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moralische Bewertung unsicher fühlen. Trotzdem müssen wir uns ethisch entscheiden. Die Relativität von »gut« und »böse« o<strong>der</strong><br />

»schlecht« bedeutet keineswegs, daß diese Kategorien ungültig seien o<strong>der</strong> nicht existieren. Das moralische Urteil ist immer und<br />

überall vorhanden <strong>mit</strong> seinen charakteristischen psychologischen Folgen.<br />

Es ist nirgends so notwendig, diese Dinge im Gedächtnis zu behalten, wie bei <strong>der</strong> aktiven Imagination, obwohl sie die Schwierigkeiten<br />

beträchtlich erhöhen. Jedoch möchte ich betonen, daß - beson<strong>der</strong>s für die Introvertierten - die aktive Imagination ein goldener<br />

Schlüssel zum Erfassen <strong>der</strong> Wahrheit ist und daß sie uns dabei helfen kann <strong>der</strong> Wahrheit auch außen zu begegnen, wenn wir, wie<br />

heute, ständig dazu gezwungen werden.<br />

Es gibt eine sehr wichtige Regel, an <strong>der</strong> bei je<strong>der</strong> Technik <strong>der</strong> aktiven Imagination festgehalten werden sollte. Wenn wir in die<br />

Imagination eintreten, müssen wir unsere volle bewusste Aufmerksamkeit auf das richten, was wir sagen o<strong>der</strong> tun, genauso stark -<br />

o<strong>der</strong> sogar stärker -, wie wir es in einer wichtigen äußeren Situation tun würden. Das bewahrt uns davor, einer passiven Phantasie zu<br />

verfallen. Aber wenn wir alles getan o<strong>der</strong> gesagt haben was wir wollen, sollten wir unseren Geist leer machen, da<strong>mit</strong> wir hören o<strong>der</strong><br />

sehen können was das Unbewusste sagen o<strong>der</strong> tun will.<br />

Jung zitiert in »Psychologie <strong>der</strong> Übertragung« einen Abschnitt, <strong>der</strong> diese Leere sehr gut darstellt. Die Beschreibung findet sich in<br />

einem Brief des englischen Alchemisten Johu Pordage an seine Soror mystica Jane Leade. Er schreibt:<br />

„So dass, wenn <strong>der</strong> menschliche Wille übergeben o<strong>der</strong> gelassen, Leydend, still und als ein todtes Nichts worden, als denn die Tinctur<br />

[wir können auch sagen: das Selbst] alles in uns und für uns Thun und würcken wird, wenn wir von allen unsern Gedanken,<br />

Bewegungen und Einbildungen still stehen, o<strong>der</strong> feyren o<strong>der</strong> ruhen können. Aber wie schwer, hart und sauer kömmt diss Werck den<br />

menschlichen Willen an, bis er zu dieser Gestalt gebracht werden kann, dass er also still und gelassen stehen möge, wenn alle Feuer<br />

ihn zu richten los gelassen werden und alle Versuchungsarten auf ihn anstürmen!“<br />

Hier stimmt Pordage genau <strong>mit</strong> den Schriften Meister Eckharts überein, <strong>der</strong> auch den menschlichen Willen dafür verantwortlich<br />

macht, daß er nicht Gottes Willen ausführt. Wenn wir uns sorgfältig prüfen, werden wir finden, daß unseren eigenen Weg gehen zu<br />

wollen, die Ursache dafür ist, daß wir die Offenbarungen des Unbewussten nicht sehen o<strong>der</strong> hören können. Den ausdauernden Zustand<br />

zu erreichen, den Pordage beschreibt, ist tatsächlich eine Lebensaufgabe. Ich habe ihn nur einmal erreicht gesehen, von Jung selbst.<br />

Und sogar er erlangte ihn nicht bis zu seiner langen Krankheit im Jahr 1944, als er fast siebzig war. Er sagt darüber:<br />

