Dokumentation des Kongresses 1995 in Bonn - Landschaftsverband ...
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46 sten, das Angebot hat fachliche Qualität, es wirkt und ist jugendhilfepolitisch innovativ. Ausstiegskanäle verbreitern oder eng halten – das ist die grundsätzliche Frage! Bildungspolitik und -verwaltung mögen nicht daran denken, eine größere Zahl dieser Schulen besonderer Prägung zu erlauben. Auch, nicht nur, weil dies kaum kostenneutral wäre. Schule tut sich in erster Linie mit ihrem monopolartigen Alleinvertretungsanspruch schwer. Sie mag Schulpflicht nicht auch als Unterrichts- und Lernpflicht zu denken, die an anderen Lernorten mit spezifischen Akzenten absolviert werden könnte. Handlungsalternativen innerhalb des Regelsystems haben Vorrang! Ich behaupte jedoch, daß manifeste Schulverweigerer ab 15 Jahren nur ausnahmsweise “rückführbar” sind. Und ich behaupte weiter, daß für eine kleine Minderheit auch reformierte Schulen qualvolle Mißerfolgsterrains sein können und werden. Sie nicht allein zu lassen, ihnen Brücken hin zu anderen Arten von Lernen auch schon im Rahmen ihrer Schulpflicht zu bauen und sie dabei zunächst als Kundschaft von Schule und erst sekundär von Jugendhilfe zu betrachten, muß politisch offensichtlich noch durchgesetzt werden. Es ist schlicht absurd, daß Jugendhilfe und nicht Schule selbst das Thema der Schulmüdigkeit offensiv und selbstreflexiv – statt individualisierend und schuldzuschreibend an die Adresse der unwilligen Kinder und Jugendlichen - in die Fachdebatte und Öffentlichkeit lanciert. Attraktive Schule mit (Teil)Erfolgen für alle ist ein Auftrag an Bildung, nicht für die Jugendhilfe! Eine organisierte Wahrnehmung und Bearbeitung von Schulmüdigkeit als Manifestation einer Krise des Systems und einer Krise von und bei Schülerinnen und Schülern existiert bisher nicht! Richtig bleibt aber, daß sich jedes Sondersystem neue, nicht ungefährliche Bedarfe kreiert: indem ein vorhandenes Angebote potentiell unbegrenzbare Nachfrage schafft und Abschieben, Ausgrenzen, Ausweichen und Aufgeben in Normalkontexten befördert. Primär bleibt, Regelschule zu stärken. Wer belohnt Schulen, die keine „drop outs“ produzieren? Dreh- und Angelpunkt aus unserer Sicht ist eine harte Selbstevaluierung des eigenen Vorgehens. Werden postulierte Ziele erreicht? Mit welchen Mitteln und auf welchen Wegen? Was sind Nebeneffekte? Und: Ergibt sich eine langfristige Stabilisierung und Integration der Jugendlichen (Deliktbereich; Erwerbsleben, trotz der Reservearmee der Viermillionen; Beziehungsfähigkeit) auch nach Verlassen des Projektes? Hier werden wir unsere Jugendlichen mittelfristig im Auge behalten, um gegenüber Finanziers und Fachöffentlichkeit fundiert über die Wirksamkeit, Nichtwirksamkeit bzw. beschränkte Wirksamkeit Rechenschaft ablegen zu können. Für die Zukunft dieses Modells wird – neben der Notwendigkeit eines gelingenden zweiten Jahres im laufenden Durchgang und der Wiederholbarkeit der Erfolge im zweiten zweijährigen Durchgang – entscheidend sein, ob der Bildungssektor in diesem Schulversuch nur ein Ventil sieht, das Druckablaß ermöglicht und letztlich nur suggerieren will, neue Lernangebote für diese Zielgruppe zu unterbreiten. Dann würde man nach vier Jahren für die geleistete Arbeit und wertvolle Erkenntnisse danken, ohne zweifellos brisante bildungspolitische und schulpädagagogische Folgedebatten in Kauf zu nehmen. Man würde an Regelschule appellieren, sich zu qualifizieren (dieser zentrale Tagesordnungspunkt hat zurecht höchste Priorität!) – und (zu spät und nicht im adressatengerechten Design) auf Leistungen der Jugendberufshilfe setzen bzw. Schulsozialarbeit mit dem Verweis
auf diese ”Problemschüler” in die Spur zu bringen versuchen. Eine solche denkbare Entscheidung läßt sich derzeit zwar nicht absehen, kann aber nicht ausgeschlossen werden. Sie wäre dann jedoch – eine Konsolidierung des Erreichten vorausgesetzt – nicht dem Verlauf und den bisherigen, vorläufigen Ergebnissen des Modellversuchs zuzurechnen. Literatur: Daschner, P. u. a.: Schulautonomie – Chancen und Grenzen. Weinheim und München 1995 Dietrich, P./Institut für angewandte Familien, Kindheits- und Jugendforschung e.V. an der Universität Potsdam: Schulverweigerung von Jugendlichen in Brandenburg. Potsdam 1993 Thiersch, H.: Lebensweltorientierte Soziale Arbeit. Weinheim und München 1995 (2. Auflage) Thimm, K.: Risiko – Jugend in der Großstadt. In: