />

Was bei mir nicht geht: Telefonieren &<br />

Lesen, Telefonieren & Essen, jemandem<br />

Zuhören & Compischreiben, mit jemandem<br />

Reden & dabei etwas „tun“, Lesen &<br />

Musikhören, Laufen & Musikhören. Sie<br />

wun<strong>der</strong>n sich? - Es wird mir übrigens oft<br />

gesagt, dass dieses „E<strong>in</strong>s-nach-deman<strong>der</strong>n-Arbeiten“<br />

typisch männlich sei.<br />

Frauen könnten viel eher <strong>zwei</strong>, drei D<strong>in</strong>ge<br />

mit- o<strong>der</strong> nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> tun. Das f<strong>in</strong>de ich<br />

zwar schön, aber bei mir geht das trotzdem<br />

nicht.<br />

Nochmals: Was soll dieser „Lärm“?<br />

Sollen tut er Vieles. Sollen tut er vielleicht<br />

gar nichts. Ich trete dabei aus <strong>der</strong> stillen<br />

Welt <strong>in</strong> die lebendige, vielleicht gar konkrete,<br />

fassbare, tätige, zum<strong>in</strong>dest hörbare<br />

Welt h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> - o<strong>der</strong> h<strong>in</strong>aus. Ich b<strong>in</strong> akustisch<br />

voll da, me<strong>in</strong> Hirn zum Teil auch schon,<br />

wenn ich me<strong>in</strong>e Wohnung verlasse und den<br />

realen Lärm <strong>der</strong> Welt betrete und mich<br />

dar<strong>in</strong> bewegen will o<strong>der</strong> muss.<br />

Teil II.: Hören mit den Körper, und<br />

T<strong>in</strong>nitus<br />

Ich b<strong>in</strong> da<strong>von</strong> überzeugt, dass me<strong>in</strong> Gehör -<br />

für mich - ziemlich gut ist. Musik me<strong>in</strong>e ich<br />

bis <strong>in</strong> fe<strong>in</strong>e Faserungen zu erleben und<br />

manchmal gar zu „kapieren“. Sprache<br />

hören und sprechen ist me<strong>in</strong>e tägliche<br />

Arbeit (Übersetzungen <strong>von</strong> an<strong>der</strong>n Sprachen<br />

<strong>in</strong>s Deutsche geschehen me<strong>in</strong>es<br />

Erachtens zur Hälfte mit dem Hören <strong>der</strong><br />

beiden Sprachen). Geräusche <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er<br />

Umgebung kann ich bis <strong>in</strong> Nuancen<br />

zuordnen. Nur me<strong>in</strong> Hörausgleich sche<strong>in</strong>t<br />

<strong>in</strong> den letzten Jahren schwächer zu werden.<br />

Das heisst: Mir ist vieles zu leise o<strong>der</strong> zu<br />

laut, vor allem zu laut. Dass zum Beispiel<br />

Musikgruppen ihre ohneh<strong>in</strong> meist lauten<br />

Stimmen und Instrumente elektronisch um<br />

e<strong>in</strong> Mehrfaches verstärken, manchmal bis<br />

mir fast das Hirn zu platzen sche<strong>in</strong>t,<br />

begreife ich nicht. Mir kommt es oft vor,<br />

dass überlautes Musikmachen dazu dient,<br />

fehlende Qualität <strong>von</strong> Texten und Melodien<br />

durch Lautstärke - und damit <strong>der</strong> Erschlagung<br />

<strong>der</strong> ZuhörerInnen - zu ersetzen.<br />

Zum gut Hören ist für mich selektives Hören<br />

unabd<strong>in</strong>gbar. Wenn ich nicht dieses und<br />

jenes zum Hören ausschalten kann, werde<br />

ich umgehend zerdrückt <strong>von</strong> Wort- und<br />

Geräusch- und Klangmonstern <strong>in</strong> hoher<br />

Potenz. Ich sollte also das Nichthören<br />

genauso beherrschen wie das Hören. Wir<br />

alle kennen die Feststellungen:<br />

• Er hört nur das, was er hören will.<br />

• Sie kann das: ihr nicht Genehmes e<strong>in</strong>fach<br />

nicht hören.<br />

• Ich kann, und hier komme ich auf den<br />

Anfang zurück, nicht vieles mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>,<br />

jedoch e<strong>in</strong>zelnes nur nache<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

hören, usw.<br />

E<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Anekdote zum ersten dieser<br />

Sätze: Ich hatte e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>en Schwiegervater,<br />

<strong>der</strong> war Weltmeister im Nichthören.<br />

Abgesehen da<strong>von</strong>, dass er sich nach jedem<br />

Mittagessen auf die Couch legte und mit<br />

e<strong>in</strong>er Nadel <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Ohren herumstocherte.<br />

Wir nahmen an, dass se<strong>in</strong> Trommelfell<br />

e<strong>in</strong> Sieb war. Wenn er mit uns o<strong>der</strong> wir<br />

ihm Probleme hatten, legte er sich auf die<br />

Couch und hörte nichts mehr. Wir konnten<br />

reden, was wir wollten, er schloss die<br />

Augen und stocherte. Er hörte dann<br />

tatsächlich nichts. Dieses Verhalten war für<br />

alle ziemlich mühsam, und Probleme<br />

wurden so auch ke<strong>in</strong>e gelöst.<br />

Ich habe dann e<strong>in</strong>e vielleicht e<strong>in</strong> bisschen<br />

geme<strong>in</strong>e, aber e<strong>in</strong>fache Methode entwickelt,<br />

um den Pascha zu entwickeln. Ich<br />

sagte jeweils gut hörbar: „Er hört uns ja<br />

doch nicht, ergo können wir uns ohne Hemmungen<br />

über das und das unterhalten.“<br />

Und dann begannen wir, auch deutlich.<br />

Dieser e<strong>in</strong>e Satz hat unseren Hausherrn<br />

jeweils blitzmässig auffahren und lebhaft<br />

am Gespräch teilnehmen lassen.<br />

Auch darum ersche<strong>in</strong>t es mir immer noch<br />

sehr erstaunlich, dass ich me<strong>in</strong>en T<strong>in</strong>nitus<br />

e<strong>in</strong>es Tages hörte! Mit Betonung auf hörte.<br />

Und ich merkte: <strong>der</strong> ist immer <strong>in</strong> Betrieb,<br />

ansche<strong>in</strong>end 24 bis 48 Stunden am Tag, ich<br />

höre ihn e<strong>in</strong>fach nicht immer. Me<strong>in</strong> T<strong>in</strong>nitus<br />

s<strong>in</strong>d „Sommergrillen beim nächtlichen<br />

Schrillen“. Ich weiss nicht, ob die Sommergrillen<br />

damit Partner anwerben o<strong>der</strong> s<strong>in</strong>gen<br />

o<strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> reden, letzteres hiesse <strong>in</strong><br />

unseren Begriffen für die kle<strong>in</strong>en Tiere eher<br />

Schreien.<br />

Me<strong>in</strong> T<strong>in</strong>nitus macht mir ke<strong>in</strong>e Schmerzen,<br />

und ich nehme ihn an als körpereigenes<br />

Geräusch wie das Rauschen des Bluts <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Muschel o<strong>der</strong> me<strong>in</strong>e Atemgeräusche.<br />

Ich erwähne den T<strong>in</strong>nitus hier, weil ich<br />

me<strong>in</strong>e, über T<strong>in</strong>nitus die angeborene o<strong>der</strong><br />

erhaltene Taubheit e<strong>in</strong> bisschen zu verstehen.<br />

Als junger Mensch dachte ich: T<strong>in</strong>nitus sei<br />

das Gegenteil <strong>von</strong> Nichthören. Also folgerte<br />

ich: Wenn me<strong>in</strong> Körper, also Muskeln,<br />

Fleisch, Knochen, Hirn usw. so e<strong>in</strong>en Dauerkrach<br />

erzeugen kann, müsste er umgekehrt<br />

auch fähig se<strong>in</strong>, ohne Gehör mit sich als<br />

Körper zu hören. Ob das wissenschaftlich<br />

stimmt o<strong>der</strong> nicht - ich b<strong>in</strong> dieser Me<strong>in</strong>ung<br />

immer noch. Ich musste jedoch an mir<br />

diese Probe aufs Exempel bisher nicht<br />

machen. Mit dem Körper hören, hat mich<br />

immer fasz<strong>in</strong>iert.


Teil III.: E<strong>in</strong>mal mehr: Die Hörmasch<strong>in</strong>e<br />

ist das Gehr<strong>in</strong><br />

Das Cochlea-Implantat und an<strong>der</strong>e Hörhilfen<br />

habe ich zu verstehen versucht. Ich<br />

b<strong>in</strong> bee<strong>in</strong>druckt, dass zum Beispiel Signale<br />

elektronisch <strong>in</strong> an<strong>der</strong>e Signale umgewandelt<br />

werden können, die dann das sogenannte<br />

Ohr und schließlich das Gehirn<br />

„versteht“. Ob das die neuste Hightechnik<br />

o<strong>der</strong> menschliche Zeichen- o<strong>der</strong> Sprachund<br />

Stimmhilfen s<strong>in</strong>d, bewun<strong>der</strong>e ich; es<br />

s<strong>in</strong>d gute Arbeiten und Entwicklungen des<br />

Menschen.<br />

Fasz<strong>in</strong>iert haben mich schon immer auch<br />

die Zusammenhänge zwischen unserem<br />

empf<strong>in</strong>dlichem Schädel<strong>in</strong>halt und se<strong>in</strong>e<br />

Auswirkung auf alles. Also auch entscheidend<br />

auf das Hören und Nichthören. Dem<br />

menschlichen Gehirn möchte ich me<strong>in</strong>en<br />

dritten Teil dieser kle<strong>in</strong>en Aufzeichnungen<br />

widmen.<br />

Vor Jahren haben e<strong>in</strong>ige KünstlerInnen <strong>von</strong><br />

<strong>der</strong> Psychiatrischen Kl<strong>in</strong>k Münsterl<strong>in</strong>gen<br />

e<strong>in</strong> nachgebautes Hirnmodell aus Gips o.ä.<br />

erhalten. Aufgabe: Bemalen, bezeichnen,<br />

verän<strong>der</strong>n, beschreiben Sie das Hirn; wir<br />

machen dann <strong>von</strong> den Arbeiten e<strong>in</strong>e Ausstellung.<br />

Für mich kam nur <strong>in</strong> Frage, dieses Gehirn zu<br />

beschriften - was denn sonst.<br />

Ende e<strong>in</strong>er bee<strong>in</strong>druckenden<br />

Jubiläumsveranstaltung<br />

Hans-Jörg Stu<strong>der</strong> bedankt sich ganz herzlich<br />

bei Beat Brechbühl für se<strong>in</strong>e <strong>in</strong>teressanten<br />

Ausführungen und Gedanken, die<br />

das Problem des Hörens und des Nichtshörens<br />

e<strong>in</strong>mal aus e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Perspektive<br />

beleuchtet haben.<br />

Bevor Hans-Jörg Stu<strong>der</strong> die Forums-Teilnehmer<strong>in</strong>nen<br />

und -Teilnehmer zum musikalischen<br />

Ausklang mit Apéro e<strong>in</strong>laden kann,<br />

bedankt er sich bei allen Referenten, bei<br />

den anwesenden GebärdesprachdolmetscherInnen,<br />

<strong>der</strong> Schriftdolmetscher<strong>in</strong> und<br />

bei Bruno Schlegel und se<strong>in</strong>em Team <strong>von</strong><br />

<strong>der</strong> Sprachheilschule St. Gallen für das<br />

gewährte Gastrecht sowie den vielen Helfer<strong>in</strong>nen<br />

und Helfern „h<strong>in</strong>ter den Kulissen“,<br />

allen voran <strong>der</strong> Sachbearbeiter<strong>in</strong> Erika<br />

Rychard <strong>von</strong> <strong>der</strong> CI-IG Schweiz.<br />

Hans-Jörg Stu<strong>der</strong> bedankt sich noch bei<br />

den Sponsoren (Advanced Bionics,<br />

Cochlear, MedEl und Phonak Communications),<br />

ohne <strong>der</strong>en f<strong>in</strong>anziellen Zustupf<br />

solche Tagungen nicht mehr möglich<br />

wären.<br />

Hans-Jörg Stu<strong>der</strong>: „Herzlich danken möchte<br />

ich an dieser Stelle nochmals den beiden<br />

Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenverbänden pro audito<br />

schweiz und sonos, die uns überhaupt<br />

ermöglichen, solche Tagungen durchführen<br />

zu können. Glücklich b<strong>in</strong> ich über den<br />

grossen Publikumsaufmarsch und dem<br />

damit zum Ausdruck gebrachten Interesse<br />

an unserer Arbeit. Wir werden dadurch<br />

angespornt, weiter zu machen und uns<br />

weiter dafür e<strong>in</strong>zusetzen, Ihnen <strong>in</strong>teressante<br />

Tagungen anbieten zu können. Ich<br />

freue mich, Sie alle am 13. November 2010<br />

wie<strong>der</strong> hier <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sprachheilschule St.<br />

Gallen zum 5. CI-Forum begrüssen zu<br />

dürfen.“<br />

Rückblick, Dank und Würdigung<br />

Barbara Wenk, Präsident<strong>in</strong> <strong>von</strong> pro audito<br />

schweiz, er<strong>in</strong>nert sich: „Es war e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e<br />

Spätertaubten-Kommission. Die Anliegen<br />

<strong>von</strong> ertaubten Menschen wurden da aufgenommen<br />

- erstmals erhielten sie e<strong>in</strong><br />

Sprachrohr durch diese Kommission. Die<br />

Ertaubtenkommission sah mit dem vermehrten<br />

Implantieren des Cochlea-Implantates,<br />

dass sich die Interessen vieler<br />

Betroffenen stark verän<strong>der</strong>ten. Es gab e<strong>in</strong>e<br />

neue Gruppe Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ter mit an<strong>der</strong>en<br />

Bedürfnissen und an<strong>der</strong>en Erwartungen.<br />

Barbara Wenk, Präsident<strong>in</strong> <strong>von</strong> pro audito schweiz.<br />

Aus diesem Wandel heraus wurde die CI-<br />

Interessensgeme<strong>in</strong>schaft vor 5 Jahren<br />

gegründet. Es ist e<strong>in</strong>e immer wichtiger werdende<br />

Geme<strong>in</strong>schaft, die sich für ihre<br />

Anliegen wehrt, die sich für ihre Rechte e<strong>in</strong>setzt.<br />

Es war e<strong>in</strong> wichtiger Schritt, die Gründung<br />

<strong>der</strong> CI-IG Schweiz - da immer mehr -<br />

vor allem K<strong>in</strong><strong>der</strong> - mit dieser wun<strong>der</strong>baren<br />

Elektronik versorgt werden. Die Zukunft<br />

unserer jungen CI-Tragenden müssen wir<br />

heute aufbauen.<br />

Ich gratuliere im Namen <strong>von</strong> pro audito<br />

schweiz ganz herzlich zum 5-jährigen<br />

Bestehen <strong>der</strong> CI-Interessengeme<strong>in</strong>schaft.<br />

Viele ertaubte und CI-implantierte Menschen<br />

haben <strong>in</strong> diesen Jahren Hilfe und Mut<br />

durch die CI-IG erhalten.<br />

E<strong>in</strong> ganz spezieller Dank gebührt dem<br />

Grün<strong>der</strong> und Präsidenten Hans Jörg Stu<strong>der</strong>.<br />

Er musste vor allem anfänglich viele Rückschläge<br />

e<strong>in</strong>stecken und Hürden bezw<strong>in</strong>gen.<br />

Du, Hans Jörg, hast aber immer wie<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>en Weg gefunden, <strong>der</strong> dich de<strong>in</strong>em<br />

Etappen-Ziel näher brachte. Du hast heute<br />

e<strong>in</strong>es dieser Etappenziele erreicht und e<strong>in</strong>e<br />

starke Basis für die vielen zukünftigen CI-<br />

Tragenden geschaffen. Dir Hans Jörg danke<br />

ich <strong>von</strong> ganzem Herzen für de<strong>in</strong> Durchhalten,<br />

de<strong>in</strong>e Hartnäckigkeit und de<strong>in</strong><br />

Schaffen.<br />

Ich wünsche <strong>der</strong> CI-IG Schweiz <strong>von</strong> ganzen<br />

Herzen weiterh<strong>in</strong> viel Erfolg auf dem oft<br />

ste<strong>in</strong>igen Weg.“<br />

[rr]<br />

11


<strong>Impressionen</strong><br />

vom 4. CI-Forum<br />

Vertreter <strong>der</strong> Firma Cochlear im Gespräch<br />

mit Prof. Dr. med. Rudolf Probst.<br />

Die CI-Forums-Besucher werden umfassend über Neuerungen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Hörgerätetechnologie und Cochlea-Implant <strong>in</strong>formiert.<br />

Zwei ausgewiesene Spezialisten, wenn es um die mediz<strong>in</strong>ische<br />

CI-Versorgung geht. Prof. Dr. med. Thomas L<strong>in</strong><strong>der</strong> vom<br />

CI-Centrum Luzern, und Prof. Dr. med. Rudolf Probst<br />

vom CI-Centrum Zürich.<br />

Fachsimpeln unter ehemaligen und aktiven Leitern <strong>von</strong> Sprachheilschulern:<br />

Fred Pauli, Ruedi Le<strong>der</strong> und Christian Trepp (v.l.n.r.).


Angeregte Stehlunch-Gespräche<br />

unter den Forums-Teilnehmenden.<br />

Gespannt und voller Erwartung warten die Forums-Teilnehmer<br />

auf den nächsten Referenten.<br />

Musikalischer Ausklang mit <strong>der</strong> Familie Koch.<br />

Samuel Koch kann dank dem Cochlea-Implant nicht nur wie<strong>der</strong> hören,<br />

son<strong>der</strong>n auch perfekt Hackbrett spielen.<br />

Ohne Energie funktionieren die<br />

technischen Hörhilfen nicht.<br />

Susanne Schmid-Giovann<strong>in</strong>i, Grün<strong>der</strong><strong>in</strong> des <strong>in</strong>ternationalen<br />

Beratungs-Zentrums für Eltern hörgeschädigter K<strong>in</strong><strong>der</strong>,<br />

im Gespräch mit Hans-Jörg Stu<strong>der</strong>.


SVEHK-Elterntagung 2009<br />

<strong>in</strong> Magliaso<br />

Rund 250 Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer<br />

kann <strong>der</strong> Präsident des SVEHK Schweiz,<br />

Tobias Schölly, am Samstag, 24. Oktober<br />

2009 am frühen Nachmittag bei strahlend<br />

blauem Himmel und spätsommerlichen<br />

Temperaturen <strong>in</strong> Magliaso im Centro Evangelico<br />

mit wun<strong>der</strong>schönen Panoramablick<br />

auf den Luganersee begrüssen. Das Thema<br />

<strong>der</strong> diesjährigen Elterntagung lautet:<br />

„Laden wir die Batterien auf - über die<br />

Grenzen h<strong>in</strong>aus“. Nach Tobias Schölly<br />

erhält <strong>der</strong> Bürgermeister <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de<br />

Magliaso, Mar<strong>in</strong>o Monti, Gelegenheit,<br />

e<strong>in</strong>e Grussbotschaft an die Anwesenden zu<br />

richten. Er nimmt auf die Geme<strong>in</strong>de Magliaso<br />

Bezug und erwähnt etwa, dass diese<br />

heute 1453 E<strong>in</strong>wohner zähle.<br />

Mar<strong>in</strong>o Monti, <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>depräsident <strong>von</strong> Magliaso, begrüsst die Tagungsteilnehmenden<br />

und ist sehr erfreut darüber, dass <strong>der</strong> Anlass <strong>der</strong> SVEHK im<br />

Tess<strong>in</strong> stattf<strong>in</strong>det.<br />

Perspektiven für das Gehör<br />

Das <strong>von</strong> Dr. Gianni Soldati gehaltene<br />

Hauptreferat an <strong>der</strong> Elterntagung 2009<br />

trägt den Titel „Die Zukunft <strong>der</strong> Stammzellen<br />

und die Perspektiven für das Gehör“.<br />

Dr. Soldati leitet die Schweizer Stammzellenbank<br />

SSCB <strong>in</strong> Lugano, die Mitte 2005<br />

ihren Betrieb aufnahm (vgl. www.stembank.ch).<br />

Stammzellen haben e<strong>in</strong> enormes<br />

Potential. Denn es s<strong>in</strong>d Zellen, die sich<br />

noch nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er spezifischen und endgültigen<br />

Funktion differenziert haben, zum<br />

Beispiel als Haut- o<strong>der</strong> Leberzellen. Bereits<br />

heute würden Herzkrankheiten, namentlich<br />

Herz<strong>in</strong>farkte, mit Stammzellen therapiert,<br />

verweist Dr. Soldati zu Beg<strong>in</strong>n se<strong>in</strong>e <strong>in</strong>teressanten<br />

Ausführungen.<br />

Im Frühsommer 2009 hat Gianni Soldati<br />

gegenüber dem Schweizerischen Beobachter<br />

erklärt, dass das Nabelschnurblut<br />

<strong>der</strong>e<strong>in</strong>st <strong>in</strong> <strong>der</strong> Behandlung <strong>von</strong> schweren<br />

Erkrankungen wie multipler Sklerose, Park<strong>in</strong>son,<br />

Krebs o<strong>der</strong> Diabetes e<strong>in</strong>e entscheidende<br />

Rolle spielen werde.<br />

Mit grosser Spannung erwarten die TeilnehmerInnen<br />

<strong>der</strong> Elterntagung deshalb die<br />

Darlegungen des berühmten Forschers zum<br />

Thema Stammzellenforschung beim Hörverlust.<br />

Dr. Gianni Soldati <strong>von</strong><br />

<strong>der</strong> Schweizer<br />

Stammzellenbank<br />

SSCB <strong>in</strong> Lugano<br />

<strong>in</strong>formiert über Forschungsergebnisse<br />

mit Stammzellen und<br />

den erhofften<br />

E<strong>in</strong>satzmöglichkeiten<br />

bei Hörverlusten.<br />

„Wenn Zellen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Cochlea degenerieren,<br />

verlieren sie ihre Fähigkeit<br />

an das Gehirn Stimuli<br />

weiterzugeben.<br />

Wenn die Haarzellen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Cochlea nicht mehr<br />

richtig funktionieren,<br />

hört man nichts mehr.<br />

Die Stammzellenforschung<br />

beim Hörverlust<br />

soll dazu dienen, dass<br />

dieser Verlust irgendwann<br />

e<strong>in</strong>mal aufgehoben<br />

werden kann“, erklärt Dr.<br />

Soldati. Er erwähnt, dass<br />

jedes tausendste neugeborene<br />

K<strong>in</strong>d unter e<strong>in</strong>em<br />

neuronalen Hörverlust<br />

leide. E<strong>in</strong> neuronaler<br />

Hörverlust könne aufgrund verschiedener<br />

Ursachen entstehen. Soldati weist diesbezüglich<br />

auf folgende Ursachen h<strong>in</strong>:<br />

• Überstimulation durch Lärm<br />

• Toxische Umstände o<strong>der</strong> Infektionen<br />

• Alterung<br />

• Genetische Umstände<br />

Dr. Soldati legt <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />

noch dar, dass Schwerhörigkeit nicht nur<br />

auf genetische Mutationen zurückzuführen<br />

sei. Er führt aus: „Wenn jemand e<strong>in</strong>e Hörbee<strong>in</strong>trächtigung<br />

hat, ist es oft schwierig<br />

die genaue Ursache hierfür festzustellen.<br />

Der Arzt muss Lösungen aufzeigen, Abhilfe<br />

zu schaffen. Dies kann geschehen durch<br />

Hörgeräte, Medikamente, Stammzellen.“<br />

Die Stammzellen<br />

„Stammzellen s<strong>in</strong>d Zellen, die <strong>in</strong> unserem<br />

Körper vorhanden und dazu da s<strong>in</strong>d, Zellen<br />

wie<strong>der</strong> regenerieren zu lassen. Durch die<br />

Stammzellenforschung ist die Theorie,<br />

dass Nervenzellen nicht mehr a priori nicht<br />

rekonstruierbar s<strong>in</strong>d, was man früher<br />

immer gelernt hat, etwas <strong>in</strong>s Wanken<br />

geraten. Es besteht diesbezüglich e<strong>in</strong>e<br />

ganz grosse mediz<strong>in</strong>ische Hoffnung. Heute<br />

gibt es therapeutische Ansätze bei Mäusen<br />

bzw. im Tierversuch, wonach e<strong>in</strong> beschädigtes<br />

Innenohr rekonstruiert werden<br />

kann. Man kann Zellen transplantieren bzw.<br />

dort wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>fügen, wo wertvolle Zellen<br />

durch e<strong>in</strong>e Schädigung verloren gegangen<br />

s<strong>in</strong>d. Neuronen s<strong>in</strong>d Nervenzellen, die


Reize übertragen. Man hat bei diesen Tierversuchen<br />

die Cochlea <strong>von</strong> Mäusen zerstört<br />

und dann aus Stammzellen gezüchtete den<br />

Neuronen sehr ähnliche Zellen <strong>in</strong>s Innenohr<br />

implantiert. Diese Zellen haben sich dann<br />

im Innenohr vermehrt und s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>s Corti-<br />

Organ vorgedrungen. Stammzellen haben<br />

e<strong>in</strong> Riesenpotential. Sie behalten die Fähigkeit,<br />

wenn sie sich teilen, jegliche Zelle<br />

werden zu können also beispielsweise<br />

Blutzellen, Muskelzellen o<strong>der</strong> eben auch<br />

Haarzellen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Cochlea.“ Als Fazit ergebe<br />

sich - so Dr. Soldati -, dass das Epithel, d.h.<br />

Deckgewebe, das die Aussenhaut des Körpers<br />

bedecke sowie die Oberflächen <strong>von</strong><br />

Hohlorganen auskleide, folglich regenerierbar<br />

sei. Denn die Zellen, die man den<br />

Mäusen <strong>in</strong>s Innenohr <strong>in</strong>jiziert habe, seien<br />

Neuronen, d.h. Nervenzellen, geworden.<br />

Stammzellen: Die Bauste<strong>in</strong>e<br />

des Lebens<br />

Soldati kommt darauf zu sprechen, dass<br />

die Menschen <strong>in</strong> den letzten 100 Jahren ihre<br />

Lebenserwartung be<strong>in</strong>ahe verdoppelt<br />

haben - <strong>von</strong> 45 Jahren auf 80 Jahre.<br />

„Embryonale Stammzellen haben e<strong>in</strong> Riesenpotential,<br />

weil man damit e<strong>in</strong>en<br />

gesamten Organismus erschaffen kann -<br />

beispielsweise das Schaf Dolly. Mit den<br />

adulten Stammzellen kann man nicht e<strong>in</strong><br />

ganzes Individuum aufbauen, son<strong>der</strong>n nur<br />

bestimmtes Gewebe. Adulte Stammzellen<br />

f<strong>in</strong>det man im Nabelschnurblut, im Knochenmark<br />

und im Fett, d.h. im adipösen<br />

Gewebe“, erwähnt <strong>der</strong> engagierte Arzt und<br />

Forscher. Er weist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />

darauf h<strong>in</strong>, dass es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz<br />

