Grammatik im DaZ-Unterricht?

Grammatik im DaZ-Unterricht? Grammatik im DaZ-Unterricht?

05.01.2013 Aufrufe

Grammatik im DaZ-Unterricht? Ein Beitrag zur Praxis in der Grundschule von Mathias Thimm Die Frage nach Grammatik im DaZ-Unterricht wird für die eine oder andere Leserin provozierend klingen. Was sollen wir denn damit? Es gibt doch wichtigere Sachen! Was nützt es, wenn die Kinder Grammatik können? Sie sollen doch besser die Sprache lernen. Grammatik ist graue Theorie und hat doch nun wirklich nichts mit der Praxis zu tun! Und trotzdem wird hier die Frage nach Grammatik im DaZ-Unterricht positiv beantwortet. Dies bedeutet aber nicht, dass DaZ-Unterricht nur aus der Vermittlung von Grammatik besteht. Es gibt natürlich auch andere wichtige Inhalte: z.B. Ausbau der Sprech-, Ausdruckund Kommunikationsfähigkeit, Wortschatzerweiterung und Begriffsbildung. In diesem Beitrag geht es jedoch in erster Linie um Grammatik als einem wichtigen Werkzeug (ndt. tool) für den Zweitspracherwerb. 1. Die Unterrichtssprache Ohne Frage ist die mündliche Kommunikationsfähigkeit ein wichtiges erstes Ziel des DaZ- Unterrichts, wenn Kinder fast ohne Kenntnisse der deutschen Sprache in die Schule kommen. Aber diese Fähigkeit allein genügt in der Regel nicht für eine erfolgreiche spätere Teilnahme am Unterricht. Obwohl die Schüler sich im Gespräch zum Teil ausreichend verständlich machen können, kommt es beim Umgang mit schriftlichen Texten immer wieder zu Problemen: Schüler verstehen nicht richtig, was sie lesen, und können nicht richtig ausdrücken, was sie mitteilen wollen. Mündlichkeit und Schriftlichkeit Zwar wird beim Sprechen und Schreiben vom Sprachbenutzer prinzipiell das gleiche Sprachmaterial verwendet, dennoch unterscheiden sich diese beiden Realisierungsformen der Sprache zum Teil erheblich. Das ist unter anderem davon abhängig, wie stark die Sprachverwendung in eine Situation bzw. einen Kontext eingebunden ist. Je unabhängiger das in Sprache Gesetzte von dem situativen Kontext ist, desto differenzierter muss Sprache in ihrer Struktur verstanden bzw. verwendet werden, da der Kontext das Verstehen nicht unterstützt. Dabei ist es grundsätzlich egal, ob gesprochen und gehört oder geschrieben und gelesen wird: � Beim Reden über das Hier und Jetzt in einer bekannten Situation genügt eine strukturell einfache Sprache. Das Verstehen fällt leicht, da die Situation den Verstehensprozess nichtsprachlich unterstützt. Das gleiche gilt auch für das Verstehen und Anfertigen schriftlicher Texte zu Beginn der Grundschulzeit: Sie sind durch Bilder und Zeichnungen stark situativ und kontextuell gestützt, so dass ein exaktes Sprachverstehen für das Verstehen nicht notwendig ist. � Das Schreiben über einen Sachverhalt, den der Leser nicht kennt, verlangt hingegen eine im Vergleich genauere Sprache. Alle Information muss sprachlich eindeutig kodiert werden. Dadurch ist der Leser hinsichtlich des Verstehens auch stärker gefordert. Weder die Situation noch ein bereits vorhandenes Sachwissen helfen ihm beim Verstehen. Gleiches gilt auch für die mündliche Unterrichtssprache in den oberen Klassen der Grundschule: Das richtige inhaltliche Verstehen ist zunehmend mehr auf das exakte Verstehen der Sprache und ihrer Strukturen angewiesen. Es wäre jedoch ein Irrtum anzunehmen, dass es dabei alleine auf die Wörter und ihre Bedeutungen ankommt, deren Vermittlung natürlich unerlässlich ist. Mindestens genauso wichtig ist die Relation der Wörter zueinander, denn erst daraus entsteht ein Sinn über das Einzelwort hinaus. Versteht man nur die Wörter, dann muss man sich den Sinn des Gesagten zusammenreimen, wie sich an folgenden drei Sätzen erkennen lässt:

<strong>Grammatik</strong> <strong>im</strong> <strong>DaZ</strong>-<strong>Unterricht</strong>?<br />

Ein Beitrag zur Praxis in der Grundschule<br />

von Mathias Th<strong>im</strong>m<br />

Die Frage nach <strong>Grammatik</strong> <strong>im</strong> <strong>DaZ</strong>-<strong>Unterricht</strong> wird für die eine oder andere Leserin provozierend<br />

klingen. Was sollen wir denn damit? Es gibt doch wichtigere Sachen! Was nützt es,<br />

wenn die Kinder <strong>Grammatik</strong> können? Sie sollen doch besser die Sprache lernen. <strong>Grammatik</strong><br />

ist graue Theorie und hat doch nun wirklich nichts mit der Praxis zu tun!<br />

Und trotzdem wird hier die Frage nach <strong>Grammatik</strong> <strong>im</strong> <strong>DaZ</strong>-<strong>Unterricht</strong> positiv beantwortet.<br />

Dies bedeutet aber nicht, dass <strong>DaZ</strong>-<strong>Unterricht</strong> nur aus der Vermittlung von <strong>Grammatik</strong> besteht.<br />

