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DtnÄien. - Digitalisierte Bestände der UB Greifswald

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Herausgegeben<br />

von <strong>der</strong><br />

<strong>DtnÄien</strong>.<br />

Gesellschaft für Wommersche Geschichte<br />

und Altertumskunde.<br />

Neue Folge Fand XNI.<br />

Stettin.<br />

In Kommission bei Leon Saunier.<br />

1909.<br />

Hcrntc H Le Geling. Stettm.


MtiMe Stnäien.<br />

.herausgegeben<br />

von <strong>der</strong><br />

Gesellschaft für Kommersche Geschichte<br />

und Altertumskunde.<br />

Ntllt /ülgr Band xm.<br />

Stettin.<br />

In Kommission bei ^'eon Enunier.<br />

. 19N9.


Inhaltsverzeichnis.<br />

Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth zu Stettin»Po,umern. Von<br />

E. Meyner in Leipzig l<br />

Der I^idor ^noäieu» des Demminer Präposttus N. Petrus Michaelis.<br />

Ein Beitrag zum geistlichen und l'i'irgerllcheu ^clx'ü in Schwedisch-<br />

Pomnlern von 10?v l7ll. '^ou P^ofessm I>». ssranz Müller<br />

in Quedlinburg . . 'in<br />

Tagebuch über die Belagerung Stettins im Iatire l«18 .Verausaegeben<br />

von Professor l)i-. Martin ^elnmauu «?<br />

Ein Besuch des Königs Friedrich Wilhelm l. n, Kerstin


Das Dtammbuly 3er Herzogin Orömuth<br />

zu Dtetlin-Wommern.<br />

Von<br />

C. Mehner. Leipzig.


Mnter den Schätzen <strong>der</strong> Königl. Öffentl. Bibliothek zu Dresden<br />

befindet sich ein Gebetbuch in schwarzem Samteinbcmd mit schön vergoldetem<br />

und gepreßtem Schnitt, auf dem das kursäcksische Wappen gemalt ist. Es<br />

hat zwei Teile mit den Titeln: Christlichs Nettbüchlins Erster Theil.<br />

Darinnen vil schöner vnd andächtiger Gcdett / nach eines jeden Christen<br />

Standt / Geschafft vn Wesen / mit son<strong>der</strong>n: fleiß zusammen getragen ' in<br />

jre richtige ordnung durch vn<strong>der</strong>schiedne Capitel ab vn eyngetheilt / vnd<br />

frommen Christen zu allerhand notwendiger vnd uühlicher anmanung im<br />

Druck verordnet worden sind: Durch Ludouicum Nabus / l). Getruckt zu<br />

Franckfurt am Mayn (bey Georg Naben Sigmund Feyerabend vnd Wcygand<br />

Hauen Erben) kll)l^.XIX. Der Titel des zweiten Teils, ebenda gedruckt<br />

15>7O, ist durch den Zusatz erweitert: Gebett vmb allerley inwendige<br />

Geistliche vnd Himmlische <strong>der</strong> Seelen Hc. wie auch vmb Eußerliche / Zeitliche<br />

vnd Irdische / deß Leibes Gnaden / Gaben vnd Güter / zu bitten.<br />

Das Merkwürdige aber an diesem Oktavband ist <strong>der</strong> Umstand, daß auf<br />

den beigebuudeneu Blättern eine größere Auzahl Autographeu von fürstlichen<br />

uud adligen Persönlichkeiten stehen. Bon regierenden Häusern sind<br />

vertreten das alte pommersche Greifengeschlecht, <strong>der</strong> Hohenzollcrnstamm mit<br />

seinem kurfürstlichen, herzogliche« und gräflichen Zweige, die albertinische<br />

Linie <strong>der</strong> sächsischen Wettincr, die schleichen Piastcu, die braum'chweigcr<br />

Wclfcn, die Mansfel<strong>der</strong> und Hohensteiner Grafen, sowie die von Gottharo<br />

Kettler stammende kurläudische Herzogsfamilie. Unter dem Adel überwiegt<br />

<strong>der</strong> pommersche. Die Eintragungen umfassen die Jahre 1578—1598 und<br />

sind, soweit eine Ortsangabe stattgefunden hat, zu Stettin geschehen mit<br />

einer Ausnahme. Sie ist datiert 1613 den 20. Novcmbris zu Stolp, und<br />

diese Angabe, verbunden mit den erwähnten Eintragungen des pommerschen<br />

Adels, gaben <strong>der</strong> Vermutung Raum, daß dieses Gebetbuch trotz seines<br />

tursächsischen Wappens aus dem Besitz des pommerschen Herzogshauses<br />

stammen könnte, speziell aus dem <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth zu Stettin-<br />

Pommern, die seit dem Tode ihres Gemahls Johann Friedrich im Schloß<br />

zu Stolp in Hinterpommern ihren Witwensitz hatte. Zur Gewißheit wurde<br />

diese Vermutung durch eine an<strong>der</strong>e Erwägung. Aus dem Verwandschaftsgrad,<br />

den sich die Eingetragenen zugelegt haben, wird man nicht ohne<br />

weiteres auf das wirtliche Berwandtschastsoerhältnis des Schreibers zu dem<br />

1*


4 Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Erdnmth zu Stettin-Polinnem.<br />

Besitzer des Vnches schließen dürfen. Denn wie bei manchen weitverzweigten<br />

Adclssamilien die männlichen Mitglie<strong>der</strong> ohne Rücksicht ans ihre wirkliche<br />

Verwandtschaft sich <strong>der</strong> Anrede „Herr Better" zu bedienen pflegen, so<br />

scheinen auch bei den so vielfach untereinan<strong>der</strong> versippten und verschwägerten<br />

regierenden Häusern bestimmte, den wahren Verwandtschaftsgrad nicht<br />

berücksichtigende Titnlatnren und Anreden Litte gewesen zu sein. So haben<br />

sich in diesem Album die Fürsten meist mit Bru<strong>der</strong>, die fürstlichen Damen<br />

als Schwester o<strong>der</strong> Muhme bezeichnet. Dabei ist es nnn auffällig, daß<br />

die Knrfürstin Elisabeth von Brandenburg, dritte Gemahlin des Kurfürsten<br />

Johann Georg, „deine allzeit getreue Mutter" unterzeichnet. Es ist nicht<br />

anzunehmen, das; die jugendliche, damals (1583) zwanzigjährige Fürstin<br />

diese Unterschrift bei einer ihr fermrstehenden Persönlichkeit gebraucht haben<br />

wird. Ihre eigenen Kin<strong>der</strong> konnten aber noch nicht in Betracht kommen,<br />

bleiben also ihre Stiefkin<strong>der</strong>, <strong>der</strong> spätere Kurfürst Joachim Friedrich aus<br />

<strong>der</strong> ersten, die Markgräfinnen Erdmnth, Anna Maria und Sophie aus <strong>der</strong><br />

zweiten Ehe ihres Gemahls übrig. Der Kurfürst kann nicht <strong>der</strong> Besitzer<br />

des Vnches gewesen sein; Anna Maria und Sophie haben sich selbst, letztere<br />

sogar an zwei Stellen, als getreue Schwestern eingeschrieben, so bleibt also<br />

nnr Erdmnth übrig, <strong>der</strong>en Stiefmutter ja die Kurfürstiu war. Es kommt<br />

aber noch etwas an<strong>der</strong>es hinzu. Mitten unter den Autographen, von den<br />

vorhergehenden nnd nachfolgenden je durch eine leere Seite geschieden, sind<br />

zwei Gebete aufgezeichnet. Nun besitzt die K. ?. B. noch ein an<strong>der</strong>es Bnch,<br />

das unzweifelhaft ans dem Besitze Erdmuths und ihres Gemahls Johann<br />

Friedrich stammt. Es ist ein Quartband in weißen, einst mit Schließen<br />

versehenen Einbanddecken mit kunstvoll eingepreßten Mittclstncken nnd<br />

Ornamenten. Das vor<strong>der</strong>e Mittelstück zeigt eine Krcnzignngsgrnppe mit<br />

<strong>der</strong> Unterschrift: ^m^uis ^eZu ('llrisU l'ili! Doj Lniuill1u.t A03 ^!) Omni<br />

l'eccHw. Anf <strong>der</strong> Nuckseite schreitet Christus über eiu drachenähnliches<br />

Ungetüm, den Tenfel, hinweg mit dem Sprnch: ölors udi tuu6 »cuwu»<br />

udi viowrw tua infsriw. Sein Titel lautet: Catechismus. Die Fttnff<br />

Henptstück <strong>der</strong> Christlichen Lere, Sampt <strong>der</strong> Hausttafel, vnd dem Morgeu<br />

vnd Abcndt Gebet, Zeusäiciw und (Iratia.8, ote. Ausgelegt durch<br />

kl. Cyriacnlu Spangenberg. 15)68. (Gedr. zn Magdeburg, durch Wolfsg.<br />

Kirchner.) Unter dem Holzschnitt des Titelblattes steht geschrieben:<br />

15 5, 73.<br />

ss. ?. ?I. 2. 8. l'nmmern.<br />

28. «luni^ 8tetilu Um^tu« l^itier.<br />

D.h.: Was Gott will. Hans Friedrich Herzog zu Stettin-Pommern.<br />

Am obern Rande des Titelblattes hat <strong>der</strong> Herzog das Todcsdatnm <strong>der</strong>


Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth zu Stettin-Pommern.<br />

Mutter seiner damaligen Braut angemerkt mit den Worten:<br />

- 75 Obiit piae msmonae 8^dina l^lecwliZZ^<br />

cuiu8 animg.6 omnipoten3 8it ^rojlilius. Auf dem<br />

Vorsaftblatte stehen zwei Sentenzen ans den Kirchenvätern:<br />

8icut m^lwm 8IN6 arm!3 a.ci kolluin exii-6 non convenir Ita domini<br />

prooecisre ciuolid^t 8>no 0i'lrti0nidu8 non ex^ait,. ^ssrcäie„^8<br />

cie li08pitÌ0 arniet Orutio. liessr66ient08 66 plnt^a Ointio occurrnt und<br />

non 6xau6lt. a


6 Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth zu Stettin-Pommern.<br />

sich gerade auf das Abendmahl bezichen; denn sie sind überschrieben: „Gebitt<br />

wenn man zum Tisch des Herrn wiN gehen", und „Danlsagnng nach dem<br />

Feyern des Abendmahles"; so daß die Herzogin vielleicht sogar als<br />

Verfasserin dieser beiden nnten wie<strong>der</strong>gegcbencn Gebete anzusehen ist; denn<br />

sie war nicht nur eine fromme, son<strong>der</strong>n anch eine gelehrte Frau.<br />

Aber nun das kursächsische Wappen auf dem Goldschnitt? Aus dem<br />

Umstand, daß die Albnmblättcr so stark beschnitten sind, daß die oberste<br />

Zeile <strong>der</strong> Seite oft wagcrecht halbiert und abgetrennt ist und an den<br />

Scitenrättdcrn Schnörkel und Arabesken, mit denen die Eintragungen häufig<br />

ringsum verziert waren, teilweise dem Buchbin<strong>der</strong>hobel znm Opfer gefallen<br />

sind, läßt sich schließen, daß <strong>der</strong> Band erst später seinen Goldschnitt und<br />

das darauf befindliche Wappen erhalten hat, zu einer Zeit, als er durch<br />

Erbschaft o<strong>der</strong> Schenkung in den Besitz eines Mitgliedes des Albertinischen<br />

Hauses übergegangen war, das durch diesen Schmuck seine Pietät gegen die<br />

in dem an sich nicht wertvollen Buche nie<strong>der</strong>gelegten Erinnerungen zum<br />

Ausdrnck bringen wollte. Noch ein drittes Vnch aus <strong>der</strong> Herzogin Besitz<br />

ist auf <strong>der</strong> Bibliothek befindlich. Ein weißer Pcrgamentband mit gepreßtem<br />

Goldschnitt und vergoldete!; Mittcl-Mcdaillons und Randleisten auf dem<br />

Einband; anf dem Vor<strong>der</strong>deckel die legende: Erdmud G^cborne^ M^ark-<br />

gräfinj Zsuj Bjrandenburgj Hserzogin^ Z>u) Sstettiuj Psommernj Wittwe)<br />

iliOl'» und betitelt: ^eichprcdigten, Gehalten bey <strong>der</strong> Fürstlichen Leiche vnd<br />

Vegrebnus, des weiland Durchleuchtigcn Hochgeborncn Fürsten<br />

Vogislaus XIII. . . . Durch Iacobum Fabrum . . . Alten Stettin 1606.<br />

Auch aus dem Besitz ihrer Schwester, <strong>der</strong> Herzogin Anna Maria,<br />

Gemahlin Barnims XII., ist ein Band vorhanden: Pommcrsche Chronica.<br />

Durch Damclcm Cramcrum Pfarrhcrrn zn Alten Stettin. Franckfurt am<br />

Mahn 1(iO2. Brauner Lc<strong>der</strong>band mit gepreßtem Goldschnitt, auf den<br />

Eiubauddeckcu das große pommersche Wappen, und eben ein solches ist nach<br />

Art eines Exlibris auf <strong>der</strong> inneren Seite des Vor<strong>der</strong>deckels eingeklebt.<br />

Dazu auf dem Borsatzblatt die eigenhändige Widmung des Verfassers:<br />

Der Durchlauchtigen vud wohlgeborncu Fürstin vnd Frawcn Fr. Anna<br />

Maria geborncu Marggräffin zu Brandenburg Herzogin Zu Stettin Pomeru<br />

Der Caßuben vnd Wenden Fürstin Zu Nugcn vnd Gräffin Zu Gutzkow<br />

Meiner gnädigen Fürstin vnd Frawcn uutertheniglich Verehret Autor.<br />

Und höchstwahrscheinlich würden sich beson<strong>der</strong>s unter den alten Klassikern<br />

und <strong>der</strong> theologischen Literatur <strong>der</strong> K. 57. B. noch mehr Bücher aus dem<br />

Besitze <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth und ihrer pommerschen Verwandten nach-<br />

weisen lassen.<br />

Bevor wir nun auf das Stammbuch selbst eingehen, sei erst eine<br />

kurze?ebensskizze dieser Fürstin gegeben. Viele <strong>der</strong> Personen, die wir darin<br />

begegnen, haben sich auch in das Album eiugetrageu.


Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth zu Stettin-Pommern. 7<br />

Für Pommern und dessen Herrscherhauses Geschichte im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

ist das bekannte Hausbuch Joachim von Wedels eine wichtige<br />

Quelle.') Freilich lciue unparteiische; denn <strong>der</strong> Chronist war ein offenbarer<br />

Gegner <strong>der</strong> Herzogin wie ihres Gemahls, und wo immer er ihrer Erwähnung<br />

tut, unterläßt er fast niemals, eine boshafte, gehässige o<strong>der</strong> abfällige<br />

Bemertnng einzufügen. Mit den ersten Jahren des folgenden Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

schließen Wedels Aufzeichnungen. Micraclius hat sie, wie nachgewiesen<br />

ist, in feinen sechs Vüchern vom Pommernlande stark denutzt, wobei er das<br />

ihm nnpassend Scheinende weggelassen hat. Nach 1600 erwähnt dieser die<br />

Herzogin nnr ab und zu, bis er bei ihrem Tode ein Nein wenig ausführlicher<br />

wird. Hier aber folgt er den Mitteilungen des Stolper Hofpredigers<br />

Daniel Nnbenow, <strong>der</strong> den Leichenreden einen Lebenslauf <strong>der</strong> Fürstin anfügte.<br />

Lei<strong>der</strong> besteht letzterer aber <strong>der</strong> Hauptsache nach nur in <strong>der</strong> Aufzählung <strong>der</strong><br />

langen Ahnenrcihe väterlicher- und mütterlicherseits, sowie <strong>der</strong> frommen<br />

Gespräche zwischen <strong>der</strong> Fürstin und ihrem Seelsorger vor ihrem Ende und<br />

den üblichen Lobeserhebungen. Immerhin geben diese Einzelheiten zusammengenommen<br />

ein Bild vom<br />

Leben <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth von Stettin-Pommern.<br />

Kurprinz Johann Georg von Brandenburg vermählte sich nach dem<br />

Verlnst seiner Gemahlin Sophie von Liegnitz und Brieg mit <strong>der</strong> jugeudschöuen<br />

Sabine von Ansbach. Er residierte damals in dem romantisch<br />

gelegenen Schloß Zechlin in <strong>der</strong> Ost-Priegnitz, wo ihm von seiner zweiten<br />

Gemahlin drei Töchter geboren wurden: Erdmnth, Auua Maria uud<br />

Sophie; Erdmuth, die älteste, am 11. Juni 1561. Hier in <strong>der</strong> sehr festen<br />

uud umfangreichen, aber nicht gerade prnnkhaft eingerichteten Vnrg, die<br />

von herrlichem Äucheuhochwald unncmscht auf glänzende Teenspiegel nic<strong>der</strong>blickte,<br />

verlebte die Prinzessin die ersten zehn Jahre ihrer Kindheit, in die<br />

aber schon ein für sie sehr wichtiges Ereignis fiel: die Verlobung des erst<br />

siebenjährigen Mädchens mit dem 19 Jahre älteren Herzog Johann Friedrich<br />

von Pommern, die am A(>. Juli 1568 auf Schloß Zechlm fröhlich gefeiert<br />

wurde. Die Braut sei „ciuc gar junge, jedoch rcgalische schöne Fürstin<br />

gewesen", bemerkt Nubenow zu dieser Verlobung, während Joachim von<br />

Wedel grimmig in sein Tagebuch schrieb: „Was diese Freite Pommern vor<br />

Frommen geschasst, ist münniglich bekannt". Die Schönheit hatte sie wohl<br />

von ihrer Mutter geerbt, zu ihr gesellte sich eiue sorgfältige Erziehung:<br />

Erdmuth verstand Latein und liebte die Klassiker; sie soll weger, ihrer<br />

Klugheit des Vaters Liebling gewesen sein. Doch mehr Wert als auf die<br />

alten Heiden legte man damals beim Unterricht <strong>der</strong> Jugend auf wahre<br />

') Hausbuch des Herrn Joachim von Wedel usw., heransg. v. Julius Freih.<br />

v. Bohlen. Tübingen 1W2.


A Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth zu Stetlm-Pommern.<br />

Frömmigkeit und Gottesfurcht, und so ist es nicht wun<strong>der</strong>bar, die 14jährige<br />

Markqrnnn am Sterbelager ihrer Mutter im Verrin mit <strong>der</strong>en treuer<br />

Freundin und Schwägerin Elisabeth Magdalene von Praumchweig^üneburg<br />

nicht nur als Krankenpflegerin walten zu sehen, beide waren auch bestrebt,<br />

die leidende mit den Worten des Heils Jesu Christi zu tröstend) Die<br />

Kurfürstin Sabiue starb am ^. November 1575 im Schloß zu Cöln<br />

a. d. Spree, wohin ihr Gemahl nach seinem Regierungsantritt übergesiedelt<br />

war. Auch Erdmuth sollte uicht lange mehr in ihrem Vaterhaus weilen.<br />

Schon zwei Jahre nach <strong>der</strong> Mutter Tode fand ihre Vermählung mit<br />

Johann Friedrich zu Stetti» statt. Bei <strong>der</strong> Feier waren zugegen ihr<br />

Vater und ihr Bru<strong>der</strong> mit seiner Gemahlin, des Bräutigams Mutter,<br />

seine Schwester Anna und vier Brü<strong>der</strong>, Herzoge zu Pommern, ferner<br />

<strong>der</strong> Herzog Georg II. von Liegnitz und Brieg mit seinen Söhnen Joachim<br />

und Johann uud <strong>der</strong> Fürst Joachim Ernst von Anhalt mit seinen beiden<br />

Töchtern Anna Maria uud Elisabeth, die bald in ciu näheres verwandt-<br />

schaftliches Verhältnis zur Braut treten sollten. Zur Feier des Tages<br />

verfaßte <strong>der</strong> gelehrte Nostocker Professor und Prinzenerzieher am benachbarten<br />

mecklenburgischen Hofe, Johannes Caselius, eilt Schriftchen, betitelt:<br />

Hll)I.XXVII, das auf acht Quartblälteru eine Widmung<br />

an Iohauu Friedrich uud ein Glückwunschgedicht mit griechisch-lateinischem<br />

Parallcltext enthalt. Darin wird <strong>der</strong> Herzog als Schirmherr <strong>der</strong> Wissen-<br />

schaften gefeiert und ihm die Sorge für die heimische Hochschule ans Herz<br />

gelegt mit den Worten: „^.tqutz oum srati-idus Klu83,rum 8udlim6 lyceum<br />

b'ulei in Fi-)spl)i8 vitliciig un^uidu« oppilio". Der Braut aber, im Gedicht<br />

l^ersg genannt, <strong>der</strong>en geistige und körperliche Vorzüge gefeiert werden,<br />

wünscht <strong>der</strong> Verfasser:<br />

«8js lolix, st p<br />

L0N61 non Mssr^g pktornaiu 60NUN KoUsiuigri, 6 pueila,<br />

Doch „au guter Aufwartung uud ordentlicher BestaNnng o<strong>der</strong> einem<br />

guten Direttore hat es auf diesem Hofe sehr gemangelt, darumb etwa<br />

oftmahl Verstöße vorgefallen", glossiert Joachim von Wedel diese Hochzeit.<br />

Sie hatte am Sonntag LtZtomiki, dem 17. Februar 1577, stattgefunden,<br />

und noch im selben Jahre wurde die Njährige Elisabeth von Auhalt als<br />

') Kirchner, E. D. M.: Die Churfürstinnen und Königinnen auf dem Throne<br />

<strong>der</strong> Hohenzollnn. Berlin 15l>7. Bd. II.


Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth zu Etettin-Pommern. N<br />

dritte Gemahlin des Kurfürsten Johann Georg <strong>der</strong> Neuvermählten Stiefmutter.<br />

Es ist bemerkenswert, daß beide Ehen trotz des großen Altersunterschiedes<br />

<strong>der</strong> Ehegatten durchaus harmonisch verliefen, obschon dem<br />

pommerschen Herzogspaar <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>segen versagt blieb. „Vnd haben<br />

darauf," sagt Rubenow von dieser Ehe, „Ihre bey<strong>der</strong>seits Hochfttrstliche<br />

Gnaden mit einan<strong>der</strong> sich in recht ungefärbter Liebe vnd wahrer eheliche<br />

trewe gemeinet, herhgründlich geliebet, vnd Einer dem An<strong>der</strong>n mit Trost,<br />

Nath und That embsig beygewohnet .... auch Gott dem Allmächtigen<br />

gcdnltiglich heimgcstcllct, das demselben in seinem vncrforschlichcn Nath<br />

nicht belieben wollen, jhrcn Ehestandt . . . mit Leibes Erben zu begnaden".<br />

Ihr Glück hatte übrigens beinahe ein schnelles und schreckliches Ende<br />

genommen, da sie im folgenden Herbst bei einer Feuersbrunst im Städtchen<br />

Gartz a. O., wo sie gerade übernachteten, in die änßerste Lebensgefahr<br />

gerieten. Johann Friedrichs Vrn<strong>der</strong>, Barnim, führte am tt. Oktober 15)81<br />

Anna Maria, Erdmuths Schwester, als Gemahlin heim, und bei dieser<br />

Gelegenheit sah diese znm erstenmal nach ihrer Vermählung ihr Vaterhaus,<br />

das Schloß zu Cöln a. d. Spree, wie<strong>der</strong>. Nur wenige Monate später, am<br />

Sonntag Ui86ncor


lo Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Evdmuth zu Stettin-Pommern.<br />

im übrigen auch zu ihren an<strong>der</strong>n Stiefkin<strong>der</strong>n — war das denkbar beste.<br />

Der Kurfürst selbst fühlte sich stets überaus wohl bei Tochter und Schwirgcrsöhn<br />

in Pommern. Auf seineu Wunsch wurde sogar ein Gemälde vom<br />

Friedrichswald angefertigt uud ebeuso für ihu ein Kapitalhirsch abkoutcrfcit,<br />

den er hier auf jcincr letzten Jagd geschossen und „darüber er eineu son<strong>der</strong>baren<br />

Wohlgefallen gehabt hatte". Hans Friedrich aber ließ an <strong>der</strong> Stelle,<br />

wo <strong>der</strong> hohe Iagdgast das Wild erlegt und im Kreise <strong>der</strong> frohen Waidgenossen<br />

getafelt hatte, „ein tropneum in rei memoriam auf <strong>der</strong> Heiden<br />

ganz zierlich aufrichten".<br />

Neben <strong>der</strong> Jagd war es die Fischerei, die <strong>der</strong> Herzog leidenschaftlich<br />

liebte und sportmäßig ausübte. Zu diesem Zwecke hatte er iu Kopitz am<br />

Wasser ein Haus gebaut, das er Haffhaufen nannte. Hier hielt er sich<br />

am liebsten im Winter mit Gemahlin und Hofstaat auf, um mit großen<br />

Netzen unter dem Eise zu fischen, wobei vornehme Gäste niemals fehlten.<br />

Aber am hellen Himmel dieses heitern Gebens stiegen schon bald<br />

dunkle Wolken auf, und das warm die großen Schulden, iu die <strong>der</strong> Herzog<br />

durch seine Passionen und allzu gastfreie Hofhaltung geraten war. Eiu<br />

großes Geld hatten ihn namentlich auch seine vielen Bauten gekostet: das<br />

Schloß mit <strong>der</strong> Schloßkirche zu Stettill, die fürstlichen Häuser zu Nügcuwalde,<br />

Stolp und Kösliu, das Iagdschlößchen Friedrichswalde, Haffhauseu<br />

und die Neubauten auf Friedrichshos und auoern seiner Güter. Daß er<br />

sich unter diesen Umständen nicht viel um die Regierung seines Landes<br />

kümmerte/) werden wir wohl Joachim von Wedel glauben müssen, <strong>der</strong><br />

aber einen großen Teil <strong>der</strong> Schuld <strong>der</strong> Herzogin beimißt, die ihren Gemahl<br />

zu Gastereien, Festlichkeiten und häufigen Reisen veranlaßte und es den<br />

brandeuburgischen und sächsischen Fürstinnen stets zuvortun wollte. Doch<br />

sie hatten gewiß beide an dem lustigen Leben Gefallen gefunden; genug,<br />

die Schulden waren da, und <strong>der</strong> Herzog versuchte sie auf dem Landtag zu<br />

Treptow 15)85 auf seine getreuen Landstäude abzuwälzen. Diese bewilligten<br />

aber uur eine Steuer, die bei weitem nicht ausreichte; ja auf einem zweiten<br />

Vaudtage 15)88 kam es sogar zu einem heftigen Zwist nicht nur mit den<br />

Stäudeu, son<strong>der</strong>n auch mit den eigenen Brü<strong>der</strong>n. Da entschloß sich <strong>der</strong><br />

Herzog, den Kaiser gegen die Stände um Hilfe anzurufen und reiste zu<br />

diesem Zweck mit seiner Gemahlin uach Prag. Während er dort vergeblich<br />

das Neichsobcrhaupt für seme Sache zu iuteressieren suchte, verweilte die<br />

Herzogin im nahe gelegenen Karlsbad, „vielleicht dadurch sich <strong>der</strong> Sterilität<br />

abzuhelfen", setzt Wedel hinzu. Der Herzog half sich nach <strong>der</strong> Rückkehr<br />

von <strong>der</strong> erfolglosen Reise so gut er konnte, indem er seine Güter an den<br />

') Über Joh. Friedrichs Charakter u. Regierung vgl. M. Wehrmann: Geschichte<br />

von Pommern. Bd. II, S. 75 f., ttl f.


Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth zu EteNin-Pommern. Il<br />

Grafen Ludwig von Eberstein verpfändete, aber das gewohnte?cbcu wurde<br />

nicht aufgegeben. Im Dezember desselben Jahres nahm das Fürstenpaar<br />

an <strong>der</strong> Hochzeit <strong>der</strong> Schwester des Herzogs, Anna, teil, die sich zn Wolgast<br />

mit dem verwitweten Herzog Ulrich von Mecklenburg vermählte. Auch an<br />

ihrem eigenen Hofe zn Stettin wnrde nicht gar lange darauf ein fröhliches<br />

Hochzeitsfest gefeiert, die Vermählung <strong>der</strong> Grafin Agnes, Tochter des Grafen<br />

Vudwig von Eberstcin, mit dem letzten Grafen von Hohcnstcin. Bei dieser<br />

Gelegenheit (15)92) hat sich die junge Frau, die binnen Jahresfrist schon<br />

wie<strong>der</strong> Witwe sein sollte, in das Stammbnch <strong>der</strong> Herzogin eingetragen.<br />

Überhaupt beginnt jetzt <strong>der</strong> Tod allmählich den einen o<strong>der</strong> den an<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong>er, die <strong>der</strong> Fürstin am nächsten standen, abzurufen. 1591 stirbt zu<br />

Dresden <strong>der</strong> Gemahl ihrer jüngsten Schwester, Kurfürst Christian 1. von<br />

Sachsen, und Erdmuth und Anna Maria, Johann Friedrich und Barnim XII.<br />

stehen mit <strong>der</strong> Witwe trauernd au feiner Gruft im Dome zu Freiberg.<br />

Und das nächste Jahr bringt ebenfalls einen schweren Trauerfall: Ernst<br />

Ludwig wird zu Wolgast im kräftigeu Mannesalter dahingerafft und am<br />

19. Juli in <strong>der</strong> Stadtkirchc mit großem Gepränge beigesetzt. Ja nach dein<br />

Herzog selbst streckt <strong>der</strong> Tod fchon scine Knochcnhand aus. Auf einer Neijc<br />

nach Preußen zu feiner Braut Anna hatte Markgraf Johann Sigismnnd<br />

und dessen Mutter dem verwandte» Fürstellpaar im Februar 1593 ili<br />

Stettin einen Bcsnch gemacht und waren herzlich aufgenommen worden.<br />

Bald nach ihrer Abreise erkrankte Johann Friedrich so schwer, daß er seilt<br />

Ende nahe glaubte und „in seiner Schwachheit" ein Testament aufsehte,<br />

worin er über seine Hinterlassenschaft zuguusteu seiner Gemahlin verfugte.<br />

Bei dieser Gelegenheit hören wir zum ersten- und einzigenmal, allerdings<br />

aus dem Mllude Joachims von Wedel, von Mißverständnissen zwischen<br />

dem fürstlichen Ehepaar, die durch Peter von Kamele, des Herzogs rechte<br />

Hand in den Negierungsgeschäften, bei Wedel eiu schwarzer Intrigant,<br />

veranlaßt waren. Dadurch hatte er sich die Feindschaft <strong>der</strong> Herzogin<br />

zugezogen. Nun aber als es mit Johann Friedrich zu Ende zu gehell<br />

schien, suchte er als kluger Mann wie<strong>der</strong> die Gunst <strong>der</strong> Herrin zn gewinnen,<br />

indem er den Totkrankeil zu einem für diese sehr günstigen Testament zu<br />

bestimmen wußte. Seine Absicht gelang ihm, die Herzogin söhnte sich<br />

wie<strong>der</strong> mit ihm aus. In dieser schweren Zeit weilte die Kurfürstin-Witwe<br />

Sophie bei ihrer Schwester, auch des Herzogs Brü<strong>der</strong> waren herbeigeeilt;<br />

doch wi<strong>der</strong> aller Erwarten nahm die Krankheit einen günstigen Verlauf,<br />

und <strong>der</strong> Patient erholte sich so schnell, daß das Fttrstenpaar am N. Oktober<br />

zu Barth an <strong>der</strong> Hochzeitsfeier ihrer Nichte Clara, Bogislaws X l ll. Tochter,<br />

mit Herzog Sigismuud August von Mecklenburg teilnehmen konnte. Ihren<br />

Heimweg nahmen sie über Stralsund, da die Herzogin diese Stadt kennen<br />

lernen wollte, und wurden vom Nat zum Sunde feierlich empfangen und


13 Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth zu EtettiwPommern.<br />

nach <strong>der</strong> Sitte <strong>der</strong> Zeit mit reichen beschenken geehrt. Die Verpflegung<br />

aber des fürstlichen Besuches mutzteu die Wolgastcr leisten, was Wedel zu<br />

<strong>der</strong> Bemerkung veranlaßt: „Ans an<strong>der</strong>er Kirchwcihc ist gnt Gäste laden".<br />

Und wie<strong>der</strong> tritt <strong>der</strong> Tod in den Kreis <strong>der</strong> dem Herzogspaar Nahestehenden:<br />

Ludwig Herr zu Putbus, Komtur zu Wildcubruch, stirbt, und<br />

seine GemaMin Anna Maria folgt ihm bald nach. Wir werden den beiden<br />

noch unten im Stammbuch begegueu. Der Herbst des Jahres 15^4 aber<br />

sah am Hofe Erdmuths eine stattliche Gesellschaft fürstlicher Persönlichkeiten,<br />

die durch Stettin zur Hochzeit Johann Sigismuuds von Brandenburg<br />

mit Auua von Preußen nach Königsberg reisten. Es waren des Bräutigams<br />

Bru<strong>der</strong> Johann Georg von Iiigerndorf mit seiner Schwester Katharina,<br />

nachmalige Königin von Dänemark, Herzog Ernst zu Sachsen nebst<br />

Gemahlin, Fürst August vou Auhalt, <strong>der</strong> als braudeuburgischer Gesandter<br />

den Kurfürsten offiziell bei <strong>der</strong> Feier vertreten sollte, Herzog August zu<br />

Holstein und ein Fränlein von Lüneburg, uämlich — wie aus ihrer Aufzeichnung<br />

im Stammbuch hervorgeht, — Hedwig, Herzogs Otto des jüngeren<br />

von Braunschweig-^ünebnrg Tochter. Diese hohen Gäste weilten vom ^2.<br />

bis 2b. September in Stettin, wnrdcn wohl aufgenommen und am Vorabend<br />

ihrer Abreise durch ein großes Fcnerwerk erfreut. Anf dem Rückweg<br />

von Königsberg kehrte am ä6. November dieselbe Reisegesellschaft wie<strong>der</strong><br />

in Stettin ein. Wie<strong>der</strong>um fauden ihnen zu Ehren Festlichkeiten statt, dabei<br />

auch uuter Anteilnahme des ganzeu Hofes die Vermählnng Bussos von<br />

Wedel auf Groß-^atzkow mit Beate von Massow, die beide zum herzogliche»<br />

Hofstaat gehörten. „Auf diese Gastung nnd gedoppelten Durchzug ist<br />

Herzogen Iohanu Friedrich nicht eiu geringes gangen." Im nächsten Jahr<br />

kam dann das jung vermählte Paar aus Prenßcn selbst nach Stettin, nnd<br />

„ist also eine Zehrung auf die an<strong>der</strong>e erfolgt". So kommentiert Wedel<br />

diese Besuche. Freilich hatte auf diese Weise das Herzogspaar keine<br />

Gelegenheit zum Sparen uud wohl auch keine Lust dazu. Die Schulden<br />

waren wie<strong>der</strong> bedrohlich angewachsen, und wenig half cs, daß die fürstlichen<br />

Nentmeistcr <strong>der</strong> Unterschlagung beschuldigt wnrden, ja drei von ihnen sogar<br />

ihr 5!eben verwirkten. Unterdessen hatte Erdmuth den Verlust ihres Vaters<br />

zu beklagen, Kurfürst Johann Georg starb am 3 Iannar 15M als<br />

75 jähriger in seinem Schlost zn Cöln a. d. Spree. Das tiefste ^eid aber<br />

brachte ilir <strong>der</strong> Beginn des neuen Jahrhun<strong>der</strong>ts, ^nno i


Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth zn Stettin-Pommern. 13<br />

mnßte man am 14. Februar in Ückermünde zwei Tage rasten, weil die<br />

Herzogin „zufallen<strong>der</strong> Lcibcsschwachheit wegen" nicht weiter konnte. Am<br />

Ili. gelangte die Trauer-Prozession nach Iasenitz und am Sonntag<br />

NemiiuLcoro in die Landeshauptstadt. Als Tag <strong>der</strong> Beisetzung war <strong>der</strong><br />

Sonnabend vor ?n.1mkrum, <strong>der</strong> !5. März, bestimmt worden. Das Veichen-<br />

bcgängnis fand mit dem herkömmlichen Trauerpomp statt; die Witwe wurde<br />

von den Herzögen Joachim Karl von Brannschweig nnd Franz von<br />

Pommern geführt, und da sie wegen großer Trauer und Herzeleid ganz<br />

schwach und kraftlos geworden war, trng man ihr einen schwarzen Sessel<br />

nach, in dem sie auf dem schweren Gange einigemal ausruhte. Die<br />

Grabrede kielt <strong>der</strong> Hofprcdiger >l. Martin Glambeck, sie erschien auch<br />

gedrückt zu Alten Stettin 1()<br />

Gjemahlinj Cshristiansj Ssophie^ G^borne) Msarkgräfinj Zjuj B>randeuburg^<br />

C>hurfürstin> Z>uj Sjachseu^ auf weißes Pergament in Gold gepreßt.<br />

Doch die Fürstin tonnte sich ihrer Traner nicht ausschließlich hin<<br />

geben, das Leben for<strong>der</strong>te bald sein Recht. Schon von Wolgast aus hatte<br />

sie Ritterschaft und Städte vom Ableben ihres Gemahls iu Kenutuis gesetzt<br />

und nach <strong>der</strong> Beisetzung beim nunmehrigen Landesherrn die Testaments-<br />

eröffnnng beantragt. Zn dem Zweck wnrde ein landständischer Ansschnß<br />

eingesetzt, während die Witwe durch Bevollmächtigte ihres kurfürstlichen<br />

Bru<strong>der</strong>s vertreten war. Da sich bei <strong>der</strong> Erössuuug des Testameuts ergab,<br />

— es war das vom Jahre 1593 — daß <strong>der</strong> Verstorbene außer den schon<br />

inr Ehekontrakt festgesetzten Gütern seiner Gemahlin anch solche vermacht<br />

hatte, die nicht zu seinem Privatbesitz, son<strong>der</strong>n dem Lande o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kronc<br />

gehörten, so rieten die Ausschußmitglie<strong>der</strong>, das Testament zu kassieren nnd<br />

<strong>der</strong> Witwe nnr das ihr bei <strong>der</strong> Vermahlung bestimmte Leibgcdinge zu<br />

gewähren. Der Wi<strong>der</strong>spruch, den die Herzogin durch ihre Vertreter dagegen<br />

erheben ließ, war vergeblich; Barnim XII. sprach ihr mit Aufhebung <strong>der</strong><br />

übrigeu Tcstamcntsbestimmungen als Witwensitz das Schloß in Stolp mit<br />

den Dörfern Kublank, Iesentz, Hohen-Selchow und Hebungen aus Colbitz<br />

zu. Der Streit um das Testameut hatte bis iu den Monat April hinein<br />

gewährt, und erst Anfang Mai zog die Fürstin auf ihren Witwensitz, wohin<br />

sie ans den Schlössern in Stettin und Friedrichswalde alle ihr lieb<br />

gewordenen Gegenstände schaffen ließ. Auch was ihr Gemahl au Pretioseu<br />

besessen hatte, nahm sie mit, woraus ihr Wedel einen Vorwurf machen zu<br />

müssen glaubt. Zugleich mit ihr verließ ihre Schwester Sophie von<br />

Sachsen, die während <strong>der</strong> traurigen Zeit seit <strong>der</strong> Beisetzung bei Erdmuth<br />

geweilt hatte, Stettin, um sich nach Dresden zurückzubegeben.


14 Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth zu Stettin-Pommern.<br />

Mit <strong>der</strong> Übersiedlung nach Stolp beginnt für die Herzogin Erdmuth<br />

ein nencr Lebensabschnitt; die fröhlichen Gesellschaften, die sonst ihren Hof<br />

belebten, hören anf, wie die Eintragungen in ihr Stammbuch. Selten<br />

hören wir noch von <strong>der</strong> „Stolpcr Witwe" und dann auch meist nur, daß<br />

sie in Stettin weilte, wenn mau wie<strong>der</strong> einmal einen Sproß des alten<br />

Greifenstammes zu (Krabe trug. Das fürstliche Haus zu Stolp hatte ihr<br />

Gemahl gcbant an Stelle eines alten Mönchklosters, das mit dem Grund<br />

und Boden durch die Säkularisation infolge dcr Reformation an die Krone<br />

gekommen war. Stilvoll richtete sich die Herzogin mit dem mitgebrachten<br />

Hausgeräte dieses Schloß ein, wenn wir nach dem einen Stück ihrer Ein-<br />

richtung schließen dürfen, das von ihrem Hausrat übrig geblieben ist und<br />

sich ebenfalls in Dresden, im Pretiosensaal des Grüneu Gewölbes befiudet.<br />

Es ist „eine große muschelartig gerippte Schale in vergoldeter Silberfassuug,<br />

auf hohem, drei heraussteheude Pscrdetöpfc zeigendem Fuße von schöuer<br />

getriebener und gemalter Arbeit. Der Deckel trägt das markgräflich Braudeu-<br />

burgische Wappeu mit dem Namen <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth zu Stettin-<br />

Pommern, emer geborneu Markgräfin zu Brandenburg. Ein schönes Stück<br />

aus dem XVl. Jahrhun<strong>der</strong>t."') Ja vielleicht gehörte auch das kunstvoll<br />

in duukles Ze<strong>der</strong>nholz geschnitzte pommersche grosse Wappen, das jetzt im<br />

Palais des K. Großen Gartens hängt, einst zu ihrer Ausstattung. Etwas<br />

von inres Gemahls Baulust schien auch auf sie übergegangen zu sein. Die<br />

verfallene Klosterkirche stand noch; diese ließ sie wie<strong>der</strong>herstellen und bestimmte<br />

sie zum öffentlichen Gottesdienst. 160^ wnrde die neue Schloßkirche<br />

eingeweiht. Ihre eigene tägliche Andacht hielt sie im Schlosse selbst ab in<br />

zwei zu diesem Zweck beson<strong>der</strong>s eingerichteten Gemächern. Doch vergaß sie<br />

ihr leibliches Wohl nicht ganz über dem geistlichen. Im Juli ll»M erhielt<br />

sie vom Stolper Nat auf ihr Ansuchen einen Platz hinter dem Schloß zur<br />

Anlegung eines Fischbehälters angewiesen; auch gestattete <strong>der</strong> Nat den<br />

Durchbruch einer Pforte, die aus dem Schloßgartcn direkt auf jenes <strong>der</strong><br />

Stadt Stolp gehörige und nur bediugungswene überlasseue Gebiet führte.<br />

In Frömmigkeit und Mildtätigkeit gegen die Armen flössen nnn ihre Tage<br />

dahin. Dazu wird jetzt ihre Sparsamkeit gerühmt; ihre Einnahmen 'cheinen<br />

also trotz <strong>der</strong> drei o<strong>der</strong> vier Dörfer, die znm Witweusitz gchörteu, kciue<br />

sehr glänzenden gewesen zu seiu. Ein kleiner Hofstaat war ihr geblieben,<br />

zwei Hosfränlcin begleiteten sie gelegentlich zu den Beiseynngsfeierlichkeiten<br />

in Stettin. Ihre Trauergewan<strong>der</strong> brauchte sie nicht mehr abzulegen.<br />

Schon 160^ starb Barnim Xll., ihrer Schwester Anna Marias Gemahl,<br />

Niijs) Casimir, Bischof von Cammin, 1


Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth zu Stettin-Pommern 15<br />

1607 schloß auch die Kurfürstin Elisabeth, die ihreu Stiefkin<strong>der</strong>n stets eine<br />

wahrhaft mütterliche Freundin gewesen war, ihre Augen für immer zu<br />

Crossen a. Q. Fürwahr, auch Erdmuths ^eben giug jetzt zwischen Sorgen<br />

nnd Särgen dahin! Ein Lichtblick in dieser trüben Feit war vielleicht für<br />

sie die Vermählung ihres Neffen Franz von Pommern mit ihrer Nichte<br />

Sophie von Sachsen, die IMO zu Dresden gefeiert wurde. Ob die<br />

Herzogin-Witwe daran teilnahm, ist nicht ersichtlich, auch nicht, ob sie dabei<br />

war, als 1612 zu Stettin „ein son<strong>der</strong>bares Freudenfest angestellet wurde",<br />

das die Erinnerung an ihren Gemahl wie<strong>der</strong>erweckte. Philipp II. feierte<br />

nämlich den Regierungsantritt des Kaisers Matthias, <strong>der</strong> einst in fröhlicher<br />

Jugendzeit Johann Friedrichs Freund und Gast am Stettiuer Hofe gewesen<br />

war. Noch hatte sie die Freude, daß im folgenden Jahr ihr Neffe August<br />

von Sachsen sie besuchte; von ihm, dem auch kein lauges ^ebeu beschicke»<br />

war, rührt die letzte Aufzeichuung im Stammbnch her, datiert 1613 den<br />

20. Novembris zu Stolp. Danu geht <strong>der</strong> unheimliche Totentanz weiter;<br />

die Söhne Oogislaws XHI. sterben hintereinaudcr weg: Georg 1617,<br />

Philipp 1618, Frauz 1630 und im selben Jahre auch Erdmuths Schwester<br />

Anna Maria, von ihrem ^eibgedinge die „Wolliner Witwe" genannt.<br />

Kaum ein Jahr vor seinem Tode hatte Franz auf einer Reife durch Hinter-<br />

pommern seine Tante in Stolp befucht, und jetzt stand die Trauernde an<br />

seiner Gruft, um von hier zur Bahre ihrer geliebten Schwester zu eileu.<br />

Ebeuso brachte das Jahr 1622 einen doppelten Todesfall: Herzog Ulrich<br />

folgte seinen drei Brü<strong>der</strong>n ins Grab nach, und auch <strong>der</strong> Schmerz blieb ihr<br />

nicht erspart, ihre jüngste und letzte Schwester zu verlieren. Am 7. Dezember<br />

schied die Kurfürstin Sophie auf ihrem Witwensitz Coldih aus dem Veben<br />

und wurde am 38. Juni 1623 in <strong>der</strong> Finsteugruft des Frciberger Doms<br />

beigesetzt. Im selbeu Jahre erkrankte auch (5rdmuth. Nach längerem<br />

Melden und getröstet in ihren Schmerzen durch den Zuspruch ihres Seel-<br />

sorgers U. Daniel Rubenow entschlief sie sanft in ihrem Schlosse zu Stolp<br />

am 13. November 1623 im Alter von 63 Jahren. Ihre deiche wurde<br />

nach Stettin überführt und in <strong>der</strong> Schloßkirche am 28. Januar 1624<br />

feierlich beigesetzt. Von fürstlichen Persönlichkeiten gingen im Trauerzuge<br />

Herzog Nogislaw XIV. mit seiner Gemahlin Elisabeth und seiner Schwester<br />

Anna, <strong>der</strong> verwitweten Herzogin von Croy, Franz von Pommerns Witwe<br />

Sophie und <strong>der</strong> Herzog Wilhelm von Kurland mit seinem Sohn Jakob.<br />

Die übrigen Verwandten waren durch Abgesandte vertrete». Die Leichen-<br />

rede hielt ihr Seelsorger Dämel Nubeuow. Sie erschien uebst drei au<strong>der</strong>n<br />

vom selben Autor unter dem Titel: Vier Christliche Leich- vnd Trostpredigten<br />

Gehallen bey <strong>der</strong> Fürstlichen Leiche vnd Vegräbnis Der Weyland Durchleuchtigen<br />

Hochgeborenen Fürstinneu vnd Fraweu, Fraweu Erdmut Gebornen Marg-<br />

gräffinucn auß Churfürstlichen Stammen zu Hraudeuburg


1s» Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth zu Stettin-Pommern.<br />

zu Stettin-Pommern ... Durch KI. Danielem Nubenovimn, F. Hoffpredigern<br />

vnd Praepositum zu Stolp. Gedr. zu Altcn Stettin, durch David Nhcten,<br />

Im Jahre 1624.<br />

Die Erste Predigt. tAeh. d. 17. Nov. zu Stolpe als die in Gott<br />

ruhende ss. deiche daselbst aus jhren Gemach hingetragen vnd eine Zeit<br />

lang beygesetzt worden.<br />

Die An<strong>der</strong> Predigt. Geh. zu Stolpe d. 20. Ianuarij ^nno 1634.<br />

Wie die Fürstl. Leiche allda auffgehobeu ond nacher Alten Stettin solle<br />

geführet werden.<br />

Die Dritte Predigt. Geh. zu Mm Stettin, ^imo 1624 am 24. Jan.<br />

Als die Hochsehl. Fürstl. Leiche von Stolp in Trawriger Procession allda<br />

allgebracht worden.<br />

Die Vierte Predigt. Geh. bey <strong>der</strong> Fürstlichen Begrebnuß den<br />

2tt. Ianuarij ^.niw 1624. In <strong>der</strong> Schloß-Kirche zu Alten Stettin.<br />

Von sonstiger Trauerliteratnr bei diesem Anlaß ist noch vorhanden:<br />

Philipp Cradels Ehr- und Klag-Predigt über dem secl. Entschlafen<br />

<strong>der</strong> Dnrchl. Fürstin Erdmuth, Hertz, zu Pommeru.<br />

Dan. ^r^msri Orux LSpulck. beat. inemor. prìncipi Nrämuäi posita.<br />

I^I^tin. I^uZc^nei'. ^o^itunma invit. iunedrs.<br />

Henr. Xioinianin Nlessiu. 1uF.<br />

.lo. 8it.IlM3.ili» in oljiwln I^)ll. ^rämudli äftFcriptio liieroßi^pnica.<br />

Sämtlich 1624 zu Stettin gedruckt.<br />

Den durch Erdmuths Tod erledigten Witwensitz verlieh Vogislaw XIV.<br />

seiner Schwester Anna, die nach dem Tode ihres in kaiserlichen Diensten<br />

stehenden Gemahls mit ihrem 2 jährigen Söhnchen 1620 mittellos nach<br />

Pommern zurückgekehrt war, da die Anverwandten des Herzogs dessen Vermögen<br />

gewaltsam in Beschlag genommen hatten. Auch an sie bewahrt die K. ^. B.<br />

eine Erinnernng auf; ihr Autograph im Stammbnch <strong>der</strong> Herzogin Anna<br />

Maria zu wachsen mit dem Hymdolum: 8o!i Oeo Moria und <strong>der</strong> Jahreszahl<br />

1616. Und — fügen wir <strong>der</strong> Vollständigkeit wegen hinzu — auch<br />

ihres Bru<strong>der</strong>s Bogislaws XIV. Schriftzüge finden wir in einem Foliobande<br />

<strong>der</strong> K. Ö. B., den <strong>der</strong> Herzog seinem Leibarzt, dem Dr. Desi<strong>der</strong>ius Konstantin<br />

Oesler, verehrte. Auf den Titel: koetae Araeci principes koroioo<br />

sl^i-ilzii^ Nsur. Lwprlanug iNustris viri Huläsriei ^ußßOr<br />

1566 schrieb <strong>der</strong> Herzog eigenhändig diese Widmung: Dono Deäi<br />

Itomsrum Domino Doctori D. s>ou8tantjno O^er. KuFen^aläi ^nno 1612<br />

Dux ?0Mftrainae, ma propre mtlin.


i<br />

5<br />

Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth zu Stettin-Pommern. 17<br />

Viele <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Lebensssizze genannten Personen finden wir im<br />

Stammbuch wie<strong>der</strong>, von nahen Verwandten die Geschwister ihres Gemahls:<br />

Anna, Ernst Ludwig und Aaruim XII. mit ihren Gemahliunen Sophie<br />

Hedwig vou Vrauuschweig und Auua Viaria, Erdmuths Schwester, ebenso<br />

ihre jüngste Schwester Sophie mit ihrem Gemahl Kurfürsten Christian I. von<br />

Sachsen und <strong>der</strong>en Sohn August, dann ihre Stiefmutter Elisabeth, wie<br />

bereu Schwester Anna Maria vou Anhalt samt ihrem Gemahl Herzog<br />

Joachim Friedrich von Vieguitz uud seiner Schwester Elsabe Magdalene<br />

uebst dcreu Elteru Georg II. von Arieg uud Aarbara, die Schwester des<br />

Kurfürsteu Iohaun Georg, also Erdumths rechte Tante, ferner aus Hohen?<br />

zollernstamme die Gemahlin ihres Halbbrn<strong>der</strong>s Kurfürst Joachim Friedrichs,<br />

Katharina, uud ihre Kiu<strong>der</strong> Anna Katharina und Hans von Iägerndorf,<br />

uud eudlich Auua vou Preußen, die Gemahlin des Kurfürsteu Johann<br />

Sigismund, und ihre Schwester Maria, die mit dem Markgraf Christian<br />

vou Bayreuth vermählt war.<br />

Folgendes Schema, in dem die im Album vertretenen Namen durch<br />

den Druck hervorgehoben sind, dürfte diele brandenburgischpreußisch-sächsischschlesisch-pommerjche<br />

Berwaudtschaft, die durch die mehrfachen Ehen <strong>der</strong><br />

brandenburgischen Kurfürsten und durch die hohenzollerisch-piastischc Erbverbrü<strong>der</strong>ung<br />

etwas verwickelt erscheint, ohne weiteres ersichtlich machen.<br />

.<br />

Valtlsche Vtudten N F. XIII.


Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth zu Stettin-Pommern.<br />

Zoachim li. Kurfürst von Brandenburg<br />

Kurfürst Johann Georg. Barbara verm. mit Georg II.<br />

Kurfürst<br />

Joachim Friedrich.<br />

Kurfürst<br />

Johann Sigismund.<br />

verm. mit:<br />

1) Sophie, Schwester<br />

v. Georg II. v. Brieg.<br />

Frfsdrich<br />

verm. lllit<br />

AnnaMaria von Anhalt,<br />

lungere Schwester von<br />

2) Sabine von Ansbach.<br />

(«rdnntth Anna Maria<br />

verm. mit verm. mit<br />

Foh. Friedrich Barnim XII.<br />

von Pommern,<br />

B'ü<strong>der</strong> v. Anna v. Mecklenburg.<br />

verm. mit:<br />

1) Katharina, Tochter Johanns<br />

von Cüstritt.<br />

Anna Katharina<br />

verm. nlit:<br />

Christian IV.<br />

v. Dänemark.<br />

l<br />

Elsalie Mandatene<br />

Herzogin<br />

zu Münsterberg.<br />

3) Elisabet<br />

von Anhalt.<br />

Sophie<br />

verm. mit<br />

Christian I.<br />

von Sachsen.<br />

Augu st, Herzog<br />

v. Sachsen.<br />

2) Eleonore v. Preußen<br />

ls. u.)<br />

Joh von<br />

Iägerndorf.<br />

verm. mit:<br />

Anna v. Preußen, älteste Tochter des Herzogs Albert v. Preußen, dessen<br />

2. Tochter Maria verm. mit Christian v. Bayreuth.<br />

3. Tochter Sophie verm. mit Wilhelm v. Hurland.<br />

4. Tochter Eleonore verm. mit Kurfürst Joachim<br />

Friedrich (s. o.)


Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth zu Stettin-Pommern. 19<br />

Zu diesen näheren Verwandten kommen noch ans <strong>der</strong> knrländischm<br />

Herzogsfamilie die verwitwete Gemahlin Gotthard Kettlers, Anna von<br />

Mecklenburg, und ihre Kin<strong>der</strong> Wilhelm und Elisabeth von Kurland, die<br />

später den Herzog Adam Wenzel von Teschen in Oberschlesien heiratete.')<br />

Zur Zeit, da die Eintragungen in das Stammbuch geschahen, bestand wohl<br />

nur durch die mecklenburgische Herkunft <strong>der</strong> Hcrzogin-Witwe ein loser<br />

Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> pommerschcn nnd kurläuoer Fürstenfamilie.<br />

Das Band wurde durch die bald darauf erfolgte Heirat von Kettlers<br />

ältestem Sohn Friedrich mit Ernst Ludwigs Tochter Elisabeth Magdalene<br />

fester geknüpft, während durch die Vermählung Wilhelms von Kurland mit<br />

Sophie von Preußen auch die HohenzoNern in die kurländische Verwandtschaft<br />

kamen. Wilhelm von Kurland lebte seit seiner Verbannung meist am<br />

Stettiner Hofe und war auch, wie bereits erwähnt, mit seinem Sohn Jakob<br />

bei Erdmuths Beisetzung anwesend. Aus regierenden Häusern sind ferner<br />

noch vertreten Hedwig, eine Tochter Herzogs Otto des jüngeren von<br />

Vrauuschweig-Wneburg und die Gräfin Anna von Mansfeld. Daran<br />

schließen sich vier Damen aus dem Hause <strong>der</strong> ausgestorbene» Grafen von<br />

Hohenstein, die einerseits mit den Zollern und Mansfeloern, an<strong>der</strong>erseits<br />

mit den Putbus und pommerschen Ebersteins verschwägert sind: Anna<br />

Gräfin von Zollern, geborne Gräfin von Hohenstein, Maria Fräulein von<br />

Hohenstein, spätere Gräfin von Isenburg-Aüoingen, Agnes von Hohenstein,<br />

geborne Grasin von Eberstein und Anna Maria von Putbus, geborne<br />

Gräfin von Hohenstein. letztere ist die rechte Vase <strong>der</strong> beiden Schwestern<br />

Anna und Maria von Hohenstein; ihre Väter Ernst VI. und Volkmar<br />

Wolf von Hohenstein, Lora und Klettenberg waren Brü<strong>der</strong>. Agnes von<br />

Hohensteins Gemahl Ernst VII. ist <strong>der</strong> Bru<strong>der</strong> von Anna und Maria<br />

von Hohenstein; sie selbst ist durch ihre Mutter Anna, geborne Gräfin<br />

von Mansfeld, auch mit diesem Geschlecht verwandt. Mit Anna Maria<br />

von Putbus hat sich auch ihr Gemahl Ludwig, Kommenoator zu Wildenbruch,<br />

ins Stammbuch eingeschrieben. In den Kreis dieser verschwägerten<br />

Familien gehört endlich noch Anna Schenckin von Landsberg, geborne Freun<br />

von Schwanberg. Die Schenke von Landsberg waren <strong>der</strong>einst in <strong>der</strong><br />

Nie<strong>der</strong>lausitz erbgesessen. Die Freiherrn von Schwanberg sind durch ihr<br />

tragisches Geschick infolge ihrer Teilnahme am böhmischen Aufstand bekannt.<br />

Beide Geschlechter sind längst ausgestorben. Annas Gemahl war vermutlich<br />

Georg Schenk von Landsberg, <strong>der</strong> auf einer Versammlung <strong>der</strong> lansihischen<br />

Stünde noch 1619 als Landrichter erwähnt wird. Wenigstens stimmt mit<br />

dieser Annahme das Monogramm ^K (-- Agnes und Georg) in ihrem<br />

Autograph überein.<br />

l) Tetsch: Kurland. Kirchengeschichte. Leipzig 1767-69.


2l) Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth zu StettiN'Pommern.<br />

Ferner haben sich zugleich mit <strong>der</strong> Herzogin-Witwe von Kurland<br />

drei Damen ihrer Begleitung eingeschrieben: Margarethe von Thiesenhausen,<br />

des damaligen kurländischen Kanzlers Georg von Thiesenhausens Gemahlin,<br />

Margarethe von Brunuow, geliorne von Fürstenberg, Witwe Michaels von<br />

Brnnnow, <strong>der</strong> einstens Gotthard Kettlers Kanzler gewesen war, und die<br />

verwitwete knrläudische Hofmeisterin Brigitte von Plate, geborne von<br />

Schmeling. Näheres über diese dem eingesessenen kurländischsemgallischen<br />

Adel angehörende, ursprünglich aber aus Deutschland stammende Familien<br />

findet man in August Wilhelm Hupels Nordischen Miscellanee», Riga<br />

1781—1797, angeführt.<br />

Von den Fürstlichkeiten und dem hohen Adel geson<strong>der</strong>t steht endlich<br />

gleich am Anfang des Albums eine Gruppe von acht Namen für sich. Es<br />

sind dies: Bodo von Trotha, Eva von Dorzin, Barbara von Wedel, Anna<br />

von Namel, Maria von Carnitz und Beate von Massow. Diese Gruppe<br />

werden wir wohl als den Hofstaat <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth o<strong>der</strong> als „das<br />

fürstlich Stettinische Frawenzimmer" nach damaligem Sprachgebrauch, samt<br />

ihrem Hofmeister ansprechen müssen. Wenigstens wird von Beate von<br />

Massow gelegentlich ihrer Hochzeit zu Stettin ausdrücklich erwähnt, daß sie<br />

eine Zeitlang in fürstlichen Diensten gestanden habe, weshalb auch <strong>der</strong> Hof<br />

an den Vermühlungsfeierlichleiten teilnahm. Und Bodo von Trotha hat<br />

selbst seinem Namen den Titel Hoffesmeister) zugesetzt. Er war wohl seiner<br />

fürstlichen Herrin ans <strong>der</strong> märtischen Heimat gefolgt, wo sein Vater Adam<br />

<strong>der</strong> allere sich <strong>der</strong> Gunst <strong>der</strong> Kurfürsten erfreut und schon unter Erdmuths<br />

Großvater Joachim 11. hohe Hofstcllen bekleidet hatte. Bodo von Trotha<br />

starb 1614 zu Berlin als kurfürstlich-brandenburgischer Nat, ohne Erben<br />

zu hinterlassen. Die Trägerinnen <strong>der</strong> übrigen Namen gehören sämtlich dem<br />

einheimischen pommerschen Adel an: Das Geschlecht Dorziu, auch mit den<br />

Namenssormen Dorzyn, Dorzynsk, Darsen und Darsike geschrieben, gehörte<br />

zum kassubischen Uradcl und ist heute ausgestorben. Das gleiche Schicksal<br />

hatte die alte pommersche Familie von Carnitz. Kaspar von und auf<br />

Carnitz und Neides war um 15l',0 fürstlich-pommerscher Hauptmann zu<br />

Treptow und vielleicht <strong>der</strong> Vater von obiger Maria von Carnitz. Die<br />

Mcllills, in Pommern ebenfalls erloschen, sind in Schweden gegrast worden.<br />

Die Namel verwalteten das Erbmarschallamt im Stift Cammin; das hinterpommersche<br />

Geschlecht von Massow bekleidete seit dem XVI. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

die Präsidentenstelle im Schöppenstuhle von Stettin. Die Wedel und von<br />

<strong>der</strong> Osten sind heute noch blühende und ausgebreitete Familien.<br />

Noch sei einiges über das Äußere des Stammbuchs gesagt. Es<br />

besteht aus 20 Oktavblättern eines starken, gelblichen, mit einem Doppeladler<br />

als Wasserzeichen versehenen Papiers, von denen vier als Vorsatzblätter<br />

des Nabusschcn Gebetbuchs, 16 am Schluß desselben gebunden sind. Auf


Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Erdnmth zu Etettin-Pommern. "1<br />

letzteren befinden sich alle Aufzeichnungen mit Ausnahme <strong>der</strong> des Herzogs<br />

Georg II. von Brieg, die einsam auf dem dritten Vorsatzblatt steht. Es<br />

ist aber anzunehmen, daß dieses Blatt erst beim sviitereu Einbinden nach<br />

vorn umgeschlagen und so von den an<strong>der</strong>n getrennt wurde. Wir haben<br />

daher bei <strong>der</strong> unten folgenden Wie<strong>der</strong>gabe des Stammbuchs sein Autograph<br />

vor dem seiner Gcmahliu Barbara eiugeseftt. Übrigeus sind auch vou den<br />

16 Echlußblättern einige Teilen leer geblieben. Die einzelnen Eintragungen<br />

unterscheiden sich in nichts von denen an<strong>der</strong>er Stammbücher ans jener<br />

Zeit. Obenan steht die Jahreszahl, <strong>der</strong>en Ziffern in <strong>der</strong> Mitte meist dnrch<br />

ein Monogramm, sei es das eigene o<strong>der</strong> das des Gemahls — bei<br />

dem oben wie<strong>der</strong>gegebenen Autograph Erdmuths im Spangenbergschen<br />

Katechismus ist es z. B. die Namensziffer «? --- Hans Friedrich — o<strong>der</strong><br />

durch irgend ein Emblem, z. B. ein Herz getrennt sind. Darunter in<br />

lateinischen Majuskeln die Initialen eines Wahlspruches. Seltener nur<br />

siud diese Devise» ausgeschrieben. Als Ort wird einigemal Stettill, einmal<br />

Stolp angegeben. Die Schrift zeigt einen altertümlichen Charakter, variiert<br />

aber im einzelnen von den seltsamen Schnörkeln des Pommernherzogs<br />

Barnim XII., die man besser erraten als lesen kann, und die den Schreiber<br />

in den Verdacht bringen tonnten, er habe sich eben einen <strong>der</strong> damals am<br />

Stettiner Hofe so beliebten „guten Na'nschc" zugelegt, bis zu <strong>der</strong> zierlichen<br />

Madchenschrift des Fräuleiu Anna von Mausfeld in vielen Abstufungen.<br />

Wir lassen nun den Inhalt des Stammbuchs wortgetreu folgen, wobei<br />

alles ergänzte o<strong>der</strong> als Erklärung zugefetzte in eckige Klammern eingeschlossen ist.<br />

1578.<br />

5l. U. 5. tt.<br />

sMcine Hoffnung zu Gott)<br />

Sophia Hedwig gedornt zu Braunschw. und limeneuburg s!i Hetzogin s!^ zu<br />

Stittin uud pomern meine Handt Deine libe schwester weill ich lebe.<br />

lGemahlin Herzogs Ernst Ludwig von Pommern, Tochter Herzogs Julius von<br />

Braunschweig. 1561-1631.1<br />

1583.<br />

6. ^. kl. lt. V. IV<br />

sGott allein mein Hoffen und Trosts<br />

No: von Trothta. Hofmeisters.<br />

lGestorben 1614 zu Berlin als kurfürstlich-brandenburgischer Rat.)<br />

1583.<br />

N. I. N. K. ?.<br />

IEr ist mein Hirte)<br />

Eva von Dorzin.


22 Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth zu Etcttin-Pnmmern.<br />

. v. I. 8<br />

in Schmerzen!<br />

barbara von Wcdcl.<br />

6. D. «. 1^. V.<br />

lGottes Barmherzigkeit hat kein Endei<br />

Anna ramelen.<br />

1583.<br />

I. >V. ». 6.<br />

lIch Witts Gott befehlen)<br />

Anna von <strong>der</strong> osten.<br />

1583.<br />

6. 8. V. KI.<br />

IG ott sorgt vor mi chi<br />

Elisabct mellin.<br />

1583.<br />

6. ^V. ^1. N. !..<br />

IGott weud mein Elend'!<br />

maria zernitz.<br />

1583.<br />

2. ». N. ^. V.<br />

IZu Gott meine Zuversicht!<br />

biata masso.<br />

1583.<br />

I?. N. ^1. l). v. V. 6.<br />

sHerr regiere mich durch deinen heiligen GeW<br />

Elisabeth Geborne Fürstin zu Anhalt, Marggräffin undt Churfurstin zu<br />

Brandenburg p.<br />

Esuer) Lsiebden^ Allzeit getreue Mutter<br />

Die Zeit meines Lebens lang.<br />

Erhör mein stim, O treuer Goth<br />

Laß mich stets halten Deine geboth<br />

In Deiner furcht warheit und Lieb<br />

Zu dienen Dir frü spat mir gieb


Das Stammbuch <strong>der</strong> HcrMin Eidmutli zu Stettin Pommern. ^<br />

All Deine gnadt das bitt ich Dich,<br />

Bewahre schi'ch und handhabe mich<br />

Ewiger Ooth Ihn Deine l^nad<br />

Thu Dir bcfchlcu all mein Schadt.<br />

jDritte Gemahlin des Km linsten Johann Georg von Brandenburg, Tochter dcs<br />

Fürsten Joachim Ernst von Anhalt. l56.l-1607. Tie U Bersanlänge bildcu das<br />

Akrostichon Elizabeths<br />

1583.<br />

8. v. H. ?.<br />

sHilf du heilige Dreifaltigkeit^<br />

Sophia geborne Marggrenin zu Brandenburg Hcrtzogin zll Sachsen meine handt.<br />

E. 5j. getreige schwester dieweile ich lebe bis in todt.<br />

^Gemahlin des Kurfürsten Christian I. von Sachsen, Tochter des Kurfürsten Johann<br />

Georg von Brandenburg. 15(58—1622.1<br />

15N3.<br />

ks. Vl. X. V. N.<br />

sMein Heil kommt von, HerrnI<br />

Elsabe Magdalene<br />

h^erzogin^ z^tt^ bsrieg^ vsund^ lsiegnitz^ wsohlau^ Elzeit getrewe muhm bys<br />

in deu Dott.<br />

sGemahlin Herzogs Karl III. von Mnnsterberg, Tochter Herzogs Georg II. von<br />

Brieg.<br />

1583.<br />

^. ». V.U. VV. ». L.<br />

sWer Gott vertraut hat wol gebaut)<br />

Ernestus ?udovicus Hcrtzog zu Stettin Pommern mann propria..<br />

ISohn Philipps I. 154b-i»2.1<br />

1583.<br />

IVl. N. 2. 6. H.<br />

Meine Hoffnung zll Gott alleini<br />

Sophia Hedwig geborne Hcrtzogin zu Braunschweig und lunenbnrg, Hertzogin<br />

zu zu ^ Stettin pomern meine eigene Hand, Deine getreue Schwester weill<br />

ich lebe bis in denn todt und nimmer an<strong>der</strong>s.<br />

sGemahliu des Vorhergehenden, s. die Eintragung von, Jahre 1578.1<br />

1583.<br />

Helff gott aus aller not.<br />

Anna gebornes Frewlein zu Stettin Pommern meine Hand.<br />

E. L. alzcit getrewe mnhm schwefter und Tochter dieweil ich lebe. Amen.<br />

IZweite Gemahlin Herzogs Ulrich von Mecklenburg, Tochter Philipps l. von Pommern.<br />

1554—1626.)