<strong>der</strong>zeit pro Jahr rund 20'000 Fettabsaugungen<br />

gebe.<br />

Dr. Soldati macht e<strong>in</strong>en kurzen Exkurs zum<br />

Thema Re<strong>in</strong>raum bzw. Clean Room. E<strong>in</strong><br />

Re<strong>in</strong>raum ist e<strong>in</strong> Raum, <strong>in</strong> dem die Konzentration<br />

luftgetragener Teilchen so ger<strong>in</strong>g<br />

wie nötig gehalten wird. Re<strong>in</strong>räume werden<br />

für spezielle Fertigungsverfahren - vor<br />

allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Halbleiterfertigung - benötigt,<br />

wo <strong>in</strong> gewöhnlicher Umgebungsluft bef<strong>in</strong>d-<br />

liche Partikel die Strukturierung <strong>in</strong>tegrierter<br />

Schaltkreise im Bereich <strong>von</strong> Bruchteilen<br />

e<strong>in</strong>es Mikrometers stören würden.<br />

Weitere Anwendungen <strong>von</strong> Re<strong>in</strong>räumen<br />

o<strong>der</strong> Re<strong>in</strong>raumtechnik f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Optik- und Lasertechnologie, <strong>der</strong> Luft- und<br />

Raumfahrttechnik, den Biowissenschaften<br />

und <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Forschung und<br />

Behandlung, <strong>der</strong> Forschung und keimfreien<br />

Produktion <strong>von</strong> Lebensmitteln und Arzneimitteln<br />

und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nanotechnologie. Dr.<br />

Soldati erklärt, dass man an <strong>der</strong> Swiss Cell<br />

Bank im September 2006 mit dem Clean<br />

Room begonnen habe. Das Verfahren sei<br />

dann allerd<strong>in</strong>gs erst Ende 2008 <strong>von</strong> Swiss<br />

Medic abgenommen worden.<br />

„Seit 2007 f<strong>in</strong>den weltweit kl<strong>in</strong>ische Studien<br />

mit adulten Stammzellen statt. Insgesamt<br />

bisher 1373 kl<strong>in</strong>ische Studien. Fast<br />

25% dieser kl<strong>in</strong>ischen Protokolle betreffen<br />

neuronale Probleme. Darunter figuriert<br />

auch <strong>der</strong> Hörverlust. Beim Hörverlust<br />

fanden <strong>in</strong>des bisher ke<strong>in</strong>e kl<strong>in</strong>ischen Studien<br />

statt im Bereich Stammzellentherapie.<br />

Die kl<strong>in</strong>ischen Studien bei Hörverlust<br />

waren immer auf Medikamente und Hörgeräte<br />

ausgerichtet.“<br />

Dr. Soldati me<strong>in</strong>t am Schluss se<strong>in</strong>er Erörterungen,<br />

dass vielleicht <strong>in</strong> <strong>zwei</strong> bis drei<br />

Jahren erste kl<strong>in</strong>ische Studien diesbezüglich<br />

beim Menschen durchgeführt werden<br />

könnten, denn die Forschung bei Mäusen<br />

werde <strong>in</strong> <strong>zwei</strong> bis drei Jahren zu kl<strong>in</strong>ischen<br />

Studien beim Menschen führen. Es werde<br />

nach se<strong>in</strong>er Ansicht deshalb nicht 20 bis 30<br />

Jahre dauern, son<strong>der</strong>n lediglich 5 Jahre bis<br />

Stammzellentherapie bei Hörschädigungen<br />

beim Menschen zum E<strong>in</strong>satz kommen<br />

würde. Auch für Menschen mit e<strong>in</strong>em CI<br />

bilde die Stammzellentherapie e<strong>in</strong>e Option.<br />

Es genüge nach se<strong>in</strong>er Erfahrung e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>malige<br />

Injektion <strong>von</strong> Stammzellen <strong>in</strong>s<br />

Innenohr. Wenn die Hörbee<strong>in</strong>trächtigung<br />

allerd<strong>in</strong>gs genetisch bed<strong>in</strong>gt sei, könnten<br />

nicht die eigenen Stammzellen verwendet<br />

werden, son<strong>der</strong>n dann würden sog. allogene<br />

Stammzellen benötigt. Bei genetischen<br />

Defekten seien nämlich auch die<br />

Stammzellen da<strong>von</strong> betroffen.<br />

Dr. Soldati erntet begeisterten Applaus für<br />

se<strong>in</strong> verständlich vorgetragenes Referat zu<br />

e<strong>in</strong>em komplexen Thema, das den <strong>von</strong><br />

e<strong>in</strong>er Hörbee<strong>in</strong>trächtigung betroffenen<br />

Menschen viel Hoffnung macht.<br />

15


Workshops<br />

Anschliessend f<strong>in</strong>den am Samstagnachmittag<br />

und Sonntagvormittag <strong>in</strong>sgesamt<br />

sechs Workshops statt. Alle TeilnehmerInnen<br />

haben Gelegenheit vier da<strong>von</strong> zu<br />

besuchen. Die sonos-Geschäftsleiter<strong>in</strong> hat<br />

die vier folgenden Workshops besucht.<br />

Erlebnisse beim Schule<strong>in</strong>stieg<br />

und im Schulalltag<br />

E<strong>in</strong>ige Eltern hörgeschädigter K<strong>in</strong><strong>der</strong> sowie<br />

auch hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te Jugendliche berichten<br />

aus ihrem eigenen Leben und den<br />

gemachten Erfahrungen. Als Qu<strong>in</strong>tessenz<br />

ergibt sich, dass <strong>der</strong> Gebrauch <strong>der</strong> FM-<br />

Anlage als Hilfsmittel im Unterricht durchzogen<br />

beurteilt wird. Die K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

Jugendlichen empf<strong>in</strong>den die FM-Anlage<br />

recht häufig als pe<strong>in</strong>lich und als stigmatisierend.<br />

Bei den LehrerInnen wird seitens<br />

<strong>der</strong> Eltern bemängelt, dass es gelegentlich<br />

an <strong>der</strong> richtigen Handhabe fehle. Der richtige<br />

Umgang mit e<strong>in</strong>er FM-Anlage sei für<br />

die Lehrer aber auch nicht ganz e<strong>in</strong>fach,<br />

gibt Christoph Siebenhaar, selbst Lehrer<br />

und Vater e<strong>in</strong>es hörgeschädigten K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu<br />

bedenken. Weiter wird <strong>der</strong> Sprachkassettengebrauch<br />

beispielsweise im Frühenglisch<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regelschule moniert. Sehr<br />

häufig f<strong>in</strong>de das Frühenglisch zu 60 und<br />

mehr Prozent via Kassettenhören statt.<br />

Dies sei extrem schwierig für hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>.<br />

In diesem Zusammenhang werden im<br />

Workshop auch noch die Untertitelungen<br />

<strong>von</strong> Sendungen des Schweizer Fernsehens<br />

zur Sprache gebracht. Wünschbar wäre es,<br />

bemerkt Christoph Siebenhaar, wenn<br />

Videokassetten bzw. DVDs <strong>von</strong> untertitelten<br />

Sendungen <strong>in</strong> dieser Form gesamtschweizerisch<br />

an e<strong>in</strong>er zentralen Stelle<br />

gesammelt, katalogisiert und so im Schuldienst<br />

für hörgeschädigte K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

Jugendliche Verwendung f<strong>in</strong>den könnten.<br />

Erfahrungen mit Schwerhörigkeit<br />

im Berufsalltag und im<br />

Wettkampf<br />

Der gehörlose Mailän<strong>der</strong> Zahnarzt Marco<br />

Fratt<strong>in</strong>i berichtet aus se<strong>in</strong>em Berufsalltag<br />

und se<strong>in</strong>en sportlichen Aktivitäten als italienischer<br />

Marathon-Champion. Er hörte<br />

alles, bis er 29 Jahre alt war. Damals wurde<br />

bei ihm e<strong>in</strong> Tumor im Kopf festgestellt, <strong>der</strong><br />

auch den Hörnerv angegriffen<br />

hatte. Der Tumor war zwar gutartig,<br />

doch er musste vollständig<br />

entfernt werden - und<br />

damit auch <strong>der</strong> Hörnerv <strong>von</strong><br />

Marco Fratt<strong>in</strong>i. Seit drei Jahren<br />

ist <strong>der</strong> sympathische und sportlich<br />

engagierte Italiener<br />

gehörlos. Er ist sehr willensstark,<br />

hat e<strong>in</strong>en drahtigen<br />

Körper und leistet e<strong>in</strong>iges <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>em Leben. In allen Problemen,<br />

mit denen er sich <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>em Leben konfrontiert<br />

sieht, erkennt er e<strong>in</strong>e positive<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung, die er<br />

angehen und meistern will,<br />

auch wenn dies streckenweise<br />

immer wie<strong>der</strong> mit persönlichen<br />

Grenzerfahrungen und Scheitern<br />

verbunden ist.<br />

Wie f<strong>in</strong>den Hörgeschädigte<br />

den Weg zu <strong>zwei</strong><br />

Kulturen? - Gebärdeno<strong>der</strong><br />

Lautsprache<br />

Der gehörlose Emanuel Nay und Nicole<br />

Gerber, Mutter e<strong>in</strong>es gehörlosen K<strong>in</strong>des,<br />

nehmen Bezug auf ihre Erfahrungen. Emanuel<br />

Nay erzählt, dass er gehörlos geboren<br />

sei. Er habe drei ältere Schwestern. Erst mit<br />

drei Jahren sei se<strong>in</strong>e Gehörlosigkeit<br />

bemerkt worden. Se<strong>in</strong>e Eltern seien da<strong>von</strong><br />

ausgegangen, dass er als Bub eben e<strong>in</strong>fach<br />

später sprechen lerne als se<strong>in</strong>e älteren<br />

Schwestern. Er habe die Schule im Landenhof<br />

besucht und später die Berufsschule<br />

für Hörgeschädigte, BSFH. Dort sei<br />

er erstmals mit <strong>der</strong> Gebärdensprache <strong>in</strong><br />

Kontakt gekommen. Er habe sich dann <strong>von</strong><br />

dieser Art Kommunikation sehr angesprochen<br />

gefühlt und habe <strong>in</strong> kurzer Zeit die<br />

Gebärdensprache gelernt. Dadurch sei es<br />

ihm gelungen, se<strong>in</strong>en bisher eher spärlichen<br />

lautsprachlichen Wortschatz massgeblich<br />

zu erweitern. Heute habe er an den<br />

Gehörlosenschule <strong>in</strong> Zürich sowie <strong>in</strong><br />

Hohenra<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Pensum als Gebärdensprachlehrer.<br />

Es f<strong>in</strong>de bil<strong>in</strong>gualer Unterricht<br />

im Team Teach<strong>in</strong>g statt.<br />

Nicole Gerber ist Mutter <strong>von</strong> Zwill<strong>in</strong>gen.<br />

Infolge e<strong>in</strong>er ganz schweren Infektionskrankheit<br />

sei e<strong>in</strong>er ihrer Söhne ertaubt.<br />

Heute höre <strong>der</strong> Bub mit Hörgeräten wie<strong>der</strong><br />

recht gut und könne sich tadellos <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Lautsprache verständigen. Nicole Gerber<br />

habe nach <strong>der</strong> Ertaubung des Sohnes die<br />

Gebärdensprache gelernt und angefangen<br />

Marco Fratt<strong>in</strong>i an e<strong>in</strong>em Marathonlauf.<br />

mit ihrem K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Gebärdensprache zu<br />

kommunizieren. Es ist ihr e<strong>in</strong> Anliegen,<br />

dass ihr Sohn selbst wählen kann, <strong>in</strong> welcher<br />

Sprache er sich lieber ausdrückt, <strong>der</strong><br />

Gebärden- o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Lautsprache.<br />

Nach diesen beiden spannenden Erfahrungsberichten<br />

tauschen verschiedene TeilnehmerInnen,<br />

ihre eigenen Erlebnisse und<br />

Erfahrungen als Eltern gehörloser K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

aus. Mamady Kaba plädiert dafür, dass<br />

man eigentlich jedem gehörlosen K<strong>in</strong>d die<br />

Möglichkeit geben sollte, beide Sprachen<br />

zu lernen. Das K<strong>in</strong>d nehme, was es<br />

brauche. Franziska Geiser gibt zu<br />

bedenken, dass als ihre Tochter kle<strong>in</strong> war,<br />

die CI-Entwicklung am Anfang gestanden<br />

habe. Damals sei es wichtig gewesen, als<br />

erste Sprache die Lautsprache zu lernen.<br />

Hätten die gehörlosen CI-implantierten<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> als erste Sprache die Gebärdensprache<br />

gelernt, wären sie wahrsche<strong>in</strong>lich<br />

nicht mehr motiviert gewesen, sich die<br />

Lautsprache, die schwieriger zu erlernen<br />

sei für Gehörlose, anzueignen. Die Mo<strong>der</strong>ator<strong>in</strong>,<br />

Kar<strong>in</strong> Hayoz, fasst als Schlusswort<br />

zusammen, dass alle das Gleiche wollen,<br />

nämlich e<strong>in</strong>e möglichst grosse Öffnung,<br />

damit gehörlose Menschen das aus dem<br />

Rucksack nehmen können, was sie selbst<br />

als angebracht und für sie s<strong>in</strong>nvoll e<strong>in</strong>stufen.<br />

Man habe noch e<strong>in</strong>en grossen Weg<br />

vor sich. Es gebe verschiedene Bewe


gungen. In <strong>der</strong> deutschen Schweiz spielten<br />

die Gebärden e<strong>in</strong>e grössere Rolle als <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Romandie, wo <strong>der</strong> ergänzten Lautsprache,<br />

ELS, viel mehr Gewicht zukomme. Emanuel<br />

Nay führt den Umstand, dass das Bedürfnis<br />

ELS anzuwenden im deutschsprachigen<br />

Raum eher ger<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>gestuft werde, vor<br />

allem darauf zurück, weil man deutsch viel<br />

besser <strong>von</strong> den Lippen ablesen könne als<br />

französisch o<strong>der</strong> englisch.<br />

Wie fühlen sich hörgeschädigte<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> seelisch und<br />

emotional <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule?<br />

Elena Vago ist Leiter<strong>in</strong> des Instituts San<br />

Eugenio, e<strong>in</strong>er Privatschule mit e<strong>in</strong>em Zentrum<br />

für hörgeschädigte K<strong>in</strong><strong>der</strong> vom K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten-<br />

bis <strong>in</strong>s Mittelstufenalter. In<br />

ihren <strong>in</strong>teressanten Ausführungen macht<br />

Elena Vago e<strong>in</strong>en Tour d’horizon über die<br />

Geschichte des Instituts, das im Jahre 1890<br />

<strong>von</strong> Ingebohler Ordensschwestern<br />

gegründet worden ist.<br />

Ziel des Zentrums für hörgeschädigte<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> bilde, dass diese K<strong>in</strong><strong>der</strong> befähigt<br />

würden, wie<strong>der</strong> die Regelschule zu besuchen.<br />

Das Institut San Eugenio arbeite mit<br />

Kulturvermittlern zusammen, die den hörgeschädigten<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n die Gehörlosenwelt<br />

näher br<strong>in</strong>gen würden. Bei diesen Kulturvermittlern<br />

handle es sich immer um Menschen,<br />

die selbst gehörlos seien. Frau Vago<br />

weist darauf h<strong>in</strong>, dass es zu wenige solcher<br />

Kulturvermittler gebe im Tess<strong>in</strong>. Bezahlt<br />

würden die Kulturvermittler <strong>von</strong> <strong>der</strong> Invalidenversicherung<br />

sowie vom Kanton. Die<br />

Kulturvermittler würden vom Centro Audiolese<br />

organisiert. Vago nimmt <strong>in</strong> ihren Ausführungen<br />

noch Bezug auf die Maslowsche<br />

Bedürfnispyramide, die für alle Menschen<br />

gelte. Essen, Tr<strong>in</strong>ken, Atmen, Zuneigung<br />

und Liebe sei die Grundstufe, die Basis <strong>von</strong><br />

allem. Fehle es hier <strong>in</strong> diesem elementaren<br />

Bereich an etwas, könne eigentlich ke<strong>in</strong>e<br />

Weiterentwicklung erfolgen. H<strong>in</strong>sichtlich<br />

<strong>der</strong> Bedürfnisse <strong>in</strong> dieser Grundstufe sei<br />

die Kommunikation ganz wichtig.<br />

Vago erläutert, Ziel sei, das Potential auf<br />

<strong>in</strong>tellektueller und emotionaler Ebene auszuschöpfen,<br />

um den <strong>in</strong>dividuell-konkreten<br />

Reifungsprozess des K<strong>in</strong>des optimal zu<br />

unterstützen.<br />

Sie weist noch darauf h<strong>in</strong>, dass es im Tess<strong>in</strong><br />

nur e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen ausgebildeten<br />

Audiopädagogen gebe. Alle an<strong>der</strong>en seien<br />

Logopäden.<br />

Schlussvortrag im Plenum<br />

„Jedes K<strong>in</strong>d hat Stärken, die<br />

es zu entdecken lohnt!“<br />

Die <strong>in</strong> Italien arbeitende Psycholog<strong>in</strong><br />

Claudia Cavad<strong>in</strong>i Magni hat mit verschiedenen<br />

hörgeschädigten K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zusammen<br />

gearbeitet. Anhand verschiedener Fallbeispiele<br />

und e<strong>in</strong>iger theoretischer H<strong>in</strong>tergrund<strong>in</strong>formation<br />

vermittelt sie e<strong>in</strong>en verständlichen<br />

und lebhaften E<strong>in</strong>druck aus<br />

ihrem Berufsalltag. Sie weist darauf h<strong>in</strong>,<br />

dass Potenzial die Umsetzung <strong>von</strong> etwas<br />

bilde, das zu Grunde liege und das zu Tage<br />

geför<strong>der</strong>t werden müsse. Das abstrakte<br />

und zeitliche Denken sei bei gehörlosen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mit mehr Schwierigkeiten verbunden<br />

als bei gut hörenden K<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

Gehörlose K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben nach <strong>der</strong> Erfahrung<br />

<strong>von</strong> Claudia Cavad<strong>in</strong>i Magni jedoch<br />

viel Potenzial im analytischen und syntheti-<br />

schen Denken. „Sie haben e<strong>in</strong> Gespür für<br />

logische Zusammenhänge. Sie haben ganz<br />

viel Neugier, sich auf Neues e<strong>in</strong>zulassen<br />

und Neues zu lernen. Gehörlose K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

Jugendliche haben sehr häufig e<strong>in</strong>en ganz<br />

grossen Lernwillen“, ist sie überzeugt. Es<br />

ist ihr zudem aufgefallen, dass gehörlose<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> häufig nicht e<strong>in</strong>en sehr umfangreichen<br />

Wortschatz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lautsprache haben.<br />

Am Beispiel <strong>von</strong> Davide, <strong>der</strong> heute 17 Jahre<br />

alt ist und e<strong>in</strong>e Gärtnerlehre absolviert,<br />

schil<strong>der</strong>t die engagierte Psycholog<strong>in</strong> mit<br />

verschiedenen Anekdoten, wie sie ihn<br />

während <strong>der</strong> vergangenen 10 Jahre<br />

begleitet und welche Erfolge er erzielt hat.<br />

Gefüllte Batterien<br />

Der Präsident <strong>der</strong> SVEHK ist hoch erfreut über die gelungene <strong>zwei</strong>tägige<br />

Elterntagung im Tess<strong>in</strong>. Se<strong>in</strong>e Batterien s<strong>in</strong>d wie<strong>der</strong> voll aufgeladen.<br />

Tobias Schölly schliesst die Tagung kurz<br />

nach Mittag. Er hält die diesjährige Tagung<br />

für die Beste, die es je gab. Er erklärt:<br />

„Me<strong>in</strong>e Batterien haben sich an diesen<br />

beiden Tagen im Tess<strong>in</strong> wie<strong>der</strong> vollständig<br />

aufladen können.“ Er dankt dem Organisationskomitee<br />

recht herzlich für den tollen<br />

E<strong>in</strong>satz und die kompetente Durchführung.<br />

Die nächste Elterntagung f<strong>in</strong>de voraussichtlich<br />

am 30. und 31. Oktober 2010 im<br />

Raum Ostschweiz statt.<br />

Nachdem schon am Samstagabend bei<br />

e<strong>in</strong>em fe<strong>in</strong>en Essen und lustiger Abendunterhaltung<br />

viele Gespräche geführt werden<br />

konnten, besteht auch am Sonntag bei<br />

e<strong>in</strong>em gemütlichen Mittagessen wie<strong>der</strong>um<br />

Zeit Kontakte zu vertiefen und zu plau<strong>der</strong>n.<br />

17


Impression <strong>von</strong><br />

<strong>der</strong> SVEHK-<br />

Elterntagung<br />

Marco Fratt<strong>in</strong>i, <strong>der</strong> gehörlose<br />

Zahnarzt aus Italien.<br />

Emanuel Nay im Gespräch mit<br />

<strong>zwei</strong> Müttern <strong>von</strong> gehörlosen Töchtern.<br />

Monica Schlachter dankt am Abend allen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuerInnen - unter ihnen auch Ruben Rod.<br />

Während <strong>der</strong> Pause geniessen die TeilnehmerInnen<br />

das spätsommerliche Wetter und vertiefen<br />

draussen die Themen <strong>der</strong> Workshops.


Elena Vago<br />

Monika Schlachter, die Geschäftsführer<strong>in</strong> <strong>von</strong> SVEHK Schweiz, hat die<br />

Tagung mit Bravour organisiert - <strong>von</strong> A bis Z.<br />

Die Eltern des ertaubten mit 2 CIs ausgestatteten 7-jährigen Dorian, Liselotte<br />

und Robert Oesch aus dem Thurgau.<br />

Die Psycholog<strong>in</strong> Claudia Cavad<strong>in</strong>i Magni<br />

Tobias und Annemarie Schölly.<br />

[lk]<br />

19


Verbotene<br />

Sprache<br />

Am 29. Oktober 2009 f<strong>in</strong>det im Kunstraum<br />

Walcheturm <strong>in</strong> Zürich die Filmpremiere<br />

‚Verbotene Sprache’ über den Gebärdensprachkünstler<br />

Rolf Lanicca statt. Rolf<br />

Lanicca hat sich <strong>in</strong> den letzten Jahren<br />

e<strong>in</strong>en Namen als Poetry-Slam-Künstler<br />

gemacht. Katr<strong>in</strong> Sutter, TV-Journalist<strong>in</strong><br />

und Filmemacher<strong>in</strong>, hat Rolf Lanicca<br />

während drei Jahren bei se<strong>in</strong>en Auftritten<br />

begleitet. Daraus entstanden ist e<strong>in</strong> emotionaler<br />

Film, <strong>der</strong> die künstlerischen und<br />

persönlichen Entwicklungsschritte <strong>von</strong><br />

Rolf Lanicca aufzeichnet.<br />

Katr<strong>in</strong> Sutter und <strong>der</strong> Film<br />

‚Verbotene Sprache’<br />

Katr<strong>in</strong> Sutter erklärt gegenüber <strong>der</strong> sonos-<br />

Redaktion: „Zwei Sachen haben mich<br />

extrem <strong>in</strong>teressiert: Zum e<strong>in</strong>en die Poesie<br />

<strong>der</strong> Gebärdensprache und zum an<strong>der</strong>en <strong>der</strong><br />

<strong>von</strong> Rolf Lanicca geführte Kampf.<br />

Zusammen mit me<strong>in</strong>em amerikanischen<br />

Partner, David Thayer, mit welchem ich<br />

schon viele geme<strong>in</strong>same Filmprojekte realisiert<br />

habe, haben wir geme<strong>in</strong>sam den<br />

Dokumentarfilm über Rolf Lanicca gedreht.<br />

Lei<strong>der</strong> wurde das Film-Projekt vom<br />

Schweizer Fernsehen f<strong>in</strong>anziell nicht unterstützt.<br />

Damit <strong>der</strong> Film dennoch fertig<br />

gestellt werden konnten, waren wir darauf<br />

angewiesen, dass viel Freiwilligenarbeit<br />

geleistet werden musste. Die Produktionskosten<br />

des Films liegen bei ca. Fr. 40'000.-ohne<br />

die enormen Leistungen aus <strong>der</strong> Freiwilligenarbeit.“<br />

Filmkritiker Alex Oberholzer<br />

zum und über den Film „Verbotene<br />

Sprache“<br />

Alex Oberholzer vor <strong>der</strong> Filmvorführung im<br />

Gespräch mit <strong>der</strong> sonos-Redaktion: „In<br />

me<strong>in</strong>em bisherigen Leben hatte ich ke<strong>in</strong>e<br />

Kontakte zu gehörlosen Menschen. In<br />

me<strong>in</strong>er Funktion als Mitglied <strong>der</strong> künstlerischen<br />

Kommission, welche das Programm<br />

für das <strong>in</strong>ternationale Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten-Kurzfilmfestival<br />

LOOK & ROLL zusammenstellt,<br />

ist es mir e<strong>in</strong> Anliegen, dass die gezeigten<br />

Filme für alle <strong>in</strong>teressierten Menschen<br />

zugänglich gemacht werden. Konkret<br />

bedeutet dies, dass die Filme hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tengerecht<br />

untertitelt s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> simultan <strong>in</strong><br />

die Gebärdensprache übersetzt werden<br />

und <strong>in</strong> den K<strong>in</strong>osälen Induktionsanlagen<br />

<strong>in</strong>stalliert s<strong>in</strong>d.<br />

Der Film ‚Verbotene Sprache’ hat mich<br />

bee<strong>in</strong>druckt, da er e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressantes E<strong>in</strong>zelschicksal<br />

zeigt und e<strong>in</strong> Thema aufgreift,<br />

welches für die Gehörlosengeme<strong>in</strong>schaft<br />

sehr wichtig ist. Durch diesen Film habe ich<br />

die grosse Bedeutung des Themas erst<br />

richtig kennengelernt. Bis jetzt verstand ich<br />

die Gebärdensprache als re<strong>in</strong>e Übersetzung<br />

<strong>der</strong> gesprochenen Worte. Die Gebärdensprache<br />

ist aber viel mehr. Sie ist phänomenal.<br />

Das Thema des Films wird sehr<br />

gut dargestellt. Grosses Kompliment an die<br />

Regie! Der Film ist sehr emotional und vor<br />

allem sehr menschlich.“<br />

Der offizielle Teil <strong>der</strong> Filmpremiere<br />

Alex Oberholzer begrüsst die anwesenden<br />

Filmpremiere-Gäste ganz herzlich. Für ihn<br />

Kurz vor <strong>der</strong> Filmvorführung: Roland Hermann, Präsident SGB-FSS, Alex Oberholzer, Filmkritiker,<br />

Katr<strong>in</strong> Sutter, Regisseur<strong>in</strong>, Rolf Lanicca, Hauptdarsteller im Film ‚Verbotene Sprache’ und<br />

David Thayer, Regisseur (v.l.n.r.).<br />

Der bekannte Filmkritiker Alex Oberholzer f<strong>in</strong>det nur lobende<br />

Worte für den Film ‚Verbotene Sprache’.<br />

sei es e<strong>in</strong>e grosse Freude die Veranstaltung<br />

heute Abend präsentieren zu dürfen. Er<br />

betont: „Es ist diese e<strong>in</strong>e ganz beson<strong>der</strong>e<br />

Veranstaltung. Sie erleben nämlich gleich<br />

nicht nur e<strong>in</strong>e Welturaufführung, nicht nur<br />

die Weltpremiere e<strong>in</strong>es neuen Films, ne<strong>in</strong><br />

sie sehen sogar die Vorpremiere <strong>der</strong> Weltpremiere.<br />

Also wahrlich etwas Exklusives.<br />

Sie haben sich das auch verdient. Sie s<strong>in</strong>d<br />

ja, was das Thema dieses Abends anbelangt,<br />

absolute Insi<strong>der</strong>. Beson<strong>der</strong>s<br />

begrüssen möchte ich auch die beiden<br />

Gebärdensprachdolmetscher<strong>in</strong>nen Kar<strong>in</strong><br />

Altwegg und Barbara Bucher. Die beiden<br />

begleiten uns durch den Filmabend.<br />

Sie sehen gleich den Film ‚Verbotene<br />

Sprache’ <strong>von</strong> Katr<strong>in</strong> Sutter und David<br />

Thayer. Und Sie alle, die sie hier s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d<br />

<strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er Form an diesem Film beteiligt.<br />

Sei es als Gönner, als Sponsor, als Mitglied<br />

des Gehörlosenbundes, als Kollektivmitglied,<br />

als Organisation o<strong>der</strong> Institution -<br />

o<strong>der</strong> als Teil <strong>der</strong> Filmcrew. Wir s<strong>in</strong>d heute<br />

also sozusagen unter uns. Erst morgen gibt<br />

es dann die öffentliche Filmvorführung.“<br />

Alex Oberholzer begrüsst zusammen mit Barbara Bucher die Gäste zu <strong>der</strong><br />

Vorpremiere <strong>der</strong> Weltpremiere des Films ‚Verbotene Sprache’.


