Das Argument 91 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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410 Dieter Henkel und. Dorothee Roer<br />
was ihre Marktchancen absichert und zudem den Interessen der<br />
GKV nach möglichst geringen Psychotherapiekosten entgegenkommt.<br />
Gleichzeitig hat dies die Spaltung und Hierarchisierung der Psychologenschaft<br />
zur Folge.<br />
Die Deklassierung trifft noch in viel stärkerem Maße <strong>für</strong> jene Berufe<br />
zu, die von den psychologischen Standesfunktionären zur unmittelbaren<br />
Verwertung in den Kassenpsychologenpraxen geplant<br />
sind. Ähnlich wie die Kassenärzte die Arbeitskraft ihrer MTAs <strong>für</strong><br />
die nach der GOÄ 124 besonders gewinnbringénden technischen Leistungen<br />
ausbeuten, soll auch den Kassenpsychologen diese Profitquelle<br />
durch Beschäftigung sogenannter Assistenztherapeuten 125<br />
oder psychologisch-technischer Assistenten eröffnet werden. Erste<br />
konkrete Schritte zur Erstellung entsprechender Ausbildungsgänge<br />
sind bereits von einer gemischten Kommission aus Vertretern des<br />
BDP und der Deutschen Gesellschaft <strong>für</strong> Psychologie (DGfPs) unternommen<br />
worden 126 . Die vom Staat durch das Gesetz zum „nichtärztlichen<br />
Psychotherapeuten" reproduzierte und von den Standesverbänden<br />
allein zu ihren Gunsten massiv unterstützte Hierarchisierung<br />
der „Gesundheitsarbeiter" ist mit einer Reihè gravierender<br />
Konsequenzen verbunden. Erstens wird die rechtliche und materielle<br />
Benachteiligung der Sozialarbeiter, Arbeitstherapeuten usw.<br />
weiter zementiert, obwohl dies in Hinblick auf die Arbeitsanforderungen<br />
dieser Berufsgruppen objektiv überhaupt nicht zu rechtfertigen<br />
ist. Zweitens wird die zur Behandlung und Rehabilitation<br />
psychisch Kranker notwendige kollektive Arbeit aller Beteiligten<br />
nicht erreicht. Und drittens wird durch die von den Psychologenverbänden<br />
fortgesetzte Spaltung der „Gesundheitsarbeiter" in privilegierte<br />
und deklassierte Gruppen Solidarität im Kampf um Veränderungen<br />
im Gesundheitswesen weiter erschwert.<br />
2. Zur Ausbildungs- und Berufspolitik der Psychologenverbände<br />
Ebenso wie die Politik der organisierten Ärzteschaft ist auch die<br />
Politik der Psychologenverbände darauf gerichtet, die Ausbildung in<br />
Klinischer Psychologie bzw. zum „nichtärztlichen Psychotherapeuten"<br />
unter ihre Kontrolle zu bringen, um dann die Zahl der als Heilberuf<br />
anerkannten und zur GKV zugelassenen Psychologen so zu<br />
begrenzen, daß ihr Geschäft mit der Krankheit möglichst lukrativ<br />
ausfällt. Auf dieses Ziel konzentrieren sich fast sämtliche ausbildungs-<br />
und berufspolitischen Initiativen der Verbände, über die im<br />
folgenden in ihrer historischen Entwicklung und bezogen auf ihren<br />
gegenwärtigen Stand 127 berichtet wird.<br />
124 Gebührenordnung <strong>für</strong> Ärzte (vgl. dazu z. B. Wulff, E. : Psychiatrie<br />
und Klassengesellschaft, a. a. O., S. 171—204).<br />
125 Dazu heißt es in der Satzung des DBV unter „Zweck und Aufgaben"<br />
des Verbandes § 3, 5: „Erarbeitung von Grundlagen <strong>für</strong> die Beschäftigung<br />
von Assistenztherapeuten."<br />
126 Vgl. Psychologische Rundschau, 1, 1972, S. 70.<br />
127 Stand: November 1974.<br />
DAS ARGUMENT <strong>91</strong>/1975 ©