24 Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth zu<br />

15N4.<br />

l)> omino > Oseo> V>uc6^<br />

Oomm« ßu<strong>der</strong>na M6 I'uo 8llnot0 spiritu.<br />

Anna Anna Maria Herhogin zu Lignitz ml^nu r>p. Deine im Hertzen treue<br />

Und licbe schwester biß an mein Ende.<br />

iGemahlin Herzogs Joachim Friedrich von kiegnih, Tochter des Fürsten Joachim<br />

Ernst von Anhalt. 15«1—1N05.)<br />

6. ^. ^ N.<br />

sGottes Wort bleibt ewigi<br />

Isoachimj sssriedrich^ Herzog! zjnj ^iegnitzi vsnt^<br />

lSohn Herzogs Georg II. von Brieg. 1550-1602.1<br />

1596.<br />

Gottes Wort Mein Hort.<br />

Anna geborne Marggreffiu zu Brandenburg unnd Hertzogin In Preußen,<br />

auch vermehlte Msarkgräfin^ z^u^ Vsranden^burg m^nu propria<br />

sGemahlin des Kurfürsten Johann Sigislnund von V randen burg, Tochter Herzogs<br />

Albrecht Friedrich von Preußen. 15)76—ll^5.I<br />

15)84.<br />

I. ?. ?. tt. I. ä. 1).<br />

lIch fürchte traue Gott in allen Dingen^<br />

Katarina Mjarkgräfin^ zsuj Bsrandellburg^<br />

lErste Gemahlin des Kurfürsten Joachim Friedrich von Brandenburg, Tochter des<br />

Markgrafen Johann von Cüstrin. 1541<br />

«. N. 6. ^V. (^. ?. li.<br />

^Regiere mein Gewissen Gott ferner recht)<br />

Gleorg^ Hserzog^ Zur Ligniz.<br />

iGeorg II. Herzog von Liegnitz und Brieg. 1523-86-1<br />

15S4.<br />

sGottes Wille geschehe^<br />

Barbara Heryogin Zur lignitz und brig.<br />

des Porhergebenden, Tockter des Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg.<br />

1527-95.^


Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Erdmnth zu Stettin-Pommern. 25<br />

lANes nach Gottes Willen)<br />

Maria geborne Marggrcffin zn Brandenburg unnd herhogin Inn Preußen<br />

mein Handt.<br />

iGemahlin des Markgrafen Cbristian von Bayreuth, Tochter Herzogs Albrecht Friedrich<br />

von Preußen. I57'.»-1649.1<br />

IV 8. ^V.<br />

ITrau Schau Weml<br />

Christianns Chnrftlrst Dein getrewer Ärudcr weil ich lebe. mp.<br />

ICHristian I. Kurfürst von Sachsen. 15


36 Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth zu TtettM'Pommern.<br />

ft. I. KI. ^. N. N. N.<br />

sGott ist mein Trost hat mich erlöst^<br />

Anna greffin und frau von Zollern gcborne grcfin von Honstein.<br />

E. f. g. un<strong>der</strong>denigc nnd gehnrsame Dinerin bis in meinen dolt.<br />

sGl»mah!in drs Gr.ifen Joachim von Hohenzollern-Sigumrinssen. 1558—8?; älteste<br />

Tochter des Grasen Volkmar Wolf von Hohenstcm, ^'ora und Wellenberg. I<br />

1586.<br />

I. V. ft.<br />

IIch vettvau Gotti<br />

Esuer^ fürstliches gjnaden^ nsntertänige> D^ienerin^ marya frewlein von<br />

Honsteiu.<br />

IGemahlin des Grafen Ludwig von Isenlmrg-Büdingen, zweite Tochter des Grafen<br />

Bottinar Wolf voll Hohenstein, Lola und Klettenbelg.)<br />

1586.<br />

sAlles wie flott<br />

Anna Schenckin von n lanzbergk, lanzbergk, ggeborne<br />

von Schwanberg.<br />

E. f. g. Un<strong>der</strong>denigste Vnnd gehorsame Dienerin bis ihn meinen Dott.<br />

1594.<br />

ü. 1^. öl. v. O. N. 6.<br />

lHerr regiere ntich durch deinen heiligen Geisse<br />

Anna greffin vnnd freulein zn Mannsveld<br />

E. f. g. Vnn<strong>der</strong>thennig vnd gehors. Dienerinn die geit meines Lebens.<br />

iGemahlin des Grafen Heinrich II. von Reuß-Untergreiz, Tochter des Grafen<br />

Hoher li. von Mansfeld. 1501—l6A


Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth zu Stettin-Pommern. 27<br />

1594.<br />

». >V. ^V. 8.<br />

lOott wird weiter sorgeni<br />

Elisabeth frelllciu zn Kurland mein hant.<br />

iGemahlin Herzogs Adam Wenzel von Tescheu i. O.-S., Tochter Gotthard ssettlers.<br />

1594.<br />

Ich wags Gott waltts,<br />

Johannes Georg, Poftnlirter Administrator des Stiffts Strasiburgk, Marggraff<br />

zn Brandenburgk. m. mpp.<br />

iSohn des K^trfürsten Joachim Friedrich von Brandenburg, genannt Joh. Georg<br />

v. Jägrrndors. 15??-1uj Brandenburgs<br />

lGemahlin Königs Christian IV. von Däncnmrk, Tochter des Kurfürsten Joachim<br />

Friedrich von Brandenburg. 1575-16!^<br />

1594.<br />

6. 6. 6. H. V. 8.<br />

iGott gibt Glück, Heil und Sieg)<br />

Hedwig geborne Herzogin zu Vsraunschweigl unnd Lüneburg<br />

lTochter des Herzogs Otto des Jüngeren von Braunschweig.Lüneliurg.<br />

Gott behüte mich Leib Seele vnd Ehre.<br />

Fürl. Churl. Hoffmeisterin Birgitte Schnulinges s^eligj Platens nachgelassene<br />

Witwe.<br />

Besehen zu Alten Stettin den 5. Augusti ^nno 1598.<br />

Oodt ist mein Heilt<br />

Menschentroft ist feill.<br />

Margaretha von Fürstcnberg iselig^ Michaeli Brunnowen nachgelassene Witwe,<br />

Stettin den b. Augusti ^nno 1598.<br />

Alles was wir sein nnd haben das sein alle Gottes gaben.<br />

Margarelha von Thisenhausen Georg von Thisenhaujen Fllrstl. Churlendischen<br />

Canzlers eheliche Hausfraue. Zu Alten Stettin den 5. Aug. ^nno !598.<br />

lEs folgt eine leere Seite. Auf den nächsten beiden Blättern stehen zwei Gebete von<br />

<strong>der</strong> Hand <strong>der</strong> Herzogin ErdmulhI


38 Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Erdmuth zu Stettin-Pommern.<br />

Gebitt wenn man zum Tisch des Herrn wil gehen.<br />

Almechtiger Ewiger Vndt heiliger Gott Vater unsers lieben Herrn Jesu<br />

Christy. Ich bin Ja Ein Armer sün<strong>der</strong> von Natnr so wohl Inn allen<br />

meinen lüften Als in gcdanckcn Worttcn vnd Wercten Vngcrecht, nicht werth<br />

das Ich meine Augen für Dir thu aufheben. Ich bekenne das Ich Deinen<br />

gerechten Zorn nnd Ewigen Tod fürdinet habe. Aber Her almachtiger<br />

Gott Himlischer Vater sey Du mir gnädig nach Deiner barmherzigkeitt<br />

vmb Deines Sohnes Jesu Christy willen wie Du mir In Deinen Worten<br />

gnedig fürheißen, vnd fürgebung <strong>der</strong> funden zugesagt hast. Ich glaube an<br />

Deinen Sohn unsern Heiland Ielu Christy Der seinen Leib für mich auf:<br />

geovffert vnd sein Nlutt umb meinetwillen vergossen hat. Aber Du Her<br />

stcrle vnd mere mir meinen schwachen Glauben Dnrch Deinen heiligen geist<br />

vlld weil Ich Noch Schwachheit vnd Gebrechen Inn meinem fleisch finde,<br />

so wollest« Alles mit Deiner barmherzigkeit In mir zudecken, wollest mich<br />

reinigen vnd heiligen, anch mich würdig machen Zu dem Abendmahl Deines<br />

lieben Sohues Jesu Christy, das durch dasselbige meiu schwacher glande<br />

Trost finde, fride vnd hofnung des Ewigen Lebens In mir erwecket vnd<br />

stettig Ais an mein Ende Erhalten werde. Amen.<br />

Dancksagung Nach dem feyern des Abendmahls.<br />

Ich dancke Dir mein gott vnd Her Jesu Christy Das Du mich mitt<br />

Deinem Leib vnd Blntt gespeiiet hast vnd mir solch theuer Pfand gegeben,<br />

das Ich nicht sol zweifeln, Pein Leiden vnd sterben kam mir zu gutte vnd<br />

Du habest mir sicherlich mit diesem oftfer Deines Leibes vnd mit fnrgiehung<br />

Deines Blutes Das Ewige leden Erworben. Gib mir gnedig das Ich<br />

solches stetiglich glaube vnd In solchem glauben zunemen möge. Wone<br />

Du O Herr Jesu Christy Inn meinem Herzen Damiti Ich stettig an Dir<br />

hangen möge, Leite und füre mich auch durch Deiuen heiligen geist das<br />

ich den simden wi<strong>der</strong>strebe. Dir stettig nach Deinem Worth Gehorsam leiste<br />

vnd Heilich leben möge. Amen.<br />

IEs folgt wie<strong>der</strong> eine leere Seite.1<br />

1586.<br />

I. 6. tt. V.<br />

IFrdifch Gut geht verloren!<br />

kudevich Herr zu Putbuß ck Comptor zu Wildenbruch.<br />

^ I1549-1594.I


Das Stammbuch <strong>der</strong> Herzogin Evdmmh zu Stettin-Pommern.<br />

i. l? c; «. ^. v.<br />

IIch habe Gottes Gnade mich vertraut!<br />

Anna Maria gcbornc greffin von Honsteiu vlld Frau zu butbus.<br />

Esuer^ fürstlichen^ gsnadcnj vn<strong>der</strong>thenigstc vnd getreue dinerin bis in dott.<br />

iGemalilm des Borhevnclicndrn, Tochter des Grafen Ernft Vl. von Hohenftem, Lora<br />

und Klettculierg. 1V)9—1595.1<br />

,592.<br />

6. ^l. N. ?.<br />

sGott nleili einziger TrostI<br />

Agnes geborne Greffin zu eberstein greffin vnd frau zu honstein.<br />

E. f. g. vn<strong>der</strong>denigste Dienerin.<br />

sGemaliliu 1. des Grafen Ernst VIl. von Hohenstcin (l592).<br />

2. des trafen Bultwrd Schenk uon Tautenburg (1598).<br />

Tochter des Grafen Ludwig von (^lierstein. 15?


Der I^ibyr 8^uoäi0N8 des<br />

Demminer Drapolltus U. Petrus Michaelis.<br />

Ein Beitrag zum geistlichen und bürgerlichen Leben<br />

in Schwcdisch-Pommern von l(>79—17l1.<br />

Von<br />

Droftffor Dr. Kranz Müller<br />

in Quedlinburg.


'II! ihren Geschichten <strong>der</strong> Stadt Demmin haben Stolle (1772) und<br />

Goctze (!9M) die Wirksamkeit des Pastor priw9.i-ju3 von St. Bartholomäi<br />

uud Präftositus <strong>der</strong> Demminer Synode kl. Petrus Michaelis oftmals<br />

erwähnt uud gebühreud gewürdigt. Eine Lebensbeschreibung des 1^3 zu<br />

<strong>Greifswald</strong> geborene«, von 1s»7>5 bis zu seinem Tode 1719 zu Demmiu<br />

tätigen Geistlichen haben wir in den Beiträgen zur Kulturgeschichte <strong>der</strong><br />

Stadt Dcmmin (1W2 bei W. Gesellins-Demmin) gegeben und namentlich<br />

au <strong>der</strong> Hand seiner zahlreichen Schriften ein Bild des Charakters uud<br />

<strong>der</strong> Denkart dieses eigenartigen, urwüchsigeu, gelehrten uud dabei doch<br />

ungemein lcbensklngeu uud unermüdlichen Mannes gezeichnet. Eine weitere<br />

Schrift „Ein Stück Demminer ^atciuschulgeschichte aus <strong>der</strong> Schwedeuzeit"<br />

(ebcuda 1908) zeigt Michaelis als rührigeu SchuUuspcktor und Vertreter<br />

<strong>der</strong> altklassischeu Bildung, uud zwar uach Akteu, die, in <strong>der</strong> Bibliothek <strong>der</strong><br />

Stettiner Iakobikirche aufbewahrt, meist von Michaelis eigeuer Hand<br />

stammelt.<br />

Zwei au<strong>der</strong>e Manuskripte') briugeu uus Michaelis, den Typus eines<br />

echten und rechten evangelischen Geistlichen uud ^)bcrhirten im zweite»<br />

Iahrhnudcrt dcr lutherischen Kirche, uoch uaher uud verdieucu es nicht uur<br />

um ihrer lokaleu, sou<strong>der</strong>n auch um ihrer allgemeinen tircheu- uud kultur-<br />

geschichtlichen Wichtigkeit willeu, daß aus ihuen Mitteilungen gemacht<br />

werden. Es sind dies das liationarium Vomminen86 item Synodal-Acta<br />

bei denen Syuodal-(5onveuteu 1681 — 1717, das vou Michaelis mit großer<br />

Sorgfalt und Ausführlichkeit geschriebene amtliche Protokollbuch über die<br />

Sitzuugen <strong>der</strong> Synode und, wenn mau so sagen darf, ein geistliches Tage-<br />

buch, vou ihm 8^noll«.I-Ok8U8 «ivo I^idsr 8^n0(jieu8 genannt,<br />

über Ereignisse in seiner Seelsorge und in seiner Präpositur, über die er<br />

privatim genau Buch führt, vom Jahre 1679 bis 1711. Uud was alles<br />

enthält dcr I^idor 8)'nollieu6! Wuu<strong>der</strong>bare Mären aus alter Zeil bringt<br />

er uns „von lobesamen Helden, voll heißem Kampf und Streit, vou Jubel<br />

auch und Festen, von Träneu und Iammerlaut!" Schier unerschöpflich<br />

ist sein Inhalt an Menschenschicksalen aus dem kleiustädtischen Leben,<br />

') Ich verdanke sie <strong>der</strong> Güte des Herrn Pastors Dieckmann in Neggerow.<br />

vlllttsche Ltud,en N 3 Xlll. 3


34 Der I^idei- 8?no6i


des Demminer Prävositus ^l. Petrus Michaelis. 35<br />

Handlungen zu nelnnen und in Kraft bestehen zn lassen: nicht das; das<br />

Bolk sittlich nnd religiös besser als heute gewesen wäre, nein, die Religion<br />

saß noch tief in seinem Vewnßnein als eine strafende nnd erlösende Macht,<br />

nnd nngcrn entzog sich einer vor den Angen des an<strong>der</strong>n den Segnungen<br />

<strong>der</strong> Kirche, um nicht ihren Flnch nnd Bann ans sich zn laden. Die<br />

Kirche war eben noch eine Gemeinschaft, <strong>der</strong> man unbedingt in Ehren<br />

angehören wollte, sei es ans Gewissenszwang, sei es ans Ehr- und Scham-<br />

gefühl. Noch war die Gewalt <strong>der</strong> Kirche weitreichend und das ganze<br />

bürgerliche ^ebeu auf sie zugeschnitten. Die Ohrenbeichte war zwar längst<br />

beseitigt, aber die Privatbcichtc in den Beichtstühlen (die wir in nnserer<br />

Kindheit noch in St. Bartholomäi gesehen haben) o<strong>der</strong> sonst unter vier<br />

Angen war üblich und, je nach Erfor<strong>der</strong>nis, die private o<strong>der</strong> öffentliche<br />

Vossprechnng von großer Bedentnng. Der Gang znm heiligen Abendmahle<br />

stand unter größerer Kontrolle, und es galt noch als eine Sünde, ihn<br />

nicht regelmäßig o<strong>der</strong> gar selten zu tnn. Der Bcsnch jedes Gottesdienstes<br />

war Pflicht, nicht bloß an den großen Festen, Sonntagen, Ans;., Bct- und<br />

Dankfcsten, son<strong>der</strong>n anch an den mancherlei <strong>der</strong> lntherischen Kirche längere<br />

Zeit verbliebenen Christ-, Marien-, Apostel- und heiligenfcsten. In den<br />

Monatsblättern <strong>der</strong> Gesellschaft für pommersche Geschichte und Altertums-<br />

kunde (N1W, Nr. 5 und 0) ist bereits eine kleine Auslese aus Michaelis'<br />

Synodal-Protokoll und dem I^dsr 8^no


36 Der lei<strong>der</strong> ss.vnoäien«<br />

Schnlen irgend ein Amt antreten, sollen bei <strong>der</strong> Ordination o<strong>der</strong> wenn sie<br />

einen tzi-adum annehmen, mit leiblichem Eide zu dieser Vehre und diesem<br />

Glaubensbekenntnisse sich verpflichten." Weiter heißt es daselbst, daß<br />

Landesverweisung und Verlust aller bürgerlichen Rechte jeden als Strafe<br />

treffen soll, <strong>der</strong> irrige Meinungen verbreitet o<strong>der</strong> „ganz und gar von<br />

unserer rechten Religion abfallt". So wird die Einwan<strong>der</strong>ung von Lehrern<br />

frem<strong>der</strong> Religionen und diese zu lehren und zu predigen strengstens verboten.<br />

Hiernach wird uns manches erklärlich, so auch, wenn zwei Papisten, die<br />

E. E. Nat unrechterweise zu Bürgern gemacht hat, vor die Synode geladen<br />

und vou dem gerade anwesenden General-Superintendenten erfolgreich zur<br />

Annahme des lutherischen Bekenntnisses beredet werden.<br />

Wenden wir uus jetzt dem Inhalte des ^ikni- 3^no


des Demmmer Präpositus ^l. Petrus Michaelis. A7<br />

Worte des Tadels und <strong>der</strong> Züchtigung, wenn die Liebenden sich nicht treu<br />

bleiben nnd Not nnd Schande das Ende <strong>der</strong> Lust ist. Dann wandelt sich<br />

Michaelis' Milde in unerbittliche Strenge, wenn hartgesottene Sün<strong>der</strong> über<br />

das Maß des Verzeihliche« weit hinansgegaugen sind. Wie ienem Sodomiten,<br />

so ist er einem '^ Jahre alten Knechte <strong>der</strong> Frau Feldmarschallin Weyherinn<br />

gesonnen, <strong>der</strong> vier Mägde auf einmal zu Fall gebracht hat. Der Pastor<br />

David Otto zn Cummerow, <strong>der</strong> übrigeus selber wegen verschiedener<br />

Verbrechen in Untersuchung 1714 zu <strong>Greifswald</strong> gestorben ist, hat den<br />

Wüstling absolviert und fragt 1657 an, ob er ihn auch »ä pu^Iican<br />

ad80iutioll6iu annehmen könne, worauf Michaelis erwi<strong>der</strong>t: „Die tönte<br />

ihm zwar, gi woäo vore posnitouy sit, nicht versaget werden; aber wol<br />

thete die Obrigkeit, wenn sie ihr Ambt inacht nehme und lisse ihn aus<br />

ihrem Gebite verweisen, ja yar ausstreichen, damit solche enorme und<br />

ärgerliche ikeinora nicht wie ein Krebsschaden überHand nehmen uud das<br />

Land dadurch uicht verunreiniget würde; vil weuigcr were löblich, daß<br />

Obrigkeit solche Leute iu ihrem Brodte hette, in ihrem Hanse und Diusten<br />

duldete nud hegele, wi<strong>der</strong> König Davids Exempel Ps. 1l)1." Hier also<br />

hatte des Präpositus Vorgeheu eiucn schlimmen Staud, aber er uimmt<br />

kein Blatt vor den Mnnd, uud <strong>der</strong> Pastor Otto wird seiuer Herrschast<br />

uud Obrigkeit die offene Antwort wohl nicht vorenthalten haben. Wie<br />

hier, so iu vielen Fällen bewnn<strong>der</strong>n wir Michaelis' steifes Rückgrat.<br />

Auffällig ist nur, daß er in <strong>der</strong> vorhin erwähnten Eheirruug den Nameu<br />

des Rittmeisters mit N. X. nnd den des Galalls mit l^. bezeichnet, während<br />

er sonst stets die vollen Namen <strong>der</strong> in delikate Dinge Verwickelten uicht<br />

verschweigt. In einem Falle scheint er Konnivenz geübt zu haben, wo er<br />

zwar die Namen nennt, aber sich selber anch nicht schuldlos sprechen kann.<br />

1689 notiert er: „Dn. ^l-oourator Oonsigwrii belangete mich, weile ich<br />

Hn. Floren (gemeint ist wohl Eamerarius Coruelius Flor) Tochter Mariam<br />

im Crantze all Hn. Lieut. Dreyeru, als nicht mehr Inngfer vertrauet habe.<br />

Ich excusirte mich bestermaßen. Als hat er sich seithero uicht weiter gemeldet.<br />

Viä. ^ct». No. 64."<br />

Ein Bericht auf diesem schlüpfrigen Gebiete möge statt vieler in wörtlicher<br />

Wie<strong>der</strong>gabe dazu dienen, uns Michaelis' Denk- uud Darstellungsweise näher<br />

zu bringen. Iu Demmin lebte ein berüchtigter Apotheker Treu, von dem<br />

in den Beiträgen zur Kulturgeschichte <strong>der</strong> Stadt Demmin S. 86 zu lesen<br />

ist, daß er beim Schatzgraben den Tod als Lohn seiner Habsucht am 21. April<br />

1692 fand. Von diesem erzählt Michaelis 1688: ..Hr. Iohan Carl Trew<br />

Apotheker referiret, daß ein beweibter Schäffcr zu ihm gekommen sey, bittend,<br />

ihm ein frnchtabtreibendes Medicament zu gebe», deun er seines Verwalters<br />

Carl Brandten Tochter imprägniret habe, dafür er ihm geboten IM tl.<br />

Nun hette er kegen Versprechung 25 ti. ein frnchtsterckendes Medicament


38 Der j.idei- ft^naäiens<br />

mitgegeben, ihn aber bey <strong>der</strong> Meimmg gelassen, es were ein abtreibendes.<br />

Er hette verlanget, die Jungfer selber zn sehen nnd zn sprechen, were auch<br />

zu dem Ende .') Meilen dahill geritten, weile aber <strong>der</strong> Vater bey <strong>der</strong> Hand<br />

gewesen, hette er sie nicht zn sprechen gekrigt. — lit^ponzum: Es were an<br />

sich nicht zn loben, denn er 1. ja ein an<strong>der</strong>s geredet, ein an<strong>der</strong>s gemeinet<br />

hette. 2. So entwendete er dem Scliässcr sein Geld, dargegen er ihm so<br />

vil an Wahren nicht lieferte. 3. stärctetc er ihn in seiner Boßheit, als were<br />

es wol gethan und nicht unrecht, daß die Frucht abgetrieben würde. 4. Es<br />

gebe ihm keinen guten Nahmen, denn <strong>der</strong> Schäffer es köute anstragen nnd<br />

mögte 5. Ärgerniß verursachen bey an<strong>der</strong>n, so gleichfals Anlaß nehmen<br />

tönten, <strong>der</strong>gleichen Medicamenten und Abortiven bey ihm zu sucheu. In-<br />

dessen als geschehene Dinge nicht zu endcrn stehen, tönte er seine Medicamente<br />

nach Werth bezahlt nehmen nnd für seine Mühe und Dahinreyse ein billiges<br />

for<strong>der</strong>n. Wann auch <strong>der</strong> Sckäffer bey ihm sich wi<strong>der</strong> meldete, müste er ihm<br />

die dürre Wahrheit sagen, einen scharffen Verweiß, daß er eine so böse That<br />

(welche Dnl'wre« ^le^io. bey ihrer Promotion mit ^egnng <strong>der</strong> Fiuger aufs<br />

dem Scepter verschweren mnsscu) ihme zngemuthet, geben, zur Erkenntniß des<br />

intendirten Kin<strong>der</strong>mordes fuhren, und daß es eine grosse Sünde sey, eine<br />

Schwangere, nnd zwar von ihm selber geschwängerte, zu verletze«, fürstellcn,<br />

auch solches nicht mehr zu thun, mit allem Ernst ihn warnen."<br />

Mehr als die Verfehlungen gegen das sechste Gebot, die ja zn keiner<br />

Zeit aufhören werden, heute aber mehr im Verborgenen bleiben, fallen uns<br />

die gegen das zweite Gebot auf, und zwar die sich auf Zauberei beziehen.<br />

Mehrmals fragt Pastor Brunnemann zn Cartlow wegen Weiber an, die<br />

veneticn beschuldigt, ntcht zum h. Abendmahl kommen nnd Anstoß erregen.<br />

So sei ein ganzes Dorf wi<strong>der</strong> eine Frau aufgestanden uud habe sie veueticii<br />

beschuldigt <strong>der</strong>gestalt, daß die Leute alleu Schaden, <strong>der</strong> ihrem Vieh zustoße,<br />

ihr zuschriebcu, da sie doch keinen an<strong>der</strong>n Grund hatten, als daß ihr voriger<br />

Mann znwcilen gesagt, seine Fran könne zanbern. Allein <strong>der</strong> Mann sei<br />

ein arger Sün<strong>der</strong> gewesen und habe seine Frau gehaßt und es nicht leiden<br />

wollen, daß sie dem Pastor Mitteilung mache. Da:um, so erwi<strong>der</strong>t Michaelis<br />

dem Fragenden, sei sie mit <strong>der</strong> ganzen Dorfschaft m genere et in specie<br />

auszusöhnen nnd pi-aevia. olitestutimie et nämonitione n.6 gacra. zuznlassen.<br />

(^uoä ita t'actum e8t.<br />

Einen tiefen Blick in den Aberglauben und seine unheimlichen<br />

Folgen läßt uns ein Bericht des Pastors Georgius Betcke zu Beggerow<br />

vom Juli 16^5 tun, dell Michaelis ausführlich beautwortet. Übrigens war<br />

schon 10ftl eiue Bauersfrau daselbst von <strong>der</strong> Dorfschaft venetnii beschnldigt,<br />

aber vom iuciex freigesprochen worden, die <strong>der</strong> Pastor nicht absolvieren<br />

wollte. Diesmal sind in seinem Kirchspiel eiucr Frau zwei Häupter Rind-<br />

vieh in <strong>der</strong> Nyse (-- Wasserlaufgrabeu) von uoch nicht einem Fuß lief stecken


des Deulminer Präposiws ^l. Petrus Michaelis. .'N<br />

geblieben und gesnlldcn Leibes gestorben. Der Schin<strong>der</strong> schneidet alsbald<br />

dem toten Biet) anf <strong>der</strong> Eigentumerin Geheiß Herz nnd Leber aus. Beide<br />

für gesund und frisch befundene Organe kocht die Frau anf Nat <strong>der</strong> Schmiede-<br />

frau iu eiuem ueueu „unbedingt" gekauften Topfe, nachdem sic sic mit<br />

gleichfalls „uubcdingt" erhandelten Nadeln besteckt hat! Während des Kochens<br />

kommt ein gewisser Jakob Karstens vor die fest verschlossene Haustür nnd<br />

bittet flehentlich nntcr allerlei Vorwändcn um Einlaß. Da er viermal<br />

vergeblich gebeten und nicht einmal eine Antwort ans dem Hanse erhalten<br />

hat, klettert er aus die Tür und will „ohne allem Danck" hinein. Endlich<br />

läßt die Frau ihn ein, aber das Kochen war schon vorüber. „Hirubcr<br />

wird Jacob Karstens Ven^cii arguire! von dieser Frauen, iwm von an<strong>der</strong>en<br />

im Kirchspiel, die ihme ihres Bihes Sterben beymesscn wollen, (^uaei-it.<br />

D». I^klol', «zuid couLlllj?" Hören wir des Präpositns Antwort ungekürzt:<br />

„Die Fraw habe übel gethan, daß sie zu <strong>der</strong>gleichen ungöttlich — unrecht-<br />

meisig — abergläubischem Mittel gegriffen. Gott hat die Obrigkeit verordnet<br />

zu iuquirircu wi<strong>der</strong> die Zauberer. Es ist sothanc Kunst ursprünglich ans<br />

<strong>der</strong> Hexerey entsprossen nnd machet darzu eiue Vahu. Ohne Iweifscl hat's<br />

<strong>der</strong> Satan invcntiret, nnd tönte dadurch leicht nnschüldigen Venten ein übles<br />

Bad bereitet werden: denn wie bald tönte sich's zutragen, daß eben unterm<br />

Kochen alßdenn einer, <strong>der</strong> bmias eoli^isntias, notko st lamas were, ja<br />

wol <strong>der</strong> Prister selbst, für diselbige Thüre käme. Zndehm sey es i-63 mali<br />

exempli. Wie, wenn fnr<strong>der</strong> jemande Vieh abstürbe, würde <strong>der</strong> nicht balde<br />

dise Probe zur Haud nehmen? — Hette sie hirbey, wie ohnlengst eine Frau<br />

auff dem Demminschen Wer<strong>der</strong> (d. h. linkes Peeneufer mit Wotenick!) sol<br />

gethan haben, entwe<strong>der</strong> des Satans Nahmen gebrauchet bey Einkanffung<br />

des Topffs und <strong>der</strong> Nadeln, o<strong>der</strong> Gottes Hl. Nahmen mißbrauchet, so<br />

were die Sünde so vil schrecklicher und müsse die Fraw <strong>der</strong> Kircheucensur<br />

sich unterwerfsen und s»u!>Iie6 zioemwiltialn thun. — Jakob Karstens aber<br />

müste 5onmtl3 kr!)it.l',3 scharff anf sein Gewissen hochbetheurllch befraget<br />

wcrdeu, ob er des grossen ol-immis veneKcii schuldig sey, darbey ihm sein<br />

Tauffbund fürzuhalten, item des Satans ^ift nnd Noßheit, discr Sünden<br />

Abscheulichkeit, die nicht ausbleibende, son<strong>der</strong>n gewiß erfolgende schreckliche<br />

Rache und Straffe Gottes, das Seufftzen des durch ihu betrübte« Nechsteu,<br />

des Predigers, <strong>der</strong> an Gottes Staat ihn fragete, Ambt und Teelenreltnng,<br />

so er intendiate, uud den er ja mit ^nama und 8ttps>Iiir9. nicht leuschell<br />

solle. Da cr's aber leugucte, tönte er a 8acri8 nicht arciret werdeu, weil<br />

dise proki^ coctiii» so wenig beweiset als die üsiug.t.ien. (s. u.). Die Leute<br />

im Kirchspiel müsten zur Libe, ^uxta 8. pr^eoepUlm, angewiesen werden."<br />

Wir haben diesem Bescheide Michaelis' nichts hinzuzufügen, ergibt er<br />

sich doch von selber als vornrteilsfrei, d. h. als eine den obwaltenden Ver-<br />

hältnissen angemessene verständige Mahuung und Ausklärung unter <strong>der</strong>


Der Iiibsr 8?noäjous<br />

Voraussetzung eines persönlichen, die Menschheit verführenden nnd ver<strong>der</strong>benden<br />

Teufels.<br />

Etwas verwickelter in <strong>der</strong> Darstellung, gleichwohl durchsichtig, liegt ein<br />

an<strong>der</strong>er Fall. Am ersten Weihnachtstag l6W hat die Warenbergesche den<br />

Hans Döbeler auf dem Heimwege von <strong>der</strong> Kirche in Demmin nach Brnnzow,<br />

als er an ihr vorbeigefahren ist, einen „Schelmeken" zugerufen, „den se, wenn<br />

je unter dem Galgen secte, wol ubnehmcn wolle". Als bald darauf Döbelers<br />

Pferd erkrankte, hat dieser die Warenbergescke pro lor-ma. rufen lassen, um<br />

sich sein Pferd zu besehen, ihr die Schcltworte vorgeworfen, ihr ins Gesicht<br />

geschlagen und sie brann und blau zugerichtet. Sie klagt coram provisoriduz<br />

des Hospitals. Döbeler bekommt etliche Tage Gefängnis, sie als Urheberin<br />

des Streites 4 Gulden Strafe zudiktiert und die Verpflichtung, znerst ab-,<br />

zubitteu. Nun klagt sie weiter, daß Döbeler sie <strong>der</strong> Zanberei beschuldigen<br />

wolle, „wovon er einführet folgende Gründe: als daß<br />

1. ein Drache lsonst <strong>der</strong> rote Hahn, <strong>der</strong> jemand aufs Dach geseht wird)<br />

vor zwey Jahren in sein Hanß geflogen, worauf er sechs Scheffel Nogken<br />

gemisset;<br />

2. daß auf das vorige Schelteu balde nach 14 Tagen ein zweyjahriges<br />

Füllen ihm krank geworden nnd nach etlichen wenig Wochen gestorben sey.<br />

Undt bittet solchem nach inständigst nmb Erlaubniß, daß er mit ihr aufs<br />

Wasser geworfen werden möge."<br />

Zu dem ersten Pnnkt antwortet Michaelis, es sei doch bekannt, was<br />

von einem Drachen, d. h. Meteor, zu halten sei und daß sie ihn nicht habe<br />

hineingeschickt; zu dem zweiten Punkt, solches habe wohl von ohngefähr<br />

geschehen können. Auf die Bitte um die Wasserprobe ward ihm remonstriert,<br />

daß solche nicht zugelassen werden dürfe als eine Versnchnng Gottes nach<br />

Matth. 4, 6. 7. „Wer Gefahr libet, <strong>der</strong> kompt darinn umb": das gebe<br />

noch keine Entscheidung des Schuldige«. „Kau auch nicht <strong>der</strong> Teufel<br />

unschuldige bellte oben schwimmen und schuldige siucken lassen? Wo finden<br />

wir etwas von <strong>der</strong> proda aquatica in Gottes Wort o<strong>der</strong> in gesunden Rechten<br />

o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Weltweißheit? Ist auch wohl je eine Persohn, die oben geschwommen,<br />

deßhalben zum Feuer verdammet worden? Nt quk65o, (jua1i8<br />

pktkig. aliuks a 1)60 in6i!a sinFi aut latens Oaemonis in<br />

operatio fingi pot68t? (ait Doliio 6o ^lkßia I. 4. e. 4. 8ect. 1.2. 3.<br />

Oec. 6. quao8t. ?


drs Dcmmm?r Präpositus ^. Petrus Michaelis.<br />

p0to8t. Gelekt aber, es were dise Probe richtig und zugelassen,<br />

so müssen ja erst genugsahme iiKlicia daseyn, es so weit zn bringen, sol man<br />

gehalten seyn von <strong>der</strong> «uZpiciolw veneficii dnrch sothane Probe sich zu<br />

purgiren nnd lost zu macheu, die aber bis dato alhie uoch nicht vorhanden seyn."<br />

Obwohl sattsam wi<strong>der</strong>legt, gab Döbeler wenig guter Worte, weswegen<br />

ihm eine vierzehntägige Gefängnisstrafe nnd Abbitte vor dem gesamten Dorf<br />

anferlegt wurde nebst <strong>der</strong> Erklärung, die Warenbergesche sei keine Hexe,<br />

son<strong>der</strong>n eine ehrliche Frau. Aber das ganze Dorf bleibt auf <strong>der</strong> Seite<br />

Döbelers, llnter Androhung von 10 Gnlden Strafe an die Kapelle und unter<br />

Einschärfung des achten Gebotes wird <strong>der</strong> Dorfbewohnerschaft Nnhe und<br />

Frieden geboten; <strong>der</strong> Präftositns benutzt noch die nächste Predigt vor <strong>der</strong><br />

Gemeinde zur Klärung und znr Vermahnung, daß sie bei Verlust von Vieh<br />

auf die Hand Gottes sehen und mit Hiob in Gelassenheit sprechen solle:<br />

„Der Herr hat's gegeben, <strong>der</strong> Herr hat's genommen, nicht <strong>der</strong> Teufel hat's<br />

geholt!"<br />

Zu den mancherlei Auswüchsen des Aberglaubens geHort <strong>der</strong> Glanbe<br />

an den von <strong>der</strong> Hostie ausgehenden Segen. Diese scheint mau, woranf<br />

<strong>der</strong> Erlaß des Konsistoriums 1692 hindeutet, beim Abendmahl unterschlagen<br />

zn haben, nm z. B. durch ein Bestreichen mit ihr Gänsecier frnchtbar zu<br />

machen. So berichtet Pastor Immannel Völschow zn Hohenbollenlin 1687,<br />

eine Frau habe die Hostie mit dem Schnnpftuch wie<strong>der</strong> ans dem Mnnde<br />

genommen nnd deu Wein wie<strong>der</strong> aus dem Munde in den Kelch fließen<br />

lassen, worauf eine große Vlase „als die lmlln« (— Wasserblasen) zu seyu<br />

pflegen" im Kelche sich gezeigt habe. Das erstere müsse ihr erst bewiesen<br />

werden, antwortet <strong>der</strong> Präpositns, das letztere könne durch das Hallchen<br />

wohl ganz natürlich zngehen. Ob diese Erklärung den Pastor voll seiner<br />

Sorge nm Verhexung wohl abgebracht hat?<br />

Am Schluß dieses Abschnittes mag noch eine Erzählung vom Fluchen<br />

stehen. Härmen Krusesche hat ihrem Nachbar Franz ^noe, weil sie ihn<br />

in Verdacht hat, er habe eine Katze in einer Schlinge gefangen, die, in ihrem<br />

Zaun hängen geblieben, zu stinken angefangen hat, mit dell Worten geflucht:<br />

„Daß ihm Leid und Bange geschehe, daß er toll und unsinnig werde!"<br />

Dadurch schwermütig geworden, bittet <strong>der</strong> Ärmste um die Hülfe <strong>der</strong> Geistlichkeit.<br />

Die böse Nachbarin erscheint vor dem Präpositns nnd begehrt heftig auf<br />

bei <strong>der</strong> gegen sie vorgebrachten Beschuldigung. Aber „auf nnser Nemonstriren,<br />

daß es nicht aus böser Meinung geschehe, son<strong>der</strong>n nur 1. die Sünde wi<strong>der</strong><br />

das 2. Gebot ihr fürznhalten, s. auf Versöhnung, weils anch wi<strong>der</strong> den<br />

Nechsten nnd das 5. Gebot gehandelt ist, zu dringen, 3. daß es gar wol<br />

müglich, daß ein Fluch bekleben köune, 4. wenn hidnrch seilte Mclancholey<br />

sich legen könte, weil ers ihm so feste eingebildet, daß es dahero gekommen,<br />

<strong>der</strong>gleichen beuten auch durch das geringste oft tönte geholfen werden: da<br />

..


Tor I.i<strong>der</strong> sivnoäicn«<br />

erlante sie ihren Fluch und verbatt sich äitta 6exw«. mit ihiu uud wüiischcte,<br />

daß es ihm so wol ginge als sie ihrer Seelen es gönnete." Über<br />

Wahrsagerei, Zeichen denterei u. a. siehe im späteren Abschnitt über die<br />

Zigeuner.<br />

Wir schreiten jetzt zum Beweise unserer gleich anfangs umgestellten<br />

Behauptung von des Präpositus Michaelis eigenartiger, geradezu<br />

herrschen<strong>der</strong> Stellung gegenüber den weltlichen Ve Horden durch<br />

Herbeizichuug von Belegstellen. Die schwedische Negiernng konnte keinen<br />

besseren Hutcr <strong>der</strong> besetze und <strong>der</strong> Ordnung haben als ihu, ohne daß auf<br />

ihu auch nnr <strong>der</strong> geringste Verdacht <strong>der</strong> Parteinahme für sie ans selbst-<br />

süchtigem Iuteresse fällt.<br />

Im Jahre 168! weist E. E. Nat auf das bisherige gute Verhältuis<br />

zwischen ihm und <strong>der</strong> Geistlichkeit hin. In den Berichten vor 180 ist E. E. Nat schou uicht nnr gegen die<br />

Geistlichen unfreundlich, son<strong>der</strong>n auch gegen den Küster, denn er möchte<br />

ihm sein in vorigen Zeiten gewahrtes Gehalt für die Stellnng <strong>der</strong> Uhr<br />

verkürzen. Auf die Fürsprache des Präpositus antwortet E. E. Nat barsch:<br />

„Wolle <strong>der</strong> Küster da nicht mit zufrieden seyn, so solle er nichts haben;<br />

eß stünde bey ihnen, ob sie znr Wartnng des Uhro (äic!) ihn o<strong>der</strong> jemand<br />

an<strong>der</strong>s nehmeu wollen; eß were dieß kein ooimsxum mit dem Küsterstaude,<br />

gestatt sie solches aus deueu Cämereyregistern dartnn tönten, daß sie eins-<br />

mals einen, <strong>der</strong> nicht Küster gewesen, einen Bürger und Kleinschmid Nnsche<br />

genannt, hirzn gebrauchet gehabt."<br />

Um des Nechles Willen scheint Michaelis manchen harten Strauß mit<br />

E. E. Nat, einzelnen Senatoren und den Nichtern geführt zu haben. Nicht<br />

nnr, daß er das kirchliche Necht streng gewahrt wissen wollte, er griff auch<br />

ein, wenn das weltliche Necht falsch o<strong>der</strong> lässig gchandhabt wnrde. Freilich<br />

nicht allemal war seine Einsprache von Erfolg begleitet, wie in dem solgenden<br />

Falle aus dem Jahre 1679. Pastor Iac. Grimmius zu Lchwichten<strong>der</strong>g<br />

hat einem gewissen Joh. Bergmann eine Knh känflich überlassen, aber noch<br />

nicht bezahlt erhalten. Der Nichter hat den Känfer anspfändeu uud zugleich<br />

des Pastors Kuh wegführeu lassen trotz dessen Wi<strong>der</strong>spruches: „<strong>der</strong> Fiscus<br />

ginge für, da doch die Kuh noch re ip8a seine eigene wäre, <strong>der</strong>halben er,


es Temmmev Pvapositns U. Petrus Michaelis.<br />

was noch in iilüura da wäre, in concupì ereslitornm zll sich nehmen<br />

könte; die emtio scy schon vollzogen, weil traailio rei dar ist". Dem<br />

gegenüber springt Michaelis dem Pastor bei: „coilcktionktkm 8k1tem tui88o<br />

ligllc trn^itionem, bcilicet 8olvenä0 e38et, zudeme hette <strong>der</strong> Pastor nnr aus<br />

Barmherlzigleil die Kuh ihm gethan, ihm als seinem Stiffsohne Lebensmittel<br />

zu schaffen". Aber es war dennoch nichts zu erhalten.<br />

Ein an<strong>der</strong>er Fall hat Michaelis große Mühe uud Nnrnhe verursacht,<br />

die aber schließlich Erfolg hatteu. 1690 war <strong>der</strong> Organisi Jürgen Starten,<br />

weil er im Namen <strong>der</strong> Finnischen Soldaten einen Bcschwerdebrics über ciucu<br />

Hauptmann „stilisiret" hat, vom Nichter in Gewahrsam genommen worden,<br />

„bis die Zache zu mehrer Nichtigkeit gebracht worden". Sofort iuterzediene<br />

<strong>der</strong> Präpositus als <strong>der</strong> über Küster, Orgauisten nnd Schulmeister in civilidus<br />

zuständige Gcrichtsherr. Der Richter autwortcte, man wolle den Bricf-<br />

schreibcr nnr in K8)!o halten gegen die Wut des Kapitäns. Zudem wcudete<br />

<strong>der</strong> Nichter ein, es handle sich doch nm ein (.'rimil,«!6 deliotum, ^uil^ vttu.<br />

et lama, pari p288ii ttmdnliUit. Dem gegenüber erwi<strong>der</strong>t Michaelis, solche<br />

Negcl sei uicht per omnia. gültig, deun vitxin liest clesell6er6 sslnäio, nnn<br />

itu. lumllm, ni^i 8it illg. iril'pllrll.dili8, uti 8»t in 8tupl-f> . . ., nnd nnn<br />

gibt es eine längere juristische Auseinan<strong>der</strong>setzung. ANes hilft nicht, was<br />

Michaelis weiter versucht, den Organisten von <strong>der</strong> Nackgicr des Kapitäns<br />

und <strong>der</strong> Einschließung zn befreien, bis er ihm rät, sich beim Obristleutuaut<br />

nnd <strong>der</strong> Königl. Schwedischen Negierung mit Schntzbriefen zn versehen, „so<br />

auch geschehe» ist, uud hat er nach <strong>der</strong> Zeit von dem Kapitän keine Ansprache<br />

mehr gehabt".<br />

Ein an<strong>der</strong>mal will E. E. Nat per Dn. Cs)n5u!em VakmUncken et<br />

Feci-swl-mlll <strong>der</strong> Geistlichkeit wegen <strong>der</strong> fälligen Gebühren für eine<br />

Leichenbestattung Vorschrift?» macheu. Bou <strong>der</strong> Verhandlung berichtet<br />

Michaelis: „ich wolte mir außbedungen haben, daß kein Eingriff in unsere<br />

Jurisdiktion uns geschehe <strong>der</strong>gestalt, daß NonlUnk, einen gewissen Satz<br />

<strong>der</strong> Accidentien uns fürschreiben wolte o<strong>der</strong> uns wegen einigen Nbersahes<br />

taxiren, son<strong>der</strong>n nur, daß sie eine freundliche Bitte an mir theteu, weil ihucu<br />

für das Heil ihrer Bürger et. pro lilmin sorwig <strong>der</strong>oselbcn zu reden uud<br />

zu sorgen obliege . . ., uud obzwar Du. luäex ciuweudcn wolte, eß gehöre<br />

dieses mit in die Policeyordnnng unter den ?itel von Leichenbegängnüsseu,<br />

so wurde delmoch geantwortet, daß ich <strong>der</strong>gleichen nie darein gcfuudeu, daß<br />

IUkßi5trtttu8 ul-^llllu», soll<strong>der</strong>lich da sie als in kleinen o<strong>der</strong> mittelmessigeu<br />

Städten nicht Introni <strong>der</strong> Kirchen seindt, Predigern eine gewisse Taxen <strong>der</strong><br />

Accideutien und in 8peci6 des ttcciäenti8 für Leichvredigten odcr ^ezen so<br />

wenig als für Trauprcdigten fürzuschreiben sich zu unterfangen hctte; ihnen<br />

ginge nicht mehr an als die Aufsicht auf den numeium <strong>der</strong> Gäste bey <strong>der</strong><br />

Mahlzeit, auf Trachten und tl-ketamenteu, aus Beschleunigung <strong>der</strong> Folge etc."


44 Ter I^bsi- i^noäien«;<br />

Schließlich nach völliger Anfklärung des betreffenden FaNes sagt <strong>der</strong> Nichter:<br />

„3ie hellen gemcinet, daß es ein Zwang seyn solle, nnn sie aber iho an<strong>der</strong>s<br />

berichtet würden, weren sic cmltent."<br />

Nicht min<strong>der</strong> dentlich nnd erfolgreich ist eine Antwort des Präpositns<br />

1s)^0 an E. E. Nat und Eln liebende Bürgerschaft, die durch eine feierliche<br />

Aborduung gebeten hatten, den Gottesdienst an Sonn- und Merkeltagen<br />

pünktlich anzufangen und zu schließen, denn die Bürger, die<br />

das Hans voller Soldaten hatten, konnten durch langes Ausbleiben leicht<br />

in Gefahr kommeu, nnd die Knaben würden in <strong>der</strong> Woche dadurch aus<br />

<strong>der</strong> Schule gehaltcu, „daß man darinnen eine Masse (?) treffen mögtc".<br />

Darauf Michaelis: „Mau wolle nicht hosfen, daß man uus einen gewissen<br />

tei-mmum dnrchgehends setzen wolle o<strong>der</strong> uus dies gebietsweise aumuthen<br />

seyn, son<strong>der</strong>n nur freundliche Erinueruug thnn; vil weuiger wollen wir<br />

hosfen, daß es ex wocko, Eckel und Perdrnß des göttlichen Wortes herkäme,<br />

son<strong>der</strong>n unr aus wahrer unllmbgäuglicher Noth ihres Hauies elc. Worauf<br />

sie mit Ja antworteten nnd ich ihnen znr Resolution gab, daß wir schon,<br />

wann's sich immer wolle thnn lassen, nns dahin beqnemcn wollen, in <strong>der</strong><br />

Gemeine Weise nns zu schicken und mit <strong>der</strong> Stunde zn schließen."<br />

Nicht nnr das geistliche und kirchliche Necht weiß Michaelis zu<br />

wahren, wo es in Frage kommt, son<strong>der</strong>n er übt es auch da aus, wo er<br />

<strong>der</strong> Eutscheiduug des weltlicheu Gerichts gegenüber zwar machtlos ist, aber<br />

vor das forum oonZciontiu.? die Beteiligten zu berufen sich berechtigt glanbt.<br />

Im Dezember 1


des Demnnner Prävosllns N. Petrus Michaelis. 45<br />

mehr befragen noch zuredestellcn. Demgegenüber erwi<strong>der</strong>t Michaelis, daß,<br />

wenn die weltlichen Nichter gleichzeitig als geistliche Priester handelten und<br />

eine christliche Versöhnung <strong>der</strong> Parteien nach Matth. 5 nnd Itt zuwege<br />

brächten, dann wäre die Geistlichkeit <strong>der</strong> Mühe überhoben. So aber müßte<br />

sie die Parteien befragen, wie sie versöhnt wären, da „miei- reoonnliationem<br />

pnlitickm 3lv6 civilem, 6t. «piriwalem 8ÌV6 ecolegiaätio^m pro<br />

fori et tilU8 zu distingniren fey. Eh tonne auch eine mere pnliticn.<br />

die per 8y ihres, per acci6en8, qu^enns concurrit. c^li/,/«, unseres fori<br />

werden, y. ß. iniuli:ve relileg et. verdllle^ gehören fürs weltliche (Bericht,<br />

wann aber Ungerechtigkeit bey Abthuung <strong>der</strong>selben fürgehet von seilen des<br />

Nichters, <strong>der</strong> ex 6,„^s)s^tt),/^ o<strong>der</strong> Tr^omliTi«/.??,//^ das siecht beuget, o<strong>der</strong><br />

von feiten <strong>der</strong> Parten, die pertmax oäium legen einan<strong>der</strong> behalten,<br />

gebühret es freilich dem Predigtambt, beides zn straffen. Also ist es anch<br />

mit den Sachen <strong>der</strong> Wittwen nnd Weyseu . . . Sind nicht Ellen, Gewicht,<br />

Maaß, Sekel, Scheffel, Veinwand, Korn, Wein, Saltz nnd <strong>der</strong>gleichen für<br />

sich selbst weltliche backen, fo anfs Nathhanß gehören? Wir wissen aber,<br />

daß Gott <strong>der</strong> Herr die Ungerechtigkeit, so damit vil und oft getrieben wird,<br />

mit grossem Ernst in seinem Wort gestraft hat. ln 8nmms.-. wenn weltliche<br />

Sachen gar mcht unterworfen wercn <strong>der</strong> Zensur des ^limgtsrii, wah wolle<br />

von <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Taffcl des Gesetzes werden? Sol's da heißen manum cle<br />

tH.dul^? Gar schön redet hivon I^utker (üoNo^. p. Itti^. Wir haben bischer<br />

übcrdem Kircheurecht und Gerechtigkeit gehalten nnd noch immerdar, wollen<br />

dem weltlichen nichts mehr lassen gnt seyn in Sachen, so die Vchrc nnd<br />

Gewissen belangen, noch ihnen darinnen etwas einräumen, anch im aller-<br />

geringsten nicht. Sie warten ihres Befehls, da haben sie genug mitzuthuu,<br />

und lassen uus uufcr Ampt fuhren, wie Christns befohlen bat, des und<br />

keines an<strong>der</strong>n."<br />

Immer scheint E. E. Nat in Rechtssachen den kürzeren gezogen zn<br />

haben gegenüber <strong>der</strong> unentwegten Gerechtigkritsliebe nnd dem unbeugsame»<br />

Vinte des Präpositus; selbst daun, wenn er im Nechte zu sein wähnt, bringt<br />

er ziemlich zaghaft feine Vermahnuug au deu Präpositns vor, wie in dcm<br />

nächsten Falle, wo „sie gerne sehen wollen, daß das bischerige gute Vertrauen (?)<br />

zwischen E. (5. Nhat und Ehrw. Ministerium beibehalten werde". Der<br />

berüchtigte Pastor zn Wotenick Antonius Schillerus (U;04), dessen,<br />

gelinde gesagt, unchrislliche Exzesse und Extravaganzen, die ihn schließlich<br />

auch zu Fall bringen, über den größeren Teil des Manuskriptes verbreitet sind,<br />

und dem an<strong>der</strong>weitig ein monumentum facinorum gesetzt werden wird, hat<br />

einen Streit mit Paul Lndendorffm zn Demmin, ans dem ein Prozeß zu<br />

entstehen droht; worüber, erfahren wir nicht. Nun hat Michaelis den<br />

Ludendorff ermahnt, feinen Kontrakt mit dem Pastor zu halteu, auch in einer<br />

Predigt (Juni 1681) auf Grund von 1. Kor. 6 ftch das Recht gewahrt.


-4s) Der I^'kftl' 8vnl>6i>n^<br />

ohne Eingriff in das weltliche Amt, ?eule, „die für Gerichte gehen wollen",<br />

zu versöhnen. Das scheint E. E. Nat ein Eingriff in seine Jurisdiktion,<br />

und er läßt den Präpositus „per Hserstkrinin und zwey Vinger besprechen".<br />

Da kommeer a<strong>der</strong> an den Unrechten. „Mein Werck gehet nicht dahin,<br />

daß ich wie ein welllicher Richter p?r le^es civiles, via execuUonig verfahre,<br />

son<strong>der</strong>n meine Znhörcr nnd respeoUve Aeichtkindcr nach (Lottes Wort zur<br />

christliche» göttlicheu Handlung zu persnadiren suche, wie auch allhie geschehen<br />

ist, alles nach <strong>der</strong> Kirchenagenda F. l-li^ Kan ich nu ^cnte, die schon<br />

würklich zn Nechte gehen, citi-^ praeiuclicium lori politici, znr gütlichen<br />

Handlnng vermahnen, wie viel mehr Vente, die noch nicht zu Rechte gehen,<br />

sou<strong>der</strong>u auf den Fall <strong>der</strong> Verweigerung gütlicher Handlung in weitläufige<br />

Processe geführt werdeu können?" Uud nnn koinult die Umkehrnng des<br />

Spieles. „Wolten Sie aber wissen, was Eingriffe weren, so wolle ich ihnen<br />

sagen, was sie für Eiugriffc in die geistliche Inrisdiction gethan helten.<br />

1. hätten sie einen Hospitalprovisor ohne Borwisscn <strong>der</strong> Geistlichkeit und<br />

des vornehmsten Provisors gewählt; L. hätten sie vor wenigen Tagen den<br />

Wotenicker Finster in Sachen seines Pastors anf dem Nathhanse in Eid<br />

genommen; A. hätten sie Jürgen Starken (wohl den scholl erwähnten<br />

Organisten uud Schulmeister) auf eigene Hand angenommen, uud 4. hätte<br />

<strong>der</strong> Bürgermeister vom Mühlentnecht zu Deveu l> ll. genommen ohne Bor-<br />

wisscn des Hospitalprovisors und ihm dafür eine Schr,ft gegeben, dah er<br />

wegen seiner begangenen Lcorwtio vor aller Ansprache sicher seyn solle." Da<br />

hätte sich allerdings <strong>der</strong> Oonäul Britzens eines schweren Amtsvergehens<br />

schuldig gemacht nnd den Ausprnch auf Acktnng arg verscherzt!<br />

Die Spannung zwischen dem Prapositus uud dem Archidialollus Melchior<br />

von Essen, den <strong>der</strong> Tagebuchführer meist tordial kurzweg Herrn Melchior<br />

nennt, einerseits und E. E. Nat und <strong>der</strong> Ehrliebenden Bürgerschaft an<strong>der</strong>-<br />

seits wird immer schärfer. Dazu kommt noch, das; kurz darauf, als die<br />

Frau Bürgermeister Backmünch in emem Wellierklatsch vor den Prapositus<br />

gefor<strong>der</strong>t wird, <strong>der</strong> Herr Gemahl ihr das Erscheiuen verbietet, uud, da er<br />

statt ihrer kommt, womit <strong>der</strong> geistliche Nichter nach ^t. Ä


des Demmmer Prävositus ^l. Petrus Michaelis.<br />

DicnNbotenfrage fehlt es nicht an Beispielen; die nnter großem Wortschwall<br />

und mit Erbitterung kämpfenden „Parten" lassen keinen Zweifel darüber,<br />

daß die Schuld meist beiden, oft anch <strong>der</strong> Herrschaft ausschließlich beizumessen<br />

ist. Was uns anch heutzutage anf dem wi<strong>der</strong>wärtigen Gebiete<br />

des Zankes und Klatsches begegnen mag, es ist alles schon dagewesen bei<br />

hoch nnd niedrig: die menschliche Natur bleibt sich doch immer gleich, am<br />

.meisten in <strong>der</strong> Gemeinheit und Nie<strong>der</strong>tracht! Aus dem folgenden Jahre 182<br />

sind nur einige knrze Bcmerknngen vorhanden, da es heißt: c««»,.^ 8i„^nlnl'03<br />

non occul-rei-ul't nequs a ms odzelvat,, ^u„t, aber desto mehr 1il8A, wo<br />

im Juli ein böser Krach berichtet wird. Der Streitfall ist so charakteristisch<br />

für die Zcitverhältnisse und wohl wert, in <strong>der</strong> drastiich'lcbcndigen Darstellung<br />

für die Nachwelt wortgetreu aufgefrischt zu werdeu. Zum Bcrstnuduis<br />

müssen wir vorausschicken, daß damals in Dcmmiu vou allen Kirchen die<br />

letzte nnd größte, die Pfarrkirche St. Bartholomäi, seit <strong>der</strong> Belagerung <strong>der</strong><br />

Stadt durch den Großen Kurfürsten von Brandenburg 167^ iu Schutt und<br />

Alche lag uud über zclm Jahre <strong>der</strong> Gottesdienst auf einem Bodensaal des<br />

vom Brande verschonten Rathauses für die gesamte Stadt- nnd ^andgemeinde<br />

nuter den denkbar engsten nnd ungünstigsten Verhältnissen abgehalten werden<br />

mußte. Stammte <strong>der</strong> Michaclissche Bericht ans dem Jahre Nift^, so dürfte<br />

man nur an eine Feier des Geburtstages des nachmaligen Schwedenlönigs<br />

Karl Xll., geb. ^7. Juni 1«^ denken, desselben, <strong>der</strong> auf seiner fluchtähnlichcn<br />

Reise nach Stralsund 1715) am 32. November die Stadt Demmin<br />

berührte. Ein Irrtnm des Schreibers liegt nicht vor; so muß man annehmen,<br />

daß die Feier ein ganzes Jahr nach Karl Xll. Geburt in<br />

Pommern verordnet wnrde, wenn diesem nicht schon ein Jahr später ein<br />

Brü<strong>der</strong>chen geboren sein sollte. Wir finden aber auch, daß die Feier von<br />

Siegen o<strong>der</strong> wenigstens ihre Verkündigung von <strong>der</strong> Kantzel oft längere Zeit<br />

nachher befohlen wurde. Zudem hören wir nnr von drei min<strong>der</strong>n .Karls XI.<br />

uud seiner später noch zu erwähnenden Gattin Ulrike Eleonore: l. Karl Xll.<br />

geb. 1082, L. Ulrike Eleonore geb. Mtth und 3. eine ältere Tochter, Hedwig<br />

Sophie; siehe S. l53. Also bleibt es dabei, daß Karls Xll. Geburt<br />

in Demmin gefeiert und <strong>der</strong> Anlaß zn einem heftigen Streit zwischen<br />

E. E. Nat uud E. E. Ministerium wnrde.<br />

Die Aufzeichnung von Michaelis' Hand lautet: „ll583. vom. IV.<br />

I»08t I'rin., welches war Dauckfest vor die Gesegnung des hohen<br />

Königl. Hauses mit einem jungen Printzen, hatte Bürgermeister<br />

und Naht mittags ein Gastmahl angestellet nnd darzu die Herren Ofsicirer<br />

mit eingeladen fampt nns Predigern. Jene waren da, wir aber nicht, weil<br />

folgenden Montags l^8wm Viüitatioms klarius einfiel. E. E. Nhat ließ<br />

uns per 8eol6tariuin invilire«. Kegen den ercusirteu wir unß freundlichst,<br />

es were pwpwr lakoreä sacras uus uumüglich, bedankten uns für die


4st Der l.jk?r ^noäieug<br />

Ehre, weil wir aber befürchteten, Sie mögten am Nachmittage unter <strong>der</strong><br />

Predigt besitzen bleiben, so wollen wir gebeten und ermahnet haben, solches<br />

nicht zu thnn. Daranf l)l,. NecrewrinZ resp.: Nein, das würde nicht<br />

geschehen, er wolle es hinterbringen. Sonntag Mittags lissen sie unß<br />

nochmals por klimödrmn invilire!!, welcher dabey sagte, Sie wollen nicht<br />

lange beysammen bleiben. Aber sie bliben nntcr <strong>der</strong> Predigt alle besitzen<br />

und noch nach <strong>der</strong> Predigt biß in die sinkende Nacht.<br />

Alst nnn dises eine schendliche Entheilig nng des Sabbats, so<br />

taxirte es Herr Melchior (von Essen, Archidiakonns) in puncto, sagende:<br />

daß es zu beklagen, daß ohngeachtet <strong>der</strong> Vermahnnng, in Gegenwart eines<br />

Zengen geschehen, man gleichwol wi<strong>der</strong> das dritte Gebot sündigte, ob man<br />

meinete, dadurch dem König eine ^!lbe zn beweisen, wodurch man Gott im<br />

Himmel erzürnete?<br />

8equent,i ^'68t0 ^lar. taxirte ich's gleichfalß Ilisoo vsi-kig in Nxoräio<br />

0^28Ì0N6 verdorum d?lll'i3ti: „Wo 2 o<strong>der</strong> 3 versamblet sind 6w." Äian<br />

kompt auch wol znweilen, anfangs ans^ gnter Meinnng, zusammen, frölich<br />

zu seyn in dem HErru, aber die Fortseynng solcher Freuden daucht nicht,<br />

weil sie geschicht zur nngclegenen Zeit nnd da man dem HErrn dinen solle.<br />

Die lllstige Gesellschaft ist nns liber als Gott und sein Wort und sein<br />

Feyrtag. Gestern hatten wir anfs gnädigsten Befehl ihro König!. Majestät!<br />

nnjcrs allergnädigstcll Königs nnd Herrn Danckfest nnd Haltens wol Ursach,<br />

für so hohe uud ungemeine Wolthat dem Allerliöhesten hcrtzlich zu dancken,<br />

nicht allein des Morgens, son<strong>der</strong>n auch des Nachmittags, weil ja auch des<br />

Nachmittags Gott darnmb ist angernffen worden, darumb sollen wir auch<br />

des Dancts nicht vergessen haben. Aber wer nicht zulegen gewesen, das<br />

haben wir Prediger und dise gantze Gemeine mit großem Ärgeruiß (denn<br />

wie solle es kein groß Ärgerniß seyn, wenn Obrigkeit sündiget? Wehe dem,<br />

<strong>der</strong> Ärgerniß gibet!) wol gesehen. Ey, danlestu al»o dem HErrn Deinem<br />

Gott, Du tholl uud thöricht Volck! Meiuet ihr, dadurch einen Diust uud<br />

i!icbe ihro Königl. Majestätt zu beweisen? Feyret ihr auch also den Tag<br />

des HErrn enres Gottes, <strong>der</strong> gesaget hat: Gcdencke daran, daß Du den<br />

Fcyrtag heiligest. Gehorchet ihr also enrem Könige, <strong>der</strong> bey so hoher<br />

Straft die EntHeiligung des Sabbats verbotten nnd <strong>der</strong> mitlereu Obrigkeit,<br />

darob zu halten, ernstlich geboten hat? Fürwahr kein Ort in gany<br />

Pommern ist, da <strong>der</strong> Sabbath so geschändet wird alß hier!<br />

Darumb hat auch für au<strong>der</strong>m <strong>der</strong> Fluch und Schwur uns<br />

treffen müssen, <strong>der</strong> im Gesetz geschriben stehet, weil wir vorhin auch<br />

des HErru Hauß haben wüste stehen lassen, hat <strong>der</strong> HErr selbst<br />

es verwüstet und einen Steinhauffen darauß gemachet. Solle<br />

es die hohe Obrigkeit wissen, daß allhie Gott so geschändet wird an seinem<br />

Tage, teill Zweifel, sie würde einmal das Oomzieii? iiUrary (nach Luk. 14, ^i)


des Demminer Präpositus ^l. Petrus Michaelis. 49<br />

spilen. Ich bitte umb Christi willen, solche grosse Sünde zu erkennen und<br />

illskünfftlge sich zn bessern und mit gntcm Excnlpel fürzugehen, damit an<strong>der</strong>e<br />

gutt folgen mögen: denn je wie <strong>der</strong> Ncgent ist, so sind auch seine Ampt-<br />

lente, und wie <strong>der</strong> Nath ist, so sind anch die Bürger, Syrach 10, ^. lasset<br />

nns fleilsig kommen an den Orth, da Gottes Ehre wohnet, das heißt denn<br />

versamlet scyn im Nahmen Christi. O wol uns alßdann, Christus wil<br />

mitten unter nns; seyn etx:.<br />

^ msli6i6 repctirte Herr Melchior earlem, sagend: Eß sey dadurch<br />

ein groß Argerniß <strong>der</strong> Gemeine gegeben worden, weil die hetten den Sabbath<br />

entheiliget, die es billig verbieten und straffen sollen. Man wurde das<br />

bl'kclnum sasculnre (die weltliche Macht gegenüber <strong>der</strong> geistlichen, drackium<br />

6ec1e8i:


50 Der I^dor 3vno6ic„»<br />

zu vernehmen, wie weit sie mit dem Gottesdinst weren, wäre Herr Melchior<br />

schon anfs <strong>der</strong> Canhel gewesen. Es wcre uns ja wol belandt, daß itzo<br />

so groß Mißverständnis zwischen Nath und Bürger, solches aber<br />

würde hidurch sehr vermehret. Sonsten were genug zu straffen, davon<br />

a<strong>der</strong> würde nicht geredet, als voll <strong>der</strong> Bürger Ungehorsam!) und Wi<strong>der</strong>-<br />

willen ei-ßg. 36na.tum, von Henning Smidten üblem ^eben mit <strong>der</strong> Frauen<br />

und Verachtung göttliche« Worts etc"<br />

Scharf und lang ist die Entgegnung Michaelis': sie hätten nicht<br />

an<strong>der</strong>s reden dürfen als Diener des Wortes Gottes nnd <strong>der</strong> Wahrheit.<br />

Man möge dem heiligen Geiste nicht den Mund stopfen, die kippen ver-<br />

schließen, die Znnge beschneiden und ihnen nicht vorschreiben, was sie zu<br />

sagen hätten und was nicht, „li, likerg. kepudlica. likerag WIsranHaH<br />

e886 !jnssu2.5" sagte nicht unwcißlich Tibcrius Nero, da er hörte, daß vou<br />

ihm und seinen Händeln zu Rom, <strong>der</strong> Sachen Äewandniß nach, scharf<br />

geurthcilct ward; wie vilmehr ist solches wahr 60 Iidora l^cclo3ia.? Das<br />

H. Ministerium, iu ^ehr und Gcwisscnssachcn, anßcr Ampt ohne Noth<br />

nicht meistern, rcformireu, tadeln und richten, nicht unter die Füße tretten<br />

und bey <strong>der</strong> Gemeine verdächtig machen, als verstnndcn sie ihr Ampt<br />

nicht, darein sie sitzen, da sie doch sind diejenigen, welche da wachen für<br />

die Seelen aller Znhörer nnd Rechellschaft davon geben sollen ... ^'ki<br />

non c^t con^c'tio, il^i c^t corrnntio. Ein böß Zcichell, wellll <strong>der</strong> Magen<br />

keine gesnndc Svcise mehr vertragen kan, wenn die erste Welt sich Gottes<br />

Geist nicht mehr wil regircn noch straffen lassen wil, ist ihr Untergang<br />

nicht feru ... Es sey ein 8Ckn6awlu pudlicnm 9. P6i-3om8 pudlici3,<br />

^lg.^Ì3trkltu civili 6t<br />

pudlico 3HbdHtt<br />

pul)1it:um 1^0gi8 (^lcin6uti>d;imi von <strong>der</strong> Sabbathsfeyer<br />

d. 16 Aug. § 9: Ulld weile zu Anstellung grosser Gastereyen ins gemein<br />

Herr und Fran, Knecht uud Magd aus <strong>der</strong> Kirchen bleiben, anch ohne dem<br />

solche Außrichtungen ein Haussen Üppigkeit, Überfluß, Verschwendung und<br />

an<strong>der</strong> unverantwortliches Wesen Mlt sich führen, sollen alle Hochzeiten<br />

gänylich, an<strong>der</strong>e Panqueten (^ dHilyuotiz) vou Gastereyen au<br />

dellen geheiligten Tagen zu Mittags schlechthin verboten, des<br />

Abends aber dise auch nicht an<strong>der</strong>s altz mit dem Beding <strong>der</strong> Znsammen-<br />

lunfft <strong>der</strong>er nägstcn Freunde, und daß man sich dabey alles Excesses im<br />

Speisen, wie auch verbotenen Ärgernisses im Gesöffe, Tantzen<br />

ulld <strong>der</strong>gleichen enthalte, verstattet seyn, in loco pul»Ilco clomo (^ou8u1l8,<br />

coutrn. praovium mouitum et ^rnestitum prowiljguw, begangen, <strong>der</strong>-<br />

halben es <strong>der</strong> correctiouv pudlic«. werth gewesen. Zngeschweigen, daß <strong>der</strong><br />

Stadtdiner vor, unter nnd nach <strong>der</strong> Nachmittagspredigt mit 2 grossen<br />

hecheln


des Demminer Präposiws N. Petrus Michaelis. 51<br />

Floren Hause geholct uud öffeutlich vou eiuem Eude <strong>der</strong> Stadt zum an<strong>der</strong>n,<br />

nahe bey dem Nathhause (das zugleich unsere Kirche, darauf <strong>der</strong> (Gottesdienst<br />

eben geschach) uud Viarcklc vorbey gctrageu hat. Item: daß aNerhaud<br />

Taufslie<strong>der</strong> unter uud uach <strong>der</strong> Predigt dabcy zum Nrgeruiß <strong>der</strong>Nachbareu<br />

und Fürbeygeheuden gesungen worden.<br />

Die eingewandten Ursachen hilten wir von keiner Wichtigkeit, zumalen<br />

1. nicht glaublich, daß <strong>der</strong> Herr Commeudaut, ein Gott uud sein Wort<br />

libhaben<strong>der</strong> Mann sie folte abgehalten haben. Sie würden ihn vilmehr<br />

haben genötiget. Gesetzt aber<br />

2. Er were nicht ausfgestaudcn, so hetten sie davon sagen, es auch ins<br />

Werck setzen sollen.<br />

Von an<strong>der</strong>m Ärgerniß, das eins solle fnrgegangen seyn, haben wir<br />

nicht erwehnet. son<strong>der</strong>n nur allein von Entheiliguug des Sabbaths geredet,<br />

das scy ärgeruiß genug. Die Bürger konten deßwegen contra. 3cnn.tuiil<br />

zu insnrgiren keine Ursach nehmen, Christus ist auch kommen nicht Fride<br />

zu bringen, sou<strong>der</strong>u Krig. Icremias muste anch heissen sampt Paulo ein<br />

Aufwigler. Die Sache des Herru Bürgerm. oontra. civo3 anlaugend,<br />

were sie fürm Gerichte und also lig penclon«;, eaugs. slukis. et ov6iltnn<br />

litig iucsrtug, darein wir uns nicht mengen dürfteu. Übrigens unterlissen<br />

wir nicht, was «nscrs Ampts ist, die Bürger zu vermahnen, mit aller<br />

Bescheidenheit den Process zu führen, nichts wmultuki-is o<strong>der</strong> mit Ver-<br />

letzung des Wi<strong>der</strong>parts Leibes, Ehren uud bitter, son<strong>der</strong>n via. inri»<br />

rik, nichts alls Privataffectcn, son<strong>der</strong>n bloß allein boni pudlici<br />

fürzunehmen. Henn. Smidten hettc ich privatim zur Gottesfurcht<br />

und eingezogenem stillen Leben vermahnet."<br />

Mit <strong>der</strong> eben mitgeteilten Streitsache, <strong>der</strong>en meisterhafte, temperament-<br />

volle Darstellung ein wichtiger Beitrag zur Kulturgeschichte <strong>der</strong> Stadt<br />

Demmin im 17. Jahrhun<strong>der</strong>t ist, scheint <strong>der</strong> Zusammenstoß zwischen<br />

E. E. Nat und Geistlichkeit seinen Höhepunkt erreicht zu haben.<br />

Wir teilen noch zwei an<strong>der</strong>e Begegnungen bei<strong>der</strong> Behörden mit, die<br />

glatter verlaufen dadurch, daß E. E. Nat seme Unbesonnenheit einsieht und<br />

den gerügten Übelständen tnnlichst bald Abhülfe schafft. Beide Berichte<br />

sind von kulturhistorischer Wichtigkeit, <strong>der</strong> vou 1680, weil er von <strong>der</strong> bis<br />

heute noch nicht verschwundenen Landplage <strong>der</strong> Zigeuner handelt, und<br />

<strong>der</strong> von 16N9, weil er uns das Schauspielervagantentnm und dessen<br />

Beurteilung Vonseiten <strong>der</strong> Kirche vorführt.<br />

„1i)80. U(M86 klaijo", heißt es bei Michaelis: „Alhie waren<br />

Zigeuners, die grossen Zulauf von Leuten hatten, welche beides in die<br />

CrystaNe sahen, anch sich in die Hand sehen lissen. Weil nun dises ein<br />

ärgerliches Ding, als habe ich beim Hn. Bürgermeister angegeben und gebeten,<br />

einen Ernst zu thun, daß das Volk auß <strong>der</strong> Stadt käme, ihnen auch die Crystallen<br />

4*


K2 Der lei<strong>der</strong> gvnoäiong<br />

und <strong>der</strong>gleichen msti-rnnßnta ot msäia des Ab erg la übens mogten genommen<br />

und in Stücken für ihren Augen geschlagcu werden. Welcher zur Antwort<br />

gab: ja, es folte geschehen! Man müste aber zuvor mit dem Hu. Commendanten<br />

sich besprechen, weil die Männer fürgeben, sie warteten hie ans den<br />

Hn. Feldmarschall, umb Dinfte bey ihm zn nehmen. Damit aber die<br />

Gemeine gewarnet und die Schuldigen znr Anne gebracht wurden, Obrigkeit<br />

auch ihrer Pflicht wahrnehmen mögten, habe ich es pudli^6<br />

Dom. Nomato taxiret ^00 mollo:<br />

Wann wir umbs Zeitliche Gott bitten, sols mit dem Beding<br />

geschehen und wir alles seinem heil. Willen anheimb stellen! Aber darmit<br />

wil die heutige Welt nicht zufrideu seyn, die kau und wil nicht warten ans<br />

die Hülfe Gottes und Erholung ihres Gebets, darnmb sihet man, wie<br />

mancher zu den Wahrsagern uud Zeichendentern läuft, umb von ihnen<br />

zn vernehmen, was ihm für Glück o<strong>der</strong> Uuglück begeguen werde. Nuter<br />

<strong>der</strong>en Zahl ich billig mitsetze alle diejeuige, welche auß unzeitigem Fürwitz<br />

und Aberglauben zu den Zigennern gehen und sich lassen gut Glück sagen<br />

und da sich Nhats erholen, wie es ihnen gehen werde. Daß ich anitzo<br />

nicht anführe, wie es ein schendlich Ding sey, daß solche seilte fast ihre<br />

gantze Lebenszeit mit Wan<strong>der</strong>n uud Landstreichen hinbringen uud liber in<br />

perpetuo oxilio leben wollen als was Eigenes haben und besitzen und sich<br />

redlich ernehren, da doch das exilium und die immerwährende Flucht ein<br />

grosses Krcutz ist, das David abbittet, uud jener reimet nicht unrecht:<br />

7.Vil- lsino ro, 8l'nv 8po, vir 8ino sedy missr" (Vj


des Demminer Pröpositus ^l. Petrns Michaelis. 53<br />

Und die Rabbiner sagen nicht unrecht: «Nokig (o loculo), L0K03 (o poculo)<br />

(


54 Der Lide, ^noäicn«<br />

den Planeten lesen, auß <strong>der</strong> Hand wahrsagen und was <strong>der</strong> Tenffcley mehr<br />

ist; das ist <strong>der</strong> Greuel <strong>der</strong> Ammomter, das heißt die Kin<strong>der</strong> dem Moloch<br />

opffern. I. I5eF. 2^. Umb solcher Sunden willen werden ^and und ^ente<br />

gestürtzet und vom Erdboden vertilget.<br />

lasset nus <strong>der</strong>halbcn nicht zu den Wahrsagern gehen und <strong>der</strong>en Nhat<br />

einholen, vilmehr lasset uns znfriden seyn mit dem proßiwZtico unsers<br />

Heylandes: „Was ihr den Pater bitteu werdet in meinem Nahmen, das<br />

wird er euch gcbeu, die Zeit und Stunde aber, welche <strong>der</strong> Vater seiner<br />

