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<strong>Bücherbesprechungen</strong> 191<br />

<strong>Bücherbesprechungen</strong><br />

H. WILLKOMM: Altersbestimmungen im Quartär. Datierungen mit Radiokohlenstoff und anderen kernphysikalischen<br />

Methoden. 276 S., 69 Abb. Thiemig-Tasmenbücher, Bd. 55. MündJen 1976.<br />

Altersbestimmungen mit Radionukliden und Messungen der Häufigkeit von stabilen Isotopen spielen für Geologen,<br />

Geophysiker, Armäologen und Biologen eine zunehmend wimtige Rolle. Damit werden Wissenschaftler, die von<br />

Haus aus mit diesem Spezialgebiet der Physik nie etwas zu tun hatten, mit kernphysikalischen Meßmethoden oder<br />

zumindest deren Meßergebnissen konfrontiert. Eines der Hauptanliegen des vorliegenden Bumes ist es daher, diese<br />

Methoden für den kernphysikalismen Laien durmsichtig zu mamen mit dem Ziel, daß der Benutzer von Datierungsergebnissen<br />

die Resultate kritism b<strong>eu</strong>rteilen kann, und er weiß, mit welmen Fehlerquellen er bei den versmieden<strong>eu</strong><br />

Auswertetemniken zu rechnen hat. Mit Rücksicht auf diesen Leserkreis werden keine kernphysikalischen Kenntnisse<br />

vorausgesetzt. Theoretisme Zusammenhänge und Formeln werden durm zahlreime Diagramme erläutert.<br />

Entspred!end ihrer Bed<strong>eu</strong>tung und vielseitigen Anwendbarkeit behandelt das Bum in erster Linie die CU-Methode,<br />

also die Altersbestimmung mit Radiokohlenstoff. Im 1. Kapitel werden die physikalischen Grundlagen dieser<br />

Methode behandelt. Von Lesern, die nur an den Ergebnissen von Datierungen interessiert sind, kann dieser Absmnitt<br />

zunächst vernamlässigt werden.<br />

Das 2. Kapitel, in dem die memismen Bearbeitungsmethoden behandelt werden, ist für den Probeneinsender<br />

wimtig. Besonderer Wert wird auf die Entnahme des Probenmaterials in situ, die dabei möglimen Fehlerquellen,<br />

die erforderliche Probenmenge und die Behandlung (Konservierung u. ä.) bis zur Übergabe an das C14-Labor gelegt.<br />

Das nächste Kapitel behandelt die Radioaktivitätsmessung und die Altersberemnung. Weil alle zugrunde liegenden<br />

Zählraten statistischer Natur sind, wird im folgenden Kapitel eine Einführung in die mathematische Statistik<br />

gebramt. Hierbei erläutert der Autor die Frage, warum das Resultat einer Datierung nie ein exaktes Alter, sondern<br />

immer nur ein mehr oder weniger ausgedehnter Altersbereich sein kann.<br />

In den beiden folgenden Kapiteln werden Abweimungen von der .idealen CU-Uhr" behandelt. Zunämst geht<br />

es dabei um die langfristigen, auf der ganzen Erde einheitlimen Veränderungen im CU-Gehalt der Atmosphäre und<br />

die Frage, wie man ihre Größe mit Hilfe der Dendromronologie bestimmen und ihren Einfluß korrigieren kann.<br />

Ferguson konnte in Kalifornien eine lückenlose Folge von Jahresringen aufstellen, die 8300 Jahre zurückreimt Ansmließend<br />

werden lokal bedingte Variationen besprochen, die vor allem für die Datierung von limnischen und marinen<br />

Proben wesentlich sind, die man aber aum bei terrestren Proben berücksimtigen muß. Soweit es sich um<br />

Isotopie-Einflüsse handelt, lassen sie sim anhand der Häufigkeit des stabilen Kohlenstoffisotops C13 korrigieren.<br />

Die Auswertung von C13-Messungen wird besmrieben und die in der Natur vorkommenden Isotopie-Effekte des<br />

Kohlenstoffs werden diskutiert. Die Namweisgrenze von Radiokohlenstoff liegt bei einem Probenalter von etwa<br />

45 000 Jahren. Der Bereich läßt sich jedom durm Anreicherung des C14 um etwa 20 000 Jahre verlängern.<br />

Kapitel 7 bringt eine vereinfachte Theorie der Isotopentrennung und besmreibt eine Anreicherungsanlage, die<br />

nach dem von Ciusius und Dicke! entwickelten Prinzip der Thermodiffussion arbeitet.<br />

Das letzte Kapitel ist den übrigen auf das Quartär anwendbaren Datierungsmethoden gewidmet. Zunämst werden<br />

Altersbestimmungen besmrieben, die sich genau wie die C14-Methode auf ein einzelnes Radionuklid, nur mit<br />

anderen Halbwertzeiten und anderen Altersbereimen, stützen. Dann werden einige erst in den letzten Jahren entwickelte<br />

Methoden behandelt, bei denen die Strahlungssmädigung insgesamt als Maß für das Alter dient. Dazu<br />

gehört insbesondere die Kernspurmethode (fission track method), ferner Thermolumineszenz-Messung und Elektronenspinresonanz.<br />

Schließlim wird die für die indirekte Datierung von Tiefseekernen sehr wesentliche Messung des stabilen Sauerstoff-Isotops<br />

180 beschrieben.<br />

Im Anhang werden eine Reihe von Beispielen aus der praktismen Arbeit eines CU-Labors gebramt. Ferner<br />

gibt es hier Tabellen über (für die Cl4-Methode) wimtige geophysikalisme Zahlenwerte sowie eine historische<br />

übersimt über die Entwicklung der CU-Methode und eine Zusammenstellung der <strong>eu</strong>ropäischen Cl4-Labors.<br />

Insgesamt ist die Darstellung so ausführlich, daß sie nimt nur dem Laien eine verständlime Einführung in eine<br />

ihm fremde Materie bietet, sondern auf der anderen Seite aum dem Physiker oder Chemiker, der Altersbestimmungen<br />

vornehmen will, das nötige theoretisme Rüstz<strong>eu</strong>g an die Hand gibt.<br />

Ekke W. Guenther


<strong>Bücherbesprechungen</strong> 193<br />

schichten stammen. Für eine genauere Einstufung des Taubacher Profils sind diese Tiere wenig geeignet. Abwurfstangen<br />

vom Rothirsch sind besonders häufig. Offensichtlich wurden sie von paläolithischen Menschen gesammelt,<br />

mitunter sind sie bearbeitet und als Werkz<strong>eu</strong>ge gebraucht worden, wie Arbeitsspuren beweisen. Zahlreiche Reste<br />

vom Wildschwein (Hüne r man n) sind mit dem rezenten Sus scrofa scrofa identisch, sie lassen auf optimale Lebensbedingungen<br />

in einem interglazialen Waldbiotop schließen.<br />

Die Pferde von Taubach (Mus i 1) repräsentieren eine einheitliche Gruppe, die offenbar aus der Kulturschicht<br />

stammt. Ihre individuelle Variabilität ist gering. Das Taubacher Pferd ist kleiner als die Equiden der beiden Ehringsdorfer<br />

Gruppen. Der Gesamthabitus der Zähne der Taubacher Pferde entspricht zwar dem der Ehringsdorfer<br />

Zähne, doch stehen die Taubacher Pferde in der phylogenetischen Entwicklung etwas höher als die erste Gruppe<br />

von Ehringsdorf, die mit einigen atavistischen Merkmalen in die untere Hälfte des unteren Travertins zu verweisen<br />

ist.<br />

Die Elefanten (G u e n t her) haben insgesamt 112 Backenzähne geliefert, davon stammt eine beträchtliche Anzahl<br />

von jungen Tieren. Wenigstens 12 Zähne gehören zum Mammut (Mammutus Primigenius BLUMENB.), die Hauptmenge<br />

jedoch zum Waldelefanten (Palaeoloxodon antiquus FALc.). Ein zum Teil schlechterer Erhaltungszustand<br />

der Mammutzähne ließe sich dadurch erklären, daß diese aus einer (wohl oberen) Schicht stammen, in der eine<br />

stärkere Verwitterung stattgefunden hat. Ein Vergleich der Altersstaffelung verschiedener Fundstellen miteinander<br />

zeigt, daß in Predmosti, Lebenstedt-Salzgitter, Ehringsdorf und Taubach die jüngeren Altersklassen bevorzugt auftraten.<br />

Hier handelt es sich überwiegend um die Reste menschlicher Jagdb<strong>eu</strong>te. In Mosbach, Süßenborn und Steinheim<br />

a. d. Murr, wo die alten Tiere überwiegen, wird man an eine natürliche Sterbegemeinschaft mit dominierendem<br />

Alterstod denken. Zwischen den Waldelefanten von Taubach und Ehringsdorf zeigen sich keine grundsätzlichen<br />

Unterschiede. Die Waldelefanten von Steinheim a. d. Murr (das eine Warmzeit älter ist) zeigen im mittleren<br />

