Hydrologie - dezentraler Hochwasserschutz

Hydrologie - dezentraler Hochwasserschutz Hydrologie - dezentraler Hochwasserschutz

05.01.2013 Aufrufe

Begleitende hydrologische Untersuchungen mit belastbaren quantitativen Aussagen über die Auswirkung solcher dezentraler Maßnahmen auf den Gebietsabfluss und über ihre Übertragbarkeit fehlen noch. Das betrifft auch die Lockerung verdichteter Böden. Mit Tieflockerungsmaßnahmen kann im Freiland die Porengrößenverteilung und die Aggregatstabilität verdichteter Böden verbessert werden, was SCHRÖDER & SCHNEIDER (1999), SCHOBEL et al. (1999), SCHRÖDER et al. (2000) und NIEBES et al. (2001) am Beispiel großflächig angelegter höhenlinienparalleler Lockerungsstreifen gezeigt haben; die Infiltrationskapazität der gelockerten Volumina lag im Bereich von 254 cm/d und 554 cm/d, die gewonnene Speicherkapazität bei maximal ca. 50 l/m 3 . Allerdings bestehen Zweifel an der Nachhaltigkeit solcher Maßnahmen, falls das Wiederaufbrechen verdichteter Zonen seinerseits wiederum die Bodenfestigkeit reduziert. Alternativ stellen HORN & HARTGE (2001) eine Melioration durch künstliche Schaffung von senkrechten Bohrungen geringen Durchmessers zur Diskussion. Auch die streifenförmige und flächenhafte Fräsung im Tiefenbereich bis 40 cm kann ohne Beschädigung der Grobporen die Trockenraumdichte verringern, wie SCHNEIDER (1997) an mehreren Waldstandorten im Soonwald und der Eifel gezeigt hat. Die Beachtung der Bodenfeuchte beim Maschineneinsatz ist dabei stets von größter Bedeutung. Ganz besonders mangelt es aber an Erfahrung und Wissen über Bau, Funktion und Hochwasserrelevanz dezentraler Flutmuldensysteme. Wie sind Zulauf, Auslauf/Überlauf und Verwallung im Hinblick auf eine effektive Speicherfüllung und Reinfiltration zu gestalten? Welche Transformation erfährt dadurch die Hochwasserwelle? Ungeachtet der im hängigen Gelände wirksamen Druckmechanismen darf man davon ausgehen, dass die im Vergleich mit dem Oberflächenabfluss langsam ablaufende Wasserbewegung im Bodensubstrat in den meisten Fällen eine Retention, also eine zeitliche Verzögerung des Abflusses bewirkt (MOSLEY 1982, MEGAHAN 1987, BARSCH & MÄUSBACHER 1993, JÜRGENS 2001). MEGAHAN & CLAYTON (1983) haben aus Tracermessungen oberhalb einer Waldwegeböschung Fließgeschwindigkeiten ermittelt, die aufgrund der heterogenen Makroporenverteilung etwa von 35 cm/h bis über 120 cm/h streuen. Ein besserer Kenntnisstand wäre die Voraussetzung für die Akzeptanz und die flächendeckende Durchführung dieser Maßnahmen im Wald wie auf urbanen und landwirtschaftlich genutzten Flächen. Angesichts dieses Mangels reicht das Meinungsspektrum gegenwärtig von Zustimmung (z. B. Forstämter in Hessen und Rheinland-Pfalz) bis zu kritischer Distanz (z. B. KLEEBERG & WILLEMS 2001). In der Umsetzungsphase befinden sich das schwerpunktmäßig auf Landwirtschaftsflächen im Kraichgau ausgerichtete Projekt AMEWAM (UNI HOHENHEIM 2004) und das auch die Forsthydrologie einschließende EU-Projekt WARELA (s. Abschn. 6) in Rheinland-Pfalz (EU 2002). Beide Projekte unterstreichen aktuell den wachsenden Stellenwert flächenhafter dezentraler Rückhaltemaßnahmen. Eine Reihe siedlungswasserwirtschaftlicher Projekte hat die Verbesserung der Grundwasserneubildung, die Entlastung der Fließgewässer und die Hochwasserminderung zum Ziel. So haben MAGIERA et al. (1998) das Potential der vom Naturraum abhängigen Muldenspeicherung und Muldenversickerung in urbanen Räumen Baden-Württembergs in Kartenform präsentiert. In den Einzugsgebieten der Saar und der Lausitzer Neisse wird vorbeugender Hochwasserschutz durch eine Kombination aus Mulde und Rigole erwartet (SIEKER 1999,2002), und im Teileinzugsgebiet eines Oberrheinzubringers (200 km 2 ) können nach 30