Macht fürbehaltcn hat, gebühret nns nicht zu wissen".<br />

Folgenden Tages musten anf Anordnung des Hn. Bürgerin,<br />

die Zigenner ingesambt znr Stadt hinanß."<br />

Dieser Nachricht über die Zigenner uud ihrer trefflichen Charakteristik<br />

lassen wir einen Beitrag znr OMichte <strong>der</strong> Schauspielkunst und <strong>der</strong><br />

sogenannten „Schmiere", einer Wan<strong>der</strong>truppe, folgen. Heute bezahlt<br />

E. E. Nat, <strong>der</strong> schon vor 3L0 Jahren die „Puppenspieler" gewahren zu<br />

lassen geneigt war, den Schauspielern sogar eine Unterstützung zur Ausübung<br />

ihrer vollsbelehrenden Knnst. Ob übrigens mit jenem Ausdrnck<br />

wirkliche Schauspieler o<strong>der</strong> Dardieter von Marionmttm gemeint sind,<br />

vermögen wir nicht zu entscheiden. Nach nnserer Iugen<strong>der</strong>innernng wurden<br />

daheim alle Vertreter <strong>der</strong> Schauspielkunst im Volksmunde verächtlich<br />

„Poppenspelers" genannt. Für die dramatischen Stoffe, die vorgeführt<br />

wurden, ist das anch gleichgültig, ob sie dnrch Pnpften in <strong>der</strong> Hand<br />

des Meisters o<strong>der</strong> dnrch lebende Personen zu Gehör kamen. Die Erwähnung<br />

des Pickelhärings, <strong>der</strong>, die Trommel voran, durch die Straßen wan<strong>der</strong>t —<br />

„Janhagel lief durch alle Gassen<br />

Dem bunten Pickelhäring nach,"<br />

wie Scheffel singt — und <strong>der</strong> das Publikum nach dem vor dem Nathause<br />

aufgeschlagenen Brettergerüst einlädt, läßt nns über den Inhalt <strong>der</strong><br />

Komödie nicht im Unklaren. Um Michaelis' Unwillen noch mehr zn<br />

begreifen, bemerken wir, daß <strong>der</strong> Gottesdienst noch im Nathaussaal stattfand,<br />

da die Kirche erst am 1. Advent 1689 wie<strong>der</strong> bezogen wurde.<br />

Der Pickelhäring, englisch pickleksormss, soviel als Narr,<br />

Hanswnrst, Harlekin, Possenreißer, Lustigmacher, war zu Anfang des<br />

17. Iahrhnn<strong>der</strong>ts mit <strong>der</strong> englischen Komödie nach Deutschland gekommen<br />

und hielt sich bis zum Anfang des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts auf <strong>der</strong> deutschen<br />

Tchanbühne als die Hauptperson in den Possen, daher Pickelposseu, uud<br />

bekam mehr Wochcnlohn als <strong>der</strong>, welcher den König agierte. Nach ihm<br />

wurden auch das Theater Pickeltheater genannt und Pickclstreiche die Scherze,<br />

die das Publikum ergötzten. Der Name Pickelhäring, abgeleitet von Pökel,<br />

also cingesalzener Hering, ist als holländischen Ursprungs zur Bezeichnung<br />

des Narren nach dem nationalen Leibgericht, wie Jean Potage, Maccaroni


des Demminer PMositus ^l. Petvus Michaelis. 55<br />

und Jack Pudding, längst von <strong>der</strong> Wissenschaft abgetan. Der Englän<strong>der</strong><br />

Nobert Reynolds, <strong>der</strong> 1l>18 mit neuen Theaterstücken nach Deutschland<br />

herüberkam, vielmehr legte sich als Clown den Fischuamcn Pickelhäring zu,<br />

indem er sich für seilten Gebrauch eine Abart des komischen Typns schuf<br />

im'Hinblick auf Cackcville-Bousct uud Spencer-Stockfisch, an die man in<br />

Deutschland bereits gewöhnt war. Phantastisch ausstaffiert uud dadurch<br />

schou auffällig, ist Pickelhäriug in allen Stücken die Hauptperson und übt seinen<br />

<strong>der</strong>ben Witz an Majestäten und Pfaffeu, wie au Mäuulein und Fräulciu<br />

jedwedeu Standes, in Politik wie in Siebes- uud Ehesachen, und gerade in<br />

den interessanten Angelegenheiten nimmt er kein Blatt vor den Mnnd.<br />

Es kann nichts zu Derbes gedacht werdeu, das uicht über seine gottlose<br />

Zunge in die Ohren <strong>der</strong> Znhorcr hineingegangen wäre. Dan die Geistlichkeit<br />

dieser Art Polksbildnng nicht gewogen war, ist scholl erklärlich, nud Michaelis<br />

geißelt ja auch Pickelhäriugs Berits als Satanstuust, die Gott zu schauden<br />

werden läßt. Aber mehr uoch empört ihn die Eutheilignug <strong>der</strong> provisorischen<br />

Stätte des Gotteshauses uud die Schäudung des Sabbats nud nicht zuletzt,<br />

daß so etwas uutcr dcu Augeu <strong>der</strong> ^ladtobriqleit uorgeheu darf. Daher<br />

denn seme Strafpredigt von schneiden<strong>der</strong>, vernichten<strong>der</strong> Schärfe, und endlich<br />

die Abstellung dcs Ärgernisses troy des Mäcenateneifers des Herrn Bürger-<br />

meisters! Hören wir das denkwürdige Schriftstück:<br />

„Herr Bürgermeister Iacobus Koeser erlaubet ltttt9 am Bct-Tags-<br />

abend (venera zli^col^ntk ciicm «uleiluem Zuclleticum) umb ^ Uhr<br />

dellen Pltppen-Spilern, unterm Nathhause, auff welchem nllscre<br />

Kirche war, zn spielen; <strong>der</strong> Narr mit seinem Narreukleide angethan gehet<br />

ans, und die Trommel für ihm her, da versamblet sich die Menge und<br />

wohnet <strong>der</strong> Ganckeley bey. Sobalde ich aber den Narren auf <strong>der</strong> Gassen<br />

ansichtig werde, schicke ich den Küster zn Herrn Bürgermeister Koesern nnd<br />

lasse ihm audieuen, solch Spiel einzustellen, es were <strong>der</strong> Abend fürm Bet-<br />

Tage, da billig die Gemeine kcgen Morgen sich bereiten solle.<br />

Ilio vero: Er hette es nun schon vergönnet uud <strong>der</strong> Convocant were<br />

bereits im Werck begriffen.<br />

Hiranff taxirte ich solch ärgerlich Beginnen folgenden Tages occhione<br />

verdorum toxtus: „Heiliget eine Gemeille 6lc." 6 tlovl 2, Iö—19 koo<br />

moäo: „uud wohin sollen wir denn rechnen die Versamblnng von gestern<br />

Abend? Ich halte sie für eine ärgerliche Versamblnng. Ärgerlich war<br />

1. <strong>der</strong> Convocant, Zusammenrnner o<strong>der</strong> Veri'ambler, <strong>der</strong> war eill<br />

Pickclharing und Fantast, ausstafnret uild sich gcbcrdcud wie ein<br />

Fastllachts-)larr, vermasquiret, verkappet llnd vermllMlut. Solle man so<br />

das Ebenbild Gottes, das da genmd.-lrlo herfürleuchtete an nnserm ^eibe<br />

und dessen Reliquien o<strong>der</strong> Spurzeichen noch da sind nnd darzu wir wi<strong>der</strong>


Der I.i<strong>der</strong> V^noliicnz<br />

ernenert worden, schänden? Ich weiß wich noch wol zn erinnern, daß für<br />

wenig Iharen ein solcher Fantast, indem er hie ansf öffentlichem Marckt<br />

agirle, mitten im Agireu kranck ward, die Hand des HErrn, <strong>der</strong> an solchem<br />

ohne christlichen Vcruff lebendem Nieusckcn lein Gefallen hat, schlug ihn,<br />

cr ging kranck in seme Herberge und bald war er des Todes. 2. Die<br />

Convocati. Es mögen anch wol vornehme geehrte Leute 8s>6cwtum<br />

gegangen seyn. Nun wun<strong>der</strong>t mich sehr, daß Sie von solch einem Narren<br />

sich haben invitiren lassen und dessen Stimme gehorsahm gewesen sind.<br />

Man hat observiret, daß Vater und Mutter hiugelauffen und ihre Kin<strong>der</strong><br />

amf den Armen mit hingetragen haben. Were nicht besser, daß mau, wie<br />

allhie stehet, die Kin<strong>der</strong> uud Säuglinge zum Tempel mitnehme? Die<br />

Thorheit steckt ihnen ohne dem tief genug im Kopfe, mau darf sie ihnen<br />

nicht noch tiffer hinein sehen; Kin<strong>der</strong> pflegen balde nach zu gauckcln.<br />

3. Die Materie bey solcher Zmammeulunfft ist nicht etwa die beste:<br />

wenn man's beym Richte besitzet, ist's schir nicht an<strong>der</strong>s denn Scherh und<br />

Narrentheidungen, die Christen nicht gezimnen. Es sind brodlose Künste.<br />

4. Zu was Ende? Als daß man das Fleisch kitzele und den alten<br />

Menschen wärme, pflege, erwecke uud lebendig mache. Item: denen beuten<br />

den Beutel fege uud das Geld abvexire. Ist uicht große Klage in<br />

Demmin über Geldmangel, wenn Noth- uud Ehreufälle<br />

kommeu o<strong>der</strong> mau dem Könige contribuire« soll? Hirzu aber<br />

hat man wol Geld. 5. Die Zeit. Ist's heute heiliger Tag, so war's<br />

gewiß gestern umb dieselbige Zeit heilig Abend. Für einen bloß von<br />

Menschen geordneten Tag werdet ihr ja den heutigen Tag uicht halten:<br />

Die Obrigkeit ist Gottes Orduuug, und was Sie au Gottes staat uud in<br />

dessen Nahmen ordnet zur Seligkeit <strong>der</strong> Menschen nach gottsehliger Könige<br />

Exempel, das ist ohn allem Zweiffcl Gottes Ordnung. Nun sagt die<br />

Schrifft: Heiliget euch dem HErru, denn morgen ist des HErrn Fest.<br />

Heißt das aber sich heiligen? Gibt das heilige Gedancken? Ich glaube,<br />

daß, indem mauchcr heute hie erschinen ist, an staat daß er büßen und<br />

beten soll, sich schleppet mit <strong>der</strong> gestrigen Kurtzweilität. Ein Nagel treibt<br />

den an<strong>der</strong>n aus, <strong>der</strong> weltliche den himmlischen Gedancken. 6. Der Orth<br />

ist unser Nathhaus und Gotteshaus, das wird nun zum<br />

Spiel-Hause. Thut's doch uicht mehr, son<strong>der</strong>n ml ehe libet die<br />

Versamblung <strong>der</strong> Heiligen, das wird eures Hertzens Freude und<br />

Wonne seyn."<br />

Der Präpositus Collega Arclndialonus Melchior von Effen „emfcrte<br />

gleichfalls wi<strong>der</strong> disen Hxo?83" ini Nachmittagsgottesdienst.<br />

„Was geschiht? ^mita Ooncioils pomerillittlla vergönnet Hr. Bgm.<br />

Koeser jr»80 llis I?uc;li6^ic0-^lown06tic0-^uc^^rÌ8ti(:0 denen Gaucklern<br />

an selbstigem Orte zu spielen. Die tragen auch schon ihr Gerath


des Demnnner PrilpoNtus N. Petrus Michaelis. 57<br />

und Spilwerck dahin. 86natu8 aber hingegen inhibirets ihnen<br />

ex officio, und also wird dem Ärgeruih gesteuret."<br />

Auch dieses Aktenstück erweist sich als hochwichtig für die Kultur-<br />

geschichte nnd spiegelt auch das ^eben nnd die Sitten <strong>der</strong> alten Dcmminer<br />

drastisch-anschaulich wie<strong>der</strong>, wenngleich <strong>der</strong> heilige Feuereifer des Präpontns<br />

manches, was seiue Gemeinde aulaugt, wohl zu schwarz angesehen nnd<br />

wie<strong>der</strong>gegeben zu haben scheint: gewiß trübte <strong>der</strong> Zorn gegen E. E. sliat<br />

seinen Vlick, <strong>der</strong> doch sonst so frei und unbefangen in die Welt schante.<br />

Hiermit sei es genng <strong>der</strong> Mitteilungen über das Verhältnis von<br />

E. E. Nat und dem Ehrwürdigen geistlichen Ministerium, <strong>der</strong>en Wichtigkeit<br />

für die Geschichte <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> lutherischen Kirche, sowie für die<br />

Kulturgeschichte Pommerns einlenchtet. Es ließe sich <strong>der</strong> l.ikor 8/no(!ieu3<br />

noch in mancherlei an<strong>der</strong>en Beziehungen ansnntzen. Soweit die Lat ein-<br />

schnle berührt wird, sehen wir das Erwähnenswerte in <strong>der</strong> Schrift „Eine<br />

Schnl schrift von 1611" (Demmin 1W


5>ft Der I.i<strong>der</strong> 8vno


des Demmmer Priwosiws ^l. Petrus Michaelis 59<br />

die Heimkehr zn seinen Wotenicker Pfarrkin<strong>der</strong>n vergaß. In den Wirts-<br />

häusern giugs lnstig her. Nierfiedler spielten selbst zn einem improvisierten<br />

Tänzchen ans. Lustige nnd leichtfertige Lie<strong>der</strong> sangen anch die Ratsherren<br />

bei feierlichen Gelegenheiten mit, wie wir schon gelesen haben. Ein Lege!<br />

Mer nach dem an<strong>der</strong>n glitt durch die Kehlen, nnd sogar einer Flasche Wein<br />

nach <strong>der</strong> an<strong>der</strong>n wurde gelegentlich <strong>der</strong> Hals gebrochen. Wir horcn von<br />

unbezahlten Spielschulden, von inkommcntmämgem Benehmen beim Spiel,<br />

von Raufereien in <strong>der</strong> Trnnkcnheit, wobei es dann vorkommen kann, dak<br />

einer „mit <strong>der</strong> umgekehrten Mnstqueten alle Fenster" in <strong>der</strong> Kneipe aus-<br />

schlägt und schier einer den an<strong>der</strong>n mordet. Indessen znm änßersteu scheint<br />

es doch nur selten gekommen zu sein. Im ganzen müssen wir sagen: Die<br />

Demminer vor mehr denn LW Jahren waren zwar trnnk- nnd handfest<br />

und, von keiner Not gebengt, lebenslustig und trutzig, dreist uud gottes-<br />

fürchtig, aber immerhin nicht schlechter als ihre Nachkommen, vor allem<br />

arbeitssam und rege, sparsam nnd hanshälterisch nnd aufopferungssähig,<br />

soweit ihre knappen Mittel reichten, wenngleich Michaelis behauptet, daß sie<br />

zum Vergnügen allein immer Geld hätten. Er wi<strong>der</strong>legt sich freilich selber,<br />

wenn er in seiner vorhin angezogenen Schrift eine Reihe von wertvollen<br />

Schenkungen an die aus <strong>der</strong> Asche wie<strong>der</strong>erstandene Pfarrkirche herzählt und<br />

die Opferfreudigkeit <strong>der</strong> Geber überschwenglich rühmt. Im I^ldor K/lwclicus<br />

ist ja auch nicht <strong>der</strong> eigentliche Ort zum Rühmeu nnd Preisen, handelt es<br />

sich hier doch um „vorgefallene Streitigkeiten", d. h. strittige, zu klärende<br />

Punkte, „und OasuL", d. h. Vorfälle gegen Natur, Sitte, Brauch und<br />

Herkommen.<br />

Ein beson<strong>der</strong>es Kapitel liesse sich noch zusammeustellen über die<br />

Anfragen und Beschwerden <strong>der</strong> Landp a st o reu über Eigen-<br />

mächtigkeiten <strong>der</strong> Patrone <strong>der</strong> Kirche und ihren Untertanen gegen-<br />

über, aber es sind zu wenig typische Fälle darunter. Meist handelt es sich<br />

um Dinge, wie sie auch unter verän<strong>der</strong>ten Zeitverhältnissen uud Lebens-<br />

bedingungen sich immer wie<strong>der</strong>holen, meist auch greifen sie zu sehr in das<br />

Gebiet <strong>der</strong> rein praktischen Theologie nnd Pastorenverwaltung. Nur zwei<br />

Begebenheiten seien herausgehoben, die uns die Äefeindung <strong>der</strong><br />

Geistlichen von feiten <strong>der</strong> Gemeinde und unter einan<strong>der</strong> als<br />

ein uraltes Übel kennzeichnen, dem nicht an<strong>der</strong>s als dnrch energisches,<br />

taktvolles Auftreten bei tadellosem Wandel nnd dnrch krasse kirchliche Gesetze<br />

beizukommen ist. Im November l68l fragt Hauptmann von Hcyden, ob<br />

er beim »otu executioniä einer armen Sün<strong>der</strong>in in Gchmkow zu<br />

ihrem Beistände den Pastor von Äolleutin, zu dessen Parochie Gehmkow<br />

gehört, o<strong>der</strong> den von Veggerow, dem Ort des Verbrechens, nehmen sötte.<br />

Die Antwort darauf im Hinblick anf die mögliche Eifersüchtelei lautet:<br />

„Daß rahtsamste würde seyn, beide Herren Prediger darumb zu begrüßen,


Der I^idsr ss^asieng<br />

denn solches nicht ungewöhnlich sey, zweeue Prediger zu solchem actu zu<br />

ziehen. Solches könte auch zur Vermeidung aller Zwistigkeit dienen, damit<br />

nicht <strong>der</strong> Herr Bollentiner sich beklage über eine «/^^(x^/i/ll^Tr^p und<br />

Eingriff in sein Ampt und <strong>der</strong> Herr Neggerower, als; sey er, <strong>der</strong> villeicht<br />

eiuige Jahre Beichtvater gewesen ist, und l-akons tu»w gctn.6 vitay mit<br />

<strong>der</strong> armen Sün<strong>der</strong>in etwas nötiges zu reden und in geheim zu besprechen<br />

haben mögte, ohne Noth excludiret worden. Hilte dieß für das diulichste<br />

Mittel, es hisse ja: ^lo^io Wti55imu8 idi^".<br />

Ein hartnackiger Streit nm die Nede bei <strong>der</strong> Bestattuug<br />

einer Leiche geht 1s>5N von <strong>der</strong> Frau des verstorbenen sloinim^ül-ii<br />

von Walßleben ans, die ihren Gatten nicht von dem zuständigen Bcggerower<br />

Pastor Georg Betke, son<strong>der</strong>n von dem zu Hohenmocker Salchow begraben<br />

lassen will, angeblich, weil jeuer ihn in seiner Krankheit zn wenig besucht<br />

uud iu <strong>der</strong> Todesstunde uicht bis ans Ende bei ihm ansgeharrt habe, in<br />

Wirklichkeit aber wegen kleinlicher Ursachen nnd wi<strong>der</strong>wärtiger Verdächtigungen<br />

<strong>der</strong> Ehrfurcht des Seelsorgers vor <strong>der</strong> Patronatsherrschaft; die Witwe mnß<br />

einen uuauslöschlicheu Groll auf den Pastor gehabt haben, <strong>der</strong> 2ss Jahre<br />

lang ihres Mannes Seelsorger gewesen ist. Den Nittmeister von Holstein<br />

und Hlcms. David, Schreiber zn ^cistenow, entsendet sie zur Uutcrhaudlung<br />

mit dem Präpositus uud ihren Schwiegersohn, den Landrat von Normaun,<br />

znm General-Superintendenten, <strong>der</strong> das Konsistorinm zusammenrnft. Dies<br />

beschließt, die Witwe solle Pastor Betcke „in <strong>der</strong> Güte zu flectiren" versuchen,<br />

an<strong>der</strong>nfalls die Klage zur Entschciduug vorlegen. Altes Verhandeln ist<br />

umsonst, und schließlich übernimmt Generalissimus die Predigt bei <strong>der</strong><br />

Leiche, die tagelang über <strong>der</strong> Erde gestauden haben muß. Michaelis kann<br />

seineu Uuwilleu nicht unterdrücken und bemerkt znm Schluß: „Herr<br />

Gcorgius (Netcke) ist we<strong>der</strong> confuus uoch convictu8 einiger begangenen<br />

groben, ärgerlichen Excessen, unter <strong>der</strong>en Vorwand gleichwol ihm die Onn^el,<br />

die Leichenpredigt zu halten, gewehret, Er bey die Seite gesetzet uud also in<br />

bösen Verdacht nicht aNein gezogen, son<strong>der</strong>n fast schon condemniret wird."<br />

Uns scheint ans allem nnr hervorzugehen, daß die Witwe eine Ehre darin<br />

setzte, ihren Gatten vom Generalissimus selber bestattet zu sehen; <strong>der</strong>gleichen<br />

ehrgeiziges Streben zum Leidwesen <strong>der</strong> zuständigen Ortspfarrer und zum<br />

Anstoß <strong>der</strong> zu ihm haltenden Gemeinde auch in unsern Tagen vorkommt<br />

und unterstützt wird.<br />

Noch ein dritter Fall aus dem geistlichen Leben scheint erwähnenswert,<br />

ein Beispiel zu dem bekannten und sprichwörtlich auch auf nichtgeistliche<br />

Amtstaudidaten angewandten Wort: „Erst die Pfarre, dann die Quarre",<br />

das aber in jenen Zeiten umgekehrt lautend in dem Bedingungssatz gipfelte:<br />

„Willst du nicht die Quarre, kriegst du nicht die Pfarre",<br />

d. h. heiratest du nicht die Pastorswitwe o<strong>der</strong> Pastorstochter, bekommst du


des Demmìner PrllpositNs U. Petrus Michas. s;i<br />

die Pfan'e nicht. So war's nicht nnr Brauch, son<strong>der</strong>n geraden ein Gesetz,<br />

das die Patrone oft mit Strenge anfrecht erhielten nntcr dem Sckntze <strong>der</strong><br />

geistlichen Behörde, da es noch leine Neliktcnversorguug nnd keine Witwenkassen<br />

gab. Dies Gesetz hat Michaelis im April 167!) allen Ernstes mit<br />

Aufwaud großer Gelehrsamkeit und mit praktischem Perstande verteidigt,<br />

wie in <strong>der</strong> Schrift „Eine Schulschrift von !(N1" (Demmin 1909<br />

bei W. Gesellius) nachzulesen ist. Hier teilen wir die Veranlassung zu<br />

seinen Auslassungen mit. Nicolaus Vrnnnemann ist znm Pastor in Verchen<br />

„vocirt", aber noch nicht „instituirt", weil er keine Anstalten macltt. die Tochter<br />

Elisabeth des verstorbenen Amt5vorgäugcrs kl. Matthias Hmu zu ehelichcu,<br />

was er „Ihro Gnaden des Herrn Baron uou Wachtmeisters als Patrollcll"<br />

zugesagt hat. Der Baron hat den Kandidaten freundlichst per Iit6ra3<br />

erinnert, <strong>der</strong> Präpositns ihm zugeredet „mit angehängter Verwarnnng, er<br />

es sonsten dem Herrn Superintendenten eröffnen uud bis dahin die ihm<br />

tommitlierte Institution aussetzcu müßte". Der Kaudidat will aufaugs<br />

uicht einwilligcu. Aber seine Mutter erklärt gleichsam in seinem Namen,<br />

wenn ihr Sohn freietc, solle er die Elisabeth nchmeu, eiue au<strong>der</strong>e Braut<br />

habe er uicht, wie sie beschwören könne; das stünde keinem Prediger an, die<br />

^ente zu betrügen; er möchte doch ihren Sohn überreden, daß er in die<br />

Freie willigte, ihr Wille Ware es gänzlich. Daun schreibt Michaelis wörtlich<br />

nie<strong>der</strong>: „Dieweil aber hiranf noch uicht fußen können, alß habe bey ihm<br />

abermal umb Resolution augehaltcu, da er deun zwar erst einwendete: Es<br />

sey nicht zu verantworten, daß die Iuugferu o<strong>der</strong> Wittwcu bey deu Pfarren<br />

blibeu und tönte leicht ein Caudidatus einen Scrnpnl im Gewissen bekommen,<br />

weil er umb <strong>der</strong> Inngfer willen zum Dinste befo<strong>der</strong>t worden, worzu er<br />

sonsten, wo er sie uicht heyrathcu wil, uicht kommeu kau, nachdemmahl es<br />

heißt: ,8« viäukin rez)r0^g.8, oonäitions vttc^g^'. ^iach längeren<br />

Verhandlungen willigt Arnnnemann elldlich ein, indem er bittet, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Partei nichts von seineu Bedenken zu sagen, damit es nicht das Auseheu<br />

habe, als sei er gezwnngcn worden; darauf wird er „instituirt" und uach<br />

eiuer Weile „kopulirt". Aber bald liegt er mit <strong>der</strong> Schwiegermütter wegen<br />

<strong>der</strong> Aussaat, des Heues, des Mistes, <strong>der</strong> Scheune, des Tischgeldes und des<br />

Gartens, nämlich darüber, was ihm und was <strong>der</strong> Witwe noch zukäme usw.,<br />

im Streite. Der Präpositus gibt sich alle Mühe, dem Armstcu zu gütlicher<br />

Eiuigung zu raten, <strong>der</strong> wohl geahnt hatte, was ihm bevorstand, als er an<br />

Elisabeth Horn nicht heranwollte.<br />

Vom Jahre 169L an wandeln Michaelis' Berichte sich, nachdem sie<br />

schon vorher allmählich knapper geworden sind, in kurze Notizeu, immer<br />

unter Hillweis auf die Akten, in denen über eine Person o<strong>der</strong> Sache das<br />

Nähere zu finden sei. Durch das ganze Buch Hill sind auch die<br />

schwedischen Gerorduungen augegeben, und ans ihnen kaun man


63 Der I.idkr 3?i,oäicn8<br />

entnehmen, wie die kirchlichen Bräuche und Zeremonien sich nach und nach<br />

denen <strong>der</strong> schwedischen Kirche anpassen. Der Verkehr <strong>der</strong> Geistlichkeit mit<br />

Stockholm ist rege. Znr Neise des Ocneral-Superiutendeuten dorthin<br />

steuern Kirchen und Pastoren bei. Von Dcmmin reist Archidiakouus<br />

Melchior vou Esseu zum Sammeln fnr den Wie<strong>der</strong>aufbau <strong>der</strong> Pfarrkirche<br />

an den Königshof, von dem auch Beihülfen öfter verzeichnet werden.<br />

Endlich wird verordnet, daß man ohne beson<strong>der</strong>e Erlaubnis und Anmeldung<br />

in <strong>der</strong> Residenz nicht erscheinen solle. Sogar <strong>der</strong> Wotenicker Pastor Anton<br />

Sciullcr, <strong>der</strong> überall dabei ist, will in Stockholm 1693 für seine Kirche<br />

tolligiercn. Das Konsistorium „injungirei ihm das Znhauscbleiben", worauf<br />

er seinem Präpositns einen Schmähbrief zuschickt, deu dieser weitergibt.<br />

Die Strafe <strong>der</strong> Deprekation trifft alsbald den uuuerfroreuen Hans in<br />

allen Gassen.<br />

Unter den Verordnungen wie<strong>der</strong>holen sich die über Sektiererei,<br />

über die Türkensteuer und über Aittfeste gegen Krieg, Pest und<br />

Schrecken — sogar eine Wolfssteuer (!) wird 1707 erhoben') —; auch<br />

über Dankfeste sind sie zahlreich.<br />

Einer solchen Auordnung begegneten wir schon 1683 bei <strong>der</strong> Geburt<br />

eines Königlichen Prinzen (Karl XII.), die in Demmin so flott gefeiert<br />

wurde, daß E. E. Nat uud Geistlichkeit hart aneinan<strong>der</strong> gerieten. Der<br />

Tod „<strong>der</strong> höchstseeligen Königinnen Nlricae Elconorae", <strong>der</strong> Mutter<br />

Karls XII., Gatti» Karls XI., Tochter des Däueuköuigs Friedrich III.,<br />

geb. 11. Sept. 1656, gcst. 26. Juli 16


des Demminer Präpositus ^l. Petrus Michaelis. 63<br />

Kirchengebet ist wie<strong>der</strong> dnrch das schwedische ersetzt". Da er die ans <strong>der</strong><br />

Kanzel zn verkündenden Verordnungen erst von 1681 an notiert, wnn<strong>der</strong>n<br />

wir uns nicht, daß wir nichts von <strong>der</strong> abermaligen Huldigung, die Karl Xl.<br />

am 2i). Dezbr. l679 geleistet wurde, lesen. Im herbste desselben Jahres<br />

warman die Stelle <strong>der</strong> knrbrandenbnrgischen Garnison wie<strong>der</strong> die schwedische<br />

getreten. Der Trcncid für Brandenburg wurde den Bnrgern nnnmehr<br />

erlassen, und alle erkannten alleinig den König von Schweden „vor die<br />

Erb- und Vandcsfnrstllche Obrigkeit und nahmen ihn ans nnd an". Michaelis<br />

selber war 1678 noch vom Kurfürsteu in seinem Amte „confirmiret" worden,<br />

nnd wie er diesem ein treuer und gehorsamer Untertan gewesen war, so<br />

wnrde er fortan ein gewissenhafter Diener <strong>der</strong> schwedischen Herrschaft.<br />

Die Berichte über die Hnldignngen 1679 nnd 1700 sind in Goetzes Geschichte<br />

Dcmmins ans Ornnd <strong>der</strong> Natsattcn sehr ansfnhrlich. Daraus ersehen<br />

wir, daß Michaelis, <strong>der</strong> über den Tod Karls X I. zwar Mitteilungen macht,<br />

anch die Verordnungen <strong>der</strong> kirchlichen Fürbitte für Karls XII. Feldzug<br />

notiert, seilte Mitwirkung bei <strong>der</strong> Hnldignngsfeier gar nicht erwähnt, son<strong>der</strong>n<br />

nnr eins bekannt macht, nämlich 1700, daß „4 ?25ts)i-68 ex N^nmw<br />

erscheinen sollen" und daß ein Hnldignngsgebet verordnet ist.<br />

Der Tod des Königs Narl XI. am 15. März 1697 veranlaßt<br />

mehrere Verfügungen, so die, daß <strong>der</strong> General-Superintendent „denen<br />

einfältigen Predigern Anweisung geben solle, wie sie den Königlichen Leichen-<br />

text 2. l'ulnlip. (--- ,lic^> 3l, 20. 21 traktiren sollen" bei <strong>der</strong> tiefen<br />

Trauer »c>K olnwm beatl'88imi 8. Kex. Uaj. Kveo.", ferner „Iittimntia<br />

<strong>der</strong> ^eichenbestctlignng des Höchstseeligen Königs"; 1699 „daß die Königliche<br />

Trauer cessiren solle", wie auch 1695 ein „Notifications-Schrcibeu <strong>der</strong> Kgl.<br />

Nkgieruug von Abstellung <strong>der</strong> Trailer wegen <strong>der</strong> Hochsecligen Königinnen"<br />

Ulrike Eleonore, gest. 16):j, <strong>der</strong> Gemeinde bekannt gegeben wnrde. 16V8 wird<br />

ein Kirchengcbet „nach Vollziehung <strong>der</strong> Hcyrath zwischen I. Kgl. Hoheit<br />

Hcdcwlg Sophien und S. Hochfnrstl. Dnrchlancht zu Holstein-Gottorff<br />

eingerichtet". Hedwig Sophie war die Schwester Karls Xll. und an<br />

Friedrich IV. (1694—1702), Herzog von Holstein-Gottorp, verheiratet.<br />

Bei ihrem Tode 1709 finden wir die Notiz: „I»»t.im2t.io <strong>der</strong> Traner um<br />

Hcdewig Sophie; Trauergeläut wegen Absterbens <strong>der</strong> Herzogin von Holstein<br />

als I. K. M. Fran Schwester"; bald darauf wird das Innehalten mit<br />

dem Geläut augeorduct und „daß 8en»tuL es bezahlen soll".<br />

Zwei Verordnungen erinnern an Schweden als deutschen Neichs-<br />

stand, <strong>der</strong> es seit 1648 war. Die eine ist 1691 als „veranlaßte Dank-<br />

sagung pro vicwi'ia oolltru. ^urcam bei Peter-Wa radein" eingetragen.<br />

Pcteiwardein war 1638 nach <strong>der</strong> zweiten Schlacht bei Mohacs in die Hände<br />

<strong>der</strong> Kaiserlichen gelangt. Alle Versuche <strong>der</strong> Türken, dies Bollwerk wie<strong>der</strong>-<br />

zugewinnen, hatten niemals Erfolg: dafür die Danksagung. Auch in <strong>der</strong>


ss4 Der l^ide? Zvnoäien«<br />

am 5. Aug. l?!6 llntcr Prinz Eugen von Savoyen gewonnenen Schlacht<br />

verblieb es den Kaiserlichen.<br />

Die an<strong>der</strong>e Dantsagnng ist l711 getan für den deutschen Kaiser<br />

Joseph I., wegen dessen Abstcrbeus am 17. April d. I. eine Landestrauer<br />

verordnet ward.<br />

Die übrigen von Schweden befohlenen Danksagungen betreffen den<br />

nordischen Krieg zwischen Schweden einerseits, Dänemark, Nußland und<br />

Sachsen-Polen an<strong>der</strong>seits. Veranlaßt wurde er durch die jugendliche<br />

llnerfakirenheit des Schwedeukölligs Karl XII., dessen (Geburt in Demmin<br />

gefeiert worden war und Michaelis in den erwähnten Streit mit E. E. Nat<br />

gebracht hatte. Eingeleitet werden diese kirchlichen Danksagungen durch<br />

Bekanntgabe des Kriegs-Manifests „contra R^om Polonia^' und durch<br />

eiu „Gebetsformular für den Kriegszug des Königs gegen ^ievlaud". 1700<br />

„I!!u8t.ri83i'mum keimen befihlet die Dancksagung wcgeu des vor Niga in<br />

die Flucht gejagte» Heeres <strong>der</strong> Pohlen". Das ist nicht recht verständlich.<br />

August II., Kurfürst von Sachsen uud König von Polen, wollte Niga<br />

erobern. 13./14. Februar 1700 ging sein Heer vor, nahm aber nnr die<br />

Calboruer Schanze, weil es zum Cturm auf die Stadt zu schwach war.<br />

Nachdem es am 23. März Düuamüudc geuommeu hatte, zwang es am<br />

30. Iilli die Schweden, ^ivland zu verlassen, doch kouute ihr Auführer<br />

General von Welling 5000 Mann nach Niga hineinwerfen, wo General<br />

Dahlberg tommandicrte. Eingeschlossen wurde die Stadt vom 10. Aug. bis<br />

18. Scptbr. belagert, dauu aber zogen die Polen freiwillig ab. Einleuchten<strong>der</strong><br />

wäre eine Dautsagung für Karls XII. tollkühnen Sieg über die Nüssen bei<br />

Narwa am 30. Nov. 1700 gewesen. — Vielleicht bezieht sich auf diese»<br />

1701 die Danksagung, „od vicwriam miraoulosam oontra. ^lo8ounl";<br />

ferner .,contra 8axone8 et Noscum" geht wohl auf den Sieg Karls XII.<br />

unter den Mauern Nigas über die verbündeten Sachsen und Nnssen am<br />

19. Juli 1701. — 1702 „od victoriam bey Cllssow" (Kliszow) am 19. Juli<br />

über die kurfürstlichen Truppen. 1704 „od victorikin K6ßi8 nostri<br />

el6monti88imi bey Pultusk", indes das Gefecht Karls Xll. gegen August II.<br />

faud schou am I.Mai 1703 statt. — 1705) wird eiue Dauksaguug getau<br />

„wegen <strong>der</strong> herrlichen Siege in anno 1704 uud 1705": nichts hielt die<br />

Sicgeslausbahu Karls Xll. auf, <strong>der</strong> in Polen hin uud her zog; am 26. Juli<br />

1705) Sieg über die Nüssen bei Gemanerthof; 1707 Danksagung „wegen<br />

Fridens mit König Angusto" am 24. Septbr. 1700 zu Altraustädt, den<br />

freilich August II. am 29. Okt. durch die Schlacht bei Knlisch, den einzigen<br />

Sieg, den er errang, brach — aus Verseheu, wonach er nach Sachsen hin<br />

verschwand.<br />

Zu guter Letzt sei noch erwähnt, daß Michaelis, wie wir schon in dem<br />

Falle <strong>der</strong> Eheirruug sahen, auch mit <strong>der</strong> schwedischen Garnison


des ?emminer Pväposiws ^l. Pctrns Michaelis.<br />

amtlich zu tun hatte. 1698 verlangt ,M. Bllschmann,<br />

^erti^m von Accidentien seiner militärischen Gemeinde von den Demuiiuer<br />

Pastoren". Daraus geht wohl hervor, daß kein ständiger Militärgeiftlicher<br />

in <strong>der</strong> Garnison war. Ans den mancherlei Gcsnchen des 1?«3wr c:i8ll6nöi^<br />

schließen wir, daß er auch zum Absolvieren nnd Kommnniziereu unregel-<br />

mäßig erschien. Eine Mitteilung <strong>der</strong>art ist bemerkenswert, weil sie uns die<br />

Stellung <strong>der</strong> Geistlichkeit zu <strong>der</strong> bis ans den heutigen Tag brennenden<br />

Duellfrage kuudgibt. KN2 wird ein „Placat vom Verbot des Duells"<br />

uotiert. Vielleicht ist es mit eine Folge des Vorfalls, über den Michaelis<br />

im Septbr. 179 berietet. Leutnant Hoier, <strong>der</strong> „an<strong>der</strong>swo an einem<br />

Hauptmann einen Mord begangen", d. h. ihn im DncN getötet hat, „l'^Ut<br />

ak^ointionem juivntnm^ Diese wird ihm, weil keine Versöhnung mit dem<br />

Gericht und den „intcressircnden Parten" stattgehabt hat, auf Grund <strong>der</strong><br />

Kirchenagende 170^ versagt: so aber ihm seine Sünde herzlich lcid sei und<br />

coll8ciellt.ia als reu wiiel:; ihil treibe, sollten ihm die sacl'll. uuvcrsagt sein.<br />

Hicranf antwortet <strong>der</strong> Vater des VcumautS, ein Haiiptmann, wenu's nicht<br />

an<strong>der</strong>s sein könnte, sollte <strong>der</strong> Lohn znm Ncgimcutspriester reiteli; daß er<br />

soustcu sich solile hierüber ein Gewissen machen, das täte er nicht, er hätte<br />

wohl ehedem etliche Türken totgeschossen. Michaelis sncht ihm den Unter-<br />

schied des Tötens im rechtmäßige»! Kriege ans Befehl <strong>der</strong> Obrigkeit und<br />

des mntwilligen Mordcns ans eigene Hand klarzulegen, aber vergeblich.<br />

Später wird noch einmal die Admission „auf Vcrlesuug des I^zionui<br />

l':lcultatl3 iui i


6s) Dcr I^ide,- ^noäiau8 des Demminer Präpositus ^l. Petrus Michaelis.<br />

Kapitän aufgeruckt gewesen sein wird und sein Charakter zu Extravaganzen<br />

geneigt gewesen zu sein scheint.<br />

An <strong>der</strong> Hand <strong>der</strong> Dcminincr Natsaktcu o<strong>der</strong> gar von Familiengeschichten<br />

konnte einer aus dem lei<strong>der</strong> Z^lwdicuL noch manches hervorsuchen<br />

nnd <strong>der</strong> ^okal- und Kulturgeschichte einen Dienst erweisen. Dell<br />

dnrch das ganze Auch sich hiuzi eh enden Rangstreit zwischen E. E. Nat und<br />

dem Archidiakonns Melchior von Essen (1659—1695), später ^l. Henning<br />

Crohn (1696—174A), haben wir gar nicht einmal, weil von zu lokaler<br />

Bedeutung, berührt. Inson<strong>der</strong>heit für die Forschung auf dem Gebiete <strong>der</strong><br />

Geschichte dcr Seelsorge, des Gottesdienstes nnd <strong>der</strong> Kirchenverfassuilg<br />

ließe sich gar manches noch nutzbar machell. Doch begnügen wir uns mit<br />

dem hier im allgemeinen Interesse Zusammengetragenen, das uns zngleich<br />

den Beweis liefert von <strong>der</strong> Wichtigkeit <strong>der</strong> Aufzeichnungen von Geistlichen<br />

vergangener Jahrhun<strong>der</strong>te, nntcr denen <strong>der</strong> Demmincr Präposilus >l. Petrus<br />

Mlchaells nicht die letzte Rangstufe emnimmt.


Uagebuch über die Belagerung Dtetlms<br />

im Jahre<br />

Herausgegeben<br />

Vrofessor Dr. Martin Wehrmann.


Wnter den verschiedenen Velagcrnugcn o<strong>der</strong> Blockaden, die Stettin<br />

im ?aufc <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>te erlitten hat, iit in gewissem Sinne beson<strong>der</strong>s<br />

merkwürdig nnd eigenartig die von 1«!.^, die letzte Eimchlleftung, die <strong>der</strong><br />

alten Festung znteil geworden ist. Damals saßen in <strong>der</strong> Stadt hinter<br />

Wall nnd Graben die Feinde des Landes, während dransien die ^andsieute<br />

<strong>der</strong> Stcttiner mit ihren Verbündeten lagen. Dadurch war eine Situation<br />

geschaffen, die beiden Parteien manche Schwierigkeiten eigener Art bereiteten,<br />

Verhältnisse bestanden, die nicht schr häufig in Kriegen vorgekommen sind.<br />

Ganz beson<strong>der</strong>s schwierig war die Vage <strong>der</strong> Bürger und Bewohner <strong>der</strong><br />

Stadt, die seit dem 29. Oktober Ittott eine französische Besatzung hatte,<br />

obwohl sie nach dem Tilsiter Frieden wie<strong>der</strong> zum Königreich Preusieu gehörte.<br />

Da galt es oft „zwei Herreu" zu dicueu, aber es war nicht miu<strong>der</strong> oft<br />

recht schwer, die Ordres des Gouverneurs zu befolgen nnd zugleich den<br />

Befehleu <strong>der</strong> preußischen Regierung nachMommen. Wie mußten aber erst<br />

Ftonflllte entstehen, als in <strong>der</strong> Festnng das französische Kriegsrecht galt,<br />

während vor den Wällen die preußischen und russischen Truppen die Stadt<br />

blockierten! Bci diesen war doch das Herz <strong>der</strong> meisten Bewohner, ihnen<br />

waren sie zugeneigt und ihren Einzug sehnten sie herbei, den Franzosen<br />

aber, den Herreu <strong>der</strong> Stadt, mußten sie Dienste nnd Kontributionen leisten.<br />

Diese eigenartige Lage, in <strong>der</strong> sich die Etcttiner befanden, bietet das<br />

eigentlich Iutcrcssante uud Anziehende bei <strong>der</strong> Blockade von 181^5,<br />

denn große kriegerische Ereignisse sind dabei nicht vorgekommen. Trotzdem<br />

werden anch diese noch einmal eine Darstellung erfahrcu, da die reichlich<br />

vorhandenen Akten') Stoff genng bieten und, was bisher darüber berichtet<br />

worden ist, durchaus nicht mehr genügt.*) Aber von größerem Interesse,<br />

als die Vorgänge vor <strong>der</strong> Stadt, erscheinen die innerhalb <strong>der</strong> Mauern;<br />

') Ich mache hier nur auf dir im Kgl. Staatsarchive zu Stettin befindlichen<br />

Akten <strong>der</strong> Stettiner Regierung (Mittel ia Tit. II Sekt. 4, Eckt. ?, Tit. V Eelt. 2)<br />

o<strong>der</strong> die ebendort deponierten Akten des Viagistrats ausmerksmn.<br />

') N. Böhmer gibt in seinem vieldenutzten Buche „Die Belagerung<br />

Stettins" (Stettin l"32), T. W-I27, eine mcht einwandsfreie Darstellung; ans<br />

ihr beruht fast ganz, was Thiede in seiner (shronik von Stettin, S. «7U-K9?, bringt.<br />

Auch Bergbaus, Handbuch von Pommern l l, 8, E. Uli-«Kl, benutzt im wesentlichen<br />

dieselben Quellen.


7l) Tagebuch über die Belagerunn Stettins im Jahre IN!8.<br />

das Verhalten namentlich <strong>der</strong> Bürgerschaft, ihre Stimmung, ihre Gefühle<br />

kennen zu lernen, will uns für die Beurteilung jener Zeit wichtiger erscheinen<br />

als die Kenntnis von den Ausfälleu <strong>der</strong> französischen Soldaten o<strong>der</strong> den<br />

Gefechten nud Aelagerungsarbeiten <strong>der</strong> Preußen und Russen. Hiervon<br />

alier berichten die Akten wenig o<strong>der</strong> garnichts, und was iu <strong>der</strong> ersten<br />

Hälfte des 1!^. Jahrhun<strong>der</strong>ts noch in <strong>der</strong> Erinnerung fortlebte o<strong>der</strong> münd-<br />

lich weiter überliefert wurde, das ist heute sast ganz vcrscholleu und ver-<br />

gessen. Da köuuen uns nur private Aufzeichnuugen, Briefe o<strong>der</strong> Tage-<br />

bucher, etwas aus jener Zeit <strong>der</strong> schweren Not Stettins erzählen und ein<br />

Bild davon entwerfen, wie die Stettiner Itti3 die Fremdherrschaft und die<br />

Belagerung ertrugen, als draußeu im Lande das Volk gegen die Feinde<br />

aufstand, als <strong>der</strong> Sturm losbrach und dann bei Großbeeren, an <strong>der</strong> Katz-<br />

bach, bei Kulm und Nollendorf, bei Dennewitz uud Wartenburg und schließ-<br />

lich bei Leipzig die herrlichsten Siege erfochten wurden. Briefe, die aus<br />

Stettin in jener Zeit berichten, sind bisher in sehr geringer Zahl bekannt<br />

geworden; gewiß liegen noch manche wohlverwahrt in Familienbesitze hier<br />

und dort, und es sei erlaubt, an dieser Stelle den Wunsch auszusprechen,<br />

daß sie zu weiterer Kcumuis gebracht werden. Dagegen siud Tagebücher<br />

schon bekannt geworden. So bringt <strong>der</strong> „Pommersche Voltsfreuud" von<br />

lft.)O Auszüge aus Aufzeichnungen des Kaufmauus Wellmauu, <strong>der</strong> iu<br />

den Tagen <strong>der</strong> Belagerung eine Rolle unter den Bürgern spielte. Wo sie<br />

indessen geblieben sind, ist nicht bekannt. Villaret ließ bereits 1814 ein<br />

„Tagebuch während <strong>der</strong> Belagerung vou Stettin" drucken. Es ist von<br />

den frühereu Darstellern <strong>der</strong> Blockade benutzt uud in dem 1883 von<br />

F. Hesseulauds Vuckdruckerei und Verlagshandlung veranstalteten Neudruck<br />

noch jetzt in den häudcu mancher Freunde <strong>der</strong> Geschichte Stettins. Ein<br />

an<strong>der</strong>es Tagebuch liegt seit 1884 in <strong>der</strong> Bibliothek <strong>der</strong> Gesellschaft für<br />

pommersche Geschichte und Altertumskunde, wohin es durch Schenkung des<br />

Iustizrat Pitzschty gekommen ist. Er hat auf die erste Seite des Manu-<br />

skripts im Iauuar 18dO folgende Bemerkung nie<strong>der</strong>geschrieben: „Dieses<br />

Tagebuch <strong>der</strong> Belagerung Stettins äo l813 ist mir von meinem Schwieger.<br />

Vater, Kaufmann Kahl, überlassen, welchem es <strong>der</strong> Verfasser, Kaufmann<br />

Gröulund, bei seinem Verzüge aus Stettin Zwischen 1820—25) geschenkt hatte."<br />

Der Verfasser, <strong>der</strong> sich in dem Buche nirgends mit Namen nennt,<br />

Johann Gustav Grönlund, war 1784 in Stralsund geboren. Er<br />

war iu Stettin iu <strong>der</strong> altrenommierten Weinhandlung Nonnemanu Witwe<br />

uud Kompagnie') tätig, <strong>der</strong>en Inhaber von 18^—1521 Johann Friedrich<br />

l) Johann David Nonnemann aus Straßburg a. Rh. ist am 19. Juni 1725<br />

«lls Wrinhätldler Bürger Ttettins geworden und in das Album <strong>der</strong> Kaufleute ein-.<br />

ttkMMN. Nach ihm übernahm das Geschäft sein Sohn Johann Christoph Nonnemann<br />

'geboren NI.'D. Es wurde betrieben ml Hause Nr. tt^ am Kohlmarkt.


Tagebuch über die Belagerung Stettins im Jahre 1513. 71<br />

von Essen war. Dieser patriotische Mann ist weithin bekannt geworden<br />

dnrch die Hülfe, die er <strong>der</strong> Konigin ^uise am M. Oktober 1N0N bei ihrer<br />

tranrigen Flucht von Stettin erwies.') (Arönlund erhielt am L. Febrnar l^l<br />

das Bürgerrechts nnd etablierte sich als selbstalidiger Kanfluaun in <strong>der</strong><br />

Fraueustrafte (Nr. ^N). Doch bereits am 13. November !N!tt ist er<br />

gestorben.2) Seine Witwe Maria geb. Hecht ist es also wahrscheinlich<br />

gewesen, die das Tagcbnch dem Kaufmann Kahl schenkte nnd dadurch für<br />

uns erhalten hat.<br />

Grönlnnd hat seine Aufzeichnungen, wenn es seine Zeit erlaubte,<br />

täglich gemacht, oft wurde er freilich daran verhin<strong>der</strong>t nnd mußte dann<br />

für mehrere Tage nachtragen, was vorgegangen war nnd was er erfahren<br />

hatte. Alles trägt den Stempel <strong>der</strong> Wahrheit; weuu er, was nicht<br />

selten <strong>der</strong> Fall ist, falsche Nachrichten verzeichnet, so zeigt uns das gerade<br />

sehr deutlich, wie oft die wun<strong>der</strong>barsten Gerüchte in <strong>der</strong> Stadt umliefen,<br />

wie wenig man dort von den Vorgängen innerhalb und außerhalb <strong>der</strong><br />

Stadt wnßte. Es sind anch keine großen Ereignisse, über die er berichtet,<br />

aber gerade von dem Kleinleben, von den Nöten und Plagen, von <strong>der</strong><br />

Stimmung iu Stettiu geben uns seine Aufzeichnungen ein Bild, das deut-<br />

licher ist, als was uns au<strong>der</strong>e Tagebücher erzählen. Deshalb verdienen sie<br />

eine Veröffentlichung, und das gerade in einer Zeit, die nns die Erinnerung<br />

an jenen nun bald hnn<strong>der</strong>t Jahren zurückliegenden Akt <strong>der</strong> Stettiner<br />

Franzoscnzeit nahe bringt. Oroulund mag nns berichten, was damals die<br />

Stettiner zu erdulden und zu leiden hatteu, wie sie aber immer wie<strong>der</strong><br />

hofften und ansharrten, wie sie auch iu den bösesten Tagen ihren Patrio-<br />

tismus und ihre Anhänglichkeit an das Vaterland bewiesen, wie sie iu ihrer<br />

Not sich an den spät in die belagerte sseslung dringenden Siegesbotschaften<br />

erfreuten, wie sie bald jubelten, bald weinten.<br />

Der Abdruck erfolgt mit einigen Kürzungen, da die oft sehr ausführ-<br />

lichen, den Zeitungen entnommenen Nachrichten vom Kriegsschattplatze<br />

wenig Interesse haben. Dagegen sind die etwas weitschweifigen Darstellnngen<br />

Grönlunds über seine persönlichen Erlebnisse mit den französischen Offizieren<br />

und die ebenso detaillierten Nachrichten über die Erwartungen und Hoff-<br />

nungen <strong>der</strong> Bürgerschaft nicht gekürzt worden, denn sie geben den Auf-<br />

zeichnungen gerade den Neiz des Persönlichen und zeigen am besten, wie<br />

man im November in Stettin hangend uud bangend in schweben<strong>der</strong> Pein<br />

die Tage verbrachte. Einige kurze Aumerknngen sollen Einzelheiten beson<strong>der</strong>s<br />

») Vgl. Blasendorff, Königin Lmse in Pommern, S. 71 ff., und OMeezeitung<br />

1


72 Tagebuch über die Belagerung Stettins im Jahre 1813.<br />

lokaler Art erklären o<strong>der</strong> ans an<strong>der</strong>e Qnellen und Darstellungen hinweisen.<br />

Hierbei ist namentlich die „Königlich Prensiisch Ponnnersche Zeitung" von<br />

1^13 benutzt worden, die jclt dem August 1809 austeile <strong>der</strong> „Konigl.<br />

privilegierten Stettinischen Zeitung" in Stargard erschien. In ihr sind<br />

mancherlei Berichte sowohl ans dem ^agcr <strong>der</strong> Alocladetrnvpen als anch<br />

ans <strong>der</strong> Stadt enthalten. Wer <strong>der</strong> sehr patriotische Korrespondent in Stettin<br />

war, läsu sich nicht ermitteln; man kann vielleicht an den Schulrat<br />

I. I. Sell dcukeu, von dein es bekannt ist, daß er auch in den schwersten<br />

Tagen <strong>der</strong> Franzosenzeit in Zeilschriften seine Vaterlandsliebe und sein<br />

Vertrauen ans Preußens Zukunft oftcn tnndtat. Auf die Zeitung soll hier<br />

als snelle nachdrücklich hingewiesen werden; sie ergänzt beson<strong>der</strong>s gnt die<br />

Aufzeichnungen in dem Tagcbuche. Koust im einzelueu (hrönlunds Berichte<br />

zu crgäuzeu o<strong>der</strong> mit denen Villarets zu vergleicheu, liegt uicht iu <strong>der</strong><br />

Absicht des Herausgebers. Das mag einer zusammeusaslendeu Darstellung<br />

von Stettins Franzoscuzeit, die uns hoffentlich bald gegeben wird, vor-<br />

behalten bleiben.<br />

Im Jahre 1813 den 20. Februar kam ich mit Ch. H. von<br />

Stralsnnd zurück, uacbdcm H. mir geschrieben hatte, daß ich eilen möchte,<br />

wie<strong>der</strong> zu Hause zu kommen, deuu die Nusscu würdeu wohl bald die Stadt<br />

eiuschließeu. Deu 1«',. Febr. hatten die Franzosen einige Streifzüge auf<br />

die nahe gelegeuen Dorfscimflcu gemacht, um Ochsen :c. hcrbeizutreibcn,<br />

<strong>der</strong>en sie anch gekriegt haben, sie stmlden in dell Nuineu <strong>der</strong> abgebranllten<br />

^Marienkirche. Vei luciuer Ankuuft hierselbst war alles ziemlich ruhig in<br />

<strong>der</strong> Stadt. Nur hieß es, die Nüssen wärcu über die O<strong>der</strong> gegangen, welches<br />

sich auch bestätigte, uä'mlich dell 15. uud die folgeudeu Tage bei Zcblin<br />

und lHüstcbiese zwischen Küstrin und Frantfurt; sie rückteu unter dem Fürsten<br />

Neppuiu, <strong>der</strong> die Avantgarde des Wittgeusteinschen Corps commandierte, ill<br />

Wrietzen eill, beichten Äcrnan, Zehdenick :c., nud ihre Vorposten erstreckten<br />

sich bis ins Mecklenburgische. Die Franzosen hielten unter dem Prmzen-<br />

Vicekönig Berlin beseht, hatten die Tore geschlossen, Kanonen ans den Haupt-<br />

plälzeu aufgefahreu, nachdem sich nämlich cm Haufe vou ca. 20 bis 30<br />

Kosakeu bis in die Stadt gewagt hatte und dort einige Franzosen gefangen<br />

gemuckt hatte, die sie mit sich führten. Endlich wurde das Hauptquartier<br />

des Viceköuigs uach Köpenick" verlegt.') Da die russische Infanterie endlich<br />

herangekommen war, verließen am 6. März die Franzosen Verlin, und die<br />

Nüssen zogen unter dem giößten Jubel <strong>der</strong> Einwohner in bester Ordnung<br />

l) Am ^l). Februar drangen eim'ae hun<strong>der</strong>t Kosaken in Berlin ein; am 23.<br />

zog sich Bizekdnig Eugen nach Köpenick zurück.


Tagebuch über die Belagerung Stettins im Jahre 1«!3. "A<br />

ein.!) Äse Kosaken verfolgten sogleich die fliehenden Franzosen und brachten<br />

eine ansehnliche Menge wie<strong>der</strong> ein, nnter an<strong>der</strong>en dm Marschall St. Cyr.<br />

Die Lübecker hatten in einem Anfalle von Patriotismus die Franzosen<br />

ans ihrer Stadt getrieben. Desgleichen sollen die Hamburger anch revoltiert<br />

haben. Aus Rostock sind die Franzosen freiwillig gezogen, doch aber nach<br />

14 Tagen wie<strong>der</strong> zmückgekehrt. In Straljnnd stehen sächsische Infanterie,<br />

französische Artillerie nnd Douanen, im ganzen etwa 7 bis 5kXl Mann.<br />

Wir haben hier 1 Regiment holländische Infanterie, 1 o<strong>der</strong> '2 Regimenter<br />

französische Infanterie, :> Bataillon Depots, die von Schwedt gekommen<br />

waren, Artillerie und Trains — kann ich nicht die Anzahl bestimmen. In<br />

allem sollen es ca. NlNl) Mann Äcsatznng sein.') Der Gonvernenr hcistt<br />

Dllfrcsse^), ein sehr höflicher ordentlicher Mann, <strong>der</strong> l. Kommandant<br />

Bonri; <strong>der</strong> 2. Kommandant Henry logiert in unserm Hinterhause.<br />

Sonnabend den 6. März rückten von Schwedt ab einige MO Mann<br />

Kosaken bis nach Pritzlow vor. Ihr Hanptqnartier war Kolbiyow. Sonntag<br />

war alles ziemlich ruhig; es war schönes Wetter, und am Montag bestätigte<br />

es sich, daß die Kosaten hart vors Tor wären. Sie hatten die Prenzlauer<br />

Post von Möhringen zurück nach Oartz fahreu lassen durch Vorspann, die<br />

Postpferde kamen hier leer an.<br />

Dienstag den 9. Hente verbreitete sich das Gerücht, daß unsere<br />

Preußen Stettin belagern würden. Dieselben sollten bei Stepcnitz übergesetzt<br />

werden; doch ist späterhin dieses an<strong>der</strong>s gemacht worden. Ich war mit<br />

Agath und ^enk auf dem Iakobitnrm. Wir jähen in <strong>der</strong> Allee vom Berliner<br />

nach dein Anllamer Tor 4 Mann reiten, die wir für Kosalen hielten.<br />

Heute wareu mehrere hiesige Einwohner nach Scheuue heraus, um die ersten<br />

Borposten <strong>der</strong> Kosaken zu seheu.<br />

Mittwoch den 10. Heute siud wie<strong>der</strong> viele Leute nach Schwarzow<br />

gewesen, um Kosaken zu seheu. Es kam eine Post vou Berliu über<br />

Stargard au.<br />

Dounerstag den II. Heute früh um 2 Uhr marschierte ein<br />

Kommando heraus uach Kurow, (Hüstow :c. um Vieh einzutreiben. Sie<br />

kamen am Mittag wie<strong>der</strong> mit einer ansehnlichen Menge, ^lj Stück,<br />

worunter Ochsen, Kühe und Kälber siud. Die Kosaken habeu sie umschwärmt,<br />

') Am 4. März begann die Räumung Berlins, am II. hielt Wittgenstein,<br />

am l7. ?)orck seinen Einzug in Berlin.<br />

2) Die Köuistlich Preußisch Pommersche Zeitung vom 2. April Itti.? berichtet:<br />

„Die Besahung von Etettm tst nicht über ?


74 Tagebuch ülier die Belagerung Stettins im Jahre 1«13.<br />

doch sind sie zu schwach gewesen, um diese Räuberei zu verhin<strong>der</strong>n.<br />

Heute kam ein Brief von Kolbatz, daß General o. Bülow dort sei; er<br />

marschiert mit seinem Korps nach Königsberg und geht dort über die<br />

O<strong>der</strong>, das Letzte desselben geht d. 13. ds. Ms. iiber, aber marschiert<br />

auf Schwedt und Gartz. General von Borftell kommt mit seinem Korps<br />

vor die Dammer Seite.<br />

Freitag den 1s. Heute brachten die Franzosen 4 Kosaken und<br />

1 Offizier') ein, die sie in Aismarck gefangen haben. Die ^eute habcu<br />

geschlafen, die Kosaleupferde wurden znm Verkauf ausgeboteu. Posteu sind<br />

nicht angekommen. Es fällt Sctmee, Wind N. O.<br />

Sonnabend den 13. März. Heute ist nichts Neues passiert.<br />

Gestern kam die Ordre vom Gouverneur, daß die Ober- und Unterwiek<br />

abgebrannt werden sollten. Alle bellte packen schon ein.<br />

Den 14. März, Sonntags, Heute, heißt es, sind 5000 Maun<br />

Preußen in Pritzlow augesagt. Die Nüssen sind ohne das Corps von<br />

Wittgenstein 34 Regimenter Kavallerie in Berlin, die Franzosen sind zwischen<br />

Berlin und Potsdam geschlagen, ^ienuicr ist auf dein Marsch nach Magdeburg.<br />

Den 15. Heute ist ein preußischer Hniarenoffizier von den schwarzen<br />

mit einem Trompeter in die Stadt gekommen und hat dem Gouverneur<br />

angezeigt, daß preußische Truppen rund um Stettin die Gegend besetzen<br />

wurden; von einer Auffor<strong>der</strong>ung soll uoch nicht die Nede gcweseu sein.")<br />

Den 16. Das Schulhaus in <strong>der</strong> ueuen Wick ist durch 4 Schüsse<br />

von Fort Preußen angesteckt und abgebrannt. Um 10 Uhr sah ich das<br />

Feuer brennen. Die Kosaken ritten in einer Entfernung von 1iX) Schritten<br />

dabei umher, v. E.') ist gestern nach Stargard geritten. Der Kommandant<br />

Henri zeigte uns an, daß er das ^ogis im Hinterhause verlassen werde und<br />

datz dieses, sowie das Vor<strong>der</strong>haus zur Kaserne gemacht werden solle. Bis<br />

heute Abend, da ich dieses schreibe, ist uoch nichts Offwelles bekannt gemacht;<br />

ich habe durch 3 Briefe v. E. diese Anzeige gemacht. Um 2 Uhr ging ich<br />

ans Berliner Tor. Die Franzosen ließen uoch viele Dameu und Manns-<br />

personen, letztere mit Karten versehen, zum Tore hiuaus. Das Wetter war<br />

sehr schöues Frühliugswetter, <strong>der</strong> Wind S. S. O., das Wasser steht noch<br />

sehr hoch. Man erwartete wie<strong>der</strong> einen Parlamentair.<br />

Den 19. Gestern ist ein Parlameutair vors Berliner Tor gewesen.<br />

Der Gouverneur, um Aufsehen zu vermeiden, ist ihm entgegen gegangen<br />

bis vor die Palisaden mit dem Kommandanten und einer Wache von ca.<br />

20 Mann. Nach Verlauf einer Viertelstunde ist <strong>der</strong> Gouverneur mit einem<br />

l) Es ist ein Unteroffizier gewesen. (Anmerkung Grönlunds.)<br />

') Vgl. Pillarets Tagebuch S. 8.<br />

') Grönlunds Chef Johann Friedrich von Essen.


Tagebuch übcr die Belagerung Stettins im Jahre lfti.1. 75<br />

Briefe in <strong>der</strong> Hand wie<strong>der</strong> ins Berliner Tor hereingekommen. Von General<br />

Tauentzien, <strong>der</strong> vor Damm steht, ist gleichfalls ein Parlamcntair gekommen<br />

und sogleich <strong>der</strong> Adjutant des Gouverneurs Mr. Poirier per Courier nach<br />

Stargard gereist. Die Unterwiek nnrd abgebrochen, die verschiedenen Hänscr<br />

des Dnchatau und Neitbatm ic. Die Preußen sind seit 3 Tagen bei Stcpenih<br />

übergegangen, sie sollen bereits Piketts in Frauendorf, Brcdow :c. haben.<br />

Ehegestern ist ein Teil des Velageruugsgeschützes in Nosow eingekommen,<br />

die dort stehenden Preußen sind nach Schwcdt zurück und bringen mehr<br />

heran; es geht langsam, da die Brücke bei Schwebt noch nicht fertig ist<br />

und das hohe Wasser den Transport sehr erschwert. Wir haben B. O. Wind,<br />

uud es ist sehr schönes Frühlingswetter.<br />

Den 22. Heute Morgen brachten die Franzosen 3 gefangene<br />

preußische Husaren ein nebst 1 ^anzeuträger, die iu <strong>der</strong> Gegend von <strong>der</strong><br />

Kupfermühle beim Hohlwege <strong>der</strong> Scharfrichtern durch überlegene Anzahl<br />

— 6 Mann Kavallerie und ca. 20 Mann Infanterie — gefangen genommen<br />

sein sollen. Die Prellsien haben Sukkurs erhalten, nnd es jollen mehrere<br />

Frauzosen teils geblieben, teils gefangen genommen sein.<br />

Den 25. Hente Morgen haben die Franzosen einen Teil <strong>der</strong> neuen<br />

Wiet in Brand gesteckt.') Es sind in <strong>der</strong> vergangene» Nacht 155 Mann<br />

und 1 Offizier vom Borposten davon gezogen.<br />

Den 29. März, Montags. Diese Nacht sind mehrere angesehene<br />

Bürger arretiert nnd nach Fort Preußen o<strong>der</strong> nuters Berliner Tor gebracht;<br />

mau weiß noch nicht, warum; wahrscheinlich will <strong>der</strong> Gouverneur Geld<br />

erpressen.') Ein Bataillon Infanterie ist gestern Abend ausmarschiert, es<br />

ist noch nicht zurück, uud indem ich dieses schreibe — es ist 10 Uhr<br />

morgens — höre ich heftiges Kanonen- und Klein-Gewehr-Feuer vor dem<br />

Anklamer Tor/) Es sollen gestern 10 Kanoniere desertiert sein nnd 2<br />

Kanonen vernagelt haben. Es ist trübes, regnerisches Wetter.<br />

Eine Stunde später: Soeben bringt man einige blessierte Franzosen<br />

ein. Das Schießen aus Kleiu-Gewehr fährt immer noch fort.<br />

Den 31. Heute haben die Preußen die erste Schanze auf <strong>der</strong> Anhöhe<br />

hinter <strong>der</strong> grünen Wiese aufgeworfen. General Tauentzien soll in Züllchow<br />

') Die Verhandlungen über das Abbrechen <strong>der</strong> Vorstädte enthält ein Aktenstück<br />

im K. Et.lA. Stettin (^tett. Negierung Militarla Tit. V, Lekt. 5 Stettin Nr. ü).<br />

') Die Arretierten waren <strong>der</strong> Bürgermeister Nedepenmng, <strong>der</strong> Kämmerer<br />

Vounvieg, <strong>der</strong> Stadtrat Piyschly, die Kaufleute Brede, Toussaint, I. E. Schmidt,<br />

Gribel ^un.. Löwer, <strong>der</strong> ^e<strong>der</strong>fabrikant Boccard, <strong>der</strong> Viltualieichäudler Schulz und<br />

zwei Handlungsdiener. Vgl. unten (3. Apiil).<br />

') Bereits 1806 hatte dies Tor den Namen Königstor erhalten; es wurde<br />

indessen noch sehr oft mit dem alten Namen bezeichnet.


?s> Tagebuch nb.r die Belassenmg Stettins im Jahre<br />

bei Tielebein ') angekommen sein. Die Franzosen sollen 62 Mann in dem<br />

kriecht am L9. verloren haben, <strong>der</strong> Preußen Verlust ist nicht bekannt.<br />

Müllers (Gehöft ist den l9. von den Franzosen abgebrannt.<br />

Den 3. April. Bis jetzt ist alles ruhig nnd in <strong>der</strong> genanntesten<br />

Erwartung gewesen. Heute erzählt man sich, daß Magdeburg übergegangen<br />

sei; es sollen aber isMOO Nusscu und Preußen dabei geblieben sein.<br />

Den 4. April. Gestern Abend nm 9 Uhr marschierten 2 Bataillone<br />

mit 4 Stück Geschütz ans dem Paruitzer Tor; sie gingen nach Finkenwalde<br />

und haben dies schöne Dorf in Brand gesteckt. Sie bcrühmen sich hierbei<br />

14 Mann Preußen gefangen und 2 Kanonen erobert zu haben. Heute<br />

Nachmittag 3 Uhr, da ich dies schreibe, breuut das unglückliche Dorf noch.')<br />

Es ist am Sonntage d. 4. d. M. ein Parlamentair von General<br />

Tauentzieu angekommen, <strong>der</strong> cinen Brief desselben dem frauzösischen Gonvernenr<br />

gebracht hat, worin er ihm das mordbrenncrischc Benehmen seiner Soldaten<br />

verweiset und ihn persönlich für alle Gräucl verantwortlich mackt, die er<br />

noch begehen könnte und begangen hat. Abschriften dieses Briefes hat<br />

Taneuhicn an die Bürgerschaft erlassen, die noch die Versicherung von<br />

demselben enthalten, daß er alles zu uusrer Befreiuug tun würde, wir sollten<br />

uus uur uicht die Zeit zu laug werden lassen. In <strong>der</strong> Stadt ist alles<br />

still und ruhig.<br />

Am Sonnabend d. A. April sind die Herren Voccard, Tonssaint,<br />

Nedcpennig, Bonrwig, Pilschky, ^ocwer, Vcutz voll Weiß, Posch! von Vellhuscn,<br />

Arede, Carl Gribcl, Mehlhändlcr Schultz:c. freigelassen, nachdem <strong>der</strong> Magistrat<br />

HO 000 Tlr. au extraordinärer Contribntion dem Gouverneur bezahlt hat,<br />

weswegeu die oben benannten Herren gefangen genommen worden waren. —<br />

GeneralMoernerund Engelbrechten sind mit schwediichcn Truppcuiu Stralsnnd<br />

Ulld Rügen angekommen, auch sollen bei Warnemünde Schweden gelandet<br />

sein. Es ist das schönste Frühjahrswetter, das Wasser <strong>der</strong> O<strong>der</strong> lst jetzt<br />

sehr klein. Der Wind ist heute, den 7. April, S. W. Ans dem Dammschen<br />

See liegen 3 bewaffnete preußische Schim, die Schwalbe soll dabei scili.')<br />

Den 1(1. April. Gestern war für mich eiu sehr angenehmer Tag.<br />

Um 10 Uhr ging ich mit Wilhelm H. zur Schnecke


Tagebuch über die Velaaenmg Stettins im Jahre 1«13. 77<br />

Velthusens Zarten/) sahen aus dem oberen Geftock des Hanfes, bemerkten,<br />

daß die Golluower Vorstadt von Damm') brannte, gleichfalls daß die Preußen<br />

von <strong>der</strong> Sanneschcn Mühle eine Flosibrücke nach Pommerensdorf gemacht<br />

hatten nnd dag lnehrere IM 'äiienschen an dem Graben arbeiteten, <strong>der</strong> von<br />

Pommcreusdorf über die Wirk nach <strong>der</strong> Mühle führt, wahrscheinlich nm<br />

einen Überfall von <strong>der</strong> Stadt ans anf die Niühle zu verhin<strong>der</strong>n. Von<br />

Kliitz bis Km'ow soll gleichfalls eine Art von Weg gemacht fein, teils ans<br />

Falchine« anf den Wiesen, teils ans Flößen nnd Böten, letztere sollen<br />

von Greifenhagen li) requiriert fein. Nachdem wir uns fatt gesehen, gingen<br />

wir durch den Garten hinten hmans nach dem Fort Preußen zu und<br />

wollten ins Berliner Tor gehen, doch machten wir noch den Umweg bis<br />

nach dem Frauentor. Um l^ Uhr waren wir wie<strong>der</strong> iu <strong>der</strong> Stadt.<br />

Merkwürdiges begegnete uns nicht. Es war das schönste Sommerwetter,<br />

<strong>der</strong> Wind stand S. O.<br />

Jetzt muß ich noch die Ereignisse des Mittwochs d. 7. nachholen.<br />

Am Dienstag d. N. abends !) Uhr marschierten 5)l)U Mann Infanterie<br />

nebst 4 Kanonen nach Damm, nm die Prcusicu zn überrumpeln. Es<br />

glückte, daß sie dieselben ans Finkcnwalde herausschlngen und auf dem<br />

Rückzüge mehrere Häuser dieses schöueu Dorfes in Ärand steckten. Doch<br />

erhielten die Preußen Zutturs aus Podejuch, und ein Bataillon kam den<br />

Franzosen von Hötcndorf iu die Flaute. Die Preußen hatten bereits dnrch<br />

dell Abbruch einer Brücke den Franzosen den Rückzug sehr erschwert, und<br />

bei diesem Rückzüge verloreu sie mehr deuu 4l)0 Mauu uud eiuige Kauoneu.<br />

Das Gefecht dauerte noch bls zum 8. fort. Deutlich kouute tuau das<br />

Kleiu Gewehr-Feuer uud die großeu Schüsse von Damm hörcu. C»)estcru<br />

Morgeu habcu die Frauzosen eine eroberte Kanone nnd !'.) Äiaun gefaugeue<br />

Russell nud Prellsten herein gebracht. Russische Kavallerie (besoffen) sind<br />

mit hierbei gewesen. Die blessierten Franzosen, anch einige tote Offiziere<br />

sind je<strong>der</strong>zeit des Nachts von Damm nach hier gebracht. Der Verlust <strong>der</strong><br />

Preußen soll anch allsehnlich fein.')<br />

Den 8. abends ist <strong>der</strong> Zimmernleister Krause*) mit 18 Mann, feinen<br />

Gesellen, von hier gezogen, erst den Dunsch herunter gefahren mit dem<br />

Vorgeben, Holz zu holen. Man vermutet, daß er einen gut gemeiuten<br />

') Der Garten des Kaufmanns Pelthusen, <strong>der</strong> viel gerühmt und besucht wurde<br />

(vgl. I. I. Sell, Briefe aus Ctetlin C. 91 f.), lag in <strong>der</strong> Gegend des l>migcn<br />

Bahnhofes und erstreckte sich bis in die Nähe von Fort Preußen.<br />

^) Von den Ereignissen in nnd bei Altdamm berichtet das Buch von E. Fritz,<br />

Aus schwerer Zcit. »Altdamm l9'>.)<br />

^ Über diese Kampfe vgl. E. Fritz a. a. 3). S. 56 ff. und Pommersche<br />

Zeitung vom 2ll. April.<br />

*) ^gl. Viliarets Tagebuch S. 10.