Wert einiger Me11kmale Unterschiede zu den Taubacher Funden.<br />

Die Rhinocerotiden (K a h 1 k e) - es handelt sich fast nur um Reste von Dicerorhinus kirchbergensis ]ÄG., das<br />

Nashorn der Warmzeit - wa;ren in erster Linie Jagdb<strong>eu</strong>te des paläolithischen Menschen. Dafür sprechen der große<br />

Prozentsatz von jungen Tieren - mehr als 80 Mandibelfragmente stammen von juvenilen Nashörnern - und die<br />

Aufspaltung nahezu aller Knochen, die dazu nicht selten Brandspuren zeigen. Die große Menge von Nashornresten<br />

besagt, daß diese Dickhäuter bevorzugt bejagt wurden. Aus dem Fehlen von Dicerorhinus hemitoechus FALC. in den<br />

• Travertinsanden" wird der Schluß gezogen, daß diese Hauptfundschicht gleichalt ist mit den unteren Lagen des<br />

unteren Travertins von Weimar-Ehringsdorf oder vielleicht auch noch älter. Ein einziger P4 von Dicerorhinus<br />

hemitoechus könnte vielleicht aus dem im Profil ganz oben liegenden plattigen T>ravertin stammen.<br />

Die häufigste Carnivoren-Art (Kurten) ist der Braunbär (Ursus arctos), der durch eine Großform vertreten ist,<br />

die identisch ist mit dem Braunbären von Ehringsdorf. Auch seine Knochen, sie stammen von wenigstens 43 Tieren,<br />

sind teilweise vom paläolithischen Menschen zerschlagen worden. Wenige Knochen und Zähne liegen von Höhlenbären<br />

(Ursus spela<strong>eu</strong>s) und der Höhlenhyäne (Crocuta spelaea) vor. Löwenreste (Hemm er) könnten von Panthera<br />

leo cf. spelaea stammen, die Leoparden gehören zu einer hauptsächlich im Riß-Würm-lnterglazial verbreiteten<br />

Gruppe.<br />

Die Biber von Taubach stellt Kr e t z o i zu Gastor fiber spela<strong>eu</strong>s von MüNSTER 1833. Die vielen Biberreste, vor<br />

allem Zähne, ermöglichen eine .feintaxonomisch-phylogenetische" Untersuchung. Die Morphologie der Backenzähne<br />

bleibt auch bei verschiedenen Populationen praktisch gleich, doch nimmt der Grad der Hypsodontie im Verlaufe<br />

der phylogenetischen Weiterbildung zu. Die Säulenbildung entwickelt sich fort vom jüngsten Pliozän, zum Altpleistozän,<br />

zu Süßenborn und weiter zu Ehringsdorf-Taubach. Ein Vergleich der .altersmäßig nicht weit auseinanderliegenden"<br />

Lokalitäten Ehringsdorf und Taubach zeigt im mittleren Wert bei einigen Merkmalen geringe<br />

Unterschiede, die Kretzoi zu der Meinung bringen, daß Ehringsdorf etwas älter sei als Taubach. Die Differenzen<br />

der Maße sind jedoch derartig gering, es handelt sich um Bruchteile von Millimetern, daß man leicht zur Meinung<br />

kommen kann, daß Kretzoi die Aussagekraft seines Materials überstrapaziert. Zu den älteren Gastoriden von Süßenborn<br />

(Beginn der Mindel-Kaltzeit) gibt es bei den Messungen weit d<strong>eu</strong>tlichere Abweichungen, die jenseits der<br />

Variationsbreiten liegen.<br />

Die Kleinsäugerfauna (Heinrich und Ja n o s s y) weist auf ein f<strong>eu</strong>chtes husch- und waldreiches Gelände hin,<br />

sowie auf offenes Land. Sie spricht allgemein für interglaziale Verhältnisse, nicht jedoch für den Höhepunkt des<br />

Interglazials. Ehringsdorf und Burgtonna zeigen eine gute Übereinstimmung mit Fundkomplexen des Karpathenbeckens,<br />

die man in Ungarn als Alt-Würm-Faunen bezeichnet. Die MikromamaHer von Taubach stimmen besser<br />

mit Faunen des sogenannten Präwürms in Ungarn überein.<br />

Somit enthält der Band eine große Anzahl von n<strong>eu</strong>en Erkenntnissen, die mitunter auch über den Fundplatz von<br />

Taubach hinausgehen. Der Herausgeber hat nicht versucht, die Ansichten der einzelnen Autoren zu koordinieren,<br />

und so findet man in verschiedenen Artikeln einander widersprechende Stellungnahmen, vor allem zum Alter der


194 <strong>Bücherbesprechungen</strong><br />

Taubacher Schichtfolge. Vieles läßt sich besser verstehen, wenn man berücksichtigt, daß in Taubach und in Ehringsdorf<br />

immer nur aus einzelnen Zeitabschnitten Gesteine vorliegen und von vielen, vielleicht auch länger dauernden<br />

Zwischenzeiten, die Überlieferung fehlt. Beide Profile überspannen in lückenhafter Abfolge einen größeren Zeitraum<br />

des Eem-lnterglazials und vielleicht auch des Beginns der anschließenden Würm-Kalt-Zeit.<br />

Von den wichtigen pleistozänen Fundstellen in Thüringen liegen nunmehr folgende Monographien vor: Voigtstedt<br />

(1965), Süßenborn (1969), Ehringsdorf 2 Bände (1974 und 1975) und Taubach (1977). Die Bearbeitung der<br />

Travertine von Burgtonna ist im Druck, die der Travertine von Weimar in Arbeit.<br />

Wie bedauerlich, daß es in der Bundesrepublik nicht gelingt, in ähnlicher Weise so bed<strong>eu</strong>tende Fundplätze wie<br />

Jockgrim in der Rheinpfalz, Mauer a. d. Elsenz, Mosbach bei Wiesbaden oder Steinheim a. d. Murr, vielleicht sogar<br />

Lebenstedt-Salzgitter von einem Forscherteam monographisch bearbeiten zu lassen.<br />

Ekke W. Guen ther<br />

Die Zoolithenhöhle bei Burggaillenr<strong>eu</strong>th/Ofr. - 200 Jahre wissenschafiliche Forschung 1771-1971. Herausgegeben<br />

von FL. HELLER. 131 S. mit 14 Abb. u. 2 Falttafeln mit Plänen. Erlanger Forschungen, Reihe B, Naturwissenschaften,<br />

Band 5, Erlangen 1972.<br />

Am 22. September 1771 besuchte Johann Friedrich Esper, Pfarrer zu Uttenr<strong>eu</strong>th bei Erlangen, erstmals jene<br />

schauerlichen Grüfte bei Burggaillenr<strong>eu</strong>th im oberfränkischen Wiesenttal, die später unter dem Namen .Zoolithenhöhle"<br />

weltweit bekannt wurden. Man darf dies ganz allgemein als den Beginn der wissenschaftlichen Erforschung<br />

dieser Höhlen und insbesondere auch ihres Fossilinhaltes ansehen, und die vorliegende Schrift, herausgegeben vom<br />

Erlanger Paläontologen und Speläologen Fl. Heller, nimmt das 200jährige Jubiläum jenes denkwürdigen Besuches<br />

zum Anlaß, einmal die Pionierleistungen der ersten Forschergenerationen und das wechselhafte Geschick ihres Forschungsobjektes<br />

gebührend zu würdigen.<br />

Unter diesem Motto jedenfalls steht der erste Beitrag .Die Forschungen in der Zoolithenhöhle bei Burggaillenr<strong>eu</strong>th<br />

von ES PER bis zur Gegenwart" von F I. Heller (S. 7-56). Esper war in dieser Höhle mit ihren außergewöhnlich zahlreichen<br />

Knochenresten, die zwar sicherlich seit langer Zeit bekannt war, die aber doch erst durch sein aufsehenerregendes<br />

Werk in das Bewußtsein einer breiteren Öffentlichkeit trat, einer für ihn und seine Zeitgenossen n<strong>eu</strong>en Welt begegnet.<br />

Er verwandteallseine Kenntnisse und seinen Spürsinn auf die wissenschaftliche Erforschung der hier aufgeworfenen<br />

Fragen nach Art und Herkunft dieser .Zoolithen" und nach den Umständen ihrer Anhäufung. Daß er dabei trotz vieler<br />

kluger Beobachtungen, trotzseines breiten Wissens, vor allem in der vergleichenden Tieranatomie, undtrotzvieler scharfsinniger<br />

Überlegungen letztlich zu keinem befriedigenden Ergebnis kam, lag an den ihm vom Wissensstand seiner<br />

Zeit gezogenen Grenzen. Doch das Echo war groß, und schnell war eine ,rege Diskussion in Gang gekommen. Mit<br />

liebevollem Verständnis schildert der Verfasser dieses lange und mühevolle Ringen um wissenschaftliche Erkenntnis,<br />

in dem Namen, wie die von Joh. Chr. Rosenmüller und Gg. Aug. Goldfuss, um aus der Vielzahl nur zwei der<br />

bekanntesten herauszugreifen, für immer mit der Gaillenr<strong>eu</strong>ther Höhle verbunden bleiben. Als böse Folge der allgemeinen<br />