Szenariorechnungen die dezentralen siedlungswasserwirtschaftlichen Maßnahmen eine Scheitelminderung bis 7 % bewirken (SIEKER et al. 2004). Der Abschlussbericht eines ATV-DVWK-Arbeitskreises über Möglichkeiten und Grenzen des dezentralen Hochwasserschutzes ist für 2005 in Aussicht gestellt (KOEHLER 2004). Dessen ungeachtet wird die Bedeutung dezentraler Maßnahmen bereits in den Kopfgebieten der Einzugsgebiete im Schrifttum vielfach hervorgehoben, einige Zitate mit deren essenziellen Aussagen sind in Abbildung 17 zusammengefasst. Bedeutung von Maßnahmen in den Kopfgebieten Verkürzte essenzielle Aussagen Autoren Hochwasserschutzkonzepte müssen im Oberlauf der Flüsse beginnen, Rückhaltebecken sind anzulegen Im Einzugsbereich der Quell- und Nebenflüsse müssen alle Möglichkeiten zur Hochwasserrückhaltung genutzt werden (5- Punkte-Programm zum vorbeugenden Hochwasserschutz) Versickerungsräume sind zu schaffen, nicht erst in den Talauen, sondern bereits auf den Flächen der Abflussbildung Wasser aus höheren Lagen sollte vor Erreichen der Flussaue abgefangen werden Es gilt, die Bildung von Oberflächenabfluss in den (bewaldeten) Hochwasserursprungsgebieten zu verhindern Hochwasser entstehen in der Fläche und können hier auch stärker beeinflusst werden als allein in Auen und Poldern Beherrsche den Tropfen, den Strom bändigst du nie! Die Anlage von Rückhalteräumen im oberen Drittel des Einzugsgebietes (hier Beispiel Nahe) trägt überproportional zur Gesamtwirkung bei Wir können Hochwasser schon am Ort der Entstehung verringern und zurückhalten, den schnellen Abfluss bereits auf den Flächen vermeiden Ein Konzept, das die Ursachen der Hochwasser-Probleme angehen will, muss bereits in den oberen Bereichen des Gewässernetzes ansetzen Jeder Kubikmeter Wasser, der im Hochwasserfall im Oberlauf eines Gewässers zurückgehalten werden kann, ist ein Gewinn für alle Unterlieger und bringt volkswirtschaftlich den größten Nutzen. Abbildung 17: Bedeutung von Maßnahmen in den Kopfgebieten AIGNER et al. (2003) BMU (2002) BORK et al. (1998) BOTSCHEK et al. (1994) FÜHRER (1995) GREIVING (1999) LUDWIG (1969) MARENBACH (2002) MINISTERIUM FÜR UMWELT UND FORSTEN (2001) RICHTER & SIEGEL (2002) SCHAUPP (2001) Gleichzeitig wird auch bedauert, dass das Hochwassergeschehen in den oberen Bereichen des Gewässernetzes nicht dieselbe Aufmerksamkeit erfährt wie die wenigen medienwirksamen Überflutungen an den großen Flussläufen. Die Vereinigung Deutscher Gewässerschutz zitiert eine langjährige Statistik der Versicherer in Baden-Württemberg, wonach aus volkswirtschaftlicher Sicht die Schäden durch Sturzfluten in der Summe der Ereignisse oft höher sind als bei den großen Flusshochwassern, 60% der Hochwasserschäden fallen außerhalb der großen Flusstäler an (GRAW 2002). Auch kann die Schadenssumme der mittleren Hochwasser in n Jahren insgesamt höher sein als der Schaden des n-jährlichen Hochwassers (LFW 1997). Das Waldgesetz für Baden-Württemberg fordert in § 19, dass Waldwege so auszulegen sind, dass … der Naturhaushalt möglichst geschont wird (MINISTERIUM FÜR UMWELT UND VERKEHR 1995), konkrete Vorschriften zum Hochwasser- und Erosionsschutz (z. B. Abbildungen 13 - 16) fehlen. 31

Begleitende hydrologische Untersuchungen mit belastbaren quantitativen Aussagen<br />

über die Auswirkung solcher <strong>dezentraler</strong> Maßnahmen auf den Gebietsabfluss und<br />

über ihre Übertragbarkeit fehlen noch. Das betrifft auch die Lockerung verdichteter<br />

Böden. Mit Tieflockerungsmaßnahmen kann im Freiland die Porengrößenverteilung<br />

und die Aggregatstabilität verdichteter Böden verbessert werden, was SCHRÖDER &<br />

