Hydrologie - dezentraler Hochwasserschutz

Hydrologie - dezentraler Hochwasserschutz Hydrologie - dezentraler Hochwasserschutz

05.01.2013 Aufrufe

5. Klima und Wasserhaushalt - was vermuten und was wissen wir über das zukünftige Hochwassergeschehen? Um es vorwegzunehmen: Gesicherte Erkenntnisse über das zukünftige Hochwassergeschehen als Folge der bereits eingetretenen und prognostizierten Klimaänderung liegen nicht vor. Die Hydrologen und Meteorologen sind sich aber darin einig, dass die seit dem 19. Jahrhundert im Gang befindliche globale Erwärmung zu einer Intensivierung des hydrologischen Kreislaufes führt. Die Mitteltemperatur der bodennahen Luft hat auf der Nordhalbkugel von 1860 bis 1999 um durchschnittlich 0,75 Grad zugenommen (IPCC 2001), global im 20. Jahrhundert um 0,6 Grad – anthropogen mitverursacht (GRASSL 2000, BMU 2003). Diese Erwärmung zeigt eine progressive Trendstruktur mit dem stärksten Anstieg in den letzten Dekaden (SCHÖNWIESE 2004). Eine Vorhersagemethode besteht darin, den gegenwärtigen Trend von Zeitreihen in die Zukunft zu extrapolieren; die Trendsignifikanz hängt bei dieser Vorgehensweise in vielen Fällen vom gewählten Zeitreihenbeginn ab (z. B. STRAUB 2000 und LfU 2002). BARDOSSY (2004) konnte aus der Analyse jährlicher Hochwassermaxima von 1930 bis 2003 zeigen, dass der positive Trend eines Kollektivs von 12 Pegeln in Baden- Württemberg bereits signifikant ist und damit auf einen Anstieg der Jahresextremwerte hinweist. Auch bei der Konferenz Klimaveränderung und Konsequenzen für die Wasserwirtschaft – Kooperationsvorhaben KLIWA (LFU 2004) wurde ein positiver Trend der Starkniederschläge und Hochwasser bestätigt (Klimawandel). CASPARY (2004) identifiziert die winterliche Wetterlage „Westlage zyklonal“ (Wz) als kritisch für die Hochwasserbildung an größeren Gewässern in Baden-Württemberg, nach dem Bruchpunkt 1981 in der Reihe der jährlichen Hochwassermaxima an vier süddeutschen Pegeln steigt die Häufigkeit der Wzverursachten Hochwasser regional an. Analog schlossen BARTELS et al. (2004) aus Teilzeitreihen der letzten 30 bis 40 Jahre auf häufigere Hochwasser mit zunehmenden Höchstabflüssen in süddeutschen Einzugsgebieten. In Problemeinzugsgebieten mit signifikanter Instationarität wären daher die Bemessungswerte neu festzulegen, dies ist für Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz bereits in Bearbeitung (STRÄHLE 2004); eine pauschale Anhebung um einen festen Prozentsatz kann nach Untersuchungen von BARDOSSY (2005) und BRAHMER (2005) nicht empfohlen werden. In globalem Maßstab wird der Rückgang des Permafrostes, die negative Massenbilanz von Gletschern und die Schrumpfung der arktischen Eisdecke als Signal für eine Klimaänderung herangezogen: - Massenbilanz, Oberfläche, Akkumulation und Höhe von 300 untersuchten Gletschern zeigen einen negativen Trend (DYURGEROV 2003) - Auch Alpengletscher sind von dieser Entwicklung betroffen. Der Hintereisferner – ein extremes Beispiel – erlitt seit 1952 einen Wasseräquivalentverlust von 25 m und seit Mitte des 19. Jahrhunderts einen Volumenverlust von 1,0 km 3 (KUHN & ESCHER-VETTER 2004); der Vernagtferner schrumpfte von 1845 bis 1999 um 680 Millionen Tonnen auf 1/3 seiner ursprünglichen Eismasse (BRAUN & WEBER 2003) - In der inneren Arktis wurde eine Schrumpfung der Meereisdecke in den letzten 3 bis 4 Jahrzehnten bis zur Hälfte, an manchen anderen Stellen doch noch um 5 bis 10 % gemessen (GRASSL 2000). 32