Berühmtheit aber wurden zur seihen Zeit von zahllosen Besuchern die reichen Fossilschätze fast ungehindert<br />

ausgeplündert und in alle Richtungen verschleppt, bis mit den Funden auch das Interesse versiegte und die<br />

nun verwüstete Höhle allmählich wieder in Vergessenheit geriet. Den gesamten, über zahlreiche <strong>eu</strong>ropäische Museen<br />

und Sammlungen verstr<strong>eu</strong>ten Fossilinhalt schätzte Goldfuss 1823 auf Reste von über 1000 Individuen, vorwiegend,<br />

aber nicht ausschließlich Höhlenbären, eine Zahl, die der Verfasser für kaum übertrieben hält. Eine aus<br />

verschiedenen Sammlungen stammende Kollektion war schließlich auch in den Besitz der Erlanger Universität gelangt,<br />

doch nach 200 Jahren sind davon neben zwei bereits 1774 von Esper abgebildeten Hyänenzähnen nur noch<br />

wenige Reste zu finden. Im Anhang der Darstellung dieses interessanten, in mancher Hinsicht aber doch auch<br />

etwas traurig stimmenden Kapitels aus der Geschichte der Speläologie und Quartärpaläontologie findet sich neben<br />

einer .Nomenklatur zu den Tafeln von Joh. Friedr. Esper" und einem Verzeichnis der . um die Erforschung der<br />

Zoolithenhöhle und ihrer fossilen Säugetierfauna besonders verdienten Personen" auch eine vom Verfasser revidierte<br />

Faunenliste (S. 49 ff.). Die Bibliographie .Das Schrifttum über die Zoolithenhöhle" von Fr. Hub er am<br />

Ende des Bandes (S. 94-131) bildet mit 410 angeführten Titeln die ideale Ergänzung dieser Forschungsgeschichte.<br />

Der Wunsch und das Bemühen, die in früheren Beschreibungen erwähnten, inzwischen aber nicht mehr zugänglichen<br />

Höhlenteile wiederzufinden, führte im Februar 1971 zur Entdeckung ganz n<strong>eu</strong>er Räume, die vor allem durch<br />

die noch völlig ungestörten Anhäufungen zahlreicher Fossilien, vorwiegend Knochen von Höhlenbären, von großem<br />

wissenschaftlichem Wert sind. B. N ig gemeyer und D. S eh u b ert berichten darüber in ihrem Beitrag .N<strong>eu</strong>entdeckungen<br />

in der Zoolithenhöhle bei Burggaillenr<strong>eu</strong>th" (S. 57-62), der u. a. durch einen nach n<strong>eu</strong>en Vermessungen<br />

angefertigten Höhlenplan ergänzt wird.<br />

K. G. Po II beschäftigt sich dann unter dem Titel .Die Zoolithenhöhle bei Burggaillenr<strong>eu</strong>th in ihrer Beziehung<br />

zum fränkischen Höhlen- und Kluftsystem" (S. 63-76) mit dem Alter der oberfränkischen Karstphänomene und den


<strong>Bücherbesprechungen</strong> 195<br />

Beziehungen zwischen ihnen und der regionalen Tektonik. Die Z. vermag dabei mit ihren Bildungen im Augenblick<br />

wohl nur den jüngsten Abschnitt einer langen, mit ihren Anfängen bis an die Wende Jura-Kreide zurückreichenden,<br />

mehrphasigen Verkarstung zu bel<strong>eu</strong>chten. Dabei stützt sich der Autor vor allem auch auf die Ergebnisse<br />

einiger Radiokarbon-Analysen (Laboratorium Hannover). Zumindest die großen Hallen sollten nach einem<br />

Schätzalter der großen dort gefundenen Tropfsteine vor 40 000 Jahren bereits bestanden haben. Das Alter der Besiedlung<br />

durch die Höhlenbären zeigt ein aus einem Knochen von Ursus spela<strong>eu</strong>s gewonnener Wert von 28 905<br />

± 755 a BP an. Später wurden, wegen des dafür notwendigen reicheren Wasserandranges vermutlich in einem Interstadial,<br />

die Knochenanhäufungen zusammengeschwemmt, und mit der spätglazialen Alleröd-Schwankung setzte<br />

die letzte große Tropfsteinbildung ein, wie der Verfasser aus dem W ert von 11 720 ± 125 a BP schließt, den der<br />

Sockel eines auf den Bärenknochen aufgewachsenen Stalagmiten ergab. Die genaue Vermessung der Gänge und<br />

Kluftscharen läßt in deren herzynischem Verlauf (130°) eine enge genetische Verbindung mit den tektonischen Großstrukturen<br />

dieses Raumes erkennen. Dies geht auch aus einem weiteren kleinen Beitrag von D. Schuber t . Notizen<br />

zur Außenvermessung des Hohlen Berges" (S. 77 f.) hervor.<br />

Der letzte Teil "Paläontologische Untersuchungen in der Zoolithenhöhle bei Burggaillenr<strong>eu</strong>th" von J. T h. G r o i ß<br />

(S. 79-93) gilt dem n<strong>eu</strong>entdeckten Knochenmaterial und kann und will daher auch nicht mehr sein, als ein erster<br />

vorläufiger Bericht. Trotz des außerordentlich reichen Anfalles vor allem an Schädeln, Unterkiefern und Extremitätenknochen<br />

sind neben Ursus spela<strong>eu</strong>s RosENM., dem die große Masse zugeordnet werden muß, nur relativ wenige<br />

Arten belegt. Genannt werden Ursus aretos L., Canis Iupus L., Vulpes vulpes L., Martes martes L., Felis catus<br />

L. (? silvestris ScHREB.), Reste von Gliriden und der bisher einzige Rest eines Boviden, ein P 4 ; Knochen von<br />

Putorius putorius L. und von Fledermäusen sind möglicherweise rezent. Im weiteren beschäftigt sich der Autor dann<br />

im Anschluß an eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Fundpunkte mit der Erörterung der Ablagerungsbedingungen<br />

und der Entstehung der Massenvorkommen in einzelnen besonderen Höhlenbereichen. Auf die angekündigten<br />

variationsstatistischen und ontogenetischen Untersuchungen im Rahmen einer endgültigen Publikation<br />

wird man gespannt warten dürfen.<br />

So eröffnet das handliche Bändchen n<strong>eu</strong>e vielversprechende Perspektiven, ohne sich, wie man das vielleicht erwarten<br />

würde, in einem zwar gerade auch für die h<strong>eu</strong>tige Generation in mancher Hinsicht recht lehrreichen forschungsgeschichtlichen<br />

Rückblick allein zu erschöpfen. L. Reis c h<br />

Bodenaltertümer Westfalens, Band XIII. Herausgegeben von H. BECK. 173 S. mit zahlreichen Abb. u. Tafeln.<br />

Münster/Westfalen 1973.<br />

Abweichend vom sonst üblichen soll hier ein Band einer Schriftenreihe vorgestellt werden, der in seiner Thematik<br />

zwar weit über den Rahmen der pleistozänen Urgeschichte hinaus str<strong>eu</strong>t, der aber durch zwei seiner Beiträge<br />

die Aufmerksamkeit des paläolithisch Interessierten verdient, und deshalb an dieser Stelle behandelt werden soll.<br />

Hier sei zunächst der Beitrag von Kl. Günther, Der Federmesser-Fundplatz von Westerkappeln, Kr. T eekienburg<br />

(S. 5-46 mit 11 Abb., Plänen und Tabellen sowie 21 T afeln) genannt.<br />

Im Zuge von Kultivierungsarbeiten kamen im Dünengelände eines von Moorniederungen begrenzten Sandrükkens<br />

unweit von Westerkappeln im westfälischen Kreis Teekienburg seit 1955 Flintartefakte in großer Zahl zutage.<br />

Insgesamt ist nach den Beobachtungen in dem ca. 18 ha großen Areal mit mindestens 11 endpaläolithischen sowie<br />

mehreren mesolithischen und weiteren jüngeren Fundstellen, die sich teilweise überlappen, zu rechnen. Ein durch<br />

Sandentnahme gefährdeter besonders fundreicher Geländeabschnitt konnte 1966 in mehreren Teilflächen, Gräben<br />

und Sonden planmäßig untersucht werden. Dabei wurden neben zwei Siedlungsstellen der Federmesserkultur (Fundstellen<br />

A und B) ein mesolithischer (Fst. D) und die Spuren eines neolithischen Rastplatzes (Fst. E) freigelegt. Von<br />

weitergehender Bed<strong>eu</strong>tung ist vor allem der Wohnplatz A auf dem Scheitel und am zur Moorniederung abfallenden<br />

Südhang eines etwa West-Ost streichenden Dünenzuges. Die 10-20 cm mächtige Kulturschicht lag im Sand der<br />

Düne noch unter der Ortsteinschicht des rezenten Eisenpodsols. Die Analyse einer Holzkohlenprobe ergab einen<br />

