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Große Mutter: Es war eine gigantische Krise.<br />

Patientin: Was ist <strong>mit</strong> dem Animus geschehen?<br />

Große Mutter: Wäre er nicht unsterblich, dann wäre er gestorben. Laß ihn nun in meiner Obhut. Deine Aufgabe ist es, dich um dich<br />

selbst und deinen Schatten zu kümmern.<br />

5. Entwicklungen<br />

Als die Patientin die letzten Dialoge durchgelesen und darüber nachgedacht hatte, begann sie zu sehen, was die Konsequenzen einer<br />

Beziehung zwischen ihrem eigenen Schatten und einem Animus waren, <strong>der</strong> verdorben genug war, ein geheimes Verhältnis <strong>mit</strong> Satan<br />

zuhaben. Sie sah, daß dieser Schatten sein ganzes Blut (und das Blut <strong>der</strong> Patientin selbst) dieser fatalen Zusammenballung von<br />

Animus, Schatten des Vaters und Teufel gab. Diese Einsicht bedeutete einen großen Schritt auf ihrem Individuationsweg und jede<br />

höhere Ebene, die sie auf <strong>der</strong> Spirale erreichte, gab ihr einen ausgedehnteren Blick, <strong>der</strong> Vergangenheit und Zukunft einschloß.<br />

Nach dem beinahe <strong>mit</strong>telalterlichen Akt <strong>der</strong> Teufelsaustreibung, den die Große Mutter an ihr vollzogen hatte, war die Patientin frei,<br />

sich dem dritten Bereich von Männlichkeit in ihrer Seele zuzuwenden, den wir als das »Bild <strong>der</strong> männlichen Gottheit selbst« erkannt<br />

haben, zu dem ein positiv entwickelter Animus eine Brücke bilden und dadurch das Ich zur Teilhabe daran befähigen kann.<br />

Religiöse Gedichte<br />

Der kreative Animus war schon (abgesehen von den musikalischen Inspirationen) in einer Reihe von religiösen Gedichten erschienen,<br />

die die Patientin zu dieser Zeit zu schreiben begonnen hatte. Der Inhalt eines dieser Gedichte wird in ihrer weiteren Entwicklung eine<br />

Rolle spielen. Es ver<strong>mit</strong>telt eine klare Vorstellung von dem Einfluß, den ihr negativer Vaterkomplex auf ihre religiösen Anschauungen<br />

hatte.<br />

In diesem Gedicht, genannt »Die Harfe Gottes«, vergleicht sie ihre Seele <strong>mit</strong> einer Harfe, die sie Gott darbringt. Sie beschreibt welche<br />

Mühe sie sich gemacht hat, die Saiten zu stimmen und wie sie den goldenen Rahmen abgestaubt und poliert hat, da<strong>mit</strong> er hell scheint.<br />

Als diese sorgfältigen Vorbereitungen beendet waren, bietet sie ihre Harfe Gott dar, indem sie betet, daß seine göttlichen Finger die<br />

Saiten berühren möchten. Als sie ihr Gedicht als fertig betrachtete, geschah etwas Merkwürdiges und völlig Unerwartetes. Sie hörte<br />

eine männliche Stimme, die Stimme Gottes, die im Rhythmus und Reim ihres Gedichtes zu ihr sagte, daß er, Gott, jetzt gerade nicht<br />

gestört werden wolle. Und außerdem wolle er ihre menschliche Harfe gar nicht. Er habe schon das Universum als Harfe gewählt,<br />

<strong>der</strong>en goldene Saiten die Sonnenstrahlen seien.<br />

So weit zeigt das Gedicht deutlich, daß <strong>der</strong> negative Vaterkomplex sogar diese höchste Ebene betroffen hat, die Ebene auf <strong>der</strong> Gott<br />

ihre Harfe (nämlich ihre Liebe) zurückweist. Im menschlichen Bereich konnte ihre frauliche Liebe, wie wir gesehen haben, keinen<br />

Partner erreichen. Statt dessen ließ sie sich durch ihre Faszination von ihrem Animus besitzen und quälen. Und auf <strong>der</strong> geistigen<br />

Ebene weigert sich Gott nun auf ihrer Harfe zu spielen, d.h. ihre Liebe anzunehmen. Aber diesmal wird sie von mächtigen<br />

Persönlichkeiten unterstützt, von archetypischen Figuren wie auch von menschlichen Personen.<br />

Sie hat die Gelegenheit, ihr Gedicht zusammen <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Antwort Gottes, Jung vorzulesen. [Der folgende Bericht über Jungs<br />

Erklärungen sollte nicht wörtlich genommen werden, son<strong>der</strong>n eher als das Echo, das sie in <strong>der</strong> Seele <strong>der</strong> Patientin ausgelöst haben.]<br />

Sie erwartete, daß er herzlich lachen würde, beson<strong>der</strong>s über Gottes Antwort, aber das war nicht <strong>der</strong> Fall. Jung nahm das Ganze gar<br />

nicht als Witz, er nahm im Gegenteil die Sache sehr ernst und sagte zu ihr sie könne es nicht dabei belassen. Sie müsse eine Antwort<br />

an Gott finden, eine Antwort die Gott dazu inspirieren könnte, daß er nicht nur über die wun<strong>der</strong>baren Sonnenstrahlen bewußt wird,<br />

son<strong>der</strong>n auch über seine Verpflichtung auf <strong>der</strong> Harfe <strong>der</strong> menschlichen Seelen zu spielen. Es sei Gott, <strong>der</strong> die Menschen geschaffen<br />

habe und deshalb müsse er seinen Anteil an <strong>der</strong> Verantwortung für ihre Seelen akzeptieren.<br />

Diese Ansicht über ihr Gedicht, von <strong>der</strong> Jung sagte, daß sie seine Antwort an Gott wäre, war für die Patientin zunächst keine Hilfe. Es<br />

harmonierte irgendwie nicht, es war eine Einmischung in ihre Beziehung zu Gott. Die Schwierigkeit mag darin bestanden haben, daß<br />

sie noch keine klare Anschauung des Gottesbildes hatte, daß in ihrer Seele lebte. Bis jetzt hatte sie Gott dem christlichen Dogma<br />

gemäß als »absolut« verstanden, d.h. für sich bestehend und unberührt durch menschliche Bedingungen. Aber wir werden sehen, daß<br />

<strong>der</strong> Gott, über den die Große Mutter und die Patientin in folgenden Unterhaltungen sprechen, eher ein »relativer« Gott ist, nämlich ein<br />

Gott dessen Existenz in gewissem Sinne von einem menschlichen Subjekt <strong>mit</strong>tels gegenseitigem und notwendigem Wechselspiel<br />

abhängt. Im Falle unserer Patientin war dieser Gott bzw. das Gottesbild zunächst negativ gefärbt, weil die Verzweigungen ihres<br />

negativen Vaterkomplexes sich bis in diese göttliche Ebene erstreckten. Es war nun das Ziel dieses Bild zu reinigen.<br />

Die Große Mutter greift seine Negativität in den kommenden Unterredungen auf und hilft <strong>der</strong> Patientin eine Beziehung dazu<br />

herzustellen, indem sie <strong>der</strong>en Aufmerksamkeit auf die kollektive Eigenschaft ihrer Störung und ihres Ursprungs im kollektiven

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