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Dokumentation des Kongresses 1995 in Bonn - Landschaftsverband ...

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Differenzierung <strong>des</strong> Phänomens Schulverweigerung ist unverzichtbar. E<strong>in</strong>e<br />

ursachenbezogene Typologie umfaßt folgende Dimensionen:<br />

1) Schulverweigerung als Schulproblem: S<strong>in</strong>n und Attraktion im jenseitigen Milieu<br />

2) Schulverweigerung als Leistungsproblematik („zuviel, zuviele, zu schnell...”),<br />

als Phänomen im Kontext von (Teil)Leistungsschwächen<br />

3) Schulverweigerung als Symptom von Überalterung (”1,85 m groß, 16 Jahre, zum<br />

dritten Mal <strong>in</strong> der 7. Klasse”...)<br />

4) Schulverweigerung als Problem der mißl<strong>in</strong>genden Bewältigung von Belastungen<br />

im Kontext von Autoritätsproblematik und Machtkampf mit Lehrkräften<br />

(auch Übertragung bzw. Resonanzphänomene aus der familialen Sozialisation)<br />

5) Schulverweigerung als Übernahme von Lehrerwünschen, ”er möge doch weg<br />

se<strong>in</strong>”<br />

6) Schulverweigerung als Angstsyndrom, als Folge von z. T. sehr subtiler Demütigung<br />

und Blamage durch Lehrkräfte<br />

7) Schulverweigerung als Resultante der Bedrohung und Repression durch Gleichaltrige/Schüler<br />

8) Schulverweigerung als Konsequenz von cliquenbezogenen Zugehörigkeitswünschen,<br />

als freundschaftlicher Loyalitätsbeweis, Bed<strong>in</strong>gung und Ausdruck von<br />

Kohäsion <strong>in</strong> Gruppen, mit der Funktion <strong>des</strong> Statusgew<strong>in</strong>ns <strong>in</strong> „Outlaw“–Kreisen<br />

9) Schulverweigerung als Folge der Unbeliebtheit bei Peers, als Indiz für und Folge<br />

von E<strong>in</strong>samkeit, Isolation, Freundschaftsdefizit, Randständigkeit <strong>in</strong> der Klassengeme<strong>in</strong>schaft<br />

10) Schulverweigerung als Familienproblematik, zentriert um die Themen Orientierung<br />

– Kontrolle – Unterstützung – Ablösungskampf / Autonomiebeweis –<br />

Rache; Tendenzen: Symbiotisch–hilflose Mütter – abwesende bzw. unempathische<br />

Väter. Z. T. Übernahme elterlicher Schulaversion, motiviert <strong>in</strong> deren<br />

Streit mit Lehrkräften oder eigene, elterliche schulische Abbrüche<br />

Dazu kommen <strong>in</strong> der Schule <strong>des</strong> Lebens zwei ursächliche Scheiternskomplexe,<br />

die <strong>in</strong> der ”Identität als Störer” begründet liegen bzw. sich als erhebliche psychische<br />

Defizite <strong>in</strong> den Bereichen der Steuerung, Kontrolle, Planungskompetenzen<br />

etc. zeigen.<br />

Insgesamt standen und stehen bei diesen Jugendlichen <strong>in</strong> besonderer Ausprägung<br />

Lebens- vor Lernfragen. Ohne Anklage: Die regulären Fragen von Schule s<strong>in</strong>d<br />

weniger: „Wie können wir zu e<strong>in</strong>er für beide befriedigenden Beziehung kommen?“<br />

und „Was <strong>in</strong>teressiert dich wirklich?“, sondern: „Wie bekomme ich jemanden umstandslos<br />

dazu, das reproduzieren zu wollen, was sie/er soll?“.<br />

Mehr denn andere erlebten diese Jugendlichen subjektiv: „Man lernt, Antworten<br />

dahersagen, auf Erwartungen, <strong>in</strong> Bezug auf Probleme, Fragen, die man nicht<br />

kennt und die man ohne Schule nicht hätte.“ (H. von Hentig) Gerade autonomiebedürftige<br />

Jugendliche – aus welcher Wurzel auch angetrieben – verachten Schule,<br />

so unsere Erfahrungen aus Interviews, für „Gefangenschaft“, Zeitraub, Pseudokommunikation.<br />

Gemäß unserer Beobachtungen und Deutungen bedeutet gerade<br />

für den aktionistischen Störertyp ihr „Ich mache, was ich will“ zunächst nur: „Ich

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