Wert von 10 200 ± 200 v. h. (KI-270), der in Übereinstimmung mit den auf urgeschimtlimem Wege gewonnenen<br />

Ergebnissen eine Datierung an den Beginn der Jüngeren Dryaszeit anzeigt.<br />

Recht bemerkenswert sind nun graue, durch fein verteilte Holzkohlepartikelehen hervorgerufene Verfärbungen,<br />

die an drei Stellen jeweils in Form eines ovalen Bandes annähernd gleich große Flächen einschließen und zweifellos<br />

als Standspuren bzw. Wandgräben endpaläolithischer Bauten angesehen werden dürfen. In einem vierten Falle<br />

sind diese Spuren nur sehr unvollständig erhalten. Diese vier Hütten liegen schräg gestaffelt etwa in einer Linie.<br />

Am d<strong>eu</strong>tlichsten ist der Befund bei der Anlage 1, der zweiten von Westen, bei der ein 50 cm breiter und 25-30 cm<br />

tiefer Graben mit muldenförmigem Querschnitt eine Fläche von 2,80 X 3,20 m einsmließt. Er setzt an der südlichen<br />

Schmalseite wie für einen Eingang aus und enthält an mehreren Stellen eng begrenzte Holzkohlekonzen-


196 <strong>Bücherbesprechungen</strong><br />

trationen, wie sie fast noch besser bei der Anlage 2, der westlichsten, in ziemlich regelmäßigem Abstand und einige<br />

Zentimeter unter die Grabensohle reichend beobachtet werden konnten. Die Hütte 1 enthielt in ihrem Inneren neben<br />

dem Eingang die einzige F<strong>eu</strong>erstelle des Platzes mit eind<strong>eu</strong>tigen Brandspuren sowie im hinteren Teil eine<br />

relativ flache Grube. Eine weitere Grube lag direkt vor ihrem Eingang und wird vom Autor als Wasserloch ged<strong>eu</strong>tet,<br />

von dem man sich aber wegen seiner Lage kaum vorstellen kann, daß es gleichzeitig mit der Hütte 1 benutzt<br />

wurde.<br />

Die Funde - leider liegen nur noch die lithischen Hinterlassenschaften vor, während alle organischen Reste mit<br />

Ausnahme der Holzkohlen vergangen sind - str<strong>eu</strong>ten in west-östlicher Richtung über eine 30m lange und 6-12 m<br />

breite Fläche, an deren Rändern sie rasch ausdünnten. Ein schmaler artefaktarmer Streifen trennte den Bereich in<br />

zwei etwa gleich große Teile mit vier ziemlich eng begrenzten Fundkonzentrationen. Die erste lag im Eingangsteil<br />

der Hütte 1, eine andere nördlich der in ihrem Inneren fundarmen Hütte 2, eine weitere vor dem vermuteten<br />

Eingang östlich der Hütte 3, in einem Bereich, wo mehrere weitere Verfärbungen, jedoch ohne erkennbare Regelhaftigkeit<br />

zu beobachten waren, und eine vierte, kleinere, d<strong>eu</strong>tlich abgesetzt von den Bauten, ganz am östlichen<br />

Rand der Fläche. Diese Konzentrationen spiegeln innerhalb des Wohnplatzes die Bereiche wider, an denen die<br />

Silexartefakte nicht nur hergestellt, sondern wohl auch für weitere Arbeiten verwendet wurden, weshalb der Autor<br />

die Bezeichnung Werkplatz anstelle des häufig benutzten Terminus .Schlagplatz" vorzieht. Eine Kartierung der<br />

Gerätetypen zeigt interessanterweise eine etwas unterschiedliche Verteilung, wobei das Typenspektrum der Konzentration<br />

in der Hütte 1 durch das völlige Fehlen von rückengestumpften Formen (Spitzen etc.) auffällig vom übrigen<br />

Bereich abweicht.<br />

Auf der Basis dieser Beobachtungen lassen sich verschiedene Überlegungen anstellen. Der Flächenvergleich mit<br />

anderen nordd<strong>eu</strong>tschen Fundplätzen gleicher oder etwas jüngerer Zeitstellung legt es nahe, zwei durch eine fundarme<br />

Zone getrennte separate Rastplätze anzunehmen, wobei der Befund der Grube vor dem Eingang der Hütte 1<br />

eher auf ein zeitliches Nacheinander als auf eine Gleichzeitigkeit hind<strong>eu</strong>tet, ohne daß im Fundgut eine Verschiedenartigkeit<br />

zu erkennen wäre. Wenngleich der Autor in allen weitergehenden Interpretationsversuchen sehr vorsichtig<br />

und kritisch bleibt, glaubt er doch im Gesamtbefund das Bild von zwei einander ähnlichen Siedlungseinheiten<br />

sehen zu dürfen, die jeweils von einem mit einer Artefaktkonzentration verknüpften Wohnbau und einem dahinter<br />

zurückgesetzten, zugehörigen Nebenbau, vielleicht einer Schlaf- oder Vo11ratshütte, gebildet werden. Dies mag<br />

durchaus stimmen, doch darf nicht übersehen werden, daß ein solches Bild bereits auf einer gewissen Schematisierung<br />

und Vereinfachung beruht. Mit der Konzentration der Funde und einer F<strong>eu</strong>erstelle im Inneren sowie einem<br />

abweichenden Typenspektrum und damit vermutlich auch einem durch etwas andere Tätigkeiten charakterisierten<br />

Werkplatz zeigt die Hütte 1 innerhalb des Wohnplatzes A einen völlig eigenen Charakter. Die nach ihrer Funktion<br />

damit verglichene Hütte 3 ähnelt aber durch die außerhalb gelegene Typenkonzentration und deren Gerätekombination<br />

eher der als Nebenbau der Hütte 1 verstandenen Anlage 2, während die Reste der Anlage 4 so spärlich sind,<br />

daß man sie doch nur mit Vorbehalten bei der Konstruktion eines solches Bildes heranziehen sollte. Dies verd<strong>eu</strong>tlicht<br />

die Schwierigkeiten, die, wie sich der Verfasser natürlich auch völlig bewußt ist, solchen Interpretationen entgegenstehen.<br />

Man möchte sich mehr solche äußert sorgfältig untersuchten und vorgelegten Stationen und vielleicht<br />

auch einmal etwas günstigere Erhaltungsbedingungen wünschen, um dann zu einer wirklich befriedigenden D<strong>eu</strong>tung<br />

und Rekonstruktion des Lebens auf einem solchen endpaläolithischen Wohnplatz zu gelangen.<br />

Das in schönen, klaren Abbildungen vorgelegte Silexinventar, das durch Schlagsteine, Retouch<strong>eu</strong>re und einen<br />

Schleifstein sowie einige Rötelstücke ergänzt wird, ist durch Federmesser und kurze Kratzer charakterisiert und<br />

fügt sich gut in den Rahmen der Rissener Gruppe der Federmesserkultur, wie vom Verfasser ausführlich dargelegt<br />

wird. Es unterscheidet sich dabei nur geringfügig vom Material der übrigen erfaßten endpaläolithischen Fundstellen<br />

und vom oberflächlich aufgesammelten Fundgut, indem allerdings auch zwei Stielspitzen vom Ahrensburger Typ<br />

vorkommen.<br />

Ein kurzer, daran anschließender Beitrag von K. Brunnacker, Die Dünen und deren Böden bei Westerkappeln/Westfalen<br />

(S. 69-76 mit 1 Abb.) beschäftigt sich mit dem geochronologischen Aspekt der Fundstelle, ohne<br />

aber wesentlich über die auf urgeschichtlichem Wege gewonnene Datierung hinauszukommen.<br />

Die übrigen Beiträge des lesenswerten Bandes von Kl. Wilhelmi, M. Hopf und G. Nobis befassen sich mit Untersuchungen<br />

zu einer Siedlung der vorrömischen Eisenzeit. L. Reis c h<br />

A. BROGLIO und L. FASAN!, Le Valli di Fimon nella preistoria. 59 S. und 41 Abb. Neri Pozza Editore, Vicenza<br />

1975.<br />

Das .volumetto" faßt die langjährigen Forschungsarbeiten zum Neolithikum (A. Broglio) und zur Bronzezeit<br />

(L. Fasani) im Gebiet des Firnon-Sees bei Vicenza zusammen. Es wendet sich in seiner knappen und summarischen


<strong>Bücherbesprechungen</strong> 197<br />

Darstellung an eine breite Offentlichkeit, gibt aber mit seiner Bibliographie und dem für seinen Umfang sehr<br />

materialreichen Abbildungsteil auch dem interessierten Fachkreis einen Überblick.<br />

Nach zwei Vorworten und einem knappen geologischen Vorspann wird die Forschungsgeschichte des Raumes dargestellt.<br />

Die bibliographischen Angaben hierbei haben besonderen Wert. Unter den verschiedenen neolithischen<br />

Stationen des behandelten Gebietes steht die Siedlungsstelle Persegaro im Vordergrund, wo von 1969 bis 1972 eine<br />