7tz Tagebuch über die Belagerung Stettins im Ichre 18l3.<br />

Wink erhallen habe. Seine Pferde und Kntschen, sowie seine Geliebte sind<br />

alle fort.<br />

Heute d. 10. ist hier alles ruhig. Wir leben in <strong>der</strong> gespanntesten<br />

Erwartung, wann unser Schicksal endlich ein recht bestimmtes werden wird.<br />

Bon anßen her erhalten wir keine Zeitnngen, keine Briefe. Das Postcomploir<br />

ist nach Greifenhagen verlegt. — Rnmpe ist bei mir und erzählt, daß Fürst<br />

Kntnsow durch eine Proklamation erklärt hat, daß <strong>der</strong> Rheinbund aufgelöst<br />

sei und je<strong>der</strong> <strong>der</strong> Rheinfürsten, <strong>der</strong> nicht ans russische Seite treten würde,<br />

als Feind angeschen werden solle<br />

April d. 1 A. Am Sonnabend d. 10. nachmittags um 5 Uhr hörte<br />

man um die ganze Stadt von Pommereusdorf bis Bredow eiu scharfes<br />

Kanonenfeuer und Bataillonsfener ans Mnilctcn. Knrz vorher sah man<br />

aus Warsow uud den etwas entfernt liegenden Dörfern Artillerie, Infanterie<br />

nnd Kosaken näher au die Stadt rücken. Das Franzosen-Piket bei <strong>der</strong><br />

Prinzessin Wohnung vor dem Anklamer Tor^) retirierte in vollem Lauf<br />

zur Stadt, es ward aber nicht eiugelassen und mußte zurückgehen. Die<br />

Preußen besetzten die Anhöhen von Brcdow bis Zabelsdorf und so weit<br />

herum bis nach Pommereusdorf, und das Schießen ohue Kugeln nahm<br />

seinen Anfang. Der Wind stand gerade auf die Stadt, so daß <strong>der</strong> Schall<br />

stark herein drang. Es war Victoria. Die Frauzosen wollen zwar behaupte«,<br />

es sei ein Exercitium geweseu, doch ist es höchst umvahrscheinlich, vielmehr<br />

erfährt man jetzt, daß dies wegen <strong>der</strong> totalen Nie<strong>der</strong>lage des General<br />

Morand in Lüneburg geschehen sein soll.') .... Die Berliner Zeitung<br />

vom 3. April euthält schon einiges hierüber, die vom 6. soll es bestätigen.<br />

70 schwedische Transportschiffe sind bei Rügen signalisiert, Pommern ist<br />

hinlänglich besetzt; man glaubt allo, daß diese nach Holland bestimmt sind,<br />

indem auch iu einer Proklamation an die Hollän<strong>der</strong> dieses erwähnt wird.<br />

In <strong>der</strong> Zeitung vom 6. soll stehen, daß die Kaiserin als Regentin ausgerufeu<br />

worden und N. als unfähig zu ferner Regierung erklärt sei. Die Kohorten<br />

wollen nicht über den Rhein marschieren, sie sollen vor ein Civil-Gericht<br />

gestellt werden.<br />

D. 15. April, Gründonnerstag. Heute Morgeu um 4 Uhr<br />

hörte man eine lebhafte Kanonade. Die Preußen habcn bereits einige<br />

Batterien rund um die Stadt und machten einen Angriff auf das Berliner<br />

uud Anklamer Tor, während dessen die schwedischen Kanonenböte, etwa<br />

10 Stück an <strong>der</strong> Zahl, die vor einigen Tagen angekommen sind, die Zoll-<br />

brücke beschossen. Es sind von beiden Seiten viel ^eute geblieben. Die<br />

Brücke ist entzwei, die Franzosen sind jetzt um 10 Uhr hinaus, sie zu<br />

') Das alten Stettinern noch wohlbekannte Sommerhaus <strong>der</strong> Prinzessin<br />

Elisabeth, gewöhnlich Prinzeß-Schloß genannt (Grabower Straße 7).<br />

-) Am 5 April.


Tagebuch über die Belagerung Stettins im Jahre INl.'l. ?9<br />

reparieren. Mehrere Blessierte sind schon hereingebracht. Es ist noch keine<br />

Attake so heftig gewesen wie diese. Um 12 Uhr: Die Dammsche Ablage<br />

brennt, es ist ein schreckliches Feuer. Die Krüge jenseits <strong>der</strong> Zollbrücke<br />

tnennen auch. Soeben brachten 4 Bürger den preustischen Major v. Bchreud,<br />

<strong>der</strong> mit weniger Mannschaft die Zollbrncke erstürmen wollte, aber eine<br />

Kartätschen-Kugel tötete jcin Pferd nnd verwundete ihn gefährlich am Fnße.<br />

Den 10. April. Der stille Freitag ward für nns ein fchr lanter<br />

und unglücklicher. Die Preußen hatten slch wie<strong>der</strong>um auf das Glacis bei<br />

anbrechendem Tage gewagt, und um 5 Uhr begauu die Kanonade. Mehrere<br />

Kugeln <strong>der</strong> Preußeu fiele» in die Stadt, unter an<strong>der</strong>n eine im Pferdestall<br />

des Posthauses/) die das Dach nnd einen Sparren zerschmetterte. Um<br />

6 Uhr hörte das Schießen ans, die Preußeu zogeu sich uach Bredow und<br />

<strong>der</strong> Zabelsdorfer Schanze zurück, und die Franzosen elltcu nach <strong>der</strong> Wiek<br />

und steckten sie in Brand. Ein gleiches Schicksal hatten die Holzhöfe von<br />

Grabow, atte Häuser, alles Holz, Stabholz und Schiffsholz brannte. Der<br />

starte Südwestwind trieb die Flammen immer weiter, ja selbst die Flöße<br />

auf dem Wasser gerieten in Brand. Es war ein schrecklicher Anblick von<br />

<strong>der</strong> Baumbrücke. Zum Tore durfte niemand heraus. Die Einwohner <strong>der</strong><br />

Wiete und Grabow hatten solche schon verlassen, sie wohnten auf Flößen<br />

und in Kähnen auf <strong>der</strong> O<strong>der</strong> und schwammen beim Anbruch des Feuers<br />

nach Fruuendorf. Niemand tonnte zur Stadt hinaus, die Zugbrücken waren<br />

aufgezogen. Endlich drehte <strong>der</strong> Wind sich etwas westlicher und man hofft,<br />

daß dadurch ein Teil des schönen Dorfes nebst Öglers Haus gerettet sein<br />

wird. Die Verwünschungen gegen die Barbarei sind ohne Zahl.*)<br />

Den 7. Mai. Ich bin seit dem ersten Ostertage') zur Rettung<br />

unseres Stabholzes auf dem Natsholzhofe") beschäftigt gewesen, daher habe<br />

ich alles vorgefallene nicht notieren können. Nun will ich versuchen, es<br />

so viel wie möglich, in <strong>der</strong> Kürze zu erzählen. — Die Preußen haben auf<br />

den Wiesen im Bruche jenseits des Kespersteiges mehrere Batterien, die den<br />

Damm bestreichen. Die Franzosen haben das Zollhaus verpalisadiert,<br />

desgleichen auch das Blockhaus und bei beiden Schanzen angelegt; am<br />

Kespersteige haben selbige auch eine Schauze, die nur mitunter z. E. den<br />

A. ds. Ms. versuchten die preußischen Schanzen zu demolierend) Doch lst<br />

es ihnen nicht gelungen, sie sind vielmehr mit ansehnlichem Berlnst zurück-<br />

geschlagen worden, nachdem sie 3 Bataillone Infanterie zur Stnrmung uou<br />

') Das PostHaus befand sich in <strong>der</strong> Baumstraße (alte Nummer 797).<br />

') Vgl. Plllarets Tagebuch S. 12.<br />

') Den Iv. April.<br />

*) Am Dunzig.<br />

b) Über diese Kämpfe berichtet die Pommersche Zeitung vom 3. Mai ziemltt<br />

ausführlich.


tzo Tagebuch über die Pelagfrung Stettins im Jahre 1813.<br />

hier aus nach dem Zoll gesandt hatten. Am Morgen des gedachten Tages<br />

hat die Besatzung von Damm einen Ausfall gemacht, ist jedoch mit Verlust<br />

von einigen IM Mann, wie man sagt, zurückgeschlagen worden. Die<br />

schwedischen Schärenböte haben ihre Station verlassen und sind am ^. d. Ms.<br />

Anklamer Fähr passiert; sie gehen nach Stralsund zurück, wahrscheinlich<br />

um gegen Dänemark zu agieren, welches lcidcr in diesem kritischen Augenblick<br />

mit Schweden in Mißverhältnisse geraten ist.<br />

Gestern, als am 6. d. Ms., Donnerstags kam dnrch Briefe aus<br />

Drmmin die höchst erfreuliche Nachricht an, das; die Preußen unter ?>ork und<br />

die Nüssen uuter Wittgensleiu in <strong>der</strong> Gegend von Halle am 2^. April eine<br />

große Schlacht gegen den Aicekönig von Italien :c. gewonnen haben<br />

— Heute bestätigt sich diese erfreuliche Nachricht ') auf verschiedeuen Wegen<br />

aus Brcdow durch Schmeling, ans Kurow durch Se<strong>der</strong>t, aus Oreifenhageu<br />

durch Haeger. Am Sonntage, als d. 9. ds. Ms. soll im ganzen preußischen<br />

Mailde ein Tedenm gcsnngeu und vor unserer Stadt lM preußischen Vager<br />

Bivat geschossen werden. O könnten wir Einwohner doch auch an all dieser<br />

Freude teilnehmen, doch lei<strong>der</strong> ist diese zu <strong>der</strong> Zeit noch ziemlich entfernt,<br />

bei<strong>der</strong> genießen wir statt jener Freude nnr bittern Schmerz dnrch die endlosen<br />

Bedrückungen <strong>der</strong> französischen Behörden. — Aufs neue sind schon zum<br />

zweiten Viale eine Contributiou von 40 s)l)O Ntlr. ausgeschrieben worden;*)<br />

sie werden bezahlt werdeu, aber bis zum l,<br />

Sekt. 2. Stettin Nr. '25); er verdiente wohl gedruckt zu werden. Ani 1. Mai wurde<br />

die Kontribution von 40 000 Talnn ausgeschrieben; am 3. Mai beschlossen die Lt>idtverordneten,<br />

Ne durch Nepartition aufzubringen.<br />

') Vgl. Villarets Tagebuch S. I^l.


Taaebuch über die Velaacnma. Stettins im Jahre 1«l3. ftl<br />

kam selbst nach dem Holzhof nnd nahm alle Mannschaft weg, doch sind<br />

ein großer Teil wie<strong>der</strong> entsprungen. Am Sonntage d. 2. Mai ist Stolle<br />

wie<strong>der</strong> frei gekommen, desgleichen <strong>der</strong> Inspektor Bahl.<br />

Um jener Tatsacke <strong>der</strong> Schlacht am ^tt. eine an<strong>der</strong>e Wcndnng zn<br />

geben hat <strong>der</strong> Gonvcrncnr hcntc bctannt machen lassen, daß eine Schlacht<br />

vorgefallen, m <strong>der</strong> Nnsscn llnd Prellten total geschlagell worden sind; <strong>der</strong><br />

Vicctönig sei in Berlin angekommen, diese Stadt wäre größtenteils anf <strong>der</strong><br />

^ietirade dcrPrcnßen und Nllssen in Flannnell anfgegangen und ein ansehnliches<br />

Cntsaduugscorps sei bereits ans hier unterwegs. Mau sieht leicht ein, daß<br />

dies nur ^himairc ist, denn selbst die Franzosen und noch weniger die<br />

Hollän<strong>der</strong> glanbcn dieser infamen Vüge.<br />

Im Osterfeste hatten wir ein sehr trauriges Wetter, es war so kalt,<br />

daß ich mir anf dem Holzhofe kanm erwärmen konnte. Negen nnd Schnee<br />

nnd Hagel mit etwas Sonnenschein wechselten ad. Der Wind war größtenteils<br />

Vt. W. Das Wasser stieg zu ungewöhnlicher Höhe. Diese uugestümc<br />

Wilteruug hielt fast 8 Tag lang an; da wnrdc es etwas wärmer, <strong>der</strong> Wind<br />

ging im Osten mit einer trockenen Witterung. Jetzt haben wir abwechselnd<br />

Wlnd Ost nnd Südostwind gehabt. Das Wetter ist sehr schön, die Bäume<br />

stehen in <strong>der</strong> schönsten Mitte nnd versprechen ein gesegnetes Jahr, <strong>der</strong> Frost<br />

hat den Pliitcn nickt gcsckadet, doch könnte es noch leicht die Ningeranpe tnn.<br />

Den l 2. M a i, Vcttag. Hentc Morgen nm 7 Uhr haben die Franzosen<br />

einen Teil von Grabow nnd die Knpfernulhle angesteckt. Die Prcnßcn<br />

hatten am Montage als d. 10. ds. einen Parlamcntair vor Tor gesandt,<br />

<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sage nach die Nachrickt <strong>der</strong> für die Franzosen am L. ds. Ais. bei<br />

wichen verlornen Schlacht uberbracht hat nnd zugleich den Gouverneur<br />

ausgcsor<strong>der</strong>t habe» soll, die Stadt bmuell ^ Tagm zu übergeben, im an<strong>der</strong>n<br />

Falle sonn die ernsthaftesten Maßregeln gebrancht werden würden, indem<br />

fckon cm großer Teil des Belagcrnngsgesckühes angekommen sci. Der<br />

Gonvernenr hat hicranf erwi<strong>der</strong>t, daß erst etwas Bedeutendes vor <strong>der</strong> Stadt<br />

vorfallen müsse, ehe er sich bcsiunen köuue, sie zu übcrgebeu. Doch siud<br />

das uur Sagen im Pnbliko. Am Tonutage dem 9. ds. Nis. ist von Seiteu<br />

<strong>der</strong> Prcußeu vormittags 11 Uhr Victoria vor <strong>der</strong> Stadt geschossen worden,')<br />

und im ganzen preußischen Vande ist Tedenm gesnngeu wegen des Sieges<br />

am 2X. April bei Halle.<br />

Wie gesagt, so ist am 2. Mai bei stützen anf dem Schlachtfclde<br />

Gustav Adolfs wie<strong>der</strong>um eiue bedcuteude Schlacht zum Vorteil <strong>der</strong> Prcnßen<br />

gewesen, in welcher nnr diese allein gefochten habeu, ohne daß Russen,<br />

ausgeuommcn Kleinigkeiten, bei gewesen siud. Napoleon hat selbst kommandiert,<br />

') Von <strong>der</strong> Feier im vrenßisch-rusfischen Lager vor Stettin berichtet die<br />

Pomm. Zeitung vom 14. Mai.<br />

ValMchc Tmdlfn N. F. Xlll. 6


NI Tagebuch über die Belagerung Stettins im Jahre lftiö.<br />

desgleichen auch <strong>der</strong> König von Prellsien. Während <strong>der</strong> Schlacht ist kein<br />

Pardon von beiden Seiten gegeben worden, die Preußen haben mit unnennbarer<br />

Bravour gefochten. Von unserer Seite ist <strong>der</strong> General Vlucher leicht<br />

verwundet, General Scharnhorst im Schenkel, General Hünerbein soll geblieben<br />

sein. Von <strong>der</strong> französischen Seite ist Marschall Acrthier geblieben, Ney<br />

und Sonham schwer verwundet. Die Kavallerie hat etwa 10M Gefangene<br />

nach <strong>der</strong> Schlacht eingebracht. Am 5. soll wic<strong>der</strong>nm bei Qucrfurt, wohin<br />

Napoleon reliricrte, etwas Aedeuteudes vorgefallen sein; das Nähere weiß<br />

man noch nicht. Während ich dies schreibe, wird noch immer kanoniert,<br />

dell Ausgang <strong>der</strong> Sacke weiß ich noch nicht.<br />

Mai d. 10. Soeben morgens 11) Uhr geht die Nachricht dnrch<br />

ein Extrablatt <strong>der</strong> Handeschen Zeitung von Stargard ein, daß die Österreicher<br />

bereits mit 80 (!) Mann in Bayern eingeornngen sind und 80 000 Mann<br />

nach Italien marschieren. Österreich soll sich mit Sachsen vereinigt haben,<br />

unsere Partei zu ergreifen.<br />

D. 26. Heute haben wir die Nachricht, daß das Corps von Varclai<br />

de Tolly den General Lauriston bei Kömgswarthe geschlagen habe, 10 Kanonen<br />

erobert, 1500 Gefangene gemacht und das gan^e Corps von l!00l) Mann<br />

zerstört nnd anfgerieben. Nei ist mit 18 000 einige Meilen davon gewesen,<br />

doch hat )'jork ihn in Respekt gehalten. Die große verbündete Armee hat<br />

bei Bautzeu gestanden, ist von <strong>der</strong> französischen angegriffen worden, doch<br />

hat Kleist den Angriff rühmlichst ausgehalten; man spricht von eiller großen<br />

Schlacht, die im Verfolg dieses angefangen habe, doch fehlt die Bestätignng.<br />

D. 30. Mai. Es ist gewisi, daß die Österreicher <strong>der</strong> Alliance <strong>der</strong><br />

verbündeten Armee beigetreten sind.')<br />

D. 30. Mai. Heute wollte eine starke Allzahl junger kellte von hier<br />

gehen, man sagte 124 Personen, doch sind sie eines starken Auflaufes, den<br />

illfolge eines Streites Senator Wächter mit einem wachthabenden Offizier<br />

hatte, nicht ans dem Tor gelassen wordeu.<br />

5. Juni. Heute ist hier durch die Zeitung vom 3. Juni die höchst<br />

erfreuliche Nachricht eingegangen, daß Österreich sich mit Rußland und<br />

Preußen gegell Frankreich verbunden habe. Es sind bereits 2 hohe<br />

österreichische Offiziere ins preußische Hauptquartier, um die Dispositionen zu<br />

verabreden<br />

D. 8. Juni. Heute Abend nm 6 Uhr kam hier ein französischer<br />

Offizier als Conrier ans dem kaiserlichen Hanptquartier an, <strong>der</strong> die Nachricht<br />

') Alle diese Aufzeichnungen beweisen, wie langsam und falsch die Nachrichten<br />

vom Kriegsschauplatz nach Stettin kamen; sie zeigen aber auch, was man dort wünschte<br />

und deshalb zu leicht glaubte.


Tagebuch über die Belagerung Stettins im Jahre l8N. stH<br />

eines bereits abgeschlossenen zweimonatlichen Waffenstillstandes ') überbrachte.<br />

Der Gouverneur soll gegen den Oberbürgermeister Kirsteiu gesagt haben,<br />

daß dieses Ereignis dahcr tänie, weil <strong>der</strong> Kaiier Napoleon bereits in Vrestan<br />

angekommen sei und sein Hauptquartier sich dort befände, ferner daß Marschall<br />

Nei vor Äcrlin stände; er würde eingerückt sein, wenn ihn nicht die Nachricht<br />

des Waffenstillstandes abgehalten hätte. Infolgedessen müsse nnscr<br />

Velageruugscorps nnter dem General Tancnzien '2 Äicileu in die Nuude<br />

zurückgehen ulld wir könnten uns von nenem verproviantieren. Es ist<br />

augenscheinlich, daß diese Nachrichten französischen Ursprungs sind, und mit<br />

Gewißheit kann man annehmen, das; keine austcr die des Wafseustillstandes<br />

wahr ist Am wahrschciulichstcn ist's, daß Österreich dem französischen<br />

Kaiser gedroht babc, auf uusere Seite zu treteu, weuu er nicht Frieden<br />

mache. Die Nachrichten des Extrablattes vom 1. ds. bestätigen sich in <strong>der</strong><br />

Folge in Rücksicht des Beitritts von Österreich nicht ganz, und daß Napoleon,<br />

um nicht alles zu verlieren, sich endlich beqnemt habe, semem stolzen Plan<br />

zu cutsagcn und zuerst die Hand zum Waffenstillstand geboteu, dem ein<br />

baldiger Friede hoffentlich folgen wird.<br />

Der Gouverneur ncbst 3 Geueralen unter Eskorte von den 8 Cav alteri sten<br />

hieselbst sind hellte um 11 Uhr ins preußische Vager gefahreu.<br />

Deu 15. Juli. Seit Vekcnmtmachuug des Waffenstillstandes ist<br />

eigentlich in kriegerischer Hinsicht nichts Merkwürdiges vorgefallen. Der<br />

preußische General Tauenzien, <strong>der</strong> (Kommandeur des Belageruugscorps vor<br />

mlserer Stadt, sollte nach den WaffeustilMandsbedingnugen vou 5 zu 5)<br />

Tagen Lebensmittel für die Garnisou hereiilscuden, doch ist auch nicht das<br />

Geringste gekommen. Die Ursache liegt wahrscheinlich in dell vou frauzösischcr<br />

Ecitc uicht gehalteuen BcdlNgllngen betreffend die Fortsetzung <strong>der</strong> Schanz-<br />

arbeiten, denn diese sind selbst jcnt noch uunnterbrocheu fortgesetzt, weswegen<br />

auch <strong>der</strong> preußische General uicht zur Haltuug eiucs so wichtigen Punkt<br />

<strong>der</strong> Proviautjeuduug sich verpflichtet hielt. Doch siud das wlr N^ntmaßuugeu.<br />

Denu auch die gewaltsame Arretieruug <strong>der</strong> beideu Bürgermeister und des<br />

Baukdircktors Se<strong>der</strong>t^) welche in Fort Preuße» mehrere Wochen gesessen<br />

') Ter Waffenstillstand von Poischwih wnrde am 4. Juni geschlossen. Nach<br />

den Bestimmungen des Vertrages wurden die Festuugen Dauzig, Modlin, Zamoszk,<br />

Et et tin nnd Küstrin durch eine neutrale Zone von <strong>der</strong> Ausdehnung eines ^ieu von<br />

den Blockadetruwen getrennt; die Kommandanten dieser wurden verpflichtet, für die<br />

Verproviantier ung <strong>der</strong> in den Festungen eingeschlossenen Garnisonen angemessen zu<br />

sorgen (vgl. Pomm. Zeitung vom 2. Juli).<br />

') Die Gefangenschaft <strong>der</strong> Bürgermeister Kirstein und Nedepenning nnd des<br />

Vankdirektors Se<strong>der</strong>t ist nach Aufzeichnungen und Briefen <strong>der</strong> Gefangenen in <strong>der</strong><br />

Ostsee-Zeitung von 1907, Nr. 24! dargestellt worden. Dazu sn noch mitgeteilt, was<br />

die Pommersche Zeitung vom 16. Iull meldet: „Bekanntlich hat <strong>der</strong> französische<br />

Kommandant zu Stettin ohnlängst eine abermalige Summe bares Geld von <strong>der</strong><br />

6'


84 Tagebuch über die Belagerung Stettins in, Jahre<br />

haben, sowie auch die militärische Erekutionsbclegnng über Magistratsmitglie<strong>der</strong><br />

ultd luchrcre (5iuwohuer — mn uäuillch die frilhereu ansgeschriebcnen<br />

Contribntionen von 4


Tagebuch über die Belagerung Stettins im Jahre l«l3. ^><br />

nnr in Casse habe. Mit den Lebensmitteln geht es noch an. Die Vrchmern<br />

hat seit dein 1. ds. Ms. aufgehört zu speisen; wir essen zn Hanse also nnd<br />

sind dis ielzt noch nie huugng vom Tische aufgestanden.<br />

D. 4. All gli st. 13. Im vorigen Monat, d. 1^., erhielten wir<br />

infolge <strong>der</strong> nicht bezahlten Coutributiou von :">M Ntlr. E^etntiou. Es<br />

waren 4 Mann, die, nachdem ich mit denselben wegen Bezahlung von<br />

Ili Gr. für ihre Verpflegung nnd an<strong>der</strong>e Kleinigkeiten einig geworden war,<br />

ziemlich ruhig nnd vernnnftig waren. Am Montage nm 4 Uhr Nachmittag<br />

wurde sie wie<strong>der</strong> abgenommen, dagegen aber unsere Keller versiegelt, indem<br />

<strong>der</strong> Gonvernenr sich durch den znr Mpartitwn nicht gehörenden Wem bezahlt<br />

machen wollte. Die Bürgerschaft repartierte endlich,') nach welcher Ncpartition<br />

wir 15)0 Ntlr. bezahlen follteu. Dem ohngcnchlct ward unser Keller doch<br />

nicht geöffnet nnd wir mimten mit Bewilligung <strong>der</strong> Kommission <strong>der</strong> Wciu-<br />

häudlcr :j''L ^,xhoft zum Behuf <strong>der</strong> Geueralität liefern. Vorige Woche<br />

Sonnabend den ^i). Juli giugcu die Frauzoseu mit Seuseu u. s. w. uuter<br />

Bedeckung von ^ Batailloucu vors Tor uud mähten alles Getreide ab,<br />

welches innerhalb ihrer Borpostcukettc steht nnd fuhren solches teils in die<br />

Werte vor dem Anktamcr Tor, teils ans dell grünen Paradeplah.") Die<br />

Prensten wollten es verhin<strong>der</strong>n, doch sagt mau, das; eiu Parlamentair die<br />

Sachen in Drdnnng gebracht habe, wonach denu auch die Franzosen anfhörtcn<br />

von den Wällen zu fcucrn. Eiu heftiger Platzregen uud öfterer :!legeu habeu<br />

aber das Getreide so vcrdorbcu, dak weuig davou zu gebraucheu sein wird.<br />

Aul Montag d.


86 Tagebuch über die Belagerung Stettins im Jahre<br />

Gestern, als am Geburtstage unseres Königs,') batten mehrere Ein-<br />

wohner ihre Haustüren mit Krausen u. s. w. behaugeu, uud am Meud hatten<br />

einige beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Unterstadt die Fenster illuminiert, lim !)V» Uhr<br />

schickte <strong>der</strong> Gouverneur Patrouillen aus, um alles dies zu zerstöreu, die<br />

französi'chen Offiziere, ia selbst <strong>der</strong> Gouverneur, wie man sagt, sollen mit<br />

eigcueu Händeu die Feuster, au deueu sie ^icht gesehen, zerschlagen uud<br />

eiugeworfeu habeu.') Es war viel Veben auf den Straßen, doch giug alles<br />

vou seilen <strong>der</strong> Bürger ruhig uud friedlich ab.<br />

Hellte Morgen ist Stolle uach Fort Preußen geschickt zur Strafe,<br />

daß er nicht diese Illuminatimi verhin<strong>der</strong>t habe. Der Gouverneur soll<br />

gedroht habeu, die Stadt unisse 10000 Ntlr. Strafgel<strong>der</strong> bezahlen.<br />

O Zeiten <strong>der</strong> Barbarei, wo es ein Verbrecheu ist, den Geburtstag seines<br />

geliebten Königs zn feiern. Ewig wird es dcu sonst zivilisiert sein wollenden<br />

Franzosen znr Schande gereichen, solche Nichtswürdigkeiten zn begehen.')<br />

Den 11). Angnst. Die Franzosen haben den Gebnrtstag des Kaisers<br />

anch gefeiert nnd zwar auf so eine zügellose Weise, wie nur möglich, iudem<br />

dell ganzen Tag hiudurch uud besou<strong>der</strong>s am Abend alles aus den Fcustern<br />

schoß, was nur ein Gewehr hatte. Jede Befehle <strong>der</strong> oberen Offiziere waren<br />

fruchtlos, bis das; dieser Sveltale! endlich um 11 Uhr gestillt wurde. In<br />

<strong>der</strong> katholischen Kirche ward Hiesse gelesen, wozu die reqniriertcn deutschen<br />

Musici Walzer n. s. w., unter an<strong>der</strong>n auch dell Marsch <strong>der</strong> Madame Chanzeley<br />

gespielt haben. Zn Mittag war Tafel beim Gouverueur. Mehrere Offiziere<br />

hatten anch den Abend ihre Zimmer illumiuiert, und nm 10 Uhr brannte<br />

ein kleines Feuerwerk auf dem Paradeplatz. Die Zeitung vom IA. soll<br />

enthalten, daß <strong>der</strong> Kaiser eine Verlängerung des Waffenstillstandes bis zum<br />

1. Oktober verlaugt habe, daß diese zwar zugestanden, doch mir <strong>der</strong> Oedin-<br />

gnng nur, daß die Odcrfestungeu geräumt und die Franzosen sich bis<br />

hilltcr die Elbe zurückzögen. Da dies schwerlich angenommeu wird, so<br />

') 3. August. Vgl. Villarets Tagebuch, S. 23.<br />

2) DasslN'e wiid in dem Berichte über die Köniasgeburtstaasfeier in Stettin,<br />

die in <strong>der</strong> Ponlm. Zeitung vom 1^. August enthalten ist, berichtet.<br />

2) In einem Scl reiben ans Slewn vom 12. August, ans dem die Pomm.<br />

Zeitung vom ^?. August Mitteilungen bringt, heißt es: „Seit acht Tagen sind<br />

wenigstens 1«XX) Einwolmer Stettins ausgewan<strong>der</strong>t; sie bringen nichts mit als<br />

bleiche Gesichter und das wenige, was sie mit sich zu tragen vermögen. Papier und<br />

Geld dürfen sie bei Todesstrafe nicht mitnehmen. Tie Not in Stellin ist sehr groß;<br />

das Pwnd alte Faßbutter tostet 5 Taler, nur Weil! ist wohlfeil. Die Franzosen haben sich<br />

aller Weine bemächtigt und verkaufen das Quatt von <strong>der</strong> besten Sorte fm' 4 Groschen.<br />

— Wäre Stettin uu Jahre 1K00 den Bürgern zur Verteidigung anvertraut gewesen, so<br />

würden die Franzosen die St.idt nicht so leicht erobert h.ibcn. Hosient lich wird <strong>der</strong> König uns<br />

Bürgern, wenn Stettin jetzt eingenommen ist, die Verteidigung anvertrauen. Er<br />

kann gewiß sein, das) solange ein Bürger lebt, kein Fcino die Festung erobern wird."


Tagebuch über die Belagerung Stettins im Jahre 1ft!3. 57<br />

hofft man mit Perlangen, daß die Feindseligkeiten angehen werden und<br />

wir hier endlich von dem nnendlichen Druck befreit werden. Der Kronprinz<br />

von Schweden ist den 12. und 1:5. d. hier vor <strong>der</strong> Stadt gewejeu, hat<br />

alle Truppen gemustert; bei einer näheren Necognosciernng hat man vom<br />

Fort Prenßen ans zweimal auf ihn geschossen. Er hat daranf einen Obersten<br />

<strong>der</strong> draußen gewesen, znr Rede gestellt und ihm das nnrechtmäßigc Ver-<br />

fahren, während des Waffenstillstandes anf ihn zu schießen, zur Bestellung<br />

an den Gouverneur aufgetragen.') Es sollen auf dem Dammschen See<br />

auch 7 Kauouenjchalnppeu angekommen sein. Der Kronprinz soll anch gleich-<br />

falls den 13. auf dem Dammschen See gewesen sein nnd alles besichtigt<br />

haben. In <strong>der</strong> Nacht vom 14. auf d. 15. haben die Preussen zwei große<br />

Schanzen anf dem sogenannten Kosakcnberg nnd in <strong>der</strong> llellen Wict angelegt;<br />

man vermntet, daß <strong>der</strong> erste Angriff anf Fort Preußen und Damm nnd die<br />

Zollschanzen sein wird, man erwartet mit Schnsncht die Annäherung dieser<br />

Zeit. Die Lebensart wird schon sehr schlecht. Durch die frischen Kartoffeln,<br />

die mau von <strong>der</strong> Wirk mit großer Muhe hereinbringt nnd wovon man<br />

dieMetze mit 10 Gr. Münze bezahlt, hatte ich mir emc Art von Ruhr zugezogen,<br />

doch hoffe lch, baß dieser Anfang <strong>der</strong> Krankheit dnrch die dagegen ergriffenen<br />

Mittel des Hnngcrs noch in <strong>der</strong> Geburt erstickt werden.<br />

D. IN. August. Heute ist ein Parlamentnir angekommen, <strong>der</strong> die<br />

Anzeige <strong>der</strong> Auftuudiguug des Waffenstillstandes brachtet) Bis jetzt, nach-<br />

mittags 2 Uhr, ist noch alles rnhig.<br />

Ausgang Juni ließ mir <strong>der</strong> Commandant Henry zu sich rufen<br />

nnd vertrante mir mit einer geheimnisvollen Miene, daß wie<strong>der</strong>um eilte<br />

Nachfrage nach Lebensmitteln und beson<strong>der</strong>s nach Wein stattfinden würde,<br />

und riet mir, die unter dem Torwege mit Stroh bedeckt gelegenen circa<br />

6 Oxh. Wein sofort uud schleunigst bei Seite zu schaffen. Zch bat ihn,<br />

mir einen guten Nat zu geben anf welche Art das am besten zu bewerk-<br />

stelligen fei, und er erbot sich, den Weil« in den kleinen Verschlag auf<br />

seinen Hof zu nehmen. Ich war erst zweifelhaft, ob ich dies tnn könnte,<br />

denn würde er dort gefunden werden, so wäre er unleugbar konfisciert<br />

sein, doch aber stimmte Heidemann, daß wir den Wein dorthin brächten,<br />

indem, wenn in unserm Keller dieser Wein, <strong>der</strong> nicht mit angegeben sei,<br />

gefunden würde, er unwi<strong>der</strong>ruflich confisciert sei; da doch immer zu hoffen<br />

stehe, daß er hinten sicherer sei und wir keine Vorwürfe zu erwarten hätten,<br />

wenn wir alles anwendeten, um diese 6 Oxh. zu rctteu.<br />

Den an<strong>der</strong>en Morgen nm 4 Uhr ward es veranstaltet, daß <strong>der</strong> Wein<br />

dorthin geschafft würde und Mad. Henry gab mir auf ihre Tasche klopfend<br />

') Hierüber berichtet ausführlicher die Pomm. Zeitung von, 23. August.<br />

') Ter Waffenstillstand war am 16. August zu Ende.


fttt Tagebuch über die Belagerung Stettins im Jahre<br />

die Versicherung, daß dieser Wein sicher sei, denn sie selbst trüge den<br />

Schlüssel vom Keller bei sich, nnd nicht ein Tropfen solle davon lommen.<br />

Nachdem die Visitation beendigt war nnd nnser Keller dennoch nicht ver-<br />

siegelt wnroe, so waren wir ruhig nnd warteten die Ereignisse, die danach<br />

kommen würden. Aeneke riet den Wein hinten fort zu nehmen, doch H.<br />

ttnd ich stimmten dawi<strong>der</strong>, indem man noch nicht wmen tonne, was da<br />

kommen würde, und dieser Wcin dort sicherer läge wie selbst in miserem<br />

Keller. Dieser wird denn anch wirtlich dnrch den Lombard <strong>der</strong> nicht<br />

bezahlten Contribntion von 5M Ntlr. wegen versiegelt, nnd wir mußten<br />

nnterm 2tt. Inli 3'


Tassebuch über die Belagerung Stettins im Jahre<br />

verweigerte er mir denselben, indem cr behauptete von <strong>der</strong> Abholung des<br />

Weines nichts zll wlsscll. Ich verwies ihn ali Henry, <strong>der</strong> es wissen iilüssc,<br />

doch dieser jagte, dan er ebensowenig davon unterrichtet gewesen sci, indcin<br />

cr die Nacht über anis Bnrean beim Gonvcrnenr gewesen sei. Dann,<br />

erwi<strong>der</strong>te ich, müsse Madame es wissen, doch sie will geschlafen haben, nnd<br />

demohugcaclitct batte lnan mir nm ^ llhr die Anzeige geiuncht, daß cr<br />

abgeholt sei. Daß dies alles eine sein angelegte Intrignc ist, liegt klar<br />

am Tage. Ich wollte sogleich znm lNouverueur gehen nnd dein die Au>clgc<br />

dieser Gewalttätigkeit machen, doch Hcldemauu rict Nlir, erst mit dem<br />

Aricgston'.missar Lombard zu sprechen. (5s geschah, doch wußte dieser nichts<br />

von einer, vom Gouverueur gemachten Neanisition. Wir vernichten noch<br />

den gütlichen Weg und wollten ans diesem cineu Bon von Henry erhalten,<br />

doch wollte er sich ans nichts einlassen und nahm die Erklärung, daß ich<br />

dein Gonuernenr Anzeige machen wollte, mit Berwnndcrnng ans, warnm<br />

wir die« nicht schon längst gelall hätten.<br />

So kam <strong>der</strong> Mittwoch d. 4. Angnst heran, und Heidemauu reiste<br />

fort. Ich ging zn Vombard, nm mit dein die Sache zu besprechen, nud<br />

er riet mir, dem Gouverucur zn schreiben, daß zn dcr bestimmten Zeit<br />

M Oxh. 4 Acht. Wein nach seiner Ordre vou einem ^iäe lio clnnpF nm<br />

4 Uhr Morgens am 2. August abgeholt worden sei. Ich erhielt in 3 Tagcu<br />

keine Antwort und schrieb zum zweiten Male. Nach einer halben Nunde<br />

erhielt ich die Anzeige, daß <strong>der</strong> Gouverneur keine Ordre znr Abholnng des<br />

Weines gegeben, daß ich sofort denjeuigeu allzeigen sollte, <strong>der</strong> sich dieser<br />

Ordre bcdieut habe, uud inlfallc ich di^ uicht löunte, er Mich für meiue<br />

lügenhafte Äußerllug bestrafeu würde. Ich zchrieb ilnn also sogleich dcu<br />

Hergang <strong>der</strong> Sache und wartete .'> Tage vergebens anf Ailtlvort.<br />

batte Henry mir dnrch Benekc fagen lasscil, daß ich den 1'5.<br />

uin 1^ llhr beim Gouverneur konilnen sollte. Ich ging anf die<br />

Minute hm, doch war <strong>der</strong> Gonvcrnenr bereits ausgefahren, und ich erhielt<br />

dell Bescheid, daß cr mich würde wie<strong>der</strong> rufeu lassen, wenu er mich sprechen<br />

wollte. Endlich am Dienstag d. 17. Anglist ließ Henry dnrch sein Dienst-<br />

mädchen mir anzeigen, daß lch um 1 Uhr beim Gonuerneur kommeu sollte.<br />

Ich ging znr bestimmten Stnnde hin und fand dell (_>'!,^t'


90 Tagebuch über die Belagerung Stettins im Jahre I8l3.<br />

nähere Details anzugeben, wo die Tatsache spricht, — seine Behauptung<br />

bekräftigen wollte. Ich wandte mich ini Gespräch an Mr. Henry und<br />

versicherte ihm, daß ich ihn stets für eiuen rechtschaffenen Wann gehalten<br />

habe. Thynol eröffnete mir im Namen des Gouverneurs, daß er mir<br />

sogleich nach Fort Pienßen bei Wasser und Brot schicken wollte, wo ich<br />

solange sitzen solle, bis das Bombardement angehe, — und rief er ans.<br />

Sie sollen selbst während des Bombardements sitzen; es ist mir nichts an<br />

Ihrem ^cben gelegen; <strong>der</strong> eine so lügenhafte Anklage gegen einen Offizier<br />

S. Majestät des Kailers erhebt, verdient eine solche Bestrafung. Daß<br />

das nnr Drohungen waren, glanbte ich wohl, doch aber konnten sie leicht in<br />

Erfüllung gehen uud abgesehen von meiner persönlichen Gefahr, fo konnte<br />

ich doch nnmöglich das Hans verlassen, alles im Stiche lassen nnd dennoch<br />

mit aller Aufopferung doch meinen Plan znr Erhaltung eines Bons nicht<br />

durchgesetzt sehcu. Ich erwi<strong>der</strong>te Thyriol mit Festigkeit, daß ich bei so<br />

bewandtcn Umständen nicht glanbte ohne ein rechtmäßiges Urteil verdammt<br />

werden zu können, daß ich dieses erst erwarten wollte. Sement mischte sich<br />

jetzt wie schon früher ins Gespräch nnd sagte: Sehen Sie, ich habe Ihnen<br />

es im voraus gesagt, daß es so kommen würde, wenn Sie sich unterfingen,<br />

beim Gouverneur klagbar zu werden :c. Die hämische Freude dieses<br />

Menschen lachte ihm recht ans den Angen. Bei Fortsctznng <strong>der</strong> Unter-<br />

haltung gab ich Henry noch einmal die ^ersicheruug meines Glanbens an<br />

seine Ncchtsckaffenheit, und Thyriol for<strong>der</strong>te mich ans dem Henry dieses<br />

schriftlich zu geben, worauf ich deuu ihm einen Zettel einhändigte, in<br />

welcher ich vor S. Erc. dem pp. Gouverneur erklärte, daß ich nichts von<br />

diesen: Henry zu rcclamieren habe und daß ich die Ausdrücke in meinem<br />

Schreiben au den Gonvernenr, die etwa gegen die Achtung desselben sein<br />

könnten, wi<strong>der</strong>rufe. Nachdem Henry dies in Händen hatte, bot er mir<br />

wie<strong>der</strong>um seine Freundschaft an, alles solle vergessen nnd vergeben sein,<br />

worin ich deuu auch lei<strong>der</strong> durch den Drang <strong>der</strong> Umstände gezwungen<br />

einwilligen mußte.<br />

Meine Gründe, weswegen ich bei <strong>der</strong> ganzen Verhandlung so handelte,<br />

sind folgende. Wie ich bei Lombard am Mittwoch d. 4. August war, frug<br />

er mir: „Was glanben Sie, wer kann den Wein genommen haben? Ich<br />

bedarf Ihrer Meinung, nm durch diese <strong>der</strong> Sache auf die Spur zu tommeu."<br />

Ich erwi<strong>der</strong>te lhm, daß ich ihm diese Mcinuug nicht sagcu könne, indem<br />

mir zur Bekräftigung desselben die nötigen Beweise fehlten. „Nun so<br />

will ich Ihnen meine Meinung sagen, entgegnete er, ich glaube, daß<br />

Mr. Henry deu Wem genommen hat o<strong>der</strong> doch znm wenigsten weiß, wo<br />

er geblieben ist." Nun konnte ich ilnn auch wohl gesteheu, daß das auch<br />

mein Glaube sei. Die Ursache zu diesem Verluste liegt nur in dem<br />

Glanben an die Nechtschaffenheit Henrys, ein Glaube, <strong>der</strong> durch die Auf-


Tagebuch über die Belagerung Stettins im Jahre 1813. Nl<br />

fordenmg Hn. v. E. bei seiner Abreise — mich an Henry zu wenden,<br />

wenn ich in Verlegenheit sei — bekräftigt ward. Ich hiittc den Wein ans<br />

Vehnekes Anraten von hinten fortnehmen können, doch blieb mir immer<br />

noch die Ungewißheit <strong>der</strong> zukünftigen Dinge nnd Ereignisse nnd dann war<br />

heidem. nnd ich <strong>der</strong> feslen Mcinnng, daß diese Weine dort bei Henry<br />

sicherer lägen, als selbst in nnscrem Keller.<br />

Meine Klagen beim Gonvernenr konnten mir nichts frnchten, denn<br />

es liegt klar am Tage, daß selbst TlMiol, sowohl wie Scment mit in dein<br />

Complot verwickelt waren; wenn man mir auch nach Fort Preußen gesetzt hätte,<br />

so würde ich doch keineswegs ein Von erhalten haben, nnd ich hätte<br />

Henry dnrch meine Weigerung, ibm eine schriftliche Ehrenerklärung zn<br />

geben, nnr noch mehr gegell mich aufgebracht. Allgemein geht jetzt hier<br />

das Gerücht, daß die förmliche Belagerung angehe. Wcr steht dafür, daß<br />

nicht von Seiten <strong>der</strong> Franzosen große Unordnungen in <strong>der</strong> Stadt gemacht<br />

werden? Kann nicht Henry ans Nache selbst eine Anzahl Franzosen znr<br />

Plün<strong>der</strong>ung ins Vor<strong>der</strong>haus führen? Denn seine Tür dnrch den Torweg<br />

kann ich so scst nicht versichern lassen, daß diese <strong>der</strong> Gewalt wi<strong>der</strong>stehen<br />

könnte. Er weiß, daß wir einen Teil nuseres Weines verborgen haben, er<br />

kennt sogar die Stelle; würde er nicht eben ans Nache wie<strong>der</strong>um allen<br />

möglichen Schaden uns zngesügt haben. Dies sind meine Hauptgründe<br />

zu meiner Handlungsweise; es ist traurig und nie<strong>der</strong>schlagend für mich,<br />

daß selbst bei dem besten Willen ich durch die Treulosigkeit eines Menschen,<br />

<strong>der</strong> das Vertrauen des Herrn v. E. besaß, anf eine fo gemeine Welse<br />

betrogen worden bin.<br />

D. U>. abends 6 Uhr. Die 7 Kanonenböte sind bis iu <strong>der</strong> Mün-<br />

dung des Dunschs vorgerückt.<br />

D. 21. Die 7 Kanonenböte haben einen Angriff anf Damm gemacht,<br />

nachdem fic sich bis nach Plönenort gezogen halten; indessen ist dieser<br />

Angriff nicht von Erfolg gewesen.<br />

D. 25. August. Die Preußen haben in dieser Nacht einige<br />

20 Granaten in Fort Preußen gesandt, wovon 3 Stück gezündet haben.<br />

Doch ist das Feuer bald gelöscht worden. Heute früh bei Tagcsaubrnch<br />

habcu die Franzosen Torney angesteckt, doch find einige Häuser stehen<br />

geblieben.')<br />

D. 26. Aug. Die Preußen habcu die Lohmuhlen angezündet, und<br />

ist iu dieser Nacht ein ziemlich starkes Bombardement gewesen. Eine<br />

') Pomm. Zeitung vom 13. September: „Am 25. August hat die französische<br />

Besahung zu Stettin den vor dem Berliner Tor gelegenen Torney (eine Gruppe<br />

von Landhäusern) abgebrannt und den Eigentümern emen Schaden von mehr als<br />

200000 Talern verursacht."


32 Taqelmch über die Belagerung Stettins im Jahre INlA.<br />

Granate ist auf dem weißen Paradeplat?^) zersprungen, wovon ich ein Stück<br />

in Händen gehabt habe. Um 4'/« Ubr heute Nachmittag ist wie<strong>der</strong> slart<br />

geschossen, und in eine zweite Granate bei <strong>der</strong> Petritirche gesprungen; es ist<br />

jetzt 10 Uhr abends, uud mau erwartet wie<strong>der</strong>um einen Angriff diese Nacht.<br />

Alle Spritzen und Feuerleitern werden diesen Augenblick noch in die Nähe<br />

des Strohmagazins ans den weisen Paradeplatz gefahren.<br />

D. 30. August. (Acstcru Abend um 10 Uhr singen die Belagerer<br />

an mit Haubihgranatell, die Stadt zu beschießen. Einige fieleu in unserer<br />

Nähe uud habcu iu den Kircheuhänsern nnd in <strong>der</strong> Äollenstraüe^) manchen<br />

Schaden angerichtet, auch Äoissons Haus am Nosnuartt ist das Dach gänz-<br />

lich zerschossen. Eine Granate ist gerade vor Schultzens Hanse,'') ivo <strong>der</strong><br />

Gouucrueur, auf das Steinpflaster allfgeschlageu, hat die Steine<br />

gesprengt und in Iustizcomlu. Krügers Halls iu <strong>der</strong> Möncheustrapc<br />

hiuciugcfahreu.<br />

D. ^!1. August. Heute ist hier die Bestätiguug <strong>der</strong> Schlacht bei<br />

Großbceren eiugctroffcu. Die Franzosen sind geschlagen<br />

Gestern Morgen soll ein Parlnmeutair mit 48 Stunden Bedenkzeit<br />

die Stadt anfgefordcrt haben. Es ist deu Franzosen freier Abzug zuge-<br />

standen; wo nicht, so solleu die Arbeiten auqefangcn werdeu, und wellll<br />

die Franzosen sich ergeben müssen, so müsseu sie alle uach Sibirien.<br />

D. 2. Sept. Es ist hier jetzt eiu verdammtes ^eben. Jede Nacht<br />

schießen die Preußen mehrere (Granaten in die Stadt. Eine ist ans den<br />

Henmarkt gefallen vor Seberts Hanse/) wie<strong>der</strong> nur ciuc in <strong>der</strong> Bollcnstranc,<br />

die dritte platte in <strong>der</strong> Vnft nber Äcrgeulanns Hause/) welches so einen<br />

Knall verursachte, daß <strong>der</strong> Dncttor uno ich aus dem Äettc ftlhrcn und<br />

sicher glaubteu, daß sie auf unsern Hof nie<strong>der</strong>gefallen sei. Alls Navensteius<br />

Hose sind Stncke hingefallen, nnd Aergcmanus Haus ist beschädigt. Man<br />

kann schlechterdings nicht begreifen, wozu die Preussen die Stadt beschießen,<br />

deuu die Franzosen nllarlnicrcu sic hierdurch keineswegs, <strong>der</strong> (honuerneur<br />

hat Ordre gegeben, daß je<strong>der</strong> Soldat ruhig schlafen soll. Heute mußten<br />

wir wie<strong>der</strong>um ^'2 Txh. Wem liefern.<br />

Den :!. Sept. In dieser Nacht haben die schwedischen Kanonen-<br />

böte deu Zoll beschossen, das Feuer fiug gegen 4 Uhr morgens au uud<br />

endete 5' 4 Uhr. Die Brücke ist statt beschädigt. Der Donner <strong>der</strong><br />

1) Der heutige Köniasplah.<br />

2) Die Volleusttaftc ist die Noßmarktstraße zwischen <strong>der</strong> kleinen und großen<br />

Tomssrasie.<br />

2) Kommerzienrat Schultze besaß das Hans am Noßmarkt, in dem sich hentc<br />

die Neichsdant defindet.<br />

V' Henmarktstraße N. 5 (W. Schlntow).<br />

') In <strong>der</strong> unteren Schulzcnstraslc lNo. 26—?»''.


Taaebnch über- die Velanenmg Stettins im Jahre<br />

3tt Pfüu<strong>der</strong> drang dis hin .^ur Oberstadt, das; selbst uuscrc Feilster hier<br />

erzitterten.<br />

D. 6. Heute müssen wir wie<strong>der</strong>nm 7 O^h. Wein liefern. Die<br />

Zeitnngcn vom :>N. Augnst sind hier nnd enthalten die Siege des Kron-<br />

prinzen voll Schweden bei Bclzig über die Corps <strong>der</strong> Herzöge von Padua<br />

nnd Neggio und General (Aveuuier, desgleichen die Anzeige <strong>der</strong> Siege des<br />

General Blücher an <strong>der</strong> Kahbach vom ^. August.<br />

D. 7. Hcnte in dnrch ein Extrablatt <strong>der</strong> Stargardcr Zeitnng die<br />

Nachricht <strong>der</strong> grosieu Schlacht vom ^. September. Das Vcbeu hier ist so miserabel, dan es über<br />

alle Beschreibung gcht. Dcr Bürger hat fast nichts mehr zn csscu nnd<br />

mehr denn 10l)00 Menschen') sind bereits ausgewan<strong>der</strong>t. Der Ort ist so<br />

öde, daß Ulan ihn nicht wie<strong>der</strong>erkennen würde. Nur Militär sieht man,<br />

aber auch dieses leidet scholl Hunger. Das Fleisch ist schon längst all<br />

aufgezehrt, nur einige Kühe flehen noch hier nnd da hernm bei Offizieren,<br />

die die Milch davon bcnukeu uud welche für die (Ncueralität aufgehoben<br />

werden. (5in Pfund Speck kostet 1'/» Tlr. Conr., Bnttcr ist garnicht mehr<br />

vorhauden, ein Huhn l^z Tlr., eiu Ei 4 l^r. Cour., ciue Metze Kartoffclll<br />

IL Tlr. Crt.") Der Mangel ist über alle Beschreibung groß. Zu diesem<br />

Unglück kommt nnn noch, daß die Weiuhäudlcr alleu Weiu, oeu sie habell,<br />

lieferu nlüsseu. Zu diesem C'ude siud bereits während <strong>der</strong> letzten Tage<br />

75 Oxh. Wein aus Militär dlstlibuicrt wmoeu. Täglich werdeu ^.'> Oxh.<br />

erfor<strong>der</strong>t, und nun wann dcr Soldat dell ^cin erhalten hat, so vertauft<br />

er die '/< Quart Wein an die Kleinbürger für.')—6


i)4 Tagebuch über die Velagernnss Stettins im Jahre 1«13.<br />

Brotmehl vermischt. Man hofft, daß mit Schluß des Monats das Schicksal<br />

Stettins entschieden sein wird, entwe<strong>der</strong> kommt Entsatz dnrch Eckmilhl,<br />

woran die Franzosen glanben, o<strong>der</strong> aber Eckmnhl wird geschlagen, nnd die<br />

hiesige Besatzung kapituliert. Misnnnt und Nie<strong>der</strong>geschlagenheit findet<br />

man bei jedem Bürger an <strong>der</strong> Tagesordnung, denn die Requisitionen nnd<br />

Contribntionen nehmen gar kein Ende. Wicdcrnm sind für jetzt 4


Tagebuch über die Belagerung Stettins im Jahre 18l3. !^><br />

sie und verzehren o<strong>der</strong> verlaufen die Hinterkeulen für Hammelbraten an die<br />

Einwohner.<br />

D. !b. September. Heute sind zum ersten Male AN Pferde<br />

geschlachtet, welche ans 2 Tage hinreichen, den '5. Tag bekommt das Militär<br />

etwas Grütze, Neis, Granpen :c., was man noch so hin nnd wie<strong>der</strong> hat,<br />

und den 4. Tag Wein, Je<strong>der</strong> Soldat erhält ungefähr 1", Psd. Vrot<br />

täglich hierzu, weil auch hieran <strong>der</strong> Mangel schon bedeutend wird. Die<br />

Pferde sollen anch nicht lange gegenhalteu, iudem alle 4 Tage also 3


^l'» Tagebuch über die BclastenlNss Stettins im Jahre<br />

Das Militär erhält auch niätt mehr soviel Wcin wie gewöhnlich, son<strong>der</strong>n<br />

alle tt Tage nur 5>0 Oxh. verteilt werdeu. Dazll werden alle Tage N><br />

bis 18 Pferde geschlachtet. Die Franzosen sollen noch ans ca. 2 Monate<br />

^ebcnstltittel haben.<br />

In <strong>der</strong> Nacht vom 27. auf den 2N. ds. Ms. haben die Preußen,<br />

wie man sagt, die ersten Traucheeu gegcu Fort Prenstcn eröffnet; sie haben<br />

rechts uud links vom Möhringschcn Wcgc Veillll'alld, wie ulls schciut, aus^<br />

gcspaunt, lvohiuter sie arbeiteu. N^all weiß noch llicht eigeutlich, was sie<br />

dahinter machen, aber wahrscheinlich wird es ans einen Angriff auf Fort<br />

Prcufteu abgesehen sein. Des Nachts snchen die Franzosen voll Fort<br />

Preußcu aus dieses zu zcrslöreu, doch ists ihueu uoch keilt Mal gcluugcu.<br />

Den ^. Oktober. Hellte habe ich zum crstcu ^iale Pferdefleisch<br />

gegessen, welches mir ziemlich gut schmeckte. Wcuu ich aber nicht so grossen<br />

Huugcr gehabt hätte, würde ich mich schwerlich dazu vcrstauden haben.<br />

Den 4. Oktober. Hellte sind wie<strong>der</strong>nm 900 Menschen aus-<br />

gewau<strong>der</strong>t, so das; im ganzen lallt Allzeige <strong>der</strong> Polizei noch etwa 6000<br />

Seelen bürgerlichen Standes in <strong>der</strong> Stadt sind. Von diesen sind im<br />

September-Monat W Seelen, teils durch Krankheiten, die llicht zu Heileu<br />

wareu, tells aber durch min<strong>der</strong>e Pflege, indem es dell leichter Kraukeu au<br />

Unterhalt fehlte, gestorben. Vom Polizeidireklor Stolle habe ich diese<br />

Anzeige.<br />

2 Stuudeu später. Soeben geht aus dem Lager die Nachricht ein,<br />

daß Napoleon Dresden am 27. Sevlcmber verlassen habe, die Magazine<br />

drin allgesteckt uud sich nach Erfurt zurückgezogeu habe<br />

Vou <strong>der</strong> Coutributiou hat <strong>der</strong> hiesige Gouverueur die 3. Quote von<br />

10000 Ntlr. abgelassen, desgleichen bliebt er sich die Requisition von<br />

6000 Ps> Tabak nnd die <strong>der</strong> verlangten Schuhe für die Soldaten.<br />

Unverbürgten Nachrichten zufolge foll er auch !5>0 Ozh. Wem vou <strong>der</strong><br />

letzteu HtcPlisitl'ou <strong>der</strong> :>5>0 erlassen habcu. Alles siud gute Anzeigen, daß<br />

die Franzosen nns bald verlassen werden, man hofft, daß binnen 3 5. 4<br />

Wochen unser Schicksal eutschledcn sein wird.<br />

Gestern ist ein Franzoie, <strong>der</strong> desertiert und wie<strong>der</strong> eingebracht worden<br />

ist, ans dcm Paradcplatz um 12 Uhr erschosfeu worden.<br />

Dicustag, d. 5>. Oktober. Heute habcu die schwedischen Kanonen-<br />

böte unter Begünstigung eines starken Nebels die Schanze von Damm<br />

und Damm selbst sowie den Zoll beschossen. Sie singen nm 9 Uhr des<br />

Vormittags all und fuhren bis II Uhr fort. Im ganzen habeil sie wellig<br />

o<strong>der</strong> nichts ausgerichtet, deuu alles, was sie an Palil'adcu zerschosseu haben,<br />

wird wie<strong>der</strong> repariert; im übrigen ist öfteres Schieben teils von dranßen, teils<br />

von den Wällen, so daß mall wellig darauf reflemert, indem es zur<br />

Gewohnheit wird. Die Lebensart des Mllttärs ist jetzt schon miserabel


Tagebuch über die Belagerung Stettins im Jahre 1813. 97<br />

schlecht, und man hofft, daß binnen wenigen Wochen die Festung in Händen<br />

<strong>der</strong> Preußen sein wird.<br />

Den M. Oktober Sonntags. Das Schießen nimt anch hente<br />

seinen Anfang, doch beklimmen man sich wenig darnm. Der Schade, so<br />

dnrch Bombardement ans den Stanzen des Zolls nnd Damms geschehen,<br />

ist schon wie<strong>der</strong> hergestellt. Astern haben die Offiziere dcr hier seienden<br />

4 Bataillone, jedes Bataillon .'> Pferde znm Schlachten liefern müsseu,<br />

indem fast alle stadtischen Pferde bereits verzehrt sind. Die Lebensart ist<br />

miserabel; ich würde gern Pferdefleisch essen, wenn ich nnr etwas erhalten<br />

könnte, doch bekommen selbst die Franzosen nnr sehr wenig. Das Wetter<br />

ist seit A Tagen sehr schlecht, es regnet nnanfhörllch. Leitungen haben<br />

wir bis jetzt noch alleM herein erhalten. Dcr Nnckzng von <strong>der</strong> Elbe<br />

bestätigt sich nach den vom 5. ds., so gestern aber erst gekommen sind.<br />

Montag morgens 8 Uhr, d. II. Oktober. Wahrend ich dies schreibe,<br />

bombardieren die Prenßen heftig. Schon seit 5>'/e Uhr ist das Geschieße,<br />

mehrere Granaten sind in die Stadt gefallen, doch scheint das hier nnr ein<br />

blin<strong>der</strong> Angriff zn sein, die Hanptsachc ist wahrscheinlich ans Damin<br />

gerichtet<br />

Es ist hente ganz vortreffliches Herbstwetter, die Sonne scheint sehr schön;<br />

im übrigen scheint unter den hiesigen Einwohnern keine Fnrcht stattznftndcn, denn<br />

viele Menschen gehen während dcs Schießens ans <strong>der</strong> Straße. Bon unsern<br />

Wällen wird den Prcnßen geantwortet, beson<strong>der</strong>s schießt die hohe Batterie<br />

am Franentor nach dem Dnnnsch'), wo die schwedischen Kanonenböte Damm<br />

und den Zoll heftig beschießen. Um 11 Uhr. Seit einer Stnnde hat das<br />

Bombardement aufgehört. Es sind 5i:"> Granaten in die Stadt gefallen<br />

nebst 3 Stück 34 Pfund. Kugeln, die sehr vielen Schaden angerichtet haben.<br />

Die Absicht <strong>der</strong> Prcnßen kennt man noch nicht; eine Schanze dein: Zoll<br />

soll den Franzosen demoliert sein. Die beiden Kin<strong>der</strong> des Maler Paul<br />

sind dnrch die heruntergefallene Ttnbendeckc in dem Hause am Noßmarkt<br />

sehr beschädigt worden.<br />

D. 14. Oktober Donnerstag. Hente ist <strong>der</strong> wichtige Tag, an dem vor<br />

7 Jahren die Unabhängigkeit Dcntschland verloren ging, an dem Preußen<br />

in <strong>der</strong> Schlacht bei Jena fiel. Mit großen Erwartungen sehen wir die<br />

Ereignisse dieies Tages bei dcr großen verbündeten Armee entgegen. Die<br />

Bravour unserer Truppen, die Klugheit unserer Generale, die glücklich<br />

gewonnenen Schlachten <strong>der</strong> knrz verlebten Zeit, die Deronte, in <strong>der</strong> sich die<br />

französische Armee befindet, läßt uns hoffen, daß an diesem Tage <strong>der</strong><br />

Genius <strong>der</strong> Menschheit den Sieg über die m'nrpierte Gewalt <strong>der</strong> Franzosen,<br />

den öieg <strong>der</strong> gutcn Sache herbeiführen werde und Deutschland, das freie<br />

^and <strong>der</strong> Teutoneu, von dem knechtlschen Joche dcr Franzosen befreit werde.<br />

') Dunzig.<br />

Valtlschc tzludicn N. I XM. 7


!>H Tagebuch über die Belagerung Stettins im Jahre 1813.<br />

Den 15. Oktober. Hier im Orte ist noch alles, wie vor 4 Wochen.<br />

Die Franzosen bekommen noch alle 2 Tage Pferdefleisch, doch sind die<br />

Bürgerpfcrde fast alle schon verzehrt. Die Offiziere <strong>der</strong> Bataillone haben<br />

schon teilweise Pferde liefern müssen, jedes Bataillon 5 Stück. Die Einschränkungen<br />

an Distribution nehmen täglich zu, indem die Vorräte in den<br />

französischen Magazinen täglich weniger werden. Beim Bürger siehts auch<br />

schon schlecht aus. Hente sind wie<strong>der</strong>um mehrere hnn<strong>der</strong>t Menschen wegen<br />

Hungers ausgewan<strong>der</strong>t. Es ist ein rühren<strong>der</strong> Anblick, am Berliner Tor<br />

diese Auswan<strong>der</strong>ungen anzusehen. 5—6 kleine Kin<strong>der</strong> auf einen kleinen<br />

Rollwagen gepackt, von den Eltern gezogen, erwarten mit Ungeduld, daß ihr<br />

Name aufgerufen werde. Weinend oft blicken sie sehnsuchtsvoll des verlassenen<br />

Eigentnms nach, wovon sie nicht wissen, ob sics je wie<strong>der</strong> sehen<br />

werden. Kin<strong>der</strong> weinen, weil die nasse Wittcrnng ihnen Unbehagen vernrsacht,<br />

endlich erschallt <strong>der</strong> Name, und hin ist jede Besorgnis, vergessen<br />

jedes beiden. Frendig gettts durchs dunkle Tor <strong>der</strong> Festung in die freudige<br />

heitere Freiheit. Zwar giebts beim Gendarm, <strong>der</strong> beim Torschreiberhause<br />

das Amt eines Visitators verwaltet, noch einigen Aufenthalt, doch ist die<br />

Barriere im Nucken, so herrscht Freude überall. Das Fläschcheu circuliert<br />

bei Freunden und Bekannten, Heiterkeit herrscht überall, vergessen ist jedes<br />

Leiden, und frei wie <strong>der</strong> Vogel <strong>der</strong> ^uft eilen die Glücklichen den Vorposten<br />

<strong>der</strong> Vandslente zu, die sie sicher nnd wohlbehalten ins Hauptquartier geleiten.<br />

Die Lebensmittel steigen jetzt zu einem nugehenrcu Preise. Ein<br />

Scheffel Erbsen kostet 64 Tl. Münze, für einen Schmlcn von 10 Pfd. ist<br />

«4 Tl. Münze bezahlt worden. Weizen kostet 24 Tl. (5rt., Noggen '^0 Tl.<br />

Crt., eine Zwiebel wird mit 6 Gr. bezahlt, ein Ei kostet 7 Gr. Münze,<br />

ein kleines Huhu 3 Tl. Münze. Butter ist nicht mehr zu haben, statt<br />

dessen bedient man sich Öl nnd Talg. Dies zusammengeschmolzen, einige<br />

Äpfel, Zwiebeln nnd etwas Gewürz giebt ein gutes Schmalz, welches ich<br />

täglich an Speisen und ans dem Brote esse.<br />

Um N)l»2 Uhr, Freitags d. 15. Oktober. Indem ich dies schreibe,<br />

schießen die Preußen vors Tor Victoria <strong>der</strong> erfochtenen Siege wegen, von<br />

<strong>der</strong>en näheren Details wir jedoch noch nichts Bestimmtes wissen. Man<br />

sagt, daß die französische Armee total geschlagen sei, aber deutsche Truppen<br />

zu den Verbündeten übergegangen sind. Die Bestätigung fehlt uns noch,<br />

jedoch da wir regelmäßig alle Zeitungen aus Berlin und alle Extrablätter<br />

<strong>der</strong>selben erhalten, so mag wohl schon <strong>der</strong> entscheidende Schlag, <strong>der</strong> auch<br />

unser Schicksal hier im Orte bestimmen wird, geschehen sein und wahrscheinlich<br />

noch vor dem 14. ds. Ms., dem verhängnisvollen Tag <strong>der</strong> Schlacht<br />

vor 7 Jahren. Man spricht von einer Kapitulation <strong>der</strong> hiesigen Besatzung,<br />

freiem Abzug mit Wehr und Waffen, jedoch scheint mir dies nicht mehr<br />

wahrscheinlich, wenn es gleich geschieht, daß täglich Parlamentairs heraus-


Tagebuch über die Belagerung Stettins im Jahre !8l3. 99<br />

gehen und an<strong>der</strong>e von draußen ihre Depeschen iu <strong>der</strong> Gegend des Fort<br />

Preußen abgeben.<br />

Den N>. Oktober. Am vorigen Freitag soll das Victoria-Schießen<br />

über die Einnahme Casscls durch Czernischcsf gewesen sein. Es lam das<br />

berucht aus dem ^ager, daß auch Mainz sich dcu bairischcn Trnpven, die<br />

sich mit uns vcreiuigt haben, durch Überrumpelung ergeben habe, selbst in<br />

den Zeitungen vom 12. ds. steht cs schon, doch nur uutcr den vermischten<br />

Nachrichten sehr unbestimmt gesagt. — An demselben Tage haben die<br />

Preußen den Polizcikommissar Mewis vors Tor angehalten und nachs<br />

^ager als Gefangenen geführt. Man hat draußen Nachricht erhalten, daß<br />

er es sehr mit den Franzosen hielte, und dies ist die Ursache.<br />

Am Sonnabend d. li!, wollten die Franzosen das Brennholz, so<br />

auf <strong>der</strong> Silberwiese durch die Wickschen Einwohner dorthin gebracht worden<br />

ist, zur Stadt holen, doch die Preußen gaben es nicht zn, sie feuerten viel-<br />

mehr aus <strong>der</strong> Kosakcubcrgbatterie. Am Sonntag ist über dieseu Gegenstand<br />

eine Parlamention geworden, doch ist mau uicht zum Zweck gekommeu,<br />

und die Prenßen haben daher am Sonntag Abeud dieses Brcuuholz iu<br />

Brand gesteckt, welches jedoch, da <strong>der</strong> Wind abstand, kein Schaden verursachte.<br />

Donnerstag den 21. Oktober 13. Die Preußen haben hente um<br />

11) Uhr Victoria geschossen über einen großen Sieg, den <strong>der</strong> General Blücher<br />

bei Gr. Kugel') zwischen Halle und Leipzig über die Franzosen erfochten<br />

hat. l)M


1l)0 Tagebuch über die Belagerung Stettins im Jahre 1N13.<br />

Den 34. Oktober, Sonntags. Die Preußen haben virtorisiert.<br />

Soeben komme ich vom Kirchcuturm, wo ich alles mit angesehen habe<br />

Um 12 Uhr Mittags war <strong>der</strong> Polizeidirektor (?) Ferrcin nebst einem<br />

Gendarm und Dittman hier und besichtigten wie<strong>der</strong> den Keller; für die<br />

gefundenen 11) Orhoft bin ich respom'able gemacht, das; nichts davon kommt.<br />

Es ist bereits das 7. Mal, das solche Revisionen stattfinden. An<strong>der</strong>e<br />

Keller z. (5. Försters ist versiegelt. Ich sagte, morgen liefern zu müssen,<br />

und daher wurde unser Keller nicht versiegelt.<br />

Die Allswan<strong>der</strong>ungen sinden noch immer statt, so daß jetzt nnr etwa<br />

nicht volle 4Wl» bürgerliche Seelen in dcr Stadt sind. Währt dies noch<br />

einiae Wochen, so kann sich diese Summe <strong>der</strong> noch hiergebliebene!! auf die<br />

Hälfte vermin<strong>der</strong>n. Die Franzosen bemühen sich kleine Vögel zu schießen<br />

und zu essen, oft erhalten sie auch wilde Ncbhühncr, die sich iu deu Gewerken<br />

öfters zeigen. Die Gemeinen legen sich ans den Fischfang mit Angeln.<br />

Ein Gericht Fische, ganz kleine Bratfische o<strong>der</strong> Ucklei für ^ Personell<br />

tostet oft IN—12 Gr. Münze.<br />

Dienstag den 3l>. Oktober. Die wichtigen Nesnltate unseres<br />

glorreichen Sieges bei Leipzig heben jetzt schon an. Dnrch ein Extrablatt<br />

des Militärgouverneurs ans Stargard haben wir gestern die Nachricht<br />

vom 23. erhalten, daß ^2 Stuudc vor <strong>der</strong> erstürmten Einnawne Leipzigs<br />

<strong>der</strong> Kaiser Napoleon zu Fuß in <strong>der</strong> höchsten Verzweiflung die Stadt ver-<br />

lassen habe Der Kronprinz voll Schweden ist <strong>der</strong> erste Held in<br />

dieser Bataille gewesen, desgleichen ist anch er es znerst gewesen, <strong>der</strong> in<br />

die Stadt eingerückt ist, wo er den Kaiser Alexan<strong>der</strong> nnd nnsern König<br />

erwartet hat.<br />

Mit Ungeduld sehen wir nenen Ereignissen entgegen; es ist zu<br />

erwarteu, daß selbst Napoleou bei seiner Flncht am 1^1. ans Leipzig noch<br />

gefangen ist. Soviel ist gewiß, daß in <strong>der</strong> Berliner Zeitung vom 21.<br />

steht, daß entwe<strong>der</strong> er o<strong>der</strong> <strong>der</strong> König von Neapel das gekrönte Haupt sei,<br />

welches bereits gefangen ist. Wie mächtig werden die Resultate seiu!<br />

Mall kann schwerlich glanben, daß die französische Armee sich eher als am<br />

Nhein wie<strong>der</strong> setzen kann<br />

Wir hier im Orte leben immer so miserabel weg, doch kann dies<br />

nnr vom Essen gesagt werden, denu Trinken haben wir noch. Trotz <strong>der</strong><br />

ungeheuren Gctreidcpreise haben die Bierbraner und Branntweinbrenner<br />

nicht um 1 Gr. die Preise erhöht, welches in dcr Tat sehr brav und<br />

lobenswert ist, da die Bäcker, znm wenigsten ein ansehnlicher Teil, gerade<br />

das Gegenteil bewiesen haben.<br />

Die großen erfreulichen Nachrichten tragen denn anch gewiß nicht<br />

wenig zu uuserm moralischen Wohlsein bei, denn wo man hinkommt, findet<br />

man freundliche Bürger-Gesichter. Trifft man aber ans einen Franzosen,


Tagebuch über die Belagerung Stettins im Iabre 15N. Ml<br />

ja mit dem siehts betrübt ans; das ccxiMs verloren, steht so manchen dentlich an<br />

die Stirn geschrieben, dan es unverkennbar ist. Es ist zum Erbarmen,<br />

wie die Gemeinen aussehen. Me 4 Tage erhalten sie ein Brot von 3 Pfd.,<br />

welches größtenteils ans Hafermehl und Noggenschrot nnr besteht. Die<br />

Portionen Pferdefleisch sind diesem Ärote sowohl inhinsicht <strong>der</strong> (^uknlM als<br />

l^ilkilt/' angemessen. Nimt man hinzu noch ein wenig stinkendes Oel, so<br />

hat man die Portion Essen für einen Tag, die des Trinkens besteht ans<br />

1 litrs Wein anf 2 Tage nnd 1 liu-e Bier. Branntwein erhalten nnr die,<br />

die anf dem Zoll Pikett stehen. Vier Tage hintereinan<strong>der</strong> müssen sie dort<br />

znbringcn, die fünfte Nacht können sie in <strong>der</strong> Kaserne schlafen, nnd dann<br />

gehts wie<strong>der</strong> zum Wachdienst hier in <strong>der</strong> Stadt. Man erlebt es oft, das;<br />

diese unglücklichen Menschen zn A nnd 3 anf dem Paradeplake des Nachts<br />

beim Pilttt im Fort Wilhelm hinter <strong>der</strong> Statne des alten Fritz vor Hnngcr<br />

nnd Frost umfallen, ja selbst anf dem Henmarkt habe ich gesehen, daß am<br />

hellen Mitlage ein Kerl umfiel, ein zweiter Ansgchnngerter wollte ihm<br />

helfen, und beide lagen da, bis an<strong>der</strong>e ihnen zn Hülfe kamen und durch<br />

etwas Vrot und Branntwein die fliehenden Lebensgeister zurückriefen. Auch<br />

in <strong>der</strong> breiten Straße ist ein ähnlicher Vorfall gewesen. Dle Vurgcrpferoe<br />

sind jetzt alle schon geschlachtet, nur einige wenige Wespanne sind znm Dienste<br />

<strong>der</strong> Stadt nnd <strong>der</strong> Verpflegnngscommission noch am ^eben. Die französischen<br />

Trainpferde müssen jetzt gegeben werden, und an <strong>der</strong>en Stelle sieht man<br />

des Generals Dnfressc Pferde, des Obristen 1s I5ms Pferde nnd an<strong>der</strong>e<br />

<strong>der</strong> oberen und unteren Osficierc Kanonelt nnd Trainwagen ziehen, ja<br />

selbst die Pferde <strong>der</strong> Prinzeß müssen öffentlich Arbelt verrichten, und Vchmaun<br />

hat dnrch dieses freiwillige Hergeben <strong>der</strong> seinen diese bis jetzt noch vom<br />

Tode gerettet. Morgen fiudct wie<strong>der</strong> eine Auswan<strong>der</strong>ung statt, so daß<br />

dann nur etwa 35i(X) Menschen bürgerlichen Standes hier bleiben.<br />

Mittwoch d. 37. Oktober. (Nestern haben wir gar keine Nachricht<br />

vom Lager erhalten. Es ist indessen ein Parlamentair hier gewesen, <strong>der</strong><br />

beul (Aonvcrnement die gänzliche Nie<strong>der</strong>lage <strong>der</strong> französischen Armee bei<br />

Leipzig angezeigt hat.') Der jetzt seit des Generals Taucnziens Abgänge<br />

znr großen Armee hier vors Tor kommandierende General vou Plök hat<br />

diese Anzeige abgesandt nnd dem Gonuerneur gleichfalls bekannt gemacht,<br />

daß von einer Kapitulation jetzt die Rede garnicht mehr sein könne; tue<br />

hiesigen Franzosen müßten sich auf Gnade und Ungnade ergeben. Hierauf<br />

hat <strong>der</strong> Gouverneur erwi<strong>der</strong>n lassen, daß man wohl bedenken müsse, was<br />

dies für Folgen haben könne; er hätte sich als ein Mann von Ehre betragen,<br />

l) Der Gouverneur Grandean erlies? am 27. Oktober einen Tagesbefehl an die<br />

Einwohner und Soldaten, in <strong>der</strong> er zum Gehorsam nnd zur StandliafNgkeit auffor<strong>der</strong>te<br />

(Ponimersche Zeitung vom 8. November).


