begegnungen-mit-der-seele.pdf
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ihren inzestuösen Wünschen befreit sowie von ihrer Erinnerung daran, die sie halb unbewusst beunruhigte. Diese Überreste wurden<br />
völlig in den Bereich des Hieros Gamos aufgenommen. Auch wenn sie das nicht verstehen könne, sei es doch eine Tatsache. Aus<br />
diesem Grunde konnte sie <strong>der</strong> Großen Mutter wahrheitsgemäß versichern, daß sie einen wun<strong>der</strong>vollen und dauernden inneren Frieden<br />
habe. Irene war auch in Frieden, da sie endlich aus ihrem Gefängnis befreit war, so daß sie ihre archetypische Fähigkeit, den Hieros<br />
Gamos <strong>mit</strong> dem Großen Geist zu vollziehen, schließlich entfalten konnte. Er bittet Anna, das große Ereignis, daß in ihrem Innern<br />
stattgefunden hat, nicht zu unterschätzen und zu erkennen, daß das Selbst es ihr ermöglicht hatte die richtige Teilhabe daran zu<br />
erlangen, <strong>der</strong>en volle Bedeutung sie schließlich erfahren werde.<br />
Diese Rede des Großen Geistes schließt den zweiten und bei weitem wichtigsten Teil von Annas Epilog zu »Anna Marjula« ab. Der<br />
wesentliche Höhepunkt, <strong>der</strong> Anna während ihres ganzen sehr hohen Alters ungewöhnlichen Frieden gab, war <strong>der</strong> Hieros Gamos, <strong>der</strong><br />
in ihrer Seele geschah, die Vereinigung aller Gegensätze in ihr und die Tatsache, daß sie die »richtige Teilhabe an ihm erlangt hatte«.<br />
Endlich war sie fähig zwischen dem Ich, d.h. sich selbst als Menschen und den archetypischen Bil<strong>der</strong>n zu unterscheiden und ihre<br />
Inflation <strong>der</strong> Identifikation <strong>mit</strong> einem dieser Bil<strong>der</strong> zu opfern. Diese seltene Leistung kam von ihrer Fähigkeit, ihre ganzen<br />
beträchtlichen schöpferischen Anlagen einer ungewöhnlich langen und harten Arbeit in aktiver Imagination zu widmen.<br />
Vereinigung des positiven <strong>mit</strong> dem negativen Animus<br />
Der Höhepunkt dieser Gespräche war erreicht, als es Anna gelang die richtige Teilhabe am Hieros Gamos in ihrer Seele zu erzielen.<br />
Zwei weitere Teile <strong>der</strong> Notizen, die sie mir gab, waren sehr wichtig um ihren inneren Frieden zu befestigen, aber es wäre eher ein<br />
Abfallen und ganz unnötig sie hier detailliert wie<strong>der</strong>zugeben.<br />
Der dritte Teil besteht aus weiteren Gesprächen <strong>mit</strong> dem Großen Geist und betraf seine Vereinigung <strong>mit</strong> ihrem negativen Animus,<br />
dem kleinen Bru<strong>der</strong>. Aber es war nicht wirklich <strong>der</strong> Große Geist, sie sagt selbst, daß es eher sein Bild in ihrer Seele war, es war <strong>mit</strong><br />
an<strong>der</strong>en Worten eine Vereinigung zwischen ihrem positiven und ihrem negativen persönlichen Animus. Daß sie sehr erfolgreich war,<br />
zumindest im Bereich des Unbewussten, wird in einem Traum gezeigt, den sie am Ende des dritten Teiles ihrer Gespräche hatte.<br />
Sie träumte, daß sie <strong>mit</strong> einem hochangesehenen Mann ein Autorennen besuchte. Ein beson<strong>der</strong>er Bezirk war für sie abgeteilt worden.<br />
Der hervorragende Mann stand an ihrer rechten Seite, während die Rennwagen sich ihr von Links näherten. Ein Wagen war den<br />
an<strong>der</strong>en so weit voraus, daß <strong>der</strong> Fahrer es sich leisten konnte, langsam zu fahren. Der überlegene Mann hielt seine Hand hoch und<br />
stoppte den Fahrer, <strong>der</strong> die erste Runde schon gewonnen hatte und deshalb um den großen Preis des Tages kämpfte. Gleichwohl hielt<br />