Es gibt natürlich auch andere wichtige Inhalte: z.B. Ausbau der Sprech-, Ausdruckund<br />

Kommunikationsfähigkeit, Wortschatzerweiterung und Begriffsbildung. In diesem Beitrag<br />

geht es jedoch in erster Linie um <strong>Grammatik</strong> als einem wichtigen Werkzeug (ndt. tool)<br />

für den Zweitspracherwerb.<br />

1. Die <strong>Unterricht</strong>ssprache<br />

Ohne Frage ist die mündliche Kommunikationsfähigkeit ein wichtiges erstes Ziel des <strong>DaZ</strong>-<br />

<strong>Unterricht</strong>s, wenn Kinder fast ohne Kenntnisse der deutschen Sprache in die Schule kommen.<br />

Aber diese Fähigkeit allein genügt in der Regel nicht für eine erfolgreiche spätere Teilnahme<br />

am <strong>Unterricht</strong>. Obwohl die Schüler sich <strong>im</strong> Gespräch zum Teil ausreichend verständlich<br />

machen können, kommt es be<strong>im</strong> Umgang mit schriftlichen Texten <strong>im</strong>mer wieder zu<br />

Problemen: Schüler verstehen nicht richtig, was sie lesen, und können nicht richtig ausdrücken,<br />

was sie mitteilen wollen.<br />

Mündlichkeit und Schriftlichkeit<br />

Zwar wird be<strong>im</strong> Sprechen und Schreiben vom Sprachbenutzer prinzipiell das gleiche<br />

Sprachmaterial verwendet, dennoch unterscheiden sich diese beiden Realisierungsformen<br />

der Sprache zum Teil erheblich. Das ist unter anderem davon abhängig, wie stark die<br />

Sprachverwendung in eine Situation bzw. einen Kontext eingebunden ist. Je unabhängiger<br />

das in Sprache Gesetzte von dem situativen Kontext ist, desto differenzierter muss Sprache<br />

in ihrer Struktur verstanden bzw. verwendet werden, da der Kontext das Verstehen nicht<br />

unterstützt. Dabei ist es grundsätzlich egal, ob gesprochen und gehört oder geschrieben und<br />

gelesen wird:<br />

� Be<strong>im</strong> Reden über das Hier und Jetzt in einer bekannten Situation genügt eine strukturell<br />

einfache Sprache. Das Verstehen fällt leicht, da die Situation den Verstehensprozess<br />

nichtsprachlich unterstützt. Das gleiche gilt auch für das Verstehen und Anfertigen<br />

schriftlicher Texte zu Beginn der Grundschulzeit: Sie sind durch Bilder und Zeichnungen<br />

stark situativ und kontextuell gestützt, so dass ein exaktes Sprachverstehen für das Verstehen<br />

nicht notwendig ist.<br />

� Das Schreiben über einen Sachverhalt, den der Leser nicht kennt, verlangt hingegen<br />

eine <strong>im</strong> Vergleich genauere Sprache. Alle Information muss sprachlich eindeutig kodiert<br />

werden. Dadurch ist der Leser hinsichtlich des Verstehens auch stärker gefordert. Weder<br />

die Situation noch ein bereits vorhandenes Sachwissen helfen ihm be<strong>im</strong> Verstehen.<br />

Gleiches gilt auch für die mündliche <strong>Unterricht</strong>ssprache in den oberen Klassen der<br />

Grundschule: Das richtige inhaltliche Verstehen ist zunehmend mehr auf das exakte Verstehen<br />

der Sprache und ihrer Strukturen angewiesen.<br />

Es wäre jedoch ein Irrtum anzunehmen, dass es dabei alleine auf die Wörter und ihre Bedeutungen<br />

ankommt, deren Vermittlung natürlich unerlässlich ist. Mindestens genauso wichtig<br />

ist die Relation der Wörter zueinander, denn erst daraus entsteht ein Sinn über das Einzelwort<br />

hinaus. Versteht man nur die Wörter, dann muss man sich den Sinn des Gesagten<br />

zusammenre<strong>im</strong>en, wie sich an folgenden drei Sätzen erkennen lässt:


Den Mafiaboss liefert am Ende der Polizist überraschenderweise dem Killer aus.<br />

Der Mafiaboss liefert am Ende dem Polizisten überraschenderweise den Killer aus.<br />

Dem Mafiaboss liefert am Ende der Polizist überraschenderweise den Killer aus.<br />

Nur wenn der Leser die sprachlichen Strukturen genau versteht, weiß er, wer am Ende in<br />

wessen Händen ist.<br />

In seinem Aufsatz „Verdeckte Sprachschwierigkeiten“ unterscheidet Werner Knapp daher<br />

zwischen einer konzeptuell mündlichen <strong>Unterricht</strong>ssprache zu Beginn der Grundschulzeit,<br />

die sich zu einer konzeptuell schriftlichen <strong>Unterricht</strong>ssprache entwickelt. Er schreibt:<br />

„Eine konzeptuell schriftliche Sprache kann nur verstanden werden, wenn alle<br />

Informationen, die in den sprachlichen Zeichen enthalten sind, vollständig und<br />

korrekt erfasst werden. Das heißt, dass gute morphologische und syntaktische<br />

