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Große Mutter: (den Animus unterbrechend und sich an die Patientin wendend): Das ist wahr. Er war <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> dich veranlaßte in<br />

<strong>der</strong> Musik weiterzukommen. Aber ich war die noch tiefere Ursache. Ich ließ ihn dich antreiben. Ich gab ihm einen Zeitvertreib um<br />

seiner Einmischung in meine Arbeit vorzubeugen, die darin bestand dein Unbewusstes auf die spätere Individuation vorzubereiten.<br />

Die Individuation ist jetzt dein Ziel.<br />

Mit heiler Haut aus dem Streit <strong>mit</strong> Satan und ihrem Animus herausgekommen, hatte die Patientin einen wichtigen Traum, <strong>der</strong> ihren<br />

seelischen Himmel auf eine wun<strong>der</strong>bare Weise klärte.<br />

Traum<br />

Die Patientin war in großer Eile um zum Bahnhof zu gelangen, aber sie kam nicht vorwärts. Sie wird von einem Jungen auf einem<br />

Roller überholt, <strong>der</strong> ihr aus lauter Freude an <strong>der</strong> Geschwindigkeit zuruft. Er ist vorüber und schon ein gutes Stück voraus, als sie sieht,<br />

daß er <strong>mit</strong> voller Geschwindigkeit <strong>mit</strong> seinem Roller stürzt. Sein Kopf schlägt auf die Pflastersteine. Das geschieht dreimal. Die<br />

Patientin kann ihm nicht zu Hilfe kommen, weil sie ihren Zug erreichen muß. Sie ist ohnehin schon spät dran. Zudem geschehen diese<br />

Unfälle zu weit weg, die Entfernung ist zu groß für sie um zurückzulaufen. Sie fragt nach einem Taxi, aber es wird ihr gesagt, heute<br />

seien keine Taxis da. Sie versucht zum Bahnhof zu rennen, aber ihre Beine sind wie Blei.<br />

Die Stadt, in <strong>der</strong> sie sich vorwärts kämpft, ist die Hauptstadt ihres Heimatlandes und sie kommt zum Hauptplatz. Hier ist es unmöglich<br />

weiterzugehen, weil eine große Prozession von Frauen, offenbar eine Demonstration, stattfindet und den Weg blockiert. Die Frauen<br />

sind dabei ein Spiel o<strong>der</strong> ein Gleichnis aufzuführen. Die Patientin ist nun in Begleitung einer an<strong>der</strong>en Frau. Zusammen finden sie<br />

Plätze auf einer Art privater Tribüne, von wo aus sie die Vorstellung sehen können. Da bis jetzt niemand auf <strong>der</strong> Plattform ist, können<br />

sie ihre Sitze frei auswählen. Die Patientin wäre gern in <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>sten Reihe gesessen, aber sie ist bereit sich ihrer Begleiterin<br />

anzuschließen und sich <strong>mit</strong> Plätzen in <strong>der</strong> hinteren Reihe zufriedenzugeben. Außerdem fragt sie sich, ob das Ganze nicht ein Irrtum<br />

ist, denn sie sind offenbar zur königlichen Tribüne gekommen.<br />

Die Deutung des Traumes<br />

Der Traum bestätigt, daß die Patientin recht hatte, wenn sie den Individuationsweg wählte, statt auf die verlockenden Vorschläge ihres<br />

Animus zu hören. Der kleine Junge auf dem Roller ist ein junger Animus und vermutlich war er es, <strong>der</strong> sie neulich in Versuchung<br />

führte, die Analyse zugunsten ewiger musikalischer Begeisterungen <strong>mit</strong> ihm aufzugeben. Für den Animus ist es natürlich immer hoch<br />

in den Himmel zu fliegen. Diese seine Tendenz zeigt sich in seiner Geschwindigkeit, die in einer Katastrophe endet, aber seine ewige<br />

Natur befähigt ihn solche Unglücksfälle zu überleben. Hätte sie sich ihm angeschlossen, dann wäre sie es gewesen, die den totalen<br />