er sofort an, genau vor ihnen. Dann sah die Träumerin warum er angehalten wurde. Zwei Holzstücke traten aus <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>seite des<br />
Wagens hervor, wie die riesigen Fühler eines Insekts. Das war bei allen Autos im Traum so. Aber im Falle des führenden Wagens war<br />
eins dieser Holzstücke gebrochen und wäre <strong>der</strong> Wagen weitergefahren, hätte das unvermeidlich zu einem verhängnisvollen Unfall<br />
geführt. Anna war beson<strong>der</strong>s von <strong>der</strong> völligen Ruhe beeindruckt <strong>mit</strong> <strong>der</strong> <strong>der</strong> Fahrer den Verlust seines großen Preises hinnahm und<br />
von <strong>der</strong> Tatsache, daß er nicht einmal Befriedigung darüber zeigte, daß sein Leben gerettet war.<br />
Gerade am nächsten Morgen ging Anna im Wald in <strong>der</strong> Nähe ihres Hotels spazieren. Da sah sie zwei Bretter, die an einem Baum<br />
befestigt waren. Eins war gebrochen und hing genau wie im Traum herab. Diese Synchronizität beeindruckte sie außerordentlich,<br />
beson<strong>der</strong>s da ihr einfiel, wie Jung ihr einmal sagte, daß Träume die so in äußeren Ereignissen gespiegelt werden, bemerkenswert und<br />
wichtig waren.<br />
Der hervorragende Mann, <strong>der</strong> sie <strong>mit</strong> in die Umzäunung genommen hatte, ist klar eine Personifikation des Großen Geistes, so daß sie<br />
die Gelegenheit hatte die Geschehnisse im Traum von einem höheren Standpunkt aus zu betrachten. In seinem Kommentar zum<br />
»Geheimnis <strong>der</strong> Goldenen Blüte« sagt Jung, daß sich ein solcher Standpunkt in einigen seiner Patienten entwickelt habe und sie<br />
befähigte ihre alten Probleme von oben anzusehen. Die Probleme erschienen dann nur mehr als ein Gewitter, das unten im Tal tobt.<br />
Diese Gelegenheit wird Anna in ihrem Traum geboten. Anna war, wie wir wissen, sehr ehrgeizig und da dieser Zug hauptsächlich von<br />
ihrem Vater kam, wurde er natürlich von ihrem Animus weitergetragen. Das zeigt sich darin, daß <strong>der</strong> Fahrer um einen großen Preis<br />
kämpft. Aber die völlig neue Unbeschwertheit und Bereitschaft, Sieg o<strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lage zu nehmen, wie sie kommen und Leben o<strong>der</strong><br />
Tod <strong>mit</strong> demselben Gleichmut anzunehmen, zeigt doch, daß die Vereinigung zwischen ihrem positiven und ihrem negativen Animus<br />
erfolgreich abgeschlossen ist. Jung sagte oft, daß in solchen Träumen <strong>der</strong> Animus den Weg zeigt, den die Frau selbst gehen muß.<br />
Gerade an diesem Punkt riefen interessanterweise äußere Probleme Anna unerwartet früh in ihre Heimat zurück. Das gab ihr die<br />
Chance, den neuen Standpunkt, den ihr Animus ihr gezeigt hatte, in ihre äußere Realität hineinzubringen. Obwohl es sie viel Zeit und<br />
Mühe kostete den lebenslangen Ehrgeiz und Größenwahn aufzugeben, war sie darin schließlich doch erfolgreich.<br />
In ihrem Vortrag über aktive Imagination vor <strong>der</strong> Internationalen Gesellschaft für Analytische Psychologie in Rom 1977 hob<br />
Marie-Louise von Franz hervor, daß dieser Schritt, den sie die vierte Stufe <strong>der</strong> aktiven Imagination nennt, <strong>der</strong> wichtigste von allen ist.<br />
Wenn es uns nicht gelingt <strong>mit</strong> unserem wirklichen Leben zu verbinden, was wir in <strong>der</strong> aktiven Imagination als ethische Verpflichtung<br />
erfahren haben, haben wir es versäumt sie überhaupt ernst zunehmen. Diesen wesentlichen Schritt hat Anna Marjula gemacht und ich<br />
führe den Frieden. und das Glück ihres Alters zum größten Teil darauf zurück.