Kenntnisse erforderlich sind, um das Gemeinte zu verstehen. Genau daran<br />

mangelt es aber manchen Kindern aus Sprachminderheiten, die in Deutschland<br />

eingeschult wurden.“<br />

(Werner Knapp, Grundschule 5/1999)<br />

Zu klären ist nun, was genau die Merkmale einer konzeptuell schriftlichen Sprache sind.<br />

Äußerungen und Sätze<br />

Alle als sinnvoll intendierten sprachlich-kommunikativen Einheiten werden als Äußerung bezeichnet<br />

(vgl. Lewandowski, Linguistisches Wörterbuch, 1985 und Engel, Deutsche <strong>Grammatik</strong>,<br />

1988). Als kommunikative Einheiten werden sie in erster Linie nach ihrem Verständniszweck<br />

beurteilt. Äußerungen können aus einem Satz bestehen, müssen es aber nicht.<br />

Dies wird bei folgendem Ausruf deutlich:<br />

Das Fenster!<br />

Diese Äußerung kann sehr Unterschiedliches bedeuten. Sie ist nicht - nicht einmal bei gegebenen<br />

Kontext - <strong>im</strong>mer eindeutig verstehbar.<br />

Sätze sind hingegen grammatische Einheiten, die nach ihrer Korrektheit beurteilt werden. Sie<br />

lassen sich als Idealform von Äußerungen betrachtet, da sie prinzipiell kontextfrei verstanden<br />

werden können. So kann der Ausruf Das Fenster! durch folgende Sätze eindeutig gemacht<br />

werden:<br />

Ich bitte dich, das Fenster zu schließen.<br />

Ich vermute, der Dieb ist durch das Fenster gekommen.<br />

Mir fällt auf, dass ich das Fenster vorhin nicht geschlossen habe.<br />

usw.<br />

Nichtsatzförmige Äußerungen brauchen, damit sie verstanden werden können, einen Kontext,<br />

eine situative Einbindung. Je mehr diese Einbindung entfällt, desto stärker ist sprachliche<br />

Kommunikation, die erfolgreich sein will, auf die Verwendung von Eindeutigkeit schaffenden<br />

Sätzen angewiesen. Dies gilt insbesondere für schriftliche Texte, bei denen Schreiber<br />

und Leser sich nicht bzw. nur in einem sehr allgemeinen gemeinsamen Kontext befinden.<br />

Das gilt aber auch für anspruchsvollere Formen mündlicher Kommunikation, wie z.B. das<br />

<strong>Unterricht</strong>sgespräch.<br />

Als ein entscheidendes Merkmal einer konzeptuell schriftlichen Sprache lässt sich also die<br />

Verwendung von Sätzen, durch die ein kontextfreies Verstehen möglich wird, hervorheben.<br />

Zusammenfassend lässt sich für den <strong>DaZ</strong>-<strong>Unterricht</strong> folgendes Ziel best<strong>im</strong>men:<br />

Kinder müssen Deutsch als konzeptuell schriftliche Sprache lernen, da diese der <strong>Unterricht</strong>ssprache<br />

entspricht. Sie müssen, indem sie gute morphologische und syntaktische<br />

Kenntnisse erwerben, lernen,<br />

� Sätze richtig zu bilden, damit sie sich eindeutig ausdrücken können und<br />

� Sätze in ihrer Struktur zu durchschauen, damit sie Texte, die nicht situativ eingebunden<br />

sind, verstehen können.<br />

Dabei handelt es sich um Schlüsselqualifikationen für jeden <strong>Unterricht</strong>.


2. Der Satz<br />

Was ist ein Satz und nach welchen Regeln wir er konstruiert?<br />

Wenn man den Schülern den Satz als ein für das genau Verstehen notwendiges sprachliches<br />

Konzept vermitteln möchte, dann muss man dies zunächst klären. Damit sind wir bei<br />

der <strong>Grammatik</strong> als der Beschreibung der Regeln zur sinnvollen Kombination der lexikalischen<br />

Einheiten der Sprache angelangt. Anschließend ist dann zu fragen, welche morphologischen<br />

und syntaktischen Kenntnisse der Schüler erwerben soll. Die Antwort auf diese<br />

Frage muss in Hinblick auf die Nützlichkeit für den Spracherwerb des Schülers erfolgen. Es<br />

kann nicht darum gehen, dem Schüler abstraktes Regelwissen zu vermitteln, das ihm darüber<br />

hinaus nicht hilft. <strong>Grammatik</strong> soll ihren Benutzer befähigen, die Sprache angemessen<br />

zu gebrauchen und zu verstehen, indem sie ihre Funktionsweise erklärt.<br />

Traditionelle <strong>Grammatik</strong> - Dependenzgrammatik<br />

Es gibt unterschiedliche grammatische Konzepte, von denen die traditionelle <strong>Grammatik</strong> mit<br />

der klassischen Einteilung nach Wortarten und der Analyse des Satzes nach dem Subjekt-<br />

Prädikat-Schema die bekannteste sein wird. Sie hat jedoch in Hinblick auf den <strong>DaZ</strong>-<strong>Unterricht</strong><br />

den Nachteil, dass sie die Sprache zwar analysiert und beschreibt aber hinsichtlich ihrer<br />

Verwendung nicht erklärt. Dies ist für den Sprachlernenden nicht hilfreich und didaktisch<br />

nicht brauchbar. Das gilt insbesondere für Erklärungsansätze, die ein Sprachgefühl voraussetzen:<br />

