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Trotzdem war es im Traum offensichtlich, daß das Wagnis irgendwie gefährlich sein könnte o<strong>der</strong> warum sollte Jung sie sonst<br />

schützend verbergen und ihre Hand halten? Aber daß neue Energie in sie durch diesen Kontakt einströmte, ließ das Wagnis <strong>der</strong> Mühe<br />

wert erscheinen. Sehr klug hielt Anna den Kontakt zur Großen Mutter aufrecht und war von Anfang an bei diesem Abenteuer ihrer<br />

vollen Zustimmung sicher. Tatsächlich mischte sich die Große Mutter mehr als einmal ein, als die Sache schwierig wurde und rettete<br />

die Situation.<br />

Diese Gespräche <strong>mit</strong> dem »Großen Geist«, wie Anna ihn nannte, waren genauso lang und unhandlich wie die Originalfassung ihrer<br />

Gespräche <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Großen Mutter und benötigten ein gut Teil Kürzung, bevor sie in dieses Buch aufgenommen werden konnten. Sie<br />

ordnete sie in <strong>der</strong> Form von Vorlesungen als Fortsetzung von »Anna Marjula«. Aber zu <strong>der</strong> Zeit näherte sie sich dem Alter von 90 und<br />

außerdem inspirierte sie <strong>der</strong> Große Geist, Gedichte in ihrer eigenen Sprache zu schreiben. Daher bat sie mich, die Kürzungen für sie<br />

vorzunehmen und gab mir die Vollmacht <strong>mit</strong> dem Material zu verfahren, wie es mir am besten zu sein schien<br />

Ich fühlte mich nicht imstande, es in <strong>der</strong> ersten Person o<strong>der</strong> als imaginären Vortrag zu belassen, zudem hat <strong>der</strong> Leser diese Form schon<br />

in Annas Gesprächen <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Großen Mutter erlebt. Deshalb beschloß ich, die wichtigsten Punkte herauszugreifen und den Rest<br />

zusammenzufassen, wie auch bei den an<strong>der</strong>en Fällen.<br />

Die erste Serie <strong>der</strong> Gespräche<br />

Anna hatte große Schwierigkeiten diese Gespräche zu beginnen, denn ihre einzige Erfahrung des Animus war bisher die einer<br />

persönlichen negativen Figur gewesen, die die unglücklichen Erlebnisse <strong>mit</strong> ihrem Vater ihr eingeprägt hatten. Jedoch war <strong>der</strong> Vater<br />

trotz seiner blinden Unbewusstheit gegenüber seinen Töchtern auch ein sehr intelligenter vornehmer Mann. Daher hatte ihr Animus<br />

auch eine mehr positive Seite, die sie nie gesehen hatte und hinter ihr stand das archetypische Bild des Großen Geistes. Aber alle diese<br />

Aspekte waren hoffnungslos durcheinan<strong>der</strong> und <strong>mit</strong>einan<strong>der</strong> verschmolzen, als sie diese Gespräche begann, so daß <strong>der</strong> erste Teil sich<br />

ausschließlich <strong>mit</strong> ihrer Entwirrung und <strong>der</strong> Zurücknahme von Annas Projektion ihres negativen Macht-Animus auf die an<strong>der</strong>en<br />

Aspekte bezog.<br />

Anna versucht sogleich zu dem archetypischen Bild zu sprechen, obwohl sie es nur sehr undeutlich sieht und sagt, daß ihr negativer<br />

Animus dazwischen steht. Der Große Geist erwi<strong>der</strong>t, daß diese Figur viel kleiner als er sei und dies nur so sein kann, wenn Anna dem<br />

negativen Animus so nahesteht, daß er die viel größere Figur auslöschen kann. Er beklagt sich auch, daß sie zuviel Angst vor <strong>der</strong><br />

kleineren Figur habe, während ihr Ton zu stolz ist, wenn sie sich an ihn, den Großen Geist, wende.<br />