Alex Oberholzer macht noch vor <strong>der</strong><br />

Ansprache <strong>von</strong> Roland Hermann, Präsident<br />

des Schweizerischen Gehörlosenbundes<br />

SGB-FSS, darauf aufmerksam, dass vor<br />

allem dank <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen Unterstützung<br />

des SGB-FSS <strong>der</strong> Film ‚Verbotene Sprache’<br />

erst habe realisiert werden können.<br />

Präsidiale Gedanken<br />

Roland Hermann, Präsident des SGB-FSS,<br />

nimmt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Ansprache e<strong>in</strong>leitend<br />

Bezug auf den im Jahr 1990 produzierten<br />

Film ‚Tanz <strong>der</strong> Hände’ und stellt die Frage,<br />

was sich seither verän<strong>der</strong>t habe und ob die<br />

Anliegen und For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Gehörlosen<br />

angekommen seien o<strong>der</strong>, ob allenfalls<br />

sogar Rückschritte gemacht worden seien.<br />

Roland Hermann, Präsident des SGB-FSS, geht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Ansprache<br />

auf das <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz noch fehlende bil<strong>in</strong>guale Schulsystem e<strong>in</strong>.<br />

Der Film ‚Verbotene Sprache’ sei e<strong>in</strong> Aufschrei<br />

an die Gesellschaft, an die Bildungslandschaft<br />

und an die humanitäre Gesellschaft.<br />

Roland Hermann betont <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Ansprache, dass sich <strong>der</strong> SGB-FSS unter<br />

an<strong>der</strong>em für das bil<strong>in</strong>guale Schulsystem<br />

stark gemacht habe und heute immer noch<br />

für dessen Umsetzung e<strong>in</strong>stehe und<br />

kämpfe.<br />

Rolf Lanicca hat sich für diesen Film zur Verfügung<br />

gestellt und wurde dabei <strong>von</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Ehefrau Regula tatkräftig unterstützt. Für<br />

diesen Mut gratuliert Roland Hermann Rolf<br />

Lanicca ganz herzlich.<br />

Die Filmemacher<strong>in</strong><br />

Katr<strong>in</strong> Sutter geht <strong>in</strong> ihrer Ansprache<br />

darauf e<strong>in</strong>, dass die F<strong>in</strong>anzierung des<br />

Filmes lange Zeit nicht gesichert gewesen<br />

sei. Das Schweizer Fernsehen habe e<strong>in</strong>e<br />

f<strong>in</strong>anzielle Beteiligung kategorisch abgelehnt<br />

mit <strong>der</strong> Begründung, e<strong>in</strong> früherer<br />

Film-Beitrag für die Sendung „Puls“ zum<br />

Thema Cochlea-Implant sei <strong>von</strong> SF DRS<br />

f<strong>in</strong>anziert und ausgestrahlt worden.<br />

E<strong>in</strong> wichtiger und erster Schritt im<br />

geplanten Filmprojekt habe aber dann<br />

gemacht werden können, als die f<strong>in</strong>anzielle<br />

Beteiligung <strong>der</strong> Max Bircher Stiftung<br />

und des Schweizerische Gehörlosenbundes<br />

SGB-FSS festgestanden habe. “Für<br />

dieses f<strong>in</strong>anzielle Engagement gebührt den<br />

beiden Institutionen e<strong>in</strong> grosses<br />

Dankeschön“, erwähnt Sutter<br />

abschliessend.<br />

„E<strong>in</strong>e eigentliche Parforce-Leistung<br />

im Filmprojekt legte Lilly<br />

Kahler an den Tag. Mit unendlich<br />

viel Herzblut und hoher Professionalität<br />

übernahm sie die wichtige<br />

Aufgabe die Gebärden zu übersetzen.“<br />

Katr<strong>in</strong> Sutter bedankt sich<br />

bei Lilly Kahler im Namen des<br />

ganzen Film-Teams für ihre<br />

unschätzbaren und wertvollen<br />

Dienste.<br />

„Aber <strong>der</strong> grösste Dank“, betont<br />

Katr<strong>in</strong> Sutter, “gebührt mit<br />

Bestimmtheit Rolf und Regula. Nur<br />

Dank ihnen konnte dieser Film<br />

überhaupt gedreht und fertiggestellt<br />

werden.“<br />

Film<strong>in</strong>halt - „Verbotene<br />

Sprache“<br />

Rolf ertaubt im Alter <strong>von</strong><br />

drei Jahren nach e<strong>in</strong>er<br />

Hirnhautentzündung. Als<br />

Achtjähriger erhält er als<br />

erstes K<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Schweiz<br />

e<strong>in</strong>e Innenohrprothese,<br />

e<strong>in</strong> Cochlea Implantat.<br />

Damit kann er wie<strong>der</strong><br />

Geräusche wahrnehmen.<br />

Schule, Mediz<strong>in</strong> und<br />

Eltern trimmen Kle<strong>in</strong>-<br />

Rolf, sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt <strong>der</strong><br />

Hörenden zu <strong>in</strong>tegrieren.<br />

Er muss mit dem Cochlea Implantat Hören<br />

lernen, Lippen lesen und unter Strapazen<br />

lernen, sich <strong>in</strong> Lautsprache auszudrücken.<br />

Die Muttersprache <strong>der</strong> Gehörlosen, die<br />

Gebärdensprache, darf er nicht nutzen. Aus<br />

Angst, er erziele dabei weniger Erfolge <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Sprache <strong>der</strong> hörenden Mehrheit.<br />

Während se<strong>in</strong>er ganzen K<strong>in</strong>dheit blieb ihm<br />

die Sprache als Kulturgut, Sprachspielereien,<br />

Humor o<strong>der</strong> Ironie verschlossen.<br />

Erst als junger Erwachsener lernte er die<br />

Gebärdensprache und e<strong>in</strong>e neue Welt tut<br />

sich ihm auf. Er ist geschockt, als er realisiert,<br />

was ihm alles vorenthalten wurde.<br />

Heute drückt sich Rolf virtuos auf <strong>der</strong><br />

Bühne <strong>in</strong> Gebärdensprache auf. Er provoziert<br />

an Poetry Slams mit po<strong>in</strong>tierten<br />

Texten: E<strong>in</strong>mal spricht er da<strong>von</strong>, allen<br />

Hörenden die Trommelfelle zu zertrümmern,<br />

e<strong>in</strong>mal bezeichnet er die Gehörlosen<br />

als Feigl<strong>in</strong>ge.<br />

Der Film „Verbotene Sprache“ wurde<br />

21


während e<strong>in</strong>er Zeitspanne <strong>von</strong> drei Jahren<br />

(2006 - 2009) gefilmt. Die Inhalte <strong>der</strong><br />

Poetry-Slam-Stücke und Interviews repräsentieren<br />

Rolf Laniccas Me<strong>in</strong>ung. Das übergeordnete<br />

Ziel des Films ist es, Brücken zu<br />

schlagen. Lautsprache, Schriftsprache und<br />

Gebärdensprache sollen gleichwertig se<strong>in</strong>.<br />

Podiumsgespräch<br />

Mit tosendem Applaus bedankt sich das<br />

Premierenpublikum nach <strong>der</strong> Filmvorführung<br />

bei Rolf Lanicca und <strong>der</strong> ganzen<br />

Film-Crew für das gelungene Werk. Im K<strong>in</strong>osaal<br />

s<strong>in</strong>d Betroffenheit, Verbundenheit und<br />

Emotionen allgegenwärtig. Der gewährte<br />

tiefe E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> das Leben <strong>von</strong> Rolf Lanicca<br />

bewegt das Publikum.<br />

Nach <strong>der</strong> Filmpremiere hat Alex Oberholzer<br />

Gelegenheit mit se<strong>in</strong>en Podiumsgästen,<br />

Rolf Lanicca, Katr<strong>in</strong> Sutter und Lilly Kahler<br />

über den soeben gesehenen Dokumentarfilm<br />

„Verbotene Sprache“ zu diskutieren<br />

und erste Reaktionen aus dem Publikum <strong>in</strong><br />

Erfahrung zu br<strong>in</strong>gen.<br />

E<strong>in</strong>ige Statements aus <strong>der</strong><br />

angeregt geführten Podiumsdiskussion<br />

Katr<strong>in</strong> Sutter me<strong>in</strong>t, dass sie gute und<br />

spannende Themen <strong>in</strong>teressierten. Die<br />

Lebensgeschichte <strong>von</strong> und über Rolf<br />

Lanicca sei dies <strong>zwei</strong>fellos. Während den<br />

dreijährigen Dreharbeiten und <strong>der</strong> engen<br />

Zusammenarbeit mit Rolf Lanicca sowie<br />

den an<strong>der</strong>en Beteiligten habe sie sich<br />

gewissermassen <strong>in</strong> die Gehörlosenkultur<br />

e<strong>in</strong>gelebt. Für sie sei diese Zeit absolut<br />

bereichernd gewesen. In dieser langen Zeit<br />

sei zwischen dem ganzen Filmteam und<br />

Alex Oberholzer mit se<strong>in</strong>en Podiums-Gästen,<br />

Rolf Lanicca, Katr<strong>in</strong> Sutter<br />

und Lilly Kahler.<br />

Rolf Lanicca, <strong>der</strong><br />

strahlende Hauptdarsteller<br />

im<br />

emotionalen Film<br />

„Verbotene<br />

Sprache“.<br />

Die Filmemacher<strong>in</strong><br />

Katr<strong>in</strong> Sutter betont <strong>in</strong><br />

ihrer Ansprache, dass<br />

im Film<br />

‚Verbotene Sprache’<br />

viel Herzblut <strong>von</strong> allen<br />

Beteiligten steckt.<br />

Rolf Lanicca e<strong>in</strong>e enge Nähe entstanden.<br />

Rolf habe dem Filmteam se<strong>in</strong> Vertrauen<br />

geschenkt. Katr<strong>in</strong> Sutter er<strong>in</strong>nert sich, dass<br />

so e<strong>in</strong>ige „filmischen“ Schwierigkeiten und<br />

neue und ungewohnte Probleme während<br />

den Dreharbeiten überwunden werden<br />

mussten. Der Film sei aus ihrer Sicht e<strong>in</strong><br />

„Low-Budget-Film“. Mit etwas mehr Geld<br />

hätte <strong>der</strong> Film hübscher ausgeschaut, aber<br />

die Inhalte wären die gleichen geblieben.<br />

Katr<strong>in</strong> Sutter me<strong>in</strong>t noch, dieser Dokumentarfilm<br />

sei wichtig - vielleicht auch für viele<br />

an<strong>der</strong>e Menschen.<br />

Rolf Lanicca erklärt, es habe <strong>in</strong> ihm schon<br />

spezielle Gefühle ausgelöst, sich so zu<br />

zeigen und offen über sich zu <strong>in</strong>formieren.<br />

Es habe tatsächlich sehr viel Mut<br />

gebraucht. Rolf Lanicca weist darauf h<strong>in</strong>,<br />

dass dieser Film mithelfen soll, die Gebärdensprache<br />

zu positionieren. Er selber<br />

akzeptiere es nicht, dass die Gebärdensprache<br />

diskrim<strong>in</strong>iert werde. Aus se<strong>in</strong>er<br />

Sicht sei es zentral, dass die Gebärdensprache<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule erlernt werde. Weiter<br />

me<strong>in</strong>t Rolf Lanicca, dass er bei Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong><br />

Dreharbeiten e<strong>in</strong>e radikale Haltung gehabt<br />

habe. Nach den drei Jahren denke er, dass<br />

er toleranter geworden sei und er sich<br />

wie<strong>der</strong> zurück auf die künstlerische Ebene<br />

gebracht habe. Jetzt, wo <strong>der</strong> Film fertig sei,<br />

frage er sich, was ausserhalb <strong>der</strong> Gehörlosengeme<strong>in</strong>schaft<br />

da<strong>von</strong> wahrgenommen<br />

werde. Er stelle e<strong>in</strong>fach fest, dass diese<br />

Themen und Geschichten lei<strong>der</strong> immer<br />

unter den Gehörlosen blieben.<br />

Lilly Kahler betont, dass sie mit <strong>der</strong> Übersetzung<br />

<strong>der</strong> Gebärden erst habe anfangen<br />

können, als <strong>der</strong> Film bereits fertig gedreht<br />

gewesen sei. Dabei sei ihr bewusst<br />

geworden, dass die Gebärdensprache das<br />

ganze Instrumentarium biete, um alles wie<br />

beispielsweise Musik auszudrücken und<br />

dies galt es zu übersetzen. Herausfor<strong>der</strong>nd<br />

sei für sie unter an<strong>der</strong>em gewesen, wenn<br />

bei gewissen Filme<strong>in</strong>stellungen die<br />

Blickrichtung zu den Gebärden nicht mehr<br />

optimal gewesen o<strong>der</strong> wenn noch während<br />

des Gebärdens e<strong>in</strong> Filmschnitt gemacht<br />

worden sei.<br />

Alex Oberholzer me<strong>in</strong>t, dieser Film sei e<strong>in</strong><br />

ausgezeichnetes Medium, um die Aussenstehenden<br />

zu <strong>in</strong>formieren.<br />

Das Premierepublikum ist e<strong>in</strong>hellig <strong>der</strong><br />

Me<strong>in</strong>ung, dass dem ganzen Film-Team e<strong>in</strong><br />

grosses Lob gebührt und dieser Film - wie<br />

das vor drei Jahren <strong>von</strong> Fiona Bollag publizierte<br />

Buch - e<strong>in</strong>er breiten Öffentlichkeit<br />

zugänglich gemacht werden sollte. Für die<br />

Hörenden provoziert dieser Film nicht, son<strong>der</strong>n<br />

er weckt vielmehr Neugierde auf besseres<br />

Verstehen <strong>der</strong> Gehörlosenkultur.<br />

[rr]


Höranlagen und hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tengerechte<br />

Raumausstattung<br />

Medienorientierung <strong>der</strong> IGGH<br />

und <strong>der</strong> Fachstelle H<strong>in</strong><strong>der</strong>nisfreies<br />

Bauen Kanton Bern vom<br />

5. November 2008<br />

Daniel Ziegler, Geschäftsführer <strong>der</strong> IGGH, heisst alle TeilnehmerInnen im<br />

Walkerhaus herzlich willkommen.<br />

Rund 20 Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer<br />

kann Daniel Ziegler, <strong>der</strong> Geschäftsleiter <strong>der</strong><br />

IGGH, am Vormittag des 5. November 2009<br />

im Walkerhaus <strong>in</strong> Bern zur Medienkonferenz<br />

über das För<strong>der</strong>projekt zur Integration<br />

<strong>von</strong> hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Menschen „Höranlagen<br />

und hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tengerechte<br />

Raumausstattung“ willkommen heissen.<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tengerechtes Bauen hat sich weitgehend<br />

etabliert. Zuwenig geläufig <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Öffentlichkeit s<strong>in</strong>d immer noch spezielle<br />

Höranlagen für Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te und hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tengerechte<br />

Raumausstattung. Mit<br />

e<strong>in</strong>em För<strong>der</strong>ungsprojekt wollen die IGGH<br />

und die Fachstelle H<strong>in</strong><strong>der</strong>nisfreies Bauen<br />

Kanton Bern die Verantwortlichen <strong>von</strong><br />

öffentlichen Bauten mit Publikumsverkehr<br />

auf die Anliegen <strong>der</strong> Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten aufmerksam<br />

machen. Sie bieten als Unterstützung<br />

kostenlose Fachberatung an. Auf<br />

e<strong>in</strong>er Homepage werden alle bereits hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tengerecht<br />

ausgestatteten Objekte<br />

erfasst und <strong>der</strong> Öffentlichkeit zugänglich<br />

gemacht.<br />

In öffentlichen Bauten s<strong>in</strong>d bereits viele<br />

Massnahmen getroffen worden, welche<br />

beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Menschen den Zugang und die<br />

Nutzung ermöglichen. E<strong>in</strong> lei<strong>der</strong> etwas <strong>in</strong><br />

Vergessenheit geratener Bereich stellen<br />

Massnahmen für Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te dar - <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

spezielle Höranlagen für Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te.<br />

E<strong>in</strong><br />

wesentlicher Teil<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung,<br />

rund 19%, ist <strong>von</strong><br />

e<strong>in</strong>er Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />

betroffen.<br />

Solche Höranlagen<br />

stellen e<strong>in</strong>e direkte<br />

Verb<strong>in</strong>dung zwischen<br />

dem Sprechenden<br />

mit e<strong>in</strong>em<br />

Mikrophon und<br />

e<strong>in</strong>em Hörgeräteträger<br />

her und<br />

ermöglichen e<strong>in</strong>en<br />

Empfang ohne<br />

Störlärm o<strong>der</strong><br />

Nebengeräusche.<br />

Die Kantone Bern und Deutschfreiburg verfügen<br />

über e<strong>in</strong> dichtes Netz <strong>von</strong> öffentlichen<br />

Bauten mit e<strong>in</strong>er Höranlage. Denn<br />

während <strong>der</strong> 70er bis 90er Jahre hat diesbezüglich<br />

e<strong>in</strong> eigentlicher Bauboom stattgefunden.<br />

Auf e<strong>in</strong>er Homepage www.hoeranlagenverzeichnis.ch<br />

s<strong>in</strong>d bereits 373<br />

Objekte erfasst. Diese Informationen s<strong>in</strong>d<br />

für die NutzerInnen, d.h. die Hörgeräteträger,<br />

sehr hilfreich. Lei<strong>der</strong> fehlen <strong>in</strong> den<br />

meisten Fällen Informationen über die Qualität<br />

und den Zustand <strong>der</strong> Anlagen. Aus<br />

Reaktionen <strong>von</strong> Betroffenen ist jedoch<br />

bekannt, dass viele Höranlagen revisionsbedürftig<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Die IGGH und die Fachstelle H<strong>in</strong><strong>der</strong>nisfreies<br />

Bauen Kanton Bern möchten nun<br />

geme<strong>in</strong>sam diese Höranlagen, aber auch<br />

die hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tengerechte Raumausstattung<br />

för<strong>der</strong>n und bieten Geme<strong>in</strong>den, Kirchgeme<strong>in</strong>den<br />

und an<strong>der</strong>en Eignern <strong>von</strong><br />

öffentlichen Bauten mit Publikumsverkehr<br />

kostenlose Fachberatung und Messung an.<br />

Sie möchten so die Übertragungsqualität<br />

<strong>von</strong> Höranlagen erfassen und för<strong>der</strong>n. E<strong>in</strong><br />

entsprechendes Schreiben mit Erfassungs-<br />

bogen und e<strong>in</strong>em Merkblatt ist bereits verteilt<br />

worden. Die IGGH und die Fachstelle<br />

H<strong>in</strong><strong>der</strong>nisfreies Bauen Kanton Bern hoffen<br />

dabei auf e<strong>in</strong>e breite Unterstützung.<br />

Zwei spannende Erfahrungsberichte<br />

<strong>von</strong> schwerhörigen<br />

Menschen<br />

Die Medienkonferenz vom 5. November<br />

2009 beg<strong>in</strong>nt mit dem Erfahrungsbericht<br />

<strong>der</strong> 24-jährigen Laura Marti. Sie ist seit<br />

ihrer Geburt hochgradig schwerhörig und<br />

studiert <strong>der</strong>zeit im 9. Semester Rechtswissenschaften<br />

an <strong>der</strong> Universität Bern. Sie<br />

nimmt darauf Bezug, dass sie <strong>in</strong> grossen<br />

Hörsälen die R<strong>in</strong>gleitung und <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eren<br />

Hörsälen die FM-Anlage verwende, damit<br />

sie verstehe, was <strong>in</strong> den Vorlesungen<br />

behandelt werde. Sie schil<strong>der</strong>t, dass die<br />

R<strong>in</strong>gleitung den Vorteil habe, die Stimme<br />

des Dozierenden ohne Nebengeräusche<br />

direkt auf ihr Hörgerät zu übertragen. Dies<br />

bedeute für sie e<strong>in</strong>e riesige Erleichterung.<br />

So sei sie weniger auf Lippensabsehen<br />

angewiesen. Denn dies sei enorm ermüdend.<br />

Man könne auch nicht gleichzeitig<br />

Lippenabsehen und Vorlesungsnotizen<br />

machen. Laura Marti erwähnt noch, dass<br />

als zusätzliches Erschwernis im Hörsaal die<br />

erhebliche Lärmkulisse und <strong>der</strong> Nachhall<br />

im H<strong>in</strong>tergrund anfallen würden.<br />

Anschliessend berichtet <strong>der</strong> heute 77jährige<br />

Professor Dr. med. Blumberg, wie<br />

sich bei ihm seit dem 50. Lebensjahr<br />

zunehmend e<strong>in</strong>e Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung manifestiert<br />

habe. Er schil<strong>der</strong>t, dass er seit <strong>zwei</strong>e<strong>in</strong>halb<br />

Jahren e<strong>in</strong> CI trage. Er weist darauf<br />

h<strong>in</strong>, dass man auch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Alter nicht<br />

ausgeschlossen se<strong>in</strong> möchte vom Besuch<br />

<strong>von</strong> Veranstaltungen. Er persönlich schätzt<br />

es sehr an Anlässen <strong>der</strong> Seniorenuniversität<br />

teilzunehmen. Er nimmt darauf Bezug,<br />

dass er sehr froh sei, dass die Aula und <strong>der</strong><br />

Hörsaal 110 an <strong>der</strong> Universität Bern mit<br />

R<strong>in</strong>gleitungen versehen seien. Er weist<br />

darauf h<strong>in</strong>, dass lei<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Teil <strong>der</strong> Vorträge<br />

<strong>der</strong> Seniorenuniversität im Institut für<br />

exakte Wissenschaften stattf<strong>in</strong>de und es<br />

dort ke<strong>in</strong>e R<strong>in</strong>gleitung gebe. Er habe sich<br />

bemüht, dass hier Abhilfe geschaffen<br />

werden könnte - lei<strong>der</strong> bis anh<strong>in</strong> erfolglos.<br />

Blumberg bemängelt, dass auch im Insel-<br />

23


Laura Marti, hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te Jus-Student<strong>in</strong> bei ihren e<strong>in</strong>drücklichen Schil<strong>der</strong>ungen. Prof. Dr. med. Alfred Blumberg, ist hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>t und besucht sehr viele<br />

Veranstaltungen <strong>der</strong> Seniorenuniversität.<br />

spital Bern ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger Raum mit e<strong>in</strong>er<br />

<strong>in</strong>duktiven Höranlage ausgestattet sei. Er<br />

habe deshalb enorm Mühe, Vorträgen dort<br />

folgen zu können. Auch die Universitätsspitäler<br />

Zürich und Basel verfügten über<br />

ke<strong>in</strong>e Räume mit R<strong>in</strong>gleitungen, schliesst<br />

er se<strong>in</strong>en Erfahrungsbericht.<br />

Höranlagen und hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tengerechte<br />

Raumausstattung<br />

Danach erhalten Claudio Nicita und Benjam<strong>in</strong><br />

Heldner Gelegenheit Höranlagen und<br />

hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tengerechte Raumausstattung<br />

vorzustellen. Sie machen geltend, dass<br />

sich das beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tengerechte Bauen zwar<br />

mittlerweile weitgehend etabliert habe und<br />

die meisten öffentlichen Gebäude rollstuhlgängig<br />

seien. Den Bedürfnissen <strong>der</strong> Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten<br />

würde <strong>in</strong>des zuwenig Beachtung<br />

geschenkt, da <strong>der</strong>en Anliegen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

zu wenig bekannt seien. Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te<br />

Menschen hätten deshalb oft Mühe,<br />

das Gesprochene an e<strong>in</strong>em Anlass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

grossen öffentlichen Gebäude - wie zum<br />

Beispiel e<strong>in</strong>e Hochzeit - zu verstehen. Der<br />

Der hörgeschädigte Claudio Nicita, Ingenieur Masch<strong>in</strong>en- und Betriebstechnik FH,<br />

macht Ausführungen zur hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tengerechten Raumausstattung.<br />

Raum sei hallend und durch die vielen<br />

anwesenden Zuhörer sei <strong>der</strong> Geräuschpegel<br />

hoch, was e<strong>in</strong> Verstehen für Menschen<br />

mit Hörproblemen praktisch verunmögliche.<br />

Zudem sei die Beleuchtung oft<br />

schlecht und die Sicht zum Redner nicht<br />

immer gewährleistet, was e<strong>in</strong> Lippenlesen<br />

deshalb ausschliesse.<br />

Damit hörgeschädigte Menschen an e<strong>in</strong>em<br />

Anlass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em öffentlichen Gebäude alles<br />

korrekt mitbekommen würden, müsse bei<br />

<strong>der</strong> Raumausstattung auf bestimmte<br />

Punkte geachtet werden. Aufgrund ihrer<br />

e<strong>in</strong>geschränkten Wahrnehmung über das<br />

Gehör, hätten Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te das<br />

Bedürfnis, möglichst viele Informationen<br />

(auch) visuell zu erhalten. Um e<strong>in</strong><br />

Lippenablesen zu ermöglichen, sollte die<br />

Raumstruktur übersichtlich se<strong>in</strong> und über<br />

e<strong>in</strong>e gute Beleuchtung verfügen. Auch<br />

Visualisierung <strong>von</strong> Information über Flip<br />

Chart, Beamter etc. seien sehr geschätzt.<br />

Damit hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te Personen aber auch<br />

akustisch die Information gut mitbekommen<br />

würden, sei es wichtig, dass die<br />

Raumakustik optimal und bei grösseren<br />

Räumen e<strong>in</strong>e Beschallungsanlage vor-<br />

handen sei.<br />

Zu den Höranlagen führen sie aus, <strong>der</strong>en<br />

Ziel sei es, das Audiosignal kabellos an das<br />

Hörgerät <strong>der</strong> Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten zu übertragen,<br />

was die Sprachverständlichkeit<br />

enorm steigere. Die am meisten verwendete<br />

Technik bestehe <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Induktionsanlage,<br />

welche das Signal über magnetische<br />

Fel<strong>der</strong> an das Hörgerät übermittle. Es<br />

seien aber auch Infrarotanlagen, d.h. e<strong>in</strong>e<br />

Lichtübertragung, und FM-Systeme, d.h.<br />

e<strong>in</strong>e Radioübertragung, anzutreffen.<br />

Sehr <strong>in</strong>teressant s<strong>in</strong>d die Darlegungen zum<br />

Höranlagenverzeichnis, das auf <strong>der</strong> Website<br />

www.hoeranlagenverzeichnis.ch aufgeschaltet<br />

ist. Alle Daten über die zwischenzeitlich<br />

bereits 373 erfassten Höranlagen<br />

würden über Google Maps zur Verfügung<br />

gestellt. Über die Raumgrösse seien<br />

bisher ke<strong>in</strong>e Angaben enthalten. Diesem<br />

Aspekt würde so bald wie möglich Rechnung<br />

getragen, bestätigen die beiden<br />

jungen sehr engagierten Männer am<br />

Schluss ihrer Vorträge.<br />

Der hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te Benjam<strong>in</strong> Heldner, Dipl. Ing. Mikrotechnik FH stellt das<br />

System <strong>der</strong> Höranlagen vor.