Dass z.B. ein Dativobjekt in den Satz gehört, wenn man Wem? fragen kann, ist letztlich<br />

eine Tautologie, da wem ein Fragepronomen <strong>im</strong> Dativ ist. Genauso gut kann der<br />

Sprachlernende „Wen hilft die Lehrerin?“ fragen. Und warum ist das falsch? - Traditionelle<br />

<strong>Grammatik</strong> ist also <strong>im</strong> Daz-<strong>Unterricht</strong> eine Sackgasse!<br />

Eine weniger bekannte <strong>Grammatik</strong> ist die Dependenzgrammatik, die sich aber gerade <strong>im</strong><br />

Kontext des Erwerbs der deutschen Sprache als Fremd- oder Zweitsprache als didaktisch<br />

hilfreich erweist. Die Dependenzgrammatik betrachtet sprachliche Einheiten, wie z.B. den<br />

Satz, auf der Grundlage der Abhängigkeit der einzelnen Teile voneinander und best<strong>im</strong>mt<br />

deren regelhaften Abhängigkeitsbeziehungen. Diese grammatischen Regeln lassen sich didaktisch<br />

sinnvoll für das Sprachlernen verwenden. Denn nun lässt sich klar sagen, warum<br />

„Wen hilft die Lehrerin?“ falsch ist: Das Verb helfen verlangt eine Ergänzung (Objekt) <strong>im</strong> Dativ.<br />

Ausführlicher erläutere ich das weiter unten.<br />

Auf der Grundlage der Dependenzgrammatik wird der Satz folgendermaßen definiert:<br />

Der Satz ist eine sprachliche Einheit, die<br />

1. ein finites Verb enthält,<br />

2. kein Element enthält, das ihn anderen Einheiten unterordnet und<br />

3. kontextfrei einen abgeschlossenen Sinn ergibt.<br />

Ich will das an einigen Beispielen erläutern:<br />

� „Weil mein Vater das sagt.“ ist, obwohl ein finites Verb vorliegt, kein Satz, da das Wort<br />

weil ein Element ist, das diese sprachliche Einheit einer anderen Einheit (z.B. „Ich<br />

komme nicht.“) unterordnet.<br />

� „Hasan holt.“ ist kein Satz, da er ohne Kontext keinen abgeschlossenen Sinn ergibt; es<br />

fehlt die Ergänzung dessen, was Hasan holt.<br />

� „Nudeln einkaufen.“ als Erwiderung auf die Frage „Wohin gehst du?“ ist kein Satz, da<br />

diese Konstruktion kein finites Verb enthält.<br />

Der Satz und sein Teile<br />

Aus der Sicht der Dependenzgrammatik (ich beziehe mich insbesondere auf die „Deutsche<br />

<strong>Grammatik</strong>“ von Ulrich Engel) bestehen Sätze aus drei verschiedenen Gruppen von Satzteilen:<br />

Verben, Ergänzungen und Angaben. Das Verb ist der wichtigste Teil des Satzes, da<br />

es den Satz begründet und best<strong>im</strong>mte Ergänzungen fordert. Angaben sind hingegen vom<br />

Verb nicht abhängig sondern frei hinzufügbar.


Das Verhältnis von Verb, Ergänzung und Angabe <strong>im</strong> Satz will ich an einem Beispiel verdeutlichen.<br />

Dabei verwende ich zur besseren Veranschaulichung eine einfache Symbolik, die<br />

sich auch <strong>im</strong> <strong>Unterricht</strong> verwenden lässt:<br />

Ergänzung<br />

, ,<br />

Verb Angabe<br />

Die Struktur des Satzes „Der Schüler macht <strong>im</strong>mer seine Aufgaben.“ lässt sich damit folgendermaßen<br />

veranschaulichen:<br />

Der Schüler macht<br />

<strong>im</strong>mer seine Aufgaben<br />

Das Verb machen fordert zwei Ergänzungen, die nicht weggelassen werden können, ohne<br />

das der Satz seine autonome Sinnhaftigkeit verlieren würde: „Der Schüler macht <strong>im</strong>mer.“ ist<br />

nach obiger Definition kein Satz. Auch „Macht <strong>im</strong>mer seine Aufgaben.“ ist kein Satz.<br />

Die Ergänzungen, die von Verben gefordert werden, sind genau best<strong>im</strong>mt. Das Verb machen<br />

fordert z.B. eine Nominativergänzung und eine Akkusativergänzung. Die Verwendung einer<br />

Dativergänzung wäre falsch:<br />

Der Schüler macht <strong>im</strong>mer seinen Aufgaben.<br />

Darüber hinaus hat dieser Satz eine Angaben, die nicht vom Verb gefordert ist und ohne<br />

weiteres auch weggelassen werden könnte, ohne das der Satz in Gefahr geräte:<br />

Der Schüler macht seine Aufgaben.<br />

Natürlich ließe sich der Satz auch durch zusätzliche Angaben erweitern:<br />

Der Schüler macht <strong>im</strong> Bus <strong>im</strong>mer seine Aufgaben sehr unordentlich.<br />

Die Grundstruktur, festgelegt durch das Verb und die von ihm geforderten Ergänzungen,<br />

bleibt dabei aber <strong>im</strong>mer gleich. Diese Fähigkeit des Verbs nennt man seine Valenz. Das<br />