1l)2 Tagebuch über die Belagerung Stettins im Jahre 1813.<br />

und, wenn dieses, nämlich die Ergebnng auf (Anade und Ungnade, die<br />

Soldaten knnd würde, so stände er nicht ein, daß nicht alle nnr möglichen<br />

Ercesse durch die Militärs degangen werden könnten mw. Hoffentlich kann<br />

dies zu einer baldigen Entscheidung unserer ^agc <strong>der</strong> Allfang sein, da schon<br />

mehrere hohe Offiziere erklärt haben sollen, daß am Allfang künftigen Monats<br />

die Eröffnung einer etwaigen Kapitulation beginnen nnd meglio November-<br />

Monat deendigt sein müßte.<br />

Die miserable Lebensart <strong>der</strong> Soldaten nimmt scholl so sehr überhand,<br />

daß mehrere beim Bürger umhergehen nnd sich ein Stückchen Brot — nicht<br />

etwa Geld — erbetteln; ja sogar ist in verwichcncr Nacht das große Brot-<br />

magazin am Heiligengeisttor nm 400 Brote bcstohlen worden. Desgleichen<br />

ist in dem Hanse des Maurermeisters Borchardt in <strong>der</strong> großen Wollweber-<br />

straße die noch Milch gebende Kuh ciucs dort im Tnarticr liegenden<br />

Officier im Stall geschlachtet worden, und das Fleisch ist davon getragen.<br />

Beides sollen holländische Soldaten getan haben. In Damm ist ein ähn-<br />

licher Fall mit einem französischen Officierpferde geschehen. Vor dieser<br />

Stadt wird bereits alle Nacht an den Laufgräben gearbeitet. Die Prenßcn<br />

sollen schon unter den Kanonen <strong>der</strong> Wälle sein. Die Franzosen schicken<br />

kleine Piketts hcrans, <strong>der</strong>en je<strong>der</strong> Mann 100 Patronen mit erhält, die er<br />

auch verschießen muß, um dell Preußen glaubend zu machen, daß sie in<br />

großer Anzahl vorhanden wären. Das ^cbcn <strong>der</strong> Militärs in Damm ist<br />

noch viel schlechter wie hier, Tag nnd Nacht werden sie bcuuruhigt. Jedoch<br />

erhalten sie auch mehr zu essen wie hier, nuter an<strong>der</strong>m auch frisches Knh-<br />

fteisch, von welchem gestern hier 3 Ctr. zum Verkauf wareu. Das Zoll-<br />

pikett soll aber am schlechtesten drall seilt; jeden Tag und jede Nacht lommcu<br />

mehrere davon vor Hnnger und Frost um. Das Holz zu ihrem Wacht-<br />

feuer — ills Zimmer dürfen sie nicht gehen, nm nicht überrumpelt zu<br />

werden — müssen sie aus dem Bruche holcu uud bis am Bauche hierbei<br />

in Wasser nnd Schlamm waten. Jetzt wird es noch immer schlimmer,<br />

denll die Nächte werden kälter, ja diese Nacht hat es zum ersten so stark<br />

gefroren, daß das Eis selbst um 12 Uhr hcnte Mitlag ans den Straßen<br />

noch nicht aufgetaut war.<br />

Unsere Besatzung besteht jetzt aus folgenden 4 französischen Bataillons:<br />

Nr. 27, 63, 76 und 96, dem Eckmühlschen Corps, welches etwa 2 Bataillons<br />

sind, von folgenden Regimentern zusammengesetzt: 13, 17, 2l, 30 uud<br />

108, (es sind die Neste des aus Nußland zurückgekommenen ganzen Corps),<br />

aus folgeuden 3 holländischen Bataillons: 123, 124, 125. Im ganzen<br />

also besteht unsere Besatzung aus 7 kompletten Bataillons und den Nesten<br />

des Corps von Eckmühl. Jedoch muß man auch berücksichtigen, wie viel<br />

Mannschaft nicht schon geblieben, gestorben und desertiert lst. Artillerie


Tagebuch über die Belagerung Stettins im Jahre I8l3. 1l)H<br />

kann ich nicht genau angeben, es sind ans dcn Infanteristen die ansehn-<br />

lichsten Menschen im Fruhjaln' znr Artillerie versetzt worden.<br />

Kavallerie haben wir hier eigentlich garnicht, doch sind die ans dem<br />

Lazarett) reconvalcscierteu Kavallcmlen größtenteils mit Bürgerpserdeu<br />

beritten gemacht. Ein Chasseur.Offizier ist <strong>der</strong> Clicf und ein Dragoner-<br />

Offizier Eoulmaudant; iul ganzen können es etwa 25)—550 Mann sein,<br />

die ans fast cbensovielcn Regimentern zusammengesetzt sind. Es sieht<br />

lacherlich ans, diese miserable Kavallerie reiten zu sehen.<br />

Freitag d. 2V. Oktober. Gestern kam hier die freudige Nachricht<br />

ein, daß unser Konig am 24. d. Ni. seinen feierlichen Einzug in Berlin<br />

gehalten hat; gerade vor 7 Jahren an demselben Tage hielt Napoleon<br />

seinen Einzug daselbst. Mit nuenolich lautem Jubel ist er empfangen,<br />

aber am 25. ist er wie<strong>der</strong> zur Armee abgereist. Hier im Orte ist nichts<br />

Beson<strong>der</strong>es vorgefallen.<br />

Montag d. l. November. (Nestern verbreitete sich das Gerücht,<br />

daß an einer ernsthaften Kapitulation gearbeitet würde. Man sagt, die<br />

Franzosen erhalten Abzng, werden jcuseits des Nheins gebracht nnd dnrjen<br />

in 1 Jahr und 1 Monat nicht wi<strong>der</strong> die Allierten dienen. Kanonade und<br />

jede Art von Kriegsuorrat bleibt hier. Diesmal scheint das Gerücht wahr-<br />

scheinlich zu sein, denn mehrere bedeutende Offiziere, selbst <strong>der</strong> alte HcnN)<br />

vom Hinterhause, bestätigeu die Sage, daß die Frauzoseu binneu 14 Tagen<br />

abziehcu werden. Der Prediger Niquet') hat gestern in <strong>der</strong> Kirche des ,<br />

Schlosses eine sehr schöne Predigt über den 113. Psalm, V. 14, l«, 21, !<br />

2!) gehalten; er stellte die Wahrheit auf, daß nicht meuschllche Kräfte aNein /<br />

diesen entscheidenden Schlag des Schicksals herbeigeführt hätten, son<strong>der</strong>n i<br />

göttliche Einwirknng es gewesen sei, d,e dcn Herzen <strong>der</strong> teutsche« Fürsten j<br />

Einigkeit gegeben habe, um das Joch <strong>der</strong> Knechtschaft, welches uns Jahre '<br />

lang gedrückt, abzuschütteln.<br />

Den 3. November, Mittwoch. Seit 3 Tagen ist jeden Tag<br />

großes Conseil beim Gouverneur gewesen, mau lst in demselben größtenteils<br />

für die Kapitulation einig, nur General Bardanegre und bacasse sind nicht<br />

dafür, aus dem Grunde wahrscheinlich, weil sie, wie man sagt, schon im<br />

vorigen Jahre russische Kriegsgefangene siud. Die Frauzoseu hoffeu auf<br />

freieu Abzug nach Frankreich, doch sagt man, daß sie am 25. ds. Ms.<br />

alle als Kriegsgefangene nach Colberg abgeführt werden sollen. Etwas<br />

Bestimmtes hierüber läßt sich nicht festsehen.<br />

Den 9. November. Anch bis jetzt ist noch alles ruhig wegen <strong>der</strong><br />

Kapitulation. Man hat <strong>der</strong> Gerüchte so mancherlei, eutschieden ists aber,<br />

') Riquet war Prediger an <strong>der</strong> franzVsisch-reformierten Gemeinde, ein beson<strong>der</strong>s<br />

ernster Geistlicher (1-


1(N Tagebuch über die Belagerung Stettins im Jahre 1613.<br />

daß die Franzosen kapitulieren wollen, wozu das ganze Conseil bis vor<br />

etwa 3—4 Tagen noch keine Lust hatte. Sie verlangen indessen mit<br />

Wehr und Waffen abzuziehen, jedes Bataillon eiue Kanone und im ganzen<br />

2ä verdeckte Trainwagen mitzuuelnncu.') Solche For<strong>der</strong>ungen sind nur<br />

unter den obwaltenden Umständen lächerlich. Ebendeswegen hat auch <strong>der</strong><br />

General Plötz herciniagen lassen, er wolle uicht weiter iu Unterhandlungen<br />

sich einlassen usw. Doch aber tomlneu uud geheu Parlamentäre ab uud zu.<br />

Die Nationen uud Portionen <strong>der</strong> Frau.)0sclt sind noch bis znm ^8. ds.<br />

Ms. festgesetzt, sie glauben doch also, noch so lange hier bleiben zu wollen.<br />

Von <strong>der</strong> Armee erhalten wir immer die bcsteu Nachrichten. Die Zeitungen<br />

kommen immer regelmäßig hereiu, auch habeu mehrere Eiuwohuer Briefe<br />

vou draußen erhallen. Heute sollte wie<strong>der</strong>um eiue Auswau<strong>der</strong>uug stattfinden,<br />

doch ist solche vom Gouverneur abbestellt worden.<br />

Freitag den 12. November. Hellte haben wir durch ein Extrablatt<br />

aus Stargard unter an<strong>der</strong>n die Nachricht erhalten, daß Napoleon mit<br />

dem Nest seiner Armee von Ztt—^)0


Tagebuch i'ilirr die Vl-lagenmg Stettins im Iabre 18l3. ^s)5<br />

Lanfe dieser Woche o<strong>der</strong> spätestens anfangs <strong>der</strong> künftigen abmarschieren.<br />

Zn diesem Zwecke werden schon viele bedenkende Anstalten zn einer Illumination,<br />

die den ersten Abend, den die Prenten hier sind, stattfinden soll, gemacht.<br />

Die Frcnde aller noch wenigen diesigen Einwohner ist nnendlich. denn jcht<br />

noch zn zweifeln wäre Torheit.<br />

Den Kl., Dienstag. Die Gerüchte von einer Kapitulation lantcn<br />

hente ganz an<strong>der</strong>s. Man sagt nämlich, das; noch nichts abgeschlossen<br />

gewesen, daß vielmehr nnr gestern erst die Bedingungen vorgelegt worden<br />

sind. Diesen znfolge besteht <strong>der</strong> König, dessen Wllleu eingeholt worden in,<br />

ans <strong>der</strong> Gefangenschaft <strong>der</strong> ganzen Besatzung; nnr unter dieser Bedingung<br />

könne kapituliert werden. Die »amtlichen Offiziere kommen nach Ostpreußen<br />

als Kriegsgefangene, ihnen werden älädtc o<strong>der</strong> Festungen angewiesen, in<br />

welchen sie anf ihr Ehrenwort entlassen leben können; ihre Trattamente<br />

erhalten sie von Preußen. Die Gemeinen erhalten die Erlaubnis beim<br />

Bürger o<strong>der</strong> Ballern — in Ostpreußen nämlich — zn arbeiten und sich<br />

zu ihrem Traktament noch etwas znznverdicnen. Sämtliche militärische<br />

Vorräte bleiben in den Händen <strong>der</strong> Prenßen. Morgen fahren die<br />

französischen Generale wicoernm nach <strong>der</strong> Wiek hinans, und es wird eine zweite<br />

Zusammenkunft mit den Preußen stattfinden, man zweifelt nicht, daß die<br />

Kapitulation zustande kommen wird. Die Prellsien haben in <strong>der</strong> Versammlung<br />

gestern den Franzosen die Anzeige gemacht nnd diese Anzeige anf ihr Ehren-<br />

wort versickert, daß am 6., 7. und 8. <strong>der</strong> General Blücher bei DntSbnrg<br />

in <strong>der</strong> Grafschaft Mors über deu Rhein gegangen ist. Desgleichen lst<br />

ist General Czernichesf bei Bieberach denjelben passiert. Die gesamte Armee<br />

die sich an nnserer äeite jeyt scholl in Frankreich befindet, belauft siä, anf<br />

l4l)0s)s) Mann. Unter solchen Umständen, und da auch ^t. (5nr zn<br />

kapitnlieren verlangt hat und Eckmühl bereits Hamburg vcrlasseu, aber die<br />

Baut mit sich geführt hat, — nntcr solchen Umständen bleibt <strong>der</strong> hiesigen<br />

Besatzung nichts au<strong>der</strong>es übrig, als dicie Kapitulation einzugehen, die denn<br />

hofseutlich auch heute zustaudc kommen wird.<br />

Den 17. November Mittwoch. Hente am Mittag waren wir<br />

schon besorgt, daß die Kapitulation abgebrochen sein würde, indem bis zu<br />

dieser Zeit keiller <strong>der</strong> französischen Generale herausgefahren war und anstatt<br />

<strong>der</strong>en nur ein Parlamentair gegangen war. Doch endlich um 2 Uhr fuhren<br />

<strong>der</strong> General Dnfrcssc, <strong>der</strong> Obrist Bcrlhier, Capitai» und Artilleric-<br />

Coinmandant Pifsin heraus nud sind erst spät am Abend um 7'/4 Uhr<br />

wie<strong>der</strong> hereingekommen. Man hat die größte Wahrscheinlichkeit zu glaubeu,<br />

daß jetzt die Kapitulation abgeschlossen sei. Morgen werden wir wohl<br />

das Nähere darüber vernehmen<br />

Den ltt. November Donnerstag. Gestern ist die Kapitulation<br />

zwischen General ^ossow, General v. Kleist nnd Adjutant Stnlpnagcl


Tagebuch über die Belagerung Stettins im Jahre INI3.<br />

preußischer Eeits und General Duftesse, Oberst Berthier und Capitai«<br />

Pissin an<strong>der</strong>erseits abgeschlossen worden, nur sind beide Parteien über den<br />

Tag ihres Abmarsches noch nicht einig. Die Preußen verlangen, daß die<br />

Franzosen am 25. o. M. abmarschieren sollen, und die Franzosen wollen<br />

erst den 5>. Dez. die Stadt ränmen, doch ist heute Konfereuz zwischen den<br />

französischen Generälen, nnd hoffentlich werden sie morgen ihre bejahende<br />

Antwort herausbringen. Abends 7 Uhr. Die Offiziere des Eckmühlschen<br />

Corps und mehrere an<strong>der</strong>e haben <strong>der</strong> Kapitulation wegen revoltiert. Die<br />

Dammschen Offiziere waren fast alle hier, und mehr denn 5l) an <strong>der</strong><br />

Zahl sind hente Vormittag znm Gonverneur gegangen nnd haben erklärt,<br />

daß sie nicht zufriedcu wärcu, durch die Kapitulation triegsgefangcn zu<br />

werden, sie wollten alles anwenden, sich durchzuschlagen. Mau sieht leicht,<br />

das; es uur unvernünftige Menschen gewesen sein können, die noch auf eine<br />

so lächerliche Idee bestehen konnten, denn schwerlich würden sie nnr durch<br />

die Batterien, die rund nm die Stadt uud Damm liegen, auch nur<br />

U)s) Schritte weit hiuansgckommcn sein. Sie sind vom Gonvernenr<br />

gehörig abgewiesen. Doch da sie gegen 2 Uhr wie<strong>der</strong> anfingen, so ließ <strong>der</strong><br />

Gonvcrnenr Generalmarsch schlagen, nnd alles mnßte sich ans die Lärm-<br />

Pliwe versammeln. Er trat umgebcu vou <strong>der</strong> Geucralität vor jedes<br />

Bataillon, ließ die Offiziere zusammentreten uud sprach einige Worte zu<br />

sie iu <strong>der</strong> Hoffnung, daß einer o<strong>der</strong> <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e heranstretcn würde nm<br />

etwaige Gcgenvorstellungeu zu machen, aber die vorhin so lanten Knaben<br />

waren mäuschenstill. Somit ging also diese Revolte') ab, doch sagt man,<br />

daß <strong>der</strong> Gouverneur li) Offiziere, die sich unter eine schriftliche Borstellung<br />

unterschrieben hatten, arretieren und nach Fort Preußen habe schicken lassen.<br />

Den 20. November. Es ist bis jetzt noch alles ruhig, denn <strong>der</strong><br />

Gouvernenr hat durch den General Dnfrcsse die besten Anstalten getroffen,<br />

den Aufruhr <strong>der</strong> Offiziere zu dämpfen. Es siud sehr viele nach Fort<br />

Preußen geschickt und eine ganze Anzahl hat hier in <strong>der</strong> Stadt Stuben-<br />

arrest. Mehrere Parlamentaire sind gekommen nnd abgegangen.<br />

Den 22. November. Gestern ist General Dnfresse, Obrist Verthier<br />

und Capitain Pissin nach <strong>der</strong> Wiet gewesen. Sie sind um Mittag hinaus-<br />

gesahrcu nnd um ls) Uhr abends erst zurückgekehrt. Die Kapitulation ist<br />

gegenseitig abgeschlossen und ratificiert,') nnr ist <strong>der</strong> Tag des Allsmarsches<br />

noch nickt fest bestimmt.<br />

Den 25. November, Mittwoch. Die Ratifikation <strong>der</strong> Kapitulation<br />

soll erst gestern geschehen sein, zu welchem Ende die vorhin genannten<br />

') Vgl. Villarets Tagebuch, S. 22 f.<br />

') Die Kapitulationsarlitel (^Nieles 6s la oapitulation äs Ig. r»wck äe<br />

8teMn et) cie^ lorts en äepenäant conelug is 21. Xov. 1813) sind damals<br />

gedruckt. Vgl. Pomm. Zeitung vom 13. Dezember.


Tagebuch über die Belagerung Stettins im Jahre I5N3. 107<br />

Personen bis 10 Uhr in <strong>der</strong> Wies gewesen sind. Am 5. Dezember<br />

marschiert die Garnison hiuaus, und nm !» Uhr rücken Preußeu ein. Die<br />

im Arrest gewesenen fniu^ösischen Offiziere sind wie<strong>der</strong> frei, indem alle<br />

übrigeu Ossifere für die :)illhe dieser eingestanden nnd sich sämtlich den<br />

Verfügullgcn <strong>der</strong> Generalität nnterworfcn haben.<br />

Hente ist <strong>der</strong> Oberbürgermeister Kirstein, Stadtrat Masche nnd<br />

Wachenhnsen') herallsgefahrcll ills preußische ^ager, wahrscheinlich nm die<br />

Verhandlungen abznschließcn, die von Seiten <strong>der</strong> Franzosen gemacht sind;<br />

sie verlangen nämlich für die beiden letzten Distribntionen von 60 Qxh.<br />

Wein, 40 Hanpt Vieh.<br />

Den ä. November, Donnerstag. Der Bürgermeister und<br />

Wachenhnsen sind gestern abends wie<strong>der</strong> hereingekommen, dagegen ist <strong>der</strong><br />

Stadtrat Masche nnd Schmeling, <strong>der</strong> draußen als Hauptmann bei <strong>der</strong><br />

Landwehr sein soll, als (lonrier nach Taueutzien nach Torgau gegangen,<br />

denn indem man draußen gestern in besten Verhandlungen begriffen gewesen<br />

ist, ist ein Conrier von svenerà! Taucutzicu angekommen, <strong>der</strong> die Ordre<br />

überdracht hat, die Franzosen müßten am 25., spätestens den ^k. ds. Ms.<br />

die Stadt geräumt haben; im Falle des längereu Aufenthalts müßten sie<br />

sich auf Ouade uud Ungnade ergeben. Was Lchmcling und Masche<br />

eigentlich bei dem (General Tanentzieu sollen, ist dnulel, wahrscheinlich ist<br />

dies uur eilie Maske. Die Nachricht ist übrigeus uoch eiugegallgcu, daß<br />

<strong>der</strong> französische Senat eilten Waffenstillstand angeboten habe und zum<br />

Unterpfande Mainz nnd Wesel angeboten habe, indessen ist dies alles<br />

abgeschlagen.<br />

Den 27. November. Der Polizeidirektor Stolle ist heute wie<strong>der</strong>um<br />

vonseiteu des (houverueurs iu seinen Posten eingesetzt uud resümiert wordeu.<br />

Desglcicheu haben gestern die Nachtwächter zum ersten Male wie<strong>der</strong> um<br />

10 Uhr und weiterhin abgerufen, auch versieht <strong>der</strong> Turmwächter wie<strong>der</strong><br />

seinen Posten. Wenn Leichen zum Tor hiuausgefahreu, so schließen sich<br />

seit einigen Tagen mehrere Personen au das (befolge au. Die Prenßen<br />

selbst kommen ans dell Kirchhof, und Bekannte unter ihnen bringen ihren<br />

Freunden hier ans <strong>der</strong> Stadt Bntter, Brot und an<strong>der</strong>e Lebensbedürfnisse.<br />

Den A0. November, Dienstag. Hente bin ich znm ersten Male<br />

seit vielen Monaten vors Tor gewesen. Veneke und ich wollten deu Leut-<br />

nant Meßcke voll <strong>der</strong> Vandwehr sprechen, indessen war er nicht in Oeglers<br />

Hanse. Wir trafen dort den Leutuant Habersanz aus Stolpe, uud durch<br />

den Capital« Wedelstedt erhielten Kruse, Beneke, Bücher und ich fast<br />

1 Scheffel Ertoffeln, die Kruse und ich hereintrugen.<br />

') Über die Verdienste Masches und Wachenbusens vgl. Monatsblätter lW8,<br />

S. 18l f.


1^8 Taftebuch über die Velagerunn Stettins im Jahre<br />

Den 1. Dezember, Mittwoch.<br />

und demnach 2 preußische Offiziere herein ulld 2 französische Offi^cre<br />

herausgegangen. Hellte sind 6 Offiziere und 2 voll Civilstaudc hereingekommen,<br />

die die Übergabe <strong>der</strong> Stadt besorgen. Den Leutnant Mosser<br />

haben wir ins Quartier bekommen. Heute bill ich mit Strock und Heller<br />

bis jenseits <strong>der</strong> grüueu Wicie gekommen, weiter konnten die Preußen nicht<br />

lassen. Wir trafen teils dort, teils in Oeglers Hause dell Vcutuaut<br />

Vertelius uud ^eutnaut Aenle; letzterem gab ich ein Aillct au Mcßle mit.<br />

Den 4. Dezember. Unsere Freude sowohl wie das Veben hier ist<br />

deute schon groß.') Um !2 llhr sind das Antlamer Tor, das Berliner<br />

Tor, das Fort Prenßen laut dcr Kapitulation bescht, dcsgleichcu das<br />

Arsenal und das Paruihcr Tor. Es siud viele prenstlsche Offiziere <strong>der</strong><br />

Vaudwehr lllld <strong>der</strong> Illfauterie schon hier, viele gcborcne 3tettincr, die ihre<br />

Eltern besuckeu. Denll wahrscheilllich werden die Truppen voll hier uach<br />

Hollaud marschieren. Freltde ist überall, jeden Augenblick tommell ausgewau<strong>der</strong>tc<br />

Faulilieu eiu, die mit herzlicher Liebe empfaugcu werden.<br />

Anordnllllgen zu Illumiuatiou sieht man viel, Preußcu, Offiziere llnd<br />

Soldaten, scholl allenthalben auf den Straßen. Die französischen Offiziere<br />

werden von den preußischen nut aller Achtung begegnet. Ans dem Heumarlt<br />

sind bereits 3—4 Wagen mit Kohl nnd Kartoffeln uud an<strong>der</strong>en<br />

Lebensmittel«! gleich nach Besetzung <strong>der</strong> Tore hereingekommen. Die Übergabe<br />

des Allklamcr Tores, die ich gesehen habe, war folgende: Die preußische<br />

^audwehr, etwa M—l


Tagebuch ülier die Velngcruna Stettins im Jahre 181'!. 1l>9<br />

Prenhcn nnd in <strong>der</strong> Gegend des Tonrucis ainmarschicrt, doch konnte nlan<br />

wca.cn des starken Nebels nicht vor sich sehen als etwa 30 Schritte lang.<br />

Es wnrdcn ^ Kolonnen formiert, <strong>der</strong>en Flügel sich hart an dem diesseitigen<br />

Ende des Paradeplal^es anlehnten. D'le rechte Kolonne d'üdelc einen W'lule^<br />

fast bis znin Tolnuei hin, <strong>der</strong> eine Schenkel diefes Winkels zog sich bis<br />

an den Wegweiser <strong>der</strong> Berliner ^andstrasie. Gegen N) Uhr rückte die<br />

Artillerie <strong>der</strong> Franzosen mit Trommelschlag, 2 Kanonen nnd brennenden<br />

Lunten ans <strong>der</strong> Stadt ans, marschierte in die Kolonne <strong>der</strong> Preußen, die<br />

bei ihrer Anknnft das Gewehr präsentierten, in <strong>der</strong> Gegend des Winkels<br />

<strong>der</strong> rechten Kolonne ließen sie die Kanonen stehen, marschierten bis ans<br />

Ende, wo eine Batterie Prcnsien aufgepflanzt stand, nnd streckten das<br />

Gewehr, d. h. sie stellten es in Hansen nnd hingen ihre Patronentaschen<br />

darüber. General v. Plötz ritt je<strong>der</strong> Kolonne, die ans <strong>der</strong> Stadt kam,<br />

bis ans Ende <strong>der</strong> Chaine entgegen, die Franzosen jalntiertcn ihn nnd<br />

marschierten sodann weiter. Bei Abnahme <strong>der</strong> Waffen wollten die Sergeanten<br />

nnd Korporale, die die silbernen Schnüre trngen, die Säbel behalten, die<br />

Prcnhen gaben es aber nicht zu, nnd hierbei hat mancher <strong>der</strong>be Püffe<br />

bekommen.<br />

Wie die Übergabe aller Trnppen zn Ende war, kam <strong>der</strong> General<br />

v. Pldk in folgen<strong>der</strong> Ordnnng znr Stadt: Znerst 3 Polizeicommissare zu<br />

Fuß, darauf <strong>der</strong> Polizcidircklor Stolle zn Pferde nebst dem Eommissar<br />

Schneppe, daranf folgten ein Commando Ostprenßische Kosaken, oaranf<br />

^ Kosaken mit gespannten! Hahn <strong>der</strong> Pistole, daraus <strong>der</strong> Gcncral v. Plöy,<br />

an dessen Seite <strong>der</strong> General v. Stntterheim ritt; mehrere hohe Offiziere und<br />

viele Adjutanten, auch bürgerliche Nciter vermehrten seinen Zng. Am Tore<br />

auf <strong>der</strong> Brücke hielt <strong>der</strong> sämtliche Magistrat, und <strong>der</strong> Oberbürgermeister<br />

hielt eine Aicde an General v. Plötz. Der Zng ging vorwärts. Bon dem<br />

Hallse des Kaufmann Fließcr bis znm Büchsenmacher Ewertz war eine<br />

Alumengnirlande gezogen, in welcher das Bild nnscrcs Königs hing.<br />

Unter demselben hatten sich 12 junge Mädchen versammelt, die eine sehr<br />

schön gestickte Fahne trugen nebst einem Vorberkrauze. Sie gingell dem<br />

würdigen Krieger einige 11) Schritte entgegen. Er stieg vom Pferde, eins<br />

<strong>der</strong> Mädchen hing ihm den Lorberkranz um, indes die an<strong>der</strong>e eine Anrede<br />

hielt. Mit freundlicher Miene hörte <strong>der</strong> brave Mann dieses mit an. Wie<br />

sie geendet hatte, stieg er wie<strong>der</strong> zu Pferde, die Mädchen trugen tue Fahne<br />

voranf, und fo fetzte sich <strong>der</strong> Zng in Marsch. Während dieses alles spielte<br />

eilt Corps Musici ans dem Walle zu <strong>der</strong> Seite des Berliner Tores, und<br />

ein immer tönendes Hurrah nnd Vivat begleitete den braven Mann nnd<br />

unsere tapferen Krieger die breite Straße herunter über oeu Heumartt,<br />

die Schuhstraße in die Höhe, über den Kohlmarkt, Noßmarkt, Limenstrahe<br />

uud auf deu Königsplah. Dort ward ein Kreis geschlosseu und ein feier-


l 10 Tagebuch über die Belagerung Stettins im Jahre 1815.<br />

liches Tedeum angestimmt. Hierauf begab sich 2. Exzellenz in sein Qnartier im<br />

Winlowschm Hause, wo sogleich eine Ehrenwache von Bürgern die Ture besetzten.<br />

Die hohen Behörden hatten Andienz, nnd nach einer 3lunoe kam eine Deputation<br />

des Magistrats, die S. Exzellenz znr Kirche abholte, wo <strong>der</strong> Panor<br />

1>l'im3.riu3 Schrö<strong>der</strong> eine Nedc hielt. Am Abend war vonseiten <strong>der</strong> Stadt<br />

eine große Fete auf dem Kasino arrangiert, wozu je<strong>der</strong> Offizier bei <strong>der</strong> Parole<br />

eingeladen wnrde. Man war bis 3 nnd 4 Uhr heiter und vergnügt.<br />

Ich mllß noch nachholen, daß gegen 10 Uhr Vormittag sich <strong>der</strong><br />

Nebel verzog, es wnrde vortreffliches Wetter. Die Tonne schien heiter nnd<br />

froh all unserm Erlösnngstage, nnd das immerwährende Glockengelänte,<br />

das begann, als <strong>der</strong> Zng dein Tore sich nahte, machte nns diesen Tag zu<br />

einem <strong>der</strong> wichtigsten in dem Leben jedes Einwohners.<br />

Am Abend war die ganze Stadt anss prächtigste nnd ganz freiwillig<br />

erlenchtet. Frende herrschte überall.')<br />

Der Montag ging noch hin ohne beson<strong>der</strong>e Feierlichkeit, doch soll am<br />

Donnerstag Ball ans dem Kasino sein. Gestern, den 7., sind die Commissäre<br />

Lombard, L'Argetiere, <strong>der</strong> Postmeister nsw. nebst allen Schlächter- nnd<br />

Väckersknechtcn bei ihrem Ansmarsch ans dem Berliner Tore von dem<br />

Pöbel nnd von den Landwehr-Soldaten, die nicht im Dienst waren, sehr<br />

gemißhandelt. Die Wachen vermochten nicht diesen Unfng zn stencrn; den<br />

Franzosen wnrden Mantelsäcke vom Wagen genommen, die Pferde aus-<br />

gespannt nnd fortgerttten, Lombard wnrden die Sporen abgeschnallt nnd er<br />

selbst nebst L'Argctiere und mehreren an<strong>der</strong>en sowie auch die französischen<br />

Weiber fehr geschlagen. Sie wurden endlich von <strong>der</strong> Wache zum Berliuer<br />

Tor hiuausgebracht nnd im Anklamcr Tor unter starker Bedeckung hin-<br />

eingeführt. Vom Paradeplatz, wo sie vorläufig halt machten, wurde die<br />

Bcdcckuug verdoppelt, und fo wurden sie nach dem Schloßplatze geführt,<br />

wo sämtliche Franzosen, Lombard usw. nicht ausgeschlossen, in <strong>der</strong> Kaserne<br />

des ehemaligen Servislokals die Nacht anf Stroh zubrachten. Die Polizei,<br />

sowie jede Behörde haben die strengste Ordre vom General von Plötz<br />

erhalten, die geranbten Sachen nnd Pferde wie<strong>der</strong>herbeiznschaffen. Manches<br />

ist wohl wie<strong>der</strong> dem Eigentümer zugestellt worden, doch was sich an barem<br />

Gelde irgend vorgefunden hatte, wird wohl schwerlich znm Vorschein kommen.<br />

Heute sieht man noch manchen (lommissar hernmlanfen, hoffentlich<br />

werden sie morgen unter sehr starker Eskorte transportiert werden; sie<br />

gehen lant Kapitulation nach Frankreich zurück.<br />

') Die Einzuasfeierlichkeiten sind beschrieben in <strong>der</strong> Pomm. Zeitung, vom 13.<br />

und 20. Dezember. Es heißt dort zum Schlüsse: „Wir betrachten diesen unvergeßlichen<br />

Tag als den glücklichen Anfang unserer Versöhnung mit dem härtesten Schicksal,<br />

und ewig denkwürdig wird er uns und unsern Nachkommen sein." Vgl. W. Böhmer,<br />

a. a. Q. S. 123 ff.


Tagebuch über die Belagrrung Stettins im Jahre 1»lN. 1 1 1<br />

Zlnllang.<br />

Einen kleinen Blick in die Znstänoe Stettins während <strong>der</strong> Blockade<br />

von 1813 lassen uns tnn zwei Protokolle über die damaligen im Gymnasium<br />

bestehenden Verhältnisse, die in den Schulaktcu von 1.^13<br />

(im Kgl. Staats-Arcinve Stettin) enthalten sind. Sie zeigen nns einerseits<br />

wie anch Stcttiuer Vchrer nnd Schiller sich dem Rufe ihres Königs zum<br />

Kampfe nicht entzogen, an<strong>der</strong>erscit wie die Not <strong>der</strong> Belagerung sich anch<br />

im Gymnasium geltend machtet) Daher «lag das Folgende als ein kleiner<br />

Beitrag zn unserer Kenntnis von jener Zeit hier noch mitgeteilt werden.<br />

I. Protokoll vom 13. Oktober 1813.<br />

In <strong>der</strong> Konferenz äußerten die Herren 3ehrcr, daß eine zuverlässige<br />

Nachricht von dem äußeren Zustande des (Gymnasiums währcud <strong>der</strong> Einschließung<br />

<strong>der</strong> Stadt vou seile« <strong>der</strong> Prcußeu seit d. li). Febr. os. Is. in<br />

misere Kchnlannalen aufgezeichnet wcrdeu möchte. Dicserwegcn wird<br />

bemerkt, daß schon im Iaunar, als kaunl bekannt geworden war, daß<br />

Prenncn gegen Frankreich die Waffen znr Befreiung des Baterlandes<br />

ergreifen würde, mehrere Gymnasiasten mit ausdrücklicher Erlaubnis ihrer<br />

Eltern aus Furcht, in <strong>der</strong> Stadt eingesperrt nnd belagert zu werden, das<br />

Gymnasium verließen und zu ihreu Eltern o<strong>der</strong> Verwandten hilleilten;<br />

dies geschah aber in <strong>der</strong> Folge noch weit häufiger, theils weil die 17iährigen<br />

Gymuasiasteu uud mehrere noch unter 17 Jahren auf die Auffor<strong>der</strong>ung<br />

sich zur Rettung des Vaterlandes als Kämpfer darznstellen, ihre Vaterlandsliebe<br />

durch schnelles Hineilen zn dell Waffeuplätzen zu beurkuuden,<br />

sich verpflichtet hielteu, teils aber auch, als uach uud nach <strong>der</strong> größte Teil<br />

<strong>der</strong> Zurückgebliebenen mit ihren Eltern o<strong>der</strong> allein zn ihren Eltern aus<br />

Mangel all Unterhalt die Stadt zu verlassen gezwuugeu wurden. Dies<br />

hatte die nachteilige Folge für die Freqnenz des Gymnasiums, daß<br />

1) schon im Februar die oberste Klasse voll alleu Gymuasiasten<br />

gänzlich verlassen nud auch ill den 3 nächsten Klassen durch den Abgang <strong>der</strong> altesten<br />

nnd waffenfähigen die Anzahl <strong>der</strong> Schiller bis über die Halste vermin<strong>der</strong>t<br />

wurde,<br />

2) daß vou 171 Gymnasiasten im Jan. 1N13<br />

um Ostern nur noch einige 8s),<br />

um Iohnnnis nur noch einige 40,<br />

um Michaelis bei <strong>der</strong> Censur 34,<br />

übrig geblieben waren.<br />

') Vgl. Festschrift des Kgl. MarieuMs-Gynmasium von 1894, S. 154.


! 12 Tagebuch nber die Belagerung Stettins im Ialn<br />

Anch die Anzahl <strong>der</strong> Lehrer vermin<strong>der</strong>te sich während <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong><br />

Blockade allmählich. Znerst verließ <strong>der</strong> Schnlamls-Kandidat Woltcrsdorf<br />

schon im Februar Stettin, weil er nach dem ^crlnste aller seiner Privatstunden<br />

von seinen Seminaristen-Einkünfteu nicht snbsinieren zn können<br />

glaubte. Er ist hernach allch in die Reihe <strong>der</strong> Vaterlaudsverteidiger getreten.<br />

Eben diesen Entschlnß faßten anch <strong>der</strong> H. Sllbrector Graßmann<br />

nnd H. Bacc. Pohl, welche lieide sich bei dem preußischen Artilleriecorps<br />

zn engagieren Lust bezellgtcn; sie verliefen bald darallf anch die Stadt.<br />

Ihnen folgten um Ostern <strong>der</strong> Schulamtscandidat Nluth, teils weil<br />

er Mangel an Vedensnnterhalt liefürchtele, teils anch weil er Hoffnung<br />

hatte die Hohenzadenscke Pfarre zn erhalten, zll <strong>der</strong> er schon geprüft worden<br />

war, und da es nngewiß war, ob er gegen Iohannis, wo die Pfarrstellc<br />

angetreten werden sollte, ans <strong>der</strong> blokicrten Stadt werde heransgclassen<br />

werden können, so gab er sein Lehramt schon jetzt ganz anf.<br />

Der Herr Schnlrat Vartholdy, welcher wegen seiner Kränklichkeit<br />

sowohl bei einem Bombardement von dem Schrecken nnd von <strong>der</strong> Angst,<br />

als anch nnr bei einem lange anhaltenden Mangel an guten gedeihlichen<br />

Nahrungsmitteln nachteilige Folgen fnr seine Gesundheit mit Nccht<br />

befürchten mußte, begab sich anch nm Ostern ans <strong>der</strong> Stadt aufs Land.<br />

Um Iohannis bald nach <strong>der</strong> Censnr verließen ans Mangel an<br />

Lebensmitteln <strong>der</strong> H. Schnlrat Koch, <strong>der</strong> H. Subrector Hasselbach und<br />

<strong>der</strong> Vchrer H. Schellt, sowie im Anfange des Oktobers die beiden Schillamtslandidaten<br />

Melcher und Ieuchen die Stadt, sodaß in allem für<br />

10 Lehrer') die übrigen Lehrer die Lehrstuuden übernehmen mußten.<br />

Anfangs hatte anch <strong>der</strong> H. Pred. Graßmanu 4 Lehrstnnden für seinen<br />

Vrndcr, den H. Sllbrector, nlitübcrnolnlnen, zltmal da er, weil die oberste<br />

Klasse noch nicht hatte wie<strong>der</strong>hergestellt werden können, keine Lehrstundeu in<br />

Groß-suprema halten durfte. Als aber um Iohannis auch die meisten<br />

Lehrer <strong>der</strong> Ministerialschnle die Stadt verließen, so sah er sich genötigt, die<br />

meisten Lehrstuuden in dieser seiner speziellen Anfsicht anvertranten Bürgerschule<br />

selbst übernehmen, damit die Kin<strong>der</strong>, welche diese Schule besuchten,<br />

uicht ohne Lehrer wären. Daher mnßten auch diese 4 Lehrstundeu uuter<br />

die übrigen Lehrer verteilt werden.<br />

II. Protokoll vom 3. November 1ft13.<br />

Von neuem hat sich die Anzahl <strong>der</strong> Schüler wahrend des verflossenen<br />

Monats vermin<strong>der</strong>t und zwar so, daß am heutigen Tage<br />

') Von im ganzen 19 Lehrern.


Tagebuch über die Velaqerung Stettins im I«,hre 1813. 113<br />

in Gr. Suprema keiner<br />

in Kl. Suprema nnr :^<br />

in Tertia I<br />

in Quarta 4<br />

in Quinta 5<br />

in Sexta 2<br />

in Scptima 5<br />

überhaupt 2l)<br />

befinden, von welchen <strong>der</strong> eine in ^eptima sich fast in <strong>der</strong> Wiek aufhält<br />

nud großenteils abwesend ist, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e in Septima auch schon im Begriff<br />

ist auszuwan<strong>der</strong>n, sobald ein neuer Termin zur Auswan<strong>der</strong>ung vom<br />

französischen Gouvernement festgesetzt ist.<br />

In Ansehung <strong>der</strong> Vehrer ist diesmal keiue Verän<strong>der</strong>ung vorgefallen.<br />

ValMcbe «tudlen 3t. F. XM.


Ein Besuch öes Rönigs Meörich Wilhelm I.<br />

in Rerflin (Rreis Uolberfl-Wörlin).<br />

Von<br />

z. K. N Strecker.<br />

Pastor in yriyow.


Vom 1. Januar 1882 bis 1. Dezember 1N89 von Carvm aus die<br />

vakante Pfarrstcllc Kerstin mitverwaltcnd, nahm Verfasser Veranlassung, die<br />

noch fehlende Pfarrchrouik für diese Gemeinde anzulegen. Verhältnismäßig<br />

reiche Ausbeute gab das Pfarrarchiv, sowie eiue Anzahl Epitaphien uud<br />

Gcdeuktafelu, die in <strong>der</strong> Kirche aufgestellt sind. Auch die ziemlich lebendige<br />

Tradition in <strong>der</strong> Gemeinde tam zur Hülfe. So war z. V. die Erinuenmg<br />

au eiuen Besuch des zweiten Prenßeulönigs in Kcrsliu bei den Venten noch<br />

nicht vcrkluugeu.<br />

Friedrich Wilhelm I. übernachtete auf einer <strong>der</strong> Neiscu, die er jährlich<br />

in den Osten seines Neiches zu macheu pflegte, am 2. August 17:N auf<br />

dem adligen Gut iu Kerstin. Der Besitzer, Graf E. Chr. v. Manteufscl,<br />

Kabinetlsminister des Königs Angust von Polen, hatte alles aufgcboteu, den<br />

erhabenen Gast würdig zu empfangen. Das an sich schon seltene Ereignis<br />

gab reichen Stoff, nicht allein um in allen Gesellschaften <strong>der</strong> Nachbarschaft<br />

besprochen, soudcru auch vou Gclegeuheitsdichteru besuugeu zu werden.<br />

Vange bemühte stch Verfasser vergebeus, gcuaueres hierüber zu erfahren,<br />

bis er endlich durch die Freuudlichkeit des verstorbenen Professors Or. Hanncke<br />

aus Köslin iu den Besitz eines Manuskripts kam, welches diesen Besuch in<br />

Reimen beschreibt. Der Dichter nennt sich Uhingt. Die Kerstiucr Tradition<br />

wollte deu Dichter Namler als den Perfertiger <strong>der</strong> Neimerei in Allspruch<br />

nehmen. Die Handschrift gibt ausführliche Auszüge aus einem 17.i3 in<br />

Hamburg „auf Kosten guter Freunde" besorgten Druck. Ob wohl Exemplare<br />

dieses Druckes noch vorhanden wären?<br />

Jedenfalls m die Beschreibung des Besuches in unserer Haudschrift<br />

inieressaut geuug, um <strong>der</strong> Vergessenheit entrissen und durch die „Baltijchcu<br />

Studien" weiteren Kreisen zugänglich gemacht zu werden. Sie führt den Titel:<br />

^vizariuu Knittelhart<br />

berichtet an seinen guten Freund in Berlin Dskiäorium Nenlieb, daß Ihro<br />

Kgl. Majestät in Preußen bei dem Grafen v. Mantcuffel zu Kerstin am<br />

2. August') 1731 gewesen.<br />

') Dies Datum stimmt nicht mit dem später genannten, s. 28. Inli.<br />

'


Il« Ein Bcwch des Könisss Friedrich Wi Helm I.<br />

Der Autor erzählt seinem Freunde zuerst, daß er nach manchen<br />

Wan<strong>der</strong>ungen seinen dancrnden Wohnsitz endlich in Kolberg genommen und<br />

die Umgegend sehr anziehend gefunden habe. Dann rühmt er die Vage des<br />

Gutes Kerstin und den trefflichen Charakter des Besitzers in folgenden<br />

Strophen:<br />

Von hier, zwo Meilen, wie besannt,<br />

da liegt ein Ont, Kerstin genannt,<br />

allwo lebt unverhohlen<br />

Graf Mllnteuffcl zu dieser Frist,<br />

Der Kabiuetsmiuister ist<br />

vom Könige von Polen.<br />

Es ist ein Jahr, daß diesen Ort,<br />

seitdem <strong>der</strong> Graf nun wohnet dort,<br />

man mehr als sonsten preiset;<br />

denn weil's ein Herr von Freundlichkeit,<br />

so komlueu ^eute weit uud breit<br />

nach ihm dahin gcreiset.<br />

Der Garten, so hier ist zu sehn,<br />

ist zwar nicht groß, doch trefflich schön<br />

an Blumenstück und Gängen,<br />

worin des Abends, daß ihr's wißt,<br />

so oft <strong>der</strong> Mond unsichtbar ist,<br />

viel helle Lampen hängen.<br />

Ein Wun<strong>der</strong> ist's in meiuem Sinn:<br />

ein Dorndusch, welcher steht darin,<br />

die Große darf kaum nennen:<br />

er ist sowie ein Lindcnbaum,<br />

daß unser zwanzig ganz geranm<br />

darunter sitzen können.<br />

Dergleichen trifft man schwerlich an,<br />

und auch die Kirche lobesam,<br />

die an den Garten reichet,<br />

ist drinnen so voll Zierlichkeit,<br />

daß ihr au solcher weit und breit<br />

keiu' einzge Dorfkirch gleichet.<br />

Mit Unterthanen ist das Gut<br />

ganz angefüllt, sie haben Muth,<br />

sind gastfrei, tanzen, springen.<br />

Ich ging zu einem in das Haus,<br />

gleich gab die Mutter einen Schmaus,<br />

ließ Bier und Schinken briugeu.


in Kerstin l Kreis Kolberg-Körlin). l 19<br />

Knittclhart berichtet nun weiter von dem wun<strong>der</strong>schönen Walde, durch<br />

welchen <strong>der</strong> Graf habe Alleen hallen lassen, um eine wuu<strong>der</strong>herrliche Aussicht<br />

nach seinem „Knmmerfrei" zu gewinnen, emem ^usthausc^ voll schöner<br />

Gemächer und „werth, oasi man's deschauet". Dann fährt er fort:<br />

Der König kam nach Nelgard früh<br />

in gros; und hoher Compagnie<br />

nach Art <strong>der</strong> Potentaten<br />

und thüt daselbst das ^ager schön<br />

wie auch das Regiment befehlt<br />

des Generals von Platen.<br />

Das war am läge zwanzig acht<br />

verwichneu Heumonats vollbracht;<br />

Nachmittags war's zu Ende.<br />

Da fuhr <strong>der</strong> König wie<strong>der</strong> fort<br />

und sprach: Kerstin ist nuu <strong>der</strong> Ort,<br />

wohin ich mich jetzt wende.<br />

Drauf ging's im Trabe wie <strong>der</strong> Wind;<br />

die ^cute liefen nach geschwind<br />

uud sagten mit Geschicke:<br />

Der König muß ohn allen Schein<br />

dem Grafen sehr gewogen sei«,<br />

souft blieb er wohl zurücke.<br />

Als nnn im Walde „Kummerftei"<br />

<strong>der</strong> König aukam um Glock drei<br />

Nachmittags — merk es eben —<br />

so stund <strong>der</strong> Graf schon lang bereit,<br />

um diesen Herrn mit Freudigkeit<br />

vom Wagen abzuholen.<br />

Dies war beim Eintritt <strong>der</strong> Allee.<br />

Hier stehn zwei Bil<strong>der</strong> weiß wie Schnee<br />

von lustigen Geberdeu;<br />

die nahm <strong>der</strong> Köuig lachend fein<br />

mehr als einmal in Augenschein<br />

spazierend auf <strong>der</strong> Erden.<br />

Nicht weit davon war angespannt<br />

des Grafen Wagen, Wurst genannt,<br />

von acht geraumen Plätzen.<br />

') Von dem Namen „Kummerfrei", sowie von dem kuflhmise weiß man in<br />

Kerstin nichts mehr.


120 Ein Besuch des Königs Friedrich Wilhelm l.<br />

Der König, Seckendorff, Grumbkow,<br />

<strong>der</strong> Graf von Henckel und Derschow,<br />

die thäten sich drauf setzen.<br />

Kaum waren sie von diesem Ort<br />

gefahren hun<strong>der</strong>t Schritte fort,<br />

als man bald thät entdecken<br />

viel Baueru tanzend mit Oeschrei,<br />

auch liebliche Musik dabei<br />

von Fiedeln und Pfeifböcken.')<br />

Das sah <strong>der</strong> König gnädig an.<br />

Alsbald kam hier ein Banersmann,<br />

<strong>der</strong> Schnlz, herangezogen.<br />

Der übergab nach Bauern Art<br />

von PomlnerscWplatten Versen zart<br />

fast emen uoNcn Bogens)<br />

Die Bancrn-Inngfern knapp geschnürt,<br />

mit rothen Bän<strong>der</strong>n ausgeziert,<br />

die kommen auch gelaufen<br />

und werfen Nlnmen mancherlei<br />

wohl auf den Wagen ohne Lchen<br />

und auf deli Weg mit Hänfen.<br />

Indesi da diese Nymphenschaar<br />

und auch <strong>der</strong> Schnlz zugegen war,<br />

da schwang ohn Zank und Ha<strong>der</strong><br />

ein je<strong>der</strong> Baner seinen Hut<br />

und schrie dagegen wohlgemuth:<br />

„Weest hie willkahmen! Ba<strong>der</strong>!"<br />

Dnrch dieses Getümmel, dem sich auf <strong>der</strong> Weiterfahrt in ähnlicher<br />

Weise die Bancrn ans Krukenbeck, Gandelin und Krühne anschlössen,<br />

gelangte man endlich nach Kummenrei.<br />

') Dudelsäcken.<br />

') Siehe unten.<br />

Hier blies <strong>der</strong> Waldhornisten Chor<br />

dem König trefflich in das Ohr; <<br />

hier hätt' ich tanzen müssen.<br />

Und fast an dreißig Arbeitsleut<br />

am Hanse nahmen sich die Zeit,<br />

den König zu begrüßen.<br />

Desselben Hohe Majestät<br />

stieg ab, und was er ferner tlmt,


in Kerstin lKreis Kolbern-Körlin). 12l<br />

war das — er ging spazieren<br />

in diesem Lnsthaus wohlgethan<br />

nnd sahe jeden Wintel an,<br />

ließ nichts als Freude spüren.<br />

Eine beson<strong>der</strong>e Ucberraschuug hatte <strong>der</strong> Graf dem Könige dnrch zwei<br />

lebensgroße Vil<strong>der</strong> bereitet, vorstellend beide Monarchen von Prenßeu nnd<br />

Polen, wie beide sich freundlich die Hand reichen.<br />

Sie gaben sich die hohe Hand<br />

als ihrer Freuudsckaft Untcrvfand<br />

mit fürstlich holden Blicken.<br />

Die Freude — weil dies Vildcrpaar<br />

<strong>der</strong> König nicht vermuthen war —<br />

ist fast nicht auszudrücken.<br />

Es geht nun weiter vorwärts nach Kerstin, denn<br />

<strong>der</strong> völlig stieg wohl auf die Wurst,<br />

die audcru uur mit großem Dnrst;<br />

warum? Es war heiß Wetter.<br />

Da fuhren sie, so wohl ich bin,<br />

znm alten Edelhause hin;<br />

— das neue war viel netter. —<br />

Hier ward dem König vorgestellt,<br />

ob eine Kammer o<strong>der</strong> Zelt<br />

ihln Herberg geben sollte:<br />

auch ob er etwa in <strong>der</strong> Scheun',<br />

wie seilt Gebrauch sonst pflegte sein,<br />

letzt Wohnuug nehmeu wollte!<br />

Das Zelt stuud gleich am Garten an<br />

auf eiuem grünen Wiescuplan,<br />

<strong>der</strong> lustig war beschaffen.<br />

Als nun <strong>der</strong> König jeden Ort<br />

beschauet, sprach er alsofort:<br />

„Im Zelt, da will ich schlafen."<br />

Ich glaube schier — was gilt die Nett'? —<br />

Du denkst: „war's denn schon Zeit zn Vctt?"<br />

O laß den Irrthnm fahren!<br />

Es war um fünf, das sag' ich frei,<br />

da schaffte man Tobak herbei<br />

für alle, die da waren.<br />

Sie schmanchten in dem Gartenhans,<br />

dran oben hing ein Schild heraus<br />

genannt „zum lust'gen Bru<strong>der</strong>".


,'« Ein Besuch drs Könisss Friedrich Wilhelm I.<br />

Es waren wohl an Offiziers,<br />

an Generals, Landkavaliers<br />

bei sechs bis sieben Fu<strong>der</strong>.<br />

Und dasi ich Dich nicht wo vexier -<br />

so Ml' zu jedem Fu<strong>der</strong> vier,<br />

Das kannst Du leicht ermessen.<br />

Mit diesen hat <strong>der</strong> Konig fein<br />

Tobak geranchet bis um neun,<br />

da ging's zum Abendessen.<br />

Als man sich nun gegessen satt,<br />

so bis Glock elf gedauert hat,<br />

da ließ <strong>der</strong> König stehen<br />

den harten Schemel, drauf er saß,<br />

uud ging im Garten, dies und das<br />

darinnen zn besehen.<br />

In den belanbteu Gangen fand<br />

man überall im vollen Brand<br />

viel lnstige Devisen.<br />

Das Ding heißt Luminatimi,<br />

das hat <strong>der</strong> König ohne Hohn<br />

durchgehend gut geprieseu.<br />

Was wen'ges sei davon genng.<br />

Es brannten erst in einem Zug<br />

des Königs beide Namen.<br />

Daranter hielt ein Genius<br />

<strong>der</strong> Pommern ihren alten Gruß<br />

auf Plattdeutsch „Wcest willkahmen!"<br />

Hernach des Königs Ebenbild<br />

in Lebensgröße hold und mild,<br />

wobei noch dies gewesen:<br />

Zur Rechten die Gerechtigkeit,<br />

man konnt' auf seinem (?) Ordenskleid<br />

„8UUIN euiyuß" lesen.<br />

Zur Linken war gleich einem Held<br />

das Bild <strong>der</strong> Tapferkeit gestellt<br />

mit diesem Spruch umschrieben<br />

^oen unser Herr zu eigeu hat)<br />

„Neo 8o1i eeäit«. In <strong>der</strong> That,<br />

das Bildchen muß man lieben.<br />

Es folgt eine etwas breite Erkläruug bei<strong>der</strong> Sinnsprüche. Das „8uum<br />

euiczue" kommentiert <strong>der</strong> Dichter in den plattdeutschen Neimen:


in Kerstin (Kreis Kolberss.Kmlin). 123<br />

„Den truggeu (trenen) Knecht belohnt;<br />

SciUäg vor den quaden (schlechten) Dcif (Dieb)!<br />

Ans ähnliche Weise deutet er auch das „nee goti eoM":<br />

Blink (leuchte), as du wist (willst) in dynem Häg' (Hag),<br />

Ick steig di doch nich nt dem Weg!<br />

Von an<strong>der</strong>en Scenen beschreibt Kuittelhart noch folgende:<br />

Zum fünften hat man dies gesehn:<br />

ein Esel wollt sich unterstchn,<br />

hoch an den Fels zu steigen.<br />

Es saß auf dieses Felsen Spitz<br />

ein großer Adler, reich an Witz,<br />

uud schicu erst still zu schweige«.<br />

Doch weil's <strong>der</strong> Esel kichuer trieb,<br />

gab ihm <strong>der</strong> Adler einen Hieb<br />

in seiue laugcu Ohren.<br />

Da fiel <strong>der</strong> Tropf vom Fels herab<br />

und hatte bald ein schimpflich Grab<br />

und Leben mit verloren.<br />

Das sechste Stückchen war ein Lachs<br />

vom Elbstrom und mithin eiu Sachs',<br />

<strong>der</strong> that sehr große Sätze.<br />

Er dünkt slch tlug in seinem Sinn<br />

uud spraug hoch übern Vachsfaug hin;<br />

damit war er im Netze.<br />

Hierüber stand lateinsche Schrift;')<br />

ich weiß nicht, ob's <strong>der</strong> Kautor trifft,<br />

<strong>der</strong> will es so verstehen:<br />

Ich dnmmer ^achs, Hans Unbedacht,<br />

ich hab mich selbst in Noth gebracht,<br />

nuu ist's mit mir geschehen.<br />

Der König bezeigte hierüber ein großes Wohlgefallen. Ausuehmend<br />

ergötzte ihn aber eiue <strong>der</strong>be Anspielung anf politische Verhältnisse, wobei<br />

ein (Genius das für uusere Zeit unzarte Fiuale macht. Denn<br />

Noch eius! Es war auch surgestellt<br />

Die runde Kugel dieser Welt<br />

vou Harlequins umgeben.<br />

Die war'u französisch angethan<br />

und drangen sich zur Kugel an,<br />

als wollteu sie sie habeu.<br />

oapit


1^4 Ein Besuch des Königs Friedlich Wilhelm 1.<br />

Gleich gab ein Genius ')<br />

ans den Wolken ')<br />

und sagte frisch und mnnter:<br />

„Ick sitt in Pommerns Hemelszelt<br />

') dei dnlle Welt"<br />

denn merk: es fiel was runter!!!<br />

Sonst glänzten Lampen von (5rystall<br />

im Garten völlig überall;<br />

von dem wird fast umgeben<br />

das Edclhans, so vorbcruhrt;<br />

es war mtt Lampen ausstaffiert,<br />

Laternen anch daneben.<br />

Solch Vcben ward bis Mitternacht<br />

und drüber fröhlich zugebracht.<br />

Drauf ward es anch geeudct,<br />

weil unser König, müd' vom Gehn,<br />

als er sehr lange zugesehn,<br />

sich nun ins Zelt gcweudct.<br />

Das Sonntagsgeläutc am an<strong>der</strong>en Morgen weckte den König nach<br />

sicbenstüudigem Schlafe. Er uersällmte nicht, dem Gottesdienste und <strong>der</strong><br />

Predigt des gelehrten Pfarrers Dr. Wagenseil (17^>—1754) beizuwohnen.<br />

Die Andacht, so <strong>der</strong> Herr bewies,<br />

bis es zum letzten „Amen" hicst,<br />

ist rar bei Potentaten.<br />

Um elf Uhr wurde dann die Mittagstafel im Garten angerichtet.<br />

Dort schmausten in <strong>der</strong> Vaubcrhütt<br />

die lustgen Brü<strong>der</strong> alle mit<br />

in Ehren uud in Züchten.<br />

Wie höchst vergnügt uud wohlgeneigt<br />

<strong>der</strong> König sich bei Tisch gezeigt,<br />

das ist nicht auszusprechen.<br />

Er aß und traut des besten Weins<br />

vom Ungarland von Nummer eins;<br />

man fing fast an zu zechen.<br />

Der König nahm ein Glas mit Lnst,<br />

nef laut: „Es lebe mein August!<br />

Gott geb' ihm langes Leben!"<br />

Und weil er kleine Stücken sah,<br />

die in Bereitschaft standen da,<br />

so bieß er Feuer gebeu.<br />

') Die fehlenden Worte waren in <strong>der</strong> Handschrift unleserlich.


in Kerstin lKreiS Kolberg-KorlinV<br />

Auch bracht cr ferner bei dem Schmans<br />

noch mancherlei Gesundheit aus,<br />

bis das; es Eins geschlagen.<br />

Drei (?> Stnnden war <strong>der</strong> Herr am Tisch,<br />

dann stand er allf gesund und frisch<br />

und eilet nach dem Wagen.<br />

Erbaulich klingt die „glückliche Mise" nnd <strong>der</strong> Wunsch nm „baldige<br />

Wie<strong>der</strong>kehr" des Monarchen, welcher sich gegen die gräfliche Dienerschaft<br />

äußerst freigebig bewiesen hatte.<br />

Es folgt nun cm Abriß <strong>der</strong> Tafel mit den Sitzen <strong>der</strong> Anwesenden:<br />

(Arf.v.Mantffl. DerKöniss v.Seckendorff v.Terschau v.Grumbkow<br />

v. Vorck v. Vewuald v. IassoczinsNi v. Vlumenthal<br />

V.Schwerin<br />

,md eine Vefchreibnny <strong>der</strong> Gcsnndheitsgliiser, als S. Kgl. Majestät in Kerstin<br />

gespeiset:<br />

Ein Glas, ans dessen einer Seite des Königs Portrait, ans <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

dieser Pommersche Reim zn lesen:<br />

Gott lat Emln hunnert Jahr<br />

mit Volt nnn Fahnell stntzeu,<br />

dem Düticken Rnk thom Trost<br />

Unn dem Franzmann tboin Putzeu (Spott).<br />

Eill an<strong>der</strong>es Glas zeigte auf <strong>der</strong> einen Seite des Königs Devise:<br />

einen gegell die Sonne auffliegenden Adler mit <strong>der</strong> gewöhnlichen Vcischrift<br />

„N6O L0!l oedit". Allf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite stand <strong>der</strong> Neim<br />

Blink, as du wist, in dienem Hege;<br />

Hei flücht di nich uth dem Wege. (S. oben.)<br />

Ein drittes lrng vorn die Inschrift „vivat (^6rmknik! perekt 6n


Ein Besuch des Königs Friedrich Wilhelm I.<br />

Wy freuggen lchs vähl mehr, doar Iy hier spraken an,<br />

as wenn wy mit dei Brut tho eirst tho Truwe (Trauung) gähn.<br />

So pleggt (pflegt) man sülleu (selten) eis uhs um bat Hart tho wäsen (seiu);<br />

doch as uhs Junker letzt im Harwst (Herbst) her kämm von Drüsen,<br />

del, so vähl leiwe ?yd syn Hus unu Hof vergati,<br />

doa was uhs uck ball so, doa frcugde wy uhs watt.<br />

Watt scgg ick vähl von „Watt"? Wy frcugden uhs tho dägeu (gar zu sehr);<br />

denn heww (haben) wy doch am Euu en gauden Herren tragen,<br />

dei nich eu Kiud verthörut (erzürnt), dei Nünnneud öwerlast (Niemand überlastet) !<br />

Dat Aeir, dat Loff (^ob) unn Geld, dat sitt by Emm uich fast.<br />

Will't uhs by duhrer Tlid an Brot uun Saat gebräkeu.<br />

hei gifft uhs ^üdm geeu (geru), lett uhs by uhl'eu Sträkeu (Streichen).<br />

Wen« uhs en Peerd afsteiht (krepiert), wenu reits (plötzlich! cn Höft (Hailpt<br />

so seggt hei: „gräm dy nich, hier heft du wed<strong>der</strong> Geld".<br />

Vieh) umfällt,<br />

Hei lid't (leidet es) nich, dat hier wer dörf up deu Potcu starweu (ver-<br />

den Ollen lett hei nich vor syner Tyd verdarwen.<br />

hungern darf),<br />

Evn Feuddiug (Fütteruug, Unterhalt) gifft hei dem, dcy uu uich wy<strong>der</strong> kann,<br />

lctt Buhreu Buhreu syn unu bliwwt 'n Eddelmauu.<br />

Drüm was't uhs hartlyk leiw, dat hei thau Hus was kamen.<br />

Doch da uhs Künuig sülwst, uhs Va<strong>der</strong> unn Herr thosameu,<br />

uhs allerleiwste Herr, by uhs vom Wagen springt,<br />

so ist't as wenu uhs Hart gan.5 uth dem Licwe dringt.<br />

Wenn nu dei wed<strong>der</strong> keim (käme), dei vor twei hunnert Jahren<br />

by synes Nawens Kolz (Gekrächze) fast uth dei Hut wull fahren —')<br />

wer weit't! hei fchämt sick woll uun würd ball bleick ball roth.<br />

Hei was förwahr nich klauk, as hei deu Nawen schoht.<br />

Dei Nawe fad (sagte): „ick denk, wat künftig ward passeire";<br />

unn seiht (seht), dünn fach dat Ding allreits deu Wagen feuhre,<br />

womit uhs sannsherr hüt tho uhsem Iuuker kümmt.<br />

Dei Mawe fach uhs Glück, dat hüt syu Anfang nimmt.<br />

') Der Schulze spielt hiermit auf eine alte Begebenheit an aus dem Jahre 1532.<br />

Der damalige Besitzer des Gutes Kerstin, Christof v. Manteuffel, hatte einen zahmen<br />

Raben, welcher eben auf dem Dache sah, als sein Herr mit einigen guten Freunden<br />

eines Sonntags aus <strong>der</strong> Kirche kam. Er rief den: nachdenklich dasitzenden Raben<br />

auf lateinisch zu: „eoivs, quill ooßitg.8?' Der Rabe antwortete sofort: „colilo<br />

sutura". Weil nun <strong>der</strong> Vogel sonst nie gesprochen hatte, hielt man dafür, daß <strong>der</strong><br />

Teuscl aus ihm rede, und v. Vi. hat ihn sofort erschossen. Tatsache ist, daß diese<br />

Legende in lateinischer Sprache über dem Eingang des Herrenhauses geschrieben stand.<br />

Auch in Nangos Pommerscher Chronik soll darüber berichtet werden. Ob letzteres<br />

wahr ist, kann Verfasser nichl kontrollieren.


in Kerstin (Kreis Kolberg-Körlin).<br />

Dat holl (halten) wy wiß (gewiß) davor, drum kam (kommen) wy uck mit<br />

Hnpen (Haufen),<br />

nich bat wy willen hier wat fraten nun wat suften.<br />

Tydt nanch! (Zeit genug!) Uhs Knnning ichall uhs ma (nur) Willkahme syu<br />

Ut Kerstin, Krnkenbeck, Ganlin (Gandelin) nun nt <strong>der</strong> Krühu.<br />

Nehmt so mit uhs verlciw (vorlieb), Iy hartleiw Lannes-Va<strong>der</strong>;<br />

dei't (<strong>der</strong> es) nich trüg mit Iuw meint, dat is'n Värenbra<strong>der</strong>.<br />

Dis Dag, so wahr ick Schult! mut im Kalenner ftahn,<br />

den will wy alle Jahr so as'n Fest begahu.<br />

Des Avends noch darvör will wy mit Ellernkahlen<br />

an uhse Dorwcgsdöhr 'n schwarten Nawen mahlen.<br />

Potz dnfeud! Wcuu dit mau uhs leiwe Inuker suht,<br />

denn is ne Tnnne Veir an diggem (diesel«) Fest nich wyt.<br />

Herr Künning, glöwt uhs dat, wy weiten Iuwen Namen.<br />

Den Iuw Grotva<strong>der</strong> hedd, den heww Iy uck bckamcu.<br />

Kloppt Iuwen Fygcud (Feind) af noch öfter as dis Held,<br />

unn blywt so, as Iy sund, de best Herr von de Weld.<br />

Gott lat Iuw hunnert Jahr mit Volt »lud Fahnen stutzen<br />

dem dütschen Nyk thoin Trost nun dem Franzmann thom Putzen;<br />

Dem Vaterlann thor ^nst, <strong>der</strong> rechten Saat thor Nütt.<br />

Gott gew Iuw alles, wat <strong>der</strong> Affguust mehr ucrdrütt.<br />

Seiht, beter tüun' wy't denn nck all uhs Dag nich meinen.<br />

Nu, so vähl Blä<strong>der</strong> hier up ulisen Dorubuich greunen,<br />

so waten (freudig) greunt unu seggt: „Dit Pommern is doch myn".<br />

Und sünd Iy Pommern gaud, so denkt uck an Kerstin.<br />

Geschräwen tho Kerstin den letzten Dag an Drey<br />

des Mahudes, dar wy meygu (mähn) unn infeuhrn Graß unn Heu.<br />

Söven achtzig Styg (2O X A7) Jahr ungr (weniger) nagen (neun) noam<br />

(nach dem) eysten (ersteu) Hillgen Wynachten,<br />

Wornft dey Juden noch as dumme Düwels wachten (warten).<br />

Hans Boneß,<br />

Schulte thau Kerstin, im Namen <strong>der</strong> veir Dörper<br />

Kerstin, Krütenbeck, Gandelin unn Krühn.<br />

Das Gedicht war rubricirt:<br />

Den Kunning leiwt nnn lawet, Mandüwels Unnerdahn,<br />

unu fröcht (fragt) dörch disseu Breif, wo't hcfft bet diggens (bisher) gähn.<br />

Willkamen seggt hei uck — by nhs hier in Kerstin<br />

van uhs, van Krukenbeck, van Gandelin unn Krühn.<br />

Bemerkt sei noch, daß die eckige Klammer von „Kuittelhart" gesetzt ist,<br />

währeud die runden nebst den Anmerkungen von dem Verfasser herrühren.


pommerschen<br />

Nrknndenwesen im 13. und IH. Jahrhun<strong>der</strong>t.<br />

»»Mich« «Mb!« N, «, XI»,<br />

Von<br />

Dr. Friedrich Snlis.