Andreas Baumann, Leiter Fachstelle H<strong>in</strong><strong>der</strong>nisfreies Bauen Kanton Bern. Max Meyer, Fachbereich Bauen für Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te/Höranlageberatung.<br />

Hörgerechtes Bauen<br />

Am Schluss <strong>der</strong> Medienkonferenz machen<br />

Andreas Baumann, Leiter <strong>der</strong> Fachstelle<br />

H<strong>in</strong><strong>der</strong>nisfreies Bauen Kanton Bern, und<br />

Max Meier, <strong>der</strong> dort für den Fachbereich<br />

Bauen für Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te und Höranlagenberatung<br />

zuständig ist, Ausführungen zum<br />

hörgeschädigtengerechten Bauen. Sie<br />

legen dar, dass <strong>von</strong> <strong>der</strong> Schweizer Bevölkerung<br />

<strong>in</strong>sgesamt 1,4 Millionen Menschen e<strong>in</strong><br />

Hörproblem und damit e<strong>in</strong> Handicap<br />

haben, das zu sozialer Isolation führen<br />

könne. 150'000 Personen bräuchten hierzulande<br />

e<strong>in</strong> Hörgerät, 8'000 seien<br />

gehörlos. Der Schwerhörige nehme fast nur<br />

die Vokale akustisch war. Dies führe dazu,<br />

dass <strong>der</strong> Text für ihn nicht verständlich sei.<br />

Denn die Information e<strong>in</strong>es Textes stecke <strong>in</strong><br />

den Konsonanten. Freier Zugang heisse bei<br />

Menschen mit Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung deshalb:<br />

• Zugang zu Informationen im 2-S<strong>in</strong>ne-<br />

Pr<strong>in</strong>zip (d.h. akustisch und visuell)<br />

• Zugang zu Kommunikation (akustisch<br />

und visuell)<br />

Gute Sprachverständlichkeit<br />

Als Ziele gilt es bei Bauvorhaben, auf e<strong>in</strong>e<br />

gute Sprachverständlichkeit und e<strong>in</strong>e gute<br />

visuelle Wahrnehmung ausgerichtet zu<br />

se<strong>in</strong>.<br />

Die gesetzlichen Grundlagen werden<br />

schliesslich noch erwähnt (Art. 8 Abs. 2 und<br />

4 <strong>der</strong> Bundesverfassung sowie Art. 2 Abs. 2<br />

des Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tengleichstellungsgesetzes,<br />

Art. 23 Berner Baugesetz). Als Fazit ergibt<br />

sich aus diesen Rechtsgrundlagen, dass<br />

Menschen mit Handicap nicht diskrim<strong>in</strong>iert<br />

werden dürfen.<br />

Speziell erwähnt wird dann noch die<br />

Umsetzung <strong>der</strong> SIA Norm 500:2009. Bei <strong>der</strong><br />

räumlichen Orientierung gilt es, übersichtliche<br />

gut lesbare Raumstrukturen sowie<br />

Vortragssäle mit gutem Blickkontakt zum<br />

Referenten zur Verfügung zu stellen. Dies<br />

ist wichtig h<strong>in</strong>sichtlich Mimik, Gestik, Lippenablesen.<br />

Im Zusammenhang mit <strong>der</strong><br />

Beleuchtung ist e<strong>in</strong>e gute Raumbeleuchtung<br />

mit natürlichem und künstlichem Licht<br />

sicherzustellen. Es ist auf e<strong>in</strong>e optimale<br />

Beleuchtungsstärke, Lichtverteilung und<br />

Blendungsbegrenzung gemäss Normen zu<br />

achten. Die Sprachverständlichkeit ist<br />

durch die Raumakustik zu optimieren <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

dadurch dass<br />

• störende bauliche und betriebliche<br />

Nebengeräusche zu m<strong>in</strong>imieren s<strong>in</strong>d<br />

• Kurze Nachhallzeiten laut Norm (<strong>der</strong><br />

Raum darf nicht hallen, je kürzer die<br />

Nachhallzeit, desto besser ist die<br />

Sprachverständlichkeit)<br />

Im Zusammenhang mit Beschallungs- bzw.<br />

Lautsprecheranlagen muss ab e<strong>in</strong>em<br />

Raumvolumen <strong>von</strong> ca. 250 Kubikmeter<br />

(>80 Kubikmeter) e<strong>in</strong>e Beschallungsanlage<br />

<strong>in</strong>stalliert werden.<br />

Die Bedienungselemente und Beschriftungen<br />

müssen akustisch mit Gegensprechanlagen<br />

ausgerüstet se<strong>in</strong>, das 2-<br />

S<strong>in</strong>ne-Pr<strong>in</strong>zip ist auszuführen, akustische<br />

Informationen s<strong>in</strong>d zu visualisieren (Flipchart,<br />

Beamer, Hellraumprojektor), die<br />

Schriften müssen gut lesbar mit Kontrast<br />

zum H<strong>in</strong>tergrund, blendfrei angebracht<br />

werden. Bei den spezifischen E<strong>in</strong>richtungen<br />

gilt es zu beachten, dass Schalter<br />

mit Glastrennung Höranlagen verlangen<br />

bzw. e<strong>in</strong>e Verständigung mit und ohne Hörgerät<br />

gewährleistet se<strong>in</strong> muss, Telefonsprechstellen<br />

s<strong>in</strong>d mit <strong>in</strong>duktivem Empfang<br />

auszurüsten.<br />

Wichtig ist bei Neu- und Umbauten rechtzeitig<br />

mit e<strong>in</strong>em Höranlagefachplaner Kontakt<br />

aufzunehmen und diese Aspekte <strong>in</strong> die<br />

Gesamtplanung e<strong>in</strong>zubeziehen. Es ist s<strong>in</strong>nvoll,<br />

wenn Bauherr und Architekt den Höranlagenfachplaner<br />

bereits schon <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vorprojektphase<br />

beiziehen. Bei e<strong>in</strong>em frühzeitigen<br />

E<strong>in</strong>bezug des Fachplaners belaufen<br />

sich die Mehrkosten auf weniger als 1% <strong>der</strong><br />

Bausumme. Der E<strong>in</strong>bau e<strong>in</strong>er Höranlage<br />

erfor<strong>der</strong>t spezielle Fachkenntnisse.<br />

Ganz zum Schluss wird noch herausgestrichen,<br />

dass e<strong>in</strong>e gute Sprachverständlichkeit<br />

<strong>in</strong> Räumen das Gel<strong>in</strong>gen <strong>der</strong> sozialen<br />

Integration <strong>von</strong> hörgeschädigten Menschen<br />

gewährleiste.<br />

Schon ist die sehr <strong>in</strong>teressante Medienorientierung<br />

vorbei. E<strong>in</strong> paar Gehörlose<br />

bleiben noch gemütlich im Walkerhaus<br />

sitzen, tr<strong>in</strong>ken Kaffee und plau<strong>der</strong>n,<br />

während Daniel Ziegler und die Referent<strong>in</strong>nen<br />

und Referenten bereits e<strong>in</strong>en nächsten<br />

Term<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Universität Bern wahrnehmen<br />

müssen, wo Tele Bärn auf sie<br />

wartet und e<strong>in</strong>e Reportage drehen will.<br />

[lk]<br />

25


Beim Gebärden<br />

ertappt - was<br />

geschah damals?<br />

Gehörlose erzählen über ihre<br />

Vergangenheit an Gehörlosenschulen.<br />

Die Gebärdensprache zu benützen, war <strong>in</strong><br />

den Schulen verboten. Was passierte,<br />

wenn sie dabei ertappt wurden? Jutta<br />

Gstre<strong>in</strong> hat vor Jahren darüber recherchiert<br />

und e<strong>in</strong>e Diplomarbeit geschrieben<br />

„Weisst Du noch, wie es früher war ……..<br />

mit den Strafen?“<br />

Im Clubraum <strong>der</strong> Roten Fabrik <strong>in</strong> Zürich-<br />

Wollishofen treffen sich am Mittwoch, 4.<br />

November 2009, auf E<strong>in</strong>ladung des „kofo<br />

zürich“, des Gehörlosen- und Sportvere<strong>in</strong>s<br />

Zürich und <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit<br />

„sichtbar GEHÖRLOSE ZÜRICH“ zahlreiche<br />

<strong>in</strong>teressierte Zuhörende und Zuschauende,<br />

um mehr <strong>von</strong> Jutta Gstre<strong>in</strong> zu erfahren, was<br />

für Erlebnisse gehörlose Schüler<strong>in</strong>nen und<br />

Schüler zur Sozialisation <strong>in</strong> Gehörlosen-<br />

Internaten gemacht haben.<br />

Gian Reto Janki eröffnet die kofo-Veranstaltung<br />

und heisst die zahlreich erschienenen<br />

TeilnehmerInnen sowie die beiden Gebärdensprachdolmetscher<strong>in</strong>nen,<br />

Barbara<br />

Bucher und Luzia Manser, ganz herzlich<br />

willkommen.<br />

Gian Reto Janki er<strong>in</strong>nert <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Begrüssung<br />

daran, dass im Jahr 1999, also vor 10<br />

Jahren, das erste „kofo zürich“ durchgeführt<br />

worden und die heutige Veranstaltung<br />

e<strong>in</strong>e eigentliche Jubiläumsveranstaltung<br />

sei. Viele Helfer<strong>in</strong>nen und Helfer<br />

haben sich <strong>in</strong> den vergangen 10 Jahren für<br />

die Organisation und Durchführung <strong>der</strong><br />

zahlreichen kofo-Veranstaltungen engagiert<br />

und mit hoher Motivation e<strong>in</strong>gebracht.<br />

Zwei dieser Helfer<strong>in</strong>nnen, nämlich<br />

Nejla Helbl<strong>in</strong>g und Sab<strong>in</strong>e Re<strong>in</strong>hards,<br />

haben nun ihren baldigen Rücktritt<br />

angekündigt. Gian Reto Janki ruft dazu auf,<br />

dass sich Interessierte, die im kofo-Team<br />

mitarbeiten wollen, melden sollen.<br />

Gian Reto Janki macht e<strong>in</strong>leitend noch auf<br />

am 20. Januar 2010 im Gehörlosenzentrum<br />

Zürich stattf<strong>in</strong>dende 8. Gehörlosen-Konfe-<br />

renz des Kantons Zürich sowie<br />

auf das nächste „kofo zürich“<br />

vom 3. Februar 2010 zum Thema<br />

„Forschungsprojekt DORE“ aufmerksam.<br />

Gian Reto Janki begrüsst die<br />

heutige Referent<strong>in</strong> Jutta Gstre<strong>in</strong><br />

und Toni Koller, <strong>der</strong> über se<strong>in</strong>e<br />

persönlich gemachten Erfahrungen<br />

und Erlebnisse während<br />

se<strong>in</strong>er Schulzeit berichten wird,<br />

und me<strong>in</strong>t: „Vor 20 Jahren hielt<br />

die Welt den Atem an beim Fall<br />

<strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Mauer. Im Laufe <strong>der</strong><br />

Zeit hat sich vieles ge- und verän<strong>der</strong>t.<br />

Jutta Gstre<strong>in</strong> wird <strong>in</strong><br />

ihrem Referat <strong>in</strong> die Vergangenheit<br />

e<strong>in</strong>tauchen und darüber<br />

<strong>in</strong>formieren, was an den Gehörlosen-Internaten<br />

verboten war und wie<br />

fehlbare Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler bestraft<br />

wurden.“<br />

Wie war es damals mit den<br />

Strafen an den Schulen?<br />

Jutta Gstre<strong>in</strong> beschreibt zu Beg<strong>in</strong>n ihres<br />

Referats, wieso sie sich bei ihrer Diplomarbeit<br />

für das Thema „Die Strafe im Heim“<br />

entschieden habe. Die Auswahl<br />

des Themas sei ihr<br />

nicht leicht gefallen, da sie<br />

sich für viele Aufgabenstellungen<br />

und Inhalte <strong>in</strong>teressiert<br />

habe. Themen wie beispielsweise;<br />

Feste, Sauberkeitserziehung,<br />

Schule,<br />

soziales Zusammenleben,<br />

Freizeit etc. hätte sie auch<br />

gerne bearbeitet. Es war ihr<br />

aber e<strong>in</strong> zentrales Anliegen -<br />

bed<strong>in</strong>gt durch persönliche<br />

Erfahrungen - e<strong>in</strong>e Arbeit<br />

über das <strong>von</strong> ihr schlussendlich<br />

gewählte Thema zu<br />

schreiben.<br />

Jutta Gstre<strong>in</strong>: „Ich wollte <strong>in</strong><br />

Erfahrung br<strong>in</strong>gen, wie es<br />

früher mit den Strafen war<br />

und wie die Gehörlosen das<br />

Souverän mo<strong>der</strong>iert Gian Reto Janki die gut besuchte kofo-Veranstaltung.<br />

erlebt haben.“ Um e<strong>in</strong> möglichst vielschichtiges<br />

Bild über dieses Thema zu erhalten,<br />

<strong>in</strong>terviewte Jutta Gstre<strong>in</strong> verschiedene<br />

Gehörlose aller Altersstufen.<br />

Jutta Gstre<strong>in</strong> weist darauf h<strong>in</strong>, dass bis jetzt<br />

die Geschichte <strong>der</strong> Gehörlosen – und sie<br />

me<strong>in</strong>t damit, was Gehörlose selber über ihr<br />

Leben erzählen – <strong>der</strong> hörenden Fachwelt<br />

kaum bekannt ist. Da diese Berichte unter<br />

Jutta Gstre<strong>in</strong> br<strong>in</strong>gt das Thema „Strafe“ <strong>in</strong> Gehörlosenheimen den kofo-Besucher<strong>in</strong>nen<br />

und -Besucher näher.


Gehörlosen bis jetzt meist nur mündlich<br />

überliefert wurden, war es ihr e<strong>in</strong> Anliegen,<br />

diese Erzählungen schriftlich festzuhalten<br />

und anhand <strong>von</strong> Videos aufzuzeichnen.<br />

Weiter nimmt Jutta Gstre<strong>in</strong> darauf Bezug,<br />

dass Gehörlose immer <strong>in</strong> <strong>zwei</strong> Welten leben<br />

- <strong>in</strong> <strong>der</strong> hörenden Welt und <strong>in</strong> <strong>der</strong> gehörlosen<br />

Welt. Dies bedeute für sie e<strong>in</strong>e dauernde<br />

Überfor<strong>der</strong>ung und führe vielfach zu<br />

verschiedensten psychischen Belastungen.<br />

Schon <strong>von</strong> Anfang an fehle den Gehörlosen<br />

die natürliche Kommunikationsmöglichkeit<br />

mit Hörenden. Im Geist <strong>der</strong> Gehörlosen entstehe<br />

e<strong>in</strong> Bild, das viele Löcher habe. Es sei<br />

für sie schwierig, den Zusammenhang <strong>von</strong><br />

Ereignissen, zu verstehen. Dies mache<br />

Gehörlose abhängig <strong>von</strong> Hörenden, weil sie<br />

immer wie<strong>der</strong> nachfragen und sich auch oft<br />

ohne die notwendigen Erklärungen<br />

anpassen müssten. Dies verh<strong>in</strong><strong>der</strong>e die<br />

Identitätsbildung.<br />

Unsicherheiten, Angst und Abhängigkeiten<br />

führten zu:<br />

• mangelndem Selbstwertgefühl<br />

• mangelndem Selbstvertrauen<br />

• E<strong>in</strong>geschüchtert se<strong>in</strong><br />

• Aggressionen und asozialem Verhalten<br />

Jutta Gstre<strong>in</strong>: „Im Zusammenhang mit<br />

diesen psychischen Belastungen ersche<strong>in</strong>t<br />

mir ‘Strafe’ als e<strong>in</strong> ganz zentrales Thema.<br />

Strafen sollten für das K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Hilfe zur<br />

Korrektur se<strong>in</strong>, wenn es etwas falsch<br />

gemacht hat. Das K<strong>in</strong>d muss verstehen,<br />

weshalb es bestraft wird, was es falsch<br />

gemacht hat, und wenn möglich sollte es<br />

den Schaden wie<strong>der</strong> gut machen können.<br />

Das wäre e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle Strafe.“<br />

Nach Darlegungen <strong>von</strong> Jutta Gstre<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d<br />

Strafen immer auch abhängig vom Ort des<br />

Geschehens und verbunden - vor allem an<br />

den Gehörlosenschulen - mit dem Tagesablauf<br />

und den wichtigsten Tätigkeiten <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Heim.<br />

Strafen kamen vor:<br />

• während <strong>der</strong> Freizeit<br />

• beim Essen und Tr<strong>in</strong>ken<br />

• Gebärden<br />

• Schlafen<br />

• während des Schulbetriebes<br />

• <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kirche<br />

• bei <strong>der</strong> Sauberkeitserziehung<br />

• sexuelle Spielereien<br />

Jutta Gstre<strong>in</strong> beleuchtet ‘Strafe’ anhand<br />

verschiedener dokumentierter Beispiele<br />

aus ihrer Diplomarbeit:<br />

Beispiel - aus dem Bereich Schule<br />

Ich hatte oft Schwierigkeiten mit dem Sprechen,<br />

da me<strong>in</strong>e Stimme zu hoch war. Oft<br />

verlangte <strong>der</strong> Lehrer, dass ich während<br />

dem Sprechen me<strong>in</strong>en Körper mit den<br />

Füssen auf- und abwippen sollte. Wenn ich<br />

es vergass, schlug mich <strong>der</strong> Lehrer. Ich<br />

musste dauernd diese Auf-und-Ab-Bewegungen<br />

machen, und es war sehr unangenehm<br />

für mich. Ich hatte auch Mühe, das<br />

„ch“ zu sprechen, und ich musste mich auf<br />

den Boden legen und Wasser im Mund<br />

halten, um so das Aussprechen zu üben.<br />

Manchmal konnte ich das Wasser nicht im<br />

Mund halten und schluckte es h<strong>in</strong>unter.<br />

Wenn <strong>der</strong> Lehrer gut gelaunt war, fragte er<br />

mich, ob ich Durst hätte. Wenn er schlecht<br />

gelaunt war, schimpfte und brülle er.<br />

E<strong>in</strong>mal so, und e<strong>in</strong>mal so. Es war schwierig<br />

für mich. Durch die Schläge fiel ich meistens<br />

auf den Boden. Oft musste ich lange<br />

die Aussprache <strong>von</strong> „s, sch, ch und i“ üben.<br />

Am Anfang gelang es mir jeweils ziemlich<br />

gut, doch mit <strong>der</strong> Zeit verschlechterte sich<br />

die Aussprache ob <strong>der</strong> Anstrengungen.<br />

Dies verärgerte den Lehrer stets so sehr,<br />

dass er mir gleich Ohrfeigen gab und mich<br />

zwang weiter zu üben.<br />

Beispiel - aus dem Bereich „Ämtli“<br />

erledigen<br />

Nach <strong>der</strong> Schule mussten wir unsere<br />

„Ämtli“ erledigen. Vor Beg<strong>in</strong>n hatte ich mit<br />

me<strong>in</strong>er Kolleg<strong>in</strong> abgemacht, wer zuerst das<br />

„Ämtli“ fertig hat, hilft <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en. Als ich<br />

mit dem „Ämtli“ fertig war, musste ich es<br />

zuerst <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong> melden, und sie kontrollierte<br />

me<strong>in</strong>e Arbeit. Alles war gut. Ich<br />

war glücklich, me<strong>in</strong>er Kolleg<strong>in</strong> zu helfen,<br />

und ich trat <strong>in</strong>s Schulzimmer für Sprachgestörte<br />

und Schwerhörige, wo sie noch<br />

putzte. Da bewun<strong>der</strong>te ich die aufgehängten<br />

Blätter und Bil<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Wandtafel<br />

und las die Texte an <strong>der</strong> Tafel.<br />

Während ich las, kam die Erzieher<strong>in</strong> mit<br />

festen schweren Schritten zu mir. Sie zog<br />

mich an me<strong>in</strong>en Haaren so fest, dass ich an<br />

die Tafel knallte. Sie schlug mich weiter<br />

und verlangte <strong>von</strong> mir zu helfen, was ich ja<br />

auch getan hatte. Ich begriff nicht, warum<br />

sie mich schlug. Nachher war ich sehr<br />

erschöpft <strong>von</strong> den Schlägen. Ich lief <strong>der</strong><br />

Erzieher<strong>in</strong> unter starkem We<strong>in</strong>en und<br />

starken Schmerzen <strong>von</strong> den Schlägen nach<br />

bis <strong>in</strong> den Estrich. Dort musste ich Wäsche<br />

aufhängen. Dabei dachte ich fest an Mama.<br />

Dies war das erste Mal, dass ich so lange<br />

und stak we<strong>in</strong>te. Den grossen seelischen<br />

Schmerz konnte ich nie vergessen. Als die<br />

Erzieher<strong>in</strong> mir endlich frei gab, konnte ich<br />

nicht aufhören zu we<strong>in</strong>en und hatte das<br />

Bedürfnis, es jemandem zu erzählen. Dennoch<br />

sass ich alle<strong>in</strong>e auf <strong>der</strong> Bank. Nach<br />

e<strong>in</strong>er Weile kam die Erzieher<strong>in</strong> zu mir und<br />

sagte: „Es ist <strong>in</strong> Ordnung!“ und streichelte<br />

tröstend me<strong>in</strong>e Haare. Dadurch we<strong>in</strong>te ich<br />

noch mehr, ich konnte mich kaum beruhigen.<br />

Dieses Erlebnis sitzt immer noch<br />

tief, und ich frage mich nach heute: was<br />

habe ich den falsch gemacht! Das war für<br />

mich e<strong>in</strong> sehr schlimmes Erlebnis.<br />

Beispiel - aus dem Bereich Essen<br />

Ich war allgeme<strong>in</strong> e<strong>in</strong> braves Mädchen.<br />

Me<strong>in</strong>e Lehrer<strong>in</strong> war wie e<strong>in</strong>e (<strong>zwei</strong>te) Muter<br />

zu mir, denn sie liebte mich. Wie kam es,<br />

dass ich diese Lehrer<strong>in</strong> plötzlich hasste. Ich<br />

bekam die Aufgabe für die kommende<br />

Schulreise den Fahrplan zu studieren. Ich<br />

schrieb mit ganz kle<strong>in</strong>en Buchstaben alles<br />

auf und zeige es <strong>der</strong> Lehrer<strong>in</strong>. Sie befahl<br />

mir, an den Platz zu gehen und me<strong>in</strong>e Überlegungen<br />

zum Fahrplan dort fortzuführen.<br />

Ich wehrte mich anfänglich, doch dann vertiefte<br />

ich mich nochmals <strong>in</strong> den Fahrplan.<br />

Ganz unerwartet kam die Lehrer<strong>in</strong> und<br />

schlug mit ihrem Stab auf me<strong>in</strong>en Kopf und<br />

me<strong>in</strong>en Rücken. Im ersten Moment<br />

erschrak ich sehr. Es folgten weitere<br />

Schläge, und ich bekam ke<strong>in</strong> Mittagessen.<br />

Ich fragte mich, warum das wohl passiert<br />

war. Von da an konnte ich me<strong>in</strong>e Lehrer<strong>in</strong><br />

nicht mehr verstehen.<br />

Anhand <strong>der</strong> vielen erhaltenen Beispielen<br />

<strong>von</strong> erteilten Strafen kann festgestellt<br />

werden: In Heimen, wo viele Menschen<br />

zusammenleben, gibt es Heimregeln.<br />

Vieles ist erlaubt, vieles ist verboten. Wofür<br />

gab es damals Strafen, und <strong>in</strong>wiefern<br />

waren diese Strafen typisch für Gehörlose?<br />

Jutta Gstre<strong>in</strong> folgert: „Analysiert man die<br />

erteilten Strafen, so kommt man zu folgendem<br />

Schluss: Viele Strafen s<strong>in</strong>d typische<br />

Strafen für K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die <strong>in</strong> Heimen<br />

gelebt haben und haben nicht direkt mit<br />

Gehörlosigkeit zu tun. Die Forschung <strong>von</strong> H.<br />

Tuggenener zeigt, dass es auch <strong>in</strong> Heimen<br />

für hörende K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> vielerlei H<strong>in</strong>sicht<br />

nicht besser war. Sauberkeitserziehung,<br />

Ordnung, Re<strong>in</strong>lichkeit und Zuverlässigkeit<br />

s<strong>in</strong>d wichtige Ziele <strong>der</strong> Heimerziehung.<br />

Daran musste man sich halten. Wurden<br />

Gebote und Verbote übertreten, so kam es<br />

zu Strafen.“<br />

27


Allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d <strong>zwei</strong> Gegebenheiten sehr<br />

verschieden gegenüber hörenden K<strong>in</strong><strong>der</strong>n:<br />

1. Die e<strong>in</strong>geschränkte Kommunikation zwischen<br />

den hörenden Fachkräften und den<br />

gehörlosen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und die daraus<br />

resultierenden Folgen für die Handhabung<br />

<strong>der</strong> Strafen.<br />

2. Das Gebärdenverbot, (e<strong>in</strong> eigentliches<br />

Kommunikationsverbot) und die Folgen<br />

dieses Verbotes s<strong>in</strong>d verheerend für die<br />

Gestaltung e<strong>in</strong>er positiven Beziehung<br />

zwischen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Erwachsenen und<br />

für die kognitive und psychische Entwicklung<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>.<br />