Verb und seine Valenz bilden die Grundstruktur des Satzes, das Satzmuster.<br />

Valenz, Ergänzungen und Satzmuster<br />

Für jedes Verb lässt sich die Valenz und damit das Satzmuster angeben. So lautet z.B. für<br />

das Verb machen das Satzmuster . Dieses Satzmuster gilt für eine lange Reihe<br />

weiterer Verben: ärgern, bauen, essen, trinken, haben, kaufen, lesen, loben, treffen, verlieren,<br />

usw. In schriftlichen Texten wird dieses Muster mit einem Anteil von rund 30% benutzt.<br />

Das Satzmuster ist unabhängig von der Wortstellung, den hinzugefügten Angaben und einer<br />

möglichen Trennbarkeit oder Mehrgliedrigkeit des Verbs. Ist das Verb mehrgliedrig, spricht<br />

man von einem Verbalkomplex, der sich in ein Hauptverb, das das Satzmuster konstituiert,<br />

und ein oder mehrere Nebenverben (Hilfsverb, Modalverb, u.a.) zusammensetzt.<br />

NebenV<br />

Der Schüler <strong>im</strong>mer seine Aufgaben<br />

muss<br />

Der Schüler <strong>im</strong>mer seine Aufgaben<br />

hat<br />

Verben verlangen unterschiedliche und unterschiedlich viele Ergänzungen. Ulrich Engel<br />

unterscheidet insgesamt elf Ergänzungen zum Verb. Für den <strong>DaZ</strong>-<strong>Unterricht</strong> bis zur 4.<br />

Klasse sind davon die folgenden sechs Ergänzungen besonders relevant:<br />

� Nominativergänzung : Der Hund bellt.<br />

� Adjektivalergänzung : Das Wetter war schön.<br />

� Akkusativergänzung : Ich kaufe ein neues Halsband.<br />

HauptV<br />

machen<br />

gemacht<br />

.<br />

.<br />

.


� Dativergänzung : Meine Mutter folgt mir.<br />

� Situativergänzung : Wir befinden uns in einer aussichtslosen Lage.<br />

� Direktivergänzung : Alle Klassen fahren in den Zoo.<br />

Die meisten Verben verlangen ein bis drei obligatorische Ergänzungen. Es gibt auch Verben<br />

mit vier obligatorischen Ergänzungen. Diese sind aber eher selten und müssen hier nicht<br />

thematisiert werden. Nachfolgend sind die wichtigsten Satzmuster mit jeweils einem einfachen<br />

und einem mit Verbalkomplex und Angaben erweiterten Beispielsatz aufgelistet.<br />

� Satzmuster Das Auto fährt.<br />

Der Junge will <strong>im</strong>mer nur spielen.<br />

� Satzmuster Die Blume ist schön.<br />

Alles wird am Ende gut werden.<br />

� Satzmuster Wir fanden den Ausweg.<br />

Der Tierarzt musste den Hund leider töten.<br />

� Satzmuster Die Sachen gehören den Kindern.<br />

Der Jäger wird morgen dem Rudel folgen.<br />

� Satzmuster Wir waren bei der Tante.<br />

Das Datum soll am äußeren Rand stehen.<br />

� Satzmuster Klaus schenkte Oma einen Blumenstrauß.<br />

Ich würde mir gerne etwas anderes wünschen.<br />

� Satzmuster Ayse stellt die Vase auf den Tisch.<br />

T<strong>im</strong> soll alle Kisten ordentlich in die Ecke stellen.<br />

Satzmuster <strong>im</strong> <strong>DaZ</strong>-<strong>Unterricht</strong><br />

Es ist sicherlich sinnvoll schon in der 1. Klasse bei Kindern die kein oder fast kein Deutsch<br />

können mit dem Satzmuster z.B. bei Bildbetrachtungen zu beginnen. Die Kinder können<br />

durch bewußtes Hören und Sprechen dieses Musters ein Gefühl für die Abgeschlossenheit<br />

des Satzes entwickeln. Natürlich wäre es falsch nur oder überwiegend in diesem<br />

einfachen Satzmuster mit den Kindern zu reden. Es geht aber darum, in expliziten Übungssituationen<br />

dieses Muster zu üben. Auf jeden Fall müssen <strong>im</strong>mer die best<strong>im</strong>mten und unbest<strong>im</strong>mten<br />

Artikel geübt werden. Ohne ihre Beherrschung ist jede spätere Deklination unmöglich.<br />

In der 2. Klasse kann mit der Thematisierung des Satzmusters begonnen werden.<br />

Dazu werde ich nachfolgend eine <strong>Unterricht</strong>ssequenz skizzieren.<br />

Bis zum Abschluss der 4. Klasse sollten dann die weiteren Satzmuster und die dafür notwendige<br />

Deklination der Nomen und Adjektive Schritt für Schritt in Form einer spiralförmigen<br />

Progression thematisiert werden.<br />

3. Eine Unterrrichtssequenz zum Satzmuster <br />

Thema der Sequenz ist die Akkusativergänzung. Das Thema wird hier mit dem Inhalt<br />

„Kleidung“ gefüllt. Bekannt ist den Kindern, dass der Satz eine abgeschlossene Einheit mit<br />

mindestens einem Verb ist. Darüber hinaus sind ihnen die drei Genera (Symbolik:<br />

!=maskulin, "#= feminin, $#= neutrum) mit den best<strong>im</strong>mten und unbest<strong>im</strong>mten Artikeln,<br />

die trennbaren Verben und die Bildung der Personalformen der Verben <strong>im</strong> Singular bekannt.<br />