Fläche von 474m2 gegraben worden ist. Nach den Untersuchungen der Pflanzenrelikte dürfte sich die Siedlung<br />

.sehr wahrscheinlich" unmittelbar am alten Se<strong>eu</strong>fer befunden haben. Drei Wohnplätze aus kleinen hölzernen Plattformen<br />

mit Steinherden wurden erfaßt. Die guten Erhaltungsbedingungen organischer Substanzen haben Bestimmungen<br />

der verwendeten Holzarten ermöglicht und Radiokarbondatierungen angeregt: Den drei Siedlungsarealen<br />

werden 250-300 Lebensjahre während der 1. Hälfte des 4. Jahrtausends eingeräumt, weil eine Serie von 1969 gemessenen<br />

höheren C14-Zahlen als fehlerhaft erklärt wird (im Gegensatz zu L. Barfield, der die niedrigen Daten<br />

nur für .akzeptabler" hält: Die Anfänge des Neolithikums vom Orient bis Nord<strong>eu</strong>ropa VII, 1972, 210). Ein Grab<br />

eines in der Nähe gefundenen Kindes mit gleicher Keramik wie in der Siedlung wird nach der C14-Messung gegenüber<br />

der Ansiedlung für 200 Jahre älter erklärt.<br />

Zu den Besonderheiten der Funde gehört eine F<strong>eu</strong>ersteinpfeilspitze mit erhaltener Schäftung (Abb. 18), die Gefäßfunde<br />

datieren die Siedlung in die Finale-Quinzano-Phase der Keramik .a bocca quadrata" im Sinne Barfields.<br />

Die Untersuchungen haben ergeben, daß Jagd, Sammeln von Wildfrüchten und Muschelfischerei die Hauptquellen<br />

zur Befriedigung der Nahrungsbedürfnisse waren. Die ökonomische Basis der Siedlung steht trotz ihres fortgeschrittenen<br />

Alters im Neolithikum noch ganz in mesolithischer Tradition. Dieses Umstandes wegen verdient sie<br />

besondere Aufmerksamkeit.<br />

Fasani gibt einen Überblick über Funde und Grabungen älteren und n<strong>eu</strong>eren Datums etwa von der Remedellobis<br />

zur Urnenfelderzeit und zeigt, daß die ganze Bronzezeit über das Gebiet des Firnon-Sees besiedelt war. In<br />

chronologischer Reihenfolge werden zunächst einige ältere, aus den Grabungen Lioys stammende Stücke aufgeführt,<br />

die an den Übergang von Äneolithikum zur Bronzezeit datiert werden. Siedlungsreste mit Spuren von Holzbauten<br />

konnte er bei Fondo Tomesello ergraben, sie werden nur im Photo vorgeführt. Die Funde von Terramare­<br />

Art (Taf. 32-35) sind bemerkenswert, weil sie aus einem gut gegrabenen Siedlungsstratum stammen. Über eine<br />

zweite Siedlungsgrabung auf dem Monte Crocetta di Arcugnano mit sich angeblich nicht besonders unterscheidendem<br />

Fundstoff aus drei Schichten wird berichtet. Hierzu wird man gespannt einen ausführlichen Bericht abwarten,<br />

der die mittel- bis spätbronzezeitliche Keramik den einzelnen Schichten zuweist. Schließlich werden noch spätbronzezeitliche<br />

Funde von Capitello di Fimon angeschlossen.<br />

Alles in allem vermittelt das gelungene Büchlein einen Überblick zum Neolithikum und zur Bronzezeit einer<br />

kleinen Siedlungszelle. Hoffentlich macht es Schule in Italien, daß ihm ähnliche Zusammenfassungen zu anderen<br />

Gegenden folgen werden. B. Hänsel<br />

G. EOSINSKI und G. FISCHER: Die Menschendarstellungen von Gönnersdorf der Ausgrabung von 1968. Der<br />

Magdalenien-Fundplatz Gönnersdorf, Band 1. Wiesbaden 1974. 131 S. mit 37 Textabb., 74 Taf. u. 3 Beilagen.<br />

1968 kamen beim Bau eines Hauses in Gönnersdorf Knochen und Silices zutage. Dank glücklicher Umstände wurden<br />

die Denkmalbehörden von diesem Fund benachrichtigt, die eine systematische Rettungsgrabung einleiteten.<br />

Legte man 1968 mit 96m2 schon eine beachtliche Fläche frei, so dehnten sich die Grabungen im Laufe der Jahre<br />

immer weiter aus. Die Aufa.rbeitung der Funde und Befunde kann bei den h<strong>eu</strong>tigen subtilen Forschungsmethoden<br />

unmöglich ein einzelner bewältigen. Dies erkennend, übertrug G. B. Teilgebiete selbständig und in eigenem Interesse<br />

forschenden Mitarbeitern. Auf diese Weise gelang es, bereits zwei Monographien vorzulegen, während die<br />

Grabungen noch laufen. So steht zu hoffen, daß Gönnersdorf das Schicksal so vieler bed<strong>eu</strong>tender Fundstellen erspart<br />

bleibt, die - mit großem Elan erforscht - das Lebenswerk des Ausgräbers krönen sollten und dann nie der<br />

Wissenschaft zugänglich gemacht wurden.<br />

Die vorliegende Monographie beschäftigt sich mit den Menschendarstellungen der Grabung 1968 in Gönnersdorf,<br />

bei denen es sich ausschließlich um Bilder von Frauen handelt. Unter den Schieferplatten, die das Siedlungsareal<br />

im Bereich eines Zeltes oder einer Hütte bedeckten, konnten 87 Platten (solche mit beidseitiger Gravierung doppelt<br />

gezählt) mit insgesamt 224 Frauenbildern ausgesondert werden. Dazu kommen 11 Statuetten aus verschiedenen Materialien,<br />

die in der Umrißgestaltung formal den Gravierungen gänzlich entsprechen.<br />

Um die Bedingungen zu klären, unter denen die Gravierungen entstanden, stellte G. B. zunächst umfangreiche<br />

Versuche mit Dachschieferplatten und Steingeräten an. Es zeigte sich, daß Stichel und Bohrer die wesentlichen<br />

Zeichengeräte waren. Eine mikroskopische Untersuchung sich überschneidender Linien lehrte, daß man nur unter<br />

selten günstigen Bedingungen die jüngere von der älteren unterscheiden kann. Außerdem ergab sich, daß eine


198 <strong>Bücherbesprechungen</strong><br />

unterschiedliche Handhabung des gleichen .Griffels" zu sehr verschiedenen Linienqualitäten führt. Das sind zwei<br />

für die Erforschung der paläolithischen Kunst und Geisteswelt sehr negative Ergebnisse. Zielen doch die Analysen<br />

von A. Marshad


200 <strong>Bücherbesprechungen</strong><br />

als unglaubwürdig abgetan werden, weil zu wenig argumentiert, zu viel ged<strong>eu</strong>tet und mit untauglichen Belegen<br />

gearbeitet wird. Das Springen durch Zeit und Raum geschieht allzu system- und ziellos.<br />

Ein symptomatisches Beispiel aus dem Kapitel .Darstellung und D<strong>eu</strong>tung der Tierwelt" mag die Gedankenverwirrung<br />

bel<strong>eu</strong>chten (S. 136): Charriere schreibt hier, nachdem er die Skythen als ständig auf der Jagd nach wilden<br />

Tieren vorgestellt hat: .Der paläolithische Mensch entwickelte aus seiner Lehensform als Jäger und Hirte" (!! !)<br />

.eine von der Fauna, von Jagdgebräuchen und Kulthandlungen geprägte und gestaltete Sprache. Auch ohne ethnische<br />

Verwandtschaft können in sehr weit voneinander entfernten Gebieten vergleichbare Dämonenvorstellungen und<br />

Ideographien entstehen." Der Leser erwartet daraufhin gespannt, etwas über die Parallelität skythischer und paläolithischer<br />

Vorstellungen und Kunstäußerungen zu erfahren. Statt dessen springt Charriere zum .sibirischen Biotop",<br />

wo ein Wolf mit Widderhörnern bekannt ist. Ihn vergleicht er mit einer angeblich widdergehörnten Schlangendarstellung<br />

bei den Assyrern und vermerkt anschließend, daß bei den Kelten Götter und Heerführer von Nattern<br />

begleitet worden seien. Es bleibt ein Rätsel, was solche aussagelosen Aneinanderreibungen zur Klärung der<br />

nomadischen Kunst beitragen können.<br />

Das in dieser Zeitschrift besonders interessierende Verhältnis zwischen paläolithischer und skythischer Kunst wird<br />

mehrmals gestreift. Dabei wird immer von der paläolithischen Kunst oder dem paläolithischen Menschen gesprochen,<br />

ohne die Phänomene dieser doch bestimmt langen Zeitepoche zu differenzieren. Unterschiedlichkeiten z. B.<br />

werden bei der Darstellung von Raubvögeln gesehen, wobei die Skythen mehr die Wildheit, das Kämpferische entsprechend<br />

ihren gesellschaftlichen Verhältnissen betonen, die zahmen Vögel des Paläolithikums aber monogame Vorstellungen<br />

widerspiegeln sollen. Letzteres ist eine aus der Lu.ft gegriffene Interpretation, die bestenfalls in einem oder<br />

anderen Fall noch als Möglichkeit Bestand haben mag. Wenn jedoch offensichtlich falsch gesehen wird, bleibt aber<br />

nicht einmal das. So zweifelt man an der Fähigkeit Charrieres zur Kunstbetrachtung, wenn er die Ansicht, daß es<br />

gleichermaßen bei Skythen und Paläolithikern Darstellungen des gejagten Wildes in Unruhestellung gäbe, mit der<br />

berühmten Bisonschnitzerei aus La Madeleine (Abb. 45) belegen möchte. Erstens handelt es sich dabei nicht um eine<br />

