Dokumentation des Kongresses 1995 in Bonn - Landschaftsverband ...
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In den Pausen gibt es lustige oder ernste Gespräche mit den Erwachsenen oder<br />
Tischtennis-, Fußball-, Basketball-, Federballspiel; e<strong>in</strong>ige Jugendliche werden durch<br />
den “Bauwagenobmann“ <strong>in</strong> den eigenen Pausenbereich gelassen, andere lümmeln<br />
am Raucherpilz rum, wieder andere müssen zum wiederholten Mal aus dem Lehrerzimmer<br />
komplimentiert werden.<br />
Der abschlußorientierte Unterricht f<strong>in</strong>det Vormittags statt. Um 12.30 Uhr beg<strong>in</strong>nt<br />
das Nachmittagsprogramm, mit e<strong>in</strong>em Wechsel nach dem ersten Block um<br />
14.00 Uhr. Um 15.30 Uhr beg<strong>in</strong>nt der Rücktransport. Viele wollen nach Hause,<br />
manche nicht. H<strong>in</strong> und wieder putzt e<strong>in</strong> Jugendlicher die Schule oder re<strong>in</strong>igt das<br />
Gelände und bessert sich dadurch das Taschengeld auf. Mittwochs ist nunmehr im<br />
zweiten, dem Brückenjahr h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>in</strong> die ungeschütztere Realität kont<strong>in</strong>uierlich zehn<br />
Monate h<strong>in</strong>durch Betriebspraktikum mit Praxislernen angesagt.<br />
Die Schule <strong>des</strong> Lebens ist e<strong>in</strong> erfolgreiches Bildungsangebot. E<strong>in</strong>e entschulte<br />
„Schule <strong>des</strong> Lebens“ als ebenfalls durchaus zeitfressen<strong>des</strong> Arrangement möchte<br />
Wirklichkeit aus erster Hand bejahen und nicht nur Zukunft simulieren. Sie will<br />
mit den Gegenwartserfahrungen arbeiten, mit solchen aus dem B<strong>in</strong>nenraum und<br />
jenen von draußen. Sie beansprucht also, für Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler aktuell<br />
bedeutsam se<strong>in</strong>. Sie beansprucht, Verstehens- und Gestaltungshilfe zu offerieren.<br />
Gerade für 13– bis 16jährige ist Schule be<strong>in</strong>ahe generell Qual, richtet durchschnittlich<br />
– gemessen am Verhältnis von Aufwand und Ertrag, Absicht und Wirkung –<br />
wenig aus. Das ist e<strong>in</strong> uraltes Thema, ke<strong>in</strong> Produkt der Postmoderne.<br />
Des<strong>in</strong>teresse wird nicht zuletzt auch <strong>des</strong>halb generiert, weil die Institution die<br />
Lebensthematiken der Altersgruppe <strong>in</strong> den <strong>in</strong>formellen Bereich abdrängt, also ignoriert:<br />
Selbsterprobung, Beziehungshunger im Peerbereich, Emanzipation von Bevormundung,<br />
Erlebnis- und Abenteuerdrang, produktives Tun, Körperlichkeit und<br />
S<strong>in</strong>nlichkeit.<br />
Dialog, Begleitung, Verstehen von Lebenswelten und Bewältigungspolkas heißen<br />
die Säulen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Betreuungsansatz, der Beziehung vor Erziehung setzt.<br />
Wir siedeln diese Beziehungspädagogik <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Alltag mit klar strukturierten,<br />
regelmäßigen, überschaubaren und nachvollziehbaren Tagesabläufen im Rahmen<br />
e<strong>in</strong>es handlungs- und erlebnisorientierten Konzepts an.<br />
Der Erlebnis- und Werkbereich s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Anhängsel. Die Erlebnispädagogik –<br />
für manche Jugendliche echte, hürdenreiche Herausforderung – ist u. a. diagnostisch<br />
relevant, ermöglicht Persönlichkeitsstabilisierung und Zuwachs an Gruppenselbststeuerung.<br />
Beide Bereiche werden mit dem unterrichtlichen Geschehen verknüpft. Motivation<br />
über Produktorientierung, Bezugsstiftung über das „verb<strong>in</strong>dende Dritte“ jenseits<br />
von Verbalität s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diesen Kontexten besonders möglich. Im Werkbereich<br />
gehen wir zentral von den Fähigkeiten der Jungen aus und ermöglichen Erfahrungen<br />
<strong>des</strong> Gel<strong>in</strong>gens. Ziel ist, die gestörte Beziehung der Jugendlichen zu sich selbst<br />
zu verbessern und e<strong>in</strong> positiveres Weltbild zu begünstigen.<br />
Doch die eigene Position der Erwachsenen und ihre Vertretung bzw. Spiegelung<br />
von Realität ist damit nicht obsolet. Wir haben ke<strong>in</strong>e Unvere<strong>in</strong>barkeitsbeschlüsse:<br />
Entweder dialogisch–partnerschaftlich oder lenkend–setzend; entweder störungsdiagnostische<br />
oder kompetenz- und ressourcenorientierte Sichtweisen; entweder<br />
Konfrontieren oder Unterstützen oder zulassende Symptomtoleranz etc.. Unsere<br />
Fähigkeit und Bereitschaft zum „Sowohl als auch“ konkretisiert sich <strong>in</strong> jedem Fall