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getan worden seien und nichts <strong>mit</strong> ihrem Animus zu tun haben. Sie müsse lernen einen Unterschied zwischen ihnen zu machen. Der<br />

Animus ist <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> ihr unwi<strong>der</strong>legbare Ansichten über das was sie tun o<strong>der</strong> nicht tun soll anbietet, während <strong>der</strong> Schatten in die<br />

wirklich konkreten negativen Taten hineinschlüpft.<br />

Der Große Geist lenkt Annas Aufmerksamkeit hier auf etwas sehr Wichtiges. Es ist unklug, den Animus zu beschuldigen, wenn er<br />

nichts da<strong>mit</strong> zu tun hatte. Ich erfuhr das einstmals auf schmerzliche Art während meiner Analyse, als Jung während <strong>der</strong><br />

Weihnachtsferien abwesend war. Ich geriet schlimm außer mir und beschuldigte ganz und gar den Animus für meine rnißliche Lage,<br />

was die Sache nur noch schlimmer machte. In meiner ersten Analysestunde danach erzählte ich Jung, daß ich die ganzen Feiertage<br />

über schrecklich im Animus war. Er sah mich forschend an und sagte: »Ich glaube nicht, daß dies das Problem war. Was ist Ihnen zu<br />

Beginn <strong>der</strong> Ferien denn wirklich passiert?«. Ich erinnerte mich dann daran, daß jemand mich furchtbar verletzt hatte und ich<br />

verständnisvoll und »vernünftig« blieb, statt zu sehen, wieviel es mir tatsächlich ausmachte. Es war die unerkannte Emotion, die mich<br />

in Wirklichkeit aus <strong>der</strong> Bahn geworfen hatte und indem ich dem Animus die Schuld gab, woran er diesmal ganz unschuldig war, hatte<br />

ich ihn natürlich erbost und ihn zu einer zusätzlichen, wenn auch sekundären Schwierigkeit gemacht.<br />

Wie es oft bei <strong>der</strong> aktiven Imagination geschieht, stellte sich Annas großer Fehler als Glück im Unglück heraus. Er gab dem Großen<br />

Geist die Gelegenheit, Anna den Unterschied zwischen ihm und ihrem negativen Animus beizubringen, sowie die Unterscheidung<br />

zwischen dem letzteren und ihrem Schatten. Dieser erste Teil ihrer Gespräche endet <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Entwicklung ihrer Fähigkeit, diese drei<br />

Figuren auseinan<strong>der</strong> zuhalten und sie macht in den folgenden Gesprächen keine solchen Fehler mehr o<strong>der</strong> zumindest sieht sie es<br />

sofort, wenn sie es tut. Aber ihr fehlt noch die Urteilskraft über ihren eigenen positiven Animus o<strong>der</strong> Unbewussten Geist und das Bild<br />

des archetypischen Großen Geistes. Sie muß diese Unterscheidung auf schmerzhafte Art im Laufe <strong>der</strong> nächsten Gespräche lernen.<br />

Vermutlich kamen die Inspirationen von denen sie spricht, von ihrem persönlichen positiven Animus, obwohl solche Inspirationen<br />

teilweise auch aus dem archetypischen Bereich herzurühren scheinen. Dafür zeugt die Tatsache, daß sich <strong>der</strong> Zeitgeist in den Bil<strong>der</strong>n,<br />

Gedichten o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Musik eines individuellen Künstlers auszudrücken vermag.<br />

Zweite Serie von Gesprächen<br />

In dieser Zweiten Serie wünschte Anna sich vom Großen Geist Erleuchtung darüber, wie eine Beziehung zu Gottes dunkler Seite<br />

möglich ist und ob wir eventuell aufgerufen sind, das Böse bewußt zu tun. Es muß aber gleich darauf hingewiesen werden, daß es ein<br />

großer Unterschied ist, ob man bewußt Böses tut o<strong>der</strong> ob man unbewusst vom Bösen besessen ist, wie es überall um uns herum <strong>der</strong><br />

Fall zu sein scheint und es ist sehr verschieden davon, das Böse als gut zu betrachten. Im ersten Fall übernehmen wir die<br />

Verantwortung für das Böse das wir tun und wir haben sehr darunter zu leiden, daß wir es tun müssen - d.h. wenn wir im christlichen<br />