I.<br />

Angebliche 3älschnngen.<br />

Als Klempiu im Jahre I^l»^ den ersten Band des Pommerschen<br />

Urkllndellbnchs erscheinen ließ, gab es eine wissenschaftliche Diplomatie <strong>der</strong><br />

Privatllltllnde ini heutigen Tinne noch nicht. Für die Bearbeitung <strong>der</strong><br />

Königs- nnd Kaisermknnoeu stellte damals Theodor Sickel die maßgebenden<br />

Prinzipien ans. Aber in <strong>der</strong> methodischen Kritik <strong>der</strong> Pnoaturkliudeu tappte<br />

man völlig im dnnteln. Das ist inzwischen wesentlich an<strong>der</strong>s geworden.<br />

Beson<strong>der</strong>s in den letzten zwel Jahrzehnten ist eine stattliche Reihe von<br />

Untersuchungen über geistliche nnd weltliche Kanzleien erschienen, nnd anch<br />

nnserm pommerschen Gebiet hat sich die Forschung zugewandt, bei<strong>der</strong> kanil<br />

man gerade hier nicht sagen, daß <strong>der</strong> Erfolg <strong>der</strong> angewandten Mühe<br />

entsprochen hätte. Es ist ein anßerordentlich lntcressailtcr, aber auch ein<br />

ebenso schwieriger Voden, auf dem wir uus bewegen. Welche Einflüsse haben<br />

hier nicht konkurriert! Polnische und dänische, nie<strong>der</strong>- und mitteldeutsche,<br />

die römische Kurie und die kaiserliche Kanzlei, die Orden <strong>der</strong> Mönche wie<br />

<strong>der</strong> Ritter, Bamberg und Hildesheim — alle Kulturträger, die sich im<br />

pommcrschen Neulaud trafen, haben auch ihr Urkundeuwcjcn mitgebracht.<br />

Daß Klempins Standpunkt bei <strong>der</strong> Echtheitöprüfnng unhaltbar ist,<br />

hat schon G. von Bnchwald ') erkannt. Aber Klempins angezeichnete<br />

Kenntnis des geschichtlichen Inhalts nmcrcs älteren Materials uud eine<br />

vorsichtige, zuwarteudc Kritik hauen ihu vor manchem Fehlschluß bewahrt,<br />

auf den spätere Beurteiler mit Begeisterung hiuelugefalleu sind. Buchwalo<br />

selber ist dann bekanntlich das Mlstgcschict begegnet, daß die Fachgenossen<br />

seine Arbeit einstimmig abgelehnt haben. Es ist zu bedauern, das? ein so<br />

fleißiger und in vielen Einzelheiten so von


';-? Untersuchungen zum pommerschen Nrkundenwesen<br />

weit gegangen. Ich möchte doch daran erinnern, daß Vnchwald als erster<br />

e,ue Neihe von Beobachtungen gemacht hat, z. B. über den charakteristischen<br />

Duktus verschiedener Ordeusschnlen, die gerade jetzt wie<strong>der</strong> im Mittelpunkte<br />

des Interesses stehen.<br />

Nach einer Anzahl kleinerer Beiträge verschiedener Verfasser') zur<br />

pommerschen Diplomatik haben wir iungst von Schillmanu') eine Darstellung<br />

des Urkundenwesens <strong>der</strong> Kamminer Bischöfe bis zur Mitte des 14. Jahr-<br />

hun<strong>der</strong>ts erhallen. Ich habe, im Gegensatz zu an<strong>der</strong>en Referenten, kein<br />

Hehl daraus gemacht, das; ich große Bedenken gegen die Studie hege/)<br />

^u meiner Betrübnis taun ich nicht berichten, daß bei <strong>der</strong> Nachprüfung<br />

<strong>der</strong> von Schillmaun festgestellten Schrclbcrhände und Schrcibschulcn mein<br />

Urteil günstiger geworden wäre. Im folgenden behandle ich zwei von<br />

Ichillmaull entdeckte Fälschungen. Danach mag sich <strong>der</strong> Leser selbst ein<br />

Bild machen.<br />

Wenn unsere Methodik des i//.^'?'/^,, l'e?/ ?/ /


im 12. und IN. Jahrhun<strong>der</strong>t. 133<br />

!. Die Gründungsbulle des Bistums Kammin (? 30), wohl das am meisten<br />

umstrittene pommenche Diplom. ^. Die älteste Zehntverleihnnq des<br />

Kamminer Bischofs für das Cistercienserklostcr Kolbav (l" «0^. :^. Der<br />

Vertrag über Wartenberg lmd Hökendors (? 99l), als Beispiel für die so<br />

oft mißverstandene Doppelausfertiguug. 4. Der Erwerb von /^?-/,n,'e nnd<br />

Pätschow durch das Domstift Vübcck ll^ 2i>1), eins <strong>der</strong> wichtigsten Zengnisse<br />

für das Eindringen des deutschen Rechts nnd <strong>der</strong> deutschen Kultur. 5. nnd t».<br />

Zwei Urkunden Bischof Hermanus für die (Gebrü<strong>der</strong> vou Münchow (?. 1049)<br />

und für den Nat zu Demmin (1^ 11Z5>); beide sind im Original erhalten,<br />

ich bespreche sie zur Beurteilnng des Schriftbeweises. 7. Der Erwerb des<br />

halben Dorfes Malchow durch das Kloster Buckow (l' 999) uud 8. die<br />

Generalkoufirmatiou Wizlaws ll. für dasselbe Kloster s? UX)9); hier<br />

»lochte ich au zwei innerlich zusammenhängenden Konfirmationen die Wichtigkeit<br />

einer eindringlichen Vokalforschuug belegen uud zugleich eiueu allgemeiueu<br />

Einblick in die Probleme <strong>der</strong> Buctower Schreibschule gebeu. 9. Die Zehutanweisuug<br />

Bischof Hermauus ebenfalls für Buckow (? 714); ncbcu <strong>der</strong><br />

Prüfung <strong>der</strong> Echtheit versuche ich eine Rekonstruktion des au <strong>der</strong> entscheidenden<br />

Stelle nur lückenhaft erhalteneu Textes.<br />

Für die eiuzeluen, zum Teil recht schwierigen Frage» die benutzte<br />

umfangreiche ^itteratur zu zitieren, ist zwecklos. Wer sich für die Bedeutung<br />

<strong>der</strong> Ereignisse iuuerhalb des größereu Zufammenhauges interessiert, sei neben<br />

den ältereu Arbeiten vou Winter, Wiesener und W. vou Sommerfeld anf<br />

die ausgezeichuetcn Darstellungen Martin Wchrmanns und P. vou Nießens<br />

verwiesen. Über die Nechtsgeschichte orientieren Brunner uud Schrö<strong>der</strong> und<br />

die von ihne» zitierten Monographiccu. ^u deu diplomatischcu Erörterungen<br />

vergleiche mau die bckauutcu Werke von Ficker ilnd Bresilau, uud aus <strong>der</strong><br />

letzten Zeit Ncdlich-Erben und die einschlägigen Kapitel in Meisters<br />

Grundriß. Vorausschicken mochte ich noch, daß ich den Leserkreis unserer<br />

Baltischen Studien zu berücksichtige» hatte, jo daß manches ausführlicher<br />

zu besprechen war, was mau im Kreise <strong>der</strong> Fachgelehrten mit einer Andeutung<br />

erledigen könnte.<br />

Papst Innocenz II. nimmt das neue Bistum Pommern mit dem<br />

Sitze zu Wollin in seinen Schutz uud bestätigt die bischöfliche»<br />

Güter und Einkünfte. 1140 Oktober 14.<br />

Die lHründungsbulle des Bistums Kammin') ist unter allen<br />

vommerschen Urkunden diejenige, die am häufigsten vou Historikern uud<br />

beurteilt worden ist. Ob dieser extensiven Bearbeitung die eutwrecheudc<br />

Aus bekannten Gründen benennen wir das Bistum gleich nach seinem


Untersucknnnen nun vollimerlcken Nrfundeniresen.<br />

intensive Erschließung ihrer Bcdentnng für die Kirchen- nnd Profangeschichte<br />

beschieden gewesen ist, bleibe dahingestellt. Man hat heftige Kämpfe nm sie<br />

geführt, mit Feuer nnd Schwert im 1A. nnd 14. Iahrhnn<strong>der</strong>l, mit Tinte<br />

nnd Fe<strong>der</strong> noch im 19., so daß einmal gar die königlich preußische<br />

Aufsichtsbehörde Frieden stiften mnßte. Wie weit in den mittelalterlichen<br />

Kämpfen um die Grenzen und die Eremtion <strong>der</strong> Diözese die tatsächlich o<strong>der</strong><br />

vermeintlich geschädigte Partei gegen den Inhalt des Prwilcys Front gemacht<br />

hat, braucht uus an dieser Stelle nicht zn beschäftigen. Jedenfalls ist seit<br />

dem 15). Jahrhun<strong>der</strong>t die Echtheit <strong>der</strong> Urkunde von allen Beurteilern ohne<br />

weiteres vorausgesetzt worden.<br />

Allein in jüngster Zeit hat <strong>der</strong> Meister <strong>der</strong> deutschen Kirchengeschicht-<br />

schreibnng, Albert Hauck, den Nachweis erbringen wollen, daft wir es mit<br />

einer Fälschung zu tun haben.') Nnd Fachgcnossen haben mich versichert,<br />

daß die gebotene Beweisführung entschieden überzeugend sei. Nach Hancks<br />

Ansicht gibt das Stück formell keinen Anlaß zu Bedenken, ist dagegen<br />

inhaltlich unmöglich. Die Schenkung <strong>der</strong> t«^/-« Demmin, Tribsees,<br />

Gutzkow nsw. tl„/l t't//l'.< ^ ^,?',/,n c/^^l/lV'ii.'l omnl'/,t,s sei eine Fabel.<br />

Wiejencr^ bringe durch die Deutung >>er /?'« als Tempelbnrgen einen<br />

fremden Sinn hinein. „Tempclbnrgen" habe es überhaupt nic gegeben.<br />

Die von <strong>der</strong> Konfirmation aufgezählten acht Bnrgen seien niemals bischöflicher,<br />

son<strong>der</strong>n landesherrlicher Bcsiy gewesen. Noch unglaublicher werde die Sache<br />

dadnrch, daß nicht allein l>ie Burgen, son<strong>der</strong>n die ganzen Nurgwarde dem<br />

Bistum geschenkt würden. „Aus dem Gesagten ergibt sich, daß wir einer<br />

nnechten, aber ans echter Grundlage beruhenden Urkunde gegenüberstehen.<br />

Der Fälscher erichtc die wirkliche Ausstattuug durch eiue fiugiene. Die<br />

wirkliche lästt sich allo nicht sicher augebeu. Es wird zu ihr gehört haben:<br />

1. die Abgabe von jedem Pflug, s. eine Anzahl Märkte, Krüge, Salz-<br />

pfannen u. dgl., bczw. Abgaben davon, 3. Grundbesitz in den angeführten<br />

Burgwarden, in ihnen lagen ja die ältesten Kirchen. Die Fälschung ist<br />

wahrscheinlich vor 1188 vorgenommen worden; denn sie lag für die Urkuude<br />

Clemens' III. vou diesem Jahr (? 111) schon vor. Aber da auch diese<br />

Urkunde nicht im Original erhalten ist. so ist cs nicht sicher; auch sie kanu<br />

gefälscht sein."<br />

Die Überkommelle Gestalt <strong>der</strong> Bulle ist nicht die Urschrift aus <strong>der</strong><br />

päpstliche« Kanzlei uud will es nicht sein. Son<strong>der</strong>n sie ist eme durch<br />

S'.egelung beglaubigte Abschrift, eine, wie die gleichzeitige Dorsaluotiz richtig<br />

besagt, ^-/)?Vl ^7^'m^ 5?,//? 6l//, ,,


im 13 und 13. Jahrhun<strong>der</strong>t.<br />

sucht möglichst genau die Vorlage zu kopieren, wir haben es also mit eiuer<br />

<strong>der</strong> bekaulltcu Nachzeichunngen zu tun. Die Schrift gehört <strong>der</strong> Wcude des<br />

12. zum i:'». Jahrhun<strong>der</strong>t o<strong>der</strong>, mir wahrscheinlicher, dem ersten Viertel des<br />

13. Iahrhuu<strong>der</strong>ts au. Im Umbug licraldi'ch rechts ein leerer'l Einschnitt<br />

für das Sicgelbaud, links ein eingehängter Pcrgamentttrcifcu, delde Lieget<br />

fchleu. Die verlorenen Siegel mögen diejcutgen dcs Bischofs nnd des<br />

Domkapitels gewesen sein. Vielleicht gehörten sie auch zwei Prälaten, die<br />

in den Kammincr Prozessen zur Zeit <strong>der</strong> Ausfertigung <strong>der</strong> Abschrift als<br />

delegierte päpstliche Nichter tätig waren. Eine offeue Frage bleibt, od die<br />

Überlicferuug iu den Kamminer Matrikeln') auf die vorliegende Nachzeichnung<br />

o<strong>der</strong> die Urschrift zurückgeht. Die Nachzeichnung ist nämlich so sorgfältig<br />

hergestellt, dan uns die wichtigsten Kritcrlcn für die Textvcrwaudtschaft, die<br />

gleichen Fehler, mangeln.<br />

Die Echtheitskritik im Sinne Haucks läuft auf die beiden Fragen<br />

hinaus: was ist überhaupt ein pommcrsches l-a.^?-«?« nnd was wissen wir<br />

urkundlich über die Bcsitzvcrhältnisse <strong>der</strong> 3. 7!i.


Nntersuchnnssen zum pommerscben Urknndenwesen.<br />

wie<strong>der</strong> fallen lassen und zitiert


im l2. und 13. Jahrhun<strong>der</strong>t. 137<br />

/07 0, /,,i,,Tiltt ,'i<br />

Zunächst stellen wir fest, daß die Hypothese, die cn^a bedeuteten<br />

nicht die Dotation son<strong>der</strong>n die Sprengelbeschreibuug des neuen Bistums,<br />

abzulehnen ist. Die einleitende turiate Formel lauu nicht an<strong>der</strong>s gedeutet<br />

werden als in dem Sinne einer Bestätigung <strong>der</strong> bischöflichen Guter. Jedes<br />

Analogo« für eine an<strong>der</strong>e Erklärung fehlt. Uud wie wir die angeblichen<br />

Äurgwarde auch strecken mögen, sie füllen niemals das zur Diözese gelegte<br />

Gebiet bis zur Leda aus. Ferner schickeu wir voraus, daß wir iu allen<br />

von <strong>der</strong> Konfirmation genannten Orten ein c-a^?-«?,« urtuudlich bezeugt<br />

finden. Ebenfalls in allen werden herzogliche Kastellaue, später ^o^/.^ari,<br />

--- Vurggrafcu angeführt. Wir wissen, daß die wendischen Kastellane<br />

neben an<strong>der</strong>en Ausgaben anch die landesherrliche Verwaltung ausübten.<br />

Iu soweit ist Sommerfelds uud Wehrmanns frühere Ansicht, daß die cvl.«e/,


NlttersllcklMssell zmn vonnnerjcken Nrknndeniresen.<br />

Territorialhoheit. Der Herzog von Pominern erwarb bei <strong>der</strong> Gelegenheit<br />

gewisse bischöfliche Rechte zurück, die ihm inzwischen drückend geworden waren.<br />

Die Einkünfte <strong>der</strong> Kamminer Kirche ans den wbeT-nae, s/enmae, /o^a usw. in<br />

Usedom, Stettin und Pyritz werden gegen eine bestimmte Iahresrente<br />

abgelöst. Es unterliegt keinem Zweifel und wir finden durch zahlreiche<br />

parallelen direkt bestätigt, daß die Formel von I> A77 in la/in'niü ei ^«'mls eie.<br />

inhaltlich identisch ist mit <strong>der</strong> korrespondierenden von ^ 30 c?,m omnt/,„s<br />

Die älteste im Original erhaltene pommcrschc Urkunde ist


im 12. und 18. Iabrlmn<strong>der</strong>t.<br />

<strong>der</strong> älteren Zeit hören wir etwa (s^l. -M, das; Kasimir I<br />

'? li?'ttm


14s) Untersuchungen zum pommllschen Urlnndrttwesen<br />

Es würde zn weit füliren, auf die zahlreichen ^asl^l. ^^nc,7v/c»7i .


in» 1'2. und l3. ^abilnlndnt. l4l<br />

Handelte es sich für uns nur um die Aufgabe, die Art <strong>der</strong> Dotation<br />

als einwandfrei zu erweisen, so brauchten wir uns auf die Erklärung <strong>der</strong><br />

Einzelheiten nicht erst einzulassen. Wenn wir eine solche Urkunde, die fremde,<br />

uns nicht geläufige o<strong>der</strong> ganz uubetauute Rechtsverhältnisse voraussetzt,<br />

interpretieren wollen, so ist es <strong>der</strong> erste Grundsatz methodischer Kritik,<br />

an<strong>der</strong>e Urkuudeu mit analogen Voraussetzungen und analogem Inhalt zum<br />

Vergleich heranzuziehen. Hier bei Kammin haben wir als die Nächst-<br />

liegenden Beispiele die gleichzeitigen Konfirmationen seiner beiden slawischen<br />

Nachbardiözesen Knjavieu und Gnesen zu betrachten. Und merkwürdig: sie<br />

habeu geuau denselben Inhalt wie unsere augebliche Fälschung. Ich sehe<br />

von an<strong>der</strong>en Parallelen ab nnd betrachte allem die c^n,. Mit genau <strong>der</strong><br />

gleichen turialen Formel wie in I' .in eingeleitet, werden als Bcsitznngeu<br />

des Nistnms Knjavicu') im Iahrc N4H genauut: c'„.^i-,


Untersuchungen zum vommerschen Urkundenwesrn<br />

wie die Hnzogsburg im ellgeren Zinne, als ^asiT'nin. Beispiele für kiese<br />

Klasse sind Dem min und das Stettin <strong>der</strong> älteren Zeit. Ebenfalls hierher<br />

gehören die Sitze <strong>der</strong> bedeutendsten Kastellane, wie Wolgast und Kolberg.<br />

Aus dem östlichen Pommern, das 1140 iu die Kamminer Diözese einbegriffen<br />

war, seien Stolp und Schlawe erwähnt.<br />

II. In <strong>der</strong> zweiten Kategorie möchte ich die eigentlichen Verleid<br />

ig ungs burgen, die Pesten im Sinne Sommerfelds, zusammenfassen.<br />

Es handelt sich um wirtliche Kastelle, die au militärisch wichtige»<br />

Puukten angelegt sind. Die Peeuelinie, die alte Perkchrsstraßc nach dem<br />

Westen, sicherten Gutzkow und Groswill. Die beiden O<strong>der</strong>müuduugeu'j<br />

wurden geschützt im Westeu neben Wolgast von Usedom, im Ostcu vou<br />

Kammin. Deu Lauf des O<strong>der</strong>stroms selbst beherrschte Fiddichow. Das<br />

zu <strong>der</strong> Burg gehörige 67/bl/7/,iu„l war in uusercr Zeit offen o<strong>der</strong> nur weuig<br />

befestigt. Solche Pcrteidiguugsburgeu, die im gegebene» Fall auch die<br />

Basis fitr dell Allgriff bildclcu, sind die ^st^a, die Heinrich <strong>der</strong> ?öwe<br />

in Mecklenburg erbaute. Die beste Orientierung über die Anlage uud<br />

Besctzuug emer Veste gibt <strong>der</strong> Pertrag Heiurich Borwins III. mit dem<br />

Kloster Dargun über den Ball von Kaleu ((^06. A3N). Um auch eiue<br />

Pcrteidigungsburg im kirchlichen Benlz zu erwähucu, verweise ich auf die<br />

Tailschurkuude Ooä. ^!N, durch die <strong>der</strong> Bischof voll Kujavieu die Erlallbnis<br />

erhalt, eiue »n^Tl^w cc>?li?a /iosles allzulegell.<br />

III. Eiucu audcrell, vou dell beiden vorhergehenden wesentlich verschiedenen<br />

Typ stellen die kleinen Wallburgeu^) dar, die wir heute uoch<br />

iu großer Zahl über gauz Pommern zerstreut finden. Bisweileu bilden sie<br />

förmliche Pelteidiguugsshstcme, so lM Randow- uud O<strong>der</strong>bruch. Äiieist<br />

liegen sie einsam, gedeckt durch Wald uud Blücher und möglichst ill <strong>der</strong><br />

Nähe von Wasser. Sie waren iu <strong>der</strong> Ncgel uubewohut uud wurdcu von<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung aufgesucht, wenn Gefahr im Auzugc war. So häufig wir<br />

jetzt dieseu „Weudeuburgeu", „Schwedcilschauzcn", „Heidcuwällcn" uud wie<br />

sie <strong>der</strong> Polksmund sonst bezcichuet, begeguen, so verhältulsmäßig scltcu<br />

werden sie urkuudlich genannt. Das hat seiucu guteu Gruud. Der Burgwall<br />

hatte für eiue Kirche o<strong>der</strong> ciu Kloster wculg o<strong>der</strong> leiueu Wert. Mit dem<br />

Pfluge konnte er nicht beackert werden, er diente als Weide o<strong>der</strong> wurde<br />

angeforstet. Wo eine Wallburg aufgeführt wird, geschieht es oft deshalb,<br />

weil sic eine deutliche Grenzmarke bildet. Als Beispiele für diese Art<br />

iu kirchlichem Besitz nenne ich ausier den schon angeftthrteu noch<br />

(/„ttt'n und Aal'i/l'.'ii, die in dell Gemarkuugeu <strong>der</strong> Klöster Kolbatz<br />

und Eldena aufgehen.<br />

') Die Swine hat erst spät Bedeutung erlangt.<br />

') Die Benennung ist urkundlich bezeugt, z. B. erwähnt O6. 307 einen


im 12. und !3. Iaknlnmdevt.<br />

IV. Die letzte Gruppe <strong>der</strong> cas^a wollen wir in Anlehnung an<br />

die deutschrechtliche Terminologie knrz Herzogshöfe nennen. In<strong>der</strong>tat,<br />

sie haben mit den deutschen Königshöfen <strong>der</strong> fränkischen nnd sächsischen<br />

Periode große Ähnlichkeit. In vielen Fälleu sind sie nie befestigt gewesen<br />

o<strong>der</strong> haben den Charakter einer Peste zu <strong>der</strong> Zeit, wo wir ihr Weien<br />

erkennen tonnen, vollständig verloren. Es sind die großen Gutshöfe des<br />

herzoglichen Domauialbcsitzes au den Hauptorten des ganzen Landes. Sie<br />

stehen in unmittelbarer Bewirtschaftung von fürstlichen Beamten o<strong>der</strong> sind<br />

zu wendischem, später zu deutschem Recht au die c^trensßs o<strong>der</strong> milita<br />

ausgetan. Die bedeuten<strong>der</strong>en unter ihuen sind zerlegt in mehrere Höfe,<br />

sogenannte ntn'a?, so daß uns häufig <strong>der</strong> Fall begegnet, daß von dem<br />

„Burglehu" mehrere Höfe nnmittclbar dem Herzog, mehrere au<strong>der</strong>e den<br />

Lehnsmännern o<strong>der</strong> einer Kirche gehören. Den Ausdruck nl^um dürfeu<br />

wir nicht pressen. Er desagt über die äußere Erscheinung <strong>der</strong> Sache ebenso<br />

wenig wie im Munde <strong>der</strong> pommerschen Landbevölkerung heute das Wort<br />

Schloß. Der West- und Süddeutsche macht eiu erstauntes Gesicht, wenn<br />

ihm ein großer Hof von Scheunen uud Ställen mit einem einfachen<br />

Verwalterhaus als „Schloß" gezeigt wird. Die Bczcichuuug ^tn/m<br />

wurde dadurch erleichtert, daß mauche Herzogshofe ursprünglich wirkliche<br />

Burgen <strong>der</strong> unter I nnd II geschil<strong>der</strong>ten Art gewesen siuo.') ^u beachten<br />

ist, daß seil dem Eindringen des deutschen Vetorechts die Regalien /'


Untersuchungen zum pomlnerschen Nikuudenwesen<br />

Wir haben bereits darauf hingewiesen, daß wir bei <strong>der</strong> Einteilung<br />

<strong>der</strong> castT-a in vier verschiedene Typen lein starres System aufstellen dürfen.<br />

Die Grenzen sind durchaus fließend, namentlich zwischen I, II und IV.<br />

Zwei Momente waren es vor allem, die von <strong>der</strong> Mitte des 1s. bis zur<br />

Mitte des l3. Jahrhun<strong>der</strong>ts die innere Organisation Pommerns nicht zur<br />

Ruhe kommen ließen, die andauernde Verteidigungsstellung gegen die Feinde<br />

ringsum und das Eindringen des deutschen Rechts. Das im Herzogtum<br />

Pommerellen politisch zusammengefaßte Gebiet hat dank seiner günstigeren<br />

^age nntcr lriegstüchtigen Herrschern die wendischen Verhältnisse erheblich<br />

länger konserviert als <strong>der</strong> Westen. Für eine erschöpfende Behandlung <strong>der</strong><br />

rechtlichen Bedeutung <strong>der</strong> Burg ist deshalb das Material <strong>der</strong> ostpommerschen<br />

Urkunden mit Nutzen zu verwenden.<br />

Eine wirkliche Schwierigkeit für den rechtsgeschichtlich ungeschnlten<br />

Beurteiler <strong>der</strong> Dotation touute nach dem, was an<strong>der</strong>e Urkunden über die<br />

pommerschcn Burgen und ihre Annexe berichten, nur darm liegen, daß man<br />

sich den Besitzstand juristisch irrtümlich vorstellte. Auch dieses Bedeukeu<br />

entfällt, sobald man die rechtlichen Voraussetzungen <strong>der</strong> herzoglichen Schenkung<br />

beachtet. Der Bischof besaß an den genannten Orten und Pertinenzen<br />

nicht das t/ontt7ll'„?n ecittm, son<strong>der</strong>n das t/onll>l„?n „il/e. Er war,<br />

mo<strong>der</strong>n gesprochen, nicht Eigentümer <strong>der</strong> Orte, son<strong>der</strong>n Nutznießer <strong>der</strong> aus<br />

ihnen fließenden herzoglichen Einkünfte. Daß die Kirche von diesem Rechts?<br />

stände nicht ausgenommcu war, haben wir an Beispielen belegt. Die<br />

unbeholfene Terminologie <strong>der</strong> älteren Zeit schreibt gern tot„m ^?'o /ia,-/,'.<br />

Wir können von Glück sagen, daß wir so viele Konfirmationen besitzen,<br />

wo die jüngere die mißverständliche Formulierung ihrer Vorlage spezifiziert.<br />

Und noch eine Einschränkung müssen wir beachten, um den Wert <strong>der</strong><br />

Dotation auf das richtige Maß zurückzuführen. Wenu <strong>der</strong> Herzog eiue<br />

Burg o<strong>der</strong> einen Markt schenkt, so verleiht er damit die Gefälle, die zur<br />

Zeit <strong>der</strong> Schenkung dem Fiskus gehören. Als im ^anfe des 13. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

das weitans ergiebigere deutsche Steuersystem eingeführt wird,<br />

betrachtet <strong>der</strong> Herzog diefe neuen Einkünfte selbstverständlich als sein eigenes<br />

Reservat. Wir können an <strong>der</strong> Hand <strong>der</strong> Quellen verfolgen, wie von den<br />

steuerrechtlich erimierten Städten und dem Kirchcngut z. B. die Bede eingezogen<br />

wird. Ebenso verfährt man, wenn die Annexe einer Bnrg sich<br />

vermehren. Richtet <strong>der</strong> Herzog in einer Burg, <strong>der</strong>en Gefälle er einer<br />

Kirche übertragen hat, später einen herzoglichen Markt ein, so gebührt <strong>der</strong><br />

ncne Zoll nicht <strong>der</strong> Kirche, son<strong>der</strong>n dem Marktherrn. Wird <strong>der</strong> Krugzins<br />

z. B. in Usedom (vgl. Ooä. 24 mit 26) auf 10 Mark festgestellt, dann<br />

fließt ein Überschuß natürlich an den Fiskus, <strong>der</strong> ihn für eigene Zwecke verwendet<br />

o<strong>der</strong> an einen Dritten verleihen kann. Die Verhältnisse liegen,<br />

wenn mau sie sich durch eine Zusammenstellung <strong>der</strong> urkundlichen Aussagen


im 12. und 13. Jahrhun<strong>der</strong>t. 145)<br />

klar gemacht hat, so einfach, daß sich eiu uähercs Eingehen darauf erübrigt.<br />

Eine solche Klarstellung ist aber unerläßlich, um die Erscheinung zu deuteu,<br />

oa^ verschiedene <strong>der</strong> in ? 30 genannten Regalien auch im Besitz an<strong>der</strong>er<br />

und sogar mehrerer an<strong>der</strong>er Kirchen und Klöster genannt werden.<br />

Eine gleiche Reduktion scheint mir für die uliliche Borstellung von<br />

den Burgwardeu nötig zu seil«. Der Ausdruck <strong>der</strong> Bulle cui« o,,inl'i,u«<br />

een-um a/)/)67it/icil.'j bzw. /x^i^nl/iH ist rcin formelhaft. Er besagt über<br />

das Zubehör <strong>der</strong> Ällrg genau dasselbe wie die ans dem Reiche eindringende<br />

Formel c'"„l ttyn's, 5l/nX /^aits e^.'), nämlich nichts. Die Bezeichnung<br />

ca5tn/?,t m,7n vi'//,H taun unter Umständen einen Burgward bedeuten.<br />

Werden dem Bistum tatsächlich 8 Burgwarde zngejprochen, io ist diese Art<br />

<strong>der</strong> Dotation keineswegs anffällig, wie wir an den Bcwidmuugcn au<strong>der</strong>er<br />

Bistümer uud Klöster gcscbcn haben. Nur dürfen wir uus den Burgward<br />

nicht als einen geschlossenen Gau in <strong>der</strong> Größe von eiu paar hentigen<br />

Kreisen denken. Mit dem in jüngster Zeit wic<strong>der</strong>erwachten Interesse für<br />

die historische Geographie hat man auch dicscu Dingen ueue Aufmerksamkeit<br />

zugewaudt. Hoffentlich beurteilt mau die urtundlichen Begriffe e^a,<br />

^^^ci«, ti^'i'/oT'ittTTl, /„iTv/^aT-c/n^i nlit <strong>der</strong>selben Reserve, niit <strong>der</strong> man<br />

eiu System <strong>der</strong> wendischen Grenzabsetzung aufstelle« mag. Es geht wirklich<br />

nicht au, dast wir um des Prinzips willen im 12. Jahrhun<strong>der</strong>t dort einen<br />

Sumpf postuliereu, wo heute die stattlichen Rücken eiuer Endmoräne streichen.<br />

Die älteren Urkunden des bischöflichen Archivs sind samt und son<strong>der</strong>s<br />

verloren gegangen. Beson<strong>der</strong>s schmerzlich macht sich <strong>der</strong> Verlust fühlbar<br />

bei <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> stiftischcn Besitzuugeu. Man deuke, die älteste<br />

Koufirmatiou <strong>der</strong> Kapitelsgüter stammt aus dem Jahre 13^1 (I* 3511).<br />

Das sind beinahe zwei Iahrhuu<strong>der</strong>te nach <strong>der</strong> Gründung des Aistnms.<br />

Vorher hören wir von den bischöfliche» Tafelgütern meist erst in dem<br />

Augenblick, wo sie au cium an<strong>der</strong>eu verkauft werden. Die Zahl <strong>der</strong><br />

Urkunden, in denen uus <strong>der</strong> Erwerb riues Gutes durch Kauf o<strong>der</strong> Tausch<br />

berichtet wird, ist sehr gering. Unter diesen Umständen ist es nicht möglich,<br />

den Verbleib <strong>der</strong> Dotation unserer Bulle genau zu verfolgen. Aber wir<br />

erfahren doch erheblich mehr, als eine flüchtige Beurteilnng heransgelesen<br />

hat. Wiesencrs Annahme (S. 1). daß „die ursprüngliche Dotatiou wohl<br />

nur zum kleinsten Teile wirklich zur Ausführung gebracht" wurde, eutbehn<br />

je<strong>der</strong> Grundlage.<br />

Ans dem Stolper Vertrage von 1340 (Ooä. 2ttst) wissen wir, daß<br />

<strong>der</strong> Besitz des Bistums ln tabeinis ei ^«/nis, ^on's, t^o?o',ll5 et inonetis<br />

zu Usedom, Stettin und Pyritz von Herzog Barmm 1. zurückgetauft<br />

') Die in <strong>der</strong> Fonnel wie<strong>der</strong>holt vorkommenden n,tn/ock,'«ae haben bekanntlich<br />

die älteren ^hlmuften dazu versulm, von Goldgruben in Pommern zu<br />

VolNsche öludlen li ft Xlll


)4ft UlNer


im 12. und 13. Jahrhun<strong>der</strong>t. 147<br />

Negalien, die laufende und sichere Einnahmen bringen, also Zöllc und<br />

Zinse aus Märkten uud Krügen. Größeren Gruudbesitz in Eigeu-<br />

wirtschaft finden wir nur bei den Cistercicnserklöstern. Im 13. Jahr-<br />

hun<strong>der</strong>t erwerben die Landesherren die Regalien um teuren Preis zurück.<br />

Die tabn'Tltte verschwindeu gauz. Nicht aus dein Grunde, weil die Pommern<br />

die „schentliche Gewonhcit mit dem Vullrntrinken" (Kantzow) einstellten und<br />

die Schenken deshalb keinen Ertrag mehr lieferten, son<strong>der</strong>n weil nnter dem<br />

wendischen Necht mit dein Krnge gewisse geldwerte Pertinenze« verbunden<br />

waren. Die Marttzölle in <strong>der</strong> alten Art hören ebenfalls auf. Jetzt wird<br />

das Marktrecht uach <strong>der</strong> deutschen Weise verliehen, indem das Kloster in<br />

einem genannten Ort die Freiheit zur Anlegung eines Marktes erwirbt.<br />

Verhältnismässig spät und wesentlich nuter dem Einfluß <strong>der</strong> handele<br />

treibenden Städte werden die Verkehrszolle modifiziert. Man wird diese<br />

Umwandluugcn uicht nur für die Kritik uuscrer Pulle, sou<strong>der</strong>u auch<br />

an<strong>der</strong>er „verdächtiger" Stücke beachten müssen.<br />

In den vorstehenden Erörterungen habe ich dir wichtigstcu Einwände<br />

gegen die Echtheit <strong>der</strong> Bnlle behandelt nnd ihre Uuhallbarkcit dargetau.<br />

Auf an<strong>der</strong>e angebliche Schwierigkeiten, z. A. das Formular, die Encum-<br />

skription nnd die Exenttion, einzugehen, wäre Nanmverschwendnng. Es<br />

heißt die Dinge geradezu auf den Kopf stellen, wenn Quandt, Wiesener<br />

uud Sommerfeld das Fehlen <strong>der</strong> Sprengelbcgrenznng als „Anomalie"<br />

bezeichnen. Buchstäblich umgekehrt ist das Verhältnis. Die Mehrzahl <strong>der</strong><br />

pommersch-ftreußischcn Grimdnngsbullen hat keine Circulmkriptiou. Die<br />

vorgeblichen Schwierigkeiten liegen nicht in <strong>der</strong> Urtuude, sou<strong>der</strong>u werden<br />

erst dnrch einen kritischen Übereifer hineingetragen. Hauck (S. 5)^6 f.) ist<br />

in diesen Dingen mit seiner Interpretation durchaus im Necht.<br />

Mit den Gründen gegen die Echtheit von 1' 30 entfallen gleichzeitig<br />

die Zweifel an <strong>der</strong> Konfirmation Clemens' NI. (!> Ili). Die wi<strong>der</strong>-<br />

finnige Bemerkung tl)i«),l V^mn-niieam ?


145 Untersuchungen zum pommerichen Urkundenweien<br />

? 8«.<br />

Bischof Konrad I von Kammin verleiht dem Kloster Kolbatz den<br />

Bischofszehnt ln 1b genannten Orten. (1179—1181).<br />

Über den Urkundenschntzen des bedeutendsten pommcrschen Klosters hat<br />

ein böser Stern geschwebt. Die älteren Originale sind spurlos verschwunden.<br />

Das erste erhaltene, von nebensächlicher Bcdeutuug, stammt aus dem<br />

Jahre 1351 (I'5)35>), also 78 Jahre nach <strong>der</strong> Klostergründnng. Ansier<br />

diesem besitzen wir ans dein 13. und 1A. Jahrhun<strong>der</strong>t nur cin Original,<br />

? 600 von 1354'). Von dcn wichtigen Generaltonfirmationen ist in <strong>der</strong><br />

Urschrift nichts ans nns gekommen, nud was <strong>der</strong> Zahn <strong>der</strong> -ftit verschont hat,<br />

das bemüheu fiäi unsere Historlker nnd Diplomatiker kritisch zu vernichten.<br />

Als gefälscht o<strong>der</strong> sehr verdächtig werden angesprochen ? 80, 304, 305,<br />

336, 388, 339, 608, 666, i'UI, 1000, 1713. Ob meine Liste vollständig<br />

ist, wem ich nicht. Nnr das weiß ich, wenn die von den Gegnern bei-<br />

gebrachten Kriterien stichhaltig sind, dann gibt cs vor dem 14. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

teilte echte Kolbatzer Urknnde.<br />

Ein Überblick über das Material läßt erkennen, daß die Probleme<br />

für die wissenschaftliche Bearbeitung außerordentlich zahlreich sind. Abgesehen<br />

davon, dm; wir die »leisten von nnl> für Kolbatz angefertigten Stücke nicht<br />

einmal abschriftlich o<strong>der</strong> im Negen") kennen, siud es voll vornherein zwei<br />

Gründe, die diese Schwierigkeiten hervorrnfen.<br />

Unter den bis etwa 1320 (l'304) erhaltenen 17 Nrknnden haben<br />

10 überhaupt keiue Datierung, nämlich ? 87, 93, 98, 103, 1


im 12. und 13. Jahrhun<strong>der</strong>t.<br />

Urkunden, die mühsam zusammengesuchten, überall her entliehenen Formeln,<br />

alles ist auffällig vernachlässigt. Wir haben Stucke, die sich im Prototott<br />

als Geueralkonfirmationen ansgeben und dabei einen großen Teil <strong>der</strong> Kloster-<br />

güter übergehen. In an<strong>der</strong>en sind infolge unbekümmerter Addition einzelner<br />

Schenkungsbriefe die gleichen Orte mehrfach anfgefillnt. Das veranlaßte<br />

wie<strong>der</strong> einen späteren Schreiber, zwei Dörfer gleichen Namen« anzunehmen<br />

und so die Oilterliste erst recht in Verwirrung zu bringen. Viel Unheil<br />

hat die deutsche Umnennnng zahlreicher Slawendörfcr gestiftet. Kein Wun<strong>der</strong>,<br />

daß das Kloster schon im 13. Iahrhnn<strong>der</strong>t mit den Nachbarn iu ewigeu<br />

Händeln über seinen Besitz lag.<br />

Ob die berührte» Mäugel mit <strong>der</strong> dänischen Tradition des Klosters<br />

zusammenhängen o<strong>der</strong> ob polnische Einflüsse vorliegen, bliebe zu ermitteln.<br />

Meine ursprüngliche Absicht, an dieser Stelle eine avgernndete wenn auch<br />

knapvc Darstclluug <strong>der</strong> Kolbatzcr Schreibschulc zu bringen, ist mir mißlnugeu.<br />

Die Arbeit läßt sich, wcun sie wisseuschaftlicheu Ansprüchen genügen soll,<br />

nicht ausführen ohue eiue Untersuchung des pommerschen Urkuudeuwescus<br />

im ganzen. Hinsichtlich <strong>der</strong> Schwiengtciten, die einer solchen eutgegeustehcn,<br />

gebe man sich keinerlei Täuschlmg hm. Aber <strong>der</strong> Gcwiuu scheiut mir dafür<br />

auch sehr bedeutcud.<br />

Ich möchte als Beispiel aus einer Kolbaher Urkunde nur eine be-<br />

rühmte Notiz anführen, die den Beurteilern') so viel Kopfzerbrechen ver-<br />

ursacht hat und die nur durch die ucrgleicheude Diktatuntersuchuug zu lösen<br />

ist. Ill l* 67 sagt <strong>der</strong> e^-en/?«« ^omn-a,/05-u?n Kourad I. von sich selbst:<br />

/oT-te e/eveni in (/am«/n. Mit einem grosten Anfgcliot von Scharfsinn und<br />

Kritik hat man versucht, diese Angabe für die Feststellung des Zenpuuttcs, wauu<br />

das Bistum nach Kammin verlegt sei, zn bennhen. Des Nätsels Vosnnq<br />

ist beschämend einfach. Es handelt sich nm ein ungelenkes Kolbaher ssormlllar,<br />

das /oT-te i/er^l eutscheldet für o<strong>der</strong> gegen die Existenz des Kamnnuer<br />

Bischofssitzes schlechterdings nichts. Ebenso steht es, wie ich u. a. gegcu<br />

Schillmanu (S. 51 f.) feststelle, mit <strong>der</strong> Perwertung des e/nsco/)?ts /^nier-a-<br />

no^um in ? 48, ftft, 74, 1U4 trausumicrt<br />

wird und ihrerseits wie<strong>der</strong> Arendseer Diktat ist.<br />

Muß ich darauf verzichten, die ganze Reihe <strong>der</strong> Kolbaher Fälschungen<br />

im Zusammenhange nachzuprüfen, so möchte lch wenigstens an zwei Such<br />

') Vgl. zuletzt Hauck, Kirchengefchichte Deutschlands IV, 5«N Anm. 7.


155) Untersuchungen zuni pcmnnerschen Nrknndenwesen<br />

proben zeigen, wie es nm den Wert o<strong>der</strong> unwert <strong>der</strong> Echtheitskritik bestellt<br />

ist. Ich wähle dazu gleich das älteste Ttück ? 80, weil dieses bekanntlich<br />

für die allgemeine Geschichte Pommerns in mehr als emer Beziehung<br />

wichtig ist und weil es m jüngster ^cit von einem Diplomatiker von Fach<br />

als „sichere Fälschung" entlarvt wurde. Nachdem Peter Wehrmann ge-<br />

legentlich einer Studie über Kloster Kolbatz nnd die (Ncrmanisiernug<br />

Pommerns lPyritzer lhymnasialprogr. U)l)5, S. 11) Bedenken geäußert<br />

hatte, hat jetzt Tchillmauu in seinen Untersuchungen zum Kamminer<br />

llrlllndenwesen s3. l^ly Punkt für Punkt die Nuechtheit dargetan und als<br />

Greuzdatcu für die Anfertigung des Stückes die Jahre Iltttt lwegcn ? Il 1><br />

nnd 1s49 (wegen 1^ 494) ermittelt.<br />

Der Tenor <strong>der</strong> Urkunde ist die Schenkung <strong>der</strong> bischöflichen Zehnten<br />

ans 15) Dörfern. Die vorangehende Bestätigung des Klosterbesitzes im<br />

allgemeinen sF^tui„t,/s l'/??'?„^ . . . ^mTnan^anl) ist sachlich bedeutungslos,<br />

es ist die bekannte päpstliche Koufirmatiousformel. Die Tatsache <strong>der</strong> Ver-<br />

leihung wird durch zwei an<strong>der</strong>e gleichzeitige knellen verbürgt. In den<br />

Kolbayer Annalen') haben tnc dankbaren Mönche znm Jahre 11^6 für<br />

die Memorie uotiert: l /.<br />

o/T'i' t/l ^ V///>a^


im 12. und 18. Iahrhunde^. 151<br />

Merkwürdigerweise hat man nie darauf hingewiesen, daß noch ein<br />

zweiter Grund möglich ist, weshalb <strong>der</strong> Bischof sein Zehntrecht ausdrücklich<br />

hervorhebt. Der Clstercienserordeu besaß das Privileg, dan seine m Eigen-<br />

wirtschaft stehenden Güter von jedem Zehnt befreit waren. Dieses wertvolle<br />

Neckt wird m je<strong>der</strong> päpstlichen Konfirmation hervorgehoben.'» In dem<br />

wcndischipolnischeu Neuland <strong>der</strong> Kirche aber, wo ein römischer Bann gerade<br />

so lange wirksam war, wie es dem Vauoeshcrru pasue o<strong>der</strong> eine auswärtige<br />

Macht dahinter stand, war die allgemeine Anerkennung <strong>der</strong> Eximieruug<br />

nicht durchführbar. Die Kämpfe, die z. V. Oliva uut den ostpommerscheu<br />

Fürsten darum ausgefochteu hat, sind bekannt. Wenn also Bischof Konrad<br />

betonte, daß er auch in den Kolbatzer Eigeudörfcrn ein ZehntreäU besaß,<br />

so wollte er vielleicht damit sagen, das; die Vergabung ^ /ac/o ein Ge-<br />

schenk sei, mochte auch das Kloster ,/e «tt,e einen lei! des tradierten<br />

bereits beanspruchen oürfeu.<br />

Das Privileg ? NO ist m. E., ebenso wie ? IN!, Kamminer Diktat.<br />

Die gegenüber an<strong>der</strong>en Kolbatzer Stücken erfreuliche Eindeutigkeit des Kon-<br />

lextes hat lei<strong>der</strong> nicht verhin<strong>der</strong>t, das; mau die soudcrbarsten Dinge darin<br />

gefunden hat. Scheu wir von früheren, mehr gelegentlichen Beurteilungen<br />

ab uud ziehen uur die genannte Abhandlung P. Wehrmauns in betracht.<br />

Nach Wehrmann (S. l l) soll — Papst Alexan<strong>der</strong> 111. auf Veranlassung<br />

des Kamminer Bischofs dem Kloster Kolbatz die Bischofszehuteu <strong>der</strong> lll<br />

I> 8N genannten Dörfer mit Ansnahme voll Schonevelt verliehen habeil.<br />

Also <strong>der</strong> Papst schenkt dem Kloster Kolbatz in pommerscheu Dörferu gewisse<br />

Zehnten, die dem Bischof vou Kammiu gehören? Da hat Wehrmanu<br />

entschieden einen ueueu Kauou im


152 Untersuchungen zum pommerscken Urkundenwesen<br />

Von dem blosteu Verdaut ist Schulmann sS. ^i>) dazu vorgeschritten,<br />

den direkten Beweis <strong>der</strong> Unechtheit zu führen. Ich schließe mich unmittel:<br />

bar an seine Disposition an.<br />

„Verdächtig macht die Urkunde das falsche Datum 1183."<br />

Allerdings ist, wie ich oben bemerkte, in <strong>der</strong> aus dem 15. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

stammenden Kolbaher Matrikel ein verkehrtes Datum überliefert. Welcher<br />

Wert darauf zu legeu ist, zeigt ein Pergleich mit den übrigen Datierungen.<br />

Quandt hat deshalb vorgeschlagen'), statt klOI^XXXIII zu lesen<br />

öK^XXVIIII. Ob wir uus für diesen Ausweg entscheiden o<strong>der</strong> Möglich-<br />

keiten wie I^XXIX und I^XXXI ins Auge fasscu, macht zur Sache<br />

keinen Unterschied. Auf jeden Fall richtig ist Klempius Ansehung 1179<br />

bis 1181.<br />

Zu <strong>der</strong> Datierung von ? 80 „paßt nicht das zwanzigste Pontifikats,<br />

jähr Konrads I., das in die Zeit von 1179—11NI fallen muß."<br />

Schillmann hat nickt bemerkt, daß Klempin (Aum. zu k* 49) das<br />

Todesjahr Bischof Adalberts überhaupt erst aus l-> W erschlossen hat!<br />

angegeben."<br />

„Außerdem ist das zwanzigste Poutifitatsjahr des Papstes Alexan<strong>der</strong> lil.<br />

^?!HU7n teneak's, amin'. Schillmaun liest im ? von <strong>der</strong> letzten<br />

Urkundenzeile Seile 53 hinüber auf die letzte Zeile Seite 52, wo in eiuer<br />

Bulle für das Kloster Grobe allerdings das zwanzigste Poutifikatsjahr des<br />

Papstes genannt ist!!<br />

„Die in <strong>der</strong> Urkunde erwähnte Bulle Alexan<strong>der</strong>s ist we<strong>der</strong> im Original<br />

noch in <strong>der</strong> Kamminer Matrikel erhalten."<br />

Sehr wahr. Aber vielleicht zählt man einmal nach, wie viele an<br />

an<strong>der</strong>en Stellen genannte Urkunden des Stifts Kammin außerdem verloren<br />

gegangen sind. Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> sich mit dem bischöflichen Archiv beschäftigt hat,<br />

weih, daß das Erhaltene nur einen kümmerlichen Nest darstellt.')<br />

„Die hier genannten Zeugen treten sonst nirgends auf."<br />

Der Einwurf ist ebenso schief wie <strong>der</strong> vorige. Außer <strong>der</strong> (zweifelhaften^<br />

Abtsrelhc kennen wir vor 1553 keinen einzigen Kolbatzer Frater.<br />

„Außerdem wird das Dorf Schonevelt erwähnt, das erst 1249 in<br />

den Besitz des Klosters kam (vgl. p 494)."<br />

') Valt. Studien X, H. l, E. Ibs».<br />

') Ich mache bei dieser (Aeleaenliett auf die unbenutzte wertvolle Handsckrilt<br />

<strong>der</strong> Berliner Kgl. Bibliothek H/.


im 12. und 13. Jahrhun<strong>der</strong>t. . l5>3<br />

Diese Vegrnndnna. für dir Nnecktbcit stammt von P. Wctnnmnn<br />

S. N, <strong>der</strong> scinerscils in ein verkehrtes Ncgcst Klempins nochmals einen<br />

neuen Fehler hmeingebracht hat. Mgcsclien von I' 23C> Fälschung?, falsche<br />

Datierung?) findet sich ein „Schönfcld" alö sslosterbesitz schon in ? 3l^,<br />

3.U, 344. 373 und 404. Ist die von Qnandt (s.'oli. S. 1^9 und 95M<br />

begründete und von Klempin angenommcnc Dcntnng l^ob^'^ ^ ((^roß-)<br />

Schönfeld richtig, so ist nnser Echonevelt im Iadrc l17l> ^p


l:')4 NntersttchunsskN ^um pommerschm Nrfllndrnwesen -<br />

? 991.<br />

Herzog Barnim I. beurkundet den Vergleich zwischen Jakob<br />

von Staffelde und dem Kloster Kolbatz über Wartenberg und<br />

Höfendorf. 1274 Mai 15.<br />

Als zweites Beispiel für eine angebliche Kolbaher Fälschung bespreche<br />

ich den Vertrag über Wartenberg und Hökendorf. Ich wähle das 3tück<br />

zunächst deshalb, weil ich seine Echtheit in einer demnächst erscheinenden<br />

Studie über die kirchlichen Verhältnisse Pommerns während des 1A. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

voraussetze. Daneben hat ^ U!N für die Untersuchung deu Vorzug,<br />

daß sie außerhalb des Zusammenhanges mit den übrigen verdächtigten<br />

Urkunden behandelt werden kann.')<br />

Die Familie von Staffelde lag mit ihrem Nachbar, dem Kloster Kolbak,<br />

in Streit über Hökendorf ^j und Wartenberg. Anscheinend handelt es<br />

sich nm die Feststellung <strong>der</strong> Grenzen. Es tam zur offcueu Gewalttat<br />

99s>) einen Vergleich herbei.<br />

Das Kloster tat das klügste, was sich bei <strong>der</strong> zerfahreueu ^age tuu ließ,<br />

es kaufte beide Dörfer auf.<br />

Das Übertragungsdokument ist p 99l uul dem Datnm vom 15. Mai<br />

1274 (ohne Ort). Wegeu <strong>der</strong> vorhergegangenen Wirren ist es sehr ausführlich<br />

gehalten, beide Partcieu wolleu sich für alle Möglichkeiteu sichern.<br />

Jakob von Staffelde verkauft Wartenbcrg, das er als freies Eigen besitzt"),<br />

um den Preis voll ü^ Mark Silber, die m fünf >!iaten bis St. Ialobi<br />

l25). Inlij l275> fällig sind. Das Kloster stellt acht Bürgen für die<br />

richtige Zahlung, teils Herren aus <strong>der</strong> Nachbarschaft, teils augesehene<br />

Nliemen des Abtes. Der Kamminer Blschof hebt scmerscits den verhängten<br />

Bann auf. Für die gleiche Summe ^) tritt Iatod dem Moster ferner<br />

') Zur Vermeidung langer Auszüge zitiere ich ? 990 und 991 nach Seite<br />

und Zeile im ? II.<br />

') Daß auch Hökendorf in die Fehde einbezogen war, ist wohl zu entnehmen<br />

ans S. 290': «e /n/ios/e?-««, ab eccke»«


im 12. und 13. Jahrhun<strong>der</strong>t. 155<br />

Hökendorf ab. das er vom Herzog von Pommern zu Lebn trägt. Jakob<br />

verzichtet für sich nnd als Vormnnd <strong>der</strong> Söhne seines verstorbenen Bin<strong>der</strong>s<br />

Johann auch für diese auf jegliche i»/)^l>w ^ l7,/),^?,a^o. Zur Sicherung<br />

dieics Vergleichs nnd im beson<strong>der</strong>ell dafür, das; die .^nr Mündigkeit<br />

gelangten Kin<strong>der</strong> Johanns das getroffene Abkommen anerkennen werden,<br />

verbürgen sich Jakob selbst nnd drei freunde. Herzog Barnim über-<br />

eignet dem Kloster das bisher ritterliche ^ehn Hökendorf />,o


NntrrNlchuliafn zum pommersckien Urknndmwesen<br />

sein. Deshalb itt cs lMMöglich, daß<br />

l3. 291^) identisch sei mit //l'n?-^,« l/5 ^//^en (S. 291")'). Und<br />

warum denn auch an 6^l


im 12. Mld 13 ^alnlnm<strong>der</strong>l. 15)?<br />

sich in einer Kolbatzer Urkunde vom 35. Juli 1255 (?610) ein<br />

«<br />

^ Vani«, und die Vermutung liegt nahe, daß in dem l^. /^e^anns c/e<br />

ein Irrtum uutcrlaufen ist." Zunächst möchte ich feststellen, was an dieser<br />

Stelle keinesfalls nebensächlich ist, daß <strong>der</strong> Text <strong>der</strong> Urkunde ^S. 25»^)<br />

nicht /?ie^antts c/e /^a7?i^. son<strong>der</strong>n /?/ei,a7ll//l in //anis Ickrelbt, und ans<br />

einem ll^. ^banl,3 in einen ll^/T-tus c?e lesen zu lassen, wäre bei dem<br />

im übrigen mit peinlicher Sorgfalt hergestellten Bewcisinstrnment mehr<br />

als bedenklich. Zudem liegt es näher, falls wirklich <strong>der</strong> Wipert in ^6! 9i)l wie in l> 10i)0 genannte Arnold von Mumark. Er begegnet<br />

zweimal (ao. l^71 u. 1


Untersuchungen zum pommerschen U^tundenwesett<br />

„Ottc, i^ /'iata ist die deutsche Übersetzung eines „Otto von Platt"<br />

aus späterer Zcit. Im l3. Jahrhun<strong>der</strong>t aber tonnte er nur ()tto cum<br />

^o/a^a heißen." Die Familie von Platen blühte in Pommern und im<br />

Fürstentum Rügen. Der pommerschc Zweig schrieb sich in <strong>der</strong> Siegel<br />

einfach /^«e


im 12. und 13. Jahrhun<strong>der</strong>t. 159<br />

Klempin hat angenommen, daß eine von Herzog Barnim erlassene<br />

Schenkungsurkunde selbstverständlich von <strong>der</strong> herzoglichen Kanzlei ausgefertigt<br />

wnrde. Auf diesen Grundintum gehen letztlich alle Einwendungen gegen<br />

die Urkunde zurück. Wir wissen heute, welche Bedeutung <strong>der</strong> Empfüugcr-<br />

hand zukommt. Für uusere Gegenden z. B. haben Äuchwald und Schill-<br />

mann nachgewiesen, daß die Schenkungsurkunden bis zur Mitte des<br />

1A. Jahrhun<strong>der</strong>ts fast ansuahmslos von den Empfängern mnudicn sind.<br />

Nicht durch die Nie<strong>der</strong>schrift, son<strong>der</strong>n dnrch die Anhänguug sciues Siegels<br />

autorisiert <strong>der</strong> Aussteller seiu t^lnm^tttm c-on/?>mai/li7tl6. ') So steht es<br />

auch mit unserm Stiict: s^Vos /j^nnn) /?i'/'«/'»^m ^a^ina/« F/,,i//l nc)^?!<br />

«„/Temine con.'f?,/,ia/,lt/.''. Dagegen wird in <strong>der</strong> m. E. Kammiuer Muu-<br />

dicruug i' ^l>-z deutlich unterschieden: /'Esenti /)a//?7,a c«' ?iO5t^<br />

, und wohl im gleichen Sinne heißt es<br />

Klempin hat ganz recht, daß die schöne, ansgeschriebene Hand <strong>der</strong><br />

angeblichen Fälschung e«nen Lübecker Schreiber vermuten läßt. Er irrt<br />

nur, wenn er die Sckrift auf frühesteus Aiitte des Jahrhun<strong>der</strong>ts datiert.<br />

Ihm ist übrigens entgangen, daß <strong>der</strong> späteste Termin für eine<br />

Fälschung das Jahr 1'^'.) wäre, da in diesem das /^i.^i/m ,-a/>ltt//l<br />

^,i7/itt„i angelegt wurde, das bereits eine Abschrift von l> L5>1 enthält.<br />

Der Duktus ist, darüber besteht keiu Zweifel, zeillich echt. Vielleicht wurde<br />

eiu Vergleich des Stettiner Originals mit den nbrigen Stücken <strong>der</strong> Dom-<br />

kauzlci ergeben, daß wir es mit einer bekannten Hand zn tuu haben.<br />

Einen zweiten formellen Veweis für die uachlraglicke Fälschung sieht<br />

Klempiu darin, daß l^^iil die Domkirche mit ihrer vollen Namcnsform<br />

/l.'07-l.^. F. .>'?><br />

') Die Beschreibung eines solchen Aktes gibt u. a. l' 105. Daß <strong>der</strong> Viscliof<br />

eigenhändig gesiegelt habe, wie ^chillmlmn >3. «0 ausührt, davon steht in <strong>der</strong><br />

Urkunde nichts.<br />

') U. B. Bist, kübeck Nr. Il S. 16; ich zitiere nur ic eine Belegstelle.<br />

') Ebendort Nr. 39 S. 45.<br />

«) Ebendovt Nr. 56 S. Kv.


Untersuchungen zum ftomlllttschen Nrkundenwescn<br />

Den vollen Namen nach drei Heiligen trägt dns Tlift seit spätestens 1222.')<br />

Er steht z. A. ln <strong>der</strong> Schenkungsurkunde Johanns von Mecklenburg aus<br />

dem Jahre 1242.<br />

Es sind jedoch, wenn ich recht sehe, nicht diese formellen Gründe,<br />

die Klempin auf den Gedanken <strong>der</strong> Unechtheit geführt haben, son<strong>der</strong>n<br />

Klempin hat an dem inhaltlichen Verhältnis von ? 251 zu ? 250<br />

Anstoß genommen. ? 25i0 ist eine Vorurtuudc zu unserem Stück, das jene<br />

wörtlich übcruimmt und nur die Disposino genauer ausfuhrt. ^ 250<br />

berichtet die nackte Tatsache: ^'os (Barnim) v/Z/as ^a^one ?i /^/s?eo,^<br />

p 251 fügt eine Grellzbcschreibung <strong>der</strong> verliehenen<br />

Flur hinzu und erläutert im einzelnen, was unter ^^/l'o


im 12. und 13. Jahrhun<strong>der</strong>t. INI<br />

noch allein in Geltnug waren." Da hat <strong>der</strong> Wnnsch dem Kritiker doch<br />

die ranouellc Überlegung getrübt. Das; die dcmscheu Kolonen etwa des<br />

Klosters Kolbad in dcr i-/./,l '/'/^///„///^^m ^l^ t',A; .^o. ll7!j) o<strong>der</strong><br />

„Schöufcld^ i,! p ^)) die


Nntei-snchnngen zum vommeMcn Urtundenwelen<br />

Aber sehen wir doch den Text <strong>der</strong> Urkunde o<strong>der</strong>, wenn wir I> 25l<br />

als Fälschung verwerfen, denjenigen <strong>der</strong> nubeslrittcnen Vormknnde I> 25N<br />

einmal näher an. Warum vertauscht denn Herzog Äarnim zugunsten des<br />

Lübecker Kapitels das Dorf Preetzen gegen zwei an<strong>der</strong>e? ^",'a s^et^/li')<br />

ltll'/l'talen,<br />

Nun, wenn das Kapitel ein Dorf aus dem Grunde<br />

abgibt, weil es von Slawen bewohnt ist, so genügt wirklich ein bescheidenes<br />

Maß von ^ogik um zu schließen, daß die beiden neu eingetauschten Dörfer<br />

wohl von Dentschen bewohnt werden. ') Und mit einem ebenso geringen<br />

Aufwand von Kombinatiousgabe werden wir folgern, daß diese Dentschen<br />

es waren, die eine strittige Parzelle den Streitkamp o<strong>der</strong> eine Hügelkette<br />

am Rande <strong>der</strong> Gemarkung Sichdichum nauutcu. Und endlich, weuu die<br />

Seeblenke als stanno /


im 12. und 13. Jahrhun<strong>der</strong>t. MA<br />

Hinsehen muß um zu glauben, daß es auf einer deutschen Universität als<br />

Dissertation passieren konnte.<br />

Ich wie<strong>der</strong>hole, so weit ich die urkuudlicheu nnd chronikalischen Nachrichten<br />

zu denten vermag, sedt ein relativ breiter Strom von Einwan<strong>der</strong>ern<br />

früher ein, als man gemeinhin annimmt. Im Jahre 1^37 (? 34^), nur<br />

9 Jahre uach ^ 5")1, lft iu <strong>der</strong> alten slawischen Landeshauptstadt Stettin<br />

<strong>der</strong> Prozentsatz <strong>der</strong> deutschcu Einwohnerschaft so groß, daß Herzog Barnim<br />

sich mit dem Gedanken trägt, "t o/»/)ii/«7,l nost^/m .^V,'/l,,, ciill,s i«^-<br />

Bereits drei Jahre vorher (?> 307) hat Wizlaw I. Stral-<br />

suud mit deutschem Recht begabt. An die Umsetzung zu deutschem Stadt-<br />

recht <strong>der</strong> Nachbarorte ^oitz, Treptow a. T., Auklam, Demmiu, (Areisswald,<br />

Pasewalt — alle lU einem Jahrzehnt! — branche ich nur zu eriuueru.<br />

Ein paar Meilen weiter östlich, im O<strong>der</strong>gebiet, erwachsen gleichzeitig Bahn,<br />

Prenzlau, ötargard, Garh, Altdamm uud au<strong>der</strong>e mehr. Daß die deutsch-<br />

rechtlicheu Städte wie Pilze aus <strong>der</strong> Erde schießen, ist uumöglich, ohne daß<br />

eine gewisse Anzahl von Trägern des deutschen Rechts vorhanden gewesen<br />

wäre. Es stand doch nicht so, dak Herzog Barnim für etliche Mark eine<br />

Nie<strong>der</strong>schrift des „bübischen Rechts^ von einem dortigen Buchhändler bezog<br />

und das Pergament einem seiner Kastellaue in die Hand drückte mit <strong>der</strong><br />

Weisnng, voll heute ab bist du deutschrechtlichcr Stadtuogt von Prenzlau<br />

nnd nrtcilst nach den Paragraphen dieses Kanons. Wir mussen uns immer<br />

vor Augen halten, daß im 13. Jahrhun<strong>der</strong>t <strong>der</strong> deutsche Kolonist auf dem<br />

Siedclungsboden in einem ganz audcrsartigeu Verhältnis zum juristische»<br />

Tcrritm'ialitätspriuzift steht als <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>ne Staatsbürger. Damit befinden<br />

wir uus bei <strong>der</strong> nächsten Frage iu Klcmpins Beweisführung, ob die iu<br />

1> 251 genannten deutschen Nechlsgewohnheitcn im Jahre 1A2K für Pommern<br />

möglich sind o<strong>der</strong> nicht.<br />

II. Klempiu verneint die Frage rundweg, ich beantworte sie ebenso<br />

uubedingt mit ja. Seine Aubführnugen (S. 203, ^04) tanu ich im eiu-<br />

zelnen nicht verfolgen. Ich stehe ihnen völlig hilflos gegenüber. Denn<br />

seine Vorstellnngen von Gericht und Bogtei sind schief, die Interpretation<br />

<strong>der</strong> Texte an entscheidenden Pnntteu verkehrt, die kritische Kombination <strong>der</strong><br />

Zengnisse ganz unzulänglich nnd die Erschöpfung <strong>der</strong> Quellenbelege —<br />

Schweigen. Einen solchen Beweis dürften wir unbekümmert auf sich beruhen<br />

lasseu. Wenn ich trotzdem an dieser Stelle einen kurzen Gegenbeweis führe,<br />

so tue ich es deshalb, weil Klempius Darleguugen von audcreu übernommen<br />

silld llnd weil, wie ich hoffe, eine Zusammenstellung des Materials nicht<br />

nur für die abschließende Kritik von »^ 251, son<strong>der</strong>n allgemein für die<br />

Kenntnis dieser wichtigen Frage <strong>der</strong> pommerschen Geschichte erwünscht sein<br />

wird. Klempin behauptet im beson<strong>der</strong>en: von <strong>der</strong> Einrichtung <strong>der</strong> deutschen


Untersuchungen zum pommerschm Nrknndenniesen<br />

Verwalttmg mit herzoglichen Vögten, dentschrechtlichen Schulzen u. <strong>der</strong>ql.<br />

„konnte 1228 noch überall in Pommern nicht die Rede sein" ^); z. P. wurde<br />

einem pommerscheu Kloster das nie<strong>der</strong>e Bericht zum ersten Male l'^jx<br />

(Dargnn) bezw. lo


im 12. und 13. Jahrhun<strong>der</strong>t. 165<br />

1216; Oo6. 109. Kasimir II. für genannte Dörfer des Kl. Dargnn:<br />

(1220—37); Lo^. 130. Swantibor schenkt dem Kl. Kolbatz das<br />

Dorf Schmarnitz. Als letzter Zeuge geuanut ein .l^/o/,/,,^ il7/l'


Untersuchungen zum pommerschen Urkundenwesen<br />

1231; Ooä. 1ft8. Gründung des Klosters Neuenkamp. Das Kloster<br />

erhält die Befreiung von <strong>der</strong> landesherrlichen Vogtei und die volle Gerichts-<br />

barkeit über alle seine Eigenleute und Kolouen. Für die möglichen (vier)<br />

Fülle <strong>der</strong> Konkurrenz mit dem landesherrlichen Gericht wird die Zuständig-<br />

keit dieses bezw. des Klostergerichts geregelt.<br />

1^52; O06. 197. Wartislaw III. verleiht dem Kl. Doberan drei<br />

Dörfer .


im 12. nnd 13. Jahrhun<strong>der</strong>t. 167<br />

des ganzen 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts überhaupt nicht vor! Eine längere, ? 351<br />

mehr o<strong>der</strong> min<strong>der</strong> ühulickc Formel haben beispielsweise die pommerschcn<br />

Urkunden Od. 41 (»o. 1176),^.^, 126, 144, 153, 155, 1'>6, 169, 177,<br />

179, 1W, 1«^, 19« (no. 1333). Das ^^/^e^o nennen in dem gleichen<br />

Zeitranm (^nä. 33 (tto. 1173) 557, 3^, 39, 43, 50, 5)1, 58, 65, ^, 109,<br />

136, 153, 155, 156, 169, 177, 179, 150, iNtt, 1'.^ (lw. 1333). Bis<br />

znm Jahre 1334 herrscht die lateinische Form o?tu.


Untersuchungen zum pommerschen Urkundenwesen<br />

neuer Landesherr bestätigt die Exemtion Barnims, daß <strong>der</strong> Hof a<br />

ei «>ttn,«/,/s. Er vcrsnat ubcvdies: ?/)5sl^i<<br />

civ/tak t>'o/^e^e,l5i /i^eT'^^e ei<br />

Mit all<strong>der</strong>en Worten: das frühere Gut geht<br />

in <strong>der</strong> Stadtmart auf. Wir kennen zahlreiche Beispiele, daß zwei Dörfer<br />

mit einan<strong>der</strong> o<strong>der</strong> ein Dorf mit einer Grangie rechtlich verschmolzen werden.<br />

I> 1049 ist m. W. jedoch <strong>der</strong> einzige urkundliche Äeleg, daß eine selbständige<br />

c«n'a an eine Stadt angeschlossen wird.<br />

Die Urkunde ist im Original erhalten, das PrNmers nach Form und<br />

Inhalt für eine Fälschung erklärt. „Die Schriftzüge tragen den Charakter<br />

aus dem Ende des 14. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Die Arenga ist ganz außergewöhnlich<br />

uud zeigt durch ihre Wie<strong>der</strong>holung ein Gefühl <strong>der</strong> Unsicherheit. An <strong>der</strong><br />

lose eingezogenen Siegelschnur hat nie eiu Siegel gehangen."<br />

Was mit dem letzten Einwand gemeint ist, verstehe ich nicht. Die<br />

schwarz- und grünjeidene Schnur ist zermürbt und ausgefasert. Sie ist<br />

genau so eingezogen und sieht genau so aus wie an ungezählten an<strong>der</strong>en<br />

Stücken.<br />

Die Arenga ist zufällig das gerade Gegenteil von „ganz außer-<br />

gewöhnlich". Sie ist sogar so normal, daß wir, wenn <strong>der</strong> Kopf <strong>der</strong> Urkunde<br />

mit dem Namen des Ausstellers verloren gegangen wäre, aus ihr schließen<br />

würden: ? 1049 stammt ans <strong>der</strong> bischöflichen Kanzlei und ist von dem<br />

— in ? 1049 gar nicht genannten! — Notar Johannes II. verfaßt. Die<br />

allerdings seltene doppelte Ausführung desselben Gedankens in <strong>der</strong> Arenga<br />

haben wir nämlich auch in I' 1l55 und 1199'), und gewisse uugewöhn-<br />

liche Ausdrücke sind für Johann typisch. Mau vergleiche etwa<br />

? 1049 ? 1172<br />

esl ^ie^ ea>? varin5sjN6 knminum voIuuwteZ ca,<br />

u^i ^o^/cT' l/,


im 18. und 13. Jahrhun<strong>der</strong>t. Itt9<br />

An<strong>der</strong>e Etickwortc von I'1049 kehren in an<strong>der</strong>en Nrengen wie<strong>der</strong>. Ebenso<br />

finden wir dei einer vergleichenden Untcrsuchnng des Kontextes <strong>der</strong> nachweislich<br />

von Johann gegebenen Stücke, daß l 1049 dieselben Charakteristik«,<br />

dasselbe umständliche nnd schwerfällige Diktat, die gleiche Hänfnnq von<br />

Synonymen zeigt, die den übrigen eigentümlich ist. Die in l> 1M9 berichtete<br />

Tatsache anzuzweifeln, haben wir keine Veranlassung. Die Zeugenreihe<br />

ist echt. Inhaltlich sind keinerlei Ausstellungen zu machen.<br />

Bleibt übrig die Schrift. Was Prnmers veranlaßte, sie ans das<br />

Ende des 14. Jahrhun<strong>der</strong>ts zu datieren, ist mir unerfindlich. Zur Erklärung<br />

reichen nicht einmal die doppelbauchigeu a Formen ans, über die er bei an<strong>der</strong>en<br />

(Gelegenheiten gestolpert ist. Der Dnttns ist zeitlich echt. So glanbte ich<br />

einfach ans Schillmann (ö. 27) verweisen zu können, <strong>der</strong> die gleiche Hand<br />

in nicht weniger als tt weiteren Kamminer Stücken gefunden hatte. 'Als<br />

ich aber für eine an<strong>der</strong>e Untersuchung zufällig eine dieser Ansfertignngcn<br />

zu Besicht bekam, ergaben sich erhebliche Aedeukcu. Daß gleich die nächststchcndc,<br />

l> 1050, uicht die geringste Ähnlichkeit mit ? 1049 aufweist, wird<br />

Tchillmann, wenn er beide Stücke nebeneinan<strong>der</strong> sieht, ohne weiteres zngeben.<br />

Nnch wenn mau etwa l'1N49, M97 und 1139 vergleicht, so bedürfte die<br />

Identität <strong>der</strong> Hände noch sehr des Beweises. Vergessen wir nicht, wie<br />

hänfig man nm diese Zeit bereits einen ausgeprägten Kanzleiouktns trifft.<br />

Die herzogliche Schrcibschule gibt lehrreiche Beispiele dafür. Von den<br />

angeblich durch Johannes II nmndierten Stücken hat mit ^ 1019 die<br />

meiste Ähnlichkeit ^ 1064. Ich glande allerdings, daß beide von <strong>der</strong>selben<br />

Hand geschrieben sind.<br />

Das Pergament hat die ursprüngliche gelblich-weiße Farbe gnt<br />

bewahrt nnd sieht deshalb frifch aus. Tchillmann (2. 27 Anm. 1) hat<br />

es als „ungewöhnlich" bezeichnet. Doch sind solche Stücke ans dem<br />

i:;. Jahrhun<strong>der</strong>t in Fülle bekannt. Mir liegt eben ein ähnliches vor in<br />

<strong>der</strong> Urkunde l' 1392, die, wie ich bei <strong>der</strong> Gelegenheit bemerke, keineswegs<br />

„verdächtig"') ist.<br />

Mag also 1? 1049 von einer bekannten Hand sein o<strong>der</strong> nicht, sicher<br />

ist, daß alle gegen die Echtheit erhobenen Einwände verkehrt sind. Das<br />

Diktat stammt von einem bekannten Notar <strong>der</strong> bischöflichen Kanzlei, die<br />

Schrift ist nachweisbar gleichzeitig, <strong>der</strong> Inhalt nnterlicgt keinerlei Bedenken.<br />

^ 1049 ist zweifellos echt.<br />

l) So urteilt PrNmers auf Gnmd <strong>der</strong> Schrift.