Diese Entwicklung dürfte sich in den nächsten Jahrzehnten fortsetzen, nachdem für die Zeit bis 2100 eine deutliche Zunahme der bodennahen Lufttemperatur berechnet wurde. Für global gemittelte Jahresmittelwerte liegt diese Zunahme szenario- und modellabhängig zwischen 1,4 und 5,8 Grad, was aller Voraussicht nach eine Häufung von Wetter-Extremsituationen zur Folge haben wird (IPCC 2001, CUBASCH 2004, SEN ROY & SINGH 2002, BMU 2003, MANABE et al. 2004, KUNDZEWICZ 2004). Für Süddeutschland wurde ein Anstieg konvektiver Sommerregen bei gleichzeitiger Abnahme der Gesamtniederschlagshöhe berechnet (KNOCHE et al. 2003), für Sachsen (Dekade 2041-2050) eine trockenere Witterung im Sommer mit häufigen örtlich begrenzten Extremniederschlägen (KÜCHLER (2004) und für das Mulde-Einzugsgebiet (südliche Elbe) in der Periode bis 2100 ebenfalls eine Abnahme des Niederschlags und damit des mittleren Abflusses (MENZEL & BÜRGER 2002). GERLINGER (2004) schließt aus Modellrechnungen (Modelle von Meteo-Research und Max-Planck-Institut für Meteorologie) unter Verwendung regionaler Klimaszenarien auf eine Zunahme der Hochwasser im Neckareinzugsgebiet, speziell der mittleren Winterhochwasser und der extremen Hochwasser. Eine Reihe von Szenariorechnungen deutet darauf hin, dass sich das Abflussregime im gesamten Alpenbereich hin zu erhöhtem Winterabfluss und zu abnehmendem Sommerabfluss verschieben wird, in Teilregionen ist mit einer Halbierung der Tageswerte von Sommerabfluss und Frühjahrs-Schneeäquivalent zu rechnen (VERBUNT & GURTZ 2004, ZIERL & BUGMANN 2005). Räumlich kleinskalige Vorhersagen führen noch zu unsicheren Ergebnissen, ein Problem der verwendeten Zirkulationsmodelle (Nordatlantische Oszillation, NAO- Index) und der Downscalingmethoden – hier bei sehr heterogenem und räumlich trendbehaftetem Wettergeschehen (KOTLARSKI et al. 2004, NACHTNEBEL & FUCHS 2004, ZEHE et al. 2004, EKSTRÖM et al. 2005). Grundsätzlich stoßen Modellrechnungen an ihre Grenzen, wenn der vorhergesagte Anstieg bereits in der Größenordnung des Modellfehlers liegt. THIEKEN et al. (2003) konnten dies am Beispiel des 100-jährlichen Hochwassers der Periode 2061-2090 im Einzugsgebiet der Mosel zeigen, BOOIJ (2005) macht den stochastischen Charakter des Niederschlagsprozesses und Differenzen der Klimamodelle für das unsichere Rechenergebnis verantwortlich. Dessen ungeachtet ist – in Übereinstimmung mit den Referenten der o. g. Konferenz – an der Zunahme kritischer Wetterlagen in Südwestdeutschland als Ursache für die Entstehung extremer Hochwasser nicht zu zweifeln, auch wenn die Aussagen der verschiedenen Klimamodelle hinsichtlich der Verteilung der Extreme auseinandergehen. Die Effekte des beschleunigten hydrologischen Kreislaufes überlagern sich mit denjenigen der zu erwartenden Landnutzungsänderungen. Da diese die Auswirkungen des Klimawandels regional durchaus überprägen können, bedarf die Hypothese, dass mit dem Klimawandel auch ein Hochwassertrend einhergeht, im Einzelfall noch der Quantifizierung (LAWA 1995, DEWALLE et al. 2000, PRUDHOMME et al. 2003, ETH ZÜRICH 2003, HELMS & IHRINGER 2003, HELLEBRAND et al. 2005). 33

5. Klima und Wasserhaushalt - was vermuten und was wissen<br />

wir über das zukünftige Hochwassergeschehen?<br />

Um es vorwegzunehmen: Gesicherte Erkenntnisse über das zukünftige<br />

Hochwassergeschehen als Folge der bereits eingetretenen und prognostizierten<br />