Glauben erzogen sind, daß alles Böse vom Teufel ist und sorgfältig gemieden werden muß, wie es bei Anna <strong>der</strong> Fall war. Dies paßte<br />

zu den Notwendigkeiten des Menschen von vor 2000 Jahren, als Jesus es predigte, aber heute ist es viel zu einseitig geworden, da es<br />

klar ist, daß unsere Aufgabe darin besteht beide Gegensätze anzunehmen und das beste daraus zu machen.<br />

Anna hat das realisiert und war durch das Problem, wie wir eine mögliche Beziehung zum Bösen herstellen können, aufgeschreckt.<br />

Jung schrieb in seinen »Erinnerungen« ein Kapitel <strong>mit</strong> dem Titel »Späte Gedanken«, als er schon über 80 war. Er sagt darin:<br />

Dem Licht folgt <strong>der</strong> Schatten, die an<strong>der</strong>e Seite des Schöpfers. Diese Entwicklung erreicht ihren Gipfel im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t. Jetzt ist die<br />

christliche Welt wirklich <strong>mit</strong> dem Prinzip des Bösen konfrontiert, nämlich <strong>mit</strong> offener Ungerechtigkeit, Tyrannei, Lüge, Sklaverei und<br />

Gewissenszwang. Diese Manifestation des ungeschminkt Bösen hat zwar bei dem Volk <strong>der</strong> Russen anscheinend permanente Gestalt<br />

angenommen, aber den ersten gewaltigen Brandausbruch bei den Deutschen ausgelöst. Da<strong>mit</strong> war unwi<strong>der</strong>leglich dargetan, bis zu<br />

welchem Grade das Christentum des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts ausgehöhlt ist. Dem gegenüber läßt sich das Böse nicht mehr durch die<br />

Ehphemie <strong>der</strong> privatio boni verharmlosen. Das Böse ist bestimmende Wirklichkeit geworden. Es kann nicht mehr durch<br />

Umbenennung aus <strong>der</strong> Welt geschafft werden. Wir müssen lernen da<strong>mit</strong> umzugehen, denn es will <strong>mit</strong>leben. Wie das ohne größten<br />

Schaden möglich sein sollte, ist vor<strong>der</strong>hand nicht abzusehen.<br />

Anna hat diese aktive Imagination nach Jungs Tod gemacht. Gleich nachdem die »Erinnerungen« veröffentlicht waren und im<br />

Gedanken daran, wie die Gestalt des Großen Geistes in ihrem Traum als Gleichgestellter zu Jung sprach, hoffte sie nun <strong>der</strong> Große<br />

Geist könnte sie lehren »<strong>mit</strong> dem Bösen zu leben« ohne die »schrecklichen Folgen«, falls das möglich wäre. Wie wir alle realisierte<br />

sie, daß diese Folgen einige o<strong>der</strong> uns alle je<strong>der</strong>zeit in einer furchtbaren Apokalypse überkommen könnte, aber wir beten natürlich<br />

immer noch alle <strong>mit</strong> Christus: »laß diesen Kelch an mir vorübergehen«, was ganz legitim ist, wenn wir trotzdem ehrlich hinzufügen:<br />

»Nicht mein Wille, son<strong>der</strong>n dein Wille geschehe.«<br />

Anna beginnt, indem sie den Großen Geist fragt, wie sie sich auf Gottes dunkle Seite beziehen kann. Er bittet sie zu überlegen, ob sie<br />

das wirklich wolle. Sie gibt zu, daß sie es nicht will, aber sicher ist, daß sie es muß. Er akzeptiert diese Antwort, rät ihr aber da<strong>mit</strong><br />

anzufangen, daß sie die Beziehung zu ihrer eigenen dunklen Seite aufnimmt und fügt hinzu: »Vielleicht meinst du, du hast das schon<br />

getan und ich gebe zu, daß dir dein Schatten in beträchtlichem Maße bewußt ist, aber du hast noch keine wirkliche Beziehung zu<br />

ihm.« Sie fragt ihn, ob er meint, daß sie ihre Einstellung dahingehend än<strong>der</strong>n muß, das Böse manchmal bewußt zu tun. Er erwi<strong>der</strong>t:

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