Zusammenbruch erlitten hätte. Es ist ihr gelungen diese Falle zu umgehen.<br />

Im Traum war es richtig von ihr, den Animus sich selbst zu überlassen, aber sie war im Irrtum, was ihr Ziel betraf. Das Ziel schien es<br />

zu sein den Zug zu erreichen. Ein Taxi war nicht zu haben, sie mußte zu Fuß gehen (was <strong>der</strong> individuellste Weg des<br />

Vorwärtskommens ist, während das Taxi ein mehr kollektives Mittel ist). Sie versucht zu rennen, aber ihre Beine sind wie Blei. Das<br />

Motiv <strong>der</strong> Schwere in den Träumen zeigt generell an, daß wir das Ziel, das wir anstreben, nicht erreichen sollen. Wir sollten es gegen<br />

ein an<strong>der</strong>es Ziel austauschen. Genau das geschieht im Traum. Die Patientin denkt nicht mehr an ihren Zug, sobald sie den Hauptplatz<br />

<strong>der</strong> Stadt erreicht, wo sie als Zuschauerin einer Prozession absorbiert wird.<br />

In Wirklichkeit war Ruhm <strong>der</strong> Zug, nach dem sie gerannt ist. Diese Hoffnung muß nun zugunsten des allumfassenden Zieles <strong>der</strong><br />

Individuation aufgegeben werden. Der Traum gibt ihr nähere Einzelheiten über ihre wahre Bestimmung, indem er sagt, daß sie im<br />

Zentrum <strong>der</strong> Stadt und im Herzen ihres Heimatlandes ihre Wurzeln hat. Es ist ein Mandala, ein Symbol für das Selbst. In <strong>der</strong> äußeren<br />

Realität wurde nach dem Zweiten Weltkrieg auf diesem Platz ein nationales Denkmal errichtet, daß an die Befreiung von den Nazis<br />

und von ihrem ungeheuren Animus Hitler erinnern soll. Die Frauen im Traum sind dabei, ein Spiel o<strong>der</strong> Gleichnis um dieses Denkmal<br />

herum aufzuführen und die Assoziationen <strong>der</strong> Patientin informieren uns über das Wesen des Stückes, denn das Spiel ist <strong>mit</strong> einem<br />

berühmten Gedicht verbunden, das von einer bekannten Dichterin ihres Landes verfasst worden ist. Dieses Gedicht beschreibt ein<br />

Fest, das von Frauen zu Ehren <strong>der</strong> Befreiung von innerer Sklaverei gefeiert wurde und <strong>der</strong> Traum benutzt dieses Symbol, um<br />

auszudrücken, daß »die Frauen« (d.h. alle Frauen in <strong>der</strong> Patientin selbst, die Ganzheit ihrer Person) das Opfer ihrer<br />

Animusbesessenheit feiern, das sie zugunsten und zu Ehren des Selbst gebracht haben. Diese Darstellung, bei <strong>der</strong> sie Zuschauerin ist,<br />

findet im Zentrum ihrer eigenen Seele statt.<br />

Sie ist <strong>mit</strong> ihrem Schatten zusammen und um dieses Schattens willen ist sie bereit in <strong>der</strong> hinteren Reihe <strong>der</strong> Tribüne zu sitzen. Wir<br />

müssen dankbar sein, daß die Bescheidenheit des Schattens sie davon abhält, Plätze in <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>en Reihe zu wählen, denn diese<br />

scheint die königliche Tribüne zu sein, zu <strong>der</strong> sie zugelassen sind. Und bestimmt sollte nicht das Ich, son<strong>der</strong>n das Selbst in <strong>der</strong><br />

vor<strong>der</strong>en Reihe sitzen. Die Tribüne ist ein Symbol für ihren sogenannten »geistigen Beobachtungsposten«, <strong>der</strong> in ihrer »Welt hinter<br />

<strong>der</strong> Neurose« liegt, die zu erreichen ihr die Große Mutter bei ihrem Übergang zur an<strong>der</strong>en Seite des Abgrundes geholfen hat. Im<br />

Traum bekommt die Patientin keine Inflation, weil sie sich ihres Schattens bewußt ist und bereitwillig die Verantwortung für ihn

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