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ihm. Du liebtest ihn weil er in <strong>der</strong> Tat sehr liebenswert war. Teilweise war seine väterliche Liebe ganz richtig und mehr als recht. Aber<br />

es gab diese Perversität in ihm. Als du ein sehr kleines Kind warst, zeigte er dir seine Geschlechtsteile und seine Lust, um dich von<br />

Begierde überwältigt zu sehen. Aber er wußte davon nichts, er war so ahnungslos wie ein Kind. Jetzt kommt dein Schatten hinein. Sie<br />

hatte es gern.<br />

Patientin: Bitte, Große Mutter, darf ich <strong>mit</strong> dir sprechen und nicht <strong>mit</strong><br />

Große Mutter: Nein, geh bis zum bitteren Ende und höre ihre Rede. (Die Patientin willigt ein und hört dem Schatten zu.)<br />

Schatten: Ich hatte das Gefühl einfach gern, teils Lust, teils Angst, teils Schuld und ich wollte es gern <strong>mit</strong> ihm zusammen erleben. Ich<br />

kam mir als großartiges Mädchen vor und ich war über deine Dummheit überlegen. Natürlich spürte er unbewusst, daß er dich durch<br />

mich kriegen konnte. Und ich als Schatten spielte <strong>mit</strong> seinem Schatten.<br />

Große Mutter (den Schatten unterbrechend und zur Patientin redend): Versuche nun bitte diesen Schatten in dir selbst zu erkennen,<br />

fühle dich verantwortlich für sie.<br />

Patientin: Ich kann mich erinnern, daß ein warnen<strong>der</strong> Instinkt mir gesagt hat, daß die Sache nicht in Ordnung war.<br />

Große Mutter: Dieser Instinkt war auch <strong>der</strong> Schatten, es war ein an<strong>der</strong>er Teil von ihr. Wenn du auf deinen Instinkt gehört hättest,<br />

hättest du wohl deinen Vater von dir weggestoßen, jedenfalls bei den späteren Gelegenheiten als du älter warst. Aber du ermutigtest<br />

ihn. Weißt du, wie du ihn ermutigt hast?<br />

Patientin: Ich fürchte, ich hatte den Kontakt gern.<br />

Große Mutter: Ja. Du hegtest Freuden, Ängste und Schmerzen in deinem eigenen Unbewussten, anstatt dich von seiner Unbewusstheit<br />

und seinen Perversionen zu trennen. Du gabst dem dunkelsten Schatten deines Vaters Libido, indem du dich weigertest seine Sünde zu<br />

sehen und das trotz deines warnenden Instinktes. Du darfst nicht deine eigene Schuld wegschieben indem du deinen Vater entlastest.<br />

Er ist nicht nur <strong>der</strong> väterliche liebende Vater und du das gehorsame unschuldige Kind. Nein! Er näherte sich seiner kleinen Tochter<br />

<strong>mit</strong> perversen Absichten und sie mochte das und gab nach. Fast ein Vater-Tochter-Inzest! Nur noch ein kleiner Schritt und er wäre im<br />

Gefängnis gelandet. Natürlich wurde dieser kleine Schritt nicht getan und ihr habt euch beide in die »rechtschaffene« Achtbarkeit<br />

zurückgezogen und die inzestuösen Neigungen durch scheinbare Unschuld überdeckt. Noch heute stehst du unter dem Bann dieser<br />

ganzen Sache. Nun brich diesen Bann! Weigere dich, dich weiterhin <strong>mit</strong> falscher Ehrbarkeit deines Vaters zu belasten. Sieh seinen<br />

Schatten an und stoße ihn weg, indem du deinen Vater streng beurteilst. Und übernimm die volle Verantwortung für die Rolle, die<br />

dein eigener Schatten in <strong>der</strong> Tragödie gespielt hat. Erleide den Abscheu, den du für sie fühlst, erdulde ihn vollständig! Vielleicht wird<br />

dir deine beleidigte Natur dann vergeben und das Gleichgewicht deiner Seele kann endlich wie<strong>der</strong>hergestellt werden!<br />

Traum<br />

Um dieses Gespräch zu bekräftigen, hatte die Patientin einen Traum über einen Schmuggel, <strong>der</strong> an irgendeiner Grenze stattfand. Ihre<br />

Analytikerin erklärte den Schmuggel im Traum als eine Art Unehrlichkeit, die wir ersinnen, wenn wir unangenehme Gedanken zur<br />

Grenze und hinter die Grenze des Bewusstseins abschieben. Und die Analytikerin fügte hinzu: »Die meisten Menschen denken, sie<br />

seien unschuldig, wenn sie nichts von den Taten wissen, die sie begehen. Aber Jung zeigt uns, daß wir doch schuldig sind, wenn wir<br />

nichts davon wissen. Es nicht zu wissen, ist die Schuld.«<br />

Als nächsten Schritt auf ihrem Individuationsweg mußte die Patientin ihre menschliche Mutter durch die Augen ihrer archetypischen<br />

Mutter sehen.<br />

Siebzehntes Gespräch <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Großen Mutter<br />

Große Mutter: Es wird schwierig für dich sein, weil du sie so sehr liebtest, aber wir müssen nun die Rolle anschauen, die deine Mutter<br />

in deinem »Familien-Schrecken« spielte. Deine Mutter war nicht so unbewusst wie dein Vater, aber sie war schwach und leicht zu<br />

beeinflussen. Sie liebte ihren Mann über alles und konnte seine dunkle Seite we<strong>der</strong> annehmen noch sehen. Sie machte denselben<br />

Fehler wie du. Du ahmtest sie nach. Das geschah wegen deiner participation mystique <strong>mit</strong> ihr. Sie unterdrückte ihre Kenntnis vom<br />

gefährlichen Schatten ihres Gatten, denn er sollte ihr unbefleckter Held bleiben. Sie wußte nicht viel über ihren eigenen Schatten,<br />

son<strong>der</strong>n lebte in seiner falschen Rechtschaffenheit. Das tat sie aus Treue und Milde gegen ihn. Sie war zu sehr eins <strong>mit</strong> ihm und hatte<br />

insofern an seinem Verbrechen teil, als sie ihre Kin<strong>der</strong> nicht genügend schützte. Sie ergab sich seinem Schatten und mußte dafür<br />

sterben. Der Teufel nahm ihren Körper und vergiftete sie tödlich.<br />

Ein archetypischer Aspekt <strong>der</strong> Familientragödie<br />

Nun da wir die Familientragödie in ihrem persönlichen Aspekt sorgfältig untersucht haben, scheint es nicht mehr verfrüht zu sein,

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