Strafen im Deutschunterricht<br />

Es gab im Sprechunterricht und im Deutschen<br />

auffallend viele (vor allem) Körperstrafen,<br />

vor denen sich die K<strong>in</strong><strong>der</strong> fürchteten.<br />

Das häufige Versagen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> deutschen Sprache führte die Lehrer an<br />

ihre Grenzen und zeigt, dass die orale<br />

Sprache ohne E<strong>in</strong>bezug <strong>der</strong> Gebärdensprache<br />

für alle Beteiligten e<strong>in</strong>e Überfor<strong>der</strong>ung<br />

darstellte.<br />

Strafen wegen dem Gebärden<br />

Viele Beispiele zeigen, wie sehr die Lehrer<br />

und Erzieher die Gebärden bekämpften und<br />

dafür zum Teil auch sadistische Strafen<br />

erteilten (z.B. 1 Woche abwaschen statt<br />

gebärden). Die K<strong>in</strong><strong>der</strong> sollten nie vergessen,<br />

dass sie für ihr Sprachverhalten<br />

bestraft wurden. Für die Sprache, <strong>in</strong> welcher<br />

sie so gut kommunizieren können.<br />

Somit war das Gebärdenverbot für sie auch<br />

e<strong>in</strong>e Art Kommunikationsverbot.<br />

Jutta Gstre<strong>in</strong> stellt im Rückblick auf die Vergangenheit<br />

und als Abschlussbemerkung<br />

zu ihrer Diplomarbeit fest, dass den Erziehungspersonen<br />

<strong>in</strong> den häufigsten Fällen<br />

e<strong>in</strong>e sträfliche Vernachlässigung ihrer<br />

Erzieherfunktion nachgewiesen werden<br />

könne. Die Sanktionen <strong>der</strong> Verantwortlichen<br />

haben zur Unterdrückung menschlicher<br />

Kommunikation geführt und damit<br />

grundlegende Menschenrechte missachtet.<br />

Die damalige Diskrim<strong>in</strong>ierung <strong>der</strong> Gebärdensprache,<br />

die auch heute noch nicht<br />

habe vollständig ausgemerzt werden<br />

können, bilde e<strong>in</strong>e Kommunikationsvergewaltigung.<br />

Toni Koller erzählt, welche Erfahrungen er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Schulzeit als Gehörloser <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule und<br />

im Internat mit den Strafen erlebt habe.<br />

Jutta Gstre<strong>in</strong>: „Das Hauptproblem zwischen<br />

Gehörlosen und Hörenden, das oft zu<br />

Strafen führte, war die ungenügende (o<strong>der</strong>)<br />

fehlende Kommunikation.“<br />

Toni Koller er<strong>in</strong>nert sich<br />

Toni Koller erzählt den kofo-Besucher<strong>in</strong>nen<br />

und -Besuchern aus se<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>dheit und<br />

Jugendzeit und bestätigt im Wesentlichen<br />

die Erfahrungen, auf welche Jutta Gstre<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />

ihrer Diplomarbeit Bezug nimmt. Toni<br />

Koller hat schon im K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten bitter<br />

erleben müssen, dass er während des<br />

Schulbesuches nicht gebärden durfte. In<br />

<strong>der</strong> 1. Klasse sei die körperliche Strafe so<br />

brutal gewesen, dass er aus dem Ohr<br />

geblutet habe. Er lernte auch den „langen<br />

Stock“ kennen, mit welchem die Lehrer auf<br />

die offenen Handflächen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

schlugen. Im Weiteren erwähnt er, dass es<br />

wegen Bettnässens ke<strong>in</strong> Frühstück<br />

gegeben habe und er ganz viele Strafaufgaben<br />

habe schreiben müssen.<br />

Toni Koller ist auch <strong>der</strong> festen Überzeugung,<br />

dass es wegen <strong>der</strong> nicht stattf<strong>in</strong>denden<br />

und/o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>geschränkten Kommunikation<br />

zwischen den Lehrpersonen<br />

und den Schülern zu vielen Missverständnissen<br />

und Problemen gekommen sei.<br />

„Gebärden war damals unanständig. Aber<br />

es kam auch zu Machtspielen zwischen den<br />

Lehrern und den Schülern.“<br />

Toni Koller betont aber auch, er sei eigentlich<br />

<strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung, dass es die Lehrer<br />

damals gut machen wollten.<br />

So endet dieser aufrüttelnde Abend<br />

irgendwie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em versöhnlichem Ton. Die<br />

vielen stossenden Gegebenheiten im Erziehungswesen<br />

vergangener Jahre s<strong>in</strong>d wohl<br />

bis zu e<strong>in</strong>em gewissen Grad dem damals<br />

vorherrschenden Zeitgeist zuzuschreiben.<br />

Neben <strong>der</strong> Unterdrückung <strong>der</strong> Gebärdensprache<br />

und Körperstrafen im Schulwesen<br />

fallen <strong>in</strong> diese Zeit auch die unseligen<br />

Gegebenheiten rund um die sog. „K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Landstrasse“ sowie die Massnahme<br />

<strong>der</strong> sog. „adm<strong>in</strong>istrativen Versorgung“, wo<br />

unzählige junge Frauen, die ledig Mütter<br />

geworden s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> Straf- und Erziehungsanstalten<br />

monatelang - manchmal sogar jahrelang<br />

- e<strong>in</strong>gesperrt worden s<strong>in</strong>d. Es ist<br />

wichtig, dass diese schwarze Vergangenheit<br />

ganz generell e<strong>in</strong>mal adäquat aufgearbeitet<br />

wird, um <strong>in</strong> Zukunft <strong>von</strong> dieser Last<br />

befreit gute Lösungen für die immer komplexer<br />

werdenden Problemstellungen<br />

geme<strong>in</strong>sam mit allen Involvierten f<strong>in</strong>den zu<br />

können.<br />

[rr]


Parlamentarier machen Druck<br />

auf Phonak & Co.<br />

Text: Daniel Friedli <strong>in</strong> Tages-Anzeiger vom<br />

3. November 2009<br />

Die Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten erhalten e<strong>in</strong>e neue<br />

Lobby. E<strong>in</strong>e Gruppe <strong>von</strong> Parlamentariern<br />

aller Parteien kämpft dafür, dass sie ihre<br />

Hörgeräte künftig günstiger erhalten.<br />

Steigende Nachfrage, hohe Gew<strong>in</strong>ne und<br />

Margen <strong>von</strong> bis zu 45 Prozent. Das Geschäft<br />

mit Hörgeräten floriert - zur Freude <strong>der</strong> Hersteller<br />

und Akustiker, die daran verdienen,<br />

und zum Aerger <strong>der</strong> IV und <strong>der</strong> Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten,<br />

welche die Geräte bezahlen<br />

müssen. Nun bekommen Letztere Unterstützung<br />

aus <strong>der</strong> Politik. Unter Führung <strong>von</strong><br />

SVP-Nationalrat Rudolf Jo<strong>der</strong> (BE) wird<br />

demnächst e<strong>in</strong>e neue Parlamentariergruppe<br />

„für Menschen mit Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen“<br />

gegründet. Das Gremium, <strong>in</strong><br />

dessen Vorstand neben Jo<strong>der</strong> sechs<br />

National- und Stän<strong>der</strong>äte aus allen Bundesratsparteien<br />

sitzen, will sich künftig<br />

ganz allgeme<strong>in</strong> als politisches Sprachrohr<br />

<strong>der</strong> Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten <strong>in</strong> Szene setzen. Se<strong>in</strong><br />

erstes Ziel: für günstigere Hörgeräte<br />

sorgen.<br />

Dieses Ziel teilt auch das für die IV zuständige<br />

Bundesamt für Sozialversicherungen<br />

(BSV). Es hat darum für die 6. IV-Revision<br />

vorgeschlagen, die Hörgeräte künftig über<br />

e<strong>in</strong>e Ausschreibung selber e<strong>in</strong>zukaufen.<br />

Die Idee: Als Hauptabnehmer wäre es für<br />

den Bund e<strong>in</strong>facher, die Preise zu drücken.<br />

Doch <strong>der</strong> Vorschlag ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vernehmlassung<br />

durchgefallen. Von l<strong>in</strong>ks bis rechts<br />

wurde er als untauglicher E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die<br />

Wirtschaftsfreiheit abgelehnt, sodass<br />

selbst Jo<strong>der</strong> ihm ke<strong>in</strong>e Chancen mehr gibt.<br />

Es bleibt die Frage: Wie kann das BSV se<strong>in</strong>e<br />

Sparziele an<strong>der</strong>s erreichen.<br />

Direkt mit <strong>der</strong> Industrie verhandeln<br />

Die Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten fürchten, dass es nun<br />

sie treffen wird. „Es besteht die Gefahr,<br />

dass man die Pauschalen <strong>der</strong> Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten<br />

senkt“, sagt Erw<strong>in</strong> Gruber, Zentralsekretär<br />

des Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenverbandes Pro Audito.<br />

Mithilfe <strong>der</strong> Parlamentariergruppe will er<br />

nun zum e<strong>in</strong>en erreichen, dass die Hersteller<br />

gezwungen werden, e<strong>in</strong>e grössere<br />

Zahl <strong>von</strong> Hörgeräten zu Preisen anzubieten,<br />

welche die IV auch vergütet. Zum an<strong>der</strong>en<br />

for<strong>der</strong>t er, dass <strong>der</strong> Bund für mehr Wettbewerb<br />

sorgt und so die Margen <strong>von</strong> Phonak<br />

und an<strong>der</strong>e Produzenten drückt. „Diese<br />

Margen s<strong>in</strong>d viel zu hoch“, sagt auch<br />

Rudolf Jo<strong>der</strong>.<br />

Im BSV wird <strong>der</strong>zeit geprüft, wie man<br />

nach dem vernichtenden Echo aus <strong>der</strong><br />

Vernehmlassung vorgehen will. Klar ist<br />

aber bereits, dass das Amt nicht lockerlassen<br />

will. Geprüft wird dem Vernehmen<br />

nach folgende Idee: Der Bund handelt die<br />

Tarifverträge nicht mehr primär mit den<br />

Akustikern aus, son<strong>der</strong>n direkt mit den Herstellern.<br />

So möchte man sie zu mehr Transparenz<br />

und tieferen Preisen zw<strong>in</strong>gen.<br />

Nach <strong>der</strong> Krise fängt die<br />

Arbeit erst richtig an<br />

Text: Aymo Brunetti, Leiter <strong>der</strong> Direktion Wirtschaftspolitik<br />

im Staatssekretariat für Wirtschaft<br />

(Seco) <strong>in</strong> NZZ vom 28. Oktober 2009<br />

Die Schweiz hat die Krise, trotz dem hohen<br />

Gewicht des F<strong>in</strong>anzsektors, bisher relativ<br />

gut überstanden. Was es <strong>in</strong>des noch zu<br />

meistern gilt, s<strong>in</strong>d strukturelle Probleme,<br />

etwa die langfristige F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong><br />

Sozialwerke.<br />

Wohl selten gab es e<strong>in</strong>e so tiefgreifende<br />

Unsicherheit über die nahe wirtschaftliche<br />

Zukunft wie heute. Dies erklärt sich aus <strong>der</strong><br />

Tatsache, dass e<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige Komb<strong>in</strong>ation<br />

aus globaler F<strong>in</strong>anz- und Wirtschaftskrise<br />

seit be<strong>in</strong>ahe 80 Jahren nicht mehr vorgekommen<br />

ist. Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund versuchen<br />

wir uns hier gar nicht erst <strong>in</strong> Prognosen<br />

über die unmittelbare Zukunft, son<strong>der</strong>n<br />

behandeln grundsätzlichere Punkte.<br />

Erstens stellt sich die Frage, warum die<br />

Schweiz bisher etwas weniger stark <strong>von</strong> <strong>der</strong><br />

Krise getroffen wurde als an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong>,<br />

was doch angesichts <strong>der</strong> überragenden<br />

Bedeutung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzbranche eher überraschend<br />

ist. Zweitens betonen wir, dass es<br />

trotzdem ke<strong>in</strong>en Anlass zur Selbstzufriedenheit<br />

gibt. Die kommenden Jahre br<strong>in</strong>gen<br />

e<strong>in</strong>e Reihe grosser Herausfor<strong>der</strong>ungen für<br />

die Schweizer Wirtschaftspolitik.<br />

Erstaunlich wi<strong>der</strong>standsfähig<br />

Warum sche<strong>in</strong>t die Schweiz die Krise bisher<br />

etwas besser bewältigt zu haben? 2009<br />

dürfte mit e<strong>in</strong>em Rückgang des Brutto<strong>in</strong>landprodukts<br />

(BIP) um knapp 2 % wirtschaftlich<br />

das schlechteste Jahr <strong>der</strong> letzten<br />

drei Jahrzehnte se<strong>in</strong>. Der Schweizer Aus-<br />

Soziales<br />

und Politik<br />

senhandel ist <strong>in</strong> gewissen Bereichen –<br />

wenn auch <strong>von</strong> sehr hohem Niveau aus –<br />

e<strong>in</strong>gebrochen wie nie seit dem Zweiten<br />

Weltkrieg. Die Arbeitslosigkeit wird angesichts<br />

des wohl anämischen Aufschwungs<br />

deutlich steigen und sich dann nur sehr<br />

langsam zurückbilden. Und trotzdem: Im<br />

Vergleich mit an<strong>der</strong>en OECD-Län<strong>der</strong>n war<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>bruch zum<strong>in</strong>dest bisher spürbar<br />

schwächer. Stark ist <strong>der</strong> Kontrast zum letzteren<br />

tieferen E<strong>in</strong>bruch <strong>der</strong> Schweizer Wirtschaft<br />

<strong>in</strong> den neunziger Jahren. Damals<br />

befand sich die Schweiz <strong>in</strong> zäher Rezession,<br />

während die Weltwirtschaft weiter<br />

wuchs. Im Gegensatz zu damals ist die heutige<br />

Rezession nicht hausgemacht, und die<br />

Schweiz sche<strong>in</strong>t diesmal wi<strong>der</strong>standsfähiger<br />

zu se<strong>in</strong> als ihr Umfeld.<br />

Aus Erfahrung klug geworden<br />

Neben <strong>der</strong> Tatsache, dass die Schweiz<br />

ke<strong>in</strong>e Immobilienblase zu bewältigen<br />

hatte, können verschiedenen auch wirtschaftspolitische<br />

Entwicklungen <strong>der</strong><br />

letzten Jahre zur Erklärung für diese höhere<br />

Wi<strong>der</strong>standsfähigkeit beitragen:<br />

• Die automatischen Stabilisatoren s<strong>in</strong>d<br />

auch vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> schlechten<br />

Erfahrungen <strong>in</strong> den neunziger Jahren<br />

stark ausgebaut worden. Sowohl die<br />

Schuldenbremse als auch die F<strong>in</strong>anzierung<br />

<strong>der</strong> Arbeitslosenversicherung<br />

wurden explizit so konstruiert, dass sie<br />

deutliche antizyklische Impulse setzen.<br />

Die Schuldenbremse gab e<strong>in</strong>en Rahmen,<br />

<strong>in</strong>nerhalb dessen es möglich war, mit<br />

drei Stabilisierungspaketen auf die aussergewöhnliche<br />

Schärfe des jüngsten<br />

E<strong>in</strong>bruchs zu reagieren, ohne sich strukturell<br />

verschulden zu müssen.<br />

• Die Wachstumspolitik <strong>der</strong> letzten Jahre<br />

hat <strong>in</strong> verschiedenen Bereichen dazu beigetragen,<br />

dass das Trendwachstum<br />

gestärkt und damit die Wi<strong>der</strong>standsfähigkeit<br />

gegenüber konjunkturellen<br />

Schocks erhöht wurde. E<strong>in</strong> wichtiges Beispiel<br />

ist hier die E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> Personenfreizügigkeit<br />

mit <strong>der</strong> EU, die den<br />

Arbeitsmarkt noch e<strong>in</strong>mal flexibilisiert<br />

und damit wohl auch über e<strong>in</strong>e Produktivitätsverbesserung<br />

zum dynamischen<br />

Wachstum im letzten Konjunkturaufschwung<br />

beigetragen hat.<br />

29


• Auch die Diversifikation <strong>der</strong> Exporte,<br />

unter an<strong>der</strong>em basierend auf e<strong>in</strong>em<br />

starken Netz <strong>von</strong> multilateralen und bilateralen<br />

Handelsabkommen, hat sicher<br />

geholfen, den ausserordentlichen, weltwirtschaftlichen<br />

Schock aufzufangen.<br />

Die Schweizer Exporte gehen vergleichsweise<br />

stark <strong>in</strong> die dynamischsten Län<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Weltwirtschaft. Und die Konzentration<br />

auf hochwertige Nischenprodukte<br />

half mit, den E<strong>in</strong>bruch <strong>in</strong>sgesamt noch<br />

etwas zu begrenzen.<br />

• Schliesslich sei auch festgehalten, dass<br />

die Geldpolitik sowie die raschen Stabilisierungsmassnahmen<br />

auf den F<strong>in</strong>anzmärkten<br />

schon sehr früh <strong>in</strong> dieser Krise<br />

gegriffen haben. Und <strong>der</strong> breit diversifizierte<br />

Schweizer Bankensektor half bei<br />

<strong>der</strong> Abfe<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> zum Teil schweren<br />

Turbulenzen bei den Grossbanken.<br />

Noch ist die Krise allerd<strong>in</strong>gs nicht ausgestanden,<br />

und beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> rechtzeitige<br />

Ausstieg aus <strong>der</strong> stark expansiven Geldpolitik<br />

stellt die Notenbanken vor Herausfor<strong>der</strong>ungen,<br />

die kaum e<strong>in</strong>en historischen Präzedenzfall<br />

kennen. Über kurzfristige Krisenbewältigungen<br />

h<strong>in</strong>aus zeichnet sich<br />

zudem schon heute ab, dass <strong>in</strong> den kommenden<br />

Jahren e<strong>in</strong>e Reihe grosser Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

auf uns zukommen, die baldige<br />

wirtschaftspolitische Weichenstellungen<br />

erfor<strong>der</strong>n. Zu nennen s<strong>in</strong>d vier Problemfel<strong>der</strong>,<br />

die so wichtig s<strong>in</strong>d, dass es bei<br />

jedem wohl um mehrere Prozentpunkte des<br />

künftigen BIP <strong>der</strong> Schweiz geht:<br />

Richtig regulieren<br />

Erstens stellt sich, mit <strong>der</strong> Krise unmittelbar<br />

zusammenhängend, die drängende<br />

Frage nach <strong>der</strong> richtigen Regulierung <strong>der</strong><br />

F<strong>in</strong>anzmärkte. Niemand wird wohl ernsthaft<br />

bestreiten, dass die jüngsten Ereignisse<br />

e<strong>in</strong>e Anpassung des regulatorischen<br />

Umfelds erfor<strong>der</strong>lich machen. Für die<br />

Schweiz beson<strong>der</strong>s drängend ist dabei die<br />

Frage, wie man mit <strong>der</strong> Defacto-Staatsgarantie<br />

<strong>der</strong> Grossbanken zurechtkommt. Die<br />

Lösung dieser „Too-big-to-fail“-Problematik<br />

sollte <strong>in</strong>ternational gut e<strong>in</strong>gebettet<br />

und so gestaltet se<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong> vernünftiges<br />

Kosten-Nutzen-Verhältnis gewährleistet<br />

ist.<br />

Ungewisse AHV-F<strong>in</strong>anzierung<br />

Zweitens ist die langfristige F<strong>in</strong>anzierung<br />

<strong>der</strong> Sozialwerke, namentlich <strong>der</strong> AHV, bei<br />

realistischen Annahmen über die langfristige<br />

Wirtschaftsentwicklung nicht gesichert.<br />

Diese Entwicklung droht mit <strong>der</strong> Zeit<br />

die an<strong>der</strong>en Teile <strong>der</strong> Staatsausgaben<br />

zunehmend zu bedrängen, was e<strong>in</strong>en<br />

starken Druck zu wachstumspolitisch problematischen<br />

Steuererhöhungen aufbauen<br />

dürfte. E<strong>in</strong> Ansatzpunkt könnte die da und<br />

dort schon diskutierte E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es<br />

Mechanismus ähnlich <strong>der</strong> Schuldenbremse<br />

für die wichtigsten Sozialversicherungen<br />

se<strong>in</strong>.<br />

Offenheit und Gesundheit<br />

Drittens dürfte die Sicherung des <strong>in</strong>ternationalen<br />

Marktzugangs vor allem für<br />

Dienstleistungen <strong>in</strong> den kommenden<br />

Jahren zu e<strong>in</strong>em immer wichtigeren Thema<br />

werden. Vor allem – aber nicht nur – <strong>der</strong><br />

Export <strong>von</strong> F<strong>in</strong>anzdienstleistungen könnte<br />

angesichts jüngster Entwicklungen etwa <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> EU vor grössere Probleme gestellt<br />

werden.<br />

Viertens haben die jüngsten Prämiensteigerungen<br />

gezeigt, dass das Problem <strong>der</strong><br />

Kostenexplosion im Gesundheitswesen<br />

nach wie vor e<strong>in</strong>er griffigen Lösung harrt.<br />

Der bereits hohe Anteil dieses Sektors am<br />

BIP dürfte weiter steigen, womit sich die<br />

Frage nach <strong>der</strong> Effizienz <strong>der</strong> Regulierungen<br />

mit Nachdruck stellt. Die an sich bekannten<br />

Reformvorschläge hatten bisher politisch<br />

e<strong>in</strong>en äusserst schweren Stand.<br />

Ausruhen wäre gefährlich<br />

Der Wirtschaftsstandort Schweiz hat sich <strong>in</strong><br />

den letzten Jahren <strong>in</strong> verschiedener H<strong>in</strong>sicht<br />

erfreulich entwickelt. Das zeigt <strong>der</strong><br />

Spitzenplatz <strong>in</strong> den Ranglisten <strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit<br />

ebenso wie die bisherige<br />

Bewältigung <strong>der</strong> Krise. Allerd<strong>in</strong>gs gilt es, <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> nahen Zukunft e<strong>in</strong>e Reihe <strong>von</strong> langfristigen<br />

Problemen anzugehen. Zu selbstzufriedenem<br />

Zurücklehnen gibt es ke<strong>in</strong>en<br />

Anlass.<br />

F<strong>in</strong>anzielle Anreize <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Sozialhilfe werden willkürlich<br />

ausbezahlt<br />

Text: Markus Hofmann <strong>in</strong> Neue Zürcher Zeitung<br />

vom 23. September 2009<br />

Die Sozialhilfe arbeitet seit e<strong>in</strong> paar Jahren<br />

verstärkt mit f<strong>in</strong>anziellen Anreizen. Doch<br />

das neue System sche<strong>in</strong>t nicht zu funktionieren.<br />

Die Willkür nimmt zu.<br />

Die Sozialhilfe versteht sich nicht als re<strong>in</strong>e<br />

Fürsorge. Ihre Aufgabe besteht <strong>in</strong> zunehmendem<br />

Masse auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Integration <strong>von</strong><br />

Menschen, die auf staatliche Sozialleistungen<br />

angewiesen s<strong>in</strong>d. Zudem besteht<br />

<strong>der</strong> politische Wille, dass Beiträge <strong>der</strong><br />

Sozialhilfe, wenn immer möglich, nicht<br />

„umsonst“ fliessen sollten. Von den Bezügern<br />

wird e<strong>in</strong>e Integrationsleistung verlangt,<br />

die entsprechend vergolten wird. Die<br />

Richtl<strong>in</strong>ien <strong>der</strong> Schweizerischen Konferenz<br />

für Sozialhilfe (SKOS), nach denen sich die<br />

meisten Kantone richten, wurden daher im<br />

Jahre 2005 revidiert. Man führte f<strong>in</strong>anzielle<br />

Anreize e<strong>in</strong>, um die Sozialhilfebezüger vermehrt<br />

um Arbeitssuche zu bewegen. Wer<br />

arbeitet, erhält e<strong>in</strong>en „E<strong>in</strong>kommensfreibetrag“,<br />

und wer sich an<strong>der</strong>weitig bemüht,<br />

e<strong>in</strong>e Integrationszulage für Nichterwerbstätige.<br />

Die neuen SKOS-Richtl<strong>in</strong>ien<br />

wurden begrüsst. Nun zeigen sich aber <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Praxis massive Mängel. Statt Gerechtigkeit<br />

wird neue Ungerechtigkeit geschaffen.<br />

Nicht nachvollziehbar<br />

Die SKOS hat <strong>in</strong>tern e<strong>in</strong>e Umfrage bei 20<br />

Sozialdiensten durchgeführt, um herauszuf<strong>in</strong>den,<br />

wie sich das neue System <strong>in</strong> den<br />

Geme<strong>in</strong>den bewährt. Die Untersuchung<br />

fällt e<strong>in</strong> äusserst kritisches Urteil: „Dass<br />

die Zulagen wirklich als Anreizelemente<br />

funktionieren, muss zum<strong>in</strong>dest be<strong>zwei</strong>felt<br />

werden“, schreibt die ehemalige wissenschaftliche<br />

Mitarbeiter<strong>in</strong> Nathalie Pfister <strong>in</strong><br />

ihrer für die SKOS verfassten Studie.<br />

Als e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Hauptprobleme bezeichnet<br />

Pfister die Ungleichbehandlung <strong>der</strong> Sozialhilfebezüger:<br />

„Gleiche Integrationsleistungen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> gleichen Situation werden je<br />

nach fallführen<strong>der</strong> Person und kantonalen<br />

Vorschriften unterschiedlich honoriert.“<br />

Die Ungleichheiten seien nicht nur zwischen<br />

den Kantonen, son<strong>der</strong>n gar <strong>in</strong>nerhalb<br />

desselben Sozialdienstes zu verzeichnen.<br />

Die grossen Unterscheide seien<br />

„nicht nachvollziehbar“. Quelle <strong>der</strong> ungleichen<br />

Behandlung sei die „Haltung“ <strong>der</strong><br />

Sozialarbeiter o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Behörden, die für<br />

die Fälle zuständig s<strong>in</strong>d.<br />

Eigentlich strebt die SKOS mit ihren Richtl<strong>in</strong>ien<br />

e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>heitlichung <strong>der</strong> Sozialhilfepraxis<br />

an. Nun sche<strong>in</strong>t aber die Willkür<br />

zugenommen zu haben. Zwar lassen die<br />

revidierten Richtl<strong>in</strong>ien den Kantonen bei<br />

<strong>der</strong> Bemessung <strong>der</strong> Zulagen durchaus<br />

e<strong>in</strong>en gewissen Gestaltungsraum. Mit nicht<br />

zu eng gesteckten Grenzen soll die Bereitschaft<br />

<strong>der</strong> Kantone erhöht werden, die<br />

Richtl<strong>in</strong>ien <strong>in</strong>s eigene Recht aufzunehmen.