Zur visuellen Unterstützung kennen sie folgende Tabelle:<br />

! der Hund ein Hund<br />

" die Katze eine Katze<br />

$ das Pferd ein Pferd<br />

die Tiere Tiere


Neu in dieser Sequenz ist,<br />

� dass die verwendeten Verben eine weitere Ergänzung für die Abgeschlossenheit des<br />

Satzes verlangen,<br />

� dass sich bei der Akkusativergänzung die Artikel der maskulinen Nomen (und auch die<br />

maskulinen Nomen, die den Plural mit -(e)n bilden) verändern und<br />

� dass das Präfix der trennbaren Verben ganz an das Satzende rückt.<br />

Eingeführt wird folgende Terminologie:<br />

Das Verb ist der Boss <strong>im</strong> Satz.<br />

Der Boss best<strong>im</strong>mt, welche Mitspieler <strong>im</strong> Satz mitmachen müssen.<br />

Manche Verben wollen nur einen Mitspieler. Manche Verben wollen einen zweiten Mitspieler.<br />

Die Ergänzungen werden N-Mitspieler (Nominativergänzung) und A-Mitspieler (Akkusativergänzung)<br />

genannt.<br />

Zur visuellen Unterstützung werden in dieser Sequenz die Satzteilsymbole und diese<br />

A-Mitpieler-Tabelle für die Artikel <strong>im</strong> Akkusativ nach und nach eingeführt:<br />

! den Hund<br />

A-Mitspieler<br />

Löwen<br />

einen Hund<br />

Löwen<br />

" die Katze eine Katze<br />

$ das Pferd ein Pferd<br />

die Tiere Tiere<br />

Bei der Beschreibung der einzelnen Schritte wird <strong>im</strong> folgenden die explizite Spracharbeit in<br />

den Vordergrund gestellt. Es versteht sich aber von selbst, dass die Kinder sich <strong>im</strong> <strong>Unterricht</strong><br />

auch frei und sprachlich unstrukturiert zum Thema äußern und die Lehrerin das aufgreift.<br />

Wichtig ist jedoch, dass die Kinder auf zu übende Strukturen hingewiesen werden und diese<br />

zu best<strong>im</strong>mten Zeiten auch konsequent sprechend und schreibend geübt werden.<br />

Erster Schritt<br />

Im Kreis werden mit Hilfe der Frage „Was ist das?“ die Nomen für die verschiedenen Kleidungsstücke<br />

mit best<strong>im</strong>mten und unbest<strong>im</strong>mten Artikel gesammelt. Bild-Wort-Karten mit den<br />

Artikelsymbolen können das unterstützen.<br />

Anschließend wird folgendes Satzmuster mit Bezug auf die Kinder mehrfach gesprochen,<br />

wobei die Veränderungen bei den maskulinen Artikeln be<strong>im</strong> Sprechen deutlich hervorgehoben<br />

werden.<br />

Ich habe einen Pullover an<br />

Ayse hat eine Hose<br />

Hasan Schuhe<br />

ein Hemd<br />

Zur visuellen Unterstützung werden an der Tafel die beschrifteten, magnetischen Symbolkarten<br />

angeheftet, mit denen sich Sätze puzzeln lassen. Die Kinder nehmen dazu aus jeder<br />

Spalte ein Teil und reihen sie aneinander. Auf diese Weise konstruieren sie einen Satz.<br />

Nach dem gleichen Muster können Fragen formuliert werden:<br />

.


Wer hat was<br />

Wer<br />

Was<br />

hat<br />

hat<br />

ein T-Shirt<br />

Klaus<br />

Damit lassen sich kleine dialogische Übungen durchführen<br />

Zweiter Schritt<br />

Ausgehend von der Frage „Was ziehst du morgens an (bevor du zur Schule kommst)?“ können<br />

die Wörter und das Satzmuster des 1. Schritts mit neuen Verben (anziehen, aufsetzen,<br />

umbinden) wiederholt und vertieft werden. Die Kinder sprechen - mit visueller Unterstützung<br />

eines Satzpuzzles an der Tafel - mehrere Sätze des gleichen Satzmusters.<br />

Zum Abschluss wird das abstrakte Satzmuster hervorgehoben<br />

und erklärt, dass das Verb <strong>im</strong> Satz der Boss ist und manche Verben einen A-Mitspieler wollen.<br />

Die Besonderheit des A-Mitspielers wird anhand der A-Mitspieler-Tabelle deutlich gemacht.<br />

Dritter Schritt<br />

Das Satzmuster wird mündlich mit den bekannten und drei neuen Verben (ausziehen, absetzen,<br />

abbinden) ausgehend von den Frage „Was ziehst du abends aus? Was ziehst du an<br />

