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Das Argument 91 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Normalität und Pathologie des Psychischen 475<br />

ihrem formbestimmenden Einfluß auf die psychische Entwicklung zu<br />

explizieren. Weitere Differenzierungen erläutere ich im Text; es<br />

versteht sich, daß die genannten Schritte nur in erster Annäherung<br />

vollzogen werden.<br />

Gesundheit und Krankheit als Systemeigenschaften des Organismus 39<br />

In der Wechselwirkungsbeziehung von Organismus und Umwelt<br />

lassen sich typische, atypische, krankhafte und kranke Prozesse und<br />

Erscheinungen voneinander abheben.<br />

Die Entwicklungsweise von Organismen vollzieht sich typisch,<br />

wenn die Umwelt die hinreichenden und notwendigen Bedingungen<br />

der Existenz dieser Lebewesen bereithält und ihre arttypische Anpassungsfähigkeit<br />

nicht überfordert. Im Widerspruch von Organismus<br />

und Umwelt ist dabei der Organismus die bestimmende Seite.<br />

Fehlen einerseits die (art-)typischen Existenzbedingungen und/oder<br />

wird die (art-)typische Anpassungsfähigkeit durch ein Übermaß von<br />

an sich adaptierbaren Einwirkungen bzw. durch das Auftreten neuer<br />

Umweltfaktoren, an die der Organismus nicht potentiell angepaßt ist,<br />

überfordert und tritt dadurch nicht andererseits der Tod ein, so entstehen<br />

a-typische Prozesse.<br />

Bei der Genese atypischer Prozesse im Organismus ist im Widerspruch<br />

von Organismus und Umwelt die Umwelt die bestimmende<br />

Seite. Ihre Einwirkungen sind die Ursache atypischer Veränderungen,<br />

wobei ein solches Resultat als notwendige Bedingung die Reaktion<br />

des lebenden Systems gemäß seinen inneren Gegebenheiten in<br />

ihrer (art-)typischen Gemeinsamkeit (Modus) und ihrer individuellen<br />

Varianz einschließt. Diese Relationen werden medizinisch in den Begriffen<br />

„Konstitution" und „Disposition" gespiegelt. Atypische Prozesse<br />

und Erscheinungen sind nicht mit. krankhaften zu identifizieren<br />

— wohl ist alles Krankhafte atypisch, aber nicht alle Atypien<br />

sind krankhaft.<br />

<strong>Das</strong> Kriterium, die Qualität atypischer Prozesse und Erscheinungen<br />

als krankhaft zu bestimmen, liefert die Auswirkung auf den Gesamtorganismus<br />

in seinen Beziehungen zur Umwelt. Die Erscheinungsform<br />

der Atypien sind Abweichungen vom Typischen in den quantitativen<br />

Verhältnissen (Ausmaß und Stärke), den topologischen und/<br />

oder den zeitlichen Verhältnissen der physiologischen Prozesse und<br />

Strukturen, was sich in den Begriffen „Heterometrie", „Heterotopic"<br />

und „Heterochronie" — den sog. Heterologien der Allgemeinen Pathologie<br />

— widerspiegelt.<br />

Der Übergang des Atypischen in krankhaft Atypisches, das Auftreten<br />

krankhafter Prozesse, ist seinem Wesen nach die Umwandlung<br />

des äußeren Widerspruchs zwischen Organismus und bestimmten<br />

Umweltkonstellationen in einen inneren Widerspruch, der sich<br />

39. In der allgemeinbiologischen Betrachtung von Gesundheit und<br />

Krankheit folge ich den Ausführungen von Löther, a.a.O., bes. S. 115 ff.<br />

DAS ARGUMENT <strong>91</strong>/1975 ©

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