SCHNEIDER (1999), SCHOBEL et al. (1999), SCHRÖDER et al. (2000) und NIEBES<br />

et al. (2001) am Beispiel großflächig angelegter höhenlinienparalleler<br />

Lockerungsstreifen gezeigt haben; die Infiltrationskapazität der gelockerten Volumina<br />

lag im Bereich von 254 cm/d und 554 cm/d, die gewonnene Speicherkapazität bei<br />

maximal ca. 50 l/m 3 . Allerdings bestehen Zweifel an der Nachhaltigkeit solcher<br />

Maßnahmen, falls das Wiederaufbrechen verdichteter Zonen seinerseits wiederum<br />

die Bodenfestigkeit reduziert. Alternativ stellen HORN & HARTGE (2001) eine<br />

Melioration durch künstliche Schaffung von senkrechten Bohrungen geringen<br />

Durchmessers zur Diskussion. Auch die streifenförmige und flächenhafte Fräsung im<br />

Tiefenbereich bis 40 cm kann ohne Beschädigung der Grobporen die<br />

Trockenraumdichte verringern, wie SCHNEIDER (1997) an mehreren<br />

Waldstandorten im Soonwald und der Eifel gezeigt hat. Die Beachtung der<br />

Bodenfeuchte beim Maschineneinsatz ist dabei stets von größter Bedeutung.<br />

Ganz besonders mangelt es aber an Erfahrung und Wissen über Bau, Funktion und<br />

Hochwasserrelevanz <strong>dezentraler</strong> Flutmuldensysteme. Wie sind Zulauf,<br />

Auslauf/Überlauf und Verwallung im Hinblick auf eine effektive Speicherfüllung und<br />

Reinfiltration zu gestalten? Welche Transformation erfährt dadurch die<br />

Hochwasserwelle?<br />

Ungeachtet der im hängigen Gelände wirksamen Druckmechanismen darf man<br />

davon ausgehen, dass die im Vergleich mit dem Oberflächenabfluss langsam<br />

ablaufende Wasserbewegung im Bodensubstrat in den meisten Fällen eine<br />

Retention, also eine zeitliche Verzögerung des Abflusses bewirkt (MOSLEY 1982,<br />

MEGAHAN 1987, BARSCH & MÄUSBACHER 1993, JÜRGENS 2001). MEGAHAN &<br />

CLAYTON (1983) haben aus Tracermessungen oberhalb einer Waldwegeböschung<br />

Fließgeschwindigkeiten ermittelt, die aufgrund der heterogenen<br />

Makroporenverteilung etwa von 35 cm/h bis über 120 cm/h streuen.<br />

Ein besserer Kenntnisstand wäre die Voraussetzung für die Akzeptanz und die<br />

flächendeckende Durchführung dieser Maßnahmen im Wald wie auf urbanen und<br />

landwirtschaftlich genutzten Flächen. Angesichts dieses Mangels reicht das<br />

Meinungsspektrum gegenwärtig von Zustimmung (z. B. Forstämter in Hessen und<br />

Rheinland-Pfalz) bis zu kritischer Distanz (z. B. KLEEBERG & WILLEMS 2001).<br />

In der Umsetzungsphase befinden sich das schwerpunktmäßig auf<br />

Landwirtschaftsflächen im Kraichgau ausgerichtete Projekt AMEWAM (UNI<br />

HOHENHEIM 2004) und das auch die Forsthydrologie einschließende EU-Projekt<br />

WARELA (s. Abschn. 6) in Rheinland-Pfalz (EU 2002). Beide Projekte unterstreichen<br />

aktuell den wachsenden Stellenwert flächenhafter <strong>dezentraler</strong><br />

Rückhaltemaßnahmen.<br />

Eine Reihe siedlungswasserwirtschaftlicher Projekte hat die Verbesserung der<br />

Grundwasserneubildung, die Entlastung der Fließgewässer und die<br />

Hochwasserminderung zum Ziel. So haben MAGIERA et al. (1998) das Potential der<br />

vom Naturraum abhängigen Muldenspeicherung und Muldenversickerung in urbanen<br />

Räumen Baden-Württembergs in Kartenform präsentiert. In den Einzugsgebieten der<br />

Saar und der Lausitzer Neisse wird vorbeugender <strong>Hochwasserschutz</strong> durch eine<br />

Kombination aus Mulde und Rigole erwartet (SIEKER 1999,2002), und im<br />

Teileinzugsgebiet eines Oberrheinzubringers (200 km 2 ) können nach<br />

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