(bevor du ins Bett gehst)?“ geübt. Dafür stehen Satzmuster, N- und A-Mitspieler-Tabelle<br />

sowie die Bild-Wort-Karten visuell zur Verfügung.<br />

In diesem Kontext kann auch der Wechsel von unbest<strong>im</strong>mten und best<strong>im</strong>mten Artikel geübt<br />

werden:<br />

Ich ziehe eine Jacke an. Ich ziehe die Jacke aus.<br />

Ich setze eine Brille auf. Ich setze die Brille ab.<br />

Am Ende kann ein komplexes Satzpuzzle ausprobiert werden. Dabei lassen sich die Schwierigkeiten<br />

je nach Gruppe unterschiedlich gestalten:<br />

� Das Satzmuster wird um einen Helfer (Angabe) erweitert.<br />

� Der N-Mitspieler verliert seine Erststellung.<br />

� Die Verben werden nur mit schwachmarkierter Infinitivendung angeboten.<br />

� Die Ergänzung enthält nur das Genussymbol.<br />

Morgens<br />

Abends<br />

Im Sommer<br />

Im Winter<br />

Manchmal<br />

Ich ziehe einen Pullover<br />

ziehen<br />

setzen<br />

binden<br />

setze<br />

binde<br />

eine Mütze<br />

einen Gürtel<br />

ein Unterhemd<br />

N-Mitspieler Verb A-Mitspieler<br />

Helfer Verb N-Mitspieler A-Mitspieler<br />

ich<br />

du<br />

Mama<br />

Papa<br />

mein Bruder<br />

meine Schwester<br />

an<br />

an<br />

an<br />

an<br />

au<br />

um<br />

?<br />

.<br />

.<br />

?<br />

?<br />

$ T-Shirt<br />

! Schlafanzug<br />

" Hose<br />

an<br />

auf<br />

um<br />

aus<br />

ab<br />

.<br />

.


Mit Hilfe der Fragewörter lassen sich anschließend dialogische Übungen durchführen.<br />

Wann zieht<br />

wer<br />

was an<br />

Dabei werden die Satzteile flexibel umgestellt. Das Satzmuster bleibt jedoch prinzipiell erhalten:<br />

Wann zieht Papa den Schlafanzug an? - Am Abend zieht Papa den Schlafanzug an.<br />

Wer zieht manchmal einen Rock an? - Meine Schwester zieht manchmal einen Rock an.<br />

Was zieht Mama morgens an? - Einen Morgenmantel zieht Mama morgens an.<br />

Vierter Schritt<br />

Das Satzmuster und die Akkusativ-Ergänzung können auch in Form eines kleinen Ratespiels<br />

geübt werden, bei dem insbesondere das Hörverstehen noch einmal trainiert wird. Dazu<br />

spricht die Lehrerin Sätze auf einen Tonträger, von denen einige inhaltlich (!) falsch sind<br />

(z.B. Morgens ziehe ich einen Schlafanzug an.) Die Schülerinnen hören zu und geben ein<br />

vereinbartes Zeichen, wenn sie einen falschen Satz gehört haben. Dieser Satz kann<br />

nachfolgend von einer Schülerin berichtigt werden.<br />

Die Schülerinnen können danach selber richtige und inhaltlich falsche Sätze z.B. mit Hilfe<br />

des Satzpuzzles aus dem 3. Schritt schreiben und (nachdem die Lehrerin sie gegebenfalls<br />

korrigiert hat) auf einen Tonträger sprechen. Anschließend hören sich alle Schülerinnen alle<br />

Sätze an und verfahren wie oben.<br />

Fünfter Schritt<br />

Zum Schluss dieser Sequenz kann auf der Grundlage der zu Beginn<br />

vorbereiteten Bild-Wortkarten ein Quartett hergestellt werden. Dazu<br />

werden <strong>im</strong>mer vier Kleidungsstücke gruppiert, die sinnvoll zusammengehören.<br />

Auf jeder Karte steht, welche Dinge ein Quartett bilden. Angegeben<br />

ist nur das Genussymbol.<br />

Die Kinder versuchen bei diesem Spiel von den anderen Mitspielern die<br />

Karten zu bekommen, die ihnen für ein Quartett fehlen. Folgende<br />

Satzmuster sollen dazu verwendet werden:<br />

Hast<br />

Ich<br />

Gib<br />

du<br />

möchte<br />

mir<br />

A-Mitspieler<br />

A-Mitspieler<br />

A-Mitspieler<br />

?<br />

.<br />

!<br />

! Rock Rock<br />

Rock<br />

$ Kleid<br />

" Hose<br />

" Jeans<br />

Man darf am Ende dieser Sequenz nicht den Fehler machen zu glauben, dass die Schülerinnen<br />

nun die Akkusativ-Ergänzung beherrschen. Dies kann man nicht erwarten. Man wird<br />

dieses Satzmuster noch oft mit anderen Sachinhalten wieder aufgreifen und variieren müssen.<br />

Dies schreibt auch Gerlind Belke in ihrem praxisorientierten Buch „Mehrsprachigkeit <strong>im</strong><br />

Deutschunterrich“:<br />

„Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als Kindern in mehrsprachigen Lerngruppen<br />

diejenigen Sprachstrukturen, die sie noch nicht beherrschen, so oft wie<br />

möglich gezielt und in attraktiver und motivierender Form anzubieten in der Hoffnung,<br />

daß ein solcher intensivierter input nach und nach zum intake führt.“<br />

(Gerlinde Belke, 1999, Seite 178)<br />

Die Schwierigkeit besteht dabei darin, attraktive und motivierende Übungsformen zu finden.<br />

Belke hält jedoch einen Vorschlag bereit:<br />

?