Unsere Jugend 11/1995 Anhang Phänomene und Ursachen von Schulverweigerung Folgende ursächlichen Faktoren können für Schulverweigerung, Schulflucht Bedeutung erlangen, wobei die in dem Projekt „Schule des Lebens“ deutlich markierbaren zentralen Wirkfaktoren fett gedruckt bzw. gesondert in Klammern numeriert werden: Schulische Bedingungen (a) 1. Sinn von Schule in ihrer organisatorisch–strukturellen Verfaßtheit für diesen Jugendlichen (Bündelfaktor, in der Listung der Schule des Lebens Faktor 1) 2. Probleme im Zusammenhang mit der Lehrerpersönlichkeit – Akzeptanz, Glaubwürdigkeit – Verständnis für Jugendliche – Hilfsbereitschaft – Gerechtigkeitssinn – Führungsstil, Verhalten in Machtkämpfen (Faktor 4) 3. Haltung gegenüber Schulverweigerung bzw. SchulverweigerInnen (Faktor 5, z. T. überlappend mit Verständnis und Gerechtigkeitssinn) 47
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sten, das Angebot hat fachliche Qualität, es wirkt und ist jugendhilfepolitisch <strong>in</strong>novativ.<br />
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Schulen besonderer Prägung zu erlauben. Auch, nicht nur, weil dies kaum kostenneutral<br />
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Lernpflicht zu denken, die an anderen Lernorten mit spezifischen Akzenten absolviert<br />
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Vorrang! Ich behaupte jedoch, daß manifeste Schulverweigerer ab 15 Jahren nur<br />
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auch schon im Rahmen ihrer Schulpflicht zu bauen und sie dabei zunächst als Kundschaft<br />
von Schule und erst sekundär von Jugendhilfe zu betrachten, muß politisch<br />
offensichtlich noch durchgesetzt werden. Es ist schlicht absurd, daß Jugendhilfe<br />
und nicht Schule selbst das Thema der Schulmüdigkeit offensiv und selbstreflexiv<br />
– statt <strong>in</strong>dividualisierend und schuldzuschreibend an die Adresse der unwilligen<br />
K<strong>in</strong>der und Jugendlichen - <strong>in</strong> die Fachdebatte und Öffentlichkeit lanciert. Attraktive<br />
Schule mit (Teil)Erfolgen für alle ist e<strong>in</strong> Auftrag an Bildung, nicht für die Jugendhilfe!<br />
E<strong>in</strong>e organisierte Wahrnehmung und Bearbeitung von Schulmüdigkeit als<br />
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Richtig bleibt aber, daß sich je<strong>des</strong> Sondersystem neue, nicht ungefährliche Bedarfe<br />
kreiert: <strong>in</strong>dem e<strong>in</strong> vorhandenes Angebote potentiell unbegrenzbare Nachfrage<br />
schafft und Abschieben, Ausgrenzen, Ausweichen und Aufgeben <strong>in</strong> Normalkontexten<br />
befördert. Primär bleibt, Regelschule zu stärken. Wer belohnt Schulen,<br />
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Dreh- und Angelpunkt aus unserer Sicht ist e<strong>in</strong>e harte Selbstevaluierung <strong>des</strong> eigenen<br />
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und Integration der Jugendlichen (Deliktbereich; Erwerbsleben, trotz der<br />
Reservearmee der Viermillionen; Beziehungsfähigkeit) auch nach Verlassen <strong>des</strong><br />
Projektes? Hier werden wir unsere Jugendlichen mittelfristig im Auge behalten,<br />
um gegenüber F<strong>in</strong>anziers und Fachöffentlichkeit fundiert über die Wirksamkeit,<br />
Nichtwirksamkeit bzw. beschränkte Wirksamkeit Rechenschaft ablegen zu können.<br />
Für die Zukunft dieses Modells wird – neben der Notwendigkeit e<strong>in</strong>es gel<strong>in</strong>genden<br />
zweiten Jahres im laufenden Durchgang und der Wiederholbarkeit der Erfolge<br />
im zweiten zweijährigen Durchgang – entscheidend se<strong>in</strong>, ob der<br />
Bildungssektor <strong>in</strong> diesem Schulversuch nur e<strong>in</strong> Ventil sieht, das Druckablaß ermöglicht<br />
und letztlich nur suggerieren will, neue Lernangebote für diese Zielgruppe zu<br />
unterbreiten. Dann würde man nach vier Jahren für die geleistete Arbeit und wertvolle<br />
Erkenntnisse danken, ohne zweifellos brisante bildungspolitische und<br />
schulpädagagogische Folgedebatten <strong>in</strong> Kauf zu nehmen. Man würde an Regelschule<br />
appellieren, sich zu qualifizieren (dieser zentrale Tagesordnungspunkt hat zurecht<br />
höchste Priorität!) – und (zu spät und nicht im adressatengerechten Design) auf<br />
Leistungen der Jugendberufshilfe setzen bzw. Schulsozialarbeit mit dem Verweis