Es war aber noch ein an<strong>der</strong>es das sich mir aus <strong>der</strong> Krankheit ergab. Ich könnte es formulieren als ein Ja-Sagen zum Sein, ein<br />

unbedingtes »Ja« zu dem, was ist, ohne subjektive Einwände. Die Bedingungen des Daseins annehmen, so wie ich sie sehe - so wie<br />

ich sie verstehe. Und mein eigenes Wesen akzeptieren, so wie ich eben bin.<br />

Diesen Zustand gerade für so lange zu erreichen, daß man den Standpunkt des Unbewussten sehen o<strong>der</strong> hören kann, ist<br />

glücklicherweise leichter und er ist absolut wesentlich für jede Technik <strong>der</strong> aktiven Imagination.<br />

Die Technik für beide Methoden, die visuelle wie auch die akustische, besteht zuallererst in <strong>der</strong> Fähigkeit, die Dinge auf die Art<br />

geschehen zu lassen, die Jung in den aus dem Kommentar zum »Geheimnis <strong>der</strong> Goldenen Blüte« zitierten Passagen beschreibt. Aber<br />

es darf den Bil<strong>der</strong>n nicht gestattet werden sich wie ein Kaleidoskop zu verän<strong>der</strong>n. Wenn zum Beispiel das erste Bild ein Vogel ist,<br />

kann es sich blitzschnell in einen Löwen, ein Schiff auf See, eine Schlachtszene o<strong>der</strong> irgend etwas verwandeln wenn es sich selbst<br />

überlassen bleibt. Die Technik besteht darin, die Aufmerksamkeit auf das erste Bild zu konzentrieren und den Vogel nicht entfliehen<br />

zu lassen, bis er uns erklärt hat, warum er uns erschienen ist, welche Botschaft aus dem Unbewussten er uns bringt o<strong>der</strong> was er von<br />

uns wissen will. Und schon sehen wir die Notwendigkeit selber in die Szene o<strong>der</strong> die Unterredung einzutreten. Wenn dies unterlassen<br />

wird, nachdem wir gelernt haben die Dinge geschehen zu lassen, dann wird sich die Phantasie entwe<strong>der</strong> wie beschrieben verän<strong>der</strong>n,<br />

o<strong>der</strong> sie wird auch wenn wir am ersten Bild festhalten, eine Art passives Kino o<strong>der</strong> Radiobotschaft bleiben. Die Dinge geschehen<br />

lassen zu können ist sehr wichtig, aber es wird schnell schädlich wenn wir uns ihnen zu lange hingeben. Das Ziel <strong>der</strong> aktiven<br />

Imagination ist es uns <strong>mit</strong> dem Unbewussten zu einigen und dazu müssen wir eine Auseinan<strong>der</strong>setzung <strong>mit</strong> ihm haben für die wir<br />

unseren eigenen festen Standpunkt. Brauchen.<br />

Es ist äußerst hilfreich die Odyssee nochmals unter dem Gesichtspunkt <strong>der</strong> aktiven Imagination zu lesen, weil wir in ihr das<br />

Zwischenspiel zwischen Bewusstsein und Unbewusstem für unsere eigene aktive Imagination beobachten können. Der Standpunkt des<br />

Unbewussten ist in <strong>der</strong> Odyssee sehr schön im Verhalten <strong>der</strong> Götter dargestellt, seine positive hilfreiche Seite wird beson<strong>der</strong>s gut<br />

durch Pallas Athene gezeigt und seine negative zerstörerische Seite durch Poseidon. Der mächtigste von allen Göttern, Zeus, steht<br />

manchmal auf <strong>der</strong> einen, manchmal auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite.<br />

Der bewusste Standpunkt wird gleichfalls gut von <strong>der</strong> Hauptfigur Odysseus verkörpert und in den Abschnitten, wo Odysseus<br />

abwesend ist, auch von solchen Gestalten wie Telemachos (seinem Sohn) o<strong>der</strong> Menelaos. Obwohl Menelaos nur im vierten Buch <strong>der</strong><br />

Odyssee vorkommt, ist doch er es, <strong>der</strong> uns eine beson<strong>der</strong>e Lektion in <strong>der</strong> Technik <strong>der</strong> aktiven Imagination erteilt. Die Wichtigkeit bei

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