4. <strong>Grammatik</strong> und Poesie<br />

Gerlinde Belkes Überlegungen basieren auf der Annahme, dass „ästhetische Texte die besseren<br />

Lehrbuchtexte sind“. Die herkömmlichen Lehrbuchtexte sind ihrer Meinung nach zum<br />

einen inhaltlich dürftig und für Kinder daher nicht anregend und zum anderen bieten sie oftmals<br />

nur „unstrukturierte Wortbausteine“. In kindlichen Sprachspielen und ästhetischen<br />

Texten, die häufig einfache Strukturen aufgreifen und wiederholen, sieht Belke eine gute<br />

Alternative.<br />

„Die Nutzung von Sprachspielen, Texten der Kinderliteratur, ästhetischen Texten<br />

<strong>im</strong> weitesten Sinne, für den Sprachunterricht ist gerade aus pragmalinguistischer<br />

Sicht angezeigt, weil solche Texte die Aufmerksamkeit des Schülers vom Inhalt<br />

auf die Sprachstruktur zu lenken vermögen.“<br />

(Gerlinde Belke, 1999, Seite 70)<br />

Solche Texte müssen so strukturiert sein, dass Kinder sie durch mehr oder weniger einfache<br />

Veränderungen neu nachgestalten können und dabei zu Ergebnissen kommen, die ihre<br />

Phantasie und Kreativität anregen.<br />

Es ist nicht <strong>im</strong>mer einfach, Texte dieser Art zu finden. Zuweilen bietet es sich daher an, solche<br />

Texte selber zu schreiben. Für die Akkusativ-Ergänzung möchte ich hier einige wenige<br />

Beispiele zeigen. Das „Strickmuster“ ist dabei <strong>im</strong>mer das gleiche: Eine sprachliche Struktur<br />

wird einige Male wiederholt, bevor sie in der Schlusszeile durch eine überraschende Wendung,<br />

einen Gag oder eine Übertreibung, die nicht mehr in das Satzmuster passen müssen,<br />

aufgehoben wird.<br />

Ärgern<br />

Klaus ärgert seinen Bruder.<br />

Klaus ärgert seine Schwester.<br />

Klaus ärgert seinen Vater.<br />

Klaus ärgert seine Oma.<br />

Klaus ärgert seine Mutter nicht.<br />

Das traut er sich nicht.<br />

N-Mitspieler Verb<br />

A-Mitspieler<br />

Dieser kleine Text lässt sich sehr einfach variieren. Statt Klaus kann jedes Kind z.B. seinen<br />

eigenen Namen oder einfach Ich einsetzten und darüber nachdenken, wen es ärgert und<br />

wen warum nicht. Die Situation kann in der Familie verbleiben aber auch z.B. in die Schule<br />

übertragen werden (Hasan ärgert den Hausmeister nicht.) Der Schlusssatz kann einfach<br />

übernommen oder auch verändert werden (Der brüllt gleich <strong>im</strong>mer los.) Die Possessivpronomen<br />

können gegen Artikel ausgetauscht werden; das macht es vielleicht einfacher.<br />

Letztlich lässt sich auch das Verb austauschen: stören, necken und nerven; aber auch: lieben<br />

und mögen. Dann ändert sich natürlich auch die Überschrift.<br />

Kindergeburtstag<br />

Zuerst esse ich einen Schokokuss.<br />

Dann esse ich ein großes Stück Kuchen.<br />

Danach esse ich eine Tüte Gummibärchen.<br />

Anschließend esse ich eine halbe Pizza.<br />

Zwischendurch esse ich ein Eis.<br />

Zum Schluss esse ich einen Teller Spagetti.<br />

Mir ist plötzlich ganz übel.<br />

Helfer Verb<br />

N-Mitspieler A-Mitspieler<br />

.<br />

.


Diese Situation kennen sicherlich viele Kinder: wieder einmal zuviel gegessen. Ob das nun<br />

be<strong>im</strong> Kindergeburtstag, bei einer großen Familienfeier oder be<strong>im</strong> Picknick <strong>im</strong> Park war lässt<br />

sich gut variieren. Vielleicht war es ja auch Tante Erna (Zuerst mampft Tante Erna ein Stück<br />

Sahnetorte.).<br />

Schreierei<br />

Die Chefin schreit den Vater an.<br />

Der Vater schreit die Mutter an.<br />

Die Mutter schreit die Tochter an.<br />

Die Tochter schreit den Bruder an.<br />

Der Bruder schreit den Hund an.<br />

Der Hund kann nicht schreien.<br />

Bei diesem kleinen Text wird der Unterschied zwischen Akkusativ- und Nominativ-Ergänzung<br />

gut sichtbar, da die Akkusativ-Ergänzung <strong>im</strong> nächsten Satz <strong>im</strong>mer noch einmal als<br />

Nominativ-Ergänzung aufgegriffen wird.<br />

Die Texte, die die Schüler auf diese Weise durch einfache Variation selber schreiben können,<br />

haben nicht den Charakter einfacher Übungstexte, die für nichts zu gebrauchen sind.<br />

Es lohnt sich vielmehr, diese Texte anderen Kindern in Form von illustrierten Ausstellungen<br />

oder auch durch Vortrag (eventuell auch von einem Tonträger) zu präsentieren.<br />

Literatur<br />

N-Mitspieler A-Mitspieler<br />

Verb<br />

Gerlind Belke, Mehrsprachigkeit <strong>im</strong> Deutschunterricht, Hohengehren 1999<br />

Ulrich Engel, Deutsche <strong>Grammatik</strong>, Heidelberg 1988<br />

Gerhard Helbig, Joach<strong>im</strong> Buscha, Deutsche <strong>Grammatik</strong>, München 1993<br />

Werner Knapp, Verdeckte Sprachschwierigkeiten, Grundschule 5/1999<br />

Theodor Lewandowski, Linguistisches Wörterbuch, Band 1-3, Heidelberg 1984<br />

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