Nur vier Kantone (Aargau, Appenzell-<br />

Innerrhoden, Tess<strong>in</strong>, Waadt) benutzen noch<br />

ältere Richtl<strong>in</strong>ien. Doch die den Kantonen<br />

gewährte Freiheit führt gemäss Studie<br />

dazu, dass die Ausrichtung <strong>der</strong> Zulagen<br />

„wenig verb<strong>in</strong>dlich erfolgt“.<br />

Auf dem richtigen Weg<br />

Selbst dort, wo grundsätzlich objektive Kriterien<br />

erfüllt s<strong>in</strong>d, werden die Beiträge nicht<br />

immer korrekt ausbezahlt. Dies ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

bei den E<strong>in</strong>kommensfreibeträgen<br />

<strong>der</strong> Fall, die <strong>in</strong> Abhängigkeit <strong>von</strong> Beschäftigungsumfang<br />

und Lohnhöhe festgelegt<br />

werden.<br />

SKOS-Präsident Walter Schmid beschönigt<br />

die Studie nicht. Sie zeige ehrlich die Realität<br />

auf. Das Ergebnis hat ihn daher nicht<br />

überrascht. Mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung <strong>von</strong> Integrationszulagen<br />

habe man vor e<strong>in</strong> paar Jahren<br />

Neuland betreten, sagt er. Es bedürfe e<strong>in</strong>er<br />

gewissen Zeit, bis sich die Praxis etabliert<br />

habe. Schmid zeigt sich nach wie vor überzeugt,<br />

dass man mit den Anreizen den richtigen<br />

Weg e<strong>in</strong>geschlagen habe. Es wäre zu<br />

früh, bereits da<strong>von</strong> abzukommen, warnt er.<br />

Als Problem zeige sich aber, dass die Kantone<br />

aus Kostengründen die neuen Instrumente<br />

teilweise nur „halbherzig“ e<strong>in</strong>setzten.<br />

Die Studie belege auch, dass es <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Sozialhilfe ke<strong>in</strong> Patentrezept gebe. Mit<br />

Anreizen alle<strong>in</strong> werde man die Schwierigkeiten<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Fürsorge nicht bewältigen.<br />

Weg zurück <strong>in</strong> die Arbeitswelt<br />

Text: Der Bund vom 18. August 2009<br />

Die Invalidenversicherung (IV) zahlt nicht<br />

nur Renten. Sie f<strong>in</strong>anziert auch E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmassnahmen,<br />

zum Beispiel für K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

und Jugendliche mit kle<strong>in</strong>eren o<strong>der</strong> grösseren<br />

Geburtsgebrechen. Im Jahr 2007<br />

wurden an über 100'000 Personen solche<br />

mediz<strong>in</strong>ischen Massnahmen mit durchschnittlich<br />

6000 Franken bezahlt. Im Alter<br />

<strong>von</strong> 15 Jahren, so ergab e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terne Studie,<br />

hat ungefähr e<strong>in</strong> Viertel aller K<strong>in</strong><strong>der</strong> wegen<br />

e<strong>in</strong>es Geburtsgebrechens e<strong>in</strong>e mediz<strong>in</strong>ische<br />

IV-Leistung beansprucht.<br />

Die Invalidenversicherung bemüht sich vor<br />

allem um die berufliche E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung. So<br />

deckt sie alle zusätzlichen beruflichen<br />

Kosten ab, die wegen Invalidität entstehen.<br />

2007 hat die IV 16'000 Personen mit durch-<br />

schnittlich 24'000 Franken bei <strong>der</strong> erstmaligen<br />

beruflichen Ausbildung o<strong>der</strong> Umschulung<br />

unterstützt. Dazu gehörten auch<br />

Berufsberatung und Arbeitsvermittlung. Mit<br />

<strong>der</strong> 5. IV-Revision wurden Früherfassung<br />

und Früh<strong>in</strong>tervention verstärkt, um Menschen<br />

mit Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen möglichst am<br />

Arbeitsplatz halten zu können.<br />

Der beruflichen E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung dienen auch<br />

die Hilfsmittel, die jährlich an 70'000 Personen<br />

abgegeben werden. Am häufigsten<br />

s<strong>in</strong>d dies Hörgeräte, doch zum Angebot <strong>der</strong><br />

IV gehören auch Schuhe<strong>in</strong>lagen, Treppenfahrstühle,<br />

Prothesen, Sprechhilfegeräte<br />

(nach Kehlkopfoperationen), Bl<strong>in</strong>denhunde,<br />

elektronische Kommunikationsgeräte o<strong>der</strong><br />

Perücken.<br />

2007 bezogen 294'000 Personen e<strong>in</strong>e IV-<br />

Rente (da<strong>von</strong> 42'000) im Ausland) und<br />

217'000 beanspruchten e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuelle<br />

E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmassnahme. Der Aufwand<br />

für die Renten belief sich auf 458 Millionen<br />

Franken, für die <strong>in</strong>dividuellen Massnahmen<br />

waren es 1,6 Milliarden.<br />

Lehrstellensituation und<br />

Jugendarbeitslosigkeit im<br />

Kanton Zürich rufen nach<br />

Engagement aller Beteiligten<br />

Text: Walter Bernet <strong>in</strong> NZZ vom 4. November 2009<br />

Noch zeigt sich <strong>der</strong> Lehrstellenmarkt im<br />

Kanton Zürich krisenresistent. Damit es so<br />

bleibt, hat die <strong>zwei</strong>te Konferenz Berufsbildung<br />

zuhanden <strong>von</strong> Politik und Wirtschaft<br />

vier Verbesserungsvorschläge verabschiedet.<br />

Noch nie s<strong>in</strong>d im Kanton Zürich so viele<br />

Lehrstellen angeboten worden wie <strong>in</strong><br />

diesem Jahr. Fast 10 Prozent liegt die zahl<br />

<strong>der</strong> gemeldeten Plätze über <strong>der</strong> des Vorjahres.<br />

Dies hält <strong>der</strong> erste Lehrstellenbericht<br />

des Kantons Zürich fest. Er fasst<br />

Zahlen und Fakten zur Lehrstellensituation<br />

und zur Jugendarbeitslosigkeit zusammen<br />

und sagt, wo <strong>der</strong> Hebel für Verbesserungen<br />

anzusetzen wäre. So stellt er etwa die Freiwilligkeit<br />

e<strong>in</strong>er weiterführenden Ausbildung<br />

nach <strong>der</strong> obligatorischen Schulzeit <strong>in</strong> Frage.<br />

Mehr arbeitslose Jugendliche<br />

Der Bericht hat am 3. November 2009 <strong>der</strong><br />

zum <strong>zwei</strong>ten Mal e<strong>in</strong>berufenen Konferenz<br />

In Kürze<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te irritiert<br />

Die schulische Integration <strong>von</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mit<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen soll besser betreut und vere<strong>in</strong>heitlicht<br />

werden. Dies for<strong>der</strong>n die Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenorganisationen<br />

Pro Infirmis, Procap<br />

und Insieme. Je mehr die schulische Integration<br />

beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ter K<strong>in</strong><strong>der</strong> Fortschritte<br />

mache, desto mehr Informationsbedarf<br />

bestehe, hielten die drei Organisationen<br />

fest. „Schlechte Integrationsbeispiele,<br />

falsche Vorstellungen und ungenügende<br />

Informationen haben zu e<strong>in</strong>er grossen Verunsicherung<br />

geführt“, erklärte Walter<br />

Bernet, Zentralpräsident <strong>von</strong> Insieme<br />

Schweiz. Auch Procap stellt e<strong>in</strong>en zunehmenden<br />

Beratungsbedarf <strong>von</strong> Eltern fest.<br />

E<strong>in</strong>fach Standardlösungen zu präsentieren,<br />

sei aber fast nicht möglich, da die schulische<br />

Integration Sache <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Kantone<br />

sei.<br />

Geschmacklose Plakate<br />

Pro Infirmis hat am 16. November 2009 auf<br />

se<strong>in</strong>er Homepage e<strong>in</strong>e Protest-Aktion<br />

zuhanden <strong>von</strong> Bundesrat Didier Burkhalter<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Angelegenheit <strong>der</strong> BSV-Werbekampagne<br />

aufgeschaltet (www.pro<strong>in</strong>firmis.ch).<br />

Rechte beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ter Flugpassagiere<br />

Flugpassagiere mit e<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />

erhalten mehr Rechte. Ab Anfang<br />

November gelten für sie die gleichen<br />

Zugangs- und Reisebed<strong>in</strong>gungen wie für<br />

alle an<strong>der</strong>en Fluggäste; ab dann gilt die<br />

e<strong>in</strong>schlägige Verordnung <strong>der</strong> EU auch <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Schweiz. Insbeson<strong>der</strong>e haben Menschen<br />

mit Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen neu zusätzlich<br />

Anspruch auf unentgeltliche Hilfeleistung<br />

<strong>in</strong> den Flughäfen und an Bord <strong>der</strong> Luftfahrzeuge.<br />

Sonova übernimmt Advanced Bionics<br />

Der Schweizer Hörgeräte-Hersteller Sonova<br />

will für gut 500 Millionen Franken den amerikanischen<br />

Produzenten <strong>von</strong> Innenohr-Prothesen<br />

Advances Bionics übernehmen. Die<br />

Nummer <strong>zwei</strong> im jährlich 700-800 Millionen<br />

Dollar grossen Markt für Cochlea-Implantate<br />

soll e<strong>in</strong> eigenständiger Unternehmensbereich<br />

werden. Der Preis entspricht dem<br />

Vierfachen des Umsatzes <strong>von</strong> Advanced<br />

Bionics.<br />

31


Berufsbildung Kanton Zürich, an <strong>der</strong> e<strong>in</strong><br />

knappes Dutzend Repräsentanten aus<br />

Politik, Wirtschaft und Verwaltung teilnahm,<br />

als Arbeitsgrundlage gedient. Auf<br />

dem Lehrstellenmarkt herrsche zwar Entspannung,<br />

aber nicht Entwarnung, sagte<br />

Regierungspräsident<strong>in</strong> Reg<strong>in</strong>e Aeppli bei<br />

<strong>der</strong> Präsentation <strong>der</strong> Ergebnisse im<br />

Anschluss an die Konferenz. Die erfreuliche<br />

Entwicklung sei das Resultat des geme<strong>in</strong>samen<br />

Engagements aller beteiligten<br />

Partner.<br />

Nach wie vor hat <strong>der</strong> Lehrstellenmarkt aber<br />

auch se<strong>in</strong>e problematischen Seiten. E<strong>in</strong>e<br />

da<strong>von</strong> ist die hohe Zahl <strong>der</strong> Lehrvertragsauflösungen,<br />

die glücklicherweise allerd<strong>in</strong>gs<br />

häufig nicht mit e<strong>in</strong>em Ausbildungsabbruch<br />

gleichzusetzen s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>e weitere<br />

ist, dass rund e<strong>in</strong> Viertel <strong>der</strong> Schulabgänger<br />

ke<strong>in</strong>e direkte Anschlusslösung<br />

f<strong>in</strong>det, son<strong>der</strong>n auf e<strong>in</strong>e Zwischenlösung<br />

ausweicht. Der Bericht zeigt, dass die<br />

Jugendarbeitslosigkeit <strong>der</strong> 15- bis 19-<br />

Jährigen trotz den vielen Lehrstellen seit<br />

Januar 2009 angezogen hat und im Kanton<br />

Zürich im Juli mit 4,1 Prozent 1 Prozent über<br />

dem nationalen Schnitt lag. Zurzeit liegt die<br />

Zahl <strong>der</strong> Arbeitslosen <strong>in</strong> dieser Gruppe im<br />

Kanton Zürich deutlich über 5 Prozent, aber<br />

unter dem nationalen Durchschnitt. Unter<br />

den Gründen für die Jugendarbeitslosigkeit<br />

hebt <strong>der</strong> Bericht e<strong>in</strong> tiefes Bildungsniveau<br />

hervor. Bei den 20- bis 24-Jährigen ohne<br />

Lehrabschluss ist die Arbeitslosigkeit fast<br />

doppelt so hoch wie bei den Gleichaltrigen<br />

mit Berufsausbildung. Aehnliches gilt für<br />

die Sozialhilfe (siehe Grafik). Dass gerade<br />

Jugendliche e<strong>in</strong>e hohe Sozialhilfequote<br />

aufweisen, zeige, dass diese beim E<strong>in</strong>tritt<br />

<strong>in</strong> die Erwerbstätigkeit noch besser zu<br />

unterstützen seien, und zwar schon <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Schulzeit, heisst es im Bericht.<br />

Bildung als Gegenmittel<br />

Bildung sei das beste Mittel, e<strong>in</strong> Abgleiten<br />

<strong>in</strong> die Jugendarbeitslosigkeit zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />

hielten Aeppli und ihre Regierungskolleg<strong>in</strong><br />

Rita Fuhrer fest. Letztere wies aber<br />

darauf h<strong>in</strong>, dass im Lehrstellenbereich<br />

nicht die potenziellen Lehrl<strong>in</strong>ge, son<strong>der</strong>n<br />

die Unternehmen die Nachfrage def<strong>in</strong>ierten.<br />

Wichtig sei, dass sich die Berufsausbildung<br />

dem verän<strong>der</strong>ten Umfeld<br />

anpasse. Die Konferenz Berufsbildung<br />

empfiehlt, <strong>in</strong> den Jahren 2010 und 2011 Verbesserungen<br />

<strong>in</strong> vier Bereichen anzustreben:<br />

Erstens seien Lehrvertragsauflösungen<br />

mit Hilfe <strong>der</strong> Berufs<strong>in</strong>spektoren zu<br />

vermeiden. 9 Prozent aller Verträge würden<br />

aufgelöst, die Hälfte da<strong>von</strong> im ersten Lehrjahr.<br />

Bei Abbrüchen sei <strong>in</strong>tensiv nach neuen<br />

Lösungen zu suchen, bei denen Erwartungen<br />

und Realität besser zusammenpassten.<br />

Zweiten sollen im Rahmen e<strong>in</strong>es breit<br />

abgestützten Projekt <strong>in</strong>ternationale Firmen<br />

vermehrt für die Berufsbildung gewonnen<br />

werden. Drittens sollen die Brückenangebote<br />

besser gesteuert werden. Sie sollen<br />

sich nicht schleichend zu e<strong>in</strong>em 10. Schuljahr<br />

entwickeln, wie Aeppli sagt. Und viertens<br />

müsse die Kooperation aller beteiligten<br />

Institutionen gezielter funktionieren.<br />

Schuldenexplosion <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Arbeitslosenkasse<br />

Text: Beat Waber <strong>in</strong> NZZ vom 6. November 2009<br />

Nach neusten Prognosen steigen die<br />

Schulden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitslosenversicherung<br />

nächstes Jahr auf über 10 Milliarden<br />

Franken. Die Sozialwerke werden f<strong>in</strong>anzpolitisch<br />

zum grössten Problem.<br />

Es sollte e<strong>in</strong> Weckruf se<strong>in</strong>: Die eidgenössische<br />

F<strong>in</strong>anzverwaltung hat neulich<br />

berechnet, wie die Schuldenquote <strong>der</strong> drei<br />

Staatsebenen sowie <strong>der</strong> Sozialversicherungen<br />

bis 2050 steigt, wenn die Politik<br />

passiv bleibt und wenn sich Bevölkerung<br />

und Wirtschaft erwartungsgemäss entwickeln<br />

( siehe Grafik). Die Unsicherheiten<br />

bei <strong>der</strong>art langfristigen Perspektiven s<strong>in</strong>d<br />

naturgemäss gross, <strong>der</strong> Trend ist aber e<strong>in</strong>deutig:<br />

Während Bund, Kantone und<br />

Geme<strong>in</strong>den ihre Haushalte mehr o<strong>der</strong><br />

weniger im Griff haben, laufen die Sozialwerke<br />

ohne Gegenmassnahmen aus dem<br />

Ru<strong>der</strong>.<br />

Unheilige Allianz<br />

Bei <strong>der</strong> Invalidenversicherung, <strong>der</strong>en<br />

Schuldenberg zurzeit am höchsten ist,<br />

wurden Massnahmen <strong>in</strong>zwischen e<strong>in</strong>geleitet.<br />

Das Volk hat e<strong>in</strong>e Zusatzf<strong>in</strong>anzierung<br />

angenommen, und Revisionen auf <strong>der</strong> Leistungsseite<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Kraft o<strong>der</strong> unterwegs.<br />

Bei <strong>der</strong> AHV ist <strong>der</strong> Handlungsdruck dank<br />

Reserven noch nicht so akut; wegen <strong>der</strong><br />

Alterung <strong>der</strong> Bevölkerung wird er aber markant<br />

zunehmen. Am brisantesten ist<br />

momentan jedoch die Situation bei <strong>der</strong><br />

Arbeitslosenversicherung. Gemäss Serge<br />

Gaillard, Direktor für Arbeit im Volkswirtschaftsdepartement,<br />

steigen die Schulden<br />

wegen <strong>der</strong> Wirtschaftskrise nach den neusten<br />

Prognosen bis Ende 2010 auf 10,6 Milliarden<br />

Franken. 2011 erreichen sie ohne<br />

Gegenmassnahmen gar 14,4 Milliarden.<br />

Trotzdem hat die Wirtschaftskommission<br />

des Nationalrates e<strong>in</strong>e Revision abgelehnt.<br />

Die L<strong>in</strong>ke verwarf sie wegen <strong>der</strong> geplanten<br />

Leistungskürzungen <strong>von</strong> jährlich 700 Millionen;<br />

die Mehrheit <strong>der</strong> SVP- und FDP-Vertreter<br />

trug die Vorlage wegen Beitragser-


höhungen <strong>von</strong> <strong>in</strong>sgesamt rund 900 Millionen<br />

nicht mit.<br />

Am 5. November 2009 hat <strong>der</strong> Gewerkschaftsbund<br />

(SGB) darzulegen versucht,<br />

weshalb dieses ne<strong>in</strong> richtig sei und nicht <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e Schuldenfalle führe. Sollte die Revision<br />

am Ende doch durchkommen, würde<br />

er das Referendum ergreifen, erklärte Präsident<br />

Paul Rechste<strong>in</strong>er. SGB-Chefökonom<br />

Daniel Lampart begründete dies e<strong>in</strong>erseits<br />

mit den aus se<strong>in</strong>er Sicht untragbaren Leistungskürzungen<br />

für Junge und für Langzeitarbeitslose<br />

- Gruppen, welche die Krise<br />

am härtesten trifft. An<strong>der</strong>seits verwies er<br />

auf das geltende Recht, das den Bundesrat<br />

verpflichtet, bei Überschreitung e<strong>in</strong>es<br />

Schuldenplafonds <strong>von</strong> <strong>der</strong>zeit rund 6,5 Milliarden<br />

die Lohnabzüge um bis zu 0,5 Prozent<br />

zu erhöhen und das Solidaritätsprozent<br />

auf höheren E<strong>in</strong>kommensteilen wie<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>zuführen. In <strong>der</strong> Revision ist nebst dem<br />

Solidaritätsprozent „nur“ e<strong>in</strong>e Erhöhung<br />

<strong>von</strong> 0,3 Prozent vorgesehen.<br />

Kommt Erhöhung zu früh?<br />

Für Serge Gaillard, Lamparts Vorgänger im<br />

Gewerkschaftsbund, geht diese Rechnung<br />

jedoch nicht auf. Die Revision br<strong>in</strong>ge mit<br />

den Leistungskürzungen mehr als e<strong>in</strong>e<br />

(etwas stärkere) Beitragserhöhung allen.<br />

Die Bundesratskompetenz für die<br />

Erhöhung sei zudem mit dem Auftrag zu<br />

e<strong>in</strong>er Gesetzesrevision verknüpft.<br />

Klar ist, dass die Beiträge nach geltendem<br />

Recht 2011 erhöht werden müssen. Umstritten<br />

ist allerd<strong>in</strong>gs auch, ob die<br />

Erhöhung konjunkturpolitisch nicht zu früh<br />

käme. Der Unternehmer Johann Schnei<strong>der</strong>-<br />

Ammann (FDP, Bern) hatte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nationalratskommission<br />

beantragt, die Revision<br />

e<strong>in</strong>zuführen, doch mit den Massnahmen<br />

allenfalls bis 2012 zuzuwarten. Der Nationalrat<br />

entscheidet über die Vorlage <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

W<strong>in</strong>tersession.<br />

Arbeitshaus – Erziehungsheim<br />

– Kompetenzzentrum<br />

Text: Urs Hafner <strong>in</strong> Neue Zürcher Zeitung vom<br />

2. November 2009<br />

Über <strong>zwei</strong>hun<strong>der</strong>t Jahre lang stritten sich<br />

Ärzte und Pädagogen darüber, ob eltern-<br />

lose K<strong>in</strong><strong>der</strong> besser <strong>in</strong> Pflegefamilien o<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

Anstalten aufgehoben seien. Heute geben<br />

sich die Fachleute pragmatischer. Doch<br />

Heime s<strong>in</strong>d noch immer umstritten.<br />

Wie Ethnologen berichten, war es auf den<br />

westpazifischen Karol<strong>in</strong>en noch im 20.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t üblich, dass Eltern ihre K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

dauerhaft <strong>in</strong> fremde Hände gaben - nicht<br />

weil sie überfor<strong>der</strong>t gewesen wären, son<strong>der</strong>n<br />

weil diese Sitte für das Gedeihen des<br />

Nachwuchses als för<strong>der</strong>lich galt. Im<br />

mo<strong>der</strong>nen Westen herrscht e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e<br />

Auffassung vor: K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche<br />

gehören bis zur Volljährigkeit <strong>in</strong>s Elternhaus.<br />

Nur im Notfall sollen sie ohne ihre<br />

Eltern aufwachsen.<br />

Der tritt <strong>in</strong>des öfter e<strong>in</strong>, als man denkt. Er<br />

betrifft neben Waisen und Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten vor<br />

allem K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche, die <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Schule anecken, die mit dem Gesetz <strong>in</strong> Konflikt<br />

geraten o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Eltern - meist die<br />

Väter - die Erziehung <strong>der</strong>art vernachlässigen,<br />

dass die Behörden e<strong>in</strong>schreiten.<br />

Heute werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz „normalbegabte<br />

und verhaltensauffällige“ K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

Pflegefamilien sowie e<strong>in</strong>er Vielzahl <strong>von</strong><br />

sozialpädagogischen Institutionen „fremdplatziert“:<br />

vom familienähnlichen Kle<strong>in</strong>betrieb<br />

über Schul<strong>in</strong>ternate und E<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>der</strong> Nach- und Umerziehung bis h<strong>in</strong><br />

zur Massnahmenvollzugsanstalt.<br />

Internat kl<strong>in</strong>gt besser als Heim<br />

Mit se<strong>in</strong>er Ausdifferenzierung ist das klassische<br />

Erziehungsheim nahezu verschwunden.<br />

Das wird nur schon an <strong>der</strong><br />

Bezeichnung ersichtlich: Viele E<strong>in</strong>richtungen<br />

nennen sich nicht mehr „Heim“,<br />

son<strong>der</strong>n „Internat“, „Station“ o<strong>der</strong> gar<br />

„Kompetenzzentrum“. Und mit <strong>der</strong> fortschreitenden<br />

Transformation des Heims hat<br />

<strong>der</strong> über <strong>zwei</strong>hun<strong>der</strong>tjährige Streit, den<br />

sich Erzieher, Gelehrte und Pädagogen darüber<br />

lieferten, ob Anstalten o<strong>der</strong> Pflegefamilien<br />

die bessere Lösung böten, an<br />

Schärfe verloren.<br />

Beson<strong>der</strong>s heftig flackerte <strong>der</strong> Streit um<br />

Heime um 1970 auf. Nachdem mehrere Zeitschriften<br />

über sadistische Strafmethoden<br />

berichtet hatten, formierte sich die sog.<br />

Heimkampagne: Pädagogen, Zögl<strong>in</strong>ge und<br />

Juristen bemängelten, dass die Anstalten<br />

nicht die Persönlichkeitsentwicklung <strong>der</strong><br />

Insassen för<strong>der</strong>ten, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong>en Anpassung<br />

an die bestehende Ordnung<br />

erzwängen. Die Kampagne for<strong>der</strong>te das<br />

„Selbstbestimmungsrecht aller Jugendli-<br />

chen <strong>in</strong> die Wahl zwischen Elternhaus und<br />

Selbstorganisation <strong>in</strong> Wohnkollektiven“,<br />

die bestehenden Heime sollten „selbstverwaltet“<br />

werden.<br />

Wenn auch heute manche Vorstellungen<br />

<strong>der</strong> Heimkampagne illusorisch anmuten, so<br />

trug sie doch dazu bei, dass diese Institutionen<br />

durchlüftet und entideologisiert<br />

wurden. Die zum Teil bis heute nachwirkende<br />

weltanschaulich-religiöse Aufladung<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>heime setzte Anfang des 19. Jh.<br />

e<strong>in</strong>, als Industriealisierung und Hungersnöte<br />

zur Verelendung breiter Bevölkerungsschichten<br />

führten. Die bürgerlichen<br />

Schichten reagierten besorgt auf den <strong>in</strong><br />

ihren Augen verwerflichen Lebensstil <strong>der</strong><br />

Unterschichten und die Ausbreitung kommunistischer<br />

Ideen.<br />

Inspiriert <strong>von</strong> Johann He<strong>in</strong>rich Pestalozzi,<br />

gründeten Pfarrer, Philanthrop<strong>in</strong>nen und<br />

Pädagogen zahlreiche „Rettungsanstalten“.<br />

Sie setzten geradezu utopische<br />

Hoffnungen <strong>in</strong> die konfessionell,<br />

geschlechtergetrennt und autoritär<br />

geführten E<strong>in</strong>richtungen. Ausserhalb <strong>der</strong><br />

sündigen Städte gelegen, sollten sie die<br />

moralisch verwahrloste - und oft <strong>der</strong> elterlichen<br />

Obhut entrissene - Jugend unter <strong>der</strong><br />

Anleitung des „Heimvaters“ zu gehorsamen<br />

Bürgern und frommen Christen heranziehen.<br />

Als solche würden sie später vorbildlich<br />

auf ihre K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>wirken und die<br />

gesamte <strong>von</strong> Degeneration bedrohte<br />

Gesellschaft <strong>von</strong> Grund auf erneuern. E<strong>in</strong>er<br />

<strong>der</strong> schärfsten Kritiker <strong>der</strong> Erziehungsanstalten<br />

war <strong>der</strong> Literat Carl Albert Loosli. In<br />

se<strong>in</strong>em Buch „Anstaltsleben“ (1924) for<strong>der</strong>te<br />

er ihre Abschaffung und die E<strong>in</strong>richtung<br />

<strong>von</strong> Kle<strong>in</strong>stheimen, die nur drei o<strong>der</strong><br />

vier K<strong>in</strong><strong>der</strong> betreuten. Der unehelich Geborene<br />

hatte die Folgen e<strong>in</strong>er autoritär-kollektivistischen<br />

Erziehung am eigenen Leibe zu<br />

spüren bekommen. Lebenslang trug Loosli<br />

das Stigma des Heimk<strong>in</strong>ds mit sich herum.<br />

Düster Kapitel<br />

Im Mittelalter dürfte die gesellschaftliche<br />

Stigmatisierung elternlos aufwachsende<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> weniger getroffen haben als heute.<br />

Jene Zeit kannte zwar ke<strong>in</strong>e k<strong>in</strong>dgerechte<br />

Pädagogiken und <strong>in</strong>dividualisierten För<strong>der</strong>programme,<br />

aber auch ke<strong>in</strong>e neurobiologische<br />

Dysfunktionen und auch ke<strong>in</strong>e entehrende<br />

Armut. Elternlose K<strong>in</strong><strong>der</strong> wurden im<br />

Spital o<strong>der</strong> im Waisenhaus versorgt, meist<br />

<strong>in</strong> den gleichen Räumen wie die Erwachsenen.<br />

Wer sie <strong>in</strong> Obhut nahm und Almosen<br />

spendete, befolgte e<strong>in</strong> göttliches Gebot.<br />

33


Der Arme wurde als solcher respektiert,<br />

weil er dem Reichen e<strong>in</strong>e Möglichkeit zur<br />

Erlangung <strong>von</strong> Gnade bot. Mit <strong>der</strong> Reformation<br />

