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Das Argument 91 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Normalität und Pathologie des Psychischen 471<br />

letztlich Bewußtseinsprozesse, verwandeln, wird in der sowjetischen<br />

Psychologie seit Wygotski der Begriff der „Interiorisation" verwendet.<br />

Die vorstehenden Aussagen haben deutlich gemacht, daß es sich<br />

bei der Interiorisierung nicht um eine schlichte Verlagerung der<br />

äußeren Tätigkeit in eine präformierte Ebene des Intrapsychischen,<br />

intraindividuellen Bewußtseins verlagert; vielmehr formiert sich<br />

diese erst im Prozeß der äußeren Tätigkeit als Produkt und im System<br />

jener Beziehungen und Vermittlungen, die mit der Gesellschaft<br />

entstehen.<br />

Dieser Bildungsprozeß, der zur Aneignung der gegenständlichen<br />

Welt durch das Subjekt in ideeller Form, in Form der bewußten<br />

Widerspiegelung führt, entwickelt sich im selben System objektiver<br />

Beziehungen, in dem sich der Übergang vom gegenständlichen Inhalt<br />

der Tätigkeit in die „ruhende Eigenschaft" des objektiven Produkts<br />

(Marx) vollzieht. Doch setzt die Realisierung dieses Prozesses eine<br />

bestimmte Etappe der gesellschaftlichen Entwicklung der Menschheit<br />

voraus. Es reicht nicht, daß das Produkt mit seinen bloß stofflichen<br />

Eigenschaften dem Subjekt gegenübertritt und von ihm nur in der<br />

Form des sinnlichen Abbildes widergespiegelt wird. Es muß so transformiert<br />

werden, daß es ideell in Erscheinung treten kann — als dem<br />

Subjekt bewußt gewordenes Produkt. Diese Umwandlung wird mittels<br />

der Sprache realisiert, die das Resultat und Mittel der Kommunikation<br />

der gesellschaftlichen Produzenten ist: „Die Bedeutungen<br />

der Sprache (Begriffe) sind Träger eines bestimmten gegenständlichen<br />

Inhalts, allerdings eines von seiner Stofflichkeit völlig getrennten<br />

Inhalts." 34<br />

Gewinnen zunächst nur die sinnlichen Abbilder der Objekte die<br />

neue Qualität des Bedeutungsgehaltes, während die Tätigkeit nach<br />

wie vor äußere, praktische Tätigkeit ist, so wird in einer späteren<br />

Etappe auch die Tätigkeit selbst, werden die Handlungen anderer<br />

und dadurch die eigenen zum Objekt bewußter Widerspiegelung und<br />

zwischenmenschlicher Kommunikation: „Und dies eben ist die Voraussetzung<br />

<strong>für</strong> die Entstehung innerer Handlungen und Operationen,<br />

die auf der ,Bewußtseinsebene' ablaufen. Aus dem Abbild im Bewußtsein<br />

entwickelt sich die Tätigkeit im Bewußtsein." 35 Die durch<br />

Verallgemeinerung, sprachliche Objektivierung und Verkürzung gekennzeichnete<br />

Transformation des Interpsychischen in Intrapsychisches<br />

gestattet eine universelle Form der Widerspiegelung, die durch<br />

die Befreiung von der unmittelbaren Verbindimg mit der äußeren<br />

Tätigkeit deren Leistungsgrenze sprengt.<br />

In der Einheit von äußerer und innerer Tätigkeit werden die Austauschbeziehungen<br />

von Mensch und Welt realisiert, dabei weisen<br />

beide Tätigkeitsformen genetische Gemeinsamkeiten auf. Die marxistische<br />

Psychologie geht daher von der Unterscheidung einerseits<br />

34 a.a.O., S. 518.<br />

35 a.a.O., S. 519.<br />

DAS ARGUMENT <strong>91</strong>/1975 ©

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