Dokumentation des Kongresses 1995 in Bonn - Landschaftsverband ...
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lienforschung (1993) mit etwa 5% <strong>des</strong> Schüleranteils an Gesamtschulen. Das „Kavaliersdelikt“<br />
Eckstundenschwänzen brachte es auf stattliche 25% junger Menschen<br />
<strong>in</strong> der Sekundarstufe I, die zielgerichtet „zu anstrengende“ bzw. „s<strong>in</strong>nlose“ Stunden<br />
flüchten, „unsympathische“ Lehrkräfte bestreiken bzw. dann und dort agieren,<br />
wo ke<strong>in</strong>e Sanktionen befürchtet werden. Nur wenige verweigern Schule massiver.<br />
Ex negativo: Schulverweigerung <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Verständnis ist nicht identisch mit<br />
Schwänzen, unregelmäßigem Schulbesuch, unentschuldigtem bzw. entschuldigten<br />
Fehlen/Krankschreibung bzw. Schulphobie. Und: Jegliche Form der <strong>in</strong>ternen<br />
oder externen Schul- und Lernflucht ist allemal e<strong>in</strong> komplexes Geflecht von bed<strong>in</strong>genden<br />
Momenten, Begleit- und Folgeersche<strong>in</strong>ungen. In me<strong>in</strong>em Zusammenhang<br />
unterscheide ich zunächst zwischen passiver und aktiver Schulflucht:<br />
– Die passive Form be<strong>in</strong>haltet alle Formen der nachhaltigen <strong>in</strong>neren Emigration<br />
im Unterricht: Inaktivität, Abschalten, Träumen etc..<br />
– Aktive Schulverweigerung impliziert entweder Destruktion bzw. Provokation über<br />
normalisierbares Stören (Ablehnung, Nichterfüllung, Lehrkräfte ärgern, Protest,<br />
Beleidigungen etc.) h<strong>in</strong>aus, und zwar im Unterricht, oder dauerhafte, tendenziell<br />
irreversible Absenz, um während der Schulzeit anderen Beschäftigungen nachzugehen.<br />
Die aktiven SchulverweigerInnen zeigen Autonomie gegenüber den<br />
Erwartungen der Umwelt und nehmen – nicht immer so erlebte – Nachteile konsequent<br />
<strong>in</strong> Kauf.<br />
Letztere Form der aktivistischen, agierten und dennoch regressiven „Schulkritik“<br />
wird besonders deutlich wahrgenommen, weil hier die Flucht auf die Spitze getrieben<br />
und e<strong>in</strong>e gültige gesellschaftliche Zentralnorm ohne Rücksicht auf Folgen verletzt<br />
wird.<br />
In der Literatur – besonders oben genannter Studie – wird unterschieden zwischen:<br />
– Notorischen, irreversiblen Schulverweigerern mit e<strong>in</strong>em hohen Widerstand gegenüber<br />
Lernen, e<strong>in</strong>er fe<strong>in</strong>dlichen Haltung gegenüber Schule und Lehrkräften.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs wird durch diese Fokussierung der Brandenburger Kollegen der Typus<br />
<strong>des</strong> depressiven Schulverweigerers nicht erfaßt.<br />
– Permanenten Langzeitschulverweigerern, die dennoch mit Schule bzw. e<strong>in</strong>zelnen<br />
Unterrichtenden noch nicht völlig gebrochen haben. Sie tauchen sporadisch<br />
<strong>in</strong> der Schule oder <strong>in</strong> der Nähe auf, haben noch Kontakt zu SchulbesucherInnen<br />
und zeigen weniger starke Devianztendenzen.<br />
– Intervallverweigerern, die besonders nach nicht bewältigten Konflikten mit Lehrkräften<br />
oder Mitschülern längere Zeit nicht gehen.<br />
– Kurzzeitverweigerern, die e<strong>in</strong>e exzessive Form <strong>des</strong> Schwänzens betreiben und<br />
mit Regelmäßigkeit e<strong>in</strong>en oder mehrere Tage fehlen.<br />
Je spezifische Charakteristika, Dynamik bzw. Verlaufsformen, Anlässe, ursächliche<br />
Entstehungszusammenhänge sowie Interventionsmöglichkeiten s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs<br />
noch unerforscht.