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Dokumentation des Kongresses 1995 in Bonn - Landschaftsverband ...

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der Eltern und die Zuneigung der K<strong>in</strong>der als emotionale Stütze. Dies gilt ebenso im<br />

Umgang mit Partnerschaften. Eigene Ansprüche und Interessen werden stark<br />

zurückgeschraubt, um ganz für den Anderen da zu se<strong>in</strong> und ihm zu gefallen.<br />

Die Fürsorge, die sie anderen zuteil werden lassen, f<strong>in</strong>det selten Anwendung auf<br />

sie selbst. Die zweite, relativ häufig zu beobachtende Verhaltensweise, ist Rebellion.<br />

Die Ablehnung jeglicher Kontrolle und Reglementierung, gepaart mit zum Teil<br />

sehr aggressivem Verhalten, stehen hier im Vordergrund. Obwohl mit diesem Verhalten<br />

eher negative als positive Aufmerksamkeit errungen wird, ist dies doch e<strong>in</strong>e<br />

Möglichkeit für die Mädchen, sich abzugrenzen bzw. “auf gar ke<strong>in</strong>en Fall so zu<br />

werden wie die anderen oder sogar ihre Eltern”. Die bisher beschriebene Situation<br />

der Mädchen hat aber nicht zur Folge, daß vorhandene Energien dazu verwandt<br />

werden, ihre Situation zu verändern, sondern vielmehr e<strong>in</strong> “nicht wahr haben wollen“.<br />

E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> die eigene Situation würde e<strong>in</strong> gewisses Maß an Selbstbewußtse<strong>in</strong><br />

voraussetzen, d. h. Kenntnis über eigene Fähigkeiten, Stärken und Schwierigkeiten<br />

zu haben-.<br />

Dieses Selbstbewußtse<strong>in</strong> ist bei den meisten Mädchen nur ansatzweise bzw. nur<br />

vordergründig vorhanden. Schließlich geht es ja meistens irgendwie - und manchmal<br />

auch gar nicht nur schlecht, und dann kommt ja auch irgendwann der ´„Traumpr<strong>in</strong>z“,<br />

der sie auf Händen trägt und sie aus ihrem Dilemma erlöst. Hier wird deutlich,<br />

daß die Mädchen ihr Leben eher passiv, d. h. <strong>in</strong> Abgängigkeit von anderen<br />

bzw. von äußeren Umstanden, als aktiv, kreativ und als selbständig bee<strong>in</strong>flußbar<br />

erleben.<br />

Die Rolle der Schule<br />

Auch das Verhältnis zur Schule ist ebenfalls widersprüchlich besetzt. E<strong>in</strong>erseits<br />

ist die Schule der Weg, der beschritten werden muß <strong>in</strong> Richtung Berufsausbildung<br />

und e<strong>in</strong> eigenständiges Leben. Andererseits ist es den Mädchen fast unmöglich,<br />

ohne entsprechende Hilfen und Unterstützung (siehe familiäre Situation), den Leistungsanforderungen<br />

und Strukturen der Schule so gerecht zu werden, um hierüber<br />

ihre Anerkennung zu beziehen. Intensive E<strong>in</strong>zelförderung ist hier wohl eher<br />

die engagierte Ausnahmen als die Regel, und <strong>in</strong> dem Maße, <strong>in</strong> dem die stattf<strong>in</strong>den<br />

müßte, häufig auch nicht leistbar. H<strong>in</strong>zu kommt hier noch häufig die zunehmende<br />

Bedrohung von Gewalt bzw. sexueller Gewalt durch Mitschüler, der auch Lehrer<br />

zunehmend hilflos gegenüber stehen. Verlust <strong>des</strong> Vertrauens <strong>in</strong> die Handlungsbereitschaft<br />

der Lehrer/<strong>in</strong>nen, das Gefühl alle<strong>in</strong> gelassen und nicht ernst genommen<br />

zu werden, als Mädchen nicht über geeignete Durchsetzungsstrategien<br />

zu verfügen und aus eigener Kraft die Situation nicht verändern zu können, läßt<br />

den Mädchen kaum e<strong>in</strong>e andere Wahl als gelernte Konfliktlösungsmuster anzuwenden:<br />

Aggression und/oder Rückzug. Hat sich die „Negativ-Spirale“ e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong><br />

Gang gesetzt (je weniger Spaß die Schule macht, je schlechter die Leistungen werden,<br />

je weniger Anerkennung, <strong>des</strong>to seltener geht man überhaupt noch h<strong>in</strong>), sche<strong>in</strong>t<br />

die Schule nicht die geeigneten Kapazitäten zu besitzen, hier wieder kompensierend<br />

und aufbauend zu wirken.<br />

Daß die Mädchen trotzdem immer mal wieder an der Schule „auftauchen“, hat<br />

Signalkraft <strong>in</strong> unterschiedliche Richtungen: Das Spektrum reicht von „Auch, wenn<br />

ihr mich nicht wollt, müßt ihr trotzdem noch mit mir rechnen!“ über „Mal sehen<br />

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