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Das Argument 91 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Zur Politik der klinisch-psychologischen Standesverbände 3<strong>91</strong><br />

2. Auswirkungen des psychischen Krankenstandes auf die<br />

Produktion<br />

Diese Entwicklung geriet spätestens gegen Ende der 60er Jahre in<br />

zunehmenden Widerspruch zu den Interessen des Kapitals nach reibungsloser<br />

und effizienter Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft.<br />

Ähnlich wie in den USA, dort allerdings schon wesentlich früher 17 ,<br />

wurden auch in der BRD psychische Störungen aufgrund ihrer absoluten<br />

Zunahme und infolge der enorm gestiegenen psychischen Arbeitsanforderungen<br />

zu einer immer gravierenderen Ursache <strong>für</strong> Arbeitsausfälle<br />

sowie zu einem wesentlichen Störfaktor <strong>für</strong> den Produktionsablauf<br />

(Zunahme der „Fehlzeiten", vermehrte Produktionsschäden,<br />

hohe Fluktuationsraten usw.). Psychische Krankheiten wurden<br />

somit immer mehr zum Defizit <strong>für</strong> die Produktion und 'damit zu<br />

einem Faktor, der zunehmend in Rechnung gezogen wenden mußte.<br />

Diese Entwicklung konnte zwar durch massenhafte Produktion und<br />

Konsumption psychopharmakologischer „Fitneß"-Produkte verzögert,<br />

dadurch allein jedoch nicht eingedämmt werden.<br />

<strong>Das</strong> Problem der steigenden psychischen Krankheitsquote verschärfte<br />

sich in der BRD gegen Ende der 60er Jahre zudem aufgrund<br />

der allgemeinen Arbeitskräfteverknappung. Da Ausfälle insbesondere<br />

von qualifizierten Arbeitern nicht einfach durch neue ersetzt<br />

werden konnten, stellte sich verstärkt die Notwendigkeit einer möglichst<br />

raschen Wiederherstellung und Rückgliederung psychisch erkrankter<br />

Arbeitskräfte. Wenn sich auch inzwischen die Lage auf dem<br />

Arbeitsmarkt entscheidend gewandelt hat, so wäre es doch falsch,<br />

anzunehmen, daß dieses Problem nur kurzfristige Bedeutung hatte.<br />

Zumindest <strong>für</strong> die große Masse jener Arbeitskräfte, die aufgrund<br />

ihres hohen Qualifikationsniveaus bzw. Spezialisierungsgrades kaum<br />

oder nur sehr teuer zu ersetzen sind (lange Anlernzeiten, hohe Umschulungskosten<br />

usw.), wird eine schnelle Rückgliederung im Falle<br />

psychischer Erkrankung sogar immer dringender. Zumal die Verluste<br />

durch krankheitsbedingten Produktionsausfall 18 mit zunehmender<br />

Kapitalintensität der Produktion unverhältnismäßig stärker ansteigen<br />

als die direkten Kosten der Behandlung 18 . Zudem ist zu erwar-<br />

17 Vgl. Collins, R. T. in: Maisei, A. Q.: The Health of People Who<br />

Work. New York 1960, S. 125: „Psychische Erkrankung ist ein häufigerer<br />

Grund <strong>für</strong> das Fehlen im Betrieb als irgendeine physische Erkrankung;<br />

ausgenommen die einfache Erkältung. 80 bis 90°/o der heute Entlassenen<br />

werden dies aufgrund sozialer Untüchtigkeit, d.h. der Unfähigkeit, mit<br />

anderen Menschen auszukommen. Einer unter vier Arbeitern — oder<br />

16 Mill, von 65 Mill. — hat psychische Probleme, die sich im Fehlen bei<br />

der Arbeit, in Unfällen, in Alkoholismus (...) zeigten."<br />

18 Schon 1968 belief sich der durch (psychische und physische) Krankheit<br />

bedingte Produktionsausfall in der BRD auf ca. 20 Mrd. DM (nach<br />

Szameitat, K.: Was kostet die Gesundheit. In: Baden-Württemberg in<br />

Wort und Zahl, Nr. 5, 1970).<br />

19 Ähnliches gilt z. B. <strong>für</strong> die Kosten eines Arbeitsunfalls (vgl. Deppe,<br />

H.-U.: Arbeit, Herrschaft, Medizin. In: Dörner, K. und Plog, U., a.a.O.,<br />

S. 124).<br />

DAS ARGUMENT <strong>91</strong>/1975 ©

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