Klimaänderung liegen nicht vor. Die Hydrologen und Meteorologen sind sich aber<br />

darin einig, dass die seit dem 19. Jahrhundert im Gang befindliche globale<br />

Erwärmung zu einer Intensivierung des hydrologischen Kreislaufes führt. Die<br />

Mitteltemperatur der bodennahen Luft hat auf der Nordhalbkugel von 1860 bis 1999<br />

um durchschnittlich 0,75 Grad zugenommen (IPCC 2001), global im 20. Jahrhundert<br />

um 0,6 Grad – anthropogen mitverursacht (GRASSL 2000, BMU 2003). Diese<br />

Erwärmung zeigt eine progressive Trendstruktur mit dem stärksten Anstieg in den<br />

letzten Dekaden (SCHÖNWIESE 2004).<br />

Eine Vorhersagemethode besteht darin, den gegenwärtigen Trend von Zeitreihen in<br />

die Zukunft zu extrapolieren; die Trendsignifikanz hängt bei dieser Vorgehensweise<br />

in vielen Fällen vom gewählten Zeitreihenbeginn ab (z. B. STRAUB 2000 und LfU<br />

2002).<br />

BARDOSSY (2004) konnte aus der Analyse jährlicher Hochwassermaxima von 1930<br />

bis 2003 zeigen, dass der positive Trend eines Kollektivs von 12 Pegeln in Baden-<br />

Württemberg bereits signifikant ist und damit auf einen Anstieg der<br />

Jahresextremwerte hinweist. Auch bei der Konferenz Klimaveränderung und<br />

Konsequenzen für die Wasserwirtschaft – Kooperationsvorhaben KLIWA (LFU 2004)<br />

wurde ein positiver Trend der Starkniederschläge und Hochwasser bestätigt<br />

(Klimawandel). CASPARY (2004) identifiziert die winterliche Wetterlage „Westlage<br />

zyklonal“ (Wz) als kritisch für die Hochwasserbildung an größeren Gewässern in<br />

Baden-Württemberg, nach dem Bruchpunkt 1981 in der Reihe der jährlichen<br />

Hochwassermaxima an vier süddeutschen Pegeln steigt die Häufigkeit der Wzverursachten<br />

Hochwasser regional an. Analog schlossen BARTELS et al. (2004) aus<br />

Teilzeitreihen der letzten 30 bis 40 Jahre auf häufigere Hochwasser mit<br />

zunehmenden Höchstabflüssen in süddeutschen Einzugsgebieten. In<br />

Problemeinzugsgebieten mit signifikanter Instationarität wären daher die<br />

Bemessungswerte neu festzulegen, dies ist für Baden-Württemberg, Bayern und<br />

Rheinland-Pfalz bereits in Bearbeitung (STRÄHLE 2004); eine pauschale Anhebung<br />

um einen festen Prozentsatz kann nach Untersuchungen von BARDOSSY (2005)<br />

und BRAHMER (2005) nicht empfohlen werden.<br />

In globalem Maßstab wird der Rückgang des Permafrostes, die negative<br />

Massenbilanz von Gletschern und die Schrumpfung der arktischen Eisdecke als<br />

Signal für eine Klimaänderung herangezogen:<br />

- Massenbilanz, Oberfläche, Akkumulation und Höhe von 300 untersuchten<br />

Gletschern zeigen einen negativen Trend (DYURGEROV 2003)<br />

- Auch Alpengletscher sind von dieser Entwicklung betroffen. Der Hintereisferner –<br />

ein extremes Beispiel – erlitt seit 1952 einen Wasseräquivalentverlust von 25 m<br />

und seit Mitte des 19. Jahrhunderts einen Volumenverlust von 1,0 km 3 (KUHN &<br />

ESCHER-VETTER 2004); der Vernagtferner schrumpfte von 1845 bis 1999 um<br />

680 Millionen Tonnen auf 1/3 seiner ursprünglichen Eismasse (BRAUN &<br />

WEBER 2003)<br />

- In der inneren Arktis wurde eine Schrumpfung der Meereisdecke in den letzten 3<br />

bis 4 Jahrzehnten bis zur Hälfte, an manchen anderen Stellen doch noch um 5 bis<br />

10 % gemessen (GRASSL 2000).<br />

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