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Das Argument 91 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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396 Dieter Henkel und. Dorothee Roer<br />

den Organen der GKV 4 8 zerbrochen ist. Wenn es auch die Standesideologen<br />

der Ärzteverbände noch nicht wahrhaben wollen, so besteht<br />

doch kein Zweifel, daß die niedergelassenen Ärzte inzwischen<br />

„einer geschlossenen Front von Staat, Unternehmern und Gewerkschaften"<br />

49 gegenüberstehen und in absehbarer Zeit mit starken Einschränkungen<br />

ihrer Privilegien und Rechte zu rechnen haben (Beschränkung<br />

der Niederlassungsfreiheit, Reduktion ihres Einkommens,<br />

Aufhebung ihres „Quasi-Streikrechts" usw.). Es muß jedoch<br />

auch klar erkannt werden, daß diese Reformbestrebungen primär<br />

nur darauf gerichtet sind, über eine deutliche Stärkung der Krankenkassen<br />

gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen die steigende<br />

Kostenlawine in der Sozialen Krankenversicherung unter Kontrolle<br />

zu bringen. <strong>Das</strong> heißt, daß der Staat ebenso wie die Vertreter<br />

des Kapitals und der Gewerkschaften 50 in den Organen der GKV<br />

ein Interesse daran hat, die privatwirtschaftliche Organisation der<br />

ambulanten Versorgung im Prinzip 51 aufrechtzuerhalten, allerdings<br />

unter starken finanziellen Restriktionen und einer zunehmenden regulativen<br />

Kontrolle durch die Krankenkassen. Es ist aber ebenso<br />

wichtig zu sehen, daß dieser Kompromißcharakter der derzeitigen<br />

Reformbestrebungen zugleich schon einen ersten Schritt auf dem<br />

Wege zur objektiv notwendigen Vergesellschaftung der Medizin darstellt.<br />

Auch im Bereich der Psychiatrie wird der notwendige Strukturwandel<br />

im Sinne einer totalen Aufhebung des „freien Arzttums"<br />

vorerst ausbleiben, obwohl gerade hier der zunehmende Widerspruch<br />

zwischen den begrenzten Möglichkeiten privatwirtschaftlicher<br />

Gesundheitsversorgung und den gesamtgesellschaftlichen Anforderungen<br />

besonders kraß zutage tritt 52 . Zwar ist die Zahl der<br />

niedergelassenen Psychiater und Psychotherapeuten gering, jedoch<br />

wird der privatwirtschaftliche Charakter ihrer Arbeit geschützt<br />

durch die gesamte niedergelassene Ärzteschaft und die Pharmakonzerne,<br />

die be<strong>für</strong>chten, daß derartig durchgreifende Änderungen im<br />

psychiatrischen Bereich nicht ohne einschneidende Auswirkungen auf<br />

die Struktur und Ökonomie des gesamten Gesundheitswesens blei-<br />

48 Bekanntlich werden die Organe der GKV paritätisch von „Arbeitgebern"<br />

und „Arbeitnehmern" geleitet. Die paritätische Zusammensetzung<br />

wird mit dem Schein der paritätischen Beitragszahlung legitimiert.<br />

In Wirklichkeit wird von den „Arbeitgebern" „ihr" Beitragsteil ebenso<br />

wie der der Arbeitenden unter Lohnkosten oder ergänzende Sozialleistungen<br />

abgebucht. Beide Anteile gehören zum Lohn.<br />

49 Gaedt, Ch. und Schagen, U., a. a. O., S. 12.<br />

50 Zu weitergehenden Reformvorstellungen der Gewerkschaften s. die<br />

WSI-Studie Nr. 20 von Jahn, E. et al. Köln 1973.<br />

51 Zu leistungsfähigeren, aber immer noch privatwirtschaftlich organisierten<br />

Praxismodellen, die von den Ärzteverbänden in den letzten Jahren<br />

verstärkt propagiert werden, s. Deppe, H.-U.: Strukturwandel der ärztlichen<br />

Praxis. Blätter <strong>für</strong> deutsche und internationale Politik, 3, 1972.<br />

52 Näheres dazu s. Bauer, M., a. a. O.<br />

DAS ARGUMENT <strong>91</strong>/1975 ©

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