Hirschkuh oder -kalb (S. 20), und zum zweiten wendet das Tier den Kopf nicht, um von hinten lauernde Gefahr<br />

besser zu erkennen. Die d<strong>eu</strong>tlich ausgestreckte Zunge zeigt, daß es sich in friedlicher Ruhe schleckt.<br />

Ähnlich oberflächliche Beobachtungen führen des öfteren zu Fehlschlüssen. Eberdarstellungen aus verschiedenen<br />

Kulturbereichen z. B. sind ein untauglicher Beleg für die Behauptung, "wie wenig Völker und Rassen sich in bezug<br />

auf ihr intellektuelles Verhalten voneinander unterscheiden". Es trifft für die angeführten Beispiele nicht zu, daß<br />

der Eber allgemein den Symbolwert für das Heldenhafte darstellt. Der zitierte Eber von Altamira besitzt nicht acht<br />

Beine, die einen schnellen Lauf suggerieren können. Die Beine irgendeines anderen übermalten Paarhufers kommen<br />

unter dem Eber zum Vorschein. Unter dem Gesichtspunkt des heroischen Ebers ist diese Altamira-Darstellung<br />

völlig unvergleichbar mit dem achtfüßigen Hirsch auf den Silberbechern von Agighiol (Abh. 3 u. 5). Denn auf dem<br />

Boden des einen Bechers wird ausgerechnet ein Eber in ängstlich geduckter Haltung von einem Greifen geschlagen,<br />

wie eine Abbildung auch bei Charriere zeigt (Abb. 228). Auch ist es falsch, daß auf der berühmten Axt von<br />

Kelermes der .Eber in voller Bewegung" dargestellt ist, während die anderen Tiere ruhig lagern. Hätte Charriere<br />

die Axt abgebildet, könnte sich der Leser überz<strong>eu</strong>gen, daß weder die anderen Tiere alle liegen, noch daß der Eber<br />

von mehr Bewegung als diese erlaßt ist. Die Reihe ähnlich gelagerter Fehleinschätzungen läßt sich fortsetzen. Hier<br />

ist der .terrible simplificat<strong>eu</strong>r" am Werk, das Wesen der nomadischen und erst recht der vom allgemein Nomadischen<br />

an keiner Stelle d<strong>eu</strong>tlich unterschiedenen skythischen Kunst bleibt unerfaßt.<br />

Daß Sachfehler das erträgliche Maß eines Irrtums überschreiten, zeigen folgende Beispiele: Die Paläolithiker werden<br />

als Hirten vorgestellt (S. 136); "vom Mesolithikum bis zum Metallzeitalter" herrscht angeblich .nomadische<br />

Lebensweise" (S. 178); die neolithische Tripoljekultur gehört nach Charriere in das 3. Jahrhundert (S. 21); es wird<br />

von .griechisch-nomadischen" Goldschmieden gesprochen (S. 17). Die Aufzählung läßt sich fortsetzen.<br />

Das marxistische Weltbild des Autors mit seinem Hang zur Polarisierung zwischen vermeintlich idealistischen<br />

und materialistischen Ansichten führt entweder zu Übertreibungen oder aber zu Konstruktionen von nicht vorhandenen<br />

Gegensätzen. Nur so sind inhaltslose Sätze wie der folgende zu erklären (S. 17): .Die Vorzüge des Fabelwesens"<br />

(gemeint ist das Pegasus-Motiv) .sind zunächst einmal als ideographische Kombination zu betrachten,<br />

ganz gleich, worin später die Idealisierung und Mythisierung des Motivs bestanden haben mag." übertrieben ist<br />

zweifellos, den an Halluzinationen erinnernden skythischen Tierstil durch die Wirkung von Rauschgift zu erklären.<br />

Der Gedanke, den Anteil des literarisch wie archäologisch nachgewiesenen Rauschmittelgenusses der Skythen<br />

an den phantastischen Kunstprodukten zu diskutieren, ist gewiß originell und auch nicht von der Hand zu weisen.<br />

Das Phänomen einer skythischen Stilbildung ist damit aber nicht erklärt, und der Haschischkonsum reicht nicht<br />

aus, die Nomadenkunst aus dem Bereich des Religiösen zu lösen.<br />

Des weiteren besteht auch kein Gegensatz zwischen .ursächlichen sozialen Beziehungen und Bindungen, welche<br />

Religion in ihren Motiven und Riten reflektiert und einer angeborenen Religiosität" (S. 97). Nur die grundsätzliche


<strong>Bücherbesprechungen</strong> 201<br />

Fähigkeit und Bereitschaft des Menschen zur Religiosität, die aus dem Zwang, das Todesproblem zu bewältigen,<br />

resultiert, ermöglicht, soziale Bindungen und tatsächliches Geschehen in die Glaubenswelt einzubeziehen. Charriere<br />

sucht der scheinbaren Manie, Befunde religiös zu interpretieren, dadurch zu begegnen, daß er auf einen fiktiven<br />

.außerirdischen" Archäologen des 30. Jahrhunderts verweist. Dieser Archäologe müßte ein Grab aus der UdSSR<br />

mit einem Hammer-und-Sichel-Abzeichen bei einer religiösen D<strong>eu</strong>tung falsch erfassen. Aber ist es denn so falsch,<br />

das Symbol von Hammer und Sichel religiös zu verstehen? Z<strong>eu</strong>gt es denn nicht von einem Glauben an eine zukünftige<br />

.paradiesische" Gesellschaft im Kommunismus, zu der die Benutzer des Symbols zu führen versprechen?<br />

Dieses Beispiel belegt eher das Gegenteil, als Charriere beabsichtigt.<br />

Nicht nachzuvollziehen ist die E11kenntnis, daß die nomadische Kunst den Satz von Kar! Marx illustriert: .Die<br />

einfachste, die natürlichste Form dieser Arbeitsteilung" sei .die Sklavenhalterei". Die Begründung dafür, daß die<br />

.fast durchweg vorhandenen Perspektiven" nomadischer Künstler auf Sklaverei schließen lassen, ist aus der Luft<br />

gegriffen. Es gibt außerdem keine literarischen Quellen und keinen archäologischen Fund, die erweisen würden,<br />

daß skythische Künstler oder die anderer Nomadenvölker Sklaven allgemein gewesen seien. Und auch die Gegenüberstellung<br />

mit der paläolithischen Kunst kann das nicht bestätigen helfen. Nach Charriere sollen die recht unterschiedlichen<br />

Werke paläolithischer Kunst im Gegensatz zu der qualitativ gleichen (auch das ist falsch) nomadischen<br />

Kunst eine .stärker gemeinschaftliche Gesellschaftsstruktur" el'kennen lassen. Die Unterschiedlichkeiten in der<br />

paläolithischen Kunst sind aber doch wohl aus der zeitlichen Länge des Paläolithikums zu erklären. Die einzelnen<br />

.Künstler" waren dm·ch Generationen voneinander getrennt. Hier zeigt sich. eine erschreckende Unbefangenheit<br />

gegenüber historischem Geschehen und Denken.<br />

Ahnliehe oder andere kritische Einwände ließen sich noch viele bringen. Ihre Aufzählung nutzt aber niemandem.<br />

Über die Skythen hat der Leser wenig erfahren. Das Bemühen Cha11rieres ist gescheitert- weniger an seiner Weltanschauung,<br />

als an der mangelhaften Methodik seiner Kunstbetrachtung.<br />

Redaktionelle Mängel zeigen sich vor allem in der Tatsache, daß oft im Text nicht zu den vorhandenen Abbildungen<br />

Bezug genommen wird. Einige abgebildete Gegenstände sind überhaupt nicht in den Text einbezogen, andere<br />

ausführlicher behandelte fehlen im AbbildungsteiL Eine Karte am Ende des Buches ist unverständlich, eine<br />

Tabelle enthält Druckfehler. Das Literaturverzeichnis zitiert Marx und Engels auf französisch. Auch ein Teil der<br />

anderen genannten Literatur existiert in d<strong>eu</strong>tschsprachigen Editionen; das sollte ein populäres Kunstbuch. seinem<br />

