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Patientin: Dann unterwerfe ich mich.<br />

Große Mutter: Wenn du diese Mission nicht erfüllen kannst, wird es an<strong>der</strong>e Frauen geben, die bereit sind sie zu übernehmen.<br />

Vielleicht dient deine Aufgabe dazu einen Anfang zu schaffen. Es ist nicht wichtig, ob du o<strong>der</strong> jemand an<strong>der</strong>er sie vollbringt. Jemand<br />

muß den Anfang machen und ein Anfang erfor<strong>der</strong>t äußerste Anstrengung.<br />

Patientin: Was soll ich tun?<br />

Große Mutter: Als du in deiner Phantasie kopfüber am Seil hingst und in dieser Feuerprobe nicht gefallen bist, wurdest du durch diese<br />

ganze auf den Kopf gestellte Lage befruchtet. Erinnere dich an das, was du vorhin gesagt hast: »Einst ist Gott vom Himmel zu Erde<br />

gekommen, jetzt muß die Erde das hervorbringen was im Himmel fehlt. « Du bist eine von denen, die dabei helfen müssen, daß das<br />

geschieht. Du mußt deine Faszination durch den Animus opfern. Wenn eine ausreichende Anzahl von Frauen das tut, dann kann Satan<br />

in den Himmel auffahren. Der Gedanke jedoch, daß du es allein erreichen mußt, ist das Ergebnis einer Inflation. Solche Gedanken<br />

sind Animus-Ideen. Du bist eine Frau unter vielen, die aufgerufen sind, Gott o<strong>der</strong> Satan o<strong>der</strong> ihren eigenen Animus zu befreien. Ich<br />

habe dich gerade eben einen Augenblick in deiner Inflation gelassen, weil ich dich testen wollte (o<strong>der</strong> Gott testete dich), ob du<br />

demütig sein kannst. Du kannst es, du hast es gerade bewiesen.<br />

Patientin: Ich bin sehr verwirrt. Was genau ist passiert?<br />

Große Mutter: Siehst du, sobald du das Gefängnis deines Animus öffnest - was Satans Aufstieg för<strong>der</strong>n würde -, versucht er sogleich,<br />

dich zu besitzen, indem er dich inflationiert. Folglich kam dieser geschwollene Gedanke in dir hoch, die Idee, nur du seist aufgerufen,<br />

Gott zu helfen. Das ist natürlich nicht <strong>der</strong> Fall. Die Weiblichkeit ist aufgerufen und du mußt deinen Teil in großer Bescheidenheit<br />

beitragen. Du mußt deinen Animus befreien, nicht auf einen Schlag, son<strong>der</strong>n Stück um Stück, Schritt für Schritt. Und nicht in <strong>der</strong><br />

Ekstase, indem du <strong>mit</strong> ihm in den Himmel fliegst, son<strong>der</strong>n indem du für den Rest deines Erdenlebens Bescheidenheit lernst. Behalte<br />

die Frauen auf dem Hauptplatz deiner Stadt im Gedächtnis, von denen du geträumt hast. Sie feierten die Befreiung vom Animus und<br />

du warst so privilegiert, Zuschauerin bei diesem Befreiungsfest zu sein. Heute hast du selbst zu handeln begonnen und nun bist du<br />

dabei, du bist eine von diesen Frauen. Du mußt in deiner niedrigen Sphäre das tun, was wir Archetypen des kollektiven Unbewussten<br />

in unserem geistigen Reich tun werden. Der zu männliche Gott in dir ist dein Animus. Heile seine Inflation, in <strong>der</strong> er glaubt, er sei<br />

Gott o<strong>der</strong> Satan. Indem du deinen Animus von Satan freimachst, hilfst du letzterem zur Quaternität aufzusteigen. So spielst du deine<br />

Rolle im himmlischen Drama und du wirst spüren, daß du daran teilhast.<br />

Nun muß ich dich vor einer drohenden Gefahr warnen, du wirst dich dem Risiko aussetzen, selber schrecklich inflationiert zu werden.<br />

Sei dir dieser Gefahr bewußt, die ganze Zeit. Nur durch dich kann die Inflation deines Animus aufgehoben werden. Du kannst <strong>mit</strong> ihr<br />

fertig werden, indem du bewußt leidest. Zudem wird die Inflation nicht die einzige Gefahr für dich sein. Die Deflation ist genauso<br />

schlecht. Fühl dich nicht min<strong>der</strong>wertig, wenn du siehst, daß du in einer Inflation warst, fühle dich menschlich bescheiden.<br />

Vergiß nie, daß es Gott war, <strong>der</strong> nach dir um Hilfe rief, obwohl du nicht das einzige Geschöpf bist, das er gerufen hat. Sei geduldig.<br />

Laß die Dinge nach ihrem eigenen Gang wachsen. Sei immer <strong>mit</strong> deinem Schatten. Denn es ist nicht sicher, daß du nun für immer in<br />

dem bleibst, was du »die Welt hinter <strong>der</strong> Neurose« genannt hast. Vielleicht wirst du Rückfälle haben. Geh durch sie hindurch, wenn<br />

du mußt. Sei tapfer und aufmerksam!<br />

Mit diesen Worten verabschiedete sich die Große Mutter für längere Zeit von ihrer Schülerin. Offensichtlich war diese Lehrerin <strong>der</strong><br />

Meinung, daß die Patientin jetzt reif genug war, um auf eigenen Beinen zu stehen. Und allgemein gesagt war sie es wohl, wenn auch<br />

einige Probleme geblieben sind, die zu lösen waren.<br />

Im ganzen betrachtete die Patientin sich nicht mehr als neurotisch. Sie mied gewisse schwierige Situationen, das ist wahr und sie<br />

fürchtete sich noch ein wenig vor möglichen Rückfällen, denen sie eher ausweichen würde als sie zu riskieren. Wenn sie ruhig lebte,<br />

könnte sie ein beträchtliches Maß an Arbeit leisten. Und sie hatte die Befriedigung, daß die Leute sie lieber mochten und daß einige<br />

tatsächlich ihre Gemeinschaft suchten.<br />

Was den Individuationsprozeß betrifft, dessen Entwicklung ich im Laufe dieser Vorlesungen gezeigt habe, anerkannte die Patientin<br />

völlig, was sie dem Jungschen Gedankengut allgemein und <strong>der</strong> Methode <strong>der</strong> aktiven Imagination im beson<strong>der</strong>en verdankte. Darüber<br />

hinaus brachte sie ihren Analytikerinnen und <strong>der</strong>en unerschöpflicher Liebe und Geduld, die sie durchgetragen hatten und über lange<br />

Perioden <strong>der</strong> Verzweiflung wie<strong>der</strong> aufgerichtet, ein warmes Gefühl <strong>der</strong> Dankbarkeit entgegen.<br />

Vor allem verspürte sie tiefe und echte Dankbarkeit gegenüber <strong>der</strong> erhabenen Gestalt, <strong>der</strong> Großen Mutter, ihrer hervorragenden<br />

Lehrerin, die sie <strong>mit</strong> archetypischer Nahrung genährt hatte. Zu Ehren dieser großen Persönlichkeit soll ihr das letzte Wort in Form<br />

eines letzten Gespräches gegeben werden. Es war nicht das letzte in <strong>der</strong> Reihe, aber es soll hier diese Serie von Gesprächen<br />

abschließen.<br />

Es fand statt, als die Große Mutter und ihre Schülerin in <strong>der</strong> geistigen Welt weilten, die die Patientin erreicht hatte, nachdem die

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