än<strong>der</strong>te sich die E<strong>in</strong>stellung zur Armut.<br />

Wer dazu imstande war, sollte arbeiten, um<br />

nicht dem Geme<strong>in</strong>wesen zur Last zu fallen<br />

und sich damit zu versündigen. Das<br />

bekamen auch die Waisenk<strong>in</strong><strong>der</strong> zu spüren.<br />

In <strong>der</strong> frühen Neuzeit <strong>in</strong>ternierten die<br />

Obrigkeiten <strong>der</strong> reformierten Städte<br />

Jugendliche <strong>in</strong> Arbeitshäusern, wo sie unter<br />

grossen Mühen für ihren Unterhalt aufkommen<br />

mussten. An diesen Anstalten entzündete<br />

sich Ende des 18. Jh. <strong>der</strong> sog. Waisenhausstreit<br />

- die erste grössere Debatte<br />

über die Vor- und Nachteile <strong>von</strong> Pflegefamilien<br />

und Heimen.<br />

Als Arbeitskräfte missbraucht<br />

Geistliche, Ärzte und aufklärerische Bürger<br />

wiesen auf die <strong>in</strong> vielen Anstalten herrschenden<br />

unhygienischen Zustände und<br />

die hohe K<strong>in</strong><strong>der</strong>sterblichkeit h<strong>in</strong>. Statt dass<br />

man die K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu Arbeitsfähigkeit, Religiosität<br />

und Sittlichkeit erziehe, richte man sie<br />

zugrunde. In Pflegefamilien wären sie viel<br />

besser versorgt. Das sog. Verd<strong>in</strong>gwesen,<br />

die behördlich angeordnete Unterbr<strong>in</strong>gungen<br />

<strong>von</strong> Unterschichtk<strong>in</strong><strong>der</strong>n auf dem<br />

Land, bewährte sich allerd<strong>in</strong>gs überhaupt<br />

nicht. Tausende <strong>von</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />

wurden im 19. und 20. Jh. als günstige<br />

Arbeitskräfte missbraucht. Das <strong>von</strong> <strong>der</strong> Pro<br />

Juventute getragene „Hilfswerk für die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>der</strong> Landstrasse“ nahm den Fahrenden<br />

zwischen 1926 und 1973 systematisch<br />

ihre K<strong>in</strong><strong>der</strong> weg und brachte sie <strong>in</strong><br />

Pflegefamilien, Heimen und Kl<strong>in</strong>iken unter,<br />

um aus ihnen rechtschaffene Menschen zu<br />

formen.<br />

Heute sche<strong>in</strong>t <strong>der</strong> Streit, ob Heime o<strong>der</strong><br />

Pflegefamilien besser seien, entschieden<br />

zu se<strong>in</strong>. Dass Letztere für kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

geeignet s<strong>in</strong>d, während Jugendliche, die<br />

durch ihre Herkunftsfamilie traumatisiert<br />

wurden, <strong>in</strong> Heimen unter Umständen entlastende<br />

Lebensbed<strong>in</strong>gungen vorf<strong>in</strong>den, ist<br />

unbestritten. Ohneh<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d die Grenzen<br />

zwischen Herkunfts-, Pflegefamilie und stationärer<br />

E<strong>in</strong>richtung durchlässig geworden.<br />

Das Heim ist heute Gegenstand e<strong>in</strong>er ganz<br />

an<strong>der</strong>en Frage: ob ihm die ambulante Hilfe,<br />

etwa <strong>der</strong> sozialpädagogischen Familie o<strong>der</strong><br />

multisystemischen Therapie, vorzuziehen<br />

sei. Oftmals ist beim Entscheid jedoch<br />

letztlich gar nicht die Fallgeschichte, son<strong>der</strong>n<br />

das fehlende Geld <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Hand ausschlaggebend. Heime s<strong>in</strong>d teuer.<br />

Cl<strong>in</strong>tons Appell zur Integration<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ter – E<strong>in</strong>weihung<br />

des Center for Disability and<br />

Integration an <strong>der</strong> Universität<br />

St. Gallen<br />

Text: Jörg Krummenacher <strong>in</strong> Neue Zürcher Zeitung<br />

vom 6. November 2009<br />

Die Universität St. Gallen hat e<strong>in</strong> Forschungszentrum<br />

e<strong>in</strong>geweiht, das die berufliche<br />

Integration <strong>von</strong> Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten verbessern<br />

will. Bill Cl<strong>in</strong>ton rief als Schirmherr <strong>der</strong><br />

Stiftung „My Handycap“ dazu auf, das<br />

Potenzial beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ter Menschen besser zu<br />

nutzen.<br />

Das Bundesamt für Sozialversicherungen<br />

versucht es mit provokativen Plakatkampagnen,<br />

die Universität St. Gallen (HSG) mit<br />

wissenschaftlicher Grundlagenarbeit:<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te sollen besser <strong>in</strong> Gesellschaft<br />

und Arbeitswelt <strong>in</strong>tegriert und re<strong>in</strong>tegriert<br />

werden. Offensichtlich braucht es beson<strong>der</strong>e<br />

Aktionen, um für das Anliegen e<strong>in</strong><br />

breites Publikum zu f<strong>in</strong>den. Die HSG, unterstützt<br />

<strong>von</strong> <strong>der</strong> Stiftung „My Handicap“, lud<br />

<strong>der</strong>en Ehrenschirmherrn Bill Cl<strong>in</strong>ton zur<br />

Eröffnungsrede des neuen Center for Disability<br />

and Integration (CDI-HSG) e<strong>in</strong>. Der<br />

ehemalige US-Präsident kam, sprach ohne<br />

Gage <strong>in</strong> freier Rede vor e<strong>in</strong>em ausgewählten<br />

170-köpfigem Kreis und bee<strong>in</strong>druckte<br />

mit e<strong>in</strong>em sehr persönlichen<br />

Zugang zum Thema.<br />

„Wir alle haben Defekte“<br />

Cl<strong>in</strong>ton erzählte Beispiele <strong>von</strong> Ausgrenzung<br />

und Diskrim<strong>in</strong>ierung Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ter. Es sei<br />

während se<strong>in</strong>er US-Präsidentschaft e<strong>in</strong>facher<br />

gewesen, den Friedensprozess im<br />

Nahen Osten zu starten, als <strong>in</strong> den USA<br />

e<strong>in</strong>em beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Mädchen den Zugang<br />

zur Schule zu verschaffen. Das weltweite<br />

Engagement zugunsten <strong>der</strong> beruflichen<br />

Integration Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ter sei auch e<strong>in</strong>e Frage<br />

des wirtschaftlichen Eigen<strong>in</strong>teresses: Es<br />

gelte, <strong>der</strong>en Fähigkeiten zu nutzen, statt<br />

sich darauf zu fokussieren, wozu sie nicht<br />

fähig seien. Die Unterscheidung <strong>in</strong> beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te<br />

und nichtbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te Menschen<br />

müsse aufhören. „Je<strong>der</strong>mann hat gewisse<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen, wir alle haben emotionale<br />

Defekte“, sagte Cl<strong>in</strong>ton im Weiterbildungszentrum<br />

<strong>der</strong> HSG.<br />

Den Betroffenen selbst riet er, nicht an die<br />

Vergangenheit und daran zu denken, was<br />

sie verloren hätten, son<strong>der</strong>n nach vorne zu<br />

schauen und ihre Stärken zu entfalten.<br />

E<strong>in</strong>er, <strong>der</strong> dies getan hat, ist Joachim<br />

Schoss. Der Unternehmer verlor 2002 bei<br />

e<strong>in</strong>em unverschuldeten Töffunfall den<br />

rechten Arm und das rechte Be<strong>in</strong>. Er gründete<br />

die Stiftung „My Handicap“ zur Re<strong>in</strong>tegration<br />

beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ter Menschen. Während<br />

e<strong>in</strong>er Veranstaltung <strong>in</strong> London wurde er Bill<br />

Cl<strong>in</strong>ton vorgestellt, <strong>der</strong> sich mit se<strong>in</strong>er<br />

eigenen Foundation nicht nur für die<br />

Bekämpfung <strong>von</strong> Aids und Malaria o<strong>der</strong> für<br />

Massnahmen gegen den Klimawandel e<strong>in</strong>setzt,<br />

son<strong>der</strong>n auch für Benachteiligte <strong>in</strong><br />

aller Welt. Cl<strong>in</strong>ton wurde zum Ehrenschirmherrn<br />

<strong>von</strong> „My Handicap“.<br />

Schoss stellte für die E<strong>in</strong>richtung des HSG-<br />

Forschungszentrums 14 Millionen Franken<br />

zur Verfügung. Dies deckt das Budget,<br />

neben e<strong>in</strong>em Beitrag des Kantons St.<br />

Gallen, für 14 Jahre ab. Schoss machte die<br />

Erfahrung, dass die empirische Forschung<br />

auf dem Gebiet <strong>der</strong> sozialen und wirtschaftlichen<br />

Integration mehr o<strong>der</strong> weniger<br />

brachliege und dass auch die praktische<br />

Lebenshilfe für Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te markant verbessert<br />

werden können. Den grössten Engpass<br />

bei <strong>der</strong> beruflichen Integration sieht er auf<br />

Arbeitgeberseite.<br />

Die Platzierung des Forschungszentrums<br />

an <strong>der</strong> HSG sei deshalb naheliegend<br />

gewesen. Nach Angaben <strong>der</strong> Europäischen<br />

Kommission s<strong>in</strong>d nur 40 Prozent <strong>der</strong> Menschen<br />

mit Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>in</strong> den Arbeitsprozess<br />

<strong>in</strong>tegriert. Das CDI-HSG ist seit letztem<br />

Frühl<strong>in</strong>g tätig und mit neun Mitarbeitern<br />

dotiert. Die beiden Direktoren Eva Deuchert<br />

und Stephan Böhm werden sich <strong>der</strong> volksund<br />

betriebswirtschaftlichen Forschung<br />

widmen, aber auch beratend und <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Lehre tätig se<strong>in</strong>. Die Arbeit werde sehr praxisnah<br />

erfolgen.<br />

Untersuchungen zur IV<br />

E<strong>in</strong>en Schwerpunkt setzen sie auf Untersuchungen<br />

zur Invalidenversicherung, so sei<br />

es doch unklar, weshalb die Zahl <strong>der</strong> IV-<br />

Renten stark angestiegen sei. Sie riefen am<br />

5. November 2009 gleich auch e<strong>in</strong>en Wettbewerb<br />

für Unternehmen <strong>in</strong>s Leben, mit<br />

dem Fälle <strong>von</strong> vorbildlicher beruflicher Integration<br />

sowie Ideen dazu prämiert werden<br />

sollen.


Maturand<strong>in</strong> organisiert Bil<strong>in</strong>gue Slam<br />

Am Freitag, 6. November 2009, f<strong>in</strong>det im<br />

Rampe Club <strong>in</strong> Bubikon <strong>der</strong> <strong>von</strong> Lea Graf<br />

<strong>in</strong>itiierte und perfekt organisierte erster<br />

Poetry Bil<strong>in</strong>gue Slam im Kanton Zürich<br />

statt.<br />

Gehörlose und hörende Dichter im<br />

freundschaftlichen Wettstreit. Und das<br />

Phänomenale ist, die hörende und nicht<br />

hörende Szene ist vollzählig anwesend.<br />

Niemand will sich das Feuerwerk e<strong>in</strong>es<br />

<strong>zwei</strong>sprachigen Poetry-Abends entgehen<br />

lassen. Die überglückliche Lea Graf darf<br />

stolz und mit grosser Genugtuung zur<br />

Kenntnis nehmen, dass sehr viele<br />

Zuschauende und Zuhörende zu ihrem<br />

Anlass nach Bubikon gekommen s<strong>in</strong>d.<br />

Kurz vor Beg<strong>in</strong>n des Bil<strong>in</strong>gue-Slam-Wettkampfes<br />

steigt die Angespanntheit bei<br />

Lea Graf. Trotzdem f<strong>in</strong>det sie für e<strong>in</strong><br />

kurzes Statement mit <strong>der</strong> sonos-Redaktion<br />

Zeit.<br />

Lea Graf strahlt und me<strong>in</strong>t: „Ich b<strong>in</strong><br />

extrem glücklich und vor allem sehr überrascht<br />

über den unerwartet grossen<br />

Publikumsaufmarsch. Schön f<strong>in</strong>de ich,<br />

dass heute Abend Gehörlose und<br />

Hörende, also Menschen <strong>von</strong> <strong>zwei</strong> verschiedenen<br />

Kulturen, anwesend s<strong>in</strong>d. Es<br />

ist e<strong>in</strong>fach super.<br />

Seit an<strong>der</strong>thalb Jahren besuche ich bei<br />

Andreas Juon regelmässig Gebärdensprachunterricht.<br />

Mich <strong>in</strong>teressiert <strong>der</strong><br />

geschichtliche H<strong>in</strong>tergrund des Gehörlosenwesens<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz und mich fasz<strong>in</strong>iert<br />

die Sprache <strong>der</strong> Gehörlosen, die<br />

Gebärdensprache. Und deshalb wollte<br />

ich die Kultur <strong>der</strong> Gehörlosen besser<br />

Lea Graf die 20-jährige Kanti-Schüler<strong>in</strong> freut sich riesig über den grossen Publikumsaufmarsch an ihren Bil<strong>in</strong>gue-<br />

Slam-Event <strong>in</strong> Bubikon.<br />

kennen lernen. So reifte die Idee, dass ich als<br />

Grundlage für me<strong>in</strong>e Maturaarbeit e<strong>in</strong>en<br />

Bil<strong>in</strong>gue-Slam als Begegnungsveranstaltung<br />

für Gehörlose und Hörende organisieren<br />

wollte. Ich möchte sprachlicher Kultur im<br />

Austausch mit Gehörlosen und Hörenden<br />

e<strong>in</strong>e Begegnungsplattform bieten.<br />

Im ganzen Projekt wurde ich <strong>in</strong> verdankenswerter<br />

Weise <strong>von</strong> Ruedi Graf, Geschäftsführer<br />

<strong>von</strong> sichtbar Gehörlose Zürich, unterstützt.<br />

Er hat grossen Anteil, dass dieser<br />

Event <strong>von</strong> A bis Z durchgezogen werden<br />

konnte. Ihm gebührt e<strong>in</strong> ganz grosses Dankeschön.<br />

Er war unter an<strong>der</strong>em massgeblich<br />

dafür besorgt, die heute Abend auftretenden<br />

Deaf-Slammer, Andreas Juon (Gägi), Thomas<br />

Zimmermann, Beat Marchetti und Rolf Perrollaz<br />

zu organisieren. Von den vier anfänglich<br />

angefragten hörenden Slammern habe<br />

ich relativ schnell e<strong>in</strong>e Zusage bekommen.<br />

Kurzfristig habe aber <strong>zwei</strong> dieser Slammer<br />

abgesagt und dafür s<strong>in</strong>d zum Glück Sam<br />

Hofacker und Philip Vlahos e<strong>in</strong>gesprungen,<br />

die zusammen mit Ivo Engeler und Gabriel<br />

Vetter heute Abend auftreten werden. Ich<br />

freue mich überaus auf die poetischen Wortund<br />

Gebärden-Spielereien <strong>der</strong> acht Slammer<br />

und natürlich auf e<strong>in</strong>en spannenden und<br />

fairen Wettstreit.“<br />

Der Contest<br />

Mit viel Power begrüsst das temperamentvolle<br />

Mo<strong>der</strong>atorenpaar Nejla Helbl<strong>in</strong>g<br />

(gehörlos) und Etrit Hasler (hörend) ganz<br />

herzlich das Publikum im Rampe Club. Speziell<br />

willkommen geheissen werden vom<br />

Mo<strong>der</strong>atorenpaar die beiden Gebärdensprachdolmetscher<strong>in</strong>nen<br />

Barbara Bucher<br />

und Lilli Kahler, welche die anspruchsvolle<br />

Aufgabe übernommen haben, die gesprochenen<br />

und gebärdeten Texte <strong>der</strong><br />

Gebärden- und Wortakrobaten simultan zu<br />

übersetzen und so wesentlich zur Überw<strong>in</strong>dung<br />

<strong>der</strong> Sprachbarrieren <strong>der</strong> beiden Kulturen<br />

beizutragen.<br />

Sowohl Nejla Helbl<strong>in</strong>g wie auch Etrit Hasler<br />

betonen <strong>in</strong> ihrer Begrüssung, dass sie es<br />

fantastisch f<strong>in</strong>den, dass zu diesem aussergewöhnlichen<br />

Contest so viele Besucher<strong>in</strong>nen<br />

und Besucher nach Bubikon<br />

gekommen seien. Sie s<strong>in</strong>d da<strong>von</strong> überzeugt,<br />

dass es e<strong>in</strong>en ganz spannenden<br />

Wettkampf mit vielen Highlights geben<br />

werde. Nachdem Nejla Helbl<strong>in</strong>g und Etrit<br />

Hasler die Wettkampfregeln erklärt und die<br />

sechs - nichthörende und hörende -<br />

Juroren, welche spontan aus dem Publikum<br />

ausgewählt werden, vorgestellt haben,<br />

kann endlich <strong>der</strong> Wettkampf beg<strong>in</strong>nen.<br />

Nejla Helbl<strong>in</strong>g und Etrit Hasler heissen die<br />

acht Slammer ganz herzlich willkommen.<br />

Je<strong>der</strong> Slammer hat nun die Chance, das<br />

Publikum und die Jury während maximal<br />

sechs M<strong>in</strong>uten mit se<strong>in</strong>er Performances <strong>von</strong><br />

sich zu überzeugen - o<strong>der</strong> besser gesagt zu<br />

begeistern.<br />

35


In <strong>der</strong> Folge entwickelt sich e<strong>in</strong> hochkarätiger<br />

Wettkampf. Die Poeten gaben<br />

richtig Vollgas und ziehen alle Register<br />

ihres Könnens. Das Publikum ist aus dem<br />

Häuschen und die Darbietungen <strong>der</strong><br />

Poeten werden frenetisch bejubelt und<br />

beklatscht. Die Stimmung im Rampe Club<br />

steigt <strong>von</strong> Slammer zu Slammer. Und die<br />

beiden Gebärdensprachdolmetscher<strong>in</strong>nen<br />

werden bis an ihre Leistungsgrenzen gefor<strong>der</strong>t<br />

und müssen ihre ganze Professionalität<br />

unter Beweis stellen.<br />

Das F<strong>in</strong>ale<br />

Die drei erstklassierten Slammer aus <strong>der</strong><br />

Vorrunde müssen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Schlussrunde<br />

den Sieger unter sich ausmachen. Bei<br />

e<strong>in</strong>em phänomenalen F<strong>in</strong>ale treten Thomas<br />

Zimmermann, Andreas Juon (Gägi) und<br />

Gabriel Vetter gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> an. Zum<br />

Schluss die Überraschung. Gabriel Vetter<br />

und Andreas Juon (Gägi) gew<strong>in</strong>nen mit <strong>der</strong><br />

gleichen Punktezahl! Das erste Mal an<br />

e<strong>in</strong>em Bil<strong>in</strong>gue-Slam, wo e<strong>in</strong> hören<strong>der</strong> und<br />

e<strong>in</strong> gehörloser Slammer geme<strong>in</strong>sam<br />

siegen.<br />

Fazit<br />

Dir Idee <strong>von</strong> Lea Graf, e<strong>in</strong>e Bil<strong>in</strong>gue-Slam-<br />

Begegnungsveranstaltung für Gehörlose<br />

und Hörende zu organisieren und durchzuführen,<br />

wurde zum ganz grossen Erfolg. Ihr<br />

Ziel, sprachlicher Kultur im Austausch mit<br />

Gehörlosen und Hörenden e<strong>in</strong>e Begegnungsplattform<br />

zu bieten, hat sie zu 100<br />

Prozent erreicht. Das begeisterte Publikum<br />

des ersten Bil<strong>in</strong>gue-Slams im Kantons<br />

Zürich bedankt sich bei Lea Graf mit e<strong>in</strong>em<br />

tosenden Applaus für ihre Tatkraft und die<br />

perfekte Organisation des Slam-Events.<br />

Und e<strong>in</strong>es sche<strong>in</strong>t für alle Besucher<strong>in</strong>nen<br />

und Besucher am Schluss <strong>der</strong> Veranstaltung<br />

klar zu se<strong>in</strong>. Die Matura-Arbeit <strong>von</strong> Lea<br />

Graf wird mit Bestimmtheit e<strong>in</strong> grosser<br />

Erfolg werden. Herzliche Gratulation.<br />

[rr]<br />

Lea Graf<br />

zusammen<br />

mit Ruedi<br />

Graf <strong>von</strong><br />

sichtbar<br />

Gehörlose<br />

Zürich.<br />

Das powervolleMo<strong>der</strong>atorenpaar<br />

Nejla Helbl<strong>in</strong>g<br />

und Etrit<br />

Hasler.<br />

Was ist Poetry-Slam?<br />

Auszug aus <strong>der</strong> Pressmitteilung <strong>von</strong> Lea Graf<br />

„Poetry-Slam“ heisst übersetzt „Dichterwettstreit“,<br />

er ist e<strong>in</strong> literarischer Vortragswettbewerb,<br />

dem klare Richtl<strong>in</strong>ien und<br />

Regeln zu Grunde liegen:<br />

• beschränkte Teilnehmerzahl<br />

• Zeitlimite (normalerweise ca. 5 - 7<br />

M<strong>in</strong>uten)<br />

• ke<strong>in</strong>e Requisiten (erlaubt ist alle, was mit<br />

Stimme und Körper möglich ist)<br />

• Bewertungs- und Ausscheidungssystem<br />

• Gew<strong>in</strong>ntrophäe<br />

Die Texte werden nicht e<strong>in</strong>fach vorgelesen<br />

wie bei herkömmlichen Lesungen. Es wird<br />

ihnen Leben e<strong>in</strong>gehaucht: Die Poeten performen<br />

schreiend, flüsternd, jaulend o<strong>der</strong><br />

keuchend, sie rhythmisieren den Text und<br />

animieren so das Publikum zu e<strong>in</strong>em unmittelbaren<br />

Feedback. Das Ziel des Wettbewerbs<br />

ist nicht nur, unbed<strong>in</strong>gt zu gew<strong>in</strong>nen,<br />

son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> Feuerwerk <strong>der</strong> Wortkunst zu verbreiten.<br />

Inhaltlich wie auch formal ist man<br />

frei. Die Arten <strong>der</strong> Literatur gehen <strong>von</strong><br />

mo<strong>der</strong>ner Sprachkunst, über klassische und<br />

mo<strong>der</strong>ne Lyrik bis zu Comedy, Kabarett o<strong>der</strong><br />

Prosa. Meist s<strong>in</strong>d es spezifisch für die Bühne<br />

geschriebene Texte, <strong>der</strong>en Wert sich vor<br />

allem <strong>in</strong> gesprochener Form entfaltet.<br />

Rangliste:<br />

1. Andreas Juon (Gägi)<br />

1. Gabriel Vetter<br />

3. Thomas Zimmermann<br />

4. Beat Marchetti<br />

4. Sam Hofacher<br />

6. Philip Vlahos<br />

7. Rolf Perrollaz<br />

8. Ivo Engeler


<strong>Impressionen</strong> <strong>von</strong> <strong>zwei</strong> <strong>Gehörlosenweihnachtsfeiern</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ostschweiz<br />

Stimmungsvolle Feier <strong>in</strong> We<strong>in</strong>felden<br />

vom 14. Dezember 2008<br />

In e<strong>in</strong>em <strong>von</strong> vielen Gebärdengospellie<strong>der</strong>n<br />

umrahmten Gottesdienst nimmt<br />

Pfarrer Achim Menges <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Predigt<br />

Bezug darauf, wie Josef es annahm, dass<br />

er nicht <strong>der</strong> leibliche Vater <strong>von</strong> Jesus war.<br />

„Josef hat dies im Vertrauen auf Gott<br />

angenommen. Auch heute müssen viele<br />

Menschen vieles annehmen, was sie<br />

eigentlich nicht möchten“, erwähnt<br />

Achim Menges wie beispielsweise das<br />

Älterwerden. Menges gibt zu bedenken:<br />

„Was sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit zugetragen<br />

hat, das kann man nur<br />

annehmen.“ Er weist darauf h<strong>in</strong>, dass es<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Gebärdensprache für dieses<br />

Annehmen <strong>von</strong> etwas Fremden, <strong>von</strong><br />

etwas, das man sich nicht unbed<strong>in</strong>gt<br />

wünsche, e<strong>in</strong>e eigene Gebärde gebe.<br />

Auch die Gehörlosigkeit und die Schwerhörigkeit<br />

und das beson<strong>der</strong>e Verhalten,<br />

das dann nötig werde, müsse man<br />

annehmen. Achim Menges nimmt <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>en Darlegungen Bezug auf Felix<br />

Urech, <strong>der</strong> geschrieben habe, Gehörlose<br />

predigen an<strong>der</strong>s. Gott habe die Gehörlosen<br />

erschaffen und gehörlose Menschen<br />

könnten zufrieden se<strong>in</strong> mit Gott.<br />

Felix Urech, <strong>der</strong> dies geschrieben habe,<br />

sei selbst gehörlos.<br />

Der Pfarrer leitet dann wie<strong>der</strong> zu Josef<br />

über. „Bei Josef ist die Bereitschaft im<br />

Inneren gewachsen, Jesus als K<strong>in</strong>d anzunehmen,<br />

auch wenn es nicht se<strong>in</strong> eigenes<br />

K<strong>in</strong>d war. Josef bekam e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>gebung im<br />

Traum, denn Gott sagte ihm, er solle das<br />

K<strong>in</strong>d annehmen und ihm den Namen<br />

Immanuel Jesus geben“, führt Menges<br />

aus. Auch heute sei es bei vielen Menschen<br />

so, dass man vor e<strong>in</strong>er schwierigen<br />

Entscheidung zuerst e<strong>in</strong> paar Mal darüber<br />

schlafen müsse. Was bedeutet<br />

annehmen? „Dagegen muss ich nicht<br />

kämpfen, man kann se<strong>in</strong>e Vergangenheit<br />

annehmen und muss dagegen nicht<br />

kämpfen.“<br />

Dass man e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> anschaut, gehört zur<br />

Gehörlosengeme<strong>in</strong>de. Im e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> Ansehen<br />

liegt auch die Botschaft „Danke<br />

dass du da bist“. Dadurch geschieht e<strong>in</strong>e<br />

Wandlung. Dies wird auch auf dem Bild<br />

<strong>von</strong> Jesus, Maria und Josef deutlich.<br />

Gebärdengospelsong<br />

„Go tell it on<br />

the mounta<strong>in</strong>s“.<br />

Pfarrer<br />

Menges<br />

s<strong>in</strong>gt und<br />

gebärdet<br />

das Lied<br />

„Go tell it on<br />

the mounta<strong>in</strong>s“.<br />

Adolf Locher<br />

wirkt im<br />

Gottesdienst<br />

mit…<br />

Weihnachtsfeier <strong>in</strong> We<strong>in</strong>felden


Weihnachtsfeier <strong>in</strong> We<strong>in</strong>felden<br />

Pfarrer Walter Spengler vor <strong>der</strong> Kirche <strong>in</strong> We<strong>in</strong>felden. Der engagierte Gehörlosenpfarrer<br />

war 50 Jahre lang Präsident des Thurgauischen Gehörlosenfürsorgevere<strong>in</strong>s.<br />

Adolf Locher würdigt das jahrzehntelange verdienstvolle Wirken<br />

<strong>von</strong> Gehörlosenpfarrer Walter Spengler.<br />

… wie auch an<strong>der</strong>e Geme<strong>in</strong>demitglie<strong>der</strong><br />

Inge Scheiber-Sengl<br />

Feierliches Weihnachtsessen im<br />

Restaurant zur Trauben <strong>in</strong><br />

We<strong>in</strong>felden mit etwa 60 Personen.


