DtnÄien. - Digitalisierte Bestände der UB Greifswald
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!>H Tagebuch über die Belagerung Stettins im Jahre 1813.<br />
Den 15. Oktober. Hier im Orte ist noch alles, wie vor 4 Wochen.<br />
Die Franzosen bekommen noch alle 2 Tage Pferdefleisch, doch sind die<br />
Bürgerpfcrde fast alle schon verzehrt. Die Offiziere <strong>der</strong> Bataillone haben<br />
schon teilweise Pferde liefern müssen, jedes Bataillon 5 Stück. Die Einschränkungen<br />
an Distribution nehmen täglich zu, indem die Vorräte in den<br />
französischen Magazinen täglich weniger werden. Beim Bürger siehts auch<br />
schon schlecht aus. Hente sind wie<strong>der</strong>um mehrere hnn<strong>der</strong>t Menschen wegen<br />
Hungers ausgewan<strong>der</strong>t. Es ist ein rühren<strong>der</strong> Anblick, am Berliner Tor<br />
diese Auswan<strong>der</strong>ungen anzusehen. 5—6 kleine Kin<strong>der</strong> auf einen kleinen<br />
Rollwagen gepackt, von den Eltern gezogen, erwarten mit Ungeduld, daß ihr<br />
Name aufgerufen werde. Weinend oft blicken sie sehnsuchtsvoll des verlassenen<br />
Eigentnms nach, wovon sie nicht wissen, ob sics je wie<strong>der</strong> sehen<br />
werden. Kin<strong>der</strong> weinen, weil die nasse Wittcrnng ihnen Unbehagen vernrsacht,<br />
endlich erschallt <strong>der</strong> Name, und hin ist jede Besorgnis, vergessen<br />
jedes beiden. Frendig gettts durchs dunkle Tor <strong>der</strong> Festung in die freudige<br />
heitere Freiheit. Zwar giebts beim Gendarm, <strong>der</strong> beim Torschreiberhause<br />
das Amt eines Visitators verwaltet, noch einigen Aufenthalt, doch ist die<br />
Barriere im Nucken, so herrscht Freude überall. Das Fläschcheu circuliert<br />
bei Freunden und Bekannten, Heiterkeit herrscht überall, vergessen ist jedes<br />
Leiden, und frei wie <strong>der</strong> Vogel <strong>der</strong> ^uft eilen die Glücklichen den Vorposten<br />
<strong>der</strong> Vandslente zu, die sie sicher nnd wohlbehalten ins Hauptquartier geleiten.<br />
Die Lebensmittel steigen jetzt zu einem nugehenrcu Preise. Ein<br />
Scheffel Erbsen kostet 64 Tl. Münze, für einen Schmlcn von 10 Pfd. ist<br />
«4 Tl. Münze bezahlt worden. Weizen kostet 24 Tl. (5rt., Noggen '^0 Tl.<br />
Crt., eine Zwiebel wird mit 6 Gr. bezahlt, ein Ei kostet 7 Gr. Münze,<br />
ein kleines Huhu 3 Tl. Münze. Butter ist nicht mehr zu haben, statt<br />
dessen bedient man sich Öl nnd Talg. Dies zusammengeschmolzen, einige<br />
Äpfel, Zwiebeln nnd etwas Gewürz giebt ein gutes Schmalz, welches ich<br />
täglich an Speisen und ans dem Brote esse.<br />
Um N)l»2 Uhr, Freitags d. 15. Oktober. Indem ich dies schreibe,<br />
schießen die Preußen vors Tor Victoria <strong>der</strong> erfochtenen Siege wegen, von<br />
<strong>der</strong>en näheren Details wir jedoch noch nichts Bestimmtes wissen. Man<br />
sagt, daß die französische Armee total geschlagen sei, aber deutsche Truppen<br />
zu den Verbündeten übergegangen sind. Die Bestätigung fehlt uns noch,<br />
jedoch da wir regelmäßig alle Zeitungen aus Berlin und alle Extrablätter<br />
<strong>der</strong>selben erhalten, so mag wohl schon <strong>der</strong> entscheidende Schlag, <strong>der</strong> auch<br />
unser Schicksal hier im Orte bestimmen wird, geschehen sein und wahrscheinlich<br />
noch vor dem 14. ds. Ms., dem verhängnisvollen Tag <strong>der</strong> Schlacht<br />
vor 7 Jahren. Man spricht von einer Kapitulation <strong>der</strong> hiesigen Besatzung,<br />
freiem Abzug mit Wehr und Waffen, jedoch scheint mir dies nicht mehr<br />
wahrscheinlich, wenn es gleich geschieht, daß täglich Parlamentairs heraus-