Publikum nicht vorenthalten. B. H ä n seI<br />

SERGIO SERGI: ll Cranio Neandertaliano del Monte Circeo (Circeo 1). A cura e con prefazione di ANTONIO<br />

ASZENZI. 67 pagine, 48 tavole fuori testo, 11 tabelle. Accademia Nazionale dei Lincei, Roma 1974.<br />

Die Entdeckung des Neandertalerschädels von Monte Circeo ist die Frucht der systematischen und unermüdlichen<br />

Forschungen von Alberto Carlo Blanc Ende 1936. Die Grotte Guattari wurde einstens durch einen Erdrutsch<br />

im Mouste.rien verschlossen. Der Schädelfund gehört dem Epi-Würm II an. In der Höhle wurden zudem die Unterkiefer<br />

Circeo I und Circeo II aufgefunden.<br />

An dem fast vollständigen Cranium fehlt die rechte Schläfen- und Orbitalregion. Offenbar wurde ein scharfes<br />

Gerät benutzt, um ein trapezförmiges Stück aus der Basis (Nuchal- und Kondylenbereich) herauszuschneiden; man<br />

denke an die Herausnahme des Gehirns im Vollzug kultischen Brauchtums. Die Tafeln bringen nicht nur 9 Lichtbildaufnahmen<br />

der üblichen Normen und Ausschnittsfotos sowie 5 mikroskopische Befunde, sondern auch 8 Röntgendarstellungen.<br />

Ausführlich wird über den Status der Konservierung, der Fossilisation und der allgemeinen<br />

Ossifikation nebst Nahtverschluß sowie über die Geschlechtsbestimmung berichtet. Bezeichnend war der hohe Grad<br />

der Fossilisation. Das Cranium wurde als einem 40-50jährigen Mann zugehörig diagnostiziert. Die Schädelkapazität<br />

beträgt ca. 1550 ccm (La Chapelle 1620 ccm). Die Gehirngröße ist also - wie bekannt - beim Neandertaler<br />

enorm angewachsen und erreicht ein Volumen, das die Mittelwerte der am besten ausgestatteten menschlichen Populationen<br />

übertrifft.<br />

Die Maße und Indices sind aufgelistet. Veranschaulicht wird die Lage der kraniometrischen Punkte nach Abmessung<br />

und im Kurvenbild in Umrißzeichnungen auf 26 Tafeln. Die Scheitel-, Seiten-, Hinterhaupts- und Basisansichten<br />

des Craniums werden abgehandelt, gelegentlich in der Gegenüberstellu_ng der Paleoantropi (Circeo usw.)<br />

mit den Faneroantropi, auch mit Schimpanse. Eingehend werden Form und Lage des Schläfenbeins sowie die Basisknickung<br />

besprochen. Ausführlich ist die Charakteristik des Gesichts nachgezeichnet. Einmal wird die Maxilla in<br />

der Vorderansicht mit Bezug auf die Stirnfortsätze hervorgehoben. Dann wird die Morphologie und Lage des Jochbeins<br />

mit den Punkten Zygomaxillare superior, Zygomaxiiiare inferior, Zygofrontale externa und Zygotemporale<br />

inferior geschildert, und zwar in der Dreiecksdarstellung: Apo-, Pro- und lpocentrozygie. Zuletzt wird eine Betrachtung<br />

über den Alveolarfortsatz und den Gaumen gebracht.


202 <strong>Bücherbesprechungen</strong><br />

In der Analyse der morphologischen und der metrischen Merkmale stehen La Ferrassie und La Chapelle dem<br />

Schädel von Circeo noch am nächsten. Diese Merkmale entsprechen dem typischen Paleoanthropus, also der Gruppe<br />

der mittelpleistozänen Neandertaler am Ende ihrer Evolution. Sergi schließt die B<strong>eu</strong>rteilung wie folgt: • The<br />

Neandertalians of the last lce-Age constitute a series in which a particular evolution of the brain has been<br />

reached precociously, while the evolution of the cranium appeaa-s delayed and insufficient, so that a perfect equilibrium<br />

of the organs is wanting. Such harmony of correlative development being a necessary condition for potential<br />

further evolution, one must suggest that the typical Neandertalian of Circeo ended without any direct continuity<br />

with the Phaneranthropi."<br />

Sergi hat mit diesem Prachtband eine gewiß ungewöhnliche Schädelpublikation der Fachwelt vorgelegt.<br />

Kar! H. Roth-Lutra<br />

R. BLANCHARD, D. PEYRONY et H.-V. VALLOIS: Le Gisement et le Squelette de Saint-Germain-la-Riviere.<br />

115 pages, 6 planches, 37 figures et 2 annexes. Archives de I'Institut de Paleontologie Humaine, Memoire 34.<br />

Masson et Cie., Paris 1972.<br />

Der jungpaläolithische Fundplatz Saint-Germain-la-Riviere en Fronsadais nördlich der unteren Dordogne zwischen<br />

St. Andre-de-Cubzac und St. Michel-de-F1"onsac bei Libourne (Gironde) wurde 1934-1935 ausgegraben. Die<br />

Veröffentlichung besteht aus drei Teilen. Die knappe {17 Seiten) Beschreibung der Stratigraphie und der Ausgrabung<br />

durch den Gewährsmann Blanchard ist angesichts bestehender Lücken trotz Aufforderung durch Vallois leider<br />

unvollständig geblieben. Ausführlicher {24 Seiten) ist die Schilderung der Archäologie durch den Prähistoriker<br />

Peyrony, der als Erforscher des südwestfranzösischen Jungpaläolithikums bekannt wurde. Vallois, der Senior der<br />

französischen Anthropologie, behandelt das gut erhaltene Skelett ausführlich {66 Seiten). Der Fund ist gegenwärtig<br />

eines der wenigen Fossilien aus dem Paläolithikum Europas, der mit beträchtlicher Sorgfalt im Verbund freigelegt<br />

wurde. Das Skelett lag unterm Felsdach in der oberen Lagerstätte (Terrasse) in einheitlichem Niveau. Der<br />

untere Teil der Lagerstätte hat zwei Niveaus. Dessen obere Schicht enthält Magda!Cnien-Industrie der vorgenannten<br />

Terrasse, während die untere Schicht sich als etwas ältere Industrie derselben Tradition erweist 1• Durch die<br />

Ereignisse des Weltkrieges II wurde viel Material zerstr<strong>eu</strong>t; begrenzte Ausschnitte finden sich in den Museen in<br />

Les Eyzies, Libourne und sonsthin in Frankreich.<br />

Das Skelett lag auf der linken Seite mit gefalteten Gliedmaßen, die Arme vor dem Schädel und die Beine vor<br />

dem Körper in stark gekrümmter Haltung. Vallois fügt eine Übersicht über die Jungpaläolithiker nach de Sonneville­<br />

Bordes {1959) bei. Die Frau ist 20-25 Jahre alt und etwa 1,55 m groß (Manouvrier und Pearson). Der Schädel ist<br />

voluminös, mesodolichokran und jochbogenbreit Das postkraniale Skelett trägt d<strong>eu</strong>tliche Muskelmarken und Charakteristika<br />

wie Platycnemie. Ein treffender Überblick über die rassenkundliehen Auffassungen bezüglich des <strong>eu</strong>ropäischen<br />

Jungpaläolihtikers wird entworfen. Das Skelett von Saint-Germain-la-Riviere gehört sicher nicht zur<br />

Menschenform oder zum Lokaltypus von Chancelade. Es integriert sich völlig in den cro-magnoiden Typus. Dieser<br />

Typus entspricht fast der Gesamtheit des französischen Magdalt!nienmenschen, wenn auch Chancelade und die<br />

Frau von Oberkassel als Extremvarianten erscheinen und die Grimaldiskelette eingeschlossen werden.<br />

Die folgenden Einzelheiten sollen herausgestellt werden: Das Gesicht ist mäßig hoch, aber besonders breit. Die<br />

Augenhöhleneingänge sind transversal erweitert, aber deren Abstand voneinander bleibt eng. Der Oberkiefer ist<br />

leicht mesognath und der Gaumen breit. Der Unterkiefer ist verlängert und wirkt breit. Da weiblich, ist er wenig<br />

robust, mit sehr wohl entwickeltem Kinn, mit niedrigen, aber breiten Ästen. Der Humerus ist platybrach. Der Radius<br />

ist nicht besonders abgeflacht. Der Femur ist mit erhöhter Torsion nach vorn konvex, mit starkem Pilaster und<br />

mit markierter Platymerie. Die Tibia ist <strong>eu</strong>rycnem mit oberer Grenze platycnem. Die Retroversion ist sehr<br />

schwach ausgeprägt.<br />

Zwei Jahre nach der Entdeckung des hier besprochenen Frauenskeletts übergab Blanchard Stücke eines adulten<br />

Schädels (Kalotte und Unterkiefer), die offenbar aus den Grabungen in der oberen Terrasse 1928-1929 von Lepront<br />

und Mirande stammen (Boule, 1935). Gegen Ende von Blanchards Grabungen im Jahre 1949 (?) in der unteren<br />

Terrasse wurden Trümmer von 5 Kindern und Adulten zutage gefördert. Alle diese Knochenfunde dürften in die<br />

Magdaleoien-Epoche zu stellen und als cro-magnoid zu d<strong>eu</strong>ten sein.<br />

Vallois hat das Buch nach dem Ableben der beiden Mitarbeiter und im Zusammenhang mit den schwierigen<br />

1 De Sonneville-Bordes {1960) erbringt ein Inventar, das Magdaleoien II bez<strong>eu</strong>gt für die obere Fundstätte und für<br />

das obere Niveau der unteren Fundstätte, was Peyronys Befund bestätigt, während der Befund des unteren Niveaus<br />

der unteren Fundstätte nicht ausreicht, eine quantitative Studie zu erlauben, aber doch auf Magdaleoien II<br />

hinweist.