Gemütliche Gehörlosenweihnachtsfeier vom<br />

21. Dezember 2008 im Kirchgeme<strong>in</strong>dehaus<br />

St. Mangen <strong>in</strong> St. Gallen<br />

Ca. 160 Personen - gehörlose und hörende<br />

- f<strong>in</strong>den sich im Kirchgeme<strong>in</strong>dehaus e<strong>in</strong>,<br />

um an diesem 4. Adventssonntag<br />

zusammen Weihnachten zu feiern. In e<strong>in</strong>er<br />

Ecke des Saales verbreiten brennende<br />

Kerzen am Christbaum ihr strahlendes<br />

Licht. Dorothee Buschor erwähnt zu<br />

Beg<strong>in</strong>n, dass es ganz wichtig sei, e<strong>in</strong>mal<br />

im Jahr mit ganz viel Licht zu feiern.<br />

Die Predigt <strong>von</strong> Pfarrer Achim Menges steht<br />

unter dem Thema des Bibelwortes aus dem<br />

Johannesevangelium Kapitel 8, Vers 12<br />

„Jesus ist das Licht <strong>der</strong> Welt.“ Pfarrer<br />

Menges weist darauf h<strong>in</strong>, dass die Weihnachtsgeschichte<br />

auch heute noch den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

und Enkeln jedes Jahr erzählt werde.<br />

Er nimmt dann darauf Bezug, dass man <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Burg Massada <strong>von</strong> Herodes vor e<strong>in</strong> paar<br />

Jahren 2000 Jahre alte Datteln gefunden<br />

habe. Im Jahr 2005 hätten Forscher drei<br />

dieser Dattelkerne <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Topf mit Erde<br />

gesteckt und aus e<strong>in</strong>em dieser Kerne, sei<br />

dann e<strong>in</strong>e Pflanze entsprossen. Diese Dattelpflanze<br />

sei heute bereits 1.20 Meter<br />

hoch. Er fragt, wie es möglich sei, dass man<br />

auch heute etwas spüre vom Licht <strong>von</strong><br />

Jesus und se<strong>in</strong>er Liebe. Pfarrer Menges<br />

erzählt dann wie e<strong>in</strong> Mädchen an <strong>der</strong><br />

Sprachheilschule e<strong>in</strong>e Geschichte erfunden<br />

habe <strong>von</strong> Jesus im Knabenalter, <strong>der</strong> dann<br />

habe <strong>in</strong> die Sprachheilschule wechseln<br />

dürfen, weil er an <strong>der</strong> Regelschule immer<br />

verspottet und ausgelacht worden sei, weil<br />

er dort Mühe gehabt habe. In <strong>der</strong> Sprachheilschule<br />

sei es dann hell geworden.<br />

Menges nimmt darauf Bezug, dass Jesus<br />

se<strong>in</strong> Licht auf verschiedene Menschen<br />

gerichtet habe, Bl<strong>in</strong>de, Arme, Gehörlose.<br />

Jesus habe se<strong>in</strong> Licht auf alle Menschen<br />

gerichtet und damit die Botschaft verknüpft,<br />

dass alle Menschen <strong>von</strong> Gott angenommen<br />

werden.<br />

Der ganze Gottesdienst wird stimmungsvoll<br />

untermalt mit dem unter <strong>der</strong> Leitung<br />

<strong>von</strong> Inge Scheiber-Sengl stehenden Gebärdengospelchor,<br />

welcher die <strong>von</strong> Stefanie<br />

Suhner gesungenen Lie<strong>der</strong>, die am Flügel<br />

<strong>von</strong> Dorothea Kräuchi begleitet wird, wun<strong>der</strong>schön<br />

<strong>in</strong> Gebärdenlie<strong>der</strong> transferieren.<br />

Anschliessend f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong> fe<strong>in</strong>er „Suppenzmittag“<br />

statt, für den sich rund 120 Personen<br />

angemeldet haben. Der Koch des<br />

Gehörlosenheimes „Haus Vor<strong>der</strong>dorf“ <strong>in</strong><br />

Trogen hat <strong>zwei</strong> ausgezeichnete Suppen<br />

vorbereitet und e<strong>in</strong> riesiges Dessertbuffet.<br />

In fröhlicher Stimmung wird gegessen und<br />

mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> diskutiert. Auch Ruth Kasper,<br />

die ehemalige Fürsorger<strong>in</strong> <strong>der</strong> Gehörlosen-<br />

Pfarrer Achim<br />

Menges freut<br />

sich über die<br />

gelungene<br />

Weihnachtsfeier,<br />

im H<strong>in</strong>tergrundstehend<br />

Pfarrer<br />

Walter<br />

Spengler.<br />

Trudi Hitz<br />

fachstelle St. Gallen, die dort <strong>von</strong> 1966 bis<br />

1989 tätig war, ist anwesend, ebenso<br />

nehmen Pfarrer Dr. Adolf We<strong>der</strong>, St. Galler<br />

Kirchenratspräsident, wie Pfarrer Graf, alt<br />

Kirchenratspräsident und Pfarrer Walter<br />

Spengler sowie Bruno Schlegel, Direktor<br />

<strong>der</strong> Sprachheilschule St. Gallen und sonos-<br />

Präsident, an <strong>der</strong> Weihnachtsfeier teil.<br />

Stimmungsbil<strong>der</strong> <strong>von</strong> <strong>der</strong> Weihnachtsfeier <strong>in</strong> St. Gallen


[lk]<br />

Bruno Schlegel an <strong>der</strong><br />

Gehörlosenweihnachtsfeier St. Gallen.<br />

Der Gebärdengospelchor.<br />

Ruth Kasper, die ehemalige Fürsorger<strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Gehörlosenfachstelle St. Gallen, ist ebenfalls anwesend<br />

und freut sich, viele bekannte Gesichter wie<strong>der</strong> zu sehen.<br />

Die Sänger<strong>in</strong> Stefanie Suhner.<br />

St. Galler Kirchenratspräsident, Pfarrer Dr. Adolf We<strong>der</strong>.


CAS<br />

Kommunikation unter<br />

erschwerten Bed<strong>in</strong>gungen<br />

Für Fachpersonen<br />

→ die mit Menschen mit Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> den Bereichen<br />

Hören, Sehen, Sprache, Kognition und<br />

Motorik arbeiten<br />

→ an Institutionen, an Beratungsstellen, <strong>in</strong> therapeu-<br />

tischen und mediz<strong>in</strong>ischen Sett<strong>in</strong>gs, <strong>in</strong> Bildungs-<br />

angeboten, <strong>in</strong> unterstützenden und betreuenden<br />

Funktionen<br />

Im Zertifikatslehrgang (CAS) wird analysiert, was<br />

gel<strong>in</strong>gende Kommunikation erschwert und was sie<br />

begünstigt. In dialogisch gestalteten Kursprozessen<br />

werden Handlungsmöglichkeiten erarbeitet, erprobt<br />

und weiter entwickelt.<br />

Detailprogramm, Anmeldeunterlagen<br />

Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik HfH,<br />

Bereich Weiterbildung, Schaffhauserstrasse 239,<br />

Postfach 5850, 8050 Zürich<br />

Tel. 044 317 11 81, Fax 044 317 11 83, wfd@hfh.ch<br />

Inhaltliche Informationen bei den Kursleitenden<br />

Remi Frei, lic. phil., remi.frei@hfh.ch<br />

Emanuela Wertli, Prof. lic. phil., emanuela.wertli@hfh.ch<br />

Anmeldeschluss<br />

10. Februar 2010<br />

Schaffhauserstrasse 239<br />

Postfach 5850<br />

CH-8050 Zürich<br />

Tel 044 317 11 11<br />

<strong>in</strong>fo@hfh.ch<br />

www.hfh.ch<br />

Kalen<strong>der</strong> für Gehörlosenhilfe<br />

2010<br />

Im Kalen<strong>der</strong> f<strong>in</strong>den Sie e<strong>in</strong> ausführliches Kalendarium mit Marktkalen<strong>der</strong>.<br />

E<strong>in</strong>st empfanden wir die Zeit <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Geburtstag zum<br />

an<strong>der</strong>n als unendlich lang. Im Alter dagegen staunen wir, wie die<br />

Jahre nur so dah<strong>in</strong>eilen: Die <strong>in</strong>nere Uhr jedes E<strong>in</strong>zelnen wird vom<br />

Takt <strong>der</strong> äusseren Ereignisse bestimmt.<br />

Mit Themen <strong>von</strong> gestern und heute wollen wir<br />

Ihre Neugier wecken:<br />

• Der Wald gehört zu den wichtigsten Lebensgeme<strong>in</strong>schaften <strong>der</strong><br />

Erde. Er beherbergt nebst den Bäumen auch viele Pflanzenarten.<br />

Für Rehe, Hirsche, Wildschwe<strong>in</strong>e, Füchse, Dachse, Hasen und<br />

unzählige Insekten ist <strong>der</strong> Wald Rückzugsort.<br />

• Das Liebesleben <strong>der</strong> Blumen ist vielfältig, sie können raff<strong>in</strong>ierte<br />

Verführer se<strong>in</strong>, ihre Freunde reichen vom W<strong>in</strong>d bis zur Fle<strong>der</strong>maus.<br />

• „Flugmasch<strong>in</strong>en, die schwerer s<strong>in</strong>d als die Luft, s<strong>in</strong>d unmöglich“,<br />

hiess es e<strong>in</strong>st. Um den Traum vom Fliegen dennoch zu realisieren,<br />

wurden unzählige Flugmasch<strong>in</strong>en entwickelt.<br />

• Für die gehörlose Lea Fuchser wurde <strong>der</strong> Traum <strong>von</strong> <strong>der</strong> Selbstständigkeit<br />

wahr: Sie hat ihren eigenen Coiffeursalon. Gehörlosen<br />

und hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Menschen muss beim Lernen viel mehr<br />

geholfen werden. Über Anstrengungen und mögliche Verbesserungen<br />

erzählt <strong>der</strong> gehörlose Bildungsbeauftragte Andreas Janner.<br />

Viel Spass beim Lesen und DANKE für Ihre Unterstützung.<br />

Bestellen Sie den Kalen<strong>der</strong> für Gehörlosenhilfe zum Preis <strong>von</strong><br />

Fr. 19.50 bei Hallwag Kümmerly+Frey AG<br />

Grubenstrasse 109<br />

3322 Schönbühl<br />

Telefon 0848 808 404 (Lokaltarif)<br />

E-Mail gehoerlosenhilfe@hallwag.ch<br />

41


Zum Rücktritt <strong>von</strong> Frau Pfarrer<br />

Marianne Birnstil, Gehörlosen-<br />

Seelsorger<strong>in</strong> <strong>in</strong> Zürich<br />

Das 100-Jahr-Jubiläum <strong>der</strong> reformierten<br />

Gehörlosengeme<strong>in</strong>de Zürich ist am 13. September<br />

2009 würdig gefeiert worden. Und<br />

nun ist dieser Festgottesdienst <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Kirche Zürich-Oerlikon nachträglich zum<br />

Abschiedsgottesdienst e<strong>in</strong>er erweiterten<br />

Gehörlosengeme<strong>in</strong>de geworden: Marianne<br />

Birnstil trat Mitte November 2009 altershalber<br />

und auf e<strong>in</strong>e für sie typische Weise<br />

still und ohne Aufhebens vom Amt <strong>der</strong><br />

Gehörlosen-Seelsorger<strong>in</strong> zurück.<br />

25 Jahre lang hast Du, Marianne, im amtlichen<br />

Auftrag für die Gehörlosen gewirkt.<br />

Schon Jahre zuvor und sicher weitere Jahre<br />

darüber h<strong>in</strong>aus warst und bist du auf de<strong>in</strong>e<br />

ganz persönliche Art mit ihnen verbunden.<br />

4 Pfarrer haben während e<strong>in</strong>es Jahrhun<strong>der</strong>ts,<br />

je<strong>der</strong> auf se<strong>in</strong>e Weise, versucht,<br />

christliche Geme<strong>in</strong>schaft unter Gehörlosen,<br />

e<strong>in</strong>gebettet <strong>in</strong> die Landeskirche und die<br />

Weltkirche, zu leben und aktiv zu gestalten.<br />

Achtung und Dankbarkeit gilt eurem<br />

Wirken <strong>von</strong> Seiten <strong>der</strong> Gehörlosen und <strong>von</strong><br />

Seiten <strong>der</strong> Fachmitarbeiter aus Schule und<br />

Fürsorge!<br />

De<strong>in</strong> Wirken muss - bei aller Würdigung<br />

de<strong>in</strong>er Eigenständigkeit - im Zusammenwirken<br />

mit de<strong>in</strong>em Vorgänger und schliesslich<br />

Lebenspartner Eduard Kolb gesehen<br />

werden. Zusammen habt Ihr den Weg <strong>der</strong><br />

Gehörlosengeme<strong>in</strong>de <strong>von</strong> 1945 bis 2009,<br />

d.h. während <strong>der</strong> ganzen <strong>zwei</strong>ten Hälfte<br />

des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts, geprägt. Das aber<br />

war e<strong>in</strong>e Umbruchzeit im Gehörlosenwesen<br />

<strong>von</strong> e<strong>in</strong>maliger Intensität. Die Gehörlosen<br />

und ihre Organisationen haben <strong>in</strong> dieser<br />

Zeitphase e<strong>in</strong>e Eigenständigkeit erworben<br />

und durchzusetzen gelernt, die das bisherige<br />

Verhältnis zwischen <strong>der</strong> Fachhilfe und<br />

ihren Klienten grundlegend <strong>in</strong> Frage stellt.<br />

Diese Entwicklung wurde <strong>in</strong> Zürich <strong>von</strong> den<br />

Schulen, <strong>der</strong> Beratungsstelle und <strong>in</strong><br />

starkem Masse vom Pfarramt angeregt und<br />

geför<strong>der</strong>t, aber auch kritisch beachtet und<br />

begleitet. Ke<strong>in</strong>e Institution des Gehörlosenwesens<br />

kommt heute darum herum,<br />

ihre Aufgabe den gewissermassen mündig<br />

gewordenen hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Menschen<br />

gegenüber neu zu überdenken und zu<br />

gestalten. Dass dies neuen Mitarbeitern<br />

und Leitern leichter fällt als uns „alten“ - zu<br />

denen nun auch Du, Marianne, zählst -,<br />

dies darf ich als Senior im Kreis <strong>der</strong> „Fachleute<br />

des letzten Jahrhun<strong>der</strong>ts“ getrost<br />

feststellen. Damit will ich de<strong>in</strong>e Verdienste<br />

als Gehörlosen-Seelsorger<strong>in</strong> im Raume<br />

Zürich und de<strong>in</strong>e Mitarbeit über die geografischen,<br />

sprachlichen und menschlichen<br />

Grenzen h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise m<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

Gottfried R<strong>in</strong>gli<br />

Momentaufnahme e<strong>in</strong>es engagierten Wirken <strong>in</strong> den vergangen 25 Jahren<br />

<strong>von</strong> <strong>der</strong> Pfarrer<strong>in</strong> Marianne Birnstil.<br />

Kirchliche Veran<br />

Katholische Gehörlosengeme<strong>in</strong>den<br />

REGION AARGAU<br />

Kath. Gehörlosenseelsorge im Kt. Aargau<br />

Theaterplatz 1, 5400 Baden<br />

Peter Schmitz-Hübsch<br />

Gehörlosenseelsorger<br />

Tel. 056 222 13 37<br />

Fax 056 222 30 57<br />

E-Mail peter.schmitz-huebsch@gehoerlosenseelsorgeag.ch<br />

www.gehoerlosenseelsorgeag.ch<br />

Oekumenische Gehörlosen-Jugendarbeit<br />

Zürich und Aargau<br />

Beckenhofstrasse 16, 8006 Zürich<br />

Telescrit 044 252 51 56<br />

Fax 044 252 51 55<br />

E-Mail <strong>in</strong>fo@okja.ch<br />

Vieophone: vp-jugend.dyndns.org<br />

REGION ZÜRICH<br />

Katholische Gehörlosenseelsorge<br />

Kt. Zürich<br />

Beckenhofstrasse 16, 8006 Zürich<br />

Telescrit 044 360 51 51<br />

Tel. 044 360 51 51<br />

Fax 044 360 51 52<br />

E-Mail <strong>in</strong>fo@gehoerlosenseelsorgezh.ch<br />

www.gehoerlosenseelsorgezh.ch<br />

Samstag, 12. Dezember 2009, 18.30 Uhr<br />

Ökumenischer Adventsgottesdienst<br />

August<strong>in</strong>erkirche, Zürich<br />

Samstag, 26. Dezember 2009, 14.30 Uhr<br />

Stephanstag: Ökumenischer Treffpunkt<br />

mit Gottesdienst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gehörlosenkirche<br />

Zürich-Oerlikon<br />

REGION BASEL<br />

Katholische Hörbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenseelsorge KHS<br />

Basel, Häslira<strong>in</strong> 31, 4147 Aesch BL<br />

Tel. 061 751 35 00<br />

Fax 061 751 35 02<br />

E-Mail khs.rk@bluew<strong>in</strong>.ch<br />

Sonntag, 6. Dezember 2009, 14.30 Uhr<br />

Ökumenische Adventsfeier, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bru<strong>der</strong> Klaus<br />

Kirche, Hardstrasse 33, <strong>in</strong> Birsfelden.<br />

Anschliessend Weihnachtsfeier mit dem Gehörlosen-Fürsorgevere<strong>in</strong><br />

Basel mit Essen und Rahmenprogramm.<br />

Beachten Sie die E<strong>in</strong>ladung des<br />

Fürsorgevere<strong>in</strong>s. Anmeldung notwendig.<br />

REGION ST.GALLEN<br />

Katholische Gehörlosenseelsorge<br />

des Bistums St.Gallen<br />

Klosterhof 6b, 9001 St.Gallen<br />

Dorothee Buschor Brunner<br />

Gehörlosenseelsorger<strong>in</strong><br />

Tel. 071 227 34 61<br />

Fax 071 227 33 41<br />

E-Mail gehoerlosenseelsorge@bistum-stgallen.ch


nstaltungen<br />

Sonntag, 6. Dezember 2009, 9.30 Uhr<br />

Gottesdienst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schutzengelkapelle am<br />

Klosterplatz St. Gallen<br />

Sonntag, 20. Dezember 2009, 10.45 Uhr<br />

Ökumenische Weihnachtsfeier <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

evang. Kirche Trogen (wegen Umbau <strong>von</strong><br />

St. Mangen) mit D. Buschor, A. Menges und<br />

Gospelchor, anschliessend geme<strong>in</strong>sames<br />

Mittagessen im Gehörlosenheim Haus Vor<strong>der</strong>dorf<br />

Evangelische Gehörlosengeme<strong>in</strong>den<br />

REGION ZüRICH<br />

Kant. Pfarramt für Gehörlose Zürich,<br />

Oerlikonerstr. 98, 8057 Zürich<br />

Ref. Gehörlosengeme<strong>in</strong>de des<br />

Kantons Zürich<br />

Fax 044 311 90 89<br />

E-Mail gehoerlosenpfarramt.zh@ref.ch<br />

Freitag, 4. Dezember 2009, 19.00 Uhr<br />

Gebärdentreff ökum. Gehörlosen-<br />

Jugendarbeit, Zürich-Oerlikon<br />

Sonntag, 6. Dezember 2009, 14.30 Uhr<br />

Ref. Adventsgottesdienst mit Abendmahl<br />

Ref. Kirche Rüschlikon<br />

Samstag, 12. Dezember 2009, 18.30 Uhr<br />

Ökum. Adventsgottesdienst<br />

August<strong>in</strong>erkirche Zürich<br />

Sonntag, 13. Dezember 2009, 13.30 Uhr<br />

Kulturk<strong>in</strong>o, ökum. Gehörlosen-<br />

Jugendarbeit, Gehörlosenkirche<br />

Zürich-Oerlikon<br />

Freitag, 18. Dezember 2009, 13.00 Uhr<br />

Geme<strong>in</strong>sames Weihnachtsessen<br />

ökum. Gehörlosen-Jugendarbeit<br />

Zürich-Oerlikon<br />

Donnerstag, 24. Dezember 2009, 16.00 Uhr<br />

„Offene Türe am Heiligen Abend“<br />

Gehörlosenkirche Zürich<br />

Samstag, 26. Dezember 2009, 14.30 Uhr<br />

Ökum. Gottesdienst<br />

Gehörlosenkirche Zürich<br />

GEHÖERLOSENGEMEINDE<br />

ST.GALLEN - APPENZELL - GLARUS - THURGAU<br />

- GRAUBÜNDEN - SCHAFFHAUSEN<br />

Pfarrer Achim Menges,<br />

oberer Graben 31, 9000 St.Gallen<br />

Tel. 071 227 05 70<br />

Fax 071 227 05 79<br />

SMS/Mobile 079 235 36 48<br />

E-Mail gehoerlosenseelsorge@ref-sg.ch<br />

www.gehoerlosenseelsorge.ch<br />

Dienstag, 1. Dezember 2009, 16.00 Uhr<br />

Senioren-Andacht <strong>in</strong> Trogen, Haus Vor<strong>der</strong>dorf<br />

(Gehörlosenheim), J. Manser<br />

Freitag, 4. Dezember 2009, 09.00 Uhr<br />

Jugendgottesdienst für die Sprachheilschule<br />

St. Gallen, evang. Kirche Rotmonten<br />

A. Menges<br />

Samstag, 5. Dezember 2009, ganzer Tag<br />

Familienfeier <strong>in</strong> Triesen (Klubraum)<br />

A. Menges zusammen mit dem Gehörlosen<br />

Kultur Vere<strong>in</strong> Liechtenste<strong>in</strong><br />

Sonntag, 13. Dezember 2009, 11.30 Uhr<br />

Weihnachtsfeier <strong>in</strong> We<strong>in</strong>felden, evang.<br />

Kirche (anschliessend Hotel Trauben)<br />

A. Menges, Gospelchor<br />

Sonntag, 13. Dezember 2009, 15.00 Uhr<br />

Weihnachtsfeier <strong>in</strong> Schaffhausen,<br />

Hotel Kronenhof, F. Urech<br />

Donnerstag, 17. Dezember 2009, 16.00 Uhr<br />

Heim-Weihnachtsfeier <strong>in</strong> Trogen, Haus Vor<strong>der</strong>dorf,<br />

A. Menges<br />

Sonntag, 20. Dezember 2009, 10.45 Uhr<br />

Ökumenische Weihnachtsfeier <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

evang. Kirche Trogen (wegen Umbau <strong>von</strong><br />

St. Mangen) mit D. Buschor, A. Menges und<br />

Gospelchor, anschliessend geme<strong>in</strong>sames<br />

Mittagessen im Gehörlosenheim Haus Vor<strong>der</strong>dorf<br />

Sonntag, 26. Dezember 2009, 14.15 Uhr<br />

Ökum. Weihnachtsfeier <strong>in</strong> Chur BGV<br />

Mart<strong>in</strong>skirche (anschliessend Hotel<br />

Freieck), S. Deragisch, A. Menges<br />

REFORMIERTES GEHÖRLOSENPFARRAMT<br />

DER NORDWESTSCHWEIZ<br />

Pfr. Anita Kohler<br />

Friedenssrasse 14, 4144 Arlesheim<br />

Tel./Fax 061 701 22 45<br />

Natel: 079 763 43 29<br />

E-Mail: anita.kohler@ref-aargau.ch<br />

anita.kohler@gmx.ch<br />

Sonntag, 6. Dezember 2009 14.30 Uhr<br />

ökumenische Adventsfeier <strong>der</strong> Basler<br />

Gehörlosengeme<strong>in</strong>den, katholische Kirche<br />

Birsfelden, anschliessend Adventsessen,<br />

Anmeldung erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Pfr. Rudolf Kuhn und Pfarrer<strong>in</strong> Anita Kohler<br />

Sonntag, 13. Dezember 2009 14.30 Uhr<br />

Adventsfeier <strong>der</strong> Baselbieter Gehörlosengeme<strong>in</strong>de,<br />

anschliessend Adventsessen,<br />

Anmeldung erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Pfarrer<strong>in</strong> Anita Kohler<br />

Sonntag, 20. Dezember 2009 14.30 Uhr<br />

ökumenische Adventsfeier <strong>der</strong> Aargauer<br />

Gehörlosengeme<strong>in</strong>den, reformierte Kirche<br />

<strong>in</strong> Zof<strong>in</strong>gen, anschliessend Adventsessen,<br />

Anmeldung erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Seelsorger Peter Schmitz - Hübsch und<br />

Pfarrer<strong>in</strong> Anita Kohler.<br />

REGION BERN, JURA<br />

Ref.-Kirchen Bern-Jura-Solothurn<br />

Bereich Sozial-Diakonie<br />

Schwarztorstrasse 20; Postfach 5461<br />

3001 Bern, Tel. 031 385 17 17<br />

E-Mail: isabelle.strauss@refbejuso.ch<br />

Dienstag, 1. Dezember 2009, 14.30 Uhr<br />

Gottesdienst, Belp, Wohnheim, Seftigenstrasse<br />

101 mit Sozialdiakon Andreas Fankhauser<br />

Mittwoch, 9. Dezember 2009, 15.00 Uhr<br />

Adventsgottesdienst Bärau, Kapelle <strong>der</strong><br />

Heimstätte Bärau mit Sozialdiakon Andreas<br />

Fankhauser<br />

Sonntag, 13. Dezember 2009, 14.00 Uhr<br />

Adventsgottesdienst pro audito Bern,<br />

Schlosshalde, Schlosshaldenstrasse mit<br />

Pfarrer<strong>in</strong> Susanne Bieler und Christoph<br />

Künzler<br />

Montag, 21. Dezember 2009, 14.00 Uhr<br />

Belp, Atelier Triebwerk, mit Pfarrer<strong>in</strong><br />

Susanne Bieler<br />

Freitag, 25. Dezember 2009, 14.00 Uhr<br />

Weihnachtsgottesdienst mit Abendmahl<br />

Bern, Petruskirche, Brunna<strong>der</strong>nstrasse 40<br />

mit Sozialdiakon Andreas Fankhauser<br />

43


Glaskunstwerke, hergestellt durch die gehörlose<br />

Glaskünstler<strong>in</strong> G<strong>in</strong>a-Mar<strong>in</strong>a Schmid

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!