Am nächsten Tag sagt sie ihm, wie sehr ihr dieses Gespräch geholfen hat und sie spürt, daß sie etwas von ihrer Angst in Ehrfurcht für<br />

ihn verwandeln konnte. Aber <strong>der</strong> Große Geist sagt, es sei umgekehrt, sie habe ihre Aggression gegen ihn in eine bescheidenere<br />

Haltung umgewandelt und dadurch etwas von ihrer Furcht vor seinem »kleinen Bru<strong>der</strong>«, wie er ihren persönlichen Animus nennt,<br />

neutralisiert.<br />

Anna hatte einiges von Meister Eckhart gelesen und war ganz sicher, daß wir unsere Art für Gottes Art aufgeben müssen, o<strong>der</strong> in<br />

psychologischer Sprache, daß das Ego zugunsten des Selbst abdanken muß. Deshalb fragt sie den Großen Geist, ob er ihr dabei helfen<br />

könne, sich Gottes Willen zu fügen. Er antwortet, daß es ihre Sache sei, ob sie sich »willig« füge, aber er könne sie allgemein wissen<br />

lassen was Gott von ihr wolle. Aber, fügt er hinzu, dies sei gerade das, was sie nicht wissen wolle, sie fürchte sich viel zu sehr davor,<br />

darum gebeten zu werden, ihr Kreuz auf sich zu nehmen. Deshalb ziehe sie es vor, von seinem kleinen Bru<strong>der</strong> besessen zu sein. Sie<br />

betrachte das als harmlos im Vergleich zu dem was Gott von ihr wünschen könnte. Anna klagt dann, daß sie sich, obwohl <strong>der</strong> Große<br />

Geist sie von ihrer Angst vor seinem kleinen Bru<strong>der</strong> heilt, nun vor ihm vielmehr fürchtet als jemals vor ihrem negativen Animus!<br />

Im nächsten Gespräch beschuldigt sie sich selbst <strong>der</strong> Inflation. Die Erwähnung des Kreuzes bewirkte, daß sie sich <strong>mit</strong> Jesus<br />

identifizierte und sich wie<strong>der</strong>um als viel mehr betrachtete, als sie wirklich war. (Viele ihrer Gespräche <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Großen Mutter waren ja<br />

dadurch getrübt, daß sie »eine große Frau« werden wollte!) Der Große Geist betont, daß nicht er, son<strong>der</strong>n sie selber diejenige ist, die<br />

Gottes Willen in Bezug auf ihr Leben erfahren will.<br />

Wegen <strong>der</strong> Verschmelzung ihres eigenen positiven Animus <strong>mit</strong> dem Großen Geist schreibt sie alle Antworten, die sie erhält, dem<br />

letzteren zu. Das ist an sich schon genug Ursache für eine Inflation und es zeigt uns warum es notwendig ist bei <strong>der</strong> aktiven<br />

Imagination zwischen individuellen und kollektiven Elementen zu unterscheiden. Genau wie eine Frau, die zum ersten Mal ihren<br />

negativen Animus zu sehen beginnt, ihn oft als Satan selbst betrachtet, kann sie auch ihren eigenen Unbewussten Geist als den Großen<br />

Geist an sich verkennen.<br />

Anna bemerkt in ihrem nächsten Gespräch, daß sie größtenteils selber redet, was sie als töricht betrachtet, wenn sie von ihm lernen<br />

will. Wie ich in meinem Kommentar zu Hugo von St. Viktor gezeigt habe, ist das ein Fehler, den sie <strong>mit</strong> vielen, ja den meisten<br />

<strong>mit</strong>telalterlichen Aufzeichnungen solcher Gespräche gemeinsam hat, <strong>der</strong> sogenannte Dialog ist in Wirklichkeit ein Monolog des<br />

Schreibers selbst. Aber Anna hat für solche Mißgriffe weniger Entschuldigung, denn es gehört zur Technik des Gespräches bei <strong>der</strong><br />

aktiven Imagination, zuerst selbst zu sprechen o<strong>der</strong> eine Frage zu stellen und dann den Geist ganz leerzumachen, so daß man die

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