Das Argument 91 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Zum Wissenschaftsbegriff der Gruppendynamik 515<br />
schätzt oder über Gebühr beschnitten, so bleibt das Kollektiv außengeleitet,<br />
und die Bürokratie baut sich im alten Sinn wieder auf; das<br />
Kollektiv hat keine innere soziale Verbindlichkeit erreicht. Ohne<br />
einige reale Unterschiede bagatellisieren zu wollen: warum gibt es<br />
gerade bei linken Gruppen so viel partikulares Sektierertum, wenns<br />
ernst wird? Warum soviel Textexegese zur Fundierung von Eigenbrötelei?<br />
Sicherlich auch aus unserer theoretisch-wissenschaftlichen<br />
Sozialisationsgeschichte; wahrscheinlich aber auch aus Verschiebungen<br />
realer individueller Probleme, die sich nicht zum Ausdruck bringen<br />
gelernt haben, oder denen es verboten worden ist. Gruppendynamik,<br />
die, wie Ohm schreibt, bewußt und insofern mit Gewalt<br />
einem Modell gehorchend, alles Politisch-Öffentliche auszuschließen<br />
versucht, verhilft tatsächlich einem Scheinmdividuum zur Auferstehung;<br />
hier werden Individuen vor Möglichkeiten gestellt, die in ihrer<br />
schlechten Unendlichkeit und Unwirklichkeit nur zu pubertärem<br />
Verhalten anleiten können. Muß das aber so sein? Auch wenn es<br />
diese Fehlformen gibt, die Aufgabe bleibt bestehen und hat sich bloß<br />
ihres öffentlichen, politischen und institutionellen Rahmens zu versichern.<br />
Meine beiden Grundmotive habe ich damit abschließend zusammengefaßt.<br />
Ihr Ernstnehmen schließt bestimmte Wege der Gruppendynamik<br />
aus; wenn ich hier mit Ohm einer Meinung bin, würde es<br />
mich freuen. Freilich sind <strong>für</strong> mich neue Aufgaben gestellt, die nicht<br />
vernachlässigt werden dürfen, an denen weitergearbeitet werden<br />
muß; ihre Richtung habe ich angedeutet. Hier erwarte ich mir aus<br />
unserer Diskussion weiterführende Kritik.<br />
DAS ARGUMENT <strong>91</strong>/1975 ©