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Das Argument 91 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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466 Wolf gang Maiers<br />

(„schlechte") Abstraktion zwingt dem Verhaltenstherapeuten — sofern<br />

er sich strikt den theoretischen Voraussetzungen gemäß verhält<br />

— eine äußerliche, letztlich a-psychologische Sichtweise auf: die<br />

wirkliche subjektive Bedeutsamkeit von Erscheinungen der objektiven<br />

Realität <strong>für</strong> das Individuum wird entgegen dem Anspruch mit<br />

dem Instrument der Verhaltensanalyse nicht aufgeschlüsselt: sie<br />

wird immer nur ex post facto erschlossen, nachdem sie sich in Handlung<br />

als offensichtlich handlungsanregend und -leitend manifestiert.<br />

Zur „Erklärung" wird auf „soziale Evaluation" zurückgegriffen, die<br />

man operational als „individuelle Verstärkungsgeschichte" faßt,<br />

deren Träger (primär) die soziale Bezugsgruppe sei. 25<br />

Aus der Unterstellung des „Verhaltens an sich" als sinnhaftem<br />

Objekt psychologischer Forschung folgt als immanentes Problem<br />

dieser spezifischen Psychologie, nicht etwa der Wissenschaft Psychologie<br />

schlechthin, die Schwierigkeit der normativen Beurteilung von<br />

„Verhalten" und damit die Schwierigkeit der adäquaten Therapiezielbestimmung.<br />

Alternativ wäre zu prüfen, inwieweit sich das Konzept der „gegenständlichen<br />

Tätigkeit" mit seinen methodologischen Prämissen und<br />

Implikationen als tragfähig erweist, wissenschaftliche Kriterien <strong>für</strong><br />

die Bestimmung psychischer Störungen — als nicht bloß quantitativ,<br />

sondern qualitativ besonderen psychischen Prozessen — zu begründen.<br />

Zur Unterscheidung von Norm und Pathologie<br />

Ausgangspunkt der Überlegungen<br />

Der Mensch ist Naturwesen, aber Lebewesen mit gesellschaftlicher<br />

Natur. Die Gesellschaftlichkeit des Menschen — die gesellschaftliche<br />

„Exzentrizität" des menschlichen Wesens, wie Sève sagt — wurzelt<br />

in seiner Naturgeschichte. 28 Sie ist ursprüngliche, natürliche Gesellschaftlichkeit,<br />

die sich in der stammesgeschichtlichen Entwicklung<br />

des Menschen in der natürlich-gesellschaftlichen Kooperation meh-<br />

25 Die Problematik der verhaltenstherapeutischen Analyse offenbart<br />

sich in aller Deutlichkeit im o.g. Artikel Kanfers.<br />

Gleiss (in diesem Heft, S. 440) überprüft im einzelnen, „welche Erscheinungen<br />

und Zusammenhänge" mit dem behavioristischen Verhaltensbegriff<br />

„erfaßt werden können, ob man mit diesem Begriff dem Gegenstand<br />

klinisch-psychologischer <strong>Theorie</strong>n — psychische Störungen des Menschen<br />

und dessen Beseitigung durch spezielle Maßnahmen — gerecht<br />

wird."<br />

26 Diese Lehre des historischen Materialismus — von der modernen<br />

Wissenschaft eindrucksvoll bestätigt und konkretisiert — ist „die wissenschaftliche<br />

Widerspiegelung jener objektiven Umstülpung, die den Übergang<br />

von der Animalität zur Humanität ausmachte, das heißt den Übergang<br />

von Lebewesen, die ihr Wesen als biologisches Erbe in sich selbst<br />

tragen, zu anderen, die ihr Wesen als gesellschaftliches Erbe außer sich<br />

haben." (Sève, Marxismus und <strong>Theorie</strong> der Persönlichkeit, Berlin/DDR<br />

1972, S. 192.)<br />

DAS ARGUMENT, <strong>91</strong>/1975 ©

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