<strong>Bücherbesprechungen</strong> 203<br />

Zeitläuften erst spät herausbringen können. Die prä


204 <strong>Bücherbesprechungen</strong><br />

Ein Anhang, welcher Paläozoologen aufführt, die sim mit Mammatier-Resten befassen, ist äußerst braumbar.<br />

Diese Liste ist zwar bei weitem nimt vollständig, gibt jedom dem Außenstehenden genügend Anhaltspunkte auf<br />

der Sudle nach dem .einsmlägigen" Fammann.<br />

Bei den übrigen Vertebraten und aum Invertebraten ist die paläozoologische Seite etwas kurz behandelt. Alles in<br />

allem jedom muß diese Arbeit dankbar begrüßt werden. Mit Hilfe dieses Bumes kann man sich u. U. sehr viel<br />

Zeit ersparen. J. Th. Groiß<br />

G. HARTMANN (Herausgeber): Evolution of Post-Paleozoie Ostraeoda. 336 S., zahlreime Abb. und Taf. - Abh.<br />

Verh. naturwiss. Ver. Hamburg, N. F. 18/19 (Suppl.); Ver!. P. Parey, Harnburg 1976.<br />

Der vorliegende Symposium-Band beinhaltet meist Arbeiten, in denen, wenn überhaupt, dann nur am Rande,<br />

quartäre Ostracoden behandelt werden. Lediglich der Beitrag von A. Absolon: .N<strong>eu</strong>e Daten zur Evolution der Süßwasserostracoden<br />

im Pleistozän" befaßt sim ausschließtim mit diesem Thema.<br />

Den Ausführungen Absolons ist zu entnehmen, daß einerseits nur äußerst wenige Untersuchungen an pleistozänen<br />

Ostracoden durchgeführt wurden, andererseits jedom .echte" limnisme Arten im Pleistozän existierten. Für<br />

stratigraphische Einstufungen und womöglim aum für Niveau-Parallelisierungen könnten solme Formen sich als<br />

durchaus braumbar erweisen. Zum jetzigen Standpunkt ist das Wissen um die Reichweite der einzelnen Arten<br />

naturgemäß nom erheblich besmränkt. Aber wie bei allen anderen Formationen kann diese Unsicherheit durch vermehrtes<br />

und gezieltes Sammeln und Untersurnen bereinigt werden.<br />

Es wäre in diesem Zusammenhang zu wünschen, daß in Zukunft bei allen einsmlägigen Grabungen mehr Proben<br />

mit mikropaläontologismen Methoden untersumt werden könnten, um das Verbreitungsnetz der einzelnen Ostracoden-Formen<br />

sowohl horizontal als auch vertikal enger knüpfen zu können. Im Vergleich mit älteren stratigraphischen<br />

Einheiten, in denen gerade die Ostracoden häufig als die Leitfossilien angesehen werden müssen, ist<br />

im Pleistozän nom viel an Arbeit namzuholen. J. T h. G r o i ß<br />

Quartärpaläontologie, Abhandlungen und Berichte des Institutes für Quartärpaläontologie Weimar. Bd. l. 253 Seiten,<br />

81 Abb., 18 Tafeln. Berlin 1975, Herausgeber: H. D. KAHLKE.<br />

In einern<strong>eu</strong>en Publikationsreihe, die vom Institut für Quartärpaläontologie in Weimar durm Herrn Dr. Dr. H. D.<br />

Kahlke herausgegeben wird, sollen übersichtsarbeiten und Arbeitsberichte zur Quartärpaläontologie sowie monographische<br />

Bearbeitungen bed<strong>eu</strong>tender Fundstellen veröffentlimt werden. Die Smriftenreihe strebt vor allem auch das<br />

Ziel an, quartärpaläontologisme Probleme des <strong>eu</strong>ropäism-asiatischen Raumes teils in Synthesen, teils als Einzelprobleme<br />

bekannt zu machen. Dieses über Europa und Asien ausgedehnte und damit weitgespannte Interesse kommt bereits<br />

im ersten Bande zum Ausdruck, wo ein wesentlimer Teil der Aufsätze paläontologische Probleme des russischasiatischen<br />

Raumes aufgreift.<br />

Allein drei Arbeiten befassen sim mit der am linken Ufer des Dnjestr gelegenen Fundstelle Tiraspol, die zwar<br />

schon sehr lange bekannt ist, über die wir jedom wegen des smwer zugänglichen russischen Smrifttums nicht ausreimend<br />

unterrichtet sind. Aus 20 m mächtigen Sanden und Kiesen, die von mehreren Metern Löß und Lößlehm überlagert<br />

sind, kamen hier zahlreime Knomen und Zähne von Säugern zum Vorschein. Namgewiesen sind u. a. Elefanten,<br />

Breitstirnelm und Riesenhirsm, ferner der fossile Rothirsm, verschiedene Rinderarten, Pferde und das etruskisme<br />

Nashorn. Man nimmt an, daß die Fauna altersgleim ist mit den Funden von Süßenborn bei Weimax, wodurm<br />

zahlreiche V ergleime möglim werden. Damit gehört sie in eine frühere Phase der Mindelkaltzeit und ist vor dem<br />

Mindel-Haupteisvorstoß einzuordnen (zwischen Cromer I und Mindel 111).<br />

Die Pferde von Tiraspol (G r o m o v a und Du b r o v o) haben nimt allzu viele Reste geliefert. Es findet sich vor<br />

allem ein Großpferd (Equus aff. süssenbornensis WüsT), und zwar im oberen und im unteren Schotterhorizont Weniger<br />

häufig ist ein im oberen Schotter nachgewiesenes progressives Pferd, das mit Equus mosbachensis v. REICHENAU<br />

vergleichbar ist. Auch Reste von Kleinpferden liegen vor, ihre Artzugehörigkeit ist jedoch nicht geklärt. Aus Süßenborn<br />

beschrieb Musil (1969) ebenfalls Equus süssenbornensis, Equus mosbachensis und ein Kleinpferd mit primitivem<br />

Zahnbau, wobei es sich möglicherweise um Equus altidens v. REICHEN AU handeln könnte.<br />

Die Nashörner (Bel ja e v a und Da v i d) sind in den oberen Kiesfolgen der Smlumten aus der Umgebung von<br />

Tiraspol mit zwei Arten vertreten; einmal mit einer späten Form von Dicerarhinus etrus<strong>eu</strong>s und dann mit Dicerorhinus<br />

kirchbergensis. Ein gemeinsames Vorkommen der beiden Arten wurde für die Sowjetunion schon früher festgestellt.<br />

Auch in den mittleren Sanden von Mosbach sollen beide Arten nachgewiesen sein, von denen Die. etruscus das<br />

ältere und Die. kirchbergensis das jüngere Nashorn ist. Die in der UdSSR festgestellten Vorkommen weisen auf Unterschiede<br />

in den Arealen hin - engere für Die. etrus<strong>eu</strong>s und weitere für Die. kirchbergensis.


206 <strong>Bücherbesprechungen</strong><br />

Mit der Südgrenze des spätpleistozänen <strong>eu</strong>ropäisch-sibirischen Faunenblotkes befaßt sich K a h I k e. Im Spätpleistozän<br />

verlief die Grenze des <strong>eu</strong>ropäisch-sibirischen Faunenblotks (Mammalia) von Japan über Korea nach der chinesischen<br />

Provinz Hopei. Im letzten Glazial überschritten verschiedene Großsäuger nicht nur die Bering-Landbrütke<br />

nach Alaska, sondern auch die Tatarski-Landbrütke nach Japan und verdrängten dort vorhandene Faunenelemente.<br />

Weitere Artikel des Buches, auf die aber hier nicht näher eingegangen werden kann, befassen sich u. a. mit der<br />

lpswich-Fauna aus England (Turner), Konchylien sowie der Stratigraphie des Travertins von Weimar (Mania<br />

und Steine r), mit Pollen, Foraminiferen und Ostracoden von verschiedenen Fundorten, mit Faunen von Clactonon-Sea<br />

(Bon e und Singe r) und dem französischen Viilafranchium (Gut h).<br />

So bringt der Band eine Fülle von - vor allem für die Eiszeitforscher - wichtigen Untersuchungen.<br />

Ekke W.Guenther

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