17s) Untersuchungen znm pommerschen Urlundenwesen<br />

Bischof Hermann bestätigt die Urkunde Herzog Barnims I.<br />

ll^898), daß oer Nat <strong>der</strong> Stadt Demmin das Patronat über das<br />

Heiligengeistspital besitzt. 1270 Juni 25.<br />

Zur Edition <strong>der</strong> Urkunden des Demmiucr .heiligeugcistipitals bis<br />

1325 im ? vorweg ein paar Bemerkungen. Das Negcst l' ft96 trifft<br />

m. E. nicltt den Sinn <strong>der</strong> Sache. Herzog Aarmm befreit nicht erst das<br />

Spital vou <strong>der</strong> Parochial- uud Patrouatsgcwalt <strong>der</strong> Staotkirchc, son<strong>der</strong>n<br />

er bcurkuudct, das; es davou frei ist. Die Formel 6säimu8 (Zeile 6) hat<br />

die gleiche Bedeuluug „durch öffeutliche Urkunduug bestätigen" wie iu den<br />

zahlreichen schcinbareu Schenkllugsllrkuildeu, wo iu Wirklichkeit nicht <strong>der</strong><br />

Herzog o<strong>der</strong> Bischof, sou<strong>der</strong>u eiu beliebiger audcrer schenkt. Die im Regest<br />

gegebene wörtliche Deutuug ist kircheurechtlich nur möglich, wenn 1. <strong>der</strong><br />

Herzog das Patronat <strong>der</strong> Stadtlirche besaß uud weuu 2. die Bürgerschaft<br />

bei <strong>der</strong> Errichtuug ihres Spitals dessen Patronat <strong>der</strong> Stadtkirchc aufgetragen<br />

hat. Beide Voraussctzuugeu fehlcu osfeubar. — Im Negcst l^ 1920 wird<br />

die Tcxtstelle zoo/e^slF ^otte^^i ca/)^/a»l„m ai/«F<br />

(— das Nccht, am Hciligeugeislspital deu Kaplau zu bestelle«) hübsch übersetzt<br />

mit: Erlaubuis, eine Kapelle bei dem Hciligeugeistspital anzulegen. Der<br />

Herausgeber hat im Kontext


im 12. und 18. Jahrhun<strong>der</strong>t. i, l<br />

Kanzlei; man vergleiche z. V. einzelne <strong>der</strong> von Schillmaun S. 27 als<br />

Hand Johanns II. erklärten Stücke, also etwa das gleichzeitige I' Il^tt.<br />

(II) Zeile 10 bis 19 o<strong>der</strong> 20. Krnmme, weitere Zeilen; <strong>der</strong> Abstand <strong>der</strong><br />

Worte von einan<strong>der</strong> ist größer, die Buchstaben siud mehr in die Breite<br />

gezogen, und <strong>der</strong> gauze Charakter <strong>der</strong> Schrift erscheint flüchtiger. ^111)<br />

Zelle W bls Schluß. Die Schrift ist eilfertig hingeworfen. Sie erinnert<br />

an die Eintragungen in den gleichzeitigen Stadtbüchern. Die Zeilen sind<br />

eng gedrängt und trnmm. Der Schreiber gebraucht, um Raum zu sparen,<br />

zahlreiche Abkürzungen. Dieser Teil sieht als Urtnudenschnft allcrdiugs<br />

jnng aus, und auf ihu gründet sich offenbar Prümers' Datieruug. Aber<br />

die Sclirifl für ein Iahrhuu<strong>der</strong>t später zu halten, haben wir keine Beranlassuug.<br />

Das; <strong>der</strong> Schreiber vergeblich bemüht sei, ältere Züge nachzuahmen, und<br />

immer wie<strong>der</strong> in den eigenen Duktus zurückfalle, muß ich bcstreiteu. Die<br />

Schrift schwaukt nicht zwischen nellen und nachgeahmten alten Formen,<br />

fon<strong>der</strong>n fie wird znm Ende hm immer flüchtiger, nud <strong>der</strong> zuerst sorgfältige<br />

Urkundenduktus nähert sich, wie gesagt, mehr uud mehr <strong>der</strong> bekannten Form<br />

in den gleichzeitigen Stadtbücheru, Stadlrcchnnngen n. <strong>der</strong>gl. Bci diesel»<br />

Befund halte ich es für ausgeschlossen, daß unser Stück die praktisch zu<br />

verwertende Unterschiebung eines Originals darstellt. Im Gegenteil. Diese<br />

ungezwuttgeue Flüchtigkeit ist em gutes Merkmal <strong>der</strong> Echtheit. Kein<br />

Fälscher, <strong>der</strong> ein <strong>der</strong>artig wichtiges Bcweisdokumeut fabrizierte, schrieb so<br />

unbekümmert daranf los. Ein Stück mit einem so wenig einheitlichen<br />

Gepräge hätte er gewiß als mißlungen verworfen.<br />

Vergleichen wir ferner das Diktat <strong>der</strong> Tranfumicrung mit den<br />

erhalteueu gleichartigen Stücken, so beobachten wir, daß die formelhaften<br />

Wendungen auf die Kamminer Kanzlei weisen. Auch die rot^ uud gelb'<br />

seideue Sicgelschnur ist bezeichnend für die tan^leimäßlgc Echtheit^).<br />

Was Schillmann weiter über Zweck und Art <strong>der</strong> Ftilschnng ausführt,<br />

brauche ich im eiuzeluen nicht zn wi<strong>der</strong>legen, da sciue Ansichteu über die<br />

bestimmenden kanonisch-rechtlichen VorausselMngen imagiuär sind. Entwe<strong>der</strong><br />

war — nm ber seinem Bewcisgauge zu bleiben — Herzog Barnim Patron<br />

<strong>der</strong> Stadtkirche, dann hatte ihm <strong>der</strong> Kamminer Bischof in einen Hertrag<br />

mit dem städtischen Spital nicht hincinzurcdeu; o<strong>der</strong> er war es nicht, dann<br />

fiel es ihm anch nicht ein, Gerechtsame, die er nicht besaß, an einen Dritten<br />

abzntreteu. Als nicht ganz nebensächlich möchte ich auch feststellen, daß die<br />

nach Schillmanns Ausist nur aus dieser Fälschuug bekannte Herzogsnrtuude<br />

?tt08 sehr wohl im Original vorhanden ist (Staatsarchiv Stettin Depositum<br />

Stadt Dcmmin Nr. ^». Und dieses Original stammt nach Schrm nnd<br />

Diktat unzweifelhaft aus <strong>der</strong> herzoglichen Kanzlei.<br />

') S. die Zusammenstellung dei Schillmmm E. ^l.


172 Untersuchungen zum pommerschen Urtundenwesen<br />

Wenden wir. in aller Kürze das Ergebnis unserer Kritik ans die<br />

Darstellung des Schicksals des Spitals in <strong>der</strong> älteren Zeit an. Bürgerschaft<br />

und Nat von Demmin stiften anf eigene Kosten bald nach <strong>der</strong><br />

Mitte des 13. Jahrhun<strong>der</strong>ts ein Hospital zum Hl. Geist. Da die Griindnng<br />

anfänglich in bescheidenen Behältnissen stellt, bestellt die Stadt in<br />

<strong>der</strong> Kapelle, die bekanntlich stets zu einem Hl. speist Hospital gehört, keinen<br />

eigenen Kleriker, son<strong>der</strong>n übertrügt die geistliche Versorgung und damit die<br />

wachsenden Einkünfte dem Pfarrer Andreas an St. Bartholomäi. Um<br />

aus dieser Personalunion nicht ein Gewohnheitsrecht <strong>der</strong> Kirche entstehen<br />

zu lassen, erbittet die Bürgerschaft von Herzog Barnim eine Verbricfuug<br />

ihres unbeschränkten Patronats (l> st'l«) und läßt auch gelegentlich eiues<br />

Besuches des Kamminer Bischofs von diesem die herzogliche Urkunde toufirmicren<br />

(t> 1135). Dieselbe Erscheinung, die wir an vielen an<strong>der</strong>en<br />

Orten beobachten'), zeigt sich in Demmin: <strong>der</strong> Stadtklcrus sieht mit<br />

wachsen<strong>der</strong> Eifersucht, wie das Spital durch das Bcgräbuisrecht, durch<br />

Messelesen, Memorienstiftungeu und <strong>der</strong>gleichen <strong>der</strong> Parochiallirche nicht<br />

unerhebliche Einkünfte entzieht, uud <strong>der</strong> Konflikt ist fertig. Da sichert<br />

sich <strong>der</strong> Rat im Jahre 129!) von dem Kammincr Domkapitel als dem<br />

Patron <strong>der</strong> Pfarrei gegen eine gewisse Summe das Recht, nach eigenem<br />

Ermessen einen Priester zu bestellen, dcsscu Konkurrenz mit <strong>der</strong> Vartholomäikirche<br />

genau abgegrenzt wird (? l'.l^y. Für die Folgezeit hat es<br />

beim Wachsen <strong>der</strong> Stadt uud bei <strong>der</strong> Vermehrung <strong>der</strong> Kirchen in Demmiu<br />

ebenso wenig wie an<strong>der</strong>swo au Reibereien <strong>der</strong> verschiedenen Kirchen unter<br />

einau<strong>der</strong> wie des Klerus mit <strong>der</strong> Stadt als dem Patron des Heiligcngeistspitals<br />

gefehlt'). Im wesentlichen war die Stellung <strong>der</strong> Tpitalslapclle<br />

jedoch durch deu Vertrag von l^.»9 geregelt.<br />

Fürst Wizlaw II. von Rügen übergibt dem Kloster Buckow<br />

einen iuuerhalb genannter Grenzen liegenden Teil des Dorfes<br />

Malchow. 1274 August 8.<br />

Im Jahre 1348 schenkte Herzog Swcmtopolk von Pommerellen <strong>der</strong><br />

Cistercicm'crabtci Darguu mehrere Dörfer au <strong>der</strong> Grabow südlich von<br />

Nngenwaldc zur Anlage eines neuen Klosters. Bald traf <strong>der</strong> Konvent<br />

ein und erbante in <strong>der</strong> Gemarkung des heutigen Kirchdorfes Sce-Buckow<br />

das Kloster Buckow. Über seme äußere Geschichte in <strong>der</strong> ältereu Zeit<br />

sind wir verhältnismäßig gut unterrichtet. Wir besitzen aus dem 155. Jahr?<br />

') Ausgezeicl'uet orientiert ? 1241, <strong>der</strong> Vertrag zwischen <strong>der</strong> Bürgerschaft und<br />

<strong>der</strong> Kollegiatlirche in Kol berg.<br />

') Staatsarchiv Stetlin, Depositum Stadt Demmin Nr. 29 von 1326<br />

Juli 22. und Ar. 8? von 13SK Inni 2U.


im l2. und l3. Iabvbun<strong>der</strong>t !7:i<br />

hnli<strong>der</strong>t ungefähr l)5) Bnckower Nrlnnden, dar,luter 5 Originale'). So<br />

erfreulich da>^ sur dell darstcllendell Historiker ist. so schlecht konnnt <strong>der</strong><br />

Divlomatifcr dabei weg. Dcnll die Originale sind alle <strong>der</strong>artig beschädigt,<br />

daß sie nnr mit Hilfe dcr ^)ialrikel gelesen werden können, nnd diese<br />

Viatrilcl lst wohl das mangelhafteste aller betanntcu pommcrschen Copiare').<br />

(5s ist eine Abschrift, die zur Zeit Herzog Äogislaws X l V. einer älteren<br />

Vorlage entnommen ist. Mit dein paläographischeu Wissen des Schreibers<br />

haperte es bedenklich. Er hat an vielen Stellen blicken gelassen nnd, was<br />

schlimmer ist, noch hänfiger böse Lesefehler hineingebracht.<br />

Bon den erwähnten 65 Stücken sollen nach Ansicht <strong>der</strong> Bearbeiter<br />

des Pommcrschen nnd des Pommereliischcu Urkundenbnchs 3 gefälscht sein,<br />

1> 714, 999 und 1009. Cine vierte, ebenfalls ans Vnckow bezügliche<br />

Fälschung, t> 1^54 (Original), übergehen wir.<br />

^ 999 nnd 1009 stehen, wie Perlbach') annimmt, in einem inneren<br />

Znsammenhange. Beide seien anscheinend im Jahre l^95 angefertigt, als<br />

zwischen Bnckow nnd Zimer Dnmmeradewik ein Prozch vor König<br />

Przcmyslaw 1!. von Polen nm den Besitz von Malchow gefuhrt wurde<br />

(l' 17^^). Die Fälschungen seien dazu bestimmt gewesen, dem Kloster<br />

den Besitz voll ganz Malchow zu sichcru.<br />

Betrachten wir znnüchst ? 999. Es handelt sich um den gleichen<br />

Fall, den wir in <strong>der</strong> angeblichen Lübecker Fälschung besprachen. Wie<br />

Klcmpin das Verhältnis von ^ 251 zu ? 25)0 mißverstanden hat, so<br />

haben Prülners und Perlbach zwischen ^ 999 und ihrer Vorurkuude<br />

? 998 einen nuverciubarcn Gegcmatz konstruieren wollen. Die angebliche<br />

Fälschung folgt wörtlich <strong>der</strong> Borurknnde und schiebt die Grenzabsetzung<br />

<strong>der</strong> ilbertrageuen Flur ein. Wir leseu in<br />

? 998 ? 999<br />

') 1' 863, 987, 1104, 1489 und 1887. Die heute im Stettiner Archive s.^.<br />

Klosser Buckow Nr. 1 und 5 aufbewahrten Originale I'26« und l4


174 Uutersuchmigrn zum pommersclien Urkimdenwesen<br />

silice m^n30« c«m F^//l)iF, 7)f- 999 soll nun bedenken, daß dem Kloster ganz<br />

Malchow verlielien werde, während, wie wir wissen, die zweite Hälfte des<br />

Dorfes erst 11 Jahre später non Detlev von Sletzen geschenkt wnrde<br />

l? 1336 nnd 133'.»). Mit Verland, hinter dieser Interpretation steckt<br />

mindestens ein Fehler. Ich darf selbstverständlich nicht annehmen, daß<br />

Prümers und Perlbach die (5'inleitnng <strong>der</strong> Orenzdeschreibnng mit i/n /ilane<br />

verkehrt übersetzt haben, indem sie dem Adverb ^iune die Äeocntnng „im<br />

ganzen" o<strong>der</strong> „vollständig" (nämlich: die Gemarknng) unterlegten, /'/ane<br />

hat den Sinn „ausdrücklich" es dient zur Verstärkung des i/c?. So wird es<br />

gebraucht in ? 1336 /


Ml !2. und l^. Iabrliundort<br />

Die l^rcuzc soll folgen<strong>der</strong>maßen verlaufen: von <strong>der</strong> Molze am<br />

lichen Ansban von Malchow geradeswegs ans einen heute ulcht mehr<br />

nachweisbaren Nirubaum'), von dort weiter zn dem kleinen<br />

See 46 (südlich vom o in Ncn-Malchow) nnd darüber hinaus zum<br />

Landen Moor, ans dem <strong>der</strong> Cchcidcbach') fließt, <strong>der</strong> die Grenze<br />

zwischen den Gemarknngen Parvart nnd Malchow bildet.<br />

Wir sehen also, daß es sich in ? W8 nnd 999 nm die nördliche Hälfte<br />

<strong>der</strong> alten Dorfflnr handelt, während die südliche bis 1^85 im Besitze <strong>der</strong><br />

Sletzen geblieben ist.<br />

Und noch ein zweites Moment, das vor einer übereilten Kritik<br />

warnen sollte, haben beide Beurteiler ignoriert. 1^ 999 stimmt keines-<br />

wegs mit 1^ 99tt im Wortlaut völlig übcrein, wie Pcrlbach schreibt.<br />

Son<strong>der</strong>n an <strong>der</strong> für die Ausfertigung entscheidenden stelle, im (5schatokoll,<br />

zeigen sie eine bemerkenswerte Differenz. Es liest<br />

? 998 p 999<br />

anno ^onnni mi/^- >i^^tm /^/cottie anno<br />

Die Än<strong>der</strong>ung des Ansstellungsortes ist kein Merkmal <strong>der</strong> Nnechthcit,<br />

son<strong>der</strong>n das Gegenteil. Was für einen vernünftigen Grund hätte ein<br />

Fälscher gehabt, ,n sein Fabrikat an zweiter Stelle einen verkehrten Ort<br />

einzusehen? Der Fehler wäre beim Pergleich mit p 99tt sofort entdeckt<br />

worden. Die Datierung von Bnckow statt von Kolberg entspricht vielmehr<br />

dem Gange des Traditionsverfahrens. 1' 998 ist in Nolberg erlassen, weil<br />

Fürst Wizlaw dort vorübergehend sich anfielt. Bisprow von -Kamele nnd<br />

') Die Lage des Baumes läßt sich vielleicht mit Hilfe <strong>der</strong> Katasterkarte nach<br />

<strong>der</strong> Form <strong>der</strong> Gewanne und <strong>der</strong> Größe <strong>der</strong> t'ndietten 22 Hufen nälior liestlmmen.<br />

') Der Bach hat den alten Namen bewahrt, während er als scheide heule<br />

nur noch für eine kurze Strecke im Glabowliruch dient.<br />

') In <strong>der</strong> Mattltel ,wle v/tte.<br />

*) In <strong>der</strong> Matrikel e»nH,/em


1?s) Nntevslichuntmi zum vommerlchen Urkundenwesen<br />

Detlev von Stehen, <strong>der</strong> eine als Vertrauensmann des Fürsteil, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />

als Mitbesitzer von Malchow, haben den Auftrag, die übereigneten ^ Hnfen<br />

abznsteckcn. 2ie t,ln dies auf <strong>der</strong> Feldmark selbst, nnd ili das nahe<br />

Kloster znrückgekchrt benrknndet <strong>der</strong> fürstliche Notar Arnold den Akt dnrch<br />

? 999'). Unsere Urknndc ist also nicht am «. Allgust nie<strong>der</strong>geschrieben,<br />

son<strong>der</strong>n ein paar Tage o<strong>der</strong> Wochen später. Arnold wie<strong>der</strong>holt sein<br />

Formular ? 993, übernimmt anch Tag nnd Zeugen und berichtigt den<br />

Ort <strong>der</strong> Datierung. Diese Art <strong>der</strong> Ncnausfcrtigung ist eine so gewöhn-<br />

liche Erscheinnng, daß wir dabei nicht zu verweilen branche«.<br />

Der Vollständigkeit halber sei zum Schlun die Frage erwogen, ob<br />

das Abhängigkeitsverhältnis zwischen I> 998 und 999 vielleicht umgekehrt<br />

liegt, ob also t^ 999 das zeitlich voranstehende Hauptdokument und 1^ 998<br />

eine spätere Nebenansfertigung ist. Ähnliche Fälle sind zur genüge bekannt,<br />

als Musterbeispiel nenne ich kei-U). 47^> und 472, beide als Originale<br />

von <strong>der</strong> gleichen Hand überliefert. Die Frage ist zii verneinen. Die<br />

geringen Varianten bringen in !' 999 bessere Lesarten, <strong>der</strong>en flüssiger<br />

Urkundenstil in an<strong>der</strong>en Buctower Privilegien wie<strong>der</strong>kehrt. Die kleinen<br />

Schönheitsfehler sind in I' 996 schwerlich durch unsorgfaltigc Kopierung<br />

vou 999 eingedrungen. Es wird vielmehr umgekehrt zu urteileu seiu, daß<br />

<strong>der</strong> Diktator von ? 999 die Mängel seiner Borlage ? 99^ stillschweigend<br />

ausglich. Bezeichnend für das Abhäigigkeitsverhältnis ist die Datiernng<br />

von t^ 999. In einem Oriqinalkouzcpt hätte mau schwerlich geschrieben<br />

^lc/«m /?«oott'6 a'l/w /FZ-i, ,/,//l


im 12. und 13. Jahrhun<strong>der</strong>t. 177<br />

eine Berbriefung <strong>der</strong> Klostergnter mit einer genauen Greuzbeschreibung.<br />

Die vorliegende Konfirmation l'or!!). 270') iü damals jedoch nicht aus-<br />

gefertigt worden, son<strong>der</strong>n — nach <strong>der</strong> ^cugcurcihe zu Wichen — erst<br />

zwischen 1^7!) und l^ttö. Sie las. wenn nur <strong>der</strong> Matrikel folgeu, an <strong>der</strong><br />

entscheidenden Stelle des Güterocrzcichuisscs /^7-/1^/ ei ^o^^le/a^m<br />

siin„//l5 «,?//


Untersuchungen zum pommerschen Nrknndenwesen<br />

das AblMMeitsverWtms Mischen ^orir,. 2^9 und 270 etwa yenan<br />

Es wird nichts an<strong>der</strong>es übrig bleiben, als den ganzen Sachverhalt<br />

noch einmal zu prüfen, wenn ich die Nesultate an dieser Stelle auch nur<br />

in gedrängter Kürze geben kann. Ich wie<strong>der</strong>hole, das; die Dispostilo in<br />

l'erlb. 2i',9 sachlich identisch ist mit <strong>der</strong>jenigen in ?or1l). 270 bis auf<br />

das eine Wort ,5tiu8. Die Outerliste ist zeitlich echt. Vor 1275><br />

waren dem Konvent zuletzt geschenkt Pankuin (I^rll). 242), Alt-Schlawin<br />

ll^M. 24:j), Parpart (?er!d. 249) u,ld Malchow (?6r1b. 2tt5, 2i)ss).<br />

Alle vier sind richtig aufgeführt. Zwischen 1275) nnd dem Prozeß von<br />

1295 tamcu außer <strong>der</strong> zweiten Hälfte von Malchow hinzu Eveutiu<br />

s?6l-l»x 295, 29li, 297), Hirchow (?erld. 417), 60 Hufeu im ^ande<br />

Schlawe bei Malchow (?6iN). 42^) uud 200 Hufen im Vaude Belgard<br />

(l'ri'll). 479j'j. Der Zuwachs wird in unseren beiden Urkunden noch nicht<br />

genannt, <strong>der</strong> Äcfund cutsvricht alio dem Jahre 1275.<br />

Die Zeuge ureihe in ^rll). 2. Heiurich Nchschinkel<br />

ist 1270 als Wizlaws Notar bezeugt li' 10Z, 10:i1). Iohaun


im 12. und 13. Jahrhun<strong>der</strong>t. 179<br />

Beurkundung zn beziehen. Nu die freundliche Hilfe, die beim Entwnrf <strong>der</strong><br />

Zcngcnlistc die Nenenkampcr Ordensgcnossen gelastet haben sollen, glande<br />

ich nicht. Hätten sie dabei mitgewirkt, jo wäre vollends nnbegreistich,<br />

warum sie für die kurze zurückliegende Frist ans ihren zahlreichen Privilegien<br />

nicht eine echte ^iftc exzerpierten.<br />

An<strong>der</strong>s liegt das Verhältnis irl <strong>der</strong> Zcngenreihe ?


Untersuchungen znm pommrrschen Nrkllndenwelen<br />

1271 nämlich hatte <strong>der</strong> Fürst Wizlaw dem Kloster zwei Hallsstellen in <strong>der</strong><br />

fürstlichen Stadt Nügeuwalde geschenkt). Er nennt sie in seiner Konfir-<br />

mation (l^rlk. 3W) mit Necht s/^a-3 a^


im !2. »;nd l?. Inbchun<strong>der</strong>t.<br />

aus imd schneb<br />

eine „Fälschung" hat <strong>der</strong> Kouzipicut von 14ll-i ebensowenig gedacht wle<br />

<strong>der</strong>jenige von 1357 o<strong>der</strong> 1308.<br />

Das Kloster hatte, wie mehrfach erwähnt, im Jahre 1235 die zweite<br />

Hälfte von Malctww ehrlich erworben. Tcr Kauf war in üblicher Weise<br />

doppelt beurkundet, dnrch den ^audcsherru (l'^rll». 393) nnd durch den<br />

Verkäufer selbst (?erld. 395). Da liegt, sollte man mcincn, die Frage<br />

nahe, weshalb eigentlich <strong>der</strong> Konvent dle Tatsache dnrch ein paar Falschuugeu<br />

beweisen mußte, und zwar durch solche, die um l Jahre zu früh datiert<br />

waren. Die Tatsache, da5 die zweite Hälfte <strong>der</strong> Dorsflur erft l^tt.') an<br />

das Kloster gekommen war, kannte mau ein Jahrzehnt später dei <strong>der</strong> Führung<br />

des Prozesses selbstverständlich ganz genau. Tie urknndlichcn Zeugen lebtcu<br />

grösttcuteils uoch. Ich fiude keine ciuigcrmaßcn bcfricdtgcndc Erflälnug.<br />

Uud dauu vor allen Dingen eine Überlegnng, die allein hinreicht,<br />

um die Annahme einer ssälschnng ansznschlicßon. Der charakteristische<br />

Znwachs, den die belden angeblichen Falschnngen gegenüber ihren Vor^<br />

nrkunden ^l-l»,. >4


Untersuchungen zum pommerschen Ulkundenwescn<br />

a^t/am ^/oFtessitH', ^«s Mit t><br />

Motze, die zwischen Malchow und Alt-Slawin stießt; dann führt sie<br />

weiter an den Quellsec <strong>der</strong> Motze, l lcm nördlich Malchow, <strong>der</strong> die<br />

cll'viliit /^eHctam «,'i'//am ^/aie^^s e^ fttt?-/t


im 12. nnd 13. Jahrhun<strong>der</strong>t.<br />

so sträflich einfältig, wie sie nach Perlbachs Falschungswipolhese sein müßten,<br />

sind sie nicht gewesen. Malchow fchlt in <strong>der</strong> Nmschrlilnlng des geschlossenen<br />

Vnckower Territorillms, nicht weil die nnglanbllckc Flnchtlgkclt eines<br />

Fälschers es übersehen bat, son<strong>der</strong>n weil im Jahre 127.» gerade <strong>der</strong> an<br />

dieses Territorium stoßende Teil <strong>der</strong> Feldmark dem Kloster noch nickt ge-<br />

hörte. Malchow wird ebenso Übergängen wie die an<strong>der</strong>en Exklaven ParpnN<br />

nnd Nemitz.<br />

An das von nns gewonnene Nesnltat <strong>der</strong> unzweifelhaften Echtheit<br />

von ? 999 nnd lVl-l!». 2


Untersuchungen zum pommerschen Urknndenwesen<br />

eines neuen Besitztums beurkundet wird, wollen schlecht zu einan<strong>der</strong> passen.<br />

Nei kleinereu Zcitdifferenzeu, z.V. wenn am 13. Mai 1285 (l^l-IK. 395)<br />

die zweite Hälfte von Malchow geschenkt wird, während schon am 25. April<br />

vorher i?or!l). 893) Herzog Mcstwin den Besitz bei<strong>der</strong> Hälften bestätigt,<br />

dürfte eine mehr o<strong>der</strong> min<strong>der</strong> einleuchtende Erklärung nicht schwer fallen.<br />

Befremdend bleibt nur die Häufigkett, mit <strong>der</strong> solche Inkonsequenzen auftreten.<br />

Ein an<strong>der</strong>es Gesicht gewiunt die Sache jedoch, wenn wir beispielsweise ans<br />

vier gleichzeitigen Quellen (l^rlk. 294, 295 Original, 296, 307) erfahren,<br />

daß Kanlkewltz') im Jahre 127N voll Bischof Hermann von Kammin dem<br />

Kloster verkauft wurde. Nun soll aber Karnlewitz bereits 1266 durch Herzog<br />

Barnim überwiesen sein. Aber mit <strong>der</strong> Urkunde l^erlb. 215 tonnen wir<br />

nichts altfangen. Denn Barnim schenkt darin dem Konvent angeblich auch<br />

Böbbelin, während wir einwandfrei wissen, daß dieses Dorf schon bei <strong>der</strong><br />

Gründung des Klosters voll Herzog Swantopolk gestiftet wurde (l'orili. 1:55<br />

ko. 1252, 151).<br />

Die sechs Generalkonfirmationen von !2N5bis 125N s?erId. 235,<br />

259, 246, 269, 270, 361) sind miteinan<strong>der</strong> formell nnd inhaltlich eng<br />

verwandt. Die Schwierigkeiten <strong>der</strong> Daticrnng voll 269 nnd 270 haben wir<br />

nnterwckt. Auch bei den an<strong>der</strong>en sollte man die Daten einmal nachprüfen.<br />

Ebenso wird man die Entwicklung <strong>der</strong> Grenzbeschreibung und beson<strong>der</strong>s das<br />

Verhältnis <strong>der</strong> lheneralkonnrmationen zu den einzelnen Schenlungsakten im<br />

Ange behalten müssen. Ich kann das alles nnr andentend berühren und<br />

will allein darauf hinweisen, daß z. B. das genannte Karnkewitz in <strong>der</strong><br />

ganzen Reihe <strong>der</strong> Oeneralkonfirmationen steht, während das wichtige 100<br />

o<strong>der</strong> 120 Hufen große Persanzig in <strong>der</strong> ganzen Reihe fehlt. Nichts wäre<br />

verkehrter als gleich eine Fälschuug zu argwöhnen. Wohin ein solcher<br />

unkritischer Staudpunkt führt, zeigt die Behandlung <strong>der</strong> Kolba<strong>der</strong> Urkunden.<br />

Unsere Aufgabe ist es vielmehr, das Snstem zu ermitteln, wie die schein-<br />

bare o<strong>der</strong> tatsächliche Unregelmäßigkeit zur Regel werden tonnte. Wo liegt<br />

<strong>der</strong> Anstoß, in <strong>der</strong> Kauzlei Mestwins, bei Vuckow o<strong>der</strong> au einer vorlänfig<br />

unbekannten dritten Stelle? Gewiß ist es uicht leicht, zwischeu Hypertruit<br />

und Vertrauensseligkeit den Mittelweg zu halleu. Damit daß wir Fickcrs<br />

bahnbrechende Forschungen über die Deutung anachronistischer Data, Zellgen-<br />

listen u. <strong>der</strong>gl. zitiere«, ist uns die Pflicht, dell Bedingungen des Einzel-<br />

falles auf das eindringlichste nachzuforschen, nicht erspart. Für die Be-<br />

handlung <strong>der</strong> ostpommerschen Urkunden bietet Perlbachs Studie über die<br />

Kanzlei Mestwins li/) einen vortrefflichen Ausgangspunkt. In <strong>der</strong> Fort-<br />

') Der Ausweg, daß unter 6'«^«^^,^ nicht Karnkewih, son<strong>der</strong>n Karwitz<br />

gemeint sei, ist aus gewissen Gründen nicht möglich.<br />

') ) Preußisch-Polnische Studien zur Geschichte des Mittelalters. Heft 2.<br />

Halle 1886.


im 12. und 13. Jahrhun<strong>der</strong>t. 185<br />

setznng <strong>der</strong> vorliegenden Untersuchungen znm pommcrschen Urkundcnwesen<br />

denke ich die für die allgemeine Diplomati! wichtigste Buckowcr Urknndc,<br />

die Beantragung einer Oeuerallonfirmation bei <strong>der</strong> Kurie durch Vicstwiu II.<br />

4i!^ --- ? 15:^), ausführlich zu besprechen.<br />

Bischof Hermann von Kammin schenkt dem Kloster Buckow<br />

den Zehnten von :i(X) Hnfcn in V genannten Qrtcn. 1'^»^ Februar 1.<br />

Der kritischen Beurteilung von p 714 erwachsen zwei Aufgaben, die<br />

Rekonstruktion des start beschädigten Textes nnd die Prüfung <strong>der</strong> Echtheit.<br />

Wir nehmen die zweite als die leichtere vorweg.<br />

Nach dem Urteil Perlbachs ist das Privileg „wahrscheinlich unecht".<br />

Denn von den 8') in <strong>der</strong> Urkunde geuaunten Dörfern besaß Bnckow im<br />

Jahre 12(52 nur Nöbbelin") nnd Pirbstow, die an<strong>der</strong>en 6 sind spater<br />

hinzugekommen. „Es ist unwahrscheinlich, das; das Kloster früher die<br />

Zehnten als die Dörfer besessen habe, vielmehr pflegten den Klöstern gerade<br />

die Zehnten <strong>der</strong> Klosterdörfer von dem Diözesanbischof geschenkt zn werden."<br />

Diese Anschauung ist ein Irrtnm, <strong>der</strong>, wenn er nicht dnrch eine<br />

verkehrte Bemerkung in einer kirchenrcchtlichcn Darstellung hervorgerufen<br />

ist3), auf eiucm (hediichtmsfehler Perlbachs beruht. Wir können bis zum<br />

Eude des 13. Jahrhun<strong>der</strong>ts allein aus dem Pommerscheu Urlundenbuch<br />

mindestens MO Dörfer nachweisen, die einem fremden Htlostcr o<strong>der</strong> ^tnt<br />

den Vischofszehnt leisten. Beson<strong>der</strong>s bei Neugründungen oou Xlöncru,<br />

wie hier bei Bnckow, war eine solcke Schenkung für dcu Biscl>os <strong>der</strong><br />

gegebeue Weg, die jnnge Pflanzung zu uutcrstutzeu. Um nur eiu jchlageudcs<br />

Beispiel auzuführen, verweise ich auf die Bulle ^ IM, in <strong>der</strong> Gregor Vlll.<br />

dem Kloster Nolbatz das Eigentum vou « Dörfern und den Blichofszehnt<br />

in 10 an<strong>der</strong>en Dörfern konfirmiert. Überdies hat Pcrldach das Privileg<br />

Bischof Hermanns vom t>. Juli 1253 l^ 574 ^lN). 152) überscheu.<br />

Hier gibt <strong>der</strong> Bischof dem im Entsteheu begriffenen Kloster eine vorläufige<br />

Auweinmg auf den Vischofszehut vou 3 Hufcn. i> 714 bedeutet uur<br />

die praktische Durchführuug dieser crsteu Verleihung. Ähnliche Fälle smd<br />

') Richtiger 9; Perlbach rechnet Buckow nicht mit.<br />

') Die Matrikel, unsere emzifte Quells schreibt /i^,


Untersuchungen zum pommerschen Nrkundenwesen<br />

häufig vorgekommen. Da unsere llrkunde auch inbezug auf die Zeugenlistc<br />

und formell in je<strong>der</strong> Hinsicht befriedigt'), muß ich Perlbachs Einwand<br />

ablehnen.<br />

Der Text <strong>der</strong> Konfirmation ist an <strong>der</strong> sachlich entscheidenden Stelle,<br />

in <strong>der</strong> Disposino, sehr mangelhaft erhalten. Abgesehen von groben Schreibund<br />

Lesefehlern weist er fünf Lücken ans. Zum besseren Ucbcrblick setze ich<br />

nach <strong>der</strong> Matrikel den Wortlaut hierher und numeriere die Lücken. Die<br />

Größe <strong>der</strong> Vncken ist möglichst genau <strong>der</strong> Vorlage angepatzt, da <strong>der</strong><br />

Abschreiber <strong>der</strong> Matrikel offenbar dasselbe Bestreben gehabt hat. //?'ne esi,<br />

in<br />

i et «s<br />

. . . (l) . . .<br />

u^e «F .... (IV) ..<br />

in l^).?/.? //^^^,6 /'^«'l'/n/, . . .


im 12. und l.i. Jahrhun<strong>der</strong>t. 187<br />

Zur Rekonstruktion des Textes <strong>der</strong> ?ücke s bestehen nach analogen<br />

Fällen zwei Möglichkeiten, entwe<strong>der</strong> c"in s>7/,nl l"i^e o<strong>der</strong><br />

in /ie^/)^f/ttni) /i^.'./l/^T'e (bezlv. /,o. s)s>^,<br />

573 und M7.') In den beiden letzten Fällen handelt es sich um das<br />

Necht, deutsche und an<strong>der</strong>e Ansiedler anzusiedeln. l' 55^ und ü7'5<br />

sind au das Mutterkloftcr Dargun adressiert, das Dcktat geht auf<br />

Darguuer Vorlage» zurück. Nmcrm Text am nächsten kommt das<br />

Privileg Herzog Mestwius von 1^74 ll" '.l«7). Dort heißt co: ^><br />

Kloster) eo^^


iftH Untersuchungen zum pommerschen<br />

richten. Für Buckow vergleiche man ? 573, allsgestellt voll den Herzogen<br />

Barnim nnd Wartislaw: ^ote.'.'i


im l2. und i:t. Inbvbnndrvt.<br />

Folge einer solchen Umschlug ist. daß icdwedc Zinse nnd Abgaben an den<br />

Vaudeshcrrn nnd den Diözeimbiickof wegfallen nnd <strong>der</strong> dadnrä! frei werdende<br />

Gewinn dem Kloster zufließt. Deshalb strebt beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Listercieuserorden,<br />

dem auch Bnckow angehört, mit seinem ansgebreiteten Konverscninstitut<br />

so eifrig nach diesem Privileg. Als Pribislaw von Slawien im<br />

Jahre 12«9 zweihnn<strong>der</strong>t Hnfen im ^ande Bclgard an Bnctow abtrat<br />

(? !489), behielt er sich die Hälfte <strong>der</strong> Gefälle vor, gab jedoch den Brü<strong>der</strong>n<br />

die Freiheit<br />

Die Tradition voll acht Hnfen in Bnlgrin dnrch den<br />

Varthus Schwarz (l^ IN««) wnrdc fnr das Kloster dadnrch beson<strong>der</strong>s<br />

wertvoll, daß <strong>der</strong> Nitter einen «ium /oci a/)ii„/t a,/ 6c/i/l>a7ll/«„i FTnz/t/iam<br />

hinzufügt. Wir wisscll von Bischof Hermann, daß er gelegentlich gar das<br />

gute Recht seiner Pfarrherren an einer Grangie zngnnstcn eines Klosters<br />

umbog (t> 1006). Als Dargnn, das Mnttertlostcr von Bnckow, das Dorf<br />

wioyzliz in eine Grangie verwandelt hatte, entzog Hermann es kurzerhand<br />

<strong>der</strong> Parochie Malchin (^ 454k) nnd pfarrte es bei dem Darqnnschcn<br />

Klosterdorf Gilow ein. Die dürftige Entschuldigung, die Hermann in die<br />

Schenkungsurkunde aufnimmt,


Unttrsllchmtgln zum pomnlerschen Urkundenwesen<br />

Das Bistum KlNNMln besäst um Vnckow große Latifundien. Nicht<br />

wenige dieser Tafelgitter gelangten nach nnd nach dnrch Kans o<strong>der</strong> Tanjch<br />

in den Besitz des Klosters. So sind nns ans <strong>der</strong> älteren Zeit die Ver-<br />

gatmllgsnrkllilden erhalten für Karnlcwitz, Euentin, Beellow, Glesenow uud<br />

li


im 12. nnd 13. Iabrlum<strong>der</strong>t. 1!>l<br />

(? 8Y7). Dabei wissen wir bestimmt, daß Vöbbelin schon l^5^ s? 55->)<br />

von Herzog Ewantopolt den, Kloster geschenkt lft nnd daß Karukewih vom<br />

Bistnm Kalnmin nt.^ l'^«//^'«,,^ ^^/i gekanft wnrde (? 11M). Zweitens<br />

konfirmieren die aus ihrem Erbe vertriebenen Söhne Swantopolls nnmittclbar<br />

daranf die Bnckowcr Nesilznngen (l>ft?, ftftj. Es ist wenig glanblich,<br />

das; sie sich zn diesem All herbeigelassen hätten, wenn die konfirmierten<br />

Güter ihnen eben erst mit Gewalt entrissen wären. Ein endgültiger. Entichnd<br />

darüber, ans wessen Besitz Görik nnd Preetz stammen, ist aljo nicht möglich.<br />

Ganz ähnlich liegen die Dinge bei (4) Schlawiu (l'5N«i llnd (5)<br />

Panknin (I'itt)«). Beide hat Fürst Wizlaw ll. von Rügen „geschenlt",<br />

Panknin gemeinfam mit feinem Brn<strong>der</strong> Iaromar. Wizlaw hatte zil dieser<br />

Zeit wahrscheinlich noch keine Kin<strong>der</strong>, daher tritt die Benennung seines<br />

Brn<strong>der</strong>s vermutlich an die Stelle des nn.-^.'??^ /,^v,/„m. I^ic Urkunden<br />

gebrauchen die Formeln i/l /),-c,/)/-l>^tl/'m conw/l'mttF und ,^„,l//o (I^!11^)<br />

bezw. ^^^?>/i?iF i»l co)it?//im^5 ^o^iet^t^ /i'i?,/o sl^ !U)X). Sind demnach<br />

anch nicht alle Zweifel behoben, so müssen wir bis zum Beweis des Gegeutells<br />

doch annehmen, daß Göritz, Preetz. Schlawin nnd Pantuin auo dem Besitz<br />

<strong>der</strong> Landesherren stammen, <strong>der</strong>en Überlragnngsurkundell erhalten sind.<br />

(6) Wie vorsichtig wir zu verfahren haben, lehrt die Vcrbriefnng<br />

Fürst Wizlaws über Parvart (I' 934). In getrcner Befolgnng <strong>der</strong> /aet,«<br />

/attt/a^i/l'a <strong>der</strong> Alten übergibt Wizlaw mit Konsens feiner Erben dem Kloster<br />

das Dorf Parpart samt zwei Grundstücken in Nügenwalde^). Der Tenor<br />

<strong>der</strong> Nrknnde läßt entschieden auf eine fromme fürstliche Schenkung schlichen.<br />

Aber in ^ !7l)1 hören wir, daß Buckow das Dorf dein vommerellischen<br />

Edlen Mildebrath gegen gute Ainnze abgckanft hat uud daß Wizlaw ulld<br />

Mestwiu N. uur den laudcsherrlicheu Konseus dazu gegeben Habens.<br />

Der Willebricf Wizlaws ist eben ^ V34. Der Konsens Äiiestwius ist<br />

k1011, wenn wir nicht annehmen wollen, daß eine Parallelansfertignug<br />

<strong>der</strong> pommerellischcn Kanzlei zu I' '.»:^4 verloren gegangen ist.<br />

(7) Als letztes Dorf für den Kamminer Besitz kommt Grabowe<br />

in betracht. Perlbachs Ansicht geht dahin, daß das Kloster dieses Orabowc<br />

als Wald im Jahre !^


Untersuchungen zum pommersclien Uvfundknwrseu<br />

nickt dein Kloster geschenkt, son<strong>der</strong>n ? 670 ist die älteste Genrrnb<br />

konfirmatiou mit namentlicher Auffuhrnng <strong>der</strong> Klostergüter. Wann und<br />

dnrch wen Grabowe o<strong>der</strong> irgclld ein an<strong>der</strong>es Dorf dem Konvent tradiert<br />

wnrde, darüber besagt die Urknnde nichts. Zweitens ist Herzog Wartislaw<br />

im Jahre 12^,55 überhaupt nicht Herr des Vaudes Schlawe, er kann dort<br />

also nichts verschenken. Pcrlbach meint ferner (S. 190 Aum. 1), daß <strong>der</strong><br />

Wald Grabowe in 1^ 870 wohl identisch mit dem Dorf Grabowe in unserer<br />

„Fälschnng" p 714 sei. Ich weiß nicht recht, was er nnter dieser Bemerkung<br />

verstanden wissen will. Jedenfalls verweise ich daranf, daß l 1538<br />

ausdrücklich sowohl die m'//a wie die n'/va ^^)'a^l,'e als Klosterbesitz nennt.<br />

Halten wir alle in betracht kommenden Momente zusammen, so glande<br />

ich, daß Grabowe von Bischof Hermann von Kammin geschenkt ist. Wir<br />

wissen ans sämtlichen analogen Fällen, daß Biichof Hermann bei <strong>der</strong> Anlage<br />

eines Klosters sich nicht mit <strong>der</strong> Überweisung eines mehr o<strong>der</strong> min<strong>der</strong> sicheren<br />

Epistopalzehntcn — ein Teil <strong>der</strong> iu l' 714 genannten Dörfer lag wüst! —<br />

begnügt hat, son<strong>der</strong>n daß er regelmäßig dnrch ein realeres Snbslstenzmittel,<br />

durch bestimmte Zinse o<strong>der</strong> Grundbesitz, die neue Pstanznng unterstützte.<br />

Nuu war die Grüuduug des Klosters Buckow im nahen Grcuzbezirk des<br />

ewig nurnhigcn Herzogtums Pommcrellen für das Kamminer Bistum in<br />

politischer und kirchlicher Beziehung eine Angelegenheit von eminenter<br />

Wichtigkeit. Wenn irgendwann, so hatte Bischof Hermann hier bei Vnckow<br />

Vcraulassuug, deu Kouveut durch eine Dotierung mit Grundbesitz zn sichern.<br />

Wlr wissen ferner, daß das Stift in <strong>der</strong> Gegend, wo wir Grabowc zu<br />

lokalisieren haben, begütert war. Prüfen wir <strong>der</strong> Reihe nach die möglichen<br />

Orte, so bleibt mit hoher Wahrscheinlichkeit, daß Grabowe dieser ehemalige<br />

Stiftsbesitz ist').<br />

Nachdem ich im wesentlichen ans demselben methodischen Wege, den<br />

wir eben eingeschlagen haben, (Grabowe als das gesnchtc Dorf ermittelt<br />

hatte, fand ich uncrwarteterweise in Steinbrücks Geschichte <strong>der</strong> Klöster in<br />

Pommern (1796) eine Bestätigung meiner Koujektur. Steinbrück schreibt<br />

nämlich in dem alphabetischen Gütervcrzeichnis des Klosters S. 22: „Grabow<br />

Wald und Zehend von Bischof Hermann 1^62". Diese Güterlisten fußen<br />

für die Zeit nach <strong>der</strong> Mitte des 1.'). Jahrhun<strong>der</strong>ts zum großen Teil auf<br />

haudschrisllichem Material, bei<strong>der</strong> gibt <strong>der</strong> Versasser keine knellen an,<br />

uud so ist es mir trotz aller Muhe nicht möglich gewesen, die Grundlage<br />

') Auf Fragen von untergeordneter Bedeutung kann hier nickt eingegangen<br />

werden; erwähnen mächte ich nur, daß ich die Geuiariuug Gvabowe nicht mit Prrlbach<br />

(S. 102 Anm. 5) und Prümers bei Martinshagen, son<strong>der</strong>n bei Abtshaaen suche und<br />

daß m. E. die mV/a


im 12. und 1,'j. Iahrbunoett. l^;<br />

jener Notiz festzustelleu. Ihren Inhalt .zu bezweifeln, haben wir bei<br />

Tteinbrücts Arbeitsweise leine Veranlassung.<br />

Für die ^nckc II läßt sich eine befriedigende Ergänzung nntcr Bewahrung<br />

ber beiden Endungen von ^c^/l.«? nnd ^a^o?-?/?n schwerlich geben. Nehmen<br />

wir e^ce/>t,'.5 als regierenden Ablativ, so korrigieren wir mansoren in<br />

und lesen e.,ee/>tix i„ ri//n nos^s/ ^^sl/,oitiH vil!g «o^/e ^akoit'e 7'm


<strong>der</strong><br />

Gesellschaft fiir Pommersche Geschichte und Altertumskunde.<br />

1WN — Rpril IW9.<br />

In stiller, ruhiger Arbeit hat die Gesellschaft auch während des<br />

verflossenen Geschäftsjahres wirken und schaffen können, die Vergangenheit<br />

<strong>der</strong> Heimat mehr und mehr zu erforschen uud das Interesse daran zu<br />

beleben und zu vertiefen. Sie hat dabei wie<strong>der</strong> in reichem Umfange Hülfe<br />

gefunden bei den Behörden des Staates, <strong>der</strong> Provinz und vieler Städte,<br />

auch haben zahlreiche einzelne Freuude <strong>der</strong> Gesellschaft sie bei den wissen-<br />

schaftlichen Arbeiten o<strong>der</strong> beim Sammeln unterstützt. Dafür sei hier <strong>der</strong><br />

Dank ausgesprochen. Iu unsere»! Tagen, in denen von Heimatskumt nnd<br />

Heimatsschulz soviel gesprocheu uud für beides auch eifrig gewirkt wird,<br />

darf wohl auch die Heimatsgeschichte auf erhöhte Teiluahme rechnen.<br />

Wissenschaftlich hat man sie schätzen gelernt und weiß jetzt, daß eine allgemeine<br />

Geschichtsdarstcllnng die Ergebnisse territorialer o<strong>der</strong> lokaler Geschichtsforschnug<br />

niemals entbehren kann. Iu weitereu Kreisen ist man noch nicht überall<br />

zu <strong>der</strong> Erkenntnis gekommen, daß Beschäftigung mit <strong>der</strong> Heimat und ihrer<br />

Vergangenheit nicht nur eine Liebhaberei eiuzelner ist, son<strong>der</strong>n Verstand<br />

und Gemüt bildet, sowie zum Verständnis <strong>der</strong> Gegeuwart notwendig ist.<br />

Indessen hat es den Anschein, als ob auch diese Erkenntnis allmählich<br />

zunimmt, wie z. B. die sehr rege Tätigkeit anf dem Gebiete <strong>der</strong> Familien-<br />

geschichte beweist. Gerade diese Forschung kauu, wenn sie richtig betrieben<br />

wird, in die Vergangenheit <strong>der</strong> Heimat einführen, und die Augen für die<br />

Ereignisse und Zustände vergangener Zeiten öffnen. Möge es auch unserer<br />

Gesellschaft immer mehr gelingen, au dicier nicht uuwichtigeu Arbeit<br />

erfolgreich sich zu beteiligen.


(5imlndslebzissftfv Jahresbericht. l W<br />

Die Zahl <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> betrng nach dem lebten Jahresberichte<br />

755, jetzt belänft sie sich anf ?s>0 llnd ,'el.tt sich znfanlmen ans:<br />

Ehrenmitglie<strong>der</strong>»! 9<br />

korrespondierenden Mitglie<strong>der</strong>n . 2l',<br />

lebenslänglichen Mitglie<strong>der</strong>n . 11<br />

ordentlichen Mitglie<strong>der</strong>n . . . 714<br />

Snmma 7«',<br />

Ausgeschieden sind 24, gestorben 14 Mitglie<strong>der</strong>. Aus <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong><br />

korrespondierenden Mitglie<strong>der</strong> schied am HU. Teptcmbcr INO^ ano dem<br />

^ebcn Geh. Sanitätsrat Dr. Lisfauer in Bcrlln, <strong>der</strong> sich um die vor-<br />

geschichtliche Erforschnng, namentlich Wcstpommcrns, grone Verdienste erworben<br />

hat. Von dell ordentlichen Mitglie<strong>der</strong>n starben: Dr. meli Neitzke in<br />

^auenburg i. Ponl., Pastor em. Nabbow in Fiilkcnwalde, Kaufmann<br />

Em. Aron, Geh. Iustizrat Bonrwieg, Kommcrzienrat Gerber, ^andcsrat<br />

Geh. Negierungsrat Goeden, Stadtrat Grawitz, Nestanratenr Jaeger,<br />

Ncdaktenr Dr. König, Direktor Petersen, Pastor em. Schmidt und<br />

Kaufmann Treffett in Stettin. Ehre sei ihrem Andenken!<br />

Eingetreten sind 4:6 Mitglie<strong>der</strong>.<br />

In <strong>der</strong> Generalversammlung am 23. Mai IWtt wurden zn Mitglie<strong>der</strong>n<br />

des Porstandes gewählt die Herren:<br />

Geh. Negiernngsrat Prof. Dr. Lemcke,<br />

Professor Dr. Wehr mann,<br />

Professor Dr. Walter,<br />

Geh. Kommerzicurat ^eu^ (Berlin),<br />

Baumeister (5. U. Fisci,er,<br />

Archivdirektor Prof. Dr. Friedens burg.<br />

Geh. Iustizrat Mag un na.<br />

In den Äei rat wurden gewählt:<br />

Geh. Kommerzicnrat Abel,<br />

Stadtrat Äehm,<br />

Professor Dr. Haas,<br />

Konsul Karow,<br />

Kou sul Kisker,<br />

Zeichenlehrer Meier (Kolberg),<br />

Manrermeister A. Schrö<strong>der</strong>,<br />

Sanitätsrat Schumann ftöcknitz).<br />

Der in <strong>der</strong> Versammlung verlesene Jahresbericht für 190N ist in den<br />

Nalt. Studien N. F. XII, S. 207—2 N abgedruckt; auch <strong>der</strong> von Herrn<br />

Professor Dr. Walter erstattete Bericht übet Altertümer nnd Ausgrabuugeu<br />

in Pommern im Jahre 17 ist dort sS. 213—217) veröffentlicht worden.


196 Eimmdsiebzigster Jahresbericht.<br />

Den Vortrag hielt in <strong>der</strong> Oeneralversammlnng Herr Geh. Megierungsrat<br />

Dr, Lemcke über Schloß Pausin und einige ältere Slargai <strong>der</strong> Bauten.<br />

Im Winter 1908^09 wurde» in 5 Versammlungen folgende Vorträge<br />

gehalten:<br />

Herr Geh. Negierungsrat Prof. Dr. Dietr. Schäfer in Berlin:<br />

Pommern als Küstenland.<br />

Herr Professor Dr. Wehr mann: Die Einführung <strong>der</strong> Städte-<br />

Ordnung vom 19. November 1808 in Stettin.<br />

Herr Konservator Stubenrauch: Wichtige und bedeutende neue<br />

Funde aus prähistorischer Zeit in Pommern.<br />

Herr Professor Dr. Wehrmann: Pommersche Geschichtsforschung<br />

im Jahre 1908.<br />

Herr Realgymnasialdirektor Dr. Lehmann: Was haben Geologie<br />

und Morphologle in den letzten Jahren zur Vertiefung <strong>der</strong><br />

Landeskunde Pommerns beigesteuert?<br />

Herr Privatdozeut Lic. Uckeleh in Grcifswald: Die Entwickelung<br />

des kirchlichen Lebens in Pommern in <strong>der</strong> Nesormationsbewegung<br />

des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />

Bei <strong>der</strong> Hauptversammlung des Gesamtvereins <strong>der</strong> deutschen<br />

Geschichts- und Altertumsvereine, die im September 1908 zn<br />

Lübeck stattfand, vertrat Herr Geh. Negicrungsrat Prof. Dr. lemcke die<br />

Gesellschaft.<br />

Iahresrechllung für l908.<br />

Einnahme: Ausgabe:<br />

Alls Vorjahren 141,86 M.<br />

Verwaltung 5090,07 „<br />

1863,00 M. Mitglie<strong>der</strong><br />

2599,75 .. Verlag 3138,15 „<br />

6413,00 „ Unterstützungen 1428.55 „<br />

571,93 „ Kapitalkonto<br />

Bibliothek 683,80 „<br />

Museum 1665,09 „<br />

11147,6^ M. Summa 12146,52 M.<br />

Mehrausgabe 698,84 Mark.<br />

12455,35 M. Inventartelo 7970,54 M.<br />

Bestand: 4484,81 Mark.<br />

Von den Baltischen Studien ist Band XII <strong>der</strong> nenen Folge,<br />

von den Monatsblättern <strong>der</strong> 22. Jahrgang erschiene«. Zu uuserer Freude<br />

können wir mitteilen, daß ein ausführliches Register zu deu 46 Bänden<br />

<strong>der</strong> ersten Folge <strong>der</strong> Valt. Studien in Arbeit ist; wir hoffen, daß es in


EimmdsiebziaNer Jahresbericht. l 97<br />

einigen Jahren erscheinen kann. Die Tätigkeit nnf den, Gebiete <strong>der</strong><br />

pommerschen Geschichtsforschung ist andauernd recht rege, die Zahl <strong>der</strong><br />

erscheinenden Arbeiten nicht unbeträchtlich, anch finden sich immer nene<br />

Mitarbeiter ans diesem Gebiete, nnr die vorgeschichtliche Forschung und die<br />

Verarbeitung des anfgefnndcncn Materials wird nicht in dem Umfange<br />

betrieben, wie es zu wünschen wäre.<br />

Mit den beiden an<strong>der</strong>en geschichtlichen Vereinen in unserer Provinz, dem<br />

Nugisch-Pommerschen Geschichtsvereinc zu l^rcifswald und Stralsuud und<br />

dem Verein für Heimatstuude in Etolp, steht die Gesellschaft in bestellt<br />

Einvernehmen. Mlt <strong>Greifswald</strong> sind wie<strong>der</strong>holt Vereinbarungen über die<br />

Veröffentlichung allgebotener Arbeiten gepflogen worden, in Ttolp hielt im<br />

Oktober 1WH Herr Professor Dr. Wchrmann einen Vortrag über die<br />

Reformatiousbewcguug m Ltolp. ssür Mönchgut hat sich, wie in dem<br />

14. Jahresbericht über die Tätigkeit <strong>der</strong> Kommissiou zur Erfori'chuug uud<br />

Erhallllug <strong>der</strong> Denkmäler in <strong>der</strong> Provinz Pommern (abgedruckt als Beilage<br />

zu deu Aalt. Stud. N. F. XII) bereits mitgetcüt wordcu lst, im Iuui Nll<br />

eine Ortsgruppe zllr Erhaltltng <strong>der</strong> dortigen Volkstrachten gebildet uud sich<br />

au Ullsere Gesellschaft ausglie<strong>der</strong>t. Deu Bestrebungen <strong>der</strong> Ortsgruppe ist<br />

reicher Erfolg zu wüuschen.<br />

Von dem Inventar <strong>der</strong> Bau- und Kunstdenkmäler ist ein<br />

neues Heft nicht erschienen; die Porarbeiten sind aber so weit gediehen,<br />

daß in nächster Zeit ein Heft über das Stettiner schloß herauskommen<br />

wird und dauu bald an<strong>der</strong>e folgen werdeu.<br />

Die Venvaltuug <strong>der</strong> Bibliothek, die durch den Altstausch mit mehr<br />

als iftO auswärtigen wissenschaftlichen Vereiuen fortgesetzt reiche« Zuwachs<br />

erhalt, aber auch durch mauche dankenswerte Schenkuugm vermehrt wird,<br />

hat mit dem 1. Iauuar 1909 Herr Kgl. Archivar l>. Grotefeud<br />

übernommeu. Herru Oberlehrer Dr. Gantzer <strong>der</strong> "'4 Jahr die Bibliothek<br />

mit großem Vifer nnd Verständnis verwaltet hat, getMrt <strong>der</strong> Dank <strong>der</strong><br />

Gesellschaft.<br />

Über die Altertümer uud Ausgrabungen im Jahre 190« belehrt uns<br />

<strong>der</strong> Bericht des Herru Professor l)r. Walter'). Mit lebhaftem Daukc<br />

sei aber auch hier hervorgehoben, daß <strong>der</strong> Provinziallandtag von Pommern<br />

für den Ankauf eiller grosten und bedeuteuden rugischcu Sammluug uou<br />

Steinaltertümern eine beträchtliche Geldsumme bewilligt hat. Wir oegriisteu<br />

diese Unterstützung mit großer Freude uud sehen darin eine Anerkennung<br />

<strong>der</strong> bisherigen Tätigkeit unserer Gesellschaft, sowie eine Aufmunterung zu<br />

weiterer Arbeit.<br />

Per Vorstand<br />

<strong>der</strong> Oesessschafi für Aommerfcke Geschichte und Altertumskunde.<br />

') Vgl. Beilage.


Beilage.<br />

Altertümer und Ausgrabungen in Pommern<br />

im Jaljre 1WN.<br />

Von Professor Dr. E. Walter.<br />

Bei <strong>der</strong> Jahresversammlung ist ein Bericht nber die Altertumskunde<br />

nnd ihre Fortschritte neben dem über die heimische Geschichtsforschung in<br />

unserer Gesellschaft stets üblich und nicht unwichtig gewesen, ja er ^vielleicht<br />

heutzutage wichtiger als je, deuu die zahlreichen lokalen Geschichtsvereine<br />

betreiben, selbst wenn sie ursprünglich in erster Vinie historischeu Zwecken<br />

dienen wollteu, jetzt auch die heimische Altertumskunde immer eifriger und<br />

bieten uns damit um so mehr Veranlassnng, in ihrer Pflege nicht nachzulassen,<br />

da uusre Gesellschaft seit ihrer Gründung dieses doppelte Ziel immer im<br />

Auge gehabt hat. Für die Vorgeschichte ist aber vor knrzem anch äußerlich<br />

dargetan, daß sie, nach dem Vorgang iu an<strong>der</strong>n Län<strong>der</strong>n des Westens nnd<br />

nachdem ihr in den archäologisch nns so nahestehenden nordischen Nachbarlän<strong>der</strong>n<br />

schon längst eigene Gesellschaften und Zeitschriften zur Verfüguug<br />

standen, anch in Deutschland selbständig zn werden wohl imstande ist. Es<br />

war mir erfreulich und wichtig, <strong>der</strong> gründenden Versammlung <strong>der</strong> „Deutschen<br />

Gesellschaft für Vorgeschichte" am 3. Iauuar 1W9 m Berlin beiwohnen<br />

zu dürfeu und den Beitritt unsrer Pommmchen ältern Gesellschaft aussprechen<br />

zu köuneu, deun wir mußten doch deu Wuusch billigen, daß alle Vereinigungen<br />

für Altertumsforschung, unbeschadet ihrer beson<strong>der</strong>n nnd örtlichen Nestrebuugcn,<br />

<strong>der</strong> neuen Gesellschaft beitreten und die Ergebnisse chrer Einzelarbeit in <strong>der</strong><br />

zu begrüudcudeu Zeitschrift zusammeufassen würden. Inzwischen ist nun<br />

als Organ <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte das erste Heft <strong>der</strong><br />

Zeitschrift „Mauuus", herausgegebcu vou G. Kossinna, erselneueu. Daß<br />

dauebeu je<strong>der</strong> Freuud <strong>der</strong> vorgeschichtlichen Forschung auch persönlich die<br />

nenen Bestrebungen unbeschadet seiner Mitgliedschaft im heimischen Vereine<br />

nnterstützen kann, beweist die Zm'ammensctznng des Vorstandes und Ausschusses<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft, in die Männer ans allen Teilen Deutschlands gewählt<br />

worden sind; wenn auch ich dem Ausschuß anhören darf, so ist das eben


Über Altertümer und Ausgrabungen in Pommern im Jahre U'08. 19^<br />

nnr <strong>der</strong> Wertlchähnng unserer Pommerschcn Gesellschaft und ihrer wichtigen<br />

Sammlung zu verdanken, <strong>der</strong>en Zuwachs ich seit einer Reihe von Iahrcu<br />

zu sichteu uud deu auswärtigeu Forschern in nnsern Jahresberichten bekannt<br />

zu gcbeu bemüht gewesen bin. Gleichzeitig hat nnn anch die Berliner<br />

Gesellschaft für Anthropologie einen Schritt getan, um aus ihren vielseitige!!<br />

Bestrebungen die Vorgeschichte ab.>ltzwcigclt ltlld selbständig zu machen, und<br />

so ist zu demselben Zeitpunkte die neue „Prähistorische Zeitschrift" von<br />

Schuch hardt, Schumacher und Seger erschienen. Es ist bekannt,<br />

wie gerade uusre Gesellschaft zu <strong>der</strong> Berliuer in lebhaften Wechselbeziehungen<br />

gestandet! hat, wie erst Virchow aus deu Stettiner Publikationen die<br />

Anregung zn seine« prähistorischen Studien empfing nnd wir dann unausgesetzt<br />

ans <strong>der</strong> Zeitschrift für Ethnologie und deu Berliucr Vcrhaudlnngcu Belehrung<br />

zogen und auch wohl uusre kleiueu Beiträge hier wie iu cl!ler zentraleu<br />

Stelle zum Gehör brachteu. So freucu wir uns, dak dic Zersplitterung<br />

dcr vorgeschichtlichen Forschung, über die mit Recht schon lange geklagt ist,<br />

<strong>der</strong> wir aber doch wohl auch diese starke« Neguugcu <strong>der</strong> 3clbständiglcit<br />

im letzte» Gruudc ^l verdauten habcu, uuu dem Zustande Platz gemacht<br />

hat, daß jetzt zwei Zeitschriften dcr vorgeschichtliche!! Forschung offtn stehen,<br />

in denen eigne Untersuchungeu uud übersichtliche Berichte zusammenfließen<br />

können, um das in deu ^okalvereineu Gewonnene jeweilig überblicken zu<br />

lassen. Hoffen wir, dah fich beide iu dieseu Bestrebuugcu glücklich ergänzen!<br />

Im abgelaufene!! Jahre aber sind wir noch anf den kleinen Kreis<br />

unsrer Forscher uud Sammler angewiesen geblieben, die doch anch wie<strong>der</strong><br />

manches neue Ergcbuis und bedeutsame Fuudstück zu dem bisherige» Bestaude<br />

hinzugefügt haben. Wie<strong>der</strong> habcu iu ihren Bezirken uusre Pfleger, Herr<br />

Vogel in Stargard, Herr Spielberg in Koslin, Herr Meier in Kolberg<br />

Sorge getragen, die ihnen zur Kenutuis gekommenen Altcrtumsfunoe zu<br />

bewahren und <strong>der</strong> Sammlung zuzuführen; aber neben ihnen sind wir auch<br />

Herrn Amtsrat Koch in Güutershagen, Herrn (Autspächter ^emcke m<br />

Nadekow, Herrn Gartuereibcfitzer Schwenker in Finkenwalde für uneigeu-<br />

nützige Zuwendungen an das Museum zu lebhaftem Dank verpflichtet.<br />

Sodann ist mit Befriedigung und Dank zu erwähnen, daß <strong>der</strong> wissenschaftliche<br />

Verein in Koslin seine kleine prähistorische Sammlung, bei <strong>der</strong>en Anlegung<br />

ich selber seinerzeit Mitwirken konnte, behnfs dauern<strong>der</strong> Sichcrstcllung dem<br />

Stettiner Museum überwiesen hat. Immerhiu waren zum Ankanf voll<br />

Altertümern doch noch erhebliche Aufwendungen zu machen, wie bei <strong>der</strong><br />

Sammlung Kuhse in Prenzlau.<br />

Die Kieinzett steht für die Forschung noch immer, wie schon seit<br />

Jahren, im Mittelpunkt des Interesses, mit ihr beschäftige!! sich zahlreiche<br />

Aufsätze iu deu Schriften <strong>der</strong> ^okalvereiue, auch ciu Blick in dic ersicu<br />

Hefte <strong>der</strong> neuen Zeitschriften bestätigt diese Tatsache. Die Frage dcr s, g.


300 Walter: Altertümer uud Ausgrabungen in Pommern im Jahre 1908.<br />

Eolithen, <strong>der</strong>en Bedeutung für unser Land seit dem 67. Jahresbericht')<br />

immer im Auge behalten ist, scheint im allgemeinen durch eiu Kompromiß<br />

beigelegt werden zu solleu, imofcrn man darunter nickt mehr bloß einseitig<br />

vorpaläolithischc Formen verstehen kamt, son<strong>der</strong>n primitive Werkzeuge von<br />

gleicher Gestalt eigentlich iu alleu Perioden anerkennen muß, die aber darum<br />

uur desto schwerer einzuglie<strong>der</strong>n sind. Für Norddeutschland speziell scheinen<br />

sich die Ansehungen <strong>der</strong> (Neologie über die Eiszeit archäologisch dahin zu<br />

vereinfachen, daß sichere ^ageruugsverhältuisse einer ältern Steinzeit etwa<br />

nur von <strong>der</strong> letzten Zwischeueiszeit bis zur ^itorinasenkung anzunehmen<br />

wären. Daß aber diese Senkung gerade die Küste uusrer Ostsee betroffen<br />

hat und darum die vor uud während dieser Zeit augclegten Sledelungen<br />

heute unter dem Meeresuiveau gefunden werden, darüber siud mit Deecke<br />

(vgl. den letzten Jahresbericht, S. 214) alle Geologen ciuig; es muß aber<br />

gegenüber den Ansichten, die auch jetzt noch daran festhalten, als ob diese<br />

Erscheillungen nur durch Sturmfluten erklärt wcroeu könnten, nochmals<br />

hervorgehoben werden. Uud selbst ohue diese Feststellung <strong>der</strong> Geologie<br />

konnte sich ein so scharf beobachten<strong>der</strong> Forscher wie Sophus Müller")<br />

die sog. „Küsteufunde" in Danemark aus <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Kücheuabfallhaufen<br />

zwischen Paläo- und Neolithikum durchaus nicht an<strong>der</strong>s erklären; auf <strong>der</strong>selben<br />

Stufe <strong>der</strong> Stembearbeinmg aber wie <strong>der</strong> submarinen Lagerung stehen<br />

unzweifelhaft unsre Pommerschen Funde wie <strong>der</strong> von Lietzow auf Iasmuud,<br />

für den Bai er') ebeufalls keine andre Deutung hatte.<br />

Mitte« in diese Untersuchungen hinein greift nuu eine Abhandlung,<br />

mit <strong>der</strong> eiu neuer Forscher für uns auf den Plan tritt. K. Drolshagen*)<br />

hat als K. Oberlaudmesser beruflich die beste Gelegeuheit gehabt, Rügen<br />

und Neuvorpommenl bis in die entlegensten Wiukel zu durchstreifen; dabei<br />

ist ihm <strong>der</strong> Reichtum des Landes au Feuersteinen aufgefallen, er hat unter<br />

ihnen bald bestimmte Formell zu unterscheiden geglaubt und nun eiue<br />

Sammlung von nicht weniger als 1500 Steingeräten zusammengebracht,<br />

und zwar im Gegensatz zu den kunstvollen Stücken unsrer Museeu nur<br />

primitive Werkzeuge, die er treffend „Handgeräte" ueuut. Ist somit <strong>der</strong> fast<br />

unerschöpfliche Reichtum unsres Vaudcs au Feuerstcimuaterial wie<strong>der</strong> einmal<br />

bekräftigt, so siud beson<strong>der</strong>s zwei Gesichtspunkte neu und beachtenswert,<br />

nämlich die Betrachtung dieser zahlreichen Stücke nach ihrer Form uud<br />

') Baltische Studien N. F. IX, 216.<br />

') Nordische Altertumskunde 1. 17.<br />

') Zur vorgeschichtlichen Altertumskunde <strong>der</strong> Insel Rügen, Verl. (heogr.<br />

Kongr. 18W, S. 66.<br />

*) Primilwe Handgeräte aus <strong>der</strong> Steinzeit Neuvorpommerns und Rügens.<br />

Mit 209 Abbildungen auf 9 Tafeln. Pommersche Jahrbücher IX, S. 17—4tt. Das<br />

in den MonlNslllättern 1!W9, 3, 44 mit voller Anerkennung, aber nur kurz erwähnte<br />

Werk verdient im Zusammenhange oben eingebende Würdigung.


Walter: Altertümer und Ausgrabungen in Pommern im Jahre 1903. 201<br />

ihren Lagerungsverhältnisscu. Zunächst ist <strong>der</strong> im praktischen Leben stehende<br />

Beobachter von selbst ohne vorgefaßte Meinung zn Ergebnissen gekommen,<br />

die er bei späterer Beschäftigung mit <strong>der</strong> einschlägigen ^iteratnr auch an<strong>der</strong>s-<br />

wo bestätigt gefunden hat: was ursprünglich einfachstes Univcrsalgerät war,<br />

hat sich allmählich je nach <strong>der</strong> Beschaffenheit des Materials, <strong>der</strong> Fertigkeit<br />

des Bearbeiters nnd <strong>der</strong> Überlieferung bei <strong>der</strong> Venutzuug zn mancherlei<br />

speziellem Gcbranch umgebildet. Auch ans dicjcm Wege hat sich also die<br />

Notwendigkeit einer typologische« Unterscheidung aufgedrängt, wenn auch<br />

manche Stucke immer atypisch geblieben siud und sich einer Einglie<strong>der</strong>ung<br />

entziehen. So werden denn aus <strong>der</strong> großen Sammluug etwa 200 Exemplare<br />

'/» <strong>der</strong> natürlichen Größe abgebildet und iu die Gruppen <strong>der</strong> Schlaggcräte,<br />

Schaber uud Bohrer mit ihren Unterabteilungen eingereiht, wie sie eben<br />

überall iu <strong>der</strong> Steinzeit festgestellt sind; die sorgfältige Beobachtnug im<br />

einzelnen hat aber auch <strong>der</strong> Entwicklung nachgespürt, <strong>der</strong> Allswahl <strong>der</strong><br />

Flintknollen, <strong>der</strong> Anpassung für die Hand durch allgemciues Zuschlagen,<br />

für die einzelnen Finger durch Äelassnng von Stutzen o<strong>der</strong> Aushöhlnug<br />

von Grcifstcllcu, endlich <strong>der</strong> Verwendung für die rechte o<strong>der</strong> lintc Hand.<br />

Zn ganz eigenartigen Ergebnissen ist Verfasser dann mit <strong>der</strong> Anfstellnng<br />

von Kolbengerateu gekommeu, bei denen <strong>der</strong> Daumeu oben anf dem breiten<br />

Nückeu ausliegt und die ganze Hand einen stärker« Druck ausübt als bei<br />

den vorher erwähnten Werkzeuge», bei welche» <strong>der</strong> Daumen links liegt nnd<br />

nur einzelne Finger mitarbeiten; neu ist auch die Gruppe <strong>der</strong> Vreitrückeu-<br />

gerate, die durch Auflegung des Zeigefingers anf den stets sehr breiten Nuckel,<br />

gelenkt werden, endlich einige mit griffartigen Ansätzen versehene Stucke,<br />

die zu dcu ausgebildete« Schaftwertzeugeu hiuuberleiteu. Nach dieseu Formen<br />

allein führt Verfasser unverkennbare Parallelen ans Taubach ^), dem Kcßlcrloch<br />

uud fremdeu Län<strong>der</strong>n bis Afrika au, ohuc moes dlc Pommcrschen Wettzcngc<br />

nur deshalb als palüolithisch o<strong>der</strong> eolithisch bezeichnen zll wollcu, da es für eine<br />

geuaue Zeitbestimmung solcher primitiven Artefakte ganz sicherer Vagcruugs-<br />

Verhältnisse bedarf. Diesen wichtigen Punkt erörtert er nun eingehend nud<br />

betout zunächst, daß es sich bei <strong>der</strong> Fülle seiner Fnndstücke durchaus nicht<br />

um Znfallsproduktc handeln tonne, lei<strong>der</strong> aber nur weuige aus zweifellos<br />

unberührten diluviateli Schichteu stammten; wohlbekannt mit <strong>der</strong> ablehnenden<br />

Haltung Deeckes inbelreff <strong>der</strong> Möglichkeit vou Fnnoen eolithischen Altcrs<br />

für Pommern, worüber im l!7. Jahresbericht gesprochen ist, hat er doch die<br />

Frage von neuem aufgeuommen und es geologisch für denkbar erklärt, das;<br />

die erste Vergletscherung zwar die tertiäre Decke <strong>der</strong> Kreide in Pommern<br />

') Von dieser übrigens in ihren Lagerungsverhältnissen besser dalierbaren<br />

Fundstelle ist die jüngste Publikation in mancher Hinsicht dem obigen Aufsah znr<br />

Seite zu stellen, denn Eichhorn hat l„Dle paläolulMen Funde von Taubach",<br />

Jena 1909) auch nur die Fundstücke abgebildet, sie aber im ganzen als Univerwlinstrumente<br />

angesehen und nur allgemein von Spitzen, Scheiben, Klingm gesprochen.


'?s)A Walter: Altertümer und Ansgrablmaen in Pommern im Jahre 1908.<br />

abhobelte und die obern Schichten in den Moränen bis Eberswalde hin<br />

absetzte, daß aber <strong>der</strong> nach ^teinmaterial suchende Mensch hier genug finden,<br />

ebenso die dünne Decke über <strong>der</strong> obersenonischcn Kreide an den Rän<strong>der</strong>n<br />

leicht durchbrochen werden tonnte. Feuerstein wäre also doch vor dem<br />

Postglazial schon zngänglich gewesen, die Vagernug etwaiger Knltnrreste ans<br />

<strong>der</strong> Zwischenciszeit aber dnrch die letzte Veremmg wie<strong>der</strong> vermengt: dann<br />

körinte aber auch trotz des Mallgels einer primäreu ^agcruug manchen<br />

Fuudstücken ein höheres Alter znge»prochen werden. Droishagen möchte<br />

darnm die Skepsis gegenüber den angeblich diluvialen Funden in Nord-<br />

dcutschlaud nicht zn weit treiben nnd ist geneigt, den voll Iaekel in <strong>der</strong><br />

Prignih und Krause bei Eberswaldc gefnudeucn Werkzcngen dilnvialen<br />

Charakter und Herkunst aus <strong>der</strong> Rngenschen Kreide zuzuschreiben, ferner in<br />

Pommern selbst die Funde von Friedet uud Hahue auf Rügen sowie<br />

die von Zenter bei Franendorf ebenso anznsehen, schließlich fügt er aus<br />

seiner Sammlung drei ähnliche Stücke von v^obbe auf Rügen, Camitz,<br />

Kr. Franzburg, und Gerdcswalde, Kr. Grimmen, hinzn; bei letzterem glanbt<br />

er, daß die Aearbeitungsspurcn unter dem Gletscherschliff liegen, also eine<br />

Verfertignng in <strong>der</strong> Zwischeneiszeit wahrscheinlich wäre.<br />

Bei <strong>der</strong> Lagerung ist aber auch noch auf einen, wie mir scheint, ganz<br />

nellen Gesichtspunkt hingewiesen. Bekanntlich besitzt Pommern nicht wenig<br />

s. g. Feuersteittschlagstätten meist auf <strong>der</strong> Oberfläche sandiger Hügel, die<br />

deshalb höchstens für neolitln'sch, manchmal sogar für wendisch erklärt sind.<br />

Nlln wäre aber dnrch C'lilwirtllng <strong>der</strong> Athmosphärilien wohl möglich, daß<br />

wesentlich liefere Vagernngen im ^anfe <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>te bloßgelegt wären,<br />

malt brauche die Vcrwehnng nur auf 1 cm im Jahre. 1 m im Iahrhnn<strong>der</strong>t<br />

n. s. f. anzunehmen. Als deutliches Kennzeichen älterer Lagerung sei dann<br />

noch immer die leichte Schrammung uud weiche Kantenrnndnng erkennbar,<br />

eine Geschiebepatilla, die von einer älteren transglazialen Epoche herrühre<br />

nnd sich voll <strong>der</strong> bloßen Lagernngspatina dentlich unterscheide. Ich möchte<br />

dazu ein schlagendes Beispiel aus weiter Ferne anführen. Die Gebrü<strong>der</strong><br />

Sara sin fanden auf Ceylon in tiefern Schichten alter Siedelnngen eine<br />

paläolithische Kultur, die sie etwa dem europäischen ^lußdnk'uisn gleichsetzten<br />

und als besondre lac^« >v^8 wfliäaick in <strong>der</strong> Literatur als anerkannter Tatsache, z. ^.<br />

(l j lll'ilida-I^ttA^ eri, ^.Ui liellü. Loc. I^om. lii ^ntlozul. 1908, ^, S. 5 und<br />

Hoernes, Natur- nnd Urgeschichte dcs Menschen 1909, l, 513.


Walter: Altertümer und Ausgrabungen in Pommern im Jahre I9tt. >>s)3<br />

demselben Nccht dürsten doch wohl anch in Pommern manche Fundstellen<br />

in höheres Alter hin aufgerückt werden tonnen, „wimmelt doch die Mcitnlmc<br />

mancher Gebenden nicht nnr von Feuerstcintnollcu llnd splittern, iondcrn<br />

auch von regelrecht bearbeiteten und zugerichteten Slciugeriucn <strong>der</strong> rohsten<br />

und einfachsten Formen." Eo hat mir Herr Ncfcrcndar Zimmer bei<br />

Wnssow und Ncubuchholz auf den, Holieu.^ugc uördlich von Ztetlin zwei<br />

ungemein ergiebige Fundstellen aus saudvcrwchtcu Hügeln mit ö'.» und<br />

Ilo m ^)lecrcshöhe nachgewiesen.<br />

Von Interesse dürften bei dieser Untersuchung anch einige Zahlen-<br />

angaben sein. Daß aus <strong>der</strong> großen Sammlnng von l '/2 Tausenden<br />

immerhin '^Ol) Stücke durch Abbildungen bekannt gegeben sind, ist erfreulich;<br />

diese verteilen sich nun auf 31 Ortlichkciten, nnd so wäre es von Willitigtcit,<br />

wenn anch die Zahl <strong>der</strong> Fundstellen sämtlicher Stücke ermittelt werden könnte.<br />

Unter den vorliegenden behauptet Nugeu entschieden den Borrang, die<br />

Hänfigkeit <strong>der</strong> Funde uimmt auf dem Fcstlaude in den Kreisen <strong>Greifswald</strong>,<br />

Franzbnrg und Grimmen melkbar ab, einzelne Stücke stammen anch aus<br />

den Kreisen Auklam und Demmin südlich <strong>der</strong> Peene. Feuersteinerport aus<br />

Rügen erklärt also wohl anch dies Zahleuverhältnis. Nun bezifferte Beicr')<br />

1880 die Fliutaltertümer des Stralsuu<strong>der</strong> Museums auf 17 000 Stuck,<br />

von denen er "/ls allein auf Nügeu mit seinen l7 lD-^iclleu rechnete, und<br />

bis 1904 waren noch etwa böOO hinzngekommen, ebenfalls größteutcils au?<br />

Nügen; es ist also schon ans diesen Zahlen <strong>der</strong> Reichtum :)lugeus an<br />

Material und Verarbeitung ersichtlich, nnd da nach dem Zeugnis <strong>der</strong><br />

Geologen') in Vorpommern selbst nur au welligen Stellen wie bei Qnwin<br />

und Altenhagen Rohmaterial reichlicher vorhanden lst, Feuersteimverkzeuge<br />

aber überall gefuudcu werdcu, so muß schon iu sehr frühen Zcitcu eine<br />

Eiufuhr iu reill sandige Gebiete Pommerns von Nügen ans stattgefnudcn<br />

haben, und es wird in Zukunft eme Vehandluug <strong>der</strong> steinzeitlichen Htultur-<br />

strömlmgen Norodcutschlauds noch mehr mit dieser wichtigeu Tatsache rechneu<br />

müssen, als es bisher geschehen ist^).<br />

Werkzeuge aus Kuocheu und Hirschhorn hat man schon längst mit<br />

Steinanefakteu vereint gefuudeu, doch ist auch hier <strong>der</strong> Ein^elfulld zeitlich<br />

schwer zu bestimmen. Neuerdings hat man nun für Frankreich den Anfang ocr<br />

>) Beier, die vorgesch. Altert, des Prov. Mu>. für Neuuorp. und Ruften,<br />

18N0, S. 4. Porgesch. Gräber auf Ni'Mu, Un,t, S. :jl.<br />

') Deecte. Pommelsche Jahrbücher VIl, 177; genauer in <strong>der</strong> Geol^ie v0u<br />

Pommern, ^. 106 ss.<br />

') Klaatsch spricht in „Weltall und Menschheit", II, 310 von den reichen<br />

Schätzen Rügens. Huerues a..,. ^. N, 5l)tt belout in dieser 2. Auslage cbrnflüis<br />

Rügen mehr als fiüher, gestützt auf die Pemerkuugen von Virchow uud Baier.


Walter: Altertümer und Ausgrabunaen in Pommern im Jahre 1903.<br />

Knochenbearbeitung bis in das Uouztei-ien hinanfschieben wollen^), in<br />

Deutschland hat man Geräte aus demsclbeu Material im sicher charakterisierten<br />

Aurignacien und Campignien angetroffen, erstere mehr südlich in Höhlen,<br />

letztere nördlicher an vermoorten Süsiwasserbccken, z. V. bei Kalbe in <strong>der</strong><br />

Altmark *). Auch Pommern hat ähnliche Stücke aufzuweisen, die ich als<br />

Einzelfunde zu datieren Bedenken trage, doch im Zusammenhange mit <strong>der</strong><br />

nun in den Vor<strong>der</strong>grund getretenen Frage in cincin nencu Richte zu seheu<br />

glaube. Auf <strong>der</strong> Bcrliuer prähistorischen Ausstellung INtts^) waren ans<br />

Pommern nur wenige Stücke, auch damals schon in Verbindung mit stein-<br />

zeitlichen Fnnden, aufgeführt als einzeln .'5—


Walter: Altertümer und Aosgrabnnnen in Pommern in, Jahre l?«. 2^<br />

will ich hier nnr <strong>der</strong> Vollständigkeit halber die Beulerknng, daß eine Pfeil:<br />

spitze ans Hirschhorn ucbcn einer ^cncrsiclnspeerwilze anch in einem Stein,<br />

kistengrabe mit Hockersfelctt bei Barnimslow. Kr. Randow, gcfllnden ist').<br />

Die drei Hirschhornhämmcr, die tnrzllch mit <strong>der</strong> Hiöc-lmer Sammluug in<br />

das Stettiner Mnsenm gelangt sind"», sind lei<strong>der</strong> nach ihren Fuudumsländcn<br />

zu wenig bestimmbar; nnr das eine Exemplar wird ausdrucklich als im Lee-<br />

sandc des Oslscestrandcs bei ^aase, Kr. Köolin, gefunden bezeichnet, nnd<br />

da anch ein andres Stück dieselbe Oberfläche zeigt, dursten beide vom See.<br />

sande geglättet sein. Ob aber an Küslenfunde zu denken wäre, muß dahin-<br />

gestellt bleiben, wie anch Aeltz^) in <strong>der</strong> Znweisnng solcher einzeln allf'<br />

tretenden Stücke in Mecklenbnrg die Entscheidung offen läßt.<br />

Von einer an<strong>der</strong>en illbmarillen Beobachtung hat Haas*) mehrfach<br />

Nachricht gegeben, die <strong>der</strong> Berichterstatter nicht übergehen darf, trotzdem sic<br />

angezweifelt ist, wie die in den lekten Jahresberichten erörterte Meinnng<br />

Deectes über Pineta lebhaften Wi<strong>der</strong>spruch gefnnden hat, n. a. von<br />

Lehmann"), <strong>der</strong> aber inlmerlnn das wichtige Zugeständnis macht, daß<br />

sich anf <strong>der</strong> alten Vinetakämpc möglicherweise einmal Oolmcngräber befnndeu<br />

l haben können. Weiter wird nach Wegichaffnng <strong>der</strong> fraglichen Steine dort<br />

^ überhaupt nichts zn erreichell sein, während die von so erprobten Forschern<br />

'wie Haas und Worm nun behauptete Existenz eines submarinen Hünen-<br />

grabes in <strong>der</strong> Hagenschen Wiet bei Nügen durch nochmalige Untersuchung<br />

festzustellen wäre. Es soll nämlich in 3—4 m Wasscrtiefe nur l^l) m<br />

vom Ufer entfernt ein Steinkistengrab mit Deckstein und 3teiukreis vorliauden<br />

sein, das in <strong>der</strong> Form große Ahulichlcit mit zwei auf <strong>der</strong> beuachbarlen<br />

Küste von Möuchgut noch bekannten Hünengräbern zeige. In <strong>der</strong> Nähe<br />

ist ein durchbohrter Steinhammer aus 4 m Wassertiefc aufgefischt, in dem<br />

noch ein Nest des Holzstieles gesteckt hat. Em Vcil ans granem Gestein<br />

mit Durchbohrung bcfaud sich auch in <strong>der</strong> Köslincr Sammlung uud wird<br />

als in <strong>der</strong> Umgegend gefnnden bezeichnet (Inv.-Nr. ')!>


^l>


Walter: Altertümer und Ausar,ü'lmftr,i ,n Pommern in, I.,lne !!«'».<br />

Formen <strong>der</strong> Gefäße und geringen Bron^oeigaben gehört alles nll^<br />

<strong>der</strong> späteren Bronzezeit nnd dcr Periode <strong>der</strong> Nnlcufriedlwfe nut Gcfaßcu<br />

vom Vansitzer Tnpus au. Dan <strong>der</strong> Nester Herr von Pnttkamer die<br />

Gefäße uns seinem Leichenstcin ausmeißeln ließ, durfte zwar son<strong>der</strong>bar<br />

ericheinen, bezengt aber doch die Wichtigkeit, die er schon damals eincm<br />

solchen Fnnde beilegte; noch dankenswerter ist es indeß, daß sie noch hellte<br />

ans Schloß Pansin in einer Nische hinter einer eingemauerten Glasscheibe<br />

aufbewahrt werden.<br />

Die andre Sammlnng hatte <strong>der</strong> Wissenschaftliche Verein in Koslin ')<br />

angelegt nnd zu einer gewissen Bedcutuug gebracht. Vebhaft ist es mir<br />

noch in Erinnernng, wie <strong>der</strong> damals frisch angefachte Eifer für prähistorische<br />

Untersllchllngen anch mich ergriff, als ich 1«7? als jünger Lehrer an das<br />

Kösliner Gymnasium verseht wnrde nnd jenem Verein beitrat. Bei zahl-<br />

reichen Ausflügen in die Umgegend wurde nach Urnen gesucht, nnd bald<br />

hatte sich die Meinung gebildet, daß solche donznlande fast nnr in unter-<br />

irdischen Steinkisten zu finden seien, sodaß sich überall ein eifriges Sondieren<br />

anhnb. Beson<strong>der</strong>s eingehend bejuchten nnd untersuchten wir die schwarzen<br />

Verge bei Konikow, wo <strong>der</strong> Bauerhofsbcsifter Thoms regelmäßige Reihen<br />

von Steinkisten nachwies nnd bei ihrer Ausränmuug mitwirkte; man hielt<br />

von Anfang an anf Fundberichte und sorgte für Aufbewahruug <strong>der</strong> Gefäße<br />

nnd Beigaben, war aber lei<strong>der</strong> in sachgemäßer Behandlung <strong>der</strong> Urnen zu<br />

wenig erfahren, sodaß <strong>der</strong> größte Teil verloren ging. Immerhin lst. als<br />

nach dem Tode <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s eifrigen Herren Hlldcl.»randt, Hauucke,<br />

Bcversdorff nnd Doms das Interesse erlahmte nnd die Sammlung verfiel,<br />

eiu zutrcffeudes Vild auch aus dem Nest uoch zu gewinnen, ocr uuu dllrch<br />

die dankenswerten Bemühungen des Herin Spiellx-rg in das Stettincr<br />

Mnscnm gelangt ist. Ein Blick anf die etwa zwei Duyend Gefäße beweist,<br />

daß wir im Formcntreise <strong>der</strong> Mützcnnrnen sind; die größeren mit dem<br />

^eichenbrand gefüllten zeigen wenig abweichende bauchige Formeu, siud uuteu<br />

vielfach gerauht und nnr selten mit einem leichten 'Ornament am Halse uud<br />

mit henkeln versehen, als kleinere Bclgefäße treten Schalen nnd Henkcltöpfchen<br />

hinzn. Charakteristisch sind die stachen o<strong>der</strong> müvcnartigen Deckel; erstere<br />

sind mitunter von an<strong>der</strong>er Masse als das Gefäß und schließen schlecht,<br />

letztere haben übergreifeuden, geradezu eiue Hutkrempe zeigeudeu )ltaud,<br />

passen ftöpselarlig iu den Hals und hatten oft dell Inhalt frei voll ein-<br />

dringen<strong>der</strong> Erde erhalten. Gerade diese Deckel sind meist reich ornamentiert,<br />

wie besoudcrs an dem Stück zn sehen lst, das mir für meine Mithü.fe<br />

') Swlienrauch in den Mon.'Vlätt. 1909, S. 97 nut 4 Tafeln. Tie durchaus<br />

zutreffende Dm'stellmlg glaubte ich doch durch cimge persönliche Eiiunerttnaen erssänzm<br />

zu dürfen.


2O>5 Walter: Altertümer und Attsarabunaen in Pommern im Jahre 1908.<br />

überlassen winde bei <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Kösliner Zeitnng vom 7. September 1877<br />

von nns beschriebenen Ausgrabung'). Ich habe es sorgsam in meiner<br />

kleinen Sammlnng gehütet: Der Deckel hat 155 cm Dnrchmesser, zeigt<br />

auf <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> Wölbnng eine Grude mit eingestochener Krcisvcrzierung,<br />

darum einen Kreis radialer Kerben und einen größern Kreis tief eingestochener<br />

Punkte, von dem nach den vier Seiten landwärts Filchgrittenmnster verlaufen,<br />

und nm den krempellartigen Nand folgen dann noch vier Neihen abwechselnd<br />

schräg gestellter Kerben, eine im ganzen reiche nnd geschmackvolle Verzierung.<br />

Beim Abbruch zeigt sich deutlich, daß das <strong>der</strong>b gearbeitete Stück über<br />

gröberen schwarzen Ton im Innern eine Schicht feinern rötlich-gelben Auftrags<br />

erhalten hat, die sorgsam geglättet ist. Die Stemkisten selbst lagen bis zn<br />

2 Fuß uuter <strong>der</strong> Oberfläche, waren regelmäßig in Reihen verlanfend nnd<br />

sorgfältig geballt; die Beigaben bestaudeu nur aus Eiseu- und Bronzereste»,<br />

die im Lcichenbrand gelitten hatten, darunter Nadeln, Ohr- nnd Finger-<br />

ringe, außerdem Spinnwirtcl. Am Fuße des Hügels wurde auch eine<br />

Feuerstätte mit Kohleuschicht auf Steineu beobachtet; über andre Funde in<br />

<strong>der</strong> Nähe, Urnen im losen Erdreich, Skelette und Feuersteinsplitter ist nichts<br />

mehr zu ermitteln'). Demselben Formenkreise gehören die (Gefäße vom<br />

(Hollenberge, Maskow und Mersin an, während Ino.-Nr. 6M2 mit seiner<br />

kugelförmigen Gestalt und 4 Henkeln (Damerow bei Schlawe) abweicht<br />

nnd das kleine Brnchstück Inv.-Nr. 5992 von Alt-Velz seiner reichen<br />

Ornamentiernng nach einem an<strong>der</strong>n Fnnde angehört haben muß.<br />

Hier möchte ich sogleich anfügeil, was an Bcigabeu aus formoerwandten<br />

lind gleichzeitigen Gesichtsurncn hinzugekommen lst. Von Klcin-Pomciste,<br />

Kr. Bütow, erhielten wir einen <strong>der</strong> bekannten Ohrringe, bestehend ans<br />

einem Bronzedrahtringe mit drei blauen Glasperlen, Inv.-Nr. 59


Walter: Altertümer und Ausgrabungen in Pommern im Jahre 1908. L09<br />

Nadel mit dreifachem Kopfchen. Da sie abgebildet und genau beschrieben<br />

ist, erübrigt noch ein Hinweis darauf, das; unlängst das Mitglied unsrer<br />

Gesellschaft, Herr Dr. Stephani, mit dem ich die Frage mehrfach besprechen<br />

durfte, alle bekannten Hansnrncn eingehend besprochen nnd abgebildet hat');<br />

von den Ergebnissen seiner Untersuchungen können wir ohne weiteres die<br />

Sätze auf uusere pommcrsche Hausnrnc anwenden, dal; anch sie <strong>der</strong> jimgern<br />

Bronzezeit angehört und das gleichzeitige Wohngelas; darstellt, in dem die<br />

Asche des Verstorbenen beigesetzt ist. Das wird sur die Kultur <strong>der</strong> Gesichts-<br />

urueu sofort glaubhaft, weun wir bedenken, daß mall ani ihnen nicht nur<br />

den Beigesetzten selbst plastisch darznstellen, sciueu Schmuck am Ohr und<br />

Hals anzubringen, son<strong>der</strong>n anch Waffen nnd Szenen aus seinem Leben<br />

einzuritzeu pflegte, wie es Couweutz ciumal lMsch ausgcnlhrt hat*): llnn<br />

hat man eben anch den Bersnch gemacht, sein Haus nachzubilden, freilich<br />

bisher ohne Beispiel, aber darum nicht aus dem Gedaukeukreise und<br />

<strong>der</strong> Kunstübung jener Zeit herausfallend. Es bleibt nur die eiue<br />

Schwierigkeit, wie die bisher noch an keiner Hausnrne zu findende»<br />

Füße zn erklären sind. Mit Necht scheint mir <strong>der</strong> sich zunächst anf-<br />

drängende Gedanke an einen Pfahlbau vom Herallsgeber abgewieselt zu<br />

seilt; bei weiterer Umschau habe ich sogar eine ganze Neihe vou Bei-<br />

spielen andrer Bauten gefunden, die auf kurzen Psähleu ruhen.<br />

Es sind nur kleinere Gebäude und Holzbantcn, aber anch nnsere Hausurne<br />

scheint doch einen leichten Fachwcrkbau vorstellen zu solleu. So kommen<br />

in Norwegen nicht selten Häuscr auf osfeucr Steinnuterlage vor, o<strong>der</strong> auch<br />

auf Pfählen uud Stäben, wonach solche Banteu „Pfahlhümer" o<strong>der</strong> „Stäbe-<br />

baller" heißen. Die Pfähle sowie die nicht bis zur Tnrschwelle empor-<br />

reichende Treppe haben den Zweck, Mänse und Natten am Hinaufkommen<br />

zu verhin<strong>der</strong>n'). Heutzutage entsprechen diese verhaltnismäsüg kleinen Hänser<br />

mit fensterlosem Einranm nicht mehr dem Naumbedi'nfnis uud werden als<br />

Gllsträume o<strong>der</strong> Speicher bcuutzt^); von Wichtigkeit ist aber, daß nach all-<br />

gemeiner Annahme bei solchen Banten eine uralte Hausform vorliegt, auf<br />

die schou in deu Sagas uud Veden angespielt wird^). Köllnen wir somit<br />

diese Bauform zeitlich weit zurück verfolgen, so ist sie an<strong>der</strong>erseits auch<br />

ethuographisch interessant; sie läßt sich nämlich nicht nur bei den Nord-<br />

') Der älteste deutsche Wohnbau, Leipzig !902, I, S. 5-59.<br />

2) Bildliche Darstellungen a. westpreuß. Gräberurnen. Schriften <strong>der</strong> Naturf.<br />

Ges. in Danzig 1894, Vili, 191.<br />

') Henning, Das deutsche Haus, Etraßburg 1882, S. s,8 mit Fig. 40.<br />

^ Stephaui, a. a. O., S. 346, wo dieselben Häuser reproduziert sind<br />

in Fig. 133.<br />

') Rhamm, Urzeitliche Bauernhöfe, 1908, I, S. 725 ff. und Fig. 89, 91 bis<br />

93; Henning, C. 170.<br />

paltlsche Etulnen ». F. Xlll. ^ ^


211) Walter: Altertümer und Ausgrabungen in Pommer», im Jahre 1908.<br />

germane«, son<strong>der</strong>n auch in Holland. Süddeutschland (Henning, Fig. 64<br />

aus dem Schwarzwald), dem Alpengebiet'), auf slavischem') und finnischem<br />

Boden nachweisen, sodasi Henning sie Germanen, Kelten und Sudslaven<br />

gleichmäßig zuspricht. Und wenn sich weiter ergiebt, daß vielerorts das<br />

Untermauern erst in historischer Zeit Sitte geworden ist, Beispiele <strong>der</strong> alten<br />

Bauweise auch nur in abgelegenen Gegenden und bei Bevölkerungen noch<br />

vorkommen, die Neuerungen weniger zugänglich sind, so läßt sich N ha mms<br />

Ergebnis (S. 729) recht wohl zum bessern Verständnis auch <strong>der</strong> prä-<br />

historischen Verhältnisse verwenden: Viag man nun auf einen gemeinsamen<br />

Ursprung o<strong>der</strong> auf gleiche sluschalluug voll Zweckmäßigkeiten schließen, jeden-<br />

falls ist an eine neuere Entstehung nicht zu deuteu. So viel zur Würdigung<br />

dieser Hausurne, die deu bisherigen Gruppen <strong>der</strong> Grubenhütten-, Zelt-,<br />

Jurten- und eigentlichen Hausurneu eiue gauz neue Art <strong>der</strong> Pfahlhittten-<br />

urnen hinzufügt. Vielleicht köunte man ein plastisches Zwischenglied in dem<br />

Gefäß sehen, das in Wcstpreutzen, dem klassischen Lande <strong>der</strong> Gesichtsurnen,<br />

bei Klein-Czyste^) gefunden ist, eine bauchige Urne ohue Bcrzieruugeu, aber<br />

mit 4 kurzeu, runden Füßen: Füße ähnlicher Art hat anch <strong>der</strong> Urnen-<br />

untersatz von Klefchkau (Tafel 59, Fig. 4), wie denn in <strong>der</strong> Hallstattzeit<br />

die Vorliebe für plastische Nachbildungen stark entwickelt war, z. B. auch<br />

in Schlesien^). Von jener vierfüßigeu Urne bis zur Nachbildung ciuer<br />

Pfahlhütte war dann nur ein Schritt, aber freilich mußten solche Hütten<br />

damals auch wirklich vorhanden sein!<br />

Wenden wir uns nun <strong>der</strong> eigentlichen Bronzezeit zu, so ist zunächst<br />

mancherlei von Gräberfel<strong>der</strong>n eingegangen. In Nadekow, Kreis Randow,<br />

ist ein solches iu scheiubar weuig sachkundiger Weise ausgehoben, sodaß man<br />

nur die Bronzeansbente einsandte: Halsberge, Dolch, Nadeln mit ovalem<br />

und kugeligem Kopf, Fragmente (Inv.-Nr. 5961). Ans diesen Nesten er-<br />

giebt sich nur so viel, daß es sich um eiue an<strong>der</strong>e Fundstelle handeln mnß<br />

als das spätere und ergiebigere Gräberfeld bei demselben Dorfe, das<br />

Schumauu früher beschrieben hat^). Bei Tauenzieu ist man auf ein<br />

an<strong>der</strong>es gestoßen, von dem aber nur eiue henkellose Urue, am untern Teile<br />

gerauht, gerettet ist, in <strong>der</strong> eine Vronzenadel mit Kopf lag (Inv.-Nr. 6099).<br />

') Ban cal ari, Die Hausforschung in den Ostalften, Zeitschr. drs Alpenvereins,<br />

1893, 165 zählt sudslavi'che Getreidespeicher auf und bildet Taf. IV, ssig. 68<br />

ein Beispiel ab. Nhamm kennt ähnliches aus dem ^7d- und Plisseiertale, S. 72U.<br />

'j Rhamm im Globus, Band 77, 304, Fig. 8.<br />

2) Conwentz, Das Westpr. Prov.-Mus. 1580-1905, Taf. «4, Fig. 2.<br />

*) Seger, Figürliche Twrstcllunssen auf schles. Grabgef. <strong>der</strong> Hallstattzeit.<br />

Globus, Bd. 72, Nr. 10.<br />

') Balt. Stud. 39, 192.


Walter: Altertümer und Ausa.iablma.en in Polmuern im Ilikre 190«. 211<br />

Als Einzelfunde sind zunächst zwei Vvouzeschwerter anzuführen. Das<br />

eine besitzt eine ^änge von 75, cin und hat eillen flachen Griff <strong>der</strong> ältern<br />

Art mit Nietlöchcrn, <strong>der</strong> lArisskelag fchlt, wie fast regelmäßig; es wurde<br />

in Morgow bei Cammin gelegcllllich bei Erdarbeiten gcfnnden (Inv.


NL Walter: Altertümer nlld Ausgrabungen in Pommern im Jahre 1908.<br />

unter Nr. 6013 auf Tafel I <strong>der</strong> allerdings nnr dürftige Rest eines fein<br />

gearbeiteten Bronzegefäßes mit eckigen Henkelösen am obern Rande, wie sie<br />

das Gefäß vom Kndencr See in Schleswig-Holstein ^eigt^); <strong>der</strong> Bauch<br />

ist dnrch regelmäßige Meisielschläge gemustert. Bei dem Fehlen je<strong>der</strong> näheren<br />

Angabe lästt sich nnr vermutungsweise eine Ansetznng in diese Zeit aus-<br />

sprechen, die neuerdiugs durch so ausgezeichnete Silber- und Ärouzegcfäße<br />

im Stelettgrabe von Vubsow, Kreis Greifeubcrg, vertreten ist. letztere sind<br />

in Bild llnd Bortrag vorgeführt') und werden von bernfener Seite archä-<br />

ologisch nntersucht werden.<br />

^?ie Wendenzeit endlich hat im lebten Jahre nnsre Kenntnis von<br />

Aurgwälleu o<strong>der</strong> l^räbcrfcl<strong>der</strong>u nicht erweitert, selbst die sonst kaum fehlen-<br />

den Scherben smd ausgeblieben, llnd doch sind sie noch immer bei jedem<br />

Wange m <strong>der</strong> Umgegend leicht in Menge zu finden, z. A. in <strong>der</strong> Nähe<br />

von Äinow, Kreis Greifenhagen, nnd bei dem Bnrgwall am Fanlen Griep<br />

daselbst. Dort habe ich sic selbst wie<strong>der</strong> festgestellt, aber an einer an<strong>der</strong>n<br />

nähern Stelle vielleicht die letzten gesammelt, denn <strong>der</strong> am Wege nach<br />

Wnssow hinter <strong>der</strong> Eckcrberger Anstalt liegende Vnrgwall ist schon bis auf<br />

die letzten Knlturschichten am Nest seiner Wallkrone emer Sandgrnbe zum<br />

Opfer gefallen. Schließlich verdienen die acht Goldriugc vou Peeucmi'mde<br />

Beachtnng, welche die Stadt Wolgast in unserm Museum deponiert hal^).<br />

Sie sind am Strande <strong>der</strong> Ostsee gefunden uud als Zeugen <strong>der</strong> Wikinger-<br />

zeit anzusehen. Vier sind glatt, die an<strong>der</strong>n ans gewnndencm Golddraht<br />

nut Filigran hergestellt, nnr einer mit Kugelverschlust ver'eheu, die an<strong>der</strong>n<br />

mit rauteuförmigem Mittclstück ge'chlosscu. Die Teänlik eutsmicht durchaus<br />

schwediicheu Goldlillgen dieser Zeit"), die bei uus au den Küsten von Nügen,<br />

lliedonl nnd Wollin die letzten vorgeschichtlichen Spnren znrückgclassen hat.<br />

l) Mestorf, Vorgc'ch. Altert, v. Schleswig-Holstein, Taf. XI.I, Nr. 479.<br />

') Mou. Hlält. i'»o>', 26.<br />

^' Stuben rauch, Mon. Vliitt. 1909, 17 mit 8 Abbild.<br />

8u^äoi368, Nr. iil)l, 60^, 621.


Jahresbericht<br />

über die<br />

<strong>der</strong> Kommission zur Erforschung und Erhaltung<br />

<strong>der</strong> Denkmaler in Pommern<br />

für die Zeit<br />

vom 1. Oktober l90» bis Ende September lW9.<br />

l. Zusammensetzung <strong>der</strong><br />

Der Provinzial-Ansschnß wählte in seiner Sitznng vom 17. Febrnar<br />

1909 die Mitglie<strong>der</strong> und Stellvertreter, <strong>der</strong>en Wahlperiode Ende Inni UXW<br />

ablief, in gleicher Eigenschaft wie<strong>der</strong> ans die Zeit vom l. Inli 1^09 bis<br />

Ende Inni !9l5.<br />

Der Kommission gehören somit am Schlüsse des Berichtsjahres an<br />

als Mitglie<strong>der</strong>:<br />

l. Der Kaiserliche Wirkliche Geheime Nat nno ^berpräsident von<br />

Pommern 1),-. Freiherr von Mal tzahn-Gültz in Stettin,<br />

^. <strong>der</strong> ^andesdirclwr a. D. s)r. Freiherr von <strong>der</strong> Goltz in<br />

Kreihig, Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kommission,<br />

N. <strong>der</strong> Landeshauptmann <strong>der</strong> Provinz Pommern von Eisenhavt-<br />

Nothe in Btettili, Stellvertreter des Borsitzenden,<br />

4. <strong>der</strong> Oberbürgermeister Dr. Ackermann in Stettin,<br />

5. <strong>der</strong> Rittergutsbesitzer Kolde in Nlesewitz,<br />

6. <strong>der</strong> Pastor Psaff in ^elchow,<br />

7. <strong>der</strong> Kammerherr Graf von Zitzewih in Zezenow;<br />

ferner als Stellvertreter:<br />

1. <strong>der</strong> Superintendent Gercke in Gingst,<br />

3. <strong>der</strong> Rittergutsbesitzer von Kameke in Kratzig,<br />

3. <strong>der</strong> Erste Bürgermeister Kolbe in Stargard,<br />

4. <strong>der</strong> Geheime Instizrat Dl-. Langem ak in Stralsnnd,<br />

5). <strong>der</strong> Erste Bürgermeister Sachse in Köslin,<br />

Provinzial-jionservlltor war <strong>der</strong> Geheime Neqicrnnqsrat Professor<br />

Or. Lemcke in Stettin.


- II -<br />

II. Sitzung <strong>der</strong> Kommission.<br />

Die Sitzung <strong>der</strong> Kommission fand statt am 15. Dezember 190«<br />

unter dein Vorsitze des Landeshauptmanns von Eiscnhart-Mothe.<br />

Anwesend waven außerdem <strong>der</strong> Königliche Oberpräsident Freiherr von<br />

Maltzahn - G nlv, Oberbürgermeister Ackermann, Superintendent<br />

Gercke, Nittergntsbesitzer Kolde, Pastor Pfaff nnd <strong>der</strong> Provinzial-<br />

Konservator.<br />

Nachdem <strong>der</strong> Vorsitzende das in die Kommission nen eingetretene<br />

Mitglied Oberbürgermeister Ackermann begrüßt hatte, berichtete <strong>der</strong> Provinzial-<br />

Konservator über die znr Kellntnisnahnle ausgelegten Schriften, die von<br />

den Kommissionen an<strong>der</strong>er Provinzen und Negieruugsbeznte seit <strong>der</strong> letzten<br />

Sitzung eingegangen waren:<br />

1. aus Schleswig-Holstein des Thaulow-Mmeums, des Landesbibliothckars,<br />

<strong>der</strong> Proviuzial-Komnnssion zur För<strong>der</strong>ung wissenschaftlicher,<br />

künstlerischer und kunstgewerblicher Bestrebungen nnd des<br />

Provinzial-Konservators für 190l>;<br />

2. aus <strong>der</strong> Nheinprovinz <strong>der</strong> Prouiuzial-Kommission für die<br />

Denkmalpflege und <strong>der</strong> Proviuzialmusccu in Bonu nnd 3rier<br />

für 1907;<br />

3. aus dem Regierungsbezirke Wiesbaden <strong>der</strong> Vezirkskommission<br />

zur Erhaltung uud Erforschung <strong>der</strong> Denkmäler für 1907;<br />

4. aus Ostpreusteu des Provinzial-Konscrvators über seine Tätigkeit<br />

währeud <strong>der</strong> Zeit vom I. Dezember 1906 bis 31. Dezember 1907<br />

sowie die Nie<strong>der</strong>schrift über die Sitzung <strong>der</strong> Kommission am<br />

25). Februar 1908;<br />

5. aus Posen des Provinzial-Kouservators über seine Tätigkeit vom<br />

1. April 1905 bis 31. März 1907;<br />

6. aus Hannover des Provinzial-Konscrvators über seine Tätigkeit<br />

iu den Iahreu 1900/07 und 1907/0^;<br />

7. aus <strong>der</strong> Provinz Westfaleu die Festschrift zur Eröffnung des<br />

^andeslnnsennls zn Münster am 17. März 1908.<br />

Ferner lag znr Einsicht ans das 7. und tt. Heft <strong>der</strong> Kunstdenkmäler<br />

<strong>der</strong> Proviuz Hau« over, emhaltend die Stadt Osnabrück.<br />

Hierauf erstattete <strong>der</strong> Provinzial-Konservator Bericht über den von<br />

ihm vorgelegten Entwurf des XIV. Jahresberichts betreffend die Tätigkeit<br />

<strong>der</strong> Kommission in <strong>der</strong> Zeil vom 1. Ottober 1907 bis 30. September 19«)«.<br />

Sodann brachte er ein von dem Magistrate <strong>der</strong> Stadt Stolp an ihn<br />

gerichtetes Schreibell betreffend den Abbruch <strong>der</strong> Stadtmauer daselbst und<br />

die darauf bezügliche Stelle des XIII. Jahresberichts, sowie die inzwischeu


- Ili —<br />

seitens des Herrn Ministers in dieser Sache ergangene Entscheidung zur<br />

Kenntnis <strong>der</strong> Kommission. Die Angelegenheit wnrde damit für erledigt erklärt.<br />

Der Entwurf des Jahresberichts wurde genehmigt, die Veröffentlichung<br />

ist in <strong>der</strong>selben Weise wie bisher in den Baltischen Studien erfolgt.<br />

Son<strong>der</strong>drucke gehen dnrch Umlauf sämtlichen Pfarrämtern zu, sie werden<br />

allcu, die sich dafür interessieren, von dem Provinzial-Konservator auf<br />

Ansuche« unentgeltlich zugesandt.<br />

M. Erstattung und Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Denkmäler.<br />

Wie<strong>der</strong>herstellungen in größerem Umfange und in Städten.<br />

In Stargard konnten die Wie<strong>der</strong>herstclluugsarbeiten au <strong>der</strong> Marienkirche,<br />

obwohl sie in ihrem Umfange nicht uubcdcuklich beschränkt wurden,<br />

ihren Abschluß noch nicht erreichen. Günstiger gestaltete sich die Sache in<br />

Au klam, wo die Nikolaikirche eine durchgehende Erneuerung im Äußern<br />

uud Innern erfahren hat und am 23. Avril dem kirchlichen Gebranche<br />

wie<strong>der</strong> übergeben werden tonnte. Das Gebäude, das im wesentlichen die<br />

Formengabe seiner Entstehnngszeit uoch dentlich erkennen ließ, ist in <strong>der</strong><br />

banlichen Substanz sachgemäß und gründlich erueuert nud hat im Innern<br />

durch eiue den heutigeu Anschauungen entsprechende, all die vorhandenen<br />

Spuren des Alten angeschlossene farbige Behandlung unendlich gewonnen.<br />

Eingehende, durch Abbildungen erläuterte Mitteilungen sind für den nächsten<br />

Jahresbericht vorbehalten. Ebenfalls zn befriedigendem Abschlüsse gelangt<br />

sind die Ausbesserungeu uud namentlich die <strong>der</strong> Hand Kutschmanns<br />

anvertraute Ausmaluug <strong>der</strong> Schloßkirche iu Stettin. Der früher völlig<br />

schlicht gchalteue, weißgetüuchte Raum (Fig. 1) hatte 1N63 eine stilwidrige<br />

Glie<strong>der</strong>ung seines Tonnengewölbes durch angelegte schwere Nippen von<br />

Stnct, seiner Gewölbctämpfcr dnrch desgleichen Gesimse und unter Veseitignng<br />

<strong>der</strong> Varockumrahmnngen des Altars und <strong>der</strong> Kanzel eine nüchterne, stillose<br />

Äemalung erhalten (Fig. 2). Jetzt ist <strong>der</strong> Nanmwlrkung des vortrefflichen<br />

Renaissancebaues vou 1577 wie<strong>der</strong> ihr Recht geworden (Fig. 3), obwohl<br />

nicht alle Zutaten des Jahres lftsì3 entfernt sind. Die Erneueruug<br />

<strong>der</strong> Ölgemälde, die von guten Meistern des IN. und 17. Iahrhnn<strong>der</strong>ts<br />

herrührend die uicht bemalte» Teile <strong>der</strong> Wände schmückten, ist vorbereitet.<br />

Gleichzeitig hat die Kirche statt <strong>der</strong> frühereu Gasheizung eine Nie<strong>der</strong>druck-<br />

Dampfheizung und ein erweitertes, neues Orgelwerk erhalten, das mit<br />

ungewohnter Klangfülle die Einweihnngsfeier am 29. Mai lW9 einleitete.<br />

In <strong>der</strong> Nikolaikirche zu Stralsund, <strong>der</strong>en innere Ausstattung von keiner<br />

an<strong>der</strong>en Kirche Pommerns an Wert erreicht wird, ist die Ernenerung des<br />

farbigen Wandschmuckes <strong>der</strong> alten Zeit durch die Gebnt<strong>der</strong> Nnnemann<br />

nahezu vollendet, die <strong>der</strong> übrigen Ausstattung mußte wegeu <strong>der</strong> Beschränktheit<br />

<strong>der</strong> Mittel teilweise lei<strong>der</strong> noch ausgesetzt werdeu, die Heizungsanlage aber


— IV —<br />

ist abgeschlossen. Die gesamten Arbeiten werden vor Ablanf des Jahres zn<br />

Ende geführt sein. Was sich bisher davon übersehen ließ, verdient die höchste<br />

Anerkennung. Anch in <strong>der</strong> Iakobikirchc zn ^aueuburg (Fig. 4. 5. 0)<br />

sind die Erneuerungsarbeitcu in glücklichem Anschlüsse an frühere Formen<br />

beendigt, mn' die Vrmawng <strong>der</strong> neuen Gewölbe mnhte, da sie noch<br />

nicht hinreichend getrocknet sind, aufgeschoben werden. Im Innern hat<br />

allerdings <strong>der</strong> überaus stattliche Aufbau des Hochaltars um <strong>der</strong> uenen<br />

Chorgcwölbe willen etwas verkürzt werden müssen. Der Ausbau <strong>der</strong><br />

Iohannistirche in Stettin ist noch immer nicht iu Angriff genommen;<br />

zurzeit liegt ein Antrag <strong>der</strong> Gemeiude, dcu Ausbau auf deu Hohen Chor<br />

zu beschränken, da er eiue weitgehende Umarbeitung des Projekts erfor<strong>der</strong>t,<br />

<strong>der</strong> Königlichen Negiernug znr Beurteiluug vor. Ziemlich weit geför<strong>der</strong>t<br />

sind die Arbeiten unter ^cituug <strong>der</strong> Königlichen Kreisbauinspcktiou au <strong>der</strong><br />

Marienkirche in Greifen berg, desgleichen an <strong>der</strong> ehemaligen Stiftskirche<br />

in Maricnfließ, wo die örtliche Äauleituug dein Architekteu Deucte<br />

übertragen ist, <strong>der</strong> zugleich die noch nicht abgeschlossenen Arbeiten an <strong>der</strong><br />

Marienkirche in Stargard weitcrzuführeu hat. Die für die Marienkirchen<br />

in Äclgard nud Dramburg seit längerer Zeit vorliegenden Entwürfe<br />

werden erst im ^aufe des kommendeu Jahres znr Ausführuug kommen<br />

können; dasselbe gilt für die Gertrudkapelle iu Nügenwalde, währeud die<br />

für den Hohen Chor des Doms in Kol berg geplante reichere Ausstattung<br />

überhaupt uur mit erheblicher Einschränkung ausgeführt werdeil dürfte.<br />

Sehr dankenswert ist, daß für eine bessere Aufbewahrung uud Sicherung<br />

des Domschatzes in Kamm in Maßregeln vorbereitet sind. Äci <strong>der</strong> Ausbesserung<br />

des Turmes <strong>der</strong> Nikolalkirche m Wolliu hat man lei<strong>der</strong> wie<strong>der</strong><br />

zn dem beliebten Palliativmittel des doch unhaltbaren Putzes gegriffen, statt<br />

sich für die allein denlmalgemäsie und Daner versprechende Wie<strong>der</strong>herstellung<br />

des ursprünglichen Rohbaues zu entscheiden.<br />

Von Profanbauten in Städteu ist zu erwähnen die Erneuerung <strong>der</strong><br />

ausgebrannten Tnrmspitze des Schlosses in Ückermünde, die statt <strong>der</strong><br />

früher offenen, joyt eine geschlossene valerne erhalten hat. Die Wie<strong>der</strong>herstellung<br />

des Steimors in Tribse es steht noch immer aus. Zur<br />

Erhaltung <strong>der</strong> alten Vandwehrbefestigungen <strong>der</strong> städtischen Feldmark von<br />

Alltlam, <strong>der</strong> einzigen die in Pommern noch in nennenswertem Umfange<br />

besteht, will die Stadtgemeinde die erfor<strong>der</strong>lichen Maßnahmen treffen.<br />

Ausbau, Umbau, Ausmalung und Ausstattung von?andkirchen.<br />

Zu den auf Eiligen seit langer Zeit geplanten Wie<strong>der</strong>herstellnngsbauten<br />

ist neu hinzugekommen <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> stattlichen Kirche, in Wiek<br />

auf Wittow, zum Abschlüsse gelangt ist noch feiner, für Samtens aber<br />

liegt nunmehr ein Gutackteu uud Kostenanschlag <strong>der</strong> Ausmaluug und


Erneueruug <strong>der</strong> Wandgemälde von Kntschmann vor. In Broitz, Kreis<br />

Grciselibcrg, ist die Erweiternng allerdings nicht im Sinne <strong>der</strong> Denkmal-<br />

pflege vollzogen. Dagegen verdient die Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Kirche in<br />

Evcntin, Htreis Schlawe, uueingcschränkte Anerkennung; sie erfolgte nnter<br />

Leitung des Negierungsbanmeisters Erdmcnger, die Ausmalnng besorgten<br />

Kntschmann nnd Vögele. Die Denkmalpflege mnß hier u. a. anch das<br />

Festhalten au <strong>der</strong> Schindclbedachnng mit Dallk anerkennen, ebenso die<br />

Erhaltung <strong>der</strong> aus Holz gezimmcrteu Kirchhofsportalc. (Verql. „Die<br />

Denkmalpflege" Inhrgaug 19l)tt S. 16.1 Es mag bei dieser Gelegcuheit<br />

darauf hingcwicscu werdeu, daß vortreffliche eicheuc Schilldelu ailf vorherige<br />

Bestelluug augefcrtigt wcrdeu von den Gräflich VlSmarckschcn Holzwerken<br />

in Gittclsmühle bei Nngenwalde. In Schelliu, Kreis Pyritz, ist die<br />

Erneuerung <strong>der</strong> Kirche mit Mäsicht auf das UM) bevorstehende Ms)zährigc<br />

Jubiläum in Angriff genommen. Geschickt in das Tnrmmotiv von<br />

Mulkeutiu, Kreis Satzig, für den Neubau des Tnrmcs in Pansin<br />

benntzt (Fig. 7. 8).<br />

Von Einzuarbeiten sind an.^nführen die Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> ans-<br />

gczeichnct geschnitzten mittelalterlichen Figuren des Triumphtrenzes in<br />

Gllstow ans Rügen nnd eines barocken Vescpnlts voll großer Schönheit<br />

daselbst, dnrch den Bildhauer Ehlert in Steltiu, <strong>der</strong>selbe crueuertc ailch<br />

Altar und Kanzel in Wittenfelde, Kreis Greifellberg nnd Hartz ig,<br />

Kreis Satzig, sowie einzelne Stücke <strong>der</strong> Ansstattnng <strong>der</strong> Iohauniskirche in<br />

Stargard, über die nach Abschlnft <strong>der</strong> Arbeiten im Zusammenhange<br />

berichtet werdeu soll, ferner einen mittelalterlichen Krn.Mz'Us uud an<strong>der</strong>e<br />

Schnivwerke in Langen ha gen, Kreis Greifen<strong>der</strong>«.. Die Erneuerung des<br />

Altarbildes in Wamlitz, Kreis Randow, sowie <strong>der</strong> mittelalterlichen Schnitz-<br />

werke in Glcwih, Kreis Grimmen, nnd zweier Gcdächtuistascln in<br />

Hagenow, Kreis Greifenberg, sind angeregt.<br />

In Behrenhof, Kieis Grcifswald, ist ein gemaltes Glas-<br />

fenster nach einer wohlgelnngenen Zeichnnng von H. Seliger, <strong>der</strong> dort<br />

auch früher tätig war, gestiftet. Da es jetzt fast zur Mode geworden ist,<br />

bunte Glasgemälde als Kirchenschmuck zu verwenden, gleichviel ob es sich<br />

nm künstlerische Schöpfungen handelt o<strong>der</strong> nicht, so möge hier mit allem<br />

Nachdrucke betont werden, daß es geboten ist, Fabrikware, wie sie voll<br />

reisenden Agenten zu billigen Preisen angeboten wird, von nnsern Kirchen<br />

fern zu halten und wo nicht Sachen von wirklichem Kunstwerte nach<br />

Originalentwürfen guter Meister zu haben sind, lieber von solchem ver-<br />

meintlichen Kirchenschmncke ganz abznseheu, bis sich die Mittel uud Wege<br />

gefunden haben, einen anf diesem Gebiete ausreichend bewährten Künstler<br />

zu gewinnen, dcm <strong>der</strong> Entwurf vertrauensvoll iu die Haud gegebeu werdeu<br />

kanu. Gerade anf diesem Gebiete ist das Beste für uusere Gotteshäuser '<br />

eben gut genug. Auch sind nicht alle Knnstanstalten, die sich mit Glasmalerei


— VI -<br />

abgeben, gleich empfehlenswert; wirklich gute Werkstätten nachzuweisen ist<br />

<strong>der</strong> Provinzial-Konservator stets in <strong>der</strong> Lage.<br />

Bis zu einem gewissen (Arade gilt diese Warnnng auch für die<br />

Ansmaluug einer Kirche überhaupt, worüber in <strong>der</strong> Anlage II des<br />

XII. Jahresberichts des breiteren gebandelt ist. Son<strong>der</strong>abdrücte dieser<br />

Anlage stellt <strong>der</strong> Konservator Jedem gern znr Verfügung.<br />

Ausbesserungen sind an <strong>der</strong> Kirche in Wietstock, Kreis Anklam, im<br />

Sinne <strong>der</strong> Denkmalpflege vollzogen; in Güntershagen, Kreis Dramburg,<br />

tonnte die Ausbesserung und Erweiteruug gebilligt werdeu, gegen die Art,<br />

in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Kirchturm in Hohen-Attssow, Kreis Demmin, ausgebessert<br />

werden sollte, mußte Einspruch erhoben werden; die olmc Nücksicht auf die<br />

bekannten Verordnungen vorgenommene Eindeckung <strong>der</strong> Kirche in Nathcbur,<br />

Kreis Auklam, mit Zement nnd Dachpappe ist dem Konservator erst nach<br />

<strong>der</strong> Ausführuug bekannt geworden. In Schaprode, Kreis Rügen, ist die<br />

Aufrichtung zweier Grabplatten <strong>der</strong> Familie von Platen aus dem !4. und<br />

dem Anfange des Ib. Jahrhun<strong>der</strong>ts angeregt worden.<br />

Ein Wie<strong>der</strong>aufbau des ehemaligen Ärunneuhanses in Keutz erschien<br />

nicht als innerhalb <strong>der</strong> Aufgaben <strong>der</strong> Denkmalpflege liegend.<br />

Kirchenheiznng.<br />

Wie<strong>der</strong>holt ist darüber zu klagen gewesen, daß die heutzutage nicht<br />

mehr abzuweisenden Kirchenheizungen vielfach eingerichtet werden, ohne die<br />

von dem Königlichen Kousistorium schon im September Iftil^ gegebenen<br />

Weisuugen zu beachten und das Gutachten des Konservators vorher einzuholeu.<br />

Es ist daher nicht zn verwun<strong>der</strong>n, dak iu solcheu Fällen die<br />

nach dem Vorschlage eines beliebigen Technikers angelegten Heizungen den<br />

Kirchenranm oft in <strong>der</strong> störcndsten Weise verunzieren und anch das Äußere<br />

nicht selten verunstalten, während doch die Erwärmung <strong>der</strong> Kirche anch<br />

ohne diese Mißstände zu erreichen war. Mehr als eine solche Ofenheizung<br />

ist nach kurzer Zeit wie<strong>der</strong> außer Betrieb gesetzt worden, weil sie die Übelställde<br />

im Gefolge hatte, die durch die ungleichmäßige Erwärmuug nicht<br />

ausgeglichen wurdeu. Wirklich zu empfehlen ist eigentlich nur eiue Nie<strong>der</strong>druckdampf-<br />

o<strong>der</strong> eine warme Luftheizung; sie sind in <strong>der</strong> ersten Anlage<br />

teurer, aber im Getriebe billiger als Ofenheizung, doch auch ihre Herstellung<br />

darf keineswegs dem Techniker allein überlassen bleiben.<br />

Zu warnen ist bei Ofenheizungen namentlich vor <strong>der</strong> beliebten uud<br />

von den Technikern empfohlenen Abführung <strong>der</strong> Verbrennungsgase durch<br />

ein freiliegendes, gewöhnlich mehrfach gewundenes eisernes Ofenrohr, das<br />

statt direkt uud möglichst verdeckt aus dcm Ofen in den Schornstein zn<br />

gehen, erst unmittelbar unter <strong>der</strong> Decke, o<strong>der</strong> gar mit Durchbrechung eines<br />

Gewölbes in den Schornstein einmündet. Wo Entwürfe nnd Anschläge


eingereicht wurden, entbehrten sie nicht selten <strong>der</strong> zur Nenrteilung nötigen<br />

Unterlagen, o<strong>der</strong> waren, von Handwerkern abgefaßt, so oberflächlich und<br />

unzureichend, daß erst eine örtliche Besichtigung Klarheit über den Plan<br />

verschaffen konnte. Es ist deshalb zn wünschen, daß die Anträge so zeitig<br />

im Jahre an den Konservator gelangen, daß sie im Laufe des Sommers<br />

erledigt werden können.<br />

Zur Kenntnis des Konservators, znm Teil erst durch uachherige<br />

Mitteilung <strong>der</strong> vorgesetzten Bchördm, sind gekommen Heizungen in Bismarck,<br />

Kasekow, Köpitz, Koprieben, Krummiu, Maudcttow, KleinNeiukendorf,<br />

Schenue, 3emlow, Storkow, Treptow a. T., Ückerluüude, Wolliu<br />

lick, Wusterhausen, Hohen-Zahden.<br />

Verän<strong>der</strong>ung kirchlicher Ansstattungsgegenftände.<br />

Obwohl das Gesetz betreffend die evangelische Kirchenverfassung in<br />

den acht älteren Provinzen vom :>. Juni l876 iu Artikel 24 auordnet,<br />

daß die Beschlüsse <strong>der</strong> kirchlichen Organe <strong>der</strong> Genehmigung <strong>der</strong> staatlichen<br />

Aufsichtsbehörde bedürfen bei <strong>der</strong> Veräußerung von Gegenständen, die einen<br />

wissenschaftlichen, geschichtlichen o<strong>der</strong> Kuunwert haben, ist <strong>der</strong> Verkauf <strong>der</strong><br />

im vorigeu Jahresberichte erwähnten Kanne in Neinlcnhagen ohne diese<br />

Genehmigung erfolgt durch den Patron <strong>der</strong> Kirche. Da <strong>der</strong> Käufer angibt,<br />

die Kanne sofort in das Ausland weiterverkauft zu habeu, ist ein gerichtliches<br />

Verfahren gegen den Patron eingeleitet, das zurzeit noch schwebt<br />

uäheres wird darüber wobl erst im nächsten Jahresberichte mitgeteilt werden<br />

können. Angeblich ist für die Kaunc, dcreu Wert von dem königlichen<br />

Kuustgcwcrbe-Museum zn Berlin anf M(M)Mt. geschätzt war, ein Kaufpreis<br />

voll 12 (XX) Mk. erzielt worden.<br />

Der Verlauf von zinnernen Altarleuchtern und einer Kanne in<br />

Steinwehr wurde nicht genehmigt mit Rücksicht darauf, daß die älteren<br />

Geräte dieser Art einen weit höheren Knnstwert besitzen als die zum Ersatz<br />

dienende mo<strong>der</strong>ue Fabrikware, weuu sie auch noch so sehr als stilvoll<br />

angepriesen wird; Zinngerät, richtig behandelt nnd sorgfältig geputzt, hat<br />

einen den Edelmetallen gleichkommenden Glanz, was unserer Zeit uubekannt<br />

geworden zu sein scheint; sonst würde man nicht das Ziuugerät fast überall<br />

blind nnd daher unansehnlich o<strong>der</strong> gar überstrichen mit Ölfarbe vorfinden.<br />

Aus <strong>der</strong> Kirche in Kallies wurde eine ältere, von einem Gewerke gestiftete<br />

Bronzekrone, von eben diesem Gcwerke, daß sie als sein Eigentum ausprach,<br />

ohne die Geuehmigung <strong>der</strong> Aufsichtsbehörde verkauft.<br />

Rühmend ist anzuerkennen, daß es in Bargischow, Kreis Auklam,<br />

<strong>der</strong> Bemühuug des Ortsgeistlichen gelnngen ist, eine seit langer Zeit in<br />

Privatbesitz befindliche steinerne Taufe <strong>der</strong> romanischen Form für die Kirche<br />

zurückzuerlangen.


IV. Denkmalschutz.<br />

Das Gesetz vom 15. Juli 1907 gegen die Verunstaltung von<br />

Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gegenden verleiht dcn Städten<br />

das Necht, ihre Denkmäler dnrch Ortsstatut zn schützen. Solche Stanile<br />

sind anch in Pommern an vielen Orten entworfen nnd znnttcil unter<br />

Znziehnng des Provinzial-Konscrvators nnd an<strong>der</strong>er Sachverständigen beraten,<br />

aber die Schwierigkeit, das allgemeine und Denkmalinteressc in angemessener<br />

Weise mit dem Privatinteresse auszugleichen, erweist slch vielfach zn grosi,<br />

als daß es gelänge, die (Gegensätze zu versöhnen nnd so ist voll einem<br />

sichtbaren Erfolge des seit zwei Jahren bestehenden o5esel?es bei nus noch<br />

wenig zu bemerken. Die Magistrate haben sich <strong>der</strong> Sache zwar vielfach<br />

mit Eifer angenommen, aber bei den Stadtverordnelcu ein Verständnis-<br />

volles Entgegenkomme» nnr selten gefunden.<br />

Am meisten sind in den Städten noch immer gefährdet die Neste <strong>der</strong><br />

Wehrbauten trotz des ihnen dnrch die Bestimmungen <strong>der</strong> Städteordnnng<br />

nnd des Zuständigkeitsgesekes gewährte« Schlitzes. Die Erkcuntuis, das;<br />

ihre Vernachlässigung o<strong>der</strong> Aeicitignng ein wesentliches Bewci?slnck <strong>der</strong><br />

Sladtgesclnchle nnd ein kostbares voll den Bätern hinterlassenes Erbe zerstört,<br />

vermag sich nur langsam Bahn zu brccheu. In Kamin in in ein großer<br />

Teil des alten Wallgrabens voll den Anliegern nach nud nach zngeschitttet,<br />

obwohl diese zur Erhaltung <strong>der</strong> Böschungen grnndbnchlich verpflichtet sind<br />

und am Hafen ist die Stadtmauer vor dem verbauen durch nnmmelbar<br />

davor o<strong>der</strong> darauf gesetzte Schnppen unr mit Wuhc bewalm worden. Eine<br />

Verbreiterung des Durchbruches <strong>der</strong> Stadtmaller am Elllentnrme in Pyritz<br />

wnrde nicht genehmigt: die Beseitigung <strong>der</strong> in großer Zahl an dein Bahner<br />

Tor daselbst gehäuften Isolatoren uud Telephonsäluc wmde angeregt.<br />

Selbst fiskalische (Hcbäude smd trotz auertaumen DcnkmlUwerts vor<br />

Abbruch uicht sicher, wie <strong>der</strong> vom Militärsiskns als Eigentum beanspruchte<br />

obere Teil des Muhlentors in Stolp.<br />

In Auklam wnrde <strong>der</strong> Abbruch des an das Steintor steenden<br />

Polizeigebändes nicht genehmigt, weil er das gewaltige Torgebäude völlig<br />

isoliert hätte uud außerdem iu dein Wachtgebäude ein Stück <strong>der</strong> Stadtmaner<br />

enthalten ist.<br />

In Neustettiu ist <strong>der</strong> Turm <strong>der</strong> alten Kirche vor dem Abbruche<br />

durch das Zusammenwirken <strong>der</strong> kirchlichen und städtischen Behörden bewahrt<br />

geblieben und damit dem Stadtbilde ein wesentliches nnd geschichtlich<br />

bemerkenswertes Stück erhalten.<br />

Der Umgnß gesprungener Glocken läßt sich vermeiden, wenn die<br />

Nisse nicht gar zn groß sind, dnrch das in <strong>der</strong> „Denkmalpflege" V, 3. 6?<br />

beschriebene Verfahren; ausgeführt werden Arbeiten nach diesem Verfahren<br />

von dem Glockengießer Ohlson in Lübeck. Handelt es sich nm einen


— IX -<br />

nnabweislichcn Nmguß älterer Olockcn, so empfiehlt es sich, in allen Fallen<br />

die alte In'chrift nnd Dekoration abzltforlnen und ans <strong>der</strong> nellen Olocke<br />

nntcr Hin.znfnqnny eincs Hinweises auf den Umguß wie<strong>der</strong> anzllblingen.<br />

Der Schntz <strong>der</strong> Naturdenkmäler, über dessell Organisierung<br />

in Pommern säwn im 14. Jahresberichte Mitteilung gemacht werden konnte,<br />

wird von einem nntcr dem Vorsitze dcs Herrn Oberpräsideutcu arbeitenden<br />

Prouinzialkomitee allsgeübt; über die Tätigkeit dieses Komttecs liegt ein von<br />

Professor Dr. Winkel mann verfaßter Jahresbericht vor.<br />

Auch die Ortsgruppe znr Erhaltnng <strong>der</strong> Mönchguter<br />

Volkstrachten, die sich nnter dem 5. Inni 190st gebildet hat, tonnte<br />

dank <strong>der</strong> von dcr ProvinMlvcrwaltnng bewilligten Beihülfe von 5)lX) Nik.,<br />

<strong>der</strong> eine doppelt so hohe <strong>der</strong> Kreisvcrwaltnng znr Seite steht, ihre Tätigkeit<br />

anfnehmen; es wnrdcn sowohl an Erwachsene, wie an Kin<strong>der</strong> für das<br />

Trage» <strong>der</strong> alten Tracht Geldprämien gezahlt nnd im Juli 1909 ein<br />

woblgeluugcucs Trachtenfest uutcr zahlreicher Bcteiliguug Einheimischer wie<br />

Frem<strong>der</strong> m Alt-Neddcwitz ans Mönchgnt veranstaltet, in welchem das Volkstümliche<br />

<strong>der</strong> Tracht und damit das Bild <strong>der</strong> alten Zeit in willkommenster<br />

Weise zn Tage trat nnd slch manchen nenen Freund gewann. Eröffnet<br />

wnrde das Fest dnrch einen Zug nach <strong>der</strong> Strandburg, wo die Teilnehmer<br />

dnrch eine Ansprache des Vorsitzenden <strong>der</strong> Ortsgruppe, des Pastors<br />

Stcurich-l>jroß-Zicker, begrüßt wurden; es folgten volkstümliche Belnstigungen<br />

wie Schcibeuschlcsten, Taubcnwerfen, Schliddellmf u. a. m., sodcmlt wltldell<br />

die von <strong>der</strong> Ortsgruppe bewilligten Prämien von dem Landrate verteilt uud<br />

deu Schlnß bildete eiue Ausprache des Ortspfarrcrs Medenwaldt-Middelhageu.<br />

Die Teilnehlner blieben bei einem ländlich einfachen Abendessen<br />

nnd Tanz noch lange beisammen.<br />

Ans dem Pl) ritz er Wei zacker hat die Sammlnng <strong>der</strong> volkstümlichen<br />

Ncste einen ungemein wertvollen Zuwachs erhalten durch die von dell Erben<br />

<strong>der</strong> Frau Tumelel), geb. Wendorff, in 3abow dem Stettiner Musenm überwiesene<br />

Ansstattung einer Banernstllbc, die von <strong>der</strong> Verstorbenen zusammengebracht<br />

war und Stucke nmfaßt, die bis in das 1K. Jahrhun<strong>der</strong>t zurückreichen.<br />

Eine farbige Abbilduug dieser Stube war dem 14. Jahresberichte<br />

beigegeben.<br />

Der diesjährige Denkmalpflegetag wnrde abgehalten in Trier<br />

am 33. und 24. September; ihm ging voran die übliche Tagung <strong>der</strong><br />

preußischen Konservatoren unter Leitung des Kouservators <strong>der</strong> Kunstdenkmäler<br />

in Prenßen; sie beschäftigte sich hauptsächlich mit den iu <strong>der</strong> amtlichen<br />

Praxis gemachten Erfahrungen; die im kleineren Kreise ausgeführten<br />

Besichtigungen <strong>der</strong> in die römische Kaiserzeit zurückreichenden Denkmäler<br />

gewährten die mannigfackste Aelehrnng. Die Verhandlungen des Denkmal-<br />

Pflegetages selbst sind wie früher im stenographischen Gerichte veröffentlicht.


X —<br />

V. Vorgeschichtliche Venkmaler.<br />

Die Sammlung <strong>der</strong> vorgeschichtlichen Denkmäler ist in Pommern in<br />

<strong>der</strong> seit Jahren üblichen Weise fortgesetzt. Hervorheben ist die Erwerbung<br />

<strong>der</strong> Knhsescheu Sammlung rügischer, hauptsächlich Steiualtertümer durch<br />

das Stettiner Museum; ermöglicht wurde sie durch eiue außerordentliche<br />

Bewilligung des Provinzial-^aildtages, <strong>der</strong> ^Zs)I Mk. für diesen Zweck<br />

<strong>der</strong>eit stellte. Über sonstige Zugänge dieses Museums ist fortlaufeud in den<br />

Mouatsblätteru <strong>der</strong> Gesellschaft für pommenche beschichte uud Altertums-<br />

kunde berichtet.<br />

Die Beschaffung vorgeschichtlicher Wandkarten hat keine<br />

För<strong>der</strong>ung erfahren können, da <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Abfassung eines zur Eiu-<br />

führuug iu die Vorgeschichte und znr populäreu Belehrung über diese Tafeln<br />

dienenden Handbuches beauftragte uud wie kciu an<strong>der</strong>er da,^u berufene<br />

Sauitätsrat Schumaun durch dauernde Kränklichkeit behin<strong>der</strong>t war.<br />

Ein Gesetz betreffend deu Schutz früh geschichtlicher<br />

Deukmäler, sowie <strong>der</strong> Ausgrabungeu und Funde von Alter-<br />

tümer« ist im Kultusministerium entworfen und soll dem Landtage in<br />

<strong>der</strong> nächsten Taguug zugehen. (Die Bezeichuuug frühgeschichtlich gilt auch<br />

für die vorgeschichtliche» Deukmäler.> Der Entwurf erstreckt sich auf alle<br />

Denkmäler, sowohl die im Eigentum juristischer Persollen des öffentlichen<br />

Rechts, als die im Eigentum von Privatpersonen stehenden, auf bewegliche<br />

wie ans unbewegliche uud sieht für Zuwi<strong>der</strong>haudelude Geldstrafen bis zum<br />

Betrage von 150!) Mk. vor. Die Bereitstellung staatlicher Geldmittel für<br />

den Schutz <strong>der</strong> frühgeschichtlichen Denkmäler lst nicht in Aussicht geuommeu.<br />

Gesetzlicher Schutz dieser Denkmäler, <strong>der</strong> iu an<strong>der</strong>en Staaten zumteil seit<br />

langer Zeit besteht, ist allerdiugs für Preußen mit jedem Tage dringen<strong>der</strong><br />

geboten.<br />

Vl. Zeukmalfsrschung.<br />

Die Inventarisierung <strong>der</strong> Bau- und Kunstdenkmäler ist ununter-<br />

brochen weitergeführt. Vom Inventare des Regierungsbezirks Stettin ist<br />

das 14. Heft erschienen, es enthält das Königliche Schloß in Stettin; das<br />

9. Heft, den Kreis Naugard umfassend, ist im Drucke und naht sich dem<br />

Abschlüsse; für das 10. Heft, das den .Kreis Regenwalde umfasseu soll,<br />

sind die Vorbereitungen in <strong>der</strong> Hauptsache beendigt. Aufnahmen sind nur<br />

für den Kreis Kammin in geringem Umfange nötig. Nach Fertigstellung<br />

<strong>der</strong> Landkreise sollen die Stadtkreise Stargard und Stettin den Schlnh des<br />

fünfbändigen Werkes bilden. Alls dem Regierungsbezirke Köslin werden<br />

die Kreise Bütow und Naumburg im nächsten Jahre in den Druck gehen<br />

können, Aufnahmen sind hier nur iu den Kreisen Schivelbein und Dramburg<br />

erfor<strong>der</strong>lich, in dem zweiten ist jedoch ein Anfang schon gemacht.


— X! -<br />

Die Nildnng eines beson<strong>der</strong>en Denkmiilerarchivs des Provinzial-<br />

Konservators ist begonnen.<br />

Znr Bücherei des Provinzial-Konservators sind als Geschenke<br />

eingegangen:<br />

Bormann, Wand- nnd Deckengemälde. Band II. Heft 3.<br />

Conwenh, Beiträge .znr Natm'dcnkmalpflcge. Heft 2. 1908.<br />

Neunter Tag für Dcnklnalpflegc ill Lübeck. Stenographischer<br />

Bericht. 1908.<br />

Die Kllnstdenkmäler <strong>der</strong> Provinz Brandenburg. Bandi. Heft 3.<br />

Kreis Ostprignitz. l907.<br />

Die früh- und vorgeschichtlichen Denkmäler <strong>der</strong> Provinz Brandenburg.<br />

Band I. Heft i^. Krcis "Dstprignilz. 197.<br />

Die Knnstdenklnäler <strong>der</strong> Provlnz Hannover. Regierungsbezirk<br />

Stade. Heft l: Berden, Notenburg nnd Zcwen.<br />

Conwentz, Beiträge zur Naturdenkmalpflege. Heft 3. 1909.<br />

Hollack, Vorgeschichtliche Übersichtskarte von Ostprcnften nebst<br />

Erläuterungen. lM)h.<br />

Die Knnstdenlinäler <strong>der</strong> Provinz Brandenburg. Band I. Heft l.<br />

Kreis Westprignitz. 1909.<br />

Der Morlltzende. Ver Vrovinztal-Aonservator.<br />

von <strong>der</strong>


— Xll —<br />

Anlage I.<br />

Ministcrial-Erlaß betreffend die Festlegung von Fluchtlinien<br />

in Städten.<br />

Der Minister<br />

<strong>der</strong> geistlichen, Unterrichtsnnd<br />

Medizinal-Augclegcuheiten. Berlin V?. s>4, den 22. Dezember lWtt.<br />

Minist, d. öff. Arb. III 1^8 ^50.<br />

Minist, d. Inn. lVd 576?.<br />

Minist, d. geistl. :c. Ang. U. IV» 8150.<br />

Mit Bezug anf nnsern gemeinschaftlichen Erlaß vom 33. Oktober 1907<br />

- Min'st. d. Inn. IV d 44^


Fig. I. Stettin; Schloßkirche, Inneres vor !»«2.


.-ig. 2. Stctlili - Schl^^nchc,


Fig. '). 2 tctlin; Schloßkirchc, Inneres I W


Fig. 4. La il en burg: Iakobikirche vor <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung.


g. 5). vg: Iakodikii'chc nach dein Ailsbail 1W8.


Fig. s). ^ancnbnrq: Iakobikirchc von Norden gesehen.


^i^. 7. :Nc II lkcIItIII - Psai rlivchc.


Pausili; Vfarrlivchc uach dcr Wicdcrhmtellmic;,<br />

Atchitclt >>. T


Von <strong>der</strong> Oesellschast für Aomckersche Geschichte und Altertums«<br />

ßnnde werden herausgegeben:<br />

I. Fnventkw <strong>der</strong> Vanöenkmäler Hommevns.<br />

Teil l:<br />

Die Vauöenkmaler bes Aegierungs-Nezirks Nralsunü.<br />

Bearbeitet von O. von

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