Dokumentation des Kongresses 1995 in Bonn - Landschaftsverband ...
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Küche). Rauchverbote, Alkoholkonsum, Nachtruhe waren ähnlich problematische<br />
Bereiche wie <strong>in</strong> anderen Jugendgruppen auch.(...)<br />
Es war schmerzlich mitanzusehen, wie unbeholfen, l<strong>in</strong>kisch sich e<strong>in</strong>ige Jugendliche<br />
<strong>in</strong> Anforderungssituationen verhielten. Trotz unserer <strong>in</strong>tensiven Vorbereitung:<br />
Nicht wenige behaupteten, sie hätten Abseilen, Sichern, E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>den <strong>in</strong>s Kletterzeug,<br />
Trapez, Seilbrücken noch nie gemacht. Ich war teilweise schockiert. Ursachen?<br />
Angst, ke<strong>in</strong>e Lust, zu ger<strong>in</strong>ges Selbstvertrauen... Sie wirken <strong>in</strong> der Er<strong>in</strong>nerung und<br />
Umsetzung kognitiv unbeweglich!(...)<br />
Zum Beispiel Thomas: War e<strong>in</strong>e echte Stütze. Er nahm bereitwillig alle übertragenen<br />
Aufgaben an. Er zieht <strong>in</strong>zwischen für sich genau und deutlich Grenzen, und<br />
das <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sozialverträglichen, offenen und ehrlichen, sich selbst gegenüber<br />
verkraftbaren Form. Fast unbemerkt übernahm er Führungsaufgaben, war bemüht<br />
zu helfen und auszugleichen. Unter Streß s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>erlei Überreaktionen zu verzeichnen,<br />
er ist ruhig und besonnen. Er konnte sich immer wieder mobilisieren<br />
und mobilisiert werden.<br />
Zum Beispiel Ronny: Er belastete die Gruppe und war e<strong>in</strong>e Last für sich selbst! Er<br />
lag bei allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten im Bett und schlief. Se<strong>in</strong><br />
Phlegma als Kompensationsstrategie für erlernte und körperliche manifeste Hilflosigkeit<br />
und Unbeweglichkeit lähmte se<strong>in</strong>e Kameraden. Er schien durch nichts<br />
berührbar. Soviel Gleichgültigkeit als Panzer habe ich selten gesehen. Logisch wurde<br />
er zum Blitzableiter.<br />
Zum Beispiel Marcel: Er tat immer das Notwendige; aber ihm e<strong>in</strong>e Äußerung zu<br />
entlocken, war schier unmöglich. Er gab ke<strong>in</strong>en Anlaß zur Kritik. Auf wohlgeme<strong>in</strong>te<br />
Aufmunterungen reagierte er nicht. Ich b<strong>in</strong> stundenlang h<strong>in</strong>ter ihm her gelaufen<br />
– und es ist mir nicht gelungen, mehr als vier Worte im Stück aus ihm herauszuzaubern.“<br />
Zum Beispiel David: Man kann ihn motivieren – und er ist leistungsfähig. Aber er<br />
kann Situationen kaum e<strong>in</strong>schätzen, ist nur auf sich bezogen, nimmt se<strong>in</strong>e Umgebung<br />
kaum wahr. Er macht, was ihm e<strong>in</strong>fällt, ohne Konsequenzen zu bedenken. Er<br />
reagiert plötzlich, unerwartet, zeigt aktionistische Zerstörungswut. Er verweigert<br />
Flüssigkeitsaufnahme bei drohendem Hitzschlag; er latscht durch abrutschgefährdete<br />
Eisfelder, obwohl auch noch andere am Seil hängen; er tritt aus Frust<br />
gegen Ste<strong>in</strong>e, die dann auf unter ihm laufende Jugendliche fallen können. Er tritt<br />
die Tür zur Gasversorgung im Haus e<strong>in</strong>, wenn er sich ärgert. Er klaut. Ansonsten<br />
ersche<strong>in</strong>t er k<strong>in</strong>dlich, scheffelt bei den Erwachsenen damit Rührung und demzufolge<br />
Hilfsbereitschaft. Wenn man ihn <strong>in</strong> Reichweite hat, geht es. Und wenn er e<strong>in</strong><br />
für sich lohnen<strong>des</strong> Ziel sieht – selten e<strong>in</strong>es, das wir mit ihm teilen –, dann zieht er<br />
los wie e<strong>in</strong>e Dampflok, ist nicht zu halten.“<br />
Dieser Jugendliche ist prototypisch für e<strong>in</strong>e Teilklientel, die uns zunehmend ratlos<br />
macht. Ich zitiere s<strong>in</strong>ngemäß dazu zwei Stimmen aus der Jugendhilfeszene:<br />
„Das Problem ist, daß die K<strong>in</strong>der und Jugendlichen zunächst nicht den E<strong>in</strong>druck<br />
machen, als wäre bei ihnen etwas nicht <strong>in</strong> Ordnung. Du denkst: „Die s<strong>in</strong>d gut drauf“.<br />
Die Probleme s<strong>in</strong>d anfangs h<strong>in</strong>ter der Fassade aus Willigkeitspose, Sche<strong>in</strong>kompetenz,<br />
E<strong>in</strong>sichtsattitüde versteckt. Wie kann man das nennen, was bei denen<br />
los ist? Irgendetwas ist mit dem oder der. Aber was? Der schlägt auf andere e<strong>in</strong>.<br />
Der tut sich was an. Das passiert be<strong>in</strong>ahe gleichzeitig. Aber du kannst nicht sagen,<br />
was war der Impuls. Das kommt alles sche<strong>in</strong>bar ohne S<strong>